lohas.

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lohas.
Lohas.
Alte Werte, neue Wege
Nachhaltige Unternehmer trotzen der Krise. Jürgen Baur backt in
Rosenheim frisches Brot nach altem Rezept. Thomas Herzog baut
in Hagen aus gebrauchten Brettern moderne Designermöbel.
28 BMW Magazin connect
Die dicke Kruste hält die drei Kilo schweren Aran-Brote lange frisch (links).
Das Regal „Frank“ entsteht aus alten Möbeln und wird über das Designportal www.zweitsinn.de verkauft.
lohas.
Frischer brotgeruch und
natürliche materialen:
aran läden sind orte zum
wohlfühlen.
Jürgen Baur ist im Schwarzwald aufgewachsen, gleich neben einer Backstube. Bis heute hat der 54-Jährige
nicht den Geruch und Geschmack
der dickkrustigen, frisch gebackenen
Laibe vergessen, wenn sie aus dem
Ofen kamen. Als Baur mit seiner Frau
Sabine vor elf Jahren sein Unternehmen gründete, sollte eben jene Kindheitserinnerung eine entscheidende
Rolle spielen. Denn das gute alte Brot
war in Deutschland rar geworden. Das
ist es vielerorts bis heute. Und weil
Baur nicht nur ein nostalgischer Träumer, sondern auch ein erfahrener
Kaufmann ist, der lange bei einer internationalen Modemarke arbeitete,
erkannte er seine Chance. Schon als
kleiner Junge hatte er viel Zeit im Krämerladen seiner Großmutter verbracht. „Wenn meine Freunde im
Schwimmbad waren, musste ich
meist Birkelnudeln in die Regale räumen“. Und die Nachbarn klingelten
auch sonntags, wenn sie noch Sahne
für die Feiertagstorte brauchten.
„Seitdem weiß ich, was zufriedene
Kunden bedeuten.“ Heute wohnt Baur
in einem renovierten alten Färberhaus
im Zentrum von Rosenheim. Die
Nachbarn klingeln nicht mehr an der
Haustür, wenn sie sonntags noch etwas brauchen. Dafür haben die Baurs
jetzt ihren Laden im Erdgeschoss.
Denn ihr Konzept ist aufgegangen.
„Aran – Brotgenuss und Kaffeekult“
steht auf dem Schild über dem Eingang. Und nicht nur dort. Baurs Brotgeschäfte – über 20 Filialen sind es
schon, bei einem Gesamtumsatz von
rund 14 Millionen Euro – gibt es inzwischen in ganz Süddeutschland. Jürgen und Sabine Baur sahen sich endgültig auf dem richtigen Weg, als sie
vor fünf Jahren die ersten Zeitungsartikel über eine neue Gruppe nachdenklicher Konsumenten lasen. In
Sabine und Jürgen Baur in ihrem renovierten alten Färberhaus in
Rosenheim. Im Erdgeschoss befindet sich ein Aran Laden.
den modernen „Lohas“-Anhängern
– der Lifestyle of Health and Sustainabilty, also ein gesunder und nachhaltiger Lebensstil – erkannten sie ihre
kaufkräftige und qualitätsbewusste
Zielgruppe wieder. Ihre Kunden. Menschen, die wegen der schmackhaften
Brote zu Aran kommen, nicht wegen
billiger Sonderangebote. Die sich eher
für fairen Handel und schadstofffreien
Anbau von Arabica-Kaffeebohnen
interessieren, als für deren künstliche
Aromatisierung. Die gerne etwas länger in einem von lokalen Schreinern
eingerichteten Cafés verweilen, als
mit einem „Latte to Go“ in der Hand
über die Straßen zu hetzen. Mit seinem Gespür für Kundenwünsche
hatte Jürgen Baur ein Gastronomiekonzept entwickelt, das perfekt in das
erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends passte. Dabei ist sein wichtigstes Rezept eigentlich gar keine Zauberei, sondern die Wiederentdeckung
des Bewährten: Die drei Kilo schweren
Brotlaibe, die bei Aran verkauft werden, bleiben wie in den alten Schwarzwälder Backhäusern zu Großmutters
Zeiten extra lange im Ofen. Nur wer
sich beim Backen Zeit nimmt, davon
ist Jürgen Baur überzeugt, erhält den
intensiven Geschmack und die dicke
Kruste unter der das Brot auch ohne
Konservierungsstoffe länger frisch
bleibt. Seinen ersten Laden in Rosenheim betrieb Familie Baur noch persönlich, genau drei Jahre lang. Die
großen Laibe holte er jeden Morgen
in einer nahe gelegenen Klosterbäckerei. Noch heute achtet der FirmenBMW Magazin connect 31
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gründer darauf, dass das SauerteigBrot für jede Filiale lokal und ohne
Zusatzstoffe gebacken wird. Die
Dresdener Filiale beliefert ein ehemaliger Professor, der dafür seinen Talar
an den Nagel hing. Nach den Jahren
an der Universität wollte er lieber wieder morgens in der Backstube stehen
– wie schon sein Vater und Großvater.
Nach getaner Arbeit behält er etwas
Sauerteig zurück, um damit das Backgut für den nächsten Tag anzurühren.
So leben die Brotkulturen der ersten
Stunde in jedem neuen Brot fort.
Gutes nicht einfach wegschmeißen
– das ist auch die Grundhaltung der
Arbeit von Thomas Herzog. Seit 12
Jahren leitet er in den nordrheinwestfälischen Städten Hagen und
Iserlohn zwei besondere Möbelhäuser. Bei „Möbel & Mehr“ entstehen
neue Designstücke aus gebrauchtem
Mobiliar. In einem Industriebau am
Stadtrand von Hagen sammelt Herzog alten Hausrat und gebrauchte
Möbel. Täglich rollen 29 LKW-Ladungen an die breite Laderampe –
Schränke, Betten, Küchen, Hausge-
Thomas Herzog im Lager des Gebrauchtmöbelhauses „Möbel & Mehr“ in Hagen (links).
Seine Mitarbeiter gestalten aus alten Möbeln frische Designobjekte.
räte. Thomas Herzog weiß: „Von
jährlich sieben Millionen Tonnen Möbelmüll in Deutschland enden 95 Prozent in der Müllverbrennung.“ Er
möchte das ändern. Und er hat die
Stadtverwaltung auf seiner Seite. Die
führt die Möbelhäuser als gemeinnütziges Projekt – denn Herzog hat die
Sperrmüllmenge in den Städten stark
reduziert. Dem Unternehmer sind die
alten Möbel zu wertvoll zum Verfeuern. Aber nicht, weil er sie noch schön
findet, sondern weil er sie als wertvolle Rohstoffe sieht. Gerade Stücke
aus den 50er und 60er Jahren sind
häufig hochwertiges Schreinerhandwerk. Damals gab es noch keine SBMärkte für Mitnahmemöbel aus
Sperrholz. Ein neuer Einrichtungsgegenstand war eine wichtige Anschaffung – und so waren die Möbel damals
auch gebaut. „Durch ihre gute Konstruktion können sie nahezu beliebig
oft auf- und abgebaut werden. Billige
Text: Michael Seitz; Fotos: Oliver Fiegel, Dominik Gigler
In den Werkstätten der Gebrauchtmöbelhäuser arbeiten Polsterer, Schreiner und Maler. Tischlerin Aisha Ersahin (rechts) entwarf aus
einem alten Unterschrank eine Singleküche (Mitte).
Möbel von heute überstehen dagegen nicht einmal eine Wohnungs­
renovierung“, sagt Herzog.
Er und sein Team sind deshalb zu
Umgestaltern in eigener Sache geworden. Sie geben den alten Möbeln
ein frisches Design und manchmal
auch völlig neue Funktionen. So entwirft die Tischlermeisterin Aisha Ersahin aus großen Unterschränken
bunt bemalte Küchenzeilen mit Kochfeld und Spüle. Andere Mitarbeiter
entnehmen alten Kommoden ihre
Schubladen und steckt sie im Dutzend in eine neues Design-Möbelstück mit dem Namen „Tausendschub“. Vor fünf Jahren weckten die
Selfmade-Designer das Interesse
eines Forschungsprojekts der TU
Dortmund. Die Wissenschaftler
staunten über das erfolgreiche Projekt. Sie erkannten aber auch, was
damals noch fehlte: die Vernetzung
der Handwerker mit richtigen Designern. Und eine überregionale Vermarktung der neu gestalteten Möbel.
So wurde aus dem Forschungsprojekt die Zweitsinn GmbH. Seitdem
„viele Alte Möbel sind
einfach zu schade für
die müllverbrennung“
gibt es die aktuellen Kollektionen
auch online. Heute ist Möbelrecycling
sogar in der Öffentlichkeit ein
Trendthema. Immer mehr kritische
Konsumenten hinterfragten die Energiebilanz und die Herstellungsmethoden ihrer Möbel. Moderne Lohas-Anhänger interessier ten sich für
nachhaltige Möbel mit Patina. Studenten wollten weg vom Einheitsregal
und suchten bezahlbare Unikate. Renommierte Designer entdeckten
Sperrmüll als Werkstoff. Die Vorbilder
der Szene sind die brasilianischen
Stardesigner Fernando und Umberto
Campana, die bereits Mitte der 90er
Jahre aus gebrauchten Plüschtieren
oder Seilen Sessel entworfen hatten.
Heute sind ihre Möbel Kunst und stehen im Museum of Modern Art in New
York. Auch Zweitsinn gewinnt jedes
Jahr mehr Aufmerksamkeit. Im Jahr
2009 möblierte der Zweitsinn-Designer Oliver Schübbe mit seinem Sofa
„Pixelstar“ den deutschen Pavillon der
Biennale in Venedig. Das Sofa mit
dem bunt zusammen gewürfelten
Polsterbezug aus Stoffresten und
Schübbes Regal „Frank“ aus
schwungvoll zersägten Sperrholzplatten sind die Topseller des Unternehmens. Heute parken vor Thomas
Herzogs Gebrauchtmöbelhaus in Hagen neben Kleintransportern auch
sparsame Premium-Automobile oder
Hybridmodelle. Die neuen Kunden
mögen das Prinzip, Dingen einen
zweiten Sinn zu geben, die Umwelt zu
schonen und Werte zu bewahren. Für
ein Aranbrot oder einen fair gehandelten Espresso reicht die Zeit nach dem
Einkauf allerdings noch nicht – die
nächste Aran Filiale liegt 350 Kilometer entfernt in Speyer. Noch.
www.aran.de | www. zweitsinn.de