PDF - Handbuch Spina bifida

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Darmspülung über eine Appendikostomie (Malone
antegrade-continence-enema, Malone procedure, MACE)
Prinzip
Der Wurmfortsatz (Appendix) des Blinddarmes (Zäkum) wird durch die Bauchdecke nach außen
geleitet, das untere Ende des Wurmfortsatzes operativ eröffnet und in die Haut eingepflanzt. So
entsteht ein Zugang (Appendikostoma) zum Blinddarm. Über diese Öffnung kann eine körperwarme
Flüssigkeit (z.B. Wasser oder Kochsalzlösung oder Ringerlösung) gegeben werden. Die Menge der
Spülflüssigkeit sollte die Tagestrinkmenge nicht übersteigen. Die Flüssigkeit wird durch die
natürliche Bewegung des Darmes (Peristaltik) weiter transportiert und so der Stuhl im Enddarm
(Colon ascendens, Colon transversum, Colon descendens, Sigma, Rektum) verdünnt und ausgespült.
Hierdurch soll für einige Tage eine von Stuhlgang ausscheidungsfreie Zeit erreicht werden.
Vorläufige Bewertung
Diese Methode der Enddarmentleerung kann bei eindeutiger Indikationsstellung zu einer
Verbesserung der Kontinenz beitragen und wird als eine Möglichkeit der Kontinenzsicherung
empfohlen, wenn andere Maßnahmen der Enddarmentleerung fehlschlagen. Die erreichte
Kontinenzdauer ist unterschiedlich lang. In der Regel beträgt sie 3-4 Tage, kann aber auch kürzer
oder länger sein.
Voraussetzungen: Die regelmäßig auszuführende Darmspülung und die Dauer der Entleerung sind
relativ zeitaufwändig und verlangen ein hohes Maß an Selbstständigkeit. Die feinmotorischen
Fähigkeiten zum Auffinden des Stomas müssen vorliegen. Die äußere Öffnung darf nicht in einer
Bauchhautfalte liegen.
Mögliche Nachteile: Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt es zu einer Verengung des
Wurmfortsatzes an seiner äußeren Öffnung (Stomastenose), was eine (kleine) operative Korrektur
erforderlich macht.
Anus praeter(naturalis)
Prinzip:
(Meist) im Bereich des (absteigenden) Dickdarmes (Colon descendens) wird der Darm operativ
durch die Bauchdecke herausgeleitet und eröffnet. Über die so geschaffene Öffnung (Stoma) wird
der Stuhl herausgeleitet und in einem Beutel aufgefangen. So gelangt kein Stuhl in den gelähmten
Darmabschnitt, womit eine sichere Kontinenz erreicht wird. Der Darm kann zurückverlagert werden,
wenn sich die belastenden Folgen der Inkontinenz (Durchfälle, nicht beherrschbare Inkontinenz,
Geruchsbelästigung u.a.) verbessern oder verlieren sollten.
Bewertung:
Die künstliche Ableitung von Stuhl kann in Einzelfällen, vor allem bei wiederholt auftretenden
dünnen Stühlen, die bei einer Afterlähmung nicht beherrschbar und deshalb mit einem erheblichen
pflegerischen Aufwand und einer sozialen Belastung verbunden sind, eine wesentliche Entlastung
bedeuten. Durch die verwendeten Hilfsmittel (s.u.) ist eine Geruchsneutralität zu erreichen.
Anhang
Hilfsmittel zur Stomaversorgung bei Anus praeter
Anerkannte Hilfsmittel nach dem Hilfsmittelverzeichnis“ der gesetzlichen Krankenkassen:
– Anus praeter-Bandagen
– Kompressionsbandagen mit Pelotte
– Stomakappen
– Stuhlauffangbeutel
– Auffangbeutel für den Dauergebrauch
– Ausstreifbeutel
– Klebebeutel
– Zubehör für Auffangbeutel
– Leibgurt
– Hautkleber
– Weiteres Zubehör (Klemmen, Handschuhe)
Hautreiniger, Hautpflegematerial, Desinfektionsmaterial usw. sind als „Medikamente“
verordnungsfähig.
Grazilisplastik
Prinzip:
Operatives Verfahren, bei dem aus dem Musculus gracilis (der seine Nervenversorgung aus dem N.
obturatorius (L1 – L4) erhält, eine Schlinge gebildet wird, die um den gelähmten After gelegt wird.
Hierdurch lässt sich der After (theoretisch jedenfalls) verschließen.
Methode:
Ablösen des Musculus gracilis von seinem Ursprung in unmittelbarer Nachbarschaft des Afters
(Tuberculum pubicum und Symphyse). Schlingenbildung um den After. Hierdurch steht ein aktiv zu
bewegender Muskel, der den After schließen und öffnen kann.
Bewertung:
1. Eine Grazilisplastik kann nur ausgeführt werden, wenn der Muskulus gracilis bei Lähmungen
unterhalb von L4 neurologisch intakt ist.
2. Auch ein ursprünglich intakter Musculus gracilis kann z.B. durch die Auswirkungen eines thered
cord allmählich seine Funktion verlieren.
3. Die Operation hat nach anfänglichem Optimismus die Erwartungen auf eine Verbesserung der
Kontinenz nicht erfüllt. Die Technik wird heute nur noch in seltenen Fällen angewandt.
Sakraler Sphinkterersatz (SSE)
Prinzip:
Unter die (Schleim-) Haut des gelähmten Afters wird ein Magnetring eingenäht. Nach der
Einheilung des Ringes lässt sich der Ring mit einem auswechselbaren Analtampon verschließen, der
einen Magnetkern enthält und der den Tampon in seiner Position in der künstlichen Afteröffnung
hält.
Bewertung:
Die Öffnung des Magnetringes ist nicht weit genug, um die Ausscheidung dickerer und verhärteter
Kotballen, die bei der meist vorliegenden lähmungsbedingten Verstopfung zu erwarten sind,
zuzulassen. Es besteht die Gefahr, dass der unter der Afterschleimhaut liegende Magnetring durch
verhärteten Stuhlgang herausgerissen wird. Die Methode ist deshalb bei Spina bifida Patienten nicht
angezeigt. Über neuere Versuche mit Kunststoff-Sphinktern wird berichtet, eine abschließende
Bewertung ist nicht möglich.