Jeux Dramatique - Humanwissenschaftliche Fakultät

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Jeux Dramatique - Humanwissenschaftliche Fakultät
Universität zu Köln
Humanwissenschaftliche Fakultät
Department Heilpädagogik
Dr. Jürgen Münch / Prof. Dr. Kerstin Ziemen
WS 08/09 und SS 09
Seminar: SDK 4: Inklusive Bildung und Erziehung von SchülerInnen mit dem
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung - Inklusive Schulentwicklung
in Köln
Gruppe 8: Peter-Petersen-Schule am Rosenmaar
Pascal Barkowski (pkb194@gmx.de)
Carolin Koch (Carolin.Koch@web.de)
Anna-Lena Jahnke (annalenajahnke@web.de)
Kathy Sokolowski (kathy.sokolowski@yahoo.de)
„Jeux Dramatique“
Projektbericht zur sozialen Integration
im Rahmen des „Jeux Dramatique“
an der Peter-Petersen Schule am Rosenmaar
Inhalt
1.
Fragestellung.............................................................................. 4
2.
Forschungslage zur sozialen Integration ................................ 6
2.1
Fragen der sozialen Integration ....................................................................6
2.2
Entwicklungen
der
Integration
von
Schüler/Innen
mit
dem
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung von 1999 bis 2006 und aktuelle
Tendenzen.....................................................................................................8
2.3
Studie zur Einstellung gegenüber geistig behinderter Kinder und deren
Integration an allgemeinen Schulen (Vergleich 1974 und 2003) ...............10
2.4
Fähigkeiten zur Bildung sozialer Beziehungen unter Kindern...................12
2.5
Förderung der sozialen Integration.............................................................13
3.
Forschungsmethodischer Rahmen ........................................ 16
3.1
Methode: Beobachtung...............................................................................16
3.2
Indikatoren..................................................................................................17
3.3
Dokumentation und Auswertung................................................................18
4.
Didaktisch-methodischer Rahmen ........................................ 19
4.1
„Jeux Dramatique“......................................................................................19
4.1.1
Ziel der „Jeux Dramatiques“ ..............................................................20
4.1.2
Geschichten im „Jeux Dramatique“....................................................21
4.1.3
Spielregeln des „Jeux Dramatique“ ....................................................22
4.1.4
Ablauf des „Jeux Dramatique“ ...........................................................23
4.2
5.
Vorgehensweise und Zeitplan.....................................................................24
Ergebnisse ................................................................................ 27
5.1
Darstellung der Befunde .............................................................................27
5.1.1
„Das kleine Ich-bin-Ich“.....................................................................27
5.1.2
„Etwas von den Wurzelkindern“ ........................................................29
5.2
Interpretation der Befunde..........................................................................32
2
5.2.1
Nahad..................................................................................................32
5.2.2
Olida ...................................................................................................35
5.2.3
Zusammenfassung ..............................................................................36
6.
Evaluation ................................................................................ 39
6.1
„Evaluationsspinne“ ...................................................................................39
6.2
Evaluation des Gesamtprojektes.................................................................40
7.
Fazit .......................................................................................... 45
8.
Quellen...................................................................................... 46
9.
Anhang ..................................................................................... 50
Tabellen
Tabelle 1: Hypothesenliste (nach Markowetz 2003) ....................................................7
Tabelle 2: Vorlage des Beobachtungsbogens .............................................................16
Tabelle 3: Indikatoren für soziale Integration ............................................................17
Tabelle 4: Projektplanung...........................................................................................25
3
1. Fragestellung
Zu unserer Forschung an der Peter-Petersen-Grundschule haben wir uns als Praxisprojekt das so genannte „Jeux Dramatique“ ausgesucht, welches eine Art pantomimisches Ausdrucksspiel bezeichnet.
Da ein Mitglied schon einige Erfahrungen im Umgang mit dem „Jeux Dramatique“
gesammelt hat, schlug sie das Thema für unser Projekt vor und die Idee fand schnell
Anklang in der ganzen Gruppe und bei den Lehrerinnen unserer Stammgruppen in
der Schule. Bevor wir uns jedoch als Gruppe für das Thema definitiv entschieden,
betrachteten wir die Methode vor dem Hintergrund der entwicklungslogischen Didaktik nach Feuser und auch vor dem Hintergrund der Inneren Differenzierung nach
Klafki. Die Methode des „Jeux Dramatique“ ermöglicht es im Sinne Feusers Forderungen, die didaktische Struktur der allgemeinen integrativen Pädagogik einzuhalten.
So stellt das „Jeux Dramatique“ einen gemeinsamen Gegenstand dar, der eine innere
Differenzierung im Sinne Feusers und Klafkis zulässt. Jeder Schüler, ob behindert
oder nicht behindert, wird innerhalb des „Jeux Dramatique“ auf Basis seiner persönlichen Erfahrungswelt und seinen individuellen Kompetenzen betrachtet, wobei der
Schüler vor diesem Hintergrund agieren kann. Bezüglich der inneren Differenzierung
schafft das „Jeux Dramatique“ Chancengleichheit und optimale Lernmöglichkeiten
für jedes Kind. Ebenso fördert es die Selbstständigkeit, die Kooperationsfähigkeit
und die Fähigkeit des sozialen Lernens (vgl. Feuser 1995 & Klafki 1996).
Von Anfang an war uns die Teilhabe aller, oder zumindest einer relativ großen Schülerzahl an dem Projektvorhaben, wichtig. Wir waren uns einig, dass wir für unser
Projekt nicht nur einzelne Schüler oder Kleingruppen aus der Stammgruppe isolieren, sondern mit einer größeren Schülerzahl arbeiten wollen, um einen besseren Einblick in die Vorgänge der Integration an der Peter-Petersen-Schule zu erzielen. Vor
allem die soziale Integration der Schüler mit Behinderung innerhalb der Klasse hat
bei uns ein großes Interesse geweckt, da sie ein wesentlicher Bestandteil von schulischer Integration ist. „Schulische Integration ist nicht nur eine Frage des Prinzips und
der besonderen Bildungsbedürfnisse, sondern auch weitere individuell-persönliche
Vorraussetzungen, wie z.B. soziale Komponenten, persönliche Wahl- und Entscheidungsfreiheit, subjektiv-emotionale Bedürfnisse (integriert sein wollen, sich integ-
4
riert fühlen) spielen eine wichtige Rolle.“ (Bürli 2003, S. 6). Somit kamen wir für
unser Praxisprojekt zu folgender Forschungsfrage:
In wieweit ist ein Schüler mit Förderbedarf im Rahmen des „Jeux Dramatique“ in
seiner Klasse sozial integriert?
Die Fragestellung der sozialen Integration erschien uns passend zu den Möglichkeiten im Spiel. Verschiedene Sequenzen und Abläufe im „Jeux Dramatique“ können
mit Bezug auf soziale Integration der Schüler untersucht werden. Hierbei können
sowohl der Beginn des Spiels, die Aufteilung der Rollen als auch das Spiel selbst
dazu gebraucht werden, um die Positionen der Schüler in der Gruppe und ihre Interaktionen herauszuarbeiten.
Es sollen natürlich vor allem die Schüler mit Förderbedarf betrachtet werden, aber
auch Aktion und Verhalten der nichtbehinderten Kinder gegenüber ihren „behinderten“ Klassenkameraden. Hier könnte das Verhalten der integrativen Kinder dem
Verhalten der nichtbehinderten Mitschüler gegenübergestellt werden.
Die Ergebnisse unseres Projektes wären auch für die Stammgruppen und die Lehrer
interessant, um eine Momentanaufnahme der Verhältnisse der Schüler untereinander
zu gewinnen und diese Ergebnisse möglicherweise mit einem früheren Stand zu vergleichen und die Entwicklung der Klassengemeinschaft festzuhalten.
5
2. Forschungslage zur sozialen Integration
2.1 Fragen der sozialen Integration
Markowetz (2003) hat bereits mehrere Fragestellungen formuliert, die für das Forschungsinteresse zum Thema schulische Integration von Kindern und Jugendlichen
mit geistiger Behinderung relevant sein könnten.
In einigen Schulversuchen zum Gemeinsamen Unterricht orientierte man sich schon
an einigen dieser Fragen. Diese Fragen könnten auch für unsere Untersuchung an der
Peter-Petersen-Schule relevant sein und zur Orientierung bei unserem Projekt dienen:
•
Welchen sozialen Status haben die geistig behinderten Schüler?
•
Leidet das Selbstwertgefühl der geistig behinderten Schüler?
•
Was für ein Bild entfalten die geistig behinderten Schüler von sich? (Selbstbild)
•
Was für ein Bild haben die nichtbehinderten Schüler von ihren geistig behinderten Mitschülern? (Fremdbild)
•
Wie verlaufen soziale Interaktionen?
•
Wie verläuft die Kommunikation zwischen den geistig behinderten und nicht
behinderten Schülern?
•
Welche Interaktions- und Kommunikationsprobleme ergeben sich?
•
Welche Schulleistungen erbringen dabei die nichtbehinderten und die geistig
behinderten Schüler?
Es gibt jedoch nur eine Langzeit-Einzelfallstudie, die sich, in einem Zeitraum von 10
Jahren, unter anderem mit der Sozialisation und Entwicklung in Integrationsklassen
beschäftigt.
Köbberling und Schley lieferten 2000 einen umfassenden Abschlussbericht, der „das
komplexe Struktur- und Entwicklungsgefüge von Integration widerspiegelt.“ (Markowetz 2003, S. 208).
Die These „Entstigmatisierung durch Integration“ wird durch die Aussage: „Das
Modell gemeinsamen Lernens in den heterogenen Lerngruppen der Integrations-
6
gruppen hat auch in der Sekundarstufe Akzeptanz gefunden, und es hat sich zur Förderung der Entwicklung sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten bewährt“ (vgl. Köbberling/Schley 2000, S. 168), bestärkt.
Unterrichtende Pädagogen, Eltern und behinderte Schüler beurteilten den gemeinsamen Unterricht durchweg als positiv. Die meisten behinderten Schüler dieser Studie
haben zu Ende der Schulzeit ein gutes Selbstbewusstsein entwickelt und können sich
selbst und ihre Leistungen realistisch einschätzen. Zwei Schüler haben in dieser Zeit
jedoch die Klasse verlassen und auf eine Förderschule gewechselt. Folglich gibt es
behinderte Schüler, die den Weg der Integration nicht schaffen, sich einsam und isoliert fühlen. Dieses Empfinden der Einzelnen erstreckte sich meist auf alle Lebensbereiche: Freizeit, Schule, Gesellschaft. Das bekräftigt den Ansatz, dass schulische
Integration alleine nicht ausreicht. Die „Entstigmatisierung durch Integration“, muss
in allen Feldern gegeben sein: Familie, Kindergarten, Schule, Arbeit/Beruf, Freizeit,
Wohnen/Leben, Gesellschaft (vgl. Markowetz 2003, Abb.1, S. 172). Demnach muss
die pädagogische Arbeit in der Schule, aber auch in allen anderen Bereichen, fortgesetzt werden.
Des Weiteren stellt Markowetz eine Hypothesen-Liste auf, die aus den Integrationsbefürwortern und –skeptikern sprechen könnte, und bringt hier pro- und contraArgumente.
Tabelle 1: Hypothesenliste (nach Markowetz 2003)
Pro
Contra
Schüler mit geistiger Behinderung
Schüler mit geistiger Behinderung
• werden angenommen.
• nehmen einen schwierigen Stand,
eine „Sonderstellung“ ein.
• profitieren von nichtbehinderten
Schülern.
• sind sozial isoliert.
• fühlen sich wohl und verstanden.
• werden schlecht akzeptiert.
• sind gut am Unterricht beteiligt.
• werden gehänselt, stigmatisiert,
nicht ernst genommen, höchstens
• erfahren soziale Akzeptanz.
bemitleidet.
• wissen, dass ihre Mitschüler nicht
• fühlen sich emotional unwohl.
schlecht und abfällig von ihnen
reden, also eine gute Meinung
• bekommen ihre Behinderung
haben.
deutlich zu spüren und täglich vor
Augen geführt.
• haben keine Kommunikationsprobleme, können sich also gut
• wissen nicht so recht, warum sie
7
•
•
mitteilen.
lernen viel und machen gute Entwicklungsfortschritte.
erleben keinen Schaden an ihrer
Person.
•
•
•
•
•
hier sind und was sie tun und leisten sollen.
können nicht angemessen mit ihren nichtbehinderten Mitschülern
kommunizieren.
erfahren zu wenig sonderpädagogische Förderung.
haben Identitätsprobleme.
äußern Schulunlust oder haben
Schulängste.
erleben zu viele Nachteile
2.2 Entwicklungen der Integration von Schüler/Innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung von 1999 bis 2006 und aktuelle Tendenzen
Die KMK (Kultusministerkonferenz) veröffentlichte sowohl im Jahr 2005 als auch im
Jahr 2008 Statistiken, die die jeweiligen Entwicklungen in der Integration geistig
behinderter Schüler in allgemeinen Schulen aufzeigen sollen. Sie bietet einen Gesamtüberblick, an welchen Schulen Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige
Entwicklung unterrichtet werden und zeigt außerdem die unterschiedlichen Integrationsquoten in den verschiedenen Bundesländern in Deutschland auf. Der Zeitraum
von 9 Jahren bietet zudem Vergleichsmöglichkeiten und die Möglichkeit, Aussagen
über Tendenzen der vergangenen Jahre zu machen.
Aus der älteren Statistik ist zusammenfassend zu sagen, dass sich, auf Grund der
relativ unveränderten Integrationsquote kein Indiz für einen positiven Trend in der
Integration von Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zeigt.
Bei den Integrationsquoten der Bundesländer zeigten sich jedoch erhebliche Unterschiede. Ein Beispiel für eine große Differenz sind die Integrationsquoten zwischen
Sachsen-Anhalt, wo 0,18 % der Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in allgemeine Schulen integriert sind, und Hamburg, wo 17,78 % integrativ
unterrichtet werden. Dies zeigt deutlich, wie sehr Integration von der jeweiligen Bildungspolitik des Landes abhängt.
In den Jahren 1999-2003 stieg die Gesamtzahl der Schüler mit einer geistigen Behinderung von 65.587 (0,713 %) auf 72.284 (0,185 %). Dieser ansteigende Trend setzt
8
sich auch in den Jahren 2003-2006 weiter durch, im Jahr 2006 wird eine Zahl von
73.562 Schülern (0,9 %) angegeben (vgl. Frühauf 2006, S. 303).
Die neuere Statistik, veröffentlicht im April 2008, zeigt auf, dass immer noch eine
verhältnismäßig geringe Zahl von Schülern mit dem Förderschwerpunkt GE integrativ beschult werden (2,8%). 97,2 % werden an Förderschulen unterrichtet. Zwischen
1999 und 2006 änderte sich die Zahl der Integrationsschüler kaum merklich. Zudem
fallen unter die angegeben 2,8 % auch Schüler, die kooperativem Unterricht mit allgemeinen Schulen teilhaben, so dass die Zahl der durchgängig gemeinsam beschulten Schüler im Schwerpunkt geistige Entwicklung, weiter unter diesen Angaben liegen dürfte.
Große Unterschiede in der Integrationsquote zwischen den Bundesländern bleiben
weiterhin bestehen: Hamburg, mit der höchsten Quote, liegt bei 22,8 % (angestiegen
im Vergleich zum Jahr 2003: 17,78 %) und Baden-Württemberg, mit der niedrigsten
Quote, liegt bei 0,27 %. Weitere Länder mit einem deutlichen Rückgang der Integrationsquote sind Bremen (von 10,04 % auf 2,17 %) und Schleswig-Holstein (von 5,56
% auf 2,65 % ). Leichter Zuwachs ist in Rheinland-Pfalz, Sachsen und SachsenAnhalt zu verzeichnen (vgl. Frühauf 2006, S.304f.).
Zusammenfassend lässt sich also eine nahezu unveränderte Integrationsquote von
Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zwischen 1999 und 2006
feststellen. Außerdem zeigen sich große Differenzen zwischen den Bundesländern,
die wohlmöglich auch noch weiterhin so bestehen werden.
Aktuelle Tendenzen:
Weitere aktuelle Statistiken zur Integration (2008) sind weniger aussagekräftig. So
wurde zum Beispiel vom Ausschuss Kindheit und Jugend der Bundesvereinigung
Lebenshilfe eine Umfrage bei den 16 Kultusministerien der Länder durchgeführt. Mit
offenen und geschlossenen Fragekategorien wurde nach dem Stand schulischer Integration von Schülern mit geistiger Behinderung gefragt. Da jedoch in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Varianten der „schulischen Integration“
gelten, sind die Ergebnisse fragwürdig. Die Fragestellung bezieht sich nicht schwerpunktmäßig auf „gemeinsamen Unterricht“, sondern „schulische Integration“.
9
Während bei der vergleichbaren Teilstichprobe (2006) die Integrationsquote bei 2,68
% lag, soll sie im Jahr 2008 auf 3,78 % angestiegen sein. Unter Berücksichtigung der
oben genannten Schwierigkeit ist diese Zahl in Bezug auf gemeinsamen Unterricht
anzuzweifeln.
Bei den offenen Fragestellungen geben Aussagen wie: „Alle Kinder und Jugendliche
mit geistiger Behinderung sind schulisch integriert. Die Entwicklung des Gemeinsamen Unterrichts ist gut mit steigender Tendenz.“ (Baden-Württemberg) oder: „Die
schulische Integration ist auf vielfältige Weise umsetzbar.“ (Bayern), nicht wirklich
die aktuelle Tendenz der Integration wieder. Die verschiedenen Bundesländer weisen
außerdem verschiedene Arten der Integration auf: Außenklassen der Sonderschule,
Integrationsklassen oder auch Einzelintegration.
Bei der Frage zu Problemen der schulischen Integration werden u.a.: Ständige Überzeugungsarbeit, Bereitstellung sächlicher und personeller Ressourcen, anfänglich an
manchen Standorten Akzeptanz- und Kommunikationsprobleme, Ängste und Befindlichkeiten der Pädagogen der allgemeinen Schulen, starre Unterrichtsformen und
keine klaren Richtlinien für Schulen in freier Trägerschaft genannt.
Bei der Frage nach aktuellen Planungen zur schulischen Integration äußerten sich die
Länder wie folgt: Berlin will Integration in alle Stadtbereiche ausweiten, Hessen will
die Zusammenarbeit von vorschulischen und schulischen Einrichtungen verstärken.
Niedersachsen und Sachsen-Anhalt beabsichtigen den Ausbau gemeinsamen Unterrichts. Mecklenburg-Vorpommern plant den Ausbau sonderpädagogischer Förderzentren zur weiteren Gestaltung wohnortnaher Beschulungsmöglichkeiten. Bremen
hat ein externes Gutachten zum System der sonderpädagogischen Förderung in Auftrag gegeben und die weitere Entwicklung hängt von den Ergebnissen ab (vgl. KMK
2008).
2.3 Studie zur Einstellung gegenüber geistig behinderter Kinder und
deren Integration an allgemeinen Schulen (Vergleich 1974 und
2003)
Koch (Uni Rostock) und Ellinger (Uni Frankfurt/M.) haben im Jahr 2003 eine empirische Untersuchung durchgeführt, in der sie die Einstellungen von Eltern von nicht
behinderten Regelschülern und die Einstellung von Universitätsstudenten gegenüber
10
Kindern mit einer geistigen Behinderung einholten. Diese Ergebnisse verglichen sie
mit einer vergleichbaren Studie aus dem Jahr 1974 von von Bracken.
Koch und Ellinger stellten mehrere Hypothesen auf, unter anderem, dass sich die
negativen Einstellungen gegenüber Kindern mit Behinderung zwischen 1974 und
2003 verringert und, dass die Gruppe der Hochschulstudenten im Vergleich zu den
Eltern positivere Einstellungen zu Behinderten und deren Integration haben. Diese
Untersuchung wurde mit einer Stichprobe von 556 Studierenden aus verschiedenen
Studiengängen der Universität Würzburg und 157 Eltern von Grundschulkindern der
Klasse 1 aus 10 Schulen des Landkreises Unterfranken durchgeführt. Das Durchschnittsalter der Studenten lag bei 23, das der Eltern bei 38 Jahren.
Beide Untersuchungsgruppen füllten einen identischen standardisierten Fragebogen
aus, der von von Bracken aus der 74er Studie übernommen wurde. Einige Formulierungen wurden aktualisiert und einige Fragen weggelassen. Inhaltlich gibt es drei
Komplexe:
1) Information und Kontakt-Wissen über geistige Behinderung und persönlicher
Kontakt.
2) Gefühle gegenüber geistig behinderten Kindern.
3) Integration und Kooperation – Meinung der Befragten zum gemeinsamen Unterricht und die Vor- und Nachteile.
Ergebnisse zu 1: Nur wenige Eltern und Studierende haben oder hatten niemals Kontakt zu Menschen mit einer geistigen Behinderung. Mehr als zwei Drittel kennen
einen oder mehrere Menschen mit Behinderung persönlich. Das Wissen über die
Ursachen von geistiger Behinderung heute unterscheidet sich von dem Wissen der
Befragten im Jahr 1974. Während in der älteren Studie noch viele der Befragten die
Eltern für die Behinderung ihres Kindes verantwortlich machen (durch Trunksucht,
fehlende Liebe, Inzucht oder falsche Erziehung) sehen die Befragten im Jahr 2003
die Ursachen eher in Geburts- und Schwangerschaftskomplikationen.
Bei dem Vergleich der Stundentengruppen zeigen sich 1974 und 2003 keine Unterschiede.
Ergebnisse zu 2: 99,8 % der Studierende und 92,4 % der Eltern geben an, dass sie
tägliche Begegnungen oder Menschen mit Behinderung in der Nachbarschaft als
11
nicht störend empfinden. Eine ähnlich hohe Prozentzahl haben auch keine Einwände
gegen ein Heim für MmgB in ihrer Nachbarschaft. Bei fast allen Einschätzungen der
Eltern und Studenten von 2006 zeigen sich signifikante Unterschiede zu der Untersuchung aus dem Jahr 1974. Die Unterschiede der Einschätzungen von Eltern und
Studierenden sind jedoch kaum signifikant. Mit der Ausnahme der Studierender der
Sonderpädagogik, die signifikant seltener Mitleid empfinden. 14 % der Eltern können sich vorstellen ein behindertes Kind zu adoptieren (im Jahr 1974 nur 4 %).
Ergebnisse zu 3: „58,8 % der Eltern wünschen sich für ihr Kind häufigeren Kontakt
mit behinderten Kindern in der Freizeit“ (vgl. Koch/Ellinger 2003, S. 233). Während
50 % sich für gemeinsamen Unterricht in einigen Fächern aussprechen, wünschen
nur 5 % der Befragten ständigen gemeinsamen Unterricht. 11 % lehnen gemeinsamen Unterricht strikt ab. Studierende und Eltern unterscheiden sich in diesen Ansichten kaum merklich. 51, 3 % der Eltern befürchten jedoch Nachteile im gemeinsamen
Unterricht, während es bei den Studierenden nur 34,3 % sind. 24, 3 % der Studierenden und 32,2 % der Eltern halten es für besser, Schüler mit einer geistigen Behinderung an Förderschulen zu unterrichten. Beide Gruppen sahen jedoch hauptsächlich
Vorteile im gemeinsamen Unterricht (81 %).
Eltern nehmen zu 50 % an, dass sich Kinder hilfsbereit und neugierig gegenüber behinderten Mitschülern verhalten. Studierende schätzen dies etwas problematischer
ein. 92 % aller Befragten sagen, dass behinderte und nicht behinderte Schüler im
gemeinsamen Unterricht lernen, miteinander zu leben und wiederum 51 % denken,
dass nicht behinderte Kinder von behinderten Mitschülern lernen können. 4 % sehen
keine Vorteile in der gemeinsamen Beschulung. Mehr als die Hälfte der Eltern sehen
gar keine Nachteile im gemeinsamen Unterricht.
2.4 Fähigkeiten zur Bildung sozialer Beziehungen unter Kindern
Die Bildung sozialer Beziehungen erfordert unterschiedliche Fähigkeiten:
o Gemeinsame Aufmerksamkeit und Nachahmungsfähigkeit, d.h. Fähigkeit seine Aufmerksamkeit und seine Interessen mit einem sozialen
Partner abzustimmen.
o Fähigkeit, die Handlungen des anderen zu beobachten und aufzugreifen
12
o Fähigkeit zur sprachlichen Verständigung und eigene Wünsche mitzuteilen.
o Fähigkeit, soziale Absichten zu erkennen und Zusammenhänge zu
verstehen, d.h. das Verstehen sozialer Zusammenhänge.
o Emotionale Selbstregulation, d.h. die Fähigkeit eigene Handlungsimpulse und Emotionen in kritischen Situationen zu kontrollieren.
Diese Fähigkeiten entwickeln sich bei Schülern mit dem Förderschwerpunkt geistige
Entwicklung wesentlich später und meist unvollständig. Diese Kinder haben beispielsweise Schwierigkeiten, Gesprächbeiträge auf ein gemeinsames Thema abzustimmen und auf den Kontext zu beziehen.
Außerdem sind sie sich weniger bewusst darüber, welche Informationen der Zuhörer
benötigt, um eine Äußerung zu verstehen. Bei Missverständnissen können sie seltener durch Nachfrage um Klärung bitten. Des Weiteren haben sie Schwierigkeiten
Emotionen, wie Freude, Trauer, Zorn, Überraschung, Furcht oder Abscheu zu erkennen. Die Wahrnehmung und Interpretation sozialer Signale ist beeinträchtigt, sodass
es ihnen schwerer fällt, die Absichten des Gegenübers zu erkennen und angemessen
zu reagieren. Diese Entwicklungsbeeinträchtigungen bedeuten ein erhöhtes Risiko
für das Misslingen sozialer Kontakte
Bisherige Studien weisen darauf hin, dass soziale Integration von Kindern mit dem
Förderschwerpunkt geistige Entwicklung misslingt (vgl. Sarimski 2006, S. 293).
2.5 Förderung der sozialen Integration
„Als integrativ bezeichne ich eine Allgemeine (kindzentrierte und basale) Pädagogik, in der alle Kinder und Schüler in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen, in Orientierung auf die
„nächste Zone ihrer Entwicklung“, an und mit einem „gemeinsamen Gegenstand“ spielen, lernen und arbeiten“ (Feuser 1995).
Das primäre Anliegen von Integration, ist das Einbeziehen der Schüler mit Behinderung in die Gemeinschaft, beziehungsweise in die lokale Gemeinde und Nachbar-
13
schaft in der sie aufwachsen. Ein weiteres Anliegen besteht darin, neue Ressourcen
für den integrativen Unterricht zu erschließen. Das Gelingen von Integration in diesem Sinne ist abhängig von unterschiedlichen Faktoren und Personengruppen: Lehrer
und Eltern haben eine Vorbildfunktion, an denen sich Kinder orientieren. Der Einfluss und das Verhalten von Lehrern und Eltern ist daher maßgeblich. Betrachtet man
diesen Aspekt vor dem Hintergrund der reflexiven Soziologie nach Bourdieu, so erscheint dieser Aspekt von besonderer Wichtigkeit dahingehend, dass die vorherrschenden Stigmen zu „Behinderung“ und „behindert“ in der Gesellschaft abgebaut
beziehungsweise verändert werden müssen. (vgl. Klicpera 2003, S. 283f.).
Ein weiterer Faktor, der das Gelingen von sozialer Integration bedingt, ist der integrative Unterricht. Ein zentraler Stellenwert von integrativem Unterricht ist das Zusammenarbeiten – die Zusammenarbeit zwischen behinderten und nicht behinderten
Schülern und zwischen Schülern und Lehrern. Dadurch bedingt bilden behinderte
und nicht behinderte Schüler ein kooperatives Netzwerk. Das heißt, dass sich alle
Schüler als Teil eines Teams betrachten und sich gemeinsam bemühen, Schule zu
einer positiven Erfahrung werden zu lassen (vgl. ebd., S. 278f.).
Das Schaffen eines kooperativen Netzwerks beinhaltet die Methoden des Peer Tutoring und des kooperativen Lernens. Das gemeinsame Lernen und das Tutorensystem
haben zum einen eine positive Wirkung auf den Lernerfolg, zum anderen werden die
Kommunikationsfähigkeit und das Selbstvertrauen trainiert und gestärkt. Kooperatives Lernen fördert überdies die Solidarität innerhalb der Klasse. Eine besondere Bedeutung kommt hier der positiven Interdependenz zu, da sie die positive gegenseitige
Abhängigkeit der Gruppe beeinflusst (vgl. ebd., S. 280f.).
Neben diesen speziellen Bedingungen sollten auch allgemeine Bedingungen genannt
werden, die für das Gelingen von sozialer Integration bedeutend sind. Madden und
Slavin (1983) fassen zusammen, dass ausreichend Gelegenheit für nicht oberflächliche, kooperative Kontakte zwischen den Schülern angeboten werden sollten. Weiterhin sollten die behinderten Schüler nicht als besondere, von den nicht behinderten
Schülern deutlich unterscheidbare, Gruppe hervorgehoben werden. Zudem wäre es
wünschenswert die Organisation des Unterrichts nicht primär auf einem Wettbewerb
zwischen den Schülern aufzubauen (vgl. ebd., S. 284).
14
Diese Aspekte der Förderung der sozialen Integration stehen in engem Zusammenhang mit Feusers Forderungen. Die Methoden des kooperativen Lernens und des
Tutorensystems können als Instrumente gesehen werden, um Feusers Forderungen
nach Heterogenität, Kooperation, innerer Differenzierung und Individualisierung zu
realisieren.
Zusammenfassend ist eine erfolgreiche soziale Integration nur durch die Erfahrungen
gemeinsamen Lernens, durch ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und durch ein
gegenseitiges Akzeptieren trotz unterschiedlicher Ansichten und Fähigkeiten, möglich. Darüber hinaus sind die Sichtweisen und die Veränderung der Sichtweisen von
Eltern und Lehrern von besonderer Bedeutung. Letztere müssen die sozialen Beziehungen innerhalb der Klasse bewusst und gezielt fördern (vgl. ebd. S.284).
15
3. Forschungsmethodischer Rahmen
3.1 Methode: Beobachtung
Für die Durchführung unseres Projektes erscheint uns eine nichtteilnehmende, offene
und strukturierte systematische Beobachtung (vgl. Kretschmer/Stary 1998, S. 28f.)
eines Schülers am sinnvollsten. „Dies hat mehrere Vorteile: Sie achten nicht nur auf
einen Schüler, wenn sie sich besonders beteiligt oder anders auffällt, z.B. auch durch
Störungen des Unterrichts, sondern verfolgen kontinuierlich ihr Lern- und Arbeitsverhalten über längere Zeit und kommen dadurch zu Beobachtungsergebnissen, die
mehr über diesen Schüler in dieser Stunde aussagen.“ (Böhmann/Schäfer-Munro
2005, S. 68). Die Konzentration auf nur einen Schüler ermöglicht uns eine detaillierte
Beobachtung von seinen Aktionen und den Reaktionen seiner Mitschüler. „Das gesamte Verhaltensgeschehen während einer bestimmten Zeitspanne soll in seinem
ununterbrochenen Ablauf unmittelbar und möglichst genau aufgezeichnet werden.“
(Martin/Wawrinowski 1993, S. 61). Damit das Verhalten der Schüler durch uns nicht
beeinflusst wird, nimmt keiner von den Projektmitgliedern am Spiel als aktiver Darsteller teil. Es bestünde die Gefahr, dass wir zu sehr ins Spielgeschehen einlenken
und damit das Ergebnis unbewusst steuern würden. Des Weiteren beobachten wir
offen, jedoch wissen die Schüler nicht, dass sie Beobachtet werden, damit sie sich
durch uns nicht gehemmt fühlen. Das bedeutet konkret: Wir sitzen, wie die Lehrer,
außerhalb des Geschehens und versuchen nicht den Eindruck zu erwecken, einen
bestimmten Schüler zu beobachten. Um die Genauigkeit unserer Beobachtung zu
garantieren, verwenden wir folgenden Beobachtungsbogen als Schema:
Tabelle 2: Vorlage des Beobachtungsbogens
Zeit
Phase
Interaktion mit
Mitschülern
Weitere
Beobachtungen
Kommentar
16
3.2 Indikatoren
„Integration ist – ebenso wie Kultur – ein vieldeutiger Begriff […]“ (DeppeWolfinger 2004, S. 30). Um eine möglichst objektive Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse zu garantieren, ist es wichtig, schon im Vorfeld zu definieren,
wann ein Schüler mit Behinderung sozial integriert ist und wann nicht. „Mit den
verwendeten Einteilungsbegriffen wird ein bestimmtes Vor-Verständnis des zu beobachtenden Gegenstandes entfaltet. Zugleich wird mit den Kategorien eine für den
jeweiligen Gegenstand spezifische Beschreibungssprache angeboten.“ (Martin/Wawrinowski 1993, S. 48).
Bezogen auf die inhaltlichen Ausführungen von Deppe-Wolfinger (2004) und Markowetz (2003) ist ein Schüler für unser Praxisprojekt integriert, bzw. nicht integriert,
wenn folgende Interaktionen zwischen Integrativschüler und Mitschülern vorliegen:
Tabelle 3: Indikatoren für soziale Integration
Indikatoren
Stufe
1
nicht integriert
2
3
4
5
integriert
Schüler (S)1
S. zeigt ein unbeschäftig-
Mitschüler (M)2
S. wird von M. aus dem
tes Verhalten.
Spiel ausgeschlossen.
S. schaut beim Spiel zu.
S. wird von M. nicht
unterstützt/ ermuntert.
S. zeigt ein alleiniges,
S. erhält von M. keine
unabhängiges Spiel.
Spielangebote.
S. zeigt parallele Aktivi-
S. erhält von M. Spiel-
täten zu M.
vorschläge.
S. zeigt ein assoziatives
S. erhält von M. Hilfe-
Spiel zu M.
stellungen beim Spiel.
S. gestaltet mit M. ein
6
kooperatives oder orga-
S. wird von M. ins Spiel
nisiertes, gegenseitig
mit einbezogen.
ergänzendes Spiel.
1
2
nach Parten in Faßnacht 1979, S. 118
nach Hübner/Rocholl in Martin/Wawrinowski 1991, S. 47
17
3.3 Dokumentation und Auswertung
Um zu einer möglichst präzisen Auswertung zu gelangen, werden im ersten Schritt
die Ergebnisse des Projektes auf Beobachtungsbögen dokumentiert, die später zur
Auswertung herangezogen werden. Mindestens zwei der vier Teammitglieder beobachten die Schüler während des Spiels und notieren Verhaltensweisen, Besonderheiten und Bemerkungen. Nach jedem Spiel werden in einem Teamgespräch die einzelnen Beobachtungen zusammengetragen und auf dem Beobachtungsbogen dokumentiert. Die Dokumentationen dieser Beobachtungsbögen werden für die Auswertung in
Beziehung zu den definierten Stufen von Integration gesetzt. Konkret bedeutet dies:
Im zweiten Schritt wird jedes einzelne Verhalten, welches der Schüler während des
Projektes gezeigt hat, in eine der sechs Stufen der Integration eingeordnet. Gleichzeitig wird das dem beobachteten Schüler entgegenkommende Verhalten seiner Mitschüler bewertet. So können sowohl die Stufe der Integration des Schülers mit Förderbedarf, als auch die seiner Mitschüler bestimmt werden. Dies gibt wiederum
Aufschluss darüber, ob der Schüler mit Förderbedarf sozial integriert ist oder nicht.
In einem letzten Schritt werden die Auswertungen zusammenfassend interpretiert,
um zu einem Gesamtergebnis und der Beantwortung der Fragenstellung zu gelangen:
Kann der Schüler mit Förderbedarf als integriert bezeichnet werden oder nicht?
18
4. Didaktisch-methodischer Rahmen
4.1 „Jeux Dramatique“
„Jeux Dramatiques lassen sich vom ursprünglichen Zielbereich so definieren, daß
sie sich aus dem Schultheaterspielen heraus entwickelt haben. Man ging vom traditionellen Theaterspiel ab und gelangte zu einer Spielform, die der spontanen Entfaltung der kreativen Anlagen des Menschen und vor allem der Kinder mehr entsprach“
(Hofer-Moser 1976, S. 190). Es ist eine einfache Form des Theaterspiels, das für alle
Altersstufen, für Menschen mit und für Menschen ohne Behinderung geeignet ist und
in dem auf spielerischem Weg eigenes Erleben und innere Gefühle szenisch ausgedrückt werden können.
Begründet wurde die Methode „Jeux Dramatique“ vor über siebzig Jahren vom dem
französischen Pädagogen Léon Chancerel. Er schrieb 1936 in seinem Buch "Jeux
Dramatiques dans l'Education": "Die Jeux Dramatiques sind (…) Spiele, welche die
Möglichkeit in sich schließen, durch Bewegung und Gebärde persönliche Gefühle
und Beobachtungen auszudrücken" (Chancerel in Küppers 2001, S. 90). Zur Begrifflichkeit „Jeux Dramatiques“ sagte Chancerel:
„wir gebrauchen den Ausdruck ‚jeu’ (Spiel) absichtlich. Er bezeichnet einerseits die entwicklungsbedingte Bewegungsfreude des Kindes und andererseits
sind im ‚jeu’ Regeln und Gesetze enthalten. Spiel ist einerseits lustbetonte
Bewegungsfreude, andererseits das Einordnen und freiwillige Unterordnen in
die Spielregeln. Der Ausdruck ‚dramatiques’ an Stelle von ‚theatral’ soll hervorheben, daß wir nicht in erster Linie für Publikum spielen und auftreten,
sondern zur eigenen Freude und zur persönlichen Entwicklung theaterspielen
wollen“ (Chancerel in Hofer-Moser 1976, S. 190).
Chancerel kreierte die Methode „Jeux Dramatique“, auch als Ausdrucksspiel aus
dem Erleben bezeichnet, ursprünglich für Kinder und Jugendliche und ließ sich dabei
besonders von den Ideen des russischen Theaterpädagogen Konstantin J. Stanislawski inspirieren. Die Schweizer Theaterpädagogin Heidi Frei entwickelte die Methode
weiter und übertrug sie auch auf die Arbeit mit Erwachsenen. 1972 wurde die
19
"Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Ausdrucksspiel" gegründet. Autorisiert von
Heidi Frei begannen ab 1973 Karlheinz Moosig, Eva Peter-Moosig und Rottraut
Knapp die Methode in Deutschland zu verbreiten. Seit 1985 gibt es die deutsche
"Arbeitsgemeinschaft Ausdrucksspiel aus dem Erleben e.V."
4.1.1 Ziel der „Jeux Dramatiques“
Rein praktisch gesehen ist das Ziel der „Jeux Dramatiques“ das Spielen eines Textes
oder eines Themas innerhalb einer Gruppe oder Klasse, welches nicht für Außenstehende als Theaterstück gedacht ist (vgl. Küppers 2001, S. 91). Das viel tiefer liegendere Ziel ist jedoch, nicht besonders gut oder schön zu spielen, sonders sich ganz auf
sein eigenes Erleben in der Rolle einzulassen und die eigenen Gefühle und Erlebnisse zu spüren. Der Spieler versucht, die Geschichte aus seinem eigenen Erleben heraus darzustellen.
„Bei diesem Ausdrucksspiel aus dem Erleben gibt es nichts Falsches, keine
Vorschriften, kein Vorzeigen, kein Nachahmen. Es ist ein Spiel, das die Möglichkeiten beinhaltet durch Bewegung, Mimik und Gestik die augenblicklichen Gefühle und Eindrücke in einer intensiven Form auszudrücken. Durch
spielerisches Gestalten eröffnet sich die Möglichkeit neue Verhaltensweisen
angstfrei kennen zu lernen. Wahrnehmung, Selbstwahrnehmung, Selbstentfaltung, Erlebnisfähigkeit, Vorstellungskraft, Ausdrucksmöglichkeit und Flexibilität werden gefördert“ (Hofer-Moser 1976, S. 190).
„Jeux Dramatique“ wird hauptsächlich im pädagogischen Bereich eingesetzt und
fördert die kreativen Möglichkeiten der Mitspieler. Der Abbau von Ängsten, Unsicherheiten und Hemmungen durch das Austesten von neuen, fremden und altbekannten Verhaltensweisen im angstfreien Raum ist von großer Bedeutung (vgl. HoferMoser 1976, S. 195). Geschaffen wird dieser angstfreie Raum erstens durch das
Fernbleiben von begutachtenden und Kritik ausübenden Zuschauern. Die Gruppe
spielt nur für sich. Es finden keine Aufführungen und Präsentationen statt. Das „Jeux
Dramatique“ ist als pädagogisches Gruppenangebot konzipiert, bei dem jeglicher
Leistungsdruck vermieden werden soll. Zweitens wird beim „Jeux Dramatique“
20
nichts vorher eingeübt. Die Teilnehmer spielen spontan und ohne Text. Auswendiglernen von Sätzen entfällt und öffnet den Freiraum für die Fantasie. Lediglich der
Spielleiter begleitet das Spiel durch das Erzählen der Geschichte. „Durch das begleitende Erzählen wird erreicht, dass niemand während des laufenden Spiels sich darauf
konzentrieren muss, welche Szene als nächstes „dran“ ist und welchen Text er/sie
gegebenenfalls zu sprechen hat“ (Küppers 2001, S. 95).
Durch dieses Spielen ohne Sprache können sich die Spielenden ganz auf ihre selbst
gewählten Rollen konzentrieren. „Sie kommunizieren mit Mimik, Gebärden, Bewegungen und nonverbaler Sprache.“ (Reinhoffer 1995, S. 101). Der Intellekt darf sich
ausruhen, die Fantasie kann sich entfalten. Im zweckfreien Spiel werden Entwicklungsprozesse angeregt. Es entsteht Raum, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Durch das Hineinschlüpfen in neue ungewohnte Rollen entwickeln sich
Selbstwahrnehmung und Kreativität. Persönlichkeit, Sach- und Sozialkompetenz
werden gefördert und gestärkt. Im geschützten Raum, den die Spielregeln (siehe
4.1.3) bieten, können innere Spannungen und Aggressionen erlebt und abgebaut
werden. Durch die Einbettung des eigenen Spiels in das von der ganzen Gruppe getragene Spielgeschehen entwickeln sich Fähigkeiten wie Empathie, Toleranz, Kommunikation und Kooperation. Diese Wirkungen werden aber nicht im Sinne von
Zielvorgaben angestrebt, sondern entwickeln sich im Ausdrucksspiel quasi nebenbei
- im Vordergrund steht das Erleben!
Vom Spielleiter wird dabei ein hohes Maß an Flexibilität erwartet. Er hält sich nicht
streng an den Text, sondern wandelt ihn ab, erzählt Zusätzliches, kürzt Passagen ab
und entfernt sich zeitweise ganz vom Text. Es geht mehr um ein „Führen und Folgen“ durch die Spielleitung, „die einerseits die Geschichte liest oder erzählt, andererseits die im Spiel sich ergebenden Variationen und Nebengeschichten aufgreift und
in die ursprünglich Geschichte einbezieht. Sie signalisiert damit den SpielerInnen:
Ich habe dich gesehen, du gehörst ins Spiel, ich nehme deine Gefühle wahr und dein
Teil der Geschichte verändert sich dadurch“ (Weiss 1997, S. 129).
4.1.2 Geschichten im „Jeux Dramatique“
Als Vorlage können Bilderbücher, Geschichten, Märchen, Fabeln und eigene Ideen
der Teilnehmer dienen. Grundsätzlich ist jedes Thema spielbar: Tiergeschichten,
21
Geister- und Fantasiewesen, Helden und Prinzessinnen; jedes Thema kann im „Jeux
Dramatique“ aufgegriffen, in Szene gesetzt und neu erlebt werden.
„Häufig sind Spielsequenzen [und –themen] dann von besonderer Bedeutung,
wenn Gefühlszustände und innere Konflikte nicht sprachlich ausgedrückt
werden können, weil sie vielleicht noch nicht in die Bewußtseinsebene gelangt sind. So ermöglichen individuell ausgewählte Geschichten einem Kind,
Emotionen auszudrücken, die es direkt für sich vielleicht noch gar nicht formulieren kann, mit denen es noch nicht konfrontiert werden möchte“ (Weiss
1997, S. 133).
Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Angebote dem Entwicklungsalter
entsprechen und den Teilnehmern die Möglichkeit geboten wird, für sich eine Rolle
zu finden, mit der sie sich identifizieren können.
4.1.3 Spielregeln des „Jeux Dramatique“
Küppers 2001 formulierte allgemeingültige Spielregeln für das „Jeux Dramatique“,
die bei einem Spielvorhaben zu beachten sind. Je nach Vorhaben und Anwendung
sind sie jedoch variabel und abwandelbar.
1. Die allgemeinen Spielregeln
a. Jede/r kann sich Zeit lassen, mit seiner/ihrer momentanen Stimmung
in Kontakt zu kommen.
b. Jede/r kann sich seine/ihre Rolle selbst aussuchen.
c. Jede/r spielt vor allem für sich selbst.
d. Jede/r spielt so, wie er/sie sich fühlt.
e. Jede/r respektiert den Freiraum seiner/ihrer Mitschüler
f. Jede/r kann Zuschauer/in sein, wenn er/sie aus irgendwelchen Gründen nicht mitspielen will.
22
2. Die Spielregeln für Kinder
im Ich-Bereich
a. Du spielst für dich selber und nicht für Zuschauer wie im Theater.
b. Du bestimmst, was und wie du etwas spielen möchtest.
c. Du spielst so, wie du dich fühlst.
im Sozial-Bereich
a. Du gibst deinen Mitspielern keine Anweisungen.
b. Du verbesserst die anderen nicht und lachst nicht über sie.
c. Du achtest darauf, dass du keinem Kind weh tust. (Das „Zauberwort“:
STOP).
3. Die Regeln für die Spielleiterin
a. Eine angstfreie Atmosphäre schaffen.
b. Immer einen Ort angeben, auf den sich die zurückziehen können, die
einmal nicht mitspielen wollen.
c. Rollen nicht bestimmen, sondern selbst finden lassen.
d. Mehrfachwünsche beachten und – wenn möglich – berücksichtigen.
e. Gemeinsam Ideen zur Konfliktlösung sammeln und entscheiden.
f. Den Spielern und Spielerinnen genügend Zeit geben.
g. Ideen der Spieler/innen aufnehmen.
4.1.4 Ablauf des „Jeux Dramatique“
Vorbereitung: Der Spielleiter stellt die zu spielende Geschichte vor. Die Schüler benennen daraufhin ihre Rollen. Jeder wählt seine Rolle selbst. „Das Kind entscheidet,
welche Rolle es spielen und wie es sie gestalten will.“ (Weiss 1997, S. 133). Gespielt
werden können über Personen und Tiere auch Pflanzen, Gegenstände oder Gefühlszustände. Der Spielleiter hat im Vorfeld verschiedenfarbige Tücher und Instrumente
bereitgestellt. Die Schüler gestalten ihre Rolle mittels des gegebenen Materials und
suchen sich einen Platz im Spielraum.
Spiel: Der Spielleiter schlägt den Gong. Die Geschichte beginnt. Die Spielenden versetzen sich in ihre Rollen. Sie werden zum Tier, zur Pflanze, zum Buch. Niemand
spricht einen Text. Alle achten auf die Erzählung des Spielleiters, der versucht, die
23
Teilnehmer in die Geschichte mit einzubinden. „Von [dem Spielleiter] wird hier […]
ein hohes Maß an spontaner Erzählfreude, an strukturierendem Formulieren-Können
und an Wissen um Strukturmerkmale von Märchen und Geschichten einerseits, um
entwicklungspsychologische Grundlagen andererseits gefordert.“ (Weiss 1997, S.
129ff). Nach ca. 20 Minuten wird mit einem erneuten Gongschlag das Spiel beendet.
Kreisgespräch: In einem anschließenden Kreisgespräch wird den Schülern die Möglichkeit gegeben, sich über ihre Gefühle und Gedanken während des Spiels auszutauschen und ihre Erfahrungen ihren Mitschülern mitzuteilen. Jeder darf zu Wort kommen. Kein Mitschüler soll beschuldigt oder beurteilt werden. Es geht nur darum, den
anderen mitzuteilen, warum man sich für eine Rolle entschieden hat und wie man
sich mit ihr gefühlt hat. Eventuelle Konflikte während des Spiels sollten jedoch angesprochen und geklärt werden (vgl. Reinhoffer 1995, S. 101).
4.2 Vorgehensweise und Zeitplan
Das Projekt findet im Umfang von zwei Projekttagen statt: am 07. und 14. Mai 2009
jeweils von 8.00 – 13.00h. Die beiden Tage werden so gestaltet, dass pro Tag eine
Geschichte den Rahmen bestimmt, die dann jeweils mit beiden Klassen durchgespielt
wird.
Immer zwei Studenten jedes Tandems wählen zusammen eine Geschichte aus, die sie
im „Jeux Dramatique“ umsetzen möchten. Die Auswahl der Geschichten erfolgt unter dem vorher ausgewählten Thema „Wir sind einzigartig und gehören doch zusammen“. Für den 07.05.2009 ist die Geschichte „Das kleine Ich-bin-Ich“ von Mira
Lobe (siehe Anhang) vorgesehen, für den 14.05.2009 „Etwas von den Wurzelkindern“ von Sibylle von Olfers (siehe Anhang). Jeder bereitet seine Geschichte so vor,
dass sie von den Schülern umgesetzt werden kann. Im Detail bedeutet dies:
•
die Geschichte lesen und alle möglichen Charaktere, Darstellungsformen und
–figuren herausarbeiten, um einen Überblick zu bekommen.
•
das nötige Material für die Geschichte zusammenstellen (Tücher, Instrumente, Assessoires etc.).
•
eine Skizze über den Ablauf der Stunde erstellen, um als Spielleiter einem roten Faden folgen zu können.
24
Jede Geschichte wird zweimal durchgespielt. Einmal mit Stammgruppe 5, das andere
Mal mit Stammgruppe 11. Wir haben diese Aufteilung gewählt, damit zum einen
beide Klassen unserer zwei Tandems einbezogen werden, aber auch, damit wir das
Agieren der unterschiedlichen Klassenzusammensetzungen im Spiel miteinander
vergleichen können. Da die Schüler bisher noch keine Erfahrungen mit „Jeux Dramatiques“ haben, sind einige Einschränkungen in der Methode vorzunehmen. Zum
einen wird der Aufbau des Spielraumes von uns geringfügig vorstrukturiert, um den
Schülern eine leichtere Orientierung zu geben. Zum anderen sollen sich die Schüler
darauf beschränken, lebende Charaktere aus den Geschichten zu spielen, d.h. Tiere
oder Menschen (Pflanzen wären hierbei ebenfalls ausgenommen). Dies hat sowohl
für die Schüler als auch für uns Vorteile: 1. können sich Schüler, die noch keine Erfahrungen mit „Jeux Dramatiques“ haben, leichter in „lebende“ Rollen hineinversetzen und sich mit ihnen identifizieren, als mit „toten“ Charakteren wie z.B. Gegenständen und Gefühlen. Sie sollen sich erst einmal vollkommen auf die Methode und
das Spiel konzentrieren, ohne darüber nachzudenken, wie sie eine z.B. eine Emotion
darstellen könnten. 2. interagieren „tote“ Rollen nicht. Für unsere Fragestellung benötigen wir jedoch Charaktere, die miteinander in ein Spiel geraten können, indem
sie eine Interaktion starten. Somit ist es für unsere Forschungszwecke günstiger,
wenn sich die Schüler nur auf „lebende“ Charaktere beschränken.
Aus diesen Vorüberlegungen ergeben sich für jede Klasse zwei Unterrichtsstunden
zum „Jeux Dramatique“.
Tabelle 4: Projektplanung
Unterrichtsstunde
Spielleiter
Stammgruppe
Datum, Uhrzeit
1.
Carolin Koch
11
07.05.2009, 08.15 – 09.00 Uhr
2.
Anna-Lena Jahnke
5
07.05.2009, 10.00 – 10.45 Uhr
3.
Kathy Sokolowski
5
14.05.2009, 08.15 – 09.00 Uhr
4.
Pascal Barkowski
11
14.05.2009, 10.00 – 10.45 Uhr
Der zeitliche Rahmen wird ca. 45 Minuten pro Unterrichtsstunde nicht überschreiten.
Eine realistische Zeiteinteilung jeder einzelnen Stunde ist wie folgt:
25
1. die Geschichte wird vom Spielleiter erzählt, die Charakter- und Materialauswahl (Tücher, Assessoires etc.) erfolgt daraufhin durch die Schüler 20
Minuten
2. das Spiel „Jeux Dramatique“ wird durchgeführt 15 Minuten
3. ein Abschlussgespräch und die Reflexion mit den Schülern beenden die Unterrichtsstunde 10 Minuten
Während dieser Zeit ist ein Teammitglied der Spielleiter (vgl. Tabelle 4). Die anderen drei verfolgen das Spiel am Rande von jeweils unterschiedlichen Stellen aus und
protokollieren das Geschehen. Direkt im Anschluss an jede Stunde findet eine Feedbackrunde unter uns Vieren statt, um das Spiel zu reflektieren und die Ergebnisse
zusammenzutragen (vgl. Beobachtungsbögen im Anhang).
In Stunde 3 und 4 soll zudem eine Videokamera das Spielgeschehen aufzeichnen.
Dieses Video dient uns jedoch im weiteren Verlauf nicht der Analyse, sondern wird
aus reinen Interessenszwecken erstellt.
26
5. Ergebnisse
5.1 Darstellung der Befunde
Im folgenden Abschnitt werden die Befunde der Beobachtung von zwei Schülern
dargestellt. Der Schüler Nahad aus der Stammgruppe 11 und die Schülerin Olida aus
der Stammgruppe 5, welche beide mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
auf Grund von Trisomie 21 eingestuft sind, wurden jeweils zweimal während der
Durchführung der Methode „Jeux Dramatiques“ beobachtet. Das Hauptaugenmerk
wurde hierbei auf die Interaktion der Integrativschüler mit ihren Mitschülern gelegt.
5.1.1
„Das kleine Ich-bin-Ich“
Darstellung
Stufe der
Integration
Nahad: Am 07.05.2009 wurde die Geschichte „Das kleine Ich-binIch“ von Mira Lobe (siehe Anhang) nachgespielt. Nahad aus der
Stammgruppe 11 entschied sich im Vorgespräch, die Rolle eines
Elefanten in der Geschichte zu übernehmen. Seine Wahl für die Verkleidung fiel auf ein grau-silbernes Tuch.
Als die Spielleiterin das Spiel um 8:35 Uhr startet, sitzt Nahad als
einziger Elefant unter fünf Jaguaren auf einem Teppich, dem „Jaguarkäfig“ (siehe Anhang: Skizze). Den Aufforderungen seiner Lehre-
S4
rin, sich als Elefant außerhalb des „Jaguarkäfigs“ aufzuhalten,
kommt er kurzzeitig nach, übergeht diese jedoch schnell, indem er
„Klappe“ zu ihr sagt und sich wieder dem Spiel widmet. Er wechselt
somit für sich persönlich von der Rolle des Elefanten zum Jaguar.
Durch seine unnachgiebigen Versuche, sich im „Jaguarkäfig“ zu
platzieren, zeigt Nahad als „Jaguar“ parallele Aktivitäten zu seinen
„Jaguar-Mitschülern“.
Im weiteren Spielverlauf beginnt Nahad ein assoziatives Spiel, indem er Körperkontakt zu den anderen „Jaguaren“ aufnimmt. Nahad
S5
27
berührt seine Mitschüler an Gesicht, Armen und Beinen. Da vor al-
M (Fabian) 5
lem Fabian diesen Körperkontakt mit Streicheln erwidert, bietet er
M (andere) 1
Nahad somit erste Hilfestellungen im Spiel an. Kevin lässt im Vergleich zu Fabian Nahads Berührungen zu, reagiert aber nicht darauf.
Bei allen anderen Schülern bewirkt Nahads Annäherung keine Reaktion. Sie sind vielmehr mit sich beschäftigt, gehen keine Interaktion
ein und schließen ihn sichtlich aus.
Kurz darauf beendet Nahad die Interaktion, schaut zum kleinen „Ichbin-Ich“ und beobachtet die Situation. Als das kleine „Ich-bin-Ich“
sich dem „Jaguarkäfig“ nähert, raufen und kämpfen Nahad und seine
Mitschüler wie Jaguare und gestalten so ein kooperatives, gegenseitig ergänzendes Spiel. Nahad wird dabei von keinem der anderen
Jaguare ausgeschlossen, sondern ins Spiel mit einbezogen. Dadurch
S6
wird von Seiten der Schüler als auch von Nahad in dieser Spielse-
M6
quenz die höchste Stufe der Integration erreicht.
Als das „Ich-bin-Ich“ vor dem Jaguarkäfig stehen bleibt, wird es von
Nahad weggestoßen. Daher geht es zum nächsten Käfig weiter. Aktion und Reaktion der beiden Schüler weisen auch hier wiederum auf
ein kooperatives, sich gegenseitig ergänzendes Spiel.
Nahad beobachtet das weitere Spielgeschehen bis zum Ende um 8:45
Uhr und ist mehr an einem Zuschauen interessiert, als mit seinen
Mitschülern weiterhin als Jaguar zu agieren.
S2
Olida: Ebenfalls wie Nahad nahm die Schülerin Olida zusammen mit
ihrer Stammgruppe 5 an der Geschichte zum kleinen „Ich-bin-Ich“
teil. Im Vorgespräch entschloss sich Olida, die Rolle einer Ziege zu
übernehmen. Als Verkleidung wählte sie ein gelbes Tuch.
Um 10:32 Uhr beginnt das Spiel. Olida steht bei Spielbeginn an der
S5
M1
„Wiese“ (siehe Anhang: Skizze). Sie hat dort als Ziege ihren Platz bei
einigen Mitschülerinnen eingenommen. Zu Anfang dreht sich Olida
von der „Wiese“ weg und geht zum „Wasser“, steuert jedoch kurz
28
darauf wieder auf die Mädchengruppe zu. Olida versucht ein assoziatives Spiel zur Gruppe aufzubauen, indem sie Raubtiergeräusche
macht und die Gruppe anfaucht. Sie hat somit von der Rolle der Ziege zu einem Puma gewechselt. Die Mädchen nehmen jedoch keine
Notiz von ihr und gehen keine Interaktion ein. Daraufhin steht Olida
im Raum und beobachtet ihre Mitschüler, agiert selber aber nicht.
Die Mädchengruppe hat sich mittlerweile zu einem Kreis formiert
und dreht Olida den Rücken zu. Olida entschließt sich, nochmals mit
einem der Mädchen, Nina, in Interaktion zu treten, indem sie sie anspricht. Olidas Kontaktaufnahme scheitert, da Nina nicht auf Olida
reagiert. Daraufhin versteckt sich Olida unter ihrem Tuch und stößt
Nina an. Diese geht wiederum nicht auf sie ein und entfernt sich.
Olida läuft der Mitschülerin nach.
Darauf folgt eine kurze Spielunterbrechung auf Grund des zu hohen/
störenden Lärmpegels. Nach dieser Unterbrechung geht Olida durch
das Spielfeld und setzt sich an den Spielfeldrand zu ihrer Mitschülerin Laura. Diese versucht nun ihrerseits zu Olida Kontakt aufzunehmen, indem sie sie mit ihrem Tuch bewirft. Olida nimmt das Spiel an
und legt Laura das Tuch über den Kopf. Die beiden Mädchen beginnen, allerdings unabhängig vom eigentlichen Spielverlauf und der
S6
M (Laura) 6
Geschichte, ein gemeinsames Spiel mit dem Tuch. Die Interaktion
zwischen den Mädchen ist kooperativ, da beide ebenbürtig miteinander interagieren und sich gegenseitig ergänzen. Kurze Zeit später um
10:45 Uhr endet die Geschichte.
5.1.2 „Etwas von den Wurzelkindern“
Darstellung
Stufe der
Integration
Nahad: Eine Woche später am 14.05.09 wurde die Geschichte „Etwas von den Wurzelkindern“ von Sibylle von Olfers (siehe Anhang)
S3
nachgespielt. Nahad nahm die Rolle einer Spinne aus der Geschichte
29
ein. Als Verkleidung wählte er ein graues Tuch.
Das Spiel wird um 10:20 Uhr gestartet. Zu Beginn liegt Nahad mit
den anderen Schülern im „Wurzelhaus“ (siehe Anhang: Skizze) auf
dem Boden und „schläft“. Als alle „erwachen“, setzt er sich auf, beobachtet die anderen Schüler und beginnt mit seinem Tuch, welches
er sich um den Bauch bindet, ein alleiniges, unabhängiges Spiel.
Als jedoch seine Mitschüler, geleitet durch den Spielleiter, beginnen,
sich im „Wurzelhaus“ zu bewegen, versucht Nahad mit Fabian eine
Interaktion einzugehen, indem er Körperkontakt zu ihm aufnimmt.
Er kriecht auf Knien zu ihm und legt ihm seine Hand auf die Schulter. Fabian steht auf und geht zu „Vater Erde“. Nahad folgt Fabian
und spricht ihn an. Dieser schüttelt den Kopf und legt seinen Zeigefinger an die Lippen. Fabians Reaktion gibt Nahad Hilfestellungen
im Spiel. Nahad nimmt die Hilfe an und beschäftigt sich daraufhin
S5
M (Fabian) 5
M (Julia) 4
wieder mit sich und seinem Tuch: Er nimmt es ab und wirft es von
sich weg. Daraufhin gibt Julia Nahad einen Spielvorschlag: Sie bindet ihm sein Tuch um den Körper. Nahad reagiert jedoch nicht auf
Julia, blickt sich um und fragt, wo Fabian sei.
Dieser geht im Spielfeld umher. Nahad läuft auf ihn zu, doch Fabian
konzentriert sich auf das Spiel. Nahad folgt Fabian und bleibt bei
ihm stehen. Als er keine Reaktion erhält, setzt sich Nahad zu mehreren „Insekten“ auf die grünen Matten. Er baut zu Julia, die neben ihm
sitzt, ein assoziatives Spiel auf, indem er ihr andeutet, „Schubkarre“
spielen zu wollen. Julia geht auf Nahads Annäherungsversuche ein
und beginnt mit ihm ein gemeinschaftliches Spiel. Sie schiebt Nahad
S6
M (Julia) 6
im Spielfeld vor sich her. Beide lachen, reden miteinander, turnen,
toben umher und schubsen sich gegenseitig. Unabhängig vom Spielverlauf zeigen sie ein kooperatives, sich gegenseitig ergänzendes
Spiel, bei dem sich beide gleichberechtigt mit einbeziehen.
Diese Interaktion endet jedoch abrupt, als Julia wieder dem Spielverlauf folgt und zurück in das Wurzelhaus gehen möchte. Julia will
aufstehen, aber Nahad hält sie am Schuh fest. Sie versucht nicht, ihn
S3
M2
30
dazu zu bewegen, mit ins „Wurzelhaus“ zu gehen, sondern will sich
lediglich von ihm losreißen. Nahad beobachtet kurz das Geschehen
um sich herum und hält Julia solange fest, bis diese ihren Schuh verliert und sich von Nahad entfernen kann. Nahad bleibt alleine auf der
Matte zurück. Er versucht sich hier nicht in das Spiel zu integrieren
und mit allen zusammen dem Spielverlauf zu folgen. Nahad geht bis
zum Spielende nicht mehr ins „Wurzelhaus“ zurück. Um 10:26 Uhr
wird das Spiel beendet. Als das Spiel vorbei ist, geht Nahad zu Julia
und gibt ihr den Schuh zurück.
Olida: Olida entschied sich in der Geschichte „Etwas von den Wurzelkindern“ einen Schmetterling darzustellen. Ihre Wahl für die Verkleidung fiel auf ein blaues Tuch, welches sie sich um den Bauch
gebunden hat.
Um 9:32 Uhr beginnt das Spiel. Olida sitzt auf der Bank am „Wurzelhaus“ (siehe Anhang: Skizze) und beobachtet das Geschehen. Indem sie mit Flügelbewegungen und dem blauen Tuch einen Schmet-
S4
terling charakterisiert, zeigt sie zu ihren Mitschülern ein paralleles
Spielverhalten. Sie deutet mit dem Finger auf ihr Tuch und sagt zu
„Vater Erde“: „Ich habe blaue“. Sie beobachtet, wie sich die anderen
„Insekten waschen“. Dabei lacht sie, hält sich die Hand vor dem
Mund und verfolgt das Geschehen.
Eine Mitschülerin von Olida, Nina, bietet ihr Hilfestellungen an, indem sie Olida auffordert, sich von „Vater Erde“ putzen zu lassen, als
dieser die Schmetterlinge reinigt („Olida, geh da mal hin“). Nachdem
Nina Olida sanft in die Mitte des Hauses schubst, setzt diese sich
dort hin. Da Olida Ninas Hilfe annimmt und ihren Aufforderungen
S5
M (Nina) 5
folgt, entwickelt sich aus der Interaktion zwischen den beiden ein
assoziatives Spiel.
Nun verlassen alle „Wurzelkinder“ und „Insekten“ das „Wurzel-
S4
haus“. Im weiteren Spielverlauf startet Olida wenige Versuche, mit
M (Laura) 1
ihren Mitschülern eine Interaktion einzugehen, sondern konzentriert
M (Nina) 4
31
sich mehr auf ihre Rolle als Schmetterling, indem sie sich parallel zu
ihren Mitschülern im Raum bewegt und Flügelschläge andeutet. Sie
spricht einmal ihre Mitschülerin Laura an. Diese reagiert aber nicht.
Nina streichelt Olida im Vorbeigehen mehrfach über den Kopf und
entfernt sich wieder. Olida lächelt Nina an und geht ebenfalls weiter.
Etwa eine Minute später kommt Nina erneut auf Olida zu und streichelt sie. Nina bietet Olida Spielvorschläge für einen Schmetterling
an, indem sie an ihr „vorbeifliegt“ und sie dabei streicht. Oldia erwidert diese Geste, geht auf Nina zu und streckt ihre Hand nach ihr aus,
worauf Nina allerdings nicht eingeht. Als alle „Wurzelkinder“ und
„Insekten“ zurück in das „Wurzelhaus“ gehen, folgt Olida ihnen und
setzt sich auf die Bank. Um 9:39 Uhr wird das Spiel beendet.
5.2 Interpretation der Befunde
Anhand der dargestellten Befunde lassen sich differenzierte Interpretationen für beide Schüler ableiten. Um zu einer Beantwortung unserer Forschungsfrage zu gelangen, legen wir den Focus zum einen auf die Integration der Schüler innerhalb des
Spieles und zum anderen auf die Interaktion mit ihren Mitschülern.
5.2.1 Nahad
Nahad zeigt im gesamten ersten „Jeux Dramatique“ eine hohe Motivation zur Integration. Es wird von Beginn an ganz klar ersichtlich, dass er zu den fünf Schülern, die
die Jaguargruppe bilden, dazugehören möchte, da er sehr hartnäckig versucht, sich
im „Jaguarkäfig“ zu platzieren. Entscheidender ist jedoch, dass Nahads Bezugsperson innerhalb der Klasse, Fabian, ebenfalls einen Jaguar charakterisiert und er von
diesem durch die Wahl eines anderen Tiercharakters nicht getrennt sein möchte.
Vor allem bei Fabian versucht Nahad Aufmerksamkeit zu erregen. Alle anderen
Schüler im Jaguarkäfig werden zwar von Nahad motiviert, in eine gegenseitige Interaktion zu treten, doch da sie nicht weiter auf ihn eingehen, lässt er schnell von ihnen
ab. An den ständigen Versuchen, zu Fabian einen Körperkontakt aufzubauen, erkennt
man, dass dieser Nahad sehr wichtig ist und innerhalb der Klasse einen „Knotenpunkt“ darstellt. Fabian seinerseits ist der in dieser Situation einzige Schüler, der
32
Nahad mit in das Spiel einbezieht. Dies könnte zum einen daran liegen, dass die anderen Schüler wissen, dass Fabian Nahads Bezugsperson ist und ihm somit die Verantwortung überlassen. Andererseits könnte Fabian sich der besonderen Situation
Nahads mit seiner Behinderung in der Klasse und seiner Stellung als Bezugsperson
bewusst sein und sich somit auch in der Pflicht fühlen, seine Konzentration mehr
Nahad als den anderen Schülern zu widmen. Des Weiteren zeigt sich die besondere
Bedeutung Fabians darin, dass Nahad der Geschichte nicht mehr zu folgen scheint,
da er der Erzählerin den Rücken zudreht, sobald ihm Fabian seine Aufmerksamkeit
widmet.
Dennoch scheint Fabian für Nahad nicht durchgängig interessant zu sein. In dem
Moment, als in der Geschichte etwas für Nahad spannendes passiert (als sich das
kleine „Ich-bin-Ich“ zum „Jaguarkäfig“ begibt) lässt er von Fabian ab und widmet
sich der Geschichte. Er tritt zuerst in Interaktion mit allen Mitschülern im „Jaguarkäfig“, indem sie gemeinsam wie Jaguare spielen und raufen. Seine Mitschüler integrieren Nahad in das Spiel und behandeln ihn wie alle Jaguare, z.B. ohne zu große
Vorsicht oder Rücksicht zu nehmen. Eine gewisse Einschränkung dieser Interaktion
sollte jedoch insofern beachtet werden: Die Schüler sind durch die Geschichte und
den Spielleiter dazu angehalten, sich wie Jaguare zu Verhalten, sobald das kleine
„Ich-bin-Ich“ auf sie zukommt. Das sie dabei allerdings Nahad vollständig mit ins
Spiel einbeziehen, geht von den Schülern selbst aus und ist keine Aufforderung des
Spielleiters.
Danach baut Nahad zu dem kleinen „Ich-bin-Ich“ eine Interaktion auf, indem er es
wegschubst, als dieses vor dem „Jaguarkäfig“ steht. Diese Reaktion von Nahad zeigt,
dass er die Geschichte doch verfolgt hat und ihren Sinn weitestgehend verstanden
hat. Indem er das kleine „Ich-bin-Ich“ vom „Jaguarkäfig“ wegstößt, zeigt er ihm,
dass es nicht wie ein Jaguar ist und nicht zu ihnen gehört, sich also weiter auf die
Suche nach seiner Identität machen muss. Das kleine „Ich-bin-Ich“ wiederum versteht Nahads Interaktion, indem es weiter zum nächsten „Käfig“ geht. An diesem
spielerischen Verhalten Nahads wird deutlich, dass er von seinen Mitschülern in das
Spiel als vollwertiges Mitglied integriert wird.
33
Im zweiten „Jeux Dramatique“ können wir wieder erkennen, dass Nahad einen starken Bezug zu Fabian hat, da er mehrmals versucht, mit Fabian in Interaktion zu treten. Es ist somit ersichtlich, dass Nahad eine konkrete Bezugsperson innerhalb der
Klasse braucht, auf die er sich fixieren kann. Fabian seinerseits geht dieses Mal weniger auf Nahad ein. Er gibt ihm einige Hilfestellungen für das Spiel, indem er Nahad darauf hinweißt, dass nicht gesprochen werden darf, widmet sich jedoch ansonsten der Geschichte. Nahad nimmt zu Anfang diese Hilfe an und startet im gesamten
Spielverlauf mehrere Versuche, mit Fabian Kontakt aufzunehmen. Dabei geht er auf
anderen Mitschüler wie z.B. Julia, die bemerkt, dass Nahad Kontakt aufnehmen
möchte und ihm darum Hilfestellungen gibt, nicht ein und ignoriert ihr Verhalten.
Nahad scheint jedoch generell daran interessiert zu sein, mit einem seiner Mitschüler
in Interaktion zu treten. Als er merkt, dass er von Fabian keine Aufmerksamkeit bekommt, setzt er sich zu einigen anderen Schülern auf die Matten und versucht ganz
gezielt, Julias Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er hat also ihr vorheriges Interesse an ihm bemerkt und nutzt dieses nun, um eine Interaktion zu starten. Die beiden
beginnen ein von der Geschichte unabhängiges Spiel, das zeigt, dass Nahad in diesem Fall nicht dem Geschichtsverlauf folgt. Er bevorzugt sein eigenes Spiel und
grenzt sich dadurch von den anderen Schülern ab. Julia ihrerseits versucht nicht, Nahad in das Spiel mit einzubeziehen, sondern geht lediglich auf seine Kontaktversuche
ein. Es geht ihr mehr darum, eine Beziehung zu ihm aufzubauen, als ihm zu helfen,
ihn aktiv ins Spiel zu integrieren. Dennoch versucht sie für sich selbst, dem Spielverlauf zu folgen. Dies zeigt sich besonders deutlich, als Julia sich von Nahad losreisen
möchte, um mit den anderen Kindern zurück ins „Wurzelhaus“ zu gehen. Nahad will
die Interaktion mit ihr nicht beenden. Indem er sie festhält, signalisiert er, dass ihm
das Spiel mit ihr gefällt. Julia hingegen unterstützt ihn nicht weiter in seinem Vorhaben, sondern entfernt sich mit Umständen von ihm und lässt ihn alleine zurück. Es
zeigt sich, dass er vor allem in der zweiten Hälfte des Spiels nicht mehr versucht hat,
sich in den Gruppenprozess zu integrieren und am Spiel teilzunehmen, sondern lediglich die Aufmerksamkeit einer Person sucht.
34
5.2.2 Olida
Auch Olida zeigt im ersten „Jeux Dramatique“ eine hohe Integrationsmotivation, hat
jedoch mit mehr Ablehnung seitens ihrer Mitschülern zu kämpfen als Nahad. Olida
wirkt zunächst durch ihr Umherlaufen etwas orientierungslos. Im Laufe des Spieles
zeigt sich, dass sie zu Anfang anscheinend nicht genau verstanden hat, was ihre Rolle
im Spiel ist. Zu Beginn versucht Olida als Puma durch Fauchen und Raubtiergeräusche Kontakt zu einer Hasengruppe aufzunehmen, in der sich auch ihre Bezugsperson Nina befindet. Von Olidas Seite aus sind somit Interaktionen gewünscht, ihre
Mitschülerinnen hingegen schließen sie teilweise bewusst aus und versuchen nicht,
sie direkt zu unterstützen. Einerseits könnte hier ein Ausschluss vom Spiel deutlich
werden, da sich die Mädchen zu einem Kreis formieren und Olida den Rücken zudrehen. Andererseits könnten sie Olida damit andeuten wollen, dass sie als Puma
nicht zu ihnen gehört und sich einen anderen Ort suchen muss, womit die Schüler ihr
indirekt einen Spielvorschlag geben. Vor allem Nina geht als Olidas Ansprechpartnerin nicht auf sie ein, da ein Hase im normalen Leben nichts mit einem Puma zu tun
hat. Olida könnte aus dem Verhalten von Nina etwas lernen, scheint dies jedoch nicht
so aufzufassen, was sich im Folgenden zeigt: Sie steht verloren im Raum, schaut sich
suchend um und startet einen weiteren Versuch, mit Nina eine Interaktion aufzubauen. Wahrscheinlich ist die Spielunterbrechung seitens des Spielleiters der Grund dafür, dass Olida ihre Fixierung auf Nina beendet.
Als das Spiel wieder beginnt, setzt sich Olida zu Laura. Da Laura ebenfalls ein Raubtier charakterisiert, scheint Olida nun verstanden zu haben, wo ihr Platz im Spiel ist.
Laura startet mit ihrem Tuch eine Interaktion mit Olida und bezieht sie so in das
Spiel mit ein. Da Olida Lauras Kontaktaufnahme erwidert, entsteht zwischen den
beiden kurzzeitig ein gemeinschaftlichen „Raubtierspiel“ bis die Geschichte zu Ende
ist. Wie bei Nahad zeigt auch Olida hier die Tendenz, sich auf eine Person zu fixieren, um mit in das Spiel eingebunden zu werden.
Olida ist bei der zweiten Geschichte direkt zu Beginn des Spieles am Geschehen interessiert. Sie lacht und es macht ihr sichtlich Spaß, den anderen Schülern im „Wurzelhaus“ zuzuschauen. Nina scheint Olidas Interesse zu bemerken, da sie ihr Hilfestellungen anbietet, die Olida in das aktuelle Spielgeschehen integrieren. Olida
35
nimmt diese Hilfestellungen an, ohne jedoch weiter auf Nina einzugehen. Olidas
Aufmerksamkeit ruht mehr auf der Geschichte als auf dem Versuch, mit Nina in direkte Interaktion zu treten.
Durch das konsequente nachahmen eines Schmetterlings während des Spielverlaufes
im „Wald“ zeigt sich, dass Olida ihre Rolle in der Geschichte verstanden hat. Sie
versucht nun weniger, mit ihren Mitschülern in direkten Kontakt zu treten. Vor allem
ihre Fixierung auf Nina ist deutlich geringer als beim ersten „Jeux Dramatique“.
Vielmehr konzentriert sich Olida auf ihre Rolle und folgt der Geschichte, indem sie
durch das Spielfeld „fliegt“ und parallel zu ihren Mitschülern agiert. Die Spielvorschläge von Nina, d.h. leichtes Streichen im „Vorbeifliegen“, nimmt Olida an und
setzt sie um, indem sie auch Nina im „Vorbeifliegen“ steift. Olida benötigt somit
diesmal keine Bezugsperson innerhalb der Klasse. Sie schafft es aus eigener Kraft,
der Geschichte zu folgen, richtig zu agieren und ihrem Charakter eine Persönlichkeit
zu verleihen. Vermutlich weiß Olida jetzt, was sie im Spiel erwartet und wie die Methode verläuft. Dadurch fühlt sie sich sicher und traut sich ferner zu, sich auch ohne
ihre Bezugsperson in das Spiel zu integrieren. Ihre Mitschüler behandeln sie dabei
weder bevorzugt noch ablehnend, sondern wie einen „Schmetterling“, der Teil der
Geschichte ist.
5.2.3 Zusammenfassung
Anhand der Interpretationen der Beobachtungen kann festgehalten werden, dass sowohl Nahad als auch Olida im Spielprozess des „Jeux Dramatique“ integriert sind.
Beide haben aktiv an den Spielen teilgenommen und versucht, ihre gewählten Charaktere umzusetzen. Keiner zeigt Angst, an dem Spiel teilzunehmen. Sowohl Nahad
als auch Olida haben sich in die Geschichte integriert bzw. sich von Mitschülern integrieren lassen. Hierbei war der Erfolg Tagesformabhängig (Nahad zeigte am zweiten Spieltag von Anfang an ein unmotiviertes Verhalten). Trotzdem war bei beiden
immer der Versuch ersichtlich, der Geschichte zu folgen, wenngleich sie das Konzept des „Jeux Dramatique“ scheinbar zunächst nicht verstanden haben. Am ersten
Spieltag wirkte vor allem Olida etwas orientierungslos und folgte der Geschichte nur
unzureichend, während Nahad seine Probleme am zweiten Spieltag zeigte. Dies
könnte zum einen daran liegen, dass sich beide erst in die Methode einfinden muss-
36
ten, zum anderen, dass die ausgewählten Geschichten nicht bei jedem Schüler auf
gleiches Interesse stoßen, und so die Motivation zur Integration beeinflusst wird.
Insgesamt zeigte sich jedoch, dass beide Schwierigkeiten hatten, das „Jeux Dramatique“ in den Gesamtzusammenhang einzuordnen.
Hilfe bekamen sie von anderen Schülern. Verschiedene Bezugspersonen im Spiel
unterstützen Nahad und Olida, den Gesamtzusammenhang des „Jeux Dramatique“ zu
verstehen und ihre Rolle im Spiel einzunehmen. Dies ist als positiv einzuschätzen, da
die Arbeitsform des Peer-Tutoring „positive Auswirkungen auf die Haltung zum
Partner und die künftige soziale Beziehung“ hat. (vgl. Mastropieri/Scruggs 2000).
Viele Schüler mit Behinderung wählen sich ihre Bezugspersonen selber aus, da sie
ihnen Orientierung und Hilfestellungen geben.
Nahad und Olida suchen die Interaktion mit anderen und gehen offen auf ihre Mitschüler zu. Auffallend ist, dass beide im Spiel eine Bezugsperson haben und sich
sehr an ihr orientieren. Wendet sich diese ab, versuchen beide eine andere Bezugsperson (Nahad aktiv, Olida eher passiv) zu finden. Die Suche nach einer Orientierungsperson ist darauf zurückzuführen, dass Kinder mit dem Förderschwerpunkt
geistige Entwicklung unzureichende Kompetenzen im Bereich der sozialen Kognition und der emotionalen Selbstregulationen aufweisen. Dazu gehören z.B. soziale
Absichten zu erkennen und Zusammenhänge zu verstehen, als auch Gesprächbeiträge auf ein gemeinsames Thema abzustimmen und auf den Kontext zu beziehen (vgl.
Sarimski 2006, S. 293).
Nahad fixiert sich in erster Linie stark auf Fabian. Seine Integration in das Spielgeschehen ist abhängig von ihm. Zudem gibt Fabian Nahad Orientierung im Spiel, sodass dieser Situationsangemessen agieren kann. Andererseits ist Nahad auch aktiv
auf der Suche nach neuen Bezugspersonen, sofern Fabian nicht auf seine Kontaktanbahnungen reagiert. Andere Schüler, wie z.B. Julia, gehen in dem Fall zwar auf Nahad ein, integrieren ihn jedoch nicht in das eigentliche Spiel.
Olida hingegen fixiert sich in einer neuen Situation erst auf Nina. Als diese nicht
reagiert, geht sie bereitwillig eine Interaktion mit Laura ein, ohne diese aktiv zu suchen. Olida findet sich jedoch vor allem am zweiten Spieltag nach einiger Zeit alleine zurecht, verzichtet dann auf eine Bezugsperson und schafft es aus eigener Kraft,
37
sich in das Spielgeschehen mit einzubringen. Die Bindung zwischen den Nina und
Olida scheint somit weniger eng als bei Nahad und Fabian.
Die Forschungsfrage, in wieweit ein Schüler mit Förderbedarf im Rahmen des „Jeux
Dramatique“ in seiner Klasse sozial integriert ist, kann damit verifiziert werden; es
hat sich gezeigt, dass Nahad und Olida im Rahmen des „Jeux Dramatique“ integriert
sind, trotz das beide im Schnitt nicht die höchste Stufe der Integration erreicht haben.
Sowohl Nahad als auch Olida sollten auf Stufe 4-5 angesiedelt werden, da sie überwiegend ein paralleles bis assoziatives Spielverhalten zeigten und auch die Mitschüler, hier besonders die jeweiligen Bezugspersonen, den beiden eher Spielvorschläge
und Hilfestellungen anboten, als sie durchgängig in ein kooperatives, sich gegenseitig ergänzendes Spiel mit einzubeziehen. Es muss jedoch betont werden, dass diese
Aussagen nur in Bezug auf unser Projekt, unsere Forschungsfrage und unseren Forschungsrahmen gelten. Allgemeingültige, repräsentative und differenzierte Aussagen
über die Integration der beiden Schüler innerhalb der Klasse im Rahmen des „Jeux
Dramatique“ könnten nur getroffen werden, wenn das gesamte Projekt länger, intensiver und professioneller durchgeführt werden würde.
38
6. Evaluation
Die Interpretation der Ergebnisse zeigt, dass unser Projekt zu einem sinnvollen und
erfolgreichen Abschluss gekommen ist. Gesamt gesehen verlief unsere Forschung
sehr gut, auch wenn wir an einigen Stellen mit leichten Schwierigkeiten zu kämpfen
hatten. Anhand von Bewertungen (Note 1-6) der verschiedenen Prozesse wird in der
folgenden Evaluationsspinne die Meinung des Teams widergespiegelt, um darauf
aufbauend detailliert in eine Evaluation unseres Projektes einzusteigen.
6.1 „Evaluationsspinne“
1. Forschungsfrage
1
8. Kooperation
2
2. Forschungsmethode
3
4
5
6
3. Indikatoren
7. Schüler
6. Durchführung
4. Projektmethode
5. Planung
Ideallinie
Bewertung des Teams
39
Den Erfolg erkennen wir daran, dass…
1.
… die Forschungsfrage sinnvoll und realisierbar ist.
… sie einfach und klar formuliert ist.
… sie sich didaktisch umsetzen lässt.
2.
… die Forschungsmethode das misst, was wir herausfinden wollen.
… sie für unserer Forschungsziel geeignet ist.
… sie leicht anwendbar ist.
3.
… die Indikatoren verdeutlichen, was zu messen/beobachten ist.
… sie verständlich, transparent und leicht anzuwenden sind.
… sie sinnvoll auf die Forschungsfrage abgestimmt sind.
4.
… die Projektmethode für uns umsetzbar ist.
… mit ihren Ergebnissen die Forschungsfrage beantwortet werden kann.
5.
…die Planung zeitlich umsetzbar ist.
… sie kleinschrittig und überschaubar ist.
… einen angemessenen Umfang umfasst.
6.
… die Durchführung zügig und ohne Komplikationen verläuft.
… sie von jedem Teammitglied ausgeübt werden kann.
… keine Beeinflussung durch Außenstehende verübt wird.
7.
… die Schüler bereitwillig am Projekt mitwirken.
… sie sich authentisch verhalten.
8.
… die Kooperation zwischen Schule und Team funktioniert.
… die Kooperation im Team funktioniert.
6.2 Evaluation des Gesamtprojektes
Wie die Evaluationsspinne zeigt, ist unser Projekt im gesamten sehr gut verlaufen.
Vor allem an der Forschungsfrage und der Planung des Projektes konnten keine
Mängel gefunden werden. Die Forschungsfrage war für unsere Rahmenbedingungen
sinnvoll gewählt und realisierbar, d.h. wir konnten sie sowohl methodisch als auch
didaktisch umsetzen und sind zu angemessenen Ergebnissen gelangt. Die Planung
(siehe Anhang: Arbeitsplan) war kleinschrittig und in der uns zur Verfügung stehenden Zeit umsetzbar. Es entstanden weder durch die Schule noch durch die Teammit-
40
glieder Komplikationen oder Verzögerungen, sodass es zu keiner Umplanung kommen musste.
Sowohl die Forschungsmethode (Beobachtung) als auch die Projektmethode („Jeux
Dramatique“) waren für unser Projekt mit kleineren Einschränkungen gut gewählt.
Die Methode der Beobachtung lieferte uns die passenden Ergebnisse für die Auswertung und konnte mittels des Beobachtungsbogens leicht angewendet werden. Wir
waren in der Lage, unsere Forschungsfrage durch die Beobachtung zu beantworten.
Die Beobachtungsbögen haben den Prozess für uns sehr vereinfacht. Das kooperative
Evaluieren jedes einzelnen „Jeux Dramatiques“ und das damit verbundene Zusammenschreiben der einzelnen Beobachtungen der Teammitglieder zu einer endgültigen
Version eröffneten uns verschiedene Sichtweisen und neue Perspektiven auf soziale
Integration. Insgesamt führte dies zu einem für uns zufriedenstellenden Gesamtergebnis. Leider kann man auch bei der Beobachtung mittels Beobachtungsbögen einen subjektiven Einfluss jedes einzelnen nicht ausschließen. Soziale Integration ist
objektiv nicht messbar, sondern nur durch Beobachtung zu erfassen, die jedoch immer einer subjektiven Sichtweise unterliegt.
Die Methode des „Jeux Dramatique“ erwies sich für die Beantwortung der Forschungsfrage als sehr praktikabel und umsetzbar und lieferte uns, wenn auch in kleinem Umfang, sinnvolle Ergebnisse. Uns und die Lehrer hat das „Jeux Dramatiques“
vor allem in dem Punkt angesprochen, dass wir jeweils die gesamte Klasse in diese
Methode integrieren konnten und nicht einzelne Schüler auswählen mussten. Dadurch liefen wir nicht Gefahr, den Klassenzusammenhalt durch Bevorzugung bzw.
Benachteiligung einzelner Schüler zu beeinträchtigen. Zudem konnten wir als Team
geschlossen an der Methode mitwirken. Jeder von uns hatte in jedem Spiel seine feste Aufgabe. Niemand musste nur am Rande sitzen und zuschauen. Dennoch mussten
wir kleinere Einschränkungen machen: die Methode musste so abgewandelt werden,
dass sich die Schüler nur lebende Charaktere für das Spiel aussuchen durften. Dies
ist zwar eine starke Abwandlung vom eigentlichen Sinn des „Jeux Dramatique“; sie
musste jedoch vorgenommen werden, da wir sonst Gefahr gelaufen wären, keine
Interaktion in unseren Geschichten beobachten zu können und wir somit zu keiner
Antwort auf unsere Forschungsfrage gekommen wären. Da den Schülern nicht bewusst war, dass sie eigentlich auch Gegenstände und Gefühle in einem „Jeux Drama-
41
tique“ hätten nachspielen dürfen, war auch nicht der Wunsch danach vorhanden. Es
kam nie die Frage auf, ob ein Schüler auch etwas anderes darstellen dürfe. Jedes
Kind wollte ein „lebender“ Charakter sein, was unserem Vorhaben somit nochmals
zu Gute kam.
Etwas schwieriger, aber dennoch nicht problematisch, zeigten sich die im Vorfeld
herausgearbeiteten Indikatoren zur Messung der Integration und die Durchführung
des Projektes. Unsere Indikatoren (vgl. Tabelle 3) haben die Beobachtung deutlich
erleichtert, da jedes Teammitglied wusste, auf was es sich konzentrieren musste.
Auch die Auswertung wurde dadurch vereinfacht und brachte uns zu einer Antwort
auf die Forschungsfrage. Schienen sie jedoch auf den ersten Blick recht umfassend
und präzise benannt zu sein, so kam es bei der Auswertung vereinzelt zu Verwirrungen, da nicht immer genau das Verhalten in den Indikatoren definiert war, was die
Schüler gezeigt haben. Vor allem die Integrationsstufen der Mitschüler waren teilweise zu ungenau abgegrenzt voneinander. Es war zeitweilig schwierig, das Verhalten der Schüler den Indikatoren zuzuordnen, wenn es nicht exakt einer Definition
entsprach und führte zu längeren, aber äußerst fruchtbaren, Diskussionen innerhalb
unseres Teams. Letztendlich konnten wir uns in jedem strittigen Fall auf eine Zuordnung zu den Stufen einigen. Jedoch lässt sich auch hier wieder eine subjektive
Sichtweise von uns nicht ausblenden und sich somit nicht eindeutig feststellen, ob
unsere Auswertung und Interpretation bezüglich der Integration unserer beiden Schüler auch tatsächlich der Realität entspricht. Auf unser Projekt bezogen können wir
allerdings festhalten, dass die Indikatoren größtenteils sinnvoll gewählt wurden und
uns zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt haben.
Die Durchführung der „Jeux Dramatiques“ verlief im Großen und Ganzen reibungslos. Jedes Teammitglied konnte eine Geschichte gestalten und nach unserem Plan
durchführen. Dadurch hat jeder zum Gelingen des Projektes beigetragen. Einzig unsere Unerfahrenheit von der Umsetzung der „Jeux Dramatiques“ brachte einige
Startschwierigkeiten mit sich. Um das „Jeux Dramatique“ richtig zu beherrschen, ist
eine Fortbildung in Rahmen von mindestens drei Wochenendseminaren notwendig.
Zudem ist bei Einführung der Methode in den Unterricht eine Zeitspanne von mindestens einem Monat wichtig, damit sich die Kinder mit der Methode vertraut machen und sich in die Art des Spiels einfinden können. Beides konnte unter unseren
42
Gegebenheiten nicht vorausgesetzt werden. Die Schüler unserer Klasse waren durch
etliche Theaterprojekte mit dem Spielen in einem Raum vertraut. Wir als Team hatten selber noch nie „Jeux Dramatiques“ selbstständig durchgeführt, sodass einige
Probleme bei der Umsetzung auftraten. Vor allem die Spielzeit war etwas zu kurz,
als es eigentlich bei einem „Jeux Dramtique“ der Fall ist. Durch unsere Unerfahrenheit viel es uns schwer, von der eigentlichen Spielgeschichte abzuweichen, spontan
kreativ zu werden und alle Aktionen der Schüler mit ins Spiel einzubeziehen, ohne
den eigentlichen roten Faden der Geschichte zu verlieren. Dadurch wurden die ausgewählten Geschichten eher nacherzählt und waren somit schon nach ca. 10 Minuten
zu Ende. Zudem folgten die Schüler mit ihrem eigenen Spielverhalten mehr unserer
Erzählung, als das Spiel selbst aus sich heraus kreativ zu gestalten. In ersten Ansätzen konnte dies jedoch beobachtet werden (vgl. Olida in „Etwas von den Wurzelkindern“), sodass hier Potenzial zum Ausbau wäre. Auch für unsere Forschungsabsicht
bedeutet dies, dass die Methode in unserem zeitlichen Rahmen durchaus machbar
war, jedoch auf längere Sicht effektivere Ergebnisse liefern würde.
Zuletzt konnte sowohl mit den Schülern, als auch mit den Lehrern, gut zusammengearbeitet werden. Die Schüler haben unser Projekt sehr positiv aufgegriffen (Applaus
am zweiten Spieltag) und mit Begeisterung mitgespielt. Leider artete diese Begeisterung am ersten Spieltag in einen zu hohen Lärmpegel aus, sodass das Spiel kurzzeitig
unterbrochen werden musste, um den Schülern noch einmal deutlich zu machen, dass
während der Geschichte nicht gesprochen werden darf. Des Weiteren hatten wir das
Gefühl, dass sich die Schüler während des Spiels sehr authentisch verhalten haben.
Vor allem Nahad und Olida schienen so wie im sonstigen Schulalltag zu agieren,
indem sie sich auf ihre Bezugspersonen fixierten.
Auch die Kooperation, d.h. die Absprachen mit den Lehrern im Vorfeld des Projektes und währenddessen, war zufriedenstellend. Alle ausgemachten Termine und Zeiten konnten sowohl vom Team als auch von der Schule eingehalten werden, was uns
die Durchführung des Projektes sehr erleichtert hat. Zudem haben wir materielle Unterstützung von den Klassen in Form von Tüchern und Instrumenten erhalten, wodurch unsere Organisation vereinfacht wurde. Insgesamt hätten wir uns jedoch von
den Lehrern nach jeder Spieleinheit etwas mehr Feedback gewünscht, konnten jedoch auf Grund des straffen Zeitplanes und des Unterrichts nicht von uns aus auf die
43
Lehrer zugehen. Hier hätte man evtl. ein Evaluationsfenster für Team und Lehrer
einbauen sollen.
Insgesamt hat die Kooperation bei uns im Team sehr gut funktioniert. Der Umfang
unseres Projektes wurde angemessen gewählt und die Forschung konnte zu einem
runden Abschluss gebracht werden, der fruchtbare Ergebnisse enthält. Es wäre zwar
wünschenswert gewesen, wenn das Projekt durch mehr Zeit und bessere materielle
Gegebenheiten noch hätte ausgeweitet werden können, jedoch waren in unseren Rahmenbedingungen alle, Schüler sowie Teammitglieder, mit Freunde an der Umsetzung
beteiligt.
44
7. Fazit
Resümierend kann festgehalten werden, dass unser Projekt von der Planung bis zur
Durchführung als produktiver und reibungsloser Prozess beschrieben werden kann.
Die Methode des „Jeux Dramatique“ lässt sich gut in das Konzept der Peter Petersen
Schule integrieren, da dieses viele Theaterspiele vorsieht. Die Schüler sind es gewohnt, viele Theaterspiele vorzuführen. Sie ließen sich relativ schnell auf die neue
Methode ein, sodass anfängliche Berührungsängste fast nicht zu beobachten waren.
Ebenfalls empfinden wir es als gelungen, dass unsere Fragestellung durch die Durchführung des Projektes sinnvoll beantwortet werden konnte. Es konnte eine soziale
Integration der Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung im „Jeux
Dramatique“ festgestellt werden.
Wir würden es als wünschenswert empfinden, wenn die Schule die Methode „Jeux
Dramatique“ in ihr Schulprogramm aufnehmen könnte, um diese den Schülern vollständig näher zu bringen. So könnten die Schüler versuchen, über einen längeren
Zeitraum ihren eigenen Ausdruck im Spiel zu finden. Außerdem können bei längerer
Durchführung Gefühle und unbelebte Gegenstände wie Steine, Pflanzen oder ähnliches, in die Methode eingeführt werden. Hierzu bedarf es allerdings, wie oben bereits
erwähnt, einer ausgebildeten Fachkraft, um zu einer effektiven Ausführung zu gelangen.
Aufgrund der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Studien zu diesem
Thema war es für uns interessant, etwas Neues durchzuführen. Jedoch hätten wir uns
zeitweise einen Vergleich gewünscht. Demnach könnten wir uns gut vorstellen, dass
eine weitere Gruppe unser Projekt fortführt, um eine vergleichende Forschung anzulegen. Diese könnte entweder in einer anderen oder denselben Klassen stattfinden,
oder gar in einer anderen Schule. Auch wenn wir uns bewusst sind, dass unsere
Auswertungen und Interpretationen nicht für eine allgemeingültige Aussage ausreichend und repräsentativ sind, empfinden wir insgesamt unser Projekt, welches Ergebnisse im kleinen Umfang für die Schule geliefert hat, als durchweg gelungen.
45
8. Quellen
Monographien:
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Arbeitsblätter. Bern.
(Kurzer theoretischer und historischer Überblick über das Themengebiet „Jeux Dramatiques“)
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(Darstellung verschiedener Beobachtungsmethoden)
Bracken, H. von (1974): Vorurteile gegen behinderte Kinder, ihre Familien und
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Faßnacht, G. (1979): Systematische Verhaltensbeobachtung. München/Basel.
(Umfangreiche Darstellung von Beobachtungssystemen)
Klafki, W. (19965): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße
Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. Weinheim.
Köbberling, A., Schley, W. (2000): Sozialisation und Entwicklung in Integrationsklassen. Untersuchung zur Evaluation eines Schulversuchs in der Sekundarstufe. Weinheim/München.
Krais, B., Gebauer, G. (2002). Habitus. Bielefeld.
Kretschmer, H., Stary, J. (1998): Schulpraktikum: eine Orientierungshilfe zum
Lernen und Lehren. Berlin.
(Umfassender Überblick über die Methode des Beobachtens)
46
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1994 bis 2003. Bonn.
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Lobe, M. (1972): Das kleine „Ich-bin-Ich“. Wien
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(Aufzeichnungen von Klassifizieungssystemen)
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effective instruction. Upper Saddle River.
Olfers, Sibylle (1995): Etwas von den Wurzelkindern. Esslingen.
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mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Europa. In: Heilpädagogik, H. 4, S.
1-16.
(Darstellung von Integration in Grundsatztexten im Vergleich zur Wirklichkeit)
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Schnell, I., Sander, A. (Hrsg.): Inklusive Pädagogik. Bad Heilbrunn. S. 23-40.
(Aktuelle Darstellung über die Integrationskultur)
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Grundstudium Sonderpädagogik. Oberhausen. S. 142-156.
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Geistige Behinderung, H. 3, S. 257-261.
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(Darstellung der Ziele und Inhalte des Jeux Dramatiques)
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Academic and social outcomes. In: Review of Educational Research, H. 52, S.
519-569.
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48
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100-101.
(„Jeux Dramatiques“ zu der Vorlage „So ein Sausen ist in der Luft“)
Sarimski, K. (2006): Diagnostik der sozialen Beziehungen von Kindern mit geistiger Behinderung In: Zeitschrift für Heilpädagogik, H. 8, S. 289-294.
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chronisch kranke Kinder und Jugendliche. Freiburg i.B. S. 129-142.
(Darstellung der Wirkung des „Jeux Dramatiques“ auf schwer erkrankte Kinder und Jugendliche)
Internetquellen:
© 1999 bwachter@welleg.de: http://www.welleg.de/unterricht/jeux/index.htm (abgerufen am 15.12.2008)
(In erster Linie Regelwerk zum „Jeux Dramatiques“)
Arbeitsgemeinschaft
Ausdrucksspiel
aus
dem
Erleben
e.V.:
http://www.jeux.de/index.php (abgerufen am 15.12.2008)
(Erfahrungsberichte, Themenvorschläge, Anregungen zur Durchführung)
49
9. Anhang
• Arbeitsplan
• Skizzen der Spielräume
• Beobachtungsbögen
• „Das kleine Ich-bin-Ich“
• „Etwas von den Wurzelkindern“
• DVD
50
Arbeitsplan zum Projekt
„Jeux Dramatiques“
Dezember 2008:
Abgabe Exposé I
…
März 2009:
Überarbeitung
Exposé I
Januar 2009:
23.Januar: Absprache mit den
Lehrerinnen über
Projekttermine
April 2009:
Abgabe Exposé II
16. April – 23.
April: Auswahl
und Bearbeitung
der Geschichten
für das Projekt
Mai 2009:
02. Mai: letzte Absprachen mit der
Schule
07. und 14. Mai:
Projektdurchführung
bis spätestens 07.
Juni: Überarbeitung Exposé II
Juni 2009: Teamtreffen 11. Juni:
Auswertung und
Interpretation
Teamtreffen 21.
Juni: Evaluation +
Fazit
bis spätestens zum
25. Juni: Projektbericht anfertigen
51
Skizzen der Spielräume
„Das kleine Ich-bin-Ich“
Wiese
Wasser
Jaguarkäfig
Käfig
„Etwas von den Wurzelkindern“
Wald
Wurzelhaus
52