BFH, Beschl. v. 8.10.2008 -- I R 95/04 - GmbH

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BFH, Beschl. v. 8.10.2008 -- I R 95/04 - GmbH
BUNDESFINANZHOF
Geschäftsanteil: Gleichheitsverstoß der Anwendungsregelung zur
Änderung der "Mantelkauf"-Vorschrift im Jahre 1997 -- Vorlage
an das BVerfG
Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber
eingeholt, ob § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des Gesetzes zur
Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7)
insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als § 8 Abs. 4 KStG
1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität --gemessen an den
Maßstäben der Neuregelung-- vor dem 1. Januar 1997 verloren
haben, bereits 1997 anzuwenden ist, dagegen für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997
vor dem 6. August verloren haben, erst im Jahr 1998.
GG Art. 2
KStG 1996
KStG 1996
KStG 1996
KStG 1999
Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14, Art. 20 Abs. 3
§ 8 Abs. 4
i.d.F. des UntStRFoG § 8 Abs. 4, § 54 Abs. 6
i.d.F. des RVFinG § 54 Abs. 6
§ 34 Abs. 6
Beschluss vom 8. Oktober 2008
I R 95/04
Vorinstanz: FG Köln vom 20. Januar 2004
(EFG 2005, 565)
13 K 5241/02
G r ü n d e
A.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin), einer GmbH, war bei ihrer Gründung im Jahre 1994
die Herstellung und der Vertrieb von visuellen Programmen jeder Art zur Verwendung auf allen Trägern einschließlich Film,
Fernsehen und neuen Medien, insbesondere Video und CD. Sie erwarb Auswertungsrechte für Videos, CD's, CD-ROM's und CDI's,
hauptsächlich im esoterischen und astrologischen Themenbereich
und bot entsprechende Videos in Fachzeitschriften einem speziell interessierten Publikum an. Ihre Gesellschafter waren im
Jahre 1994 G und A mit jeweils 12 500 DM und K mit 25 000 DM
des Stammkapitals von 50 000 DM.
Mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 hatte A ihren Anteil von
12 500 DM auf G übertragen. Zugleich wurde das Kapital um
100 000 DM erhöht und von G und K jeweils hälftig übernommen,
so dass nunmehr beide Gesellschafter mit je 75 000 DM an der
Klägerin beteiligt waren.
1995 erwirtschaftete die Klägerin erhebliche Verluste. Am
26. Juni 1996 schloss sie einen Vertrag mit der X-Gruppe, in
dem sie sich verpflichtete, für diese Prospekte, Kataloge,
Handzettel und Plakate herzustellen. K übertrug ihren Gesellschaftsanteil mit Vertrag vom 18. Juli 1996 auf G. Die Rechte
an den Filmen sowie noch vorhandene Filme verkaufte die Klägerin am 16. April 1996.
1996 wurden der Klägerin erhebliche Konzessionen und gewerbliche Schutzrechte (31. Dezember 1996: 889 978 DM, 31. Dezember
1995: 100 000 DM) sowie Anlagen, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung (31. Dezember 1996: 2 278 466 DM, zum
31. Dezember 1995: 20 429 DM) zugeführt. Ferner erhöhten sich
- 2 -
- 2 der Personalaufwand (1996: 726 310,45 DM; 1995: 37 204,29 DM)
und die sonstigen betrieblichen Aufwendungen (z.B. Raumkosten
1996: 106 435,32 DM; 1995: 19 152 DM) beträchtlich. Die Umsatzerlöse steigerten sich von 127 011,37 DM (1995) auf
1 666 064,72 DM im Jahr 1996.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den auf den 31. Dezember 1996 festgestellten
Verlustabzug bei der Körperschaftsteuer 1997 und im Bescheid
zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs
zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 nicht, da er
der Auffassung war, die Klägerin habe ihre wirtschaftliche
Identität i.S. von § 8 Abs. 4 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG) vom
29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590, BStBl I 1997, 928) i.V.m.
§ 54 Abs. 6 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Finanzierung eines
zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121, BStBl I 1998, 7
--KStG 1996 i.d.F. des RVFinG--, nunmehr § 34 Abs. 6 KStG 1999
i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes --StSenkG-- vom 23. Oktober
2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428), verloren. Mit
ihrer dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin u.a. geltend, § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG sei
nicht anwendbar, weil die Anteilsübertragung bereits 1996
abgeschlossen gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) Köln wies die Klage mit Urteil vom
20. Januar 2004
13 K 5241/02, veröffentlicht in Entscheidun-
gen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 565, ab. Es war der Auffassung, wegen der ab 1997 geltenden verschärften Voraussetzungen
für den Verlustabzug bestehe keine Bindung an den auf den
31. Dezember 1996 gesondert festgestellten vortragsfähigen
- 3 -
- 3 Verlust. Nach dem eindeutigen Wortlaut erfasse die Neuregelung
alle Altfälle. Nur für den Sonderfall eines Identitätsverlusts
im Jahr 1997 werde eine abweichende Regelung getroffen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Ergebnis bestünden
nicht.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Urteil des
FG verstoße gegen materielles Recht, da es § 8 Abs. 4 KStG
1996 i.d.F. des UntStRFoG i.V.m. § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F.
des RVFinG anwende, obwohl der Verlust der wirtschaftlichen
Identität in einem Veranlagungszeitraum vor 1997 liege.
Sie beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1997 und den Bescheid über die
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1997 vom 18. Juni bzw.
4. September 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
19. August 2002 dahingehend zu ändern, dass der auf den
31. Dezember 1996 festgestellte Verlust in Höhe von 454 192 DM
berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das im Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf entsprechende Aufforderung durch
den Senat (Beschluss vom 6. April 2005 I R 95/04, BFHE 209,
350) beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat
sich in der Sache dem FA angeschlossen, jedoch keine eigenen
Anträge gestellt.
B.
Das durch Beschluss des Senats vom 19. Juli 2006 gemäß § 155
FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung auf übereinstimmenden
- 4 -
- 4 Antrag der Beteiligten zum Ruhen gebrachte Revisionsverfahren
ist fortzuführen. Der Ruhensgrund ist entfallen, nachdem das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluss vom
15. Januar 2008
2 BvL 12/01 (Deutsches Steuerrecht --DStR--
2008, 556) über die ihm vom Senat durch Senatsbeschluss vom
18. Juli 2001 I R 38/99 (BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27)
nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zur Vorabentscheidung vorgelegte Rechtsfrage entschieden hat.
C.
Infolge der vom Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit von
§ 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG war das Revisionsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80
Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht
(BVerfGG) auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Nach Überzeugung des Senats ist die zu § 8 Abs. 4 KStG 1996
i.d.F. des UntStRFoG ergangene Anwendungsregelung des § 54
Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG jedenfalls insoweit
verfassungswidrig, als für Körperschaften, die nach Maßgabe
der Neufassung ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr
1997 vor dem 6. August verloren haben, die Neufassung erst ab
1998, für Körperschaften, die nach Maßgabe der Neufassung ihre
wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, die Neufassung jedoch bereits 1997 gelten soll. Diese Regelung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
I. Rechtsentwicklung der im Streitfall maßgeblichen Vorschriften
Das Körperschaftsteuergesetz enthielt zunächst keine § 8
Abs. 4 KStG entsprechende Regelung. Jedoch war nach der Recht- 5 -
- 5 sprechung des Senats (Urteile vom 19. Dezember 1973
I R 137/71, BFHE 111, 155, BStBl II 1974, 181; vom 17. Mai
1966 I 141/63, BFHE 86, 369, BStBl III 1966, 513; vom
15. Februar 1966 I 112/63, BFHE 85, 217, BStBl III 1966, 289)
bei einer Kapitalgesellschaft der Verlustabzug zu versagen,
wenn sie vor einem grundlegenden Gesellschafterwechsel ihre
wesentlichen Geschäftsgrundlagen und Vermögenswerte verloren
hatte und durch die Zuführung von Mitteln der Neugesellschafter wirtschaftlich wieder belebt wurde. Diese Rechtsprechung
wollte verhindern, dass Verlustvorträge gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Veräußerung der Geschäftsanteile im wirtschaftlichen Ergebnis verkauft werden (sog. Mantelkauf).
Mit Urteilen vom 29. Oktober 1986 I R 202/82 (BFHE 148, 153,
BStBl II 1987, 308) und I R 318-319/83 (BFHE 148, 158, BStBl
II 1987, 310) gab der Senat diese Rechtsprechung auf, da sie
weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 10d EStG entnommen
werden könne.
Als Reaktion hierauf wurde § 8 Abs. 4 erstmals durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093,
BStBl I 1988, 224) in das Körperschaftsteuergesetz aufgenommen. Danach ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d
EStG bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich,
sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch
ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität
liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als drei Viertel
der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und
die Gesellschaft danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend
neuem Betriebsvermögen wieder aufnimmt. Hierdurch sollte verhindert werden, dass Verlustvorträge von vermögenslosen Kapitalgesellschaften durch Veräußerung der Geschäftsanteile und
- 6 -
- 6 Zuführung neuer Mittel auf neue Unternehmen übertragen werden
konnten (s. BTDrucks 11/2157, S. 171).
Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform
wurde § 8 Abs. 4 KStG 1996 geändert. Zum einen ist nach der
Neufassung eine Anteilsübertragung bereits schädlich, wenn
mehr als die Hälfte der Anteile an der Kapitalgesellschaft
übertragen werden. Ferner ist nicht mehr die Einstellung und
Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass der Geschäftsbetrieb mit überwiegend
neuem Betriebsvermögen fortgeführt wird.
Die Neufassung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 ging auf eine Initiative des Vermittlungsausschusses zurück (vgl. BTDrucks
13/8325, S. 4, sowie Beschluss des Senats in BFHE 196, 232,
BStBl II 2002, 27) und sollte erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden sein (§ 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F.
des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform). Da
eine Änderung des Körperschaftsteuergesetzes im Gesetzgebungsverfahren zunächst nicht beabsichtigt war (s. dazu Senatsbeschluss vom 22. August 2006 I R 25/06, BFHE 214, 424, BStBl II
2007, 793), gibt es hierzu keine Begründung. Das Gleiche gilt
für die Anwendungsregelung des § 54 Abs. 6 KStG 1996 (nunmehr
§ 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG), die durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur
gesetzlichen Rentenversicherung ihre jetzige Fassung erhalten
hat. Danach ist § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG
erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997 anzuwenden. Ist der
Verlust der wirtschaftlichen Identität aber erstmals im Jahr
1997 vor dem 6. August eingetreten, gilt die Neufassung erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1998. Bei dem Stichtag
(5. August 1997) handelt es sich um jenen Tag, an dem der Bundestag das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform
- 7 -
- 7 beschlossen hat (vgl. Plenarprotokoll der Sitzung des
Deutschen Bundestages 13/186, S. 16860).
II. Einfachgesetzliche Rechtslage
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, wenn § 8 Abs. 4
KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG i.V.m. § 54 Abs. 6 KStG 1996
i.d.F. des RVFinG verfassungsgemäß ist. Sie hat jedoch Erfolg,
wenn § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG gegen Art. 3
Abs. 1 GG verstößt und der Gesetzgeber die bestehende Vertrauensschutzregelung auf Körperschaften ausdehnt, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren haben.
1. Wie ausgeführt, ist Voraussetzung für den Verlustabzug nach
§ 10d EStG, dass die Körperschaft, die den Verlust geltend machen will, nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich
mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten
hat. § 8 Abs. 4 KStG 1996 in seinen hier streitigen Fassungen
definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft
nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann
eine wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben ist (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2003 I R 18/02, BFHE 204, 273, BStBl II
2004, 468, und vom 13. August 1997 I R 89/96, BFHE 183, 556,
BStBl II 1997, 829). Nach dem Regelbeispiel der bis einschließlich 1996 geltenden Fassung des § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG
fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität
insbesondere dann, wenn mehr als 75 v.H. (drei Viertel) aller
Geschäftsanteile übertragen werden und die Gesellschaft danach
ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen
wieder aufnimmt.
Die Klägerin hat hiernach ihre wirtschaftliche Identität im
Jahr 1996 nicht verloren, da nicht mehr als 75 v.H. aller Ge- 8 -
- 8 schäftsanteile übertragen wurden. Zwar kann der Verlust der
wirtschaftlichen Identität auch dann eintreten, wenn nicht
mehr als 75 v.H. aller Geschäftsanteile übertragen werden, jedoch der Anteilserwerber eine Rechtsposition erhält, die mit
der eines Gesellschafters wirtschaftlich vergleichbar ist, der
mehr als 75 v.H. der Geschäftsanteile einer Kapitalgesellschaft hält (BFH-Urteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 829).
Ein derartiger Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor.
Da die Klägerin durch die Anteilsübertragung und die Zuführung
neuen Betriebsvermögens ihre wirtschaftliche Identität im Jahr
1996 nicht eingebüßt hat, hat das FA zu Recht den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember
1996 festgestellt.
2. Die Klägerin kann diesen Verlust jedoch im Streitjahr 1997
nicht mehr geltend machen, weil sie nach den Maßstäben des § 8
Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG mit der Kapitalgesellschaft, die den Verlust erlitten hat, wirtschaftlich
nicht mehr identisch ist und diese Vorschrift bereits 1997 anwendbar ist.
a) Nach der Neuregelung geht die wirtschaftliche Identität
schon dann verloren, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an
einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und der Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt
oder wieder aufgenommen wird.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Zum einen
hat G am 20. Dezember 1995, bezogen auf das damalige Stammkapital der Klägerin, 25 % der Anteile von A, darüber hinaus am
18. Juli 1996 weitere 50 % von K erworben. Im zeitlichen und
sachlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung (vgl. Se- 9 -
- 9 natsurteile vom 29. April 2008 I R 91/05, BFH/NV 2008, 1965,
zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; vom 14. März 2006
I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602) wurde der Klägerin in erheblichem Umfang neues Betriebsvermögen zugeführt und
mit einem anderen Geschäftsgegenstand der Betrieb fortgeführt.
b) § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG ist
--seine Wirksamkeit vorausgesetzt-- bei der Besteuerung der
Klägerin für das Streitjahr anzuwenden.
Nach § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG (nunmehr § 34
Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG) ist § 8 Abs. 4 KStG 1996
i.d.F. des UntStRFoG erstmals für den Veranlagungszeitraum
1997 anzuwenden. Ist der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten, gilt
die Neufassung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998.
aa) Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen in BFHE 196,
232, BStBl II 2002, 27 und in BFHE 209, 350 im Einzelnen ausgeführt hat, wird § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG
(§ 34 Abs. 6 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG) unterschiedlich
ausgelegt. Während ein Teil des Schrifttums die Auffassung
vertritt, der Verlustabzug richte sich ausnahmslos nach § 8
Abs. 4 KStG 1996, wenn die wirtschaftliche Identität --gemessen an § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG-- erstmals
vor dem 6. August 1997 verloren gegangen ist (z.B. Ulbrich,
DStR 1998, 445; Füger/Rieger, DStR 1998, 64 und 1153; Plewka/
Höppner, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 2, 6899, 6905), vertritt die Gegenmeinung im Einklang mit der Finanzverwaltung
(BMF-Schreiben vom 16. April 1999, BStBl I 1999, 455, Tz. 35)
die Auffassung, Satz 2 der Vorschrift solle keine Ausnahme für
den Verlust der wirtschaftlichen Identität allgemein vorsehen,
sondern lediglich für den erstmaligen Verlust im Jahr 1997
- 10 -
- 10 (vgl. z.B. Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8 KStG
Rz 182c; Bott in Ernst & Young, KStG, § 34 Rz 77; B. Lang in
Ernst & Young, a.a.O., § 8 Rz 1302 ff., sowie weitere Nachweise in BFHE 196, 232, BStBl II 2002, 27). Schließlich wird
§ 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG dahingehend ausgelegt,
dass der "Verlust der wirtschaftlichen Identität" in allen
Fällen, in denen er sich nur aus der Neufassung des Gesetzes
ergibt, erst mit dem Inkrafttreten dieser Neufassung eintritt
und somit alle "Altfälle" unter die Vertrauensschutzregelung
des § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG fallen
(Roser in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz 1489). § 8
Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG wäre danach für alle
"Altfälle" erst ab 1998 anzuwenden.
bb) § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG (§ 34 Abs. 6 KStG
1999 i.d.F. des StSenkG) ist nach Auffassung des Senats im
Sinne der Finanzverwaltung und der dieser zustimmenden Literatur auszulegen. § 8 Abs. 4 KStG i.d.F. des UntStRFoG gilt demnach bereits im Veranlagungszeitraum 1997 auch für solche Körperschaften, die --wie die Klägerin-- nach den Maßstäben der
Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem
1. Januar 1997 verloren haben. Lediglich für diejenigen Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im
Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, ist § 8 Abs. 4
KStG 1996 erst ab dem Veranlagungszeitraum 1998 anzuwenden.
Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 54 Abs. 6
KStG 1996 i.d.F. des RVFinG lassen hinreichend klar erkennen,
dass er auf den Zeitpunkt des Verlustabzugs und nicht auf den
Zeitpunkt des Verlusts der wirtschaftlichen Identität abstellt
(s. im Einzelnen die Ausführungen unter C.III.3.).
- 11 -
- 11 III. Verfassungsrechtliche Beurteilung
§ 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG, nach dem nur bei Körperschaften, bei denen die tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG erstmals im Jahr
1997 vor dem 6. August verwirklicht wurden, die erstmalige Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG auf das
Jahr 1998 hinausgeschoben wird, nicht dagegen bei denjenigen
Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität bereits vor
dem 1. Januar 1997 verloren haben, verletzt Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet,
wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006
2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Dabei ist es Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als
gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings eine Auswahl sachgerecht treffen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. April 1987
2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83 und
142/84, BVerfGE 75, 108, 156; vom 12. Februar 2003
2 BvL 3/00, BVerfGE 107, 218, 244).
2. a) Körperschaften, die --nach den Maßstäben der Neuregelung-- ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem
1. Januar 1997 verloren haben, können nach der Anwendungsregelung ihre Verluste im Jahr 1997 nicht geltend machen, während
Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im
Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, einen Verlustvortrag im Jahr 1997 nutzen können. Ein hinreichend sachlicher
Grund für diese Benachteiligung ist nicht ersichtlich.
- 12 -
- 12 b) Auch wenn eine Begründung der Gesetzesinitiative fehlt, ist
offenkundig, dass der an § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des
RVFinG angefügte Satz 2 Vertrauensschutz in Fällen gewähren
will, in denen die wirtschaftliche Identität im Jahr 1997 vor
dem Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses verloren gegangen ist.
Der Gesetzgeber hat damit auf die im Schrifttum geäußerte Kritik an § 54 Abs. 6 KStG 1996 in seiner ursprünglichen Fassung
des UntStRFoG reagiert, nach der die Neuregelung in § 8 Abs. 4
KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG unterschiedslos ab dem Veranlagungszeitraum 1997 gelten sollte. Hielt der Gesetzgeber aber
eine das Vertrauen in die bisherige Rechtslage schützende
Übergangsregelung in diesen Fällen für geboten, ist nicht erkennbar, weswegen Körperschaften, die --gemessen an der Neuregelung-- ihre wirtschaftliche Identität bereits vor dem
1. Januar 1997 verloren haben, weniger schutzwürdig sein sollen als die Körperschaften, bei denen dies erstmals im Jahr
1997 vor dem 6. August der Fall war. Beide haben sich an der
bisherigen Rechtslage orientiert (Senatsbeschluss vom
19. Dezember 2001 I R 58/01, BFHE 197, 248, BStBl II 2002,
395).
c) Soweit das BMF vorträgt, die Benachteiligung der Unternehmen, die nach der Neuregelung ihre wirtschaftliche Identität
bereits vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, sei deshalb gerechtfertigt, weil diese mindestens einmal ihre Verluste hätten geltend machen können, ist dem nicht zu folgen. Die Möglichkeit der Verlustverrechnung mit künftig anfallenden Gewinnen in diesen Fällen entsprach geltendem Recht. Sie war
keine Maßnahme des Vertrauensschutzes und war daher nicht geeignet, das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage zu mindern. Diese Körperschaften erscheinen eher schutzwürdiger als diejenigen, die den Tatbestand des § 8 Abs. 4
KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG erstmals im Jahr 1997 vor dem
- 13 -
- 13 6. August verwirklicht haben, da ihr Vertrauen in die bestehende Rechtslage zusätzlich durch den Ablauf mindestens eines
Veranlagungszeitraums sowie gegebenenfalls den Erlass eines
rechtmäßigen Verwaltungsakts (Feststellungsbescheid gemäß § 8
Abs. 1 KStG 1996, § 10d EStG zum 31. Dezember 1996) bekräftigt
wurde, nach dem sie die festgestellten Verluste mit künftigen
Gewinnen verrechnen können.
Es kann auch nicht unterstellt werden, dass die Neuregelung
diese Unternehmen wirtschaftlich weniger hart trifft. Insbesondere in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen
Identität nach den Maßgaben der Neuregelung erst Ende 1996
eingetreten ist, konnten die Verluste regelmäßig noch nicht
genutzt werden. Da die Gesetzesänderung nicht angekündigt
wurde, haben die betroffenen Körperschaften auch keine Maßnahmen zur Aufdeckung eventuell vorhandener stiller Reserven ergreifen können.
d) Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber
verpflichtet war, aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) eine Übergangsregelung zu schaffen
oder ob er auch berechtigt gewesen wäre, die Neuregelung übergangslos auf alle "Altfälle" anzuwenden. Denn entschließt sich
der Gesetzgeber zu einem bestimmten Regelungskonzept --hier:
zu einer Übergangsregelung-- muss er diese Entscheidung folgerichtig weiterverfolgen. Er darf daher nicht eine Person oder
Gruppe, die unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes
eher schutzwürdiger erscheint, gegenüber einer anderen Person
oder Gruppe benachteiligen (BVerfG-Urteil vom 30. Juli 2008
1 BvR 3262/07, 402/08, 906/08, BGBl I 2008, 1686; Beschluss in
BVerfGE 116, 164, 180 f., jeweils m.w.N.).
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- 14 3. Die Anwendungsregelung lässt eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu.
a) Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und
Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (ständige
Rechtsprechung des BVerfG, vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. März
1993
1 BvR 720/90, BVerfGE 88, 144, 166; vom 7. April 1997
1 BvL 11/96, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997,
2230, m.w.N.).
b) Eine Auslegung des § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des RVFinG
dahingehend, dass § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG
für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität nach
den Maßstäben der Neuregelung vor dem 1. Januar 1997 verloren
haben, überhaupt nicht gilt, ist nicht möglich. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch der Entstehungsgeschichte der
Vorschrift.
Wie ausgeführt, war § 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG
ursprünglich unterschiedslos bereits im Veranlagungszeitraum
1997 anwendbar. Dies wurde in der Literatur kritisiert; dabei
wurde insbesondere die rückwirkende Zerstörung der steuerlichen Dispositionsgrundlagen beklagt (z.B. Rödder, DStR 1997,
1425; Blumers/Beinert, Betriebs-Berater --BB-- 1997, 1880 f.;
Goutier/Müller, BB 1997, 2242; Orth, Der Betrieb --DB-- 1997,
2242; Füger/Rieger, DStR 1997, 1427). Der Gesetzgeber fügte
daraufhin durch das Gesetz zur Finanzierung eines zusätzlichen
Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom
19. Dezember 1997 in § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des
UntStRFoG einen Satz 2 an, nach dem § 8 Abs. 4 KStG 1996
i.d.F. des UntStRFoG erstmals im Veranlagungszeitraum 1998
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- 15 anzuwenden ist, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August eingetreten ist.
Die ursprünglich in § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG
getroffene allgemeine Anwendungsregelung wurde in diesem Zusammenhang hingegen nicht geändert. Daraus kann nur geschlossen werden, dass für die nicht von § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG
1996 i.d.F. des RVFinG erfassten "Altfälle" die Neuregelung
weiterhin bereits im Jahr 1997 anwendbar sein sollte.
c) Ebenso wenig ist eine Auslegung dahingehend möglich, dass
§ 8 Abs. 4 KStG 1996 i.d.F. des UntStRFoG für Körperschaften,
die ihre wirtschaftliche Identität nach den Maßstäben der Neuregelung vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, erst ab 1998
gilt. Die Formulierung in § 54 Abs. 6 Satz 2 KStG 1996 i.d.F.
des RVFinG, nach der in Fällen, in denen der Verlust der wirtschaftlichen Identität "erstmals" im Jahr 1997 vor dem
6. August eingetreten ist, § 8 Abs. 4 erstmals für den Veranlagungszeitraum 1998 gilt, schließt es aus, auch Körperschaften einzubeziehen, die ihre wirtschaftliche Identität "erstmals" vor diesem Zeitraum verloren haben.
IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Im Rahmen des anhängigen Revisionsverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung zu treffen. Ist die Anwendungsregelung verfassungsgemäß, ist die Revision der Klägerin unbegründet. Hält das BVerfG hingegen § 54 Abs. 6 KStG 1996 i.d.F.
des RVFinG für verfassungswidrig und erklärt es die Vorschrift
insoweit für unvereinbar mit dem Grundgesetz, muss der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen. Für die Klägerin besteht die
Chance, dass der Gesetzgeber --sofern er hierzu nicht bereits
aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20
Abs. 3 GG) verpflichtet ist-- eine neue Regelung trifft, die
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- 16 die bestehende Vertrauensschutzregelung auf Körperschaften erstreckt, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar
1997 verloren haben. In diesem Fall wäre die Revision der Klägerin erfolgreich.