Verbesserung der maritimen Notfallvorsorge und des
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Verbesserung der maritimen Notfallvorsorge und des
Verbesserung der maritimen Notfallvorsorge und des Notfallmanagements auf der Grundlage der Empfehlungen der unabhängigen Expertenkommission "Havarie Pallas“ Zweiter Meilensteinbericht zu Teilprojekt 7 „Umwelt“ Stand: Status: Bearbeiter: 17. Mai 2001 in Teilprojektgruppe „Umwelt“ abgestimmt RefL Dipl.-Ing. Johannes Pastor (Leiter der Teilprojektgruppe Umwelt) Dr. Wunderlich, ORR Schwee ... -2 - Ergebnis der Hauptuntersuchung der Teilprojektgruppe 7 „Umwelt“ Empfehlung Nr. 22 Abschlußbericht – Empfehlung Nr. 22 Die Expertenkommission empfiehlt die Weiterentwicklung von Dispergatoren und anderen Ölbekämpfungsmethoden sowie das Vorhalten von Dispergatoren mit möglichst geringen ökologischen Sekundärschäden. Ergebnis der Beratungen: Siehe Ziffer 4 des Berichtes Entscheidungsvorschlag für die Projektlenkung: 1. Die Projektlenkung nimmt den ersten Teilabschlußbericht zur Empfehlung 22 der Unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ der Teilprojektgruppe „Umwelt“ zustimmend zur Kenntnis. 2. Sie bittet Bund und Länder, die in diesem Abschlußbericht dargestellten Ergebnisse der Teilprojektgruppe „Umwelt“ in ihrem Zuständigkeitsbereich in der Linienorganisation umzusetzen. ... -3 PGMNV TP 7 AG 11 Bonn, den 11. Mai 2001 Hauptuntersuchung / Abschlußbericht zur Empfehlung 22 Inhaltsverzeichnis 1 2 3 Vorbemerkung .............................................................................................................................4 Sachstand .....................................................................................................................................6 Bewertung ....................................................................................................................................6 3.1 Weiterentwicklung von Dispergatoren und Ölbekämpfungsmethoden ......................6 3.2 Chemische Dispergatoren ....................................................................................................7 3.2.1 Prüfungen, Testergebnisse und Fallstudien .................................................................7 3.2.2 Ökologische Verträglichkeit von Dispergatoren..........................................................8 3.2.3 Vorhalten von Dispergatoren .....................................................................................11 3.3 Andere chemische Produkte zur Ölbekämpfung und Bioremediation...............................11 3.4 Weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf.................................................................13 4 Empfehlungen ............................................................................................................................14 ... -4 - 1 Vorbemerkung Die Unabhängige Expertenkommission sieht in dem Einsatz von chemischen Produkten, insbesondere Dispergatoren, und deren Vorhaltung eine weitere Möglichkeit Ölverschmutzungen zu bekämpfen. Hierzu heißt es in dem Bericht der Unabhängigen Expertenkommission 1: Weiterentwicklung der verfügbaren mechanischen und chemischen Methoden zur Schadensbekämpfung (Schwerpunkt: Einsatz im Wattenmeer / in Flachwassergebieten) Die vorhanden mechanischen Mittel zur Ölunfallbekämpfung sind im Laufe der vergangenene Jahrzehnte durch intensive Forschungen optimiert worden. Eine Weiterentwicklung dürfte nur noch hinsichtlich weniger Details möglich sein. Da die meisten Schiffe mit ihren mechanischen Ölbekämpfungseinrichtungen nur auf See eingesetzt werden können und die mechanische Ölbekämpfung dort im Hinblick auf Seegangsbedingungen wiederum nur begrenzt einsetzbar ist, ist der von Schutz gegen von See her ins Wattenmeer und an die Küste gespülte Ölverschmutzung nur bedingt gegeben. Ein etwaiger Nachholbedarf hinsichtlich der Beschaffung von weiteren mechanischen Mitteln für den unmittelbaren Einsatz im Wattenmeer und in Niedrigwassergebieten sollte überprüft werden. Neu entwickelte Dispergatoren und Shoreline Cleaner zeigen eine bessere und weitgehend salinitätsunabhängige Effektivität wie auch eine geringere Toxizität als Präparate älterer Generationen. Für eine Vermeidung großer Schäden für Seevögel, Strände (Tourismus) und Fischerei kann ihre Anwendung aus heutiger Sicht sinnvoll sein. Die Eigenschaften und Auswirkungen dieser Substanzen werden allerdings nach wie vor kontrovers diskutiert. Eine Übernahme von Testergebnissen (z.B. MAFF-Test) und Beobachtungen von Fallstudien (z.B. „Sea Empress“) ist bei der spezifischen Charakteristik der Deutschen Nordseeküste nicht möglich. Hier besteht ein dringender Bedarf für eigene Untersuchungen und die Entwicklung standardisierter Verfahren. 1 Unabhängige Expertenkommission „Havarie Pallas“, Der Vorsitzende, Bericht, Dem Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vorgelegt am 16. Februar 2000 in Berlin ... -5 Die o.g. Abwägungen sollten auf der Grundlage eigener Untersuchungen kurzfristig zur Entscheidung über den möglichen Einsatz und die vorsorgliche Beschaffung von Dispergatoren führen. Darüber hinaus empfiehlt die Expertenkommission die Weiterentwicklung von Dispergatoren und anderen Ölbekämpfungsmethoden sowie das Vorhalten von Dispergatoren mit möglichst geringen ökologischen Sekundärschäden; siehe Empfehlung Nr. 22. . (siehe Bericht der „Unabhängigen Expertenkommission, Seite 68 f.) Empfehlung Nr. 22 Die Expertenkommission empfiehlt die Weiterentwicklung von Dispergatoren und anderen Ölbekämpfungsmethoden sowie das Vorhalten von Dispergatoren mit möglichst geringen ökologischen Sekundärschäden. Beqründung Neu entwickelte Dispergatoren zeigen eine bessere Effektivität und eine geringere Toxizität als Präparate der älteren Generation. Für eine Vermeidung großer Schäden für Seevögel, Strände und Fischerei kann ihre Anwendung sinnvoll sein. Die Eigenschaften und Auswirkungen dieser Substanzen werden allerdings nach wie vor kontrovers diskutiert. Eine Übernahme von Testergebnissen und Fallstudien aus anderen Regionen ist für die spezifische Charakteristik der Deutschen Nordseeküste nicht möglich. Hier besteht deshalb ein dringender Bedarf für weitere Untersuchungen und die Entwicklung standardisierter Verfahren für den Einsatz. Obwohl einerseits noch bessere Dispergatoren entwickelt werden sollten und auch andere Methoden zur Ölbekämpfung (z.B. Mikroben) zu untersuchen und einsatzfähig zu machen sind, ist es andererseits jetzt schon sinnvoll, die aus heutiger Sicht bestmöglichen Dispergatoren für den Notfall vorrätig zu halten. (siehe Bericht der „Unabhängigen Expertenkommission, Seite 97) ... -6 - 2 Sachstand Kenntnisse über Dispergatoren und andere chemische Ölbekämpfungsmittel wurden vom Arbeitskreis "Chemische Verfahren zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen" im Rahmen eines vom Bundesumweltministerium finanzierten F+E-Vorhabens2 zusammengetragen. Die Berichte, Band 1 (1987) und Band 2 (1988), fassen die Befunde aus neun Einzelprojekten zusammen und kommen zu dem Schluß, daß "Dispergatoren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeit großen Beschränkungen unterliegen". Ihr Einsatz wurde deshalb nicht empfohlen. Auf Erlaß des Bundesverkehrsministeriums 3 wurde die Arbeitsgruppe "Dispergatoren" gegründet. Sie erhielt den Auftrag zu prüfen, ob neuere Erkenntnisse über Dispergatoren vorliegen, die eine Überarbeitung des Systemkonzepts über Maßnahmen zur Bekämpfung von Öl und anderen Schadstoffen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland (Fortschreibung 1994) erforderlich machen. Die Arbeitsgruppe setzt sich zusammen aus Vertretern von Bundes- und Landesbehörden, Forschungseinrichtungen sowie der Mineralölwirtschaft. Erfahrungen aus dem Ausland (z.B. Havarie der Sea Empress, 1996) konnten durch die Anhörung von Experten erweitert werden. Produktinformationen wurden durch Vertreter der Mineralölwirtschaft gegeben. Prüfergebnisse wurden durch die Zulassungsstellen in Großbritannien zur Verfügung gestellt. Die Arbeitsgruppe legte im Herbst 1998 dem Bundesverkehrsministerium einen Bericht 4 mit Empfehlungen vor. 3 Bewertung 3.1 Weiterentwicklung von Dispergatoren und Ölbekämpfungsmethoden Weder Bundes- noch Landesbehörden entwickeln selbst Produkte. Sie können bestenfalls den Markt beobachten und besonders wirksame Geräte oder Chemikalien beschaffen. Die Wirtschaft ist gefordert, Dispergatoren weiterzuentwickeln. Der öffentlichen Hand ist es lediglich möglich, Anreize zu geben, daß die Wirtschaft dieser Forderung nachkommt. Unterstützung kann sie auch durch 2 UFOPLAN Nr.: 102 04 216/05 Erlaß vom 15.5.96 -BW 15/14.82.12-104 Bericht der BMVBW AG "Dispergatoren": Bewertung des Einsatzes von Öldispergatoren. – siehe Anhang 1 3 ... -7 Grundlagenforschung leisten. Hier bestehen z.B. noch offene Fragen bei Mehrphasensystemen im Zusammenhang mit der Tröpfchenbildung (Dispergierung). Über die Weiterentwicklung der Methoden5 zur Ölbekämpfung gibt es ständig neue Veröffentlichungen. Schon die Arbeitsgruppe "Dispergatoren" hat deshalb in ihrem Bericht auf die Notwendigkeit hingewiesen, die internationale Entwicklung auf dem Gebiet der Ölbekämpfung zu verfolgen und Publikationen auszuwerten. Die vom Bund unterhaltenen Mehrzweckschiffe dienen auch der Öl- und Chemikalienbekämpfung. Diese Schiffe müßten nachgerüstet werden, um Dispergatoren ausbringen zu können. Die Ausrüstung muß dem heutigen Standard der Öldetektion und Sprühtechnik entsprechen. Erfahrungen aus anderen Ländern, insbesondere aus Frankreich, sollten genutzt werden. 3.2 Chemische Dispergatoren 3.2.1 Prüfungen, Testergebnisse und Fallstudien Die Unabhängige Expertenkommission ist in ihrer Empfehlung 22 der Auffassung, daß eine Übernahme von Testergebnissen und Fallstudien aus anderen Regionen für die spezifische Charakteristik der Deutschen Nordseeküste nicht möglich sei. Diese Meinung wird nicht geteilt. Die deutsche Nordseeküste ist insbesondere im Bereich des Wattenmeeres eine energiearme Küste. Für diesen Küstentyp gelten andere Bedingungen als an den Felsenküsten Norwegens, Schottlands oder der Bretagne. Erkenntnisse, die an solchen Küsten gewonnen wurden, können, wie die Kommission zu Recht befindet, nicht übernommen werden. Untersuchungen an Küsten mit einer ähnlichen Charakteristik wie an der deutschen Nordseeküste können jedoch weitgehend übertragen werden. Hierzu zählen z.B. Befunde aus den Niederlanden und den USA. Auch in Deutschland selbst wurden Forschungsprojekte gefördert, die zu wichtigen Erkenntnissen geführt haben. Eine generelles Forschungsdefizit ist nicht gegeben. Bei Bedarf lassen sich spezielle Fragen projektbezogen klären. Die gewonnenen Ergebnisse sind erfahrungsgemäß erst mittelfristig umsetzbar. Zur Klärung können auch Literaturstudien in Auftrag gegeben werden. Solche Studien sind kostengünstiger als Forschungsprojekte und führen oft zu schnelleren Ergebnissen. 5 Zur Weiterentwicklung mechanischer Verfahren wird unter 3.4. Stellung genommen. ... -8 - Eine amtliche Prüfung von Dispergatoren wird in Deutschland nicht mehr durchgeführt. Wenn Dispergatoren oder andere chemische Produkte im nationalen Bekämpfungskonzept eine größere Bedeutung erlangen, so ist es sinnvoll, auch Anforderungen und Prüfmethoden vorzuschreiben. In anderen Ländern z.B. Großbritannien, Frankreich, USA werden Dispergatoren hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Toxizität und anderer Kriterien geprüft. Die Verfahren sind veröffentlicht und werden weltweit von Herstellern und Anwendern akzeptiert. Es erscheint sinnvoll, daß auch in Deutschland diese Anforderungen und Prüfmethoden übernommen werden. Es darf davon ausgegangen werden daß die bei der Produktion von Dispergatoren weltweit tätigen Hersteller eigene deutsche Prüfmethoden wegen der in Deutschland vergleichbar geringen Absatzmöglichkeiten keine eigene deutschen Anforderungen übernehmen werden, so daß derartige Prüfungen durch die öffentliche Hand mit unverhältnismäßig hohem Kostenaufwand übernommen werden müßten. Weiterhin darf unterstellt werden, daß die Hersteller eigene Produkte allein für den deutschen Markt nicht produzieren werden. Die Listen geprüfter Produkte, welche die international anerkannten Anforderungen bestanden haben, sind bei den Prüfstellen erhältlich. In Europa sind dies: · Centre de documentation de recherche et d´ experimentations sur les pollutions accidentelles des eaux. Rue Alain Colas, BP 20413, F-29604 Brest Cedex, France. E-mail: cedre@ifremer.fr · Ministry of Agriculture, Fishery and Food (MAFF), Nobel House, 17 Smith Square, London SW1 3JR, U.K. Tel.: 0044-20-72383000, Fax: 0044-20-72386591. Eine Liste der geprüften und zugelassenen Dispergatoren ist im Internet abrufbar: www.maff.gov.uk/environ/marine/oilspill/oiltreat.pdf 3.2.2 Ökologische Verträglichkeit von Dispergatoren Es ist festzustellen, daß moderne Dispergatoren der dritten Generation eine wesentlich geringere Ökotoxizität besitzen im Vergleich zu Produkten auf Lösemittelbasis (erste Generation), die in den siebziger und achtziger Jahren eingesetzt wurden. Maßgeblich für eine Beurteilung ist der Sachverhalt, daß die Mobilität des dispergierten Öls erhöht wird und es dadurch auch tiefere Wasserschichten erreicht. Andererseits nimmt durch diese Vertei... -9 lung die Konzentration des Öls ab, so daß schon nach wenigen Stunden die akut toxischen Konzentrationen unterschritten werden (vgl. hierzu Tabelle 2). Tabelle 1 Bezeichnung von Dispergatoren Allgemeiner Name Industriereiniger a) Eigenschaften der Disp. Lösemittel aromatische Gebrauch Bezeichnung der Bezeichnung des Generation Typs unverdünnt Kohlenwasser- vom Schiff erste Generation - Zweite Generation Typ 1 dritte Generation Typ 2 stoffe Konventio- Kohlenwasser- unverdünnt nelle stoffe mit ge- vom Schiff Dispergato- ringem Aromaren. tenanteil Konzentrate Glycoläther verdünnt vom u.ä. Verbin- Schiff dungen sowie ____________ __________________ __________________ Kohlenwasser- unverdünnt stoffe dritte Generation Typ 3 von Schiff oder Flugzeug a) Industriereiniger werden nicht mehr als Dispergatoren eingesetzt. Tabelle 2 Konzentrationen dispergierten Öls in Abhängigkeit von der Zeit bis 10 m Wassertiefe Zeit Ölkonzentration Bis 60 Minuten 2 - 180 mg/l 2 - 5 Stunden < 1 mg/l Ebenso verhält es sich mit Dispergatoren. Die Konzentrationen (Schwellenwerte) für letale und subletale Toxizität liegen über denjenigen, die als Anfangskonzentrationen in der Wassersäule zu erwarten sind. Während die Konzentrationen im Toxizitätstest standardmäßig über 48 bzw. 96 ... - 10 Stunden konstant gehalten werden, sinken die Dispergatorkonzentrationen in der Natur auf Grund der Verdünnung und Verteilung sehr schnell. Dies und die Beschränkung des Dispergatoreinsatzes auf Tiefwassergebiete (> 20 m) schließt eine Belastung der bodenbesiedelnden Organismen weitestgehend aus. Fische (außer Jugendstadien) können ausweichen. Im betroffenen Gebiet sind Schäden bei Planktonorganismen jedoch nicht auszuschließen. Gut dokumentiert ist der Dispergatoreinsatz nach dem Unfall der Sea Empress im Februar 1996 vor Milford Haven an der walisischen Küste. Die Ergebnisse der Monitoringuntersuchungen führten zu Schätzungen, daß zirka 40% der 72.000 t Öl chemisch dispergiert wurden. Daraus läßt sich folgern, daß die Strandung von etwa 57.000-110.000 t Wasser-in-Öl Emulsion verhindert werden konnten; die Menge der tatsächlich gestrandeten Wasser-in-Öl Emulsion wurde auf 10.000-15.000 t geschätzt. Wie diese Bilanz ausgesehen hätte, wenn keine Dispergatoren eingesetzt worden wären, muß jedoch ebenso der Spekulation vorbehalten bleiben ebenso wie die Frage, ob und inwieweit der Dispergatoreinsatz zu den hohen Verlusten sublitoraler Muschelbestände einige Wochen nach dem Unfall beigetragen hat. Zumindest in einem Fall führte der Einsatz von Dispergatoren zum Entfernen bereits gestrandeten Öls zu einer lokal begrenzten erhöhten Mortalität von Miesmuscheln und anderen Arten der Gezeitenzone. Möglicherweise aus ähnlichen Erwägungen empfahl die Regierung des Vereinigten Königreiches nur noch solche Präparate zu nutzen, die sich sowohl im sea/beach- als auch im rocky-shore- Toxizitätstest als unbedenklich erwiesen.. Auf Grund der o.a. Feststellungen erscheint der Einsatz von geeigneten Dispergatoren im Tiefwasserbereich der Nordsee unter bestimmten Umständen als vertretbar. In den Fällen, in denen der Einsatz von Dispergatoren ökologisch verantwortbar ist6, sind sie auch eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative. Die mittleren Kosten zur Bekämpfung einer Tonne Öl mittels Dispergatoren sind deutlich geringer als die mittels mechanischer Aufnahme. Nach Berechnungen einer amerikanischen Firma, welche Ölunfälle weltweit dokumentiert und auswertet, beträgt das Kostenverhältnis etwa 1 : 6 7. 6 Hinsichtlich der Erarbeitung der Einsatzszenarien wird u.a. auf Punkt 4 „Bewertung“, Ziff. 2 und 3, verwiesen. 7 Oil Spill Intelligence Reports - White Paper Series. Vol 2, No. 3 (1998) p. 3 ... - 11 - 3.2.3 Vorhalten von Dispergatoren In den Häfen Emden, Wilhelmshaven, Helgoland, Cuxhaven, Wedel, Kiel und Heiligenhafen waren in den achtziger Jahren zusammen 90 m³ der Dispergatoren Finasol OSR 5 (71 m³) und Corexit 9527 (19 m³) in Containern gelagert. Hiermit hätten unter günstigen Bedingungen etwa 1000 Tonnen Öl bekämpft werden können. Durch die Aufteilung an verschiedenen Orten hätte jeweils immer nur eine kleine Ölmenge behandelt werden können. Die Produkte büßten während der Lagerzeit ihre Wirksamkeit ein, so daß sie letztendlich mit hohen Kosten entsorgt werden mußten. Auf Grund der damaligen ungünstigen einsatztechnischen Bewertung wurden keine Ersatzprodukte beschafft. Auch bei den Dispergatoren der neuesten Generation ist nicht sichergestellt, daß sie sich längerfristig lagern lassen. Die Kostenfrage für Beschaffung, Lagerung und Entsorgung spielt daher auch heute noch eine wichtige Rolle. Es ist weiterhin festzustellen, daß es keine Dispergatoren gibt, die gegenüber allen Öltypen und unter allen Bedingungen optimal wirksam sind. 3.3 Andere chemische Produkte zur Ölbekämpfung und Bioremediation Produkte zur Ölbekämpfung sind weiterhin Reinigungsmittel für Küstenbereiche (shoreline cleaner), Dismulgatoren (Demulsifier), Öl-Herder, Verfestigungsmittel (Solidifier) und Mittel zur Unterstützung der natürlichen Heilungskräfte (Bioremediation). Shoreline Cleaner Eine chemisch mit den Dispergatoren nahe verwandte Kategorie sind sogenannte Shoreline Cleaner. Ähnlich wie Dispergatoren bestehen sie aus oberflächenaktiven Substanzen mit einem hydrophilen und einem lipophilen Molekülteil, unterscheiden sich von ihnen aber durch eine andere hydrophilelipophile Balance (HLB). Shoreline Cleaner sollen Öl von festen Oberflächen ablösen, aber nicht im Wasser dispergieren, so daß das Öl anschließend von der Wasseroberfläche aufgenommen werden kann. Ein guter Dispergator ist daher ein schlechter Shoreline Cleaner und umgekehrt. Der einzige Shoreline Cleaner, über den bisher auf Grund von experimentellen Untersuchungen eine Reihe von Erkenntnissen vorliegen, ist Corexit 9580. Unter den von Environment Canada getesteten Shoreline Cleanern war Corexit 9580 das effektivste und am wenigsten giftigste Präparat . Versuche wurden u.a. mit der in Salzwiesen häufigen Pflanze Spartina alterniflora durchgeführt. Bei den mit ... - 12 Rohöl verschmutzten Pflanzen beschleunigte die Reinigung eine Regeneration der Pflanzen, bei mit dem weitaus giftigeren Bunker C behandelten Pflanzen überlebten nur die anschließend gereinigten Exemplare. Auch in Feldversuchen wurde eine Förderung der Regeneration von mit Rohöl verölten Spartina alterniflora Pflanzen durch die Reinigung mit Corexit 9580 unter Beweis gestellt. Nach dem Unfall der Morris J. Berman) im Jahr 1994 wurden die biologischen Auswirkungen eines Corexit 9580-Einsatzes zur Reinigung verölter Felsküsten in Puerto Rico kontrolliert. Von den vier untersuchten Organismenarten ergaben sich nur für eine Schneckenart Auswirkungen durch den Einsatz von Corexit 9580. Weitere Hinweise geben VAN BERNEM et al.8). Als Shoreline Cleaner werden auch Pflanzenöle eingesetzt, die zusammen mit dem gelösten Mineralöl wieder aufgenommen werden. Es besteht Forschungsbedarf zur Entfernung von verölten Wattflächen mit Shorline Cleanern. Dismulgatoren Diese Mittel sollen stabile Wasser-in-Öl-Emulsionen (chokolate mousse) aufbrechen. Sie werden deshalb auch als Emulsionsbrechmittel bezeichnet. Diese Produkte werden entweder großflächig von Flugzeugen versprüht oder nach mechanischer Aufnahme der Emulsionen diesen zugefügt, um eine Trennung der Phasen zu erreichen. Dismulgatoren können auch als Shoreline Cleaner eingesetzt werden. Über die ökotoxischen Wirkungen ist nur wenig bekannt. Öl-Herder, Verfestigungsmittel Öl-Herder sind grenzflächenaktive Stoffe, die unter günstigen Randbedingungen ein Zusammenziehen des Ölteppichs bewirken. Ihr Einsatz ist vornehmlich in Hafenbecken und Buchten angezeigt. Über ihre toxischen Eigenschaften ist wenig bekannt. Verfestigungsmittel lassen das Öl zu einer gummiartigen Masse erstarren oder binden es während eines Polymersisationsprozesses. Das Ausbreitungsverhalten (spreading) des Öls wird dadurch eingeschränkt. Diese Ölbekämpfungsmittel müssen sehr genau dosiert werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Ihre Bedeutung ist bislang gering. Biologische Selbstheilung (Bioremediation) Bioremediation ist der Prozeß, der die Aktivität und das Wachstum von Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) anregt, um das freigesetzte Öl abzubauen und so aus der Umwelt zu entfernen. Da Mine8 K.-H. van Bernem et al.: Dispergatoren als Option bei der Ölunfallbekämpfung. Hydrologie u. Wasserbewirtschaf- ... - 13 ralöle eine hohen Kohlenstoffanteil besitzen, müssen als zusätzliche Düngestoffe Stickstoff und Phosphor zugeführt werden. Damit diese Stoffe auch länger wirksam sind, sollten sie am Öl haften bleiben. Eingehende Untersuchungen liegen vom Alaska Oil Spill 1989 nach dem Unfall des Tankers Exxon Valdez vor. Die Ergebnisse lassen eine Stimulierung der ölabbauenden Bakterien erkennen. Die Randbedingungen (wie Art der Küste, Exposition zur See, Temperatur usw.) müssen genau bekannt sein, um dieses Verfahren zu optimieren. 3.4 Weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf Die theoretischen Kenntnisse über Mehrphasensysteme (Wasser, Öl, Luft) sind noch unzureichend. Mit dem Einsatz von starren Wänden (Schiffskörper, Sweepingarme, Sperren usw.) wird eine weitere Komponente in dieses komplexe System eingebracht. Der von der Expertenkommission geäußerten Einschätzung, daß die mechanischen Ölbekämpfungsmethoden weitgehend ausgereizt sind (siehe Empfehlung 21 und Begründung), kann nicht gefolgt werden. In einer Studie 9 wurde der weltweite Wissenstand zusammengetragen und auf die physikalische Bekämpfung von Chemikalien erweitert und bewertet 10. Die Befunde dieser und anderer Studien zeigen deutlich die Grenzen (Rückstau-, Aufstaugeschwindigkeit) auf, denen die bisher üblichen einfachen Sperren und Aufnahmegeräte in ruhigem Wasser unterliegen. Bei Seegang werden bewegliche Barrieren (Sperren) zum Schwingen angeregt, wobei sich die Geschwindigkeitsanteile der Wasserteilchen überproportional erhöhen und das Öl beschleunigt ausgetragen wird. Die Wirksamkeit der bisher verwendeten Systeme verschlechtert sich unter solchen Bedingungen drastisch. Theoretische Ansätze lassen erwarten, daß zukünftig deutliche Verbesserungen11 möglich sind. Driftmodelle Speziell ist zu prüfen, ob die vorhandenen, operationellen Driftmodelle des BSH bzw. SMHI ausreichen, um die ausgetragenen Stoffe (Öl, Chemikalien) und die Einsatzgebiete (Nordsee, Ostsee) abzudecken. tung, Jg.44, 2000, H.6, S. 290-301. 9 Oebius, H.U. & Pahlke, H.: Physikalische Grundlagen der mechanischen Ölbekämpfung 10 Oebius, H.U.: Physical Fundamentals Underlying the Mechanical Control of Liquid Chemicals. Spill Science and Technology Bull. Special Issue, Elsevier, London (1999). 11 Oebius, H.: Physical Properties and Processes that Influence the Clean Up of Oil Spills in the Marine Environment. Spill Science and Techn. Bull. Vol. 5 (1999) 3/4. Elsevier Science Ltd., Kidlington, Oxford, U.K. ... - 14 Sperren Neue Studien geben berechtigte Hoffnung auf die Entwicklung eines Sperr- und Aufnahmesystems für schnell fließende Gewässer. Ein entsprechender Projektantrag wurde beim Bundesforschungsministerium eingereicht. Aufnahmesysteme Es besteht erheblicher Forschungsbedarf für Geräte zur Aufnahme schwimmender Flüssigkeiten geringer Viskosität. Technische Lösungsmöglichkeiten sollten großräumig sammelnde, seegangsfolgende, gedämpfte Leitsysteme sein, die mit Aufnahmesysteme nach dem Adhäsionsprinzip kombiniert werden. Für Flüssigkeiten höherer Viskosität sind Verbesserungen der Operabilität von Aufnahmegeräten denkbar. Hierzu gehören schwingungsdämpfende Maßnahmen aber auch solche physikalischen Möglichkeiten wie sie in der vorgenannten Projektskizze aufgezeigt werden. Hochviskose Flüssigkeiten sind mit Standardverfahren nicht mehr zu bekämpfen. Dies wurde gerade in jüngster Vergangenheit erschreckend deutlich (z.B. Unfälle des Tankers Erika (Bretagne) und des Tankers Baltic Carriers (Ostsee, Kadettrinne). Hier müssen völlig neue Gerätetypen entwickelt werden. 4 Empfehlungen Die Ergebnisse der Hauptuntersuchung können wie folgt zusammengefaßt werden: 1. Das Bundesverkehrsministerium richtet eine ständige Expertengruppe aus Vertretern von Bund, Küstenländern und wissenschaftlichen Institutionen ein, die die staatlichen Stellen in allen Fragen des Einsatzes von chemischen Produkten und der dazu gehörenden Technik berät. Die Gruppe sollte sich aus Experten der einschlägigen Disziplinen zusammensetzen, um ihren Auftrag erfüllen zu können. In Frage kommt beispielsweise eine Reaktivierung der vom Bundesverkehrsministerium gegründeten Arbeitsgruppe „Dispergatoren“ mit entsprechend weitergefaßtem Teilnehmerkreis (u.a. Beteiligung von Vertretern der Umweltministerien von Bund und Küstenländern, der zuständigen Naturschutzbehörden) . Vertreter der ... - 15 Niederlande und Dänemarks können von der Expertengruppe zu bestimmten Themen eingeladen werden. Das Bundesverkehrsministerium beauftragt die Expertengruppe, den Kenntnisstand zu allen Bereichen der chemischen Ölbekämpfung nachhaltig auf einem aktuellen Niveau zu halten. Weiterhin kann diese Gruppe zur Bewertung von Einzelfragen hinzugezogen werden und zur Überprüfung auf mögliche Defiziten herangezogen werden.. 2. Der Einsatz von Dispergatoren im deutschen Hoheitsgebiet der Ostsee wird nicht befürwortet, da die Ostsee ein austauscharmes Binnenmeer ist, das z.T. nur geringe Wassertiefe besitzt. Gezeitenströme haben nur im Bereich der Belte und Sunde eine gewisse Bedeutung und tragen nicht nennenswert zur Verteilung dispergierten Öls bei. Von den Ostseeanrainerstaaten werden zudem Dispergatoren auf Grund von vertraglichen Vereinbarungen (Helsinki Abkommen) nicht zur Ölbekämpfung verwendet. 3. Im Tiefwasser der Nordsee des deutschen Hoheits- und Wirtschaftsgebietes ist ein eingeschränkter Einsatz von Dispergatoren zu verantworten. Der Bund sollte in Zusammenarbeit mit den Küstenländern Szenarien für deren Einsatz erarbeiten, die vom zu schaffenden Havariekommando und Einsatzkräften vor Ort angewendet werden können. Bei der Erarbeitung sollten die Nachbarstaaten Niederlande und Dänemark einbezogen werden, da der Einsatz von Dispergatoren grenzübergreifend möglichst nach denselben Kriterien erfolgen sollte. Innerhalb der erarbeiteten Szenarien sind von Bund und Ländern – soweit erforderlich die gesetzlichen Regelungen zu schaffen, um den Einsatz von Dispergatoren zu ermöglichen. Soweit der Einsatz von Dispergatoren unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Zeit im Rahmen des geltenden Rechts erfolgt, ist eine Haftung des Havariekommandos und der Einsatzkräfte vor Ort grundsätzlich ausgeschlossen. 4. Die unter Ziff. 1 genannte Expertengruppe sollte bei der Erarbeitung der Szenarien beigezogen werden. Weiterhin erscheint es sinnvoll, daß sie die Szenarien unter Berücksichtigung der Entwicklung bei chemischen Ölbekämpfungsmitteln kritisch begleitet und bei Bedarf Verbesserungsvorschläge für den Einsatz unterbreitet. ... - 16 5. Um ein hohes Maß an Vorsorge zu erreichen, sollten vom Bund vergleichbar mit den Rahmenvereinbarungen für Leichterkapazitäten Rahmenverträge mit der Mineralölwirtschaft / chemischen Industrie und / oder dem Vereinigten Königreich sowie Frankreich über den jederzeitigen kurzfristigen und schnellen Zugriff auf geeigneten Dispergatoren abgeschlossen werden. Eine eigene Bevorratung durch Bund und Länder erscheint auf Grund der bisherigen Erfahrungen nicht sinnvoll. 6. Mittelfristig ist eine technische Nachrüstung der Ölbekämpfungsschiffe vorzusehen, um Dispergatoren effektiv versprühen zu können. Bei Schiffsneubauten muß der Einsatz von Hubschraubern berücksichtigt werden. Bautechnische und funktionale Anforderungen (Arbeitsdeck, Hubschrauberlandeplatz) müssen schiffseitig gewährleistet sein. Es sind vertragliche Regelungen zwischen Bundesverkehrsministerium und Bundesverteidigungsministerium zum Einsatz von Hubschraubern zu treffen, ähnlich denjenigen Regelungen wie sie bereits für die Flugüberwachung (Do228) vorhanden sind. 7. Neuere Shoreline Cleaner und andere chemische Produkte zur Ölbekämpfung und Bioremediation sind bisher nicht ausreichend getestet. Es liegen z.B. keine Erkenntnisse vor, ob diese Produkte für den Einsatz auf Watten geeignet sind und empfohlen werden können. Hier bedarf es weiterer Forschung. Bund und Länder sind angesprochen, den notwendigen Forschungsbedarf zu definieren und durchzuführen. Die vorgeschlagene, vom Bundesverkehrsministerium einzurichtende Expertengruppe erscheint geeignet, diese Arbeit zu unterstützen und die Forschung zu begleiten. 8. International anerkannte Anforderungen und Prüfmethoden für Dispergatoren sollten in Deutschland übernommen werden. Die Entwicklung eigener Anforderungen und Prüfmethoden und deren Durchsetzung bei der Industrie erscheinen wirtschaftlich nicht möglich, aber auch nicht sinnvoll. 9. Bund und Länder sollten ihre Forschungen auf dem Bereich der mechanischen Ölbekämpfungsmethoden verstärken. Insbesondere das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird gebeten, verstärkt Forschungen, auch experimentelle, auf diesem Gebiet durchzuführen, um Entwicklungsdefizite in der Ölbekämpfungstechnik zu schließen.