südafrika . south africa 1 ausstellung / exhibition 28.02.2016

Transcription

südafrika . south africa 1 ausstellung / exhibition 28.02.2016
AUSSTELLUNG / EXHIBITION
28.02.2016 - 17.04.2016
HOTEL SCHLOSS GABELHOFEN
1
SÜDAFRIKA . SOUTH AFRICA
AGGENBACH
SANELL
*1975 in Kapstadt, in Cape Town
lebt und arbeitet in Kapstadt, lives and works in Cape Town
Sanell Aggenbach ist eine Konzeptkünstlerin. Sie benutzt eine breite Palette
technischer Fähigkeiten zur Herstellung ihrer Werke. Geschichte, kulturelle
Identität und Erinnerung sind als Themen vorherrschend. In dem Gemälde
Twins aus der Serie Perfectly Still werden sowohl Fotografie als auch Malerei als
Mittel zur Darstellung der Realität in Frage gestellt. Die Basis der Interpretation
bilden historische Fotografien, die die Künstlerin im Archiv des verstorbenen
holländischen Fotografen Van Kalker aus der Nachbarschaft gefunden hatte. Die
Negative fungieren als neue Fiktion, werfen aber weiterhin Fragen zu Identität,
Erinnerung und Vergessen auf.
Aggenbach is a conceptual artist who applies a range of technical skills in her production. History,
cultural identity and memory are prevalent themes. Her Afrikaner roots are apparent in some of
the references but the works also offer open readings of a universal and unsettling nature. Several
of her sculptures play with the idea of animating ordinary objects. A series of metal garden chairs
appear to grow their legs and are seen striding through a river, in one environmental installation.
North by Northwest plays the same game with books, referring to the exchange of knowledge and
power between South Africa and Europe. A sense of unease is also created when encountering
a flock of very naturalistic black sheep, all staring at the same empty image on a gallery wall. In
the series of paintings Perfectly Still photography and painting are both brought into question as
means of portraying reality. The use of historic photographs, found in the archive of a late Dutch
neighborhood photographer, Van Kalker, form the basis of the interpretation. The negative images
function as new fictions, but continue to raise issues concerning race and identity, memory and
forgetting.
PERFECTLY
STILL
PHOKELA
JOHANNES
*1966 in Soweto
lebt und arbeitet in Johannesburg und London
lives and works in Johannesburg and London
Phokelas mutierte Doppelgänger der alten niederländischen und flämischen Meister stellen falsche Vorstellungen von ästhetischer Reinheit
und den Begriff der kulturellen Authentizität in Frage. Seine wundervoll gemalten Neuinterpretationen ikonischer Gemälde der Alten Meister wie z. B. Rubens, van Dyck und anderen, weben ein Stück persönlicher Geschichte in diesen historischen Kanon. Die dargestellten
Hauptfiguren werden oft aus ihrer nordeuropäischen Szenerie herausgenommen, wodurch Darstellungen entstehen, die verunsichern und
die eurozentrischen Geschichten und Legenden in der zeitgenössischen und historischen Kunst anfechten. Phokela ist bekannt dafür, die
Ikonografie auf polemische Weise einzusetzen und, ausgehend von ihren Motiven, die vorbelasteten Aussagen der kulturellen Mythen zu
transzendieren. Besonders faszinieren ihn dabei die Barockmalerei des 17. Jahrhunderts und die alte flämische Malerei. Was er als Europas
„großartige“ Kunstgeschichte wahrnimmt, interpretiert er neu, um die im globalen Kontext des kulturellen Elitismus vertretenen Werte und
Ideale zu transportieren. Ursprünglich wählte er diese Art der Annäherung nur als Abwechslung.
„Ich wuchs in dem Glauben auf, die sogenannten Alten Meister gäbe es nur als religiöse oder ikonische Nippes-Drucke, besonders die von
Leuten wie Leonardo da Vinci oder William Blake. Sie waren und sind immer noch sehr beliebt und hängen in vielen Haushalten in Soweto.
Ich wollte schon immer wissen, was für einen Zweck sie haben, außer um damit Geld zu machen. Welchen positiven Nutzen können sie
neben ihrem religiösen Wert oder Beliebtheitsgrad für ihre Besitzer haben? Die niederländische Genremalerei porträtierte einen bestimmten
europäischen Lebensstil, den man zu der Zeit pflegte, in der die Europäer in Südafrika Fuß fassten. Das war das einzige vorhandene sichtbare
Zeugnis; in vieler Hinsicht utopisch und die grausame Realität der Kriege und der Hungersnöte verschweigend. Die darauf folgende kulturelle
Kollusion ist bezeichnend und zu einer entscheidenden Quelle für meine Ideen geworden.
ICONIC
Phokela‘s mutated doppelgangers of Dutch and Flemish Old Masters query illusions of aesthetic purity and notions of cultural authenticity.
His beautifully painted manipulations of iconic images by the likes of Old Masters such as Rubens, Van Dyck and others, weave a personal
history into this historical canon. Characters of key protagonists are often altered from their Northern European settings, resulting in unsettling images that challenge Eurocentric narratives around contemporary and historical art. Phokela is best known for his polemical use
of iconography as a resource base from which to transcend the burden of cultural myths. The Baroque images of the 17th century, as well
as old Flemish painting particularly fascinate him. He takes on what he perceives as being Europe’s “grandiose” history of art as a medium
to convey values and ideals represented within a global context of cultural elitism, an approach primarily chosen as a diversion.
“I grew up thinking that the so-called Old Masters only existed as religious or iconic knick-knack prints, particularly those by the likes
of Leonardo da Vinci or William Blake. They were or still are very popular and are often used domestically in Soweto. I have always been
curious about what these prints were actually made for, apart from making money. Besides their religious or popular value, what possible
effect can they have on those who own them? As for Dutch genre painting, they portrayed a certain European lifestyle coinciding with a
period in history that saw the arrival of Europeans in South Africa. This was the only visual reference available, utopian in many ways, the
harsh realities of war and famine left out. The subsequent cultural collusion is significant and becomes an essential source for my ideas“.
Phokela Johannes
LYNDI
SALES
*1973 in Johannesburg
lebt und arbeitet in Johannesburg
lives and works in Johannesburg
1 in 11 000 000 chances ist eine Serie von Kunstwerken,
die die angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie oder
Zufallstheorie untersucht und versucht, Parallelen
zwischen Glücksspiel und Schicksal zu ziehen.
Geländekarten und Markierungspunkte auf dem
Meeresboden dienen als Ersatz für eine Gedenkstätte.
Es werden Parallelen gezogen zwischen Bronchialzweigen
und Fächerkorallen. In der Funktion einer
Schwimmweste liegt ein Paradoxon: ironischerweise
bedeutet sie Leben und Sicherheit, aber auch Gefahr und
Tod. Schwimmwesten verkörpern Lungen als Quelle des
Atems und damit des Lebens. Lungen atmen ein und aus,
und Schwimmwesten arbeiten fast auf die gleiche Weise,
wenn sie sich aufblähen und die Luft wieder ablassen.
Fragen, die sich mit dem Verlust von Beweisen und
verschwommener Erinnerung befassen, sind wie ein
abgegriffenes Puzzle mit fehlenden Teilen. Die Struktur
der Papierarbeiten, mit ihren Collagen, Schichten,
Schnitten und Fetzen vermittelt ein starkes Gefühl von
komplexen Überschneidungen aus Verfall und Untergang
auf politischer und persönlicher Ebene, der Vergangenheit
und der Gegenwart.
Der Ausgangspunkt für dieses Werk ist ein historisches
Ereignis in Südafrika. Am 28. November 1987 stürzte
ein Boeing Passagierflugzeug in den Ozean. Alle 159
Insassen starben. Der Vater der Künstlerin war an Bord.
1 in 11 000 000 chances is a body of work that explores
the practice of probability or chance theory and attempts
to draw parallels between gambling and destiny. Site
mapping and plotting points on the seabed serve as a
substitute for memorial.
 
Parallels are drawn between bronchial branches and
fan corals. There lies a paradox in the function of a life
vest: ironically signify life and safety but also danger and
death. Life vests represent lungs as a source of breath,
and hence life. Lungs perform the act of inhalation and
exhalation, while life vests function in much the same
way as they inflate and deflate.
 
Issues concerning evidence lost and vagueness of
memory are analogous to a deteriorating puzzle with
missing pieces. The structure of the paper works, with
their use of collaging, layering, cutting, patching convey
a material sense of complex imbrications of deterioration
and decay of the political
and personal, the past and the present.
The point of departure for this body of work is a historic
South African event in which a passenger Boeing crashed
into the ocean on the 28th November 1987 and took all
159 lives on board. The artists father was on board.
DANGER & DEATH
BRETT
MURRAY
*1973 in Johannesburg
lebt und arbeitet in Kapstadt
lives and works in Cape Town
Der in Kapstadt lebende Künstler Brett Murray, der einmal
„Der dunkle Prinz des Pop“ genannt wurde, schafft Werke,
die in ihrer Satire auf die soziale Landschaft gnadenlos,
aufschlussreich in ihrer Tiefe und immer unwiderstehlich
in ihrer Darstellung sind. Wie er sagt, will er „kritisch
unterhalten“, „die Lachmuskeln nicht nur kitzeln, sondern
erschüttern“. (Paul Edmunds)
Das Kunstwerk, das er für die Ausstellung Sleep Seep schuf,
ruft unheilvolle Visionen hervor. Den Hintergrund für das
Thema bildet eine Reihe von Konturbildern, die schlafende
Köpfe darstellen, sowohl von Erwachsenen als auch von
Kindern. Sie sehen sehr friedlich, aber verletzlich aus. Das
Werk bezieht sich auf Goyas „Der Schlaf der Vernunft“, in dem,
wie wir wissen, Monster geboren werden. Murrays Monster
sind ein bildlicher Ausdruck unseres Selbstbildes, wie es uns
von den Massenmedien reflektiert würde, nachdem sie es
ausreichend pervertiert haben. Die Auswirkung kann grotesk
und humorvoll sein. What would Oprah Say („Was würde
Oprah sagen“) ist ein imposanter Schriftzug aus Metal. Ein
tröstliches moralisches Zeichen für die Massen von heute. Im
Kontext der geopolitischen Konflikte erscheint die Banalität
der Statements, mit denen auf religiösen Fundamentalismus
geantwortet wird, zeitlos. Dear Lord. Let our religion
win. Amen („Lieber Gott. Lass unsere Religion gewinnen.
Amen“). Dieser Schriftzug ist wunderschön angebracht auf
dekorativen, gegossenen Gebetsikonen aus den 1970ern
mit Zeichnungen, die betende Kinder darstellen. An
anderer Stelle stellt ihn der Künstler aber auch wie die
zur Strafe geschriebenen Sätze auf einer Schultafel dar.
Es könnte das dunkle Zeitalter sein. Mit der Auflösung
der nationalen Identitäten in globalen Gemeinschaften
werden Identität und politisches Handeln an neuen Ikonen
festgemacht. Fernsehen und Gott. Murray macht es Spaß,
beides für uns zu vermischen und dann zurückzuspucken,
damit wir uns daran den Magen verderben. Seine
Serie mit Tieren aus Bronze – Donkey, Pig und Gorilla
(„Esel“, „Schwein“ und „Gorilla“) sind allegorische Studien
von Stereotypen. Stellen sie „Inkompetenz, Gier und Posse“
dar? All dies ist im Chaos des heutigen Südafrika so sichtbar
wie in jedem anderen Teil der Welt. Murray versichert uns,
dass wir alle nur menschlich sind.
DARK
PRINCE
Once referred to as ‘The Dark Prince of Pop’, Cape Townbased artist Brett Murray produces work that is merciless
in its satire of the social landscape, revealing in its depth
and always irresistible in appearance. He wants, as he says,
to “entertain critically”, to “hit the funny bone rather than
tickle it”. (Paul Edmunds)
The body of work produced for the exhibition Sleep Seep
offers an ominous vision. The backdrops to the theme are
a series of outline images of sleeping heads, both adult and
infant. They look very peaceful but vulnerable. The reference
is Goya’s ‘Sleep of Reason’ which we know produced
monsters. Murray’s monsters are something of our own
image, as it would be reflected back at us by the mass
media, once it has been sufficiently twisted. The affect can
be grotesque and humorous. What would Oprah Say? is a
monumental text crafted in metal. A comforting moral icon
for today’s masses. In the context of geo political conflicts,
the banality of statements echoing religious fundamentalisms
seems timeless. Dear Lord. Let our religion win. Amen is
beautifully imposed onto found decorative prayer icons from
the 1970’s, with drawings of praying children; or written
out in school chalk-board punishment lines. It could be the
dark ages. With the disintegration of nationalism in global
communities, identity and political action are pinned to
new icons. TV and God. Murray enjoys mixing them up for
us and spitting them back for our indigestion. His series of
bronze animals - Donkey, Pig, and Gorilla - are allegorical
studies of stereotypes. Is it “incompetence, greed and
buffoonery”? These are as much evident in the chaos of
contemporary South Africa as in any other part of the world.
Murray reassures us that we are all simply human.