Energie aus Geothermie
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Energie aus Geothermie
Potentialstudie Erneuerbare Energien in Metzingen Arbeitskreis Klima und Energie Metzingen Vorwort ..................................................... 3 Grußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1. Einleitung mit Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Energiebereitstellung und Energiebedarf in Metzingen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Primärenergie und Endenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Energiebereitstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Nutzung erneuerbarer Energien in Metzingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Energiespeicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 8 10 13 14 15 3. Potentialbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4. Potentialermittlung aus erneuerbaren Energien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.1. Energie aus Biomasse 4.1.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Biogas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Pflanzenöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.5. Technisches Potential Biomasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 20 28 34 35 4.2 Energie aus Geothermie 4.2.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2. Nutzungsarten der Erdwärme . . . . . . . . 4.2.3 Oberflächennahe Erdwärme (bis 400 m) 4.2.4. Tiefe Erdwärmesonden (400 - 1.000 m) . 4.2.5 Hydrothermale Erdwärme . . . . . . . . . . 4.2.6. Tiefe Erdwärme, Hot-Dry-Rock-Verfahren 4.2.7. Technisches Potential Geothermie. . . . . . . . . . . . 40 40 42 44 45 46 48 4.3. Solarenergie 4.3.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. Situation in Metzingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3. Ermittlung der nutzbaren Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4. Technisches Potential Solarenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 51 51 53 4.4. Energie aus Wasserkraft 4.4.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2. Theoretisches Potential. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3. Genutztes Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4. Maßnahmenvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5. Technisches Potential Wasserkraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 59 60 61 62 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5. Energie aus Windkraft 4.5.1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.5.2. Situation in Metzingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.5.3. Technisches Potential Windkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 5. Fazit und konkrete Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1 Gefördert von Herausgeber AKE - Arbeitskreis Klima und Energie Metzingen unter Mitarbeit von: Gerold Althaus Friedrich Handel Klaus Rath Uli Ruoff Werner Eisinger Wilhelm Mack Peter Reiff Giancarlo Bragagnolo, Techn. Werkleiter, Stadtwerke Metzingen Jochen Krohmer, Leiter Amt für Stadtentwicklung Metzingen Ruoff Energietechnik GmbH, Riederich SoWiTec projekt GmbH, Willmandingen TerraConceptConsult GmbH, Pfullingen Dr. Werner Hack, stellv. Amtsleiter Kreislandwirtschaftsamt Münsingen Ulrich Notz, Leiter Forstrevier Metzingen Jürgen Vollmer, Leiter Tiefbauamt Metzingen Diese Studie wurde gefördert mit Mitteln aus REGIONEN AKTIV des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Verein PLENUM im Landkreis Reutlingen REGION AKTIV e.V. Karlstr. 27, 72764 Reutlingen Tel. 07121/480-9331, Fax 07121/480-9300 umweltamt@kreis-reutlingen.de www.regionen-aktiv-rt.de 2 Layout und Digitaldruck: bw fotosatz gmbh Gutenbergstraße 39 72555 Metzingen Arbeitskreis Klima und Energie Metzingen http://www.ake-metzingen.info Leitung Friedrich Handel Liebigweg 11, 72555 Metzingen Tel. 07123/2352 friedrich.handel@t-online.de 3. Potentialbegriff Unter dem Begriff "Potential" wird die Leistungsfähigkeit einer Energiequelle verstanden - konkret eine Energiemenge, die als erzeugbar angesehen wird. Dabei sind mehrere Potentialbegriffe voneinander zu unterscheiden: ● theoretisches Potential die gesamte nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich angebotene Energie ● technisches Potential der Teil des theoretischen Potentials, der mit vorhandenen Techniken und Materialien an möglichen Standorten im gesetzlichen Rahmen realisierbar ist ● wirtschaftliches Potential der Teil des technischen Potentials, der unter Berücksichtigung der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen umsetzbar ist Die Verknappung der fossil-atomaren Energieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle, Uran) und die damit verbundene Preisentwicklung erhöhen laufend die Obergrenze des wirtschaftlichen Potentials. Bei anhaltender Entwicklung ist von einer deutlichen Annäherung an das technische Potential auszugehen. Deshalb erscheint es richtig, in dieser Studie das technische Potential der erneuerbaren Energien als Maß für ihre Leistungsfähigkeit zu untersuchen. 16 4. Potentialermittlung aus erneuerbaren Energien 4.2 Energie aus Geothermie 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3 4.2.4. 4.2.5 4.2.6. 4.2.7. Allgemeines Nutzungsarten der Erdwärme Oberflächennahe Erdwärme (bis 400 m) Tiefe Erdwärmesonden (400 - 1.000 m) Hydrothermale Erdwärme Tiefe Erdwärme, Hot-Dry-Rock-Verfahren Technisches Potential Geothermie 39 4.2. Energie aus Geothermie 4.2.1. Allgemeines Als Geothermie oder Erdwärme wird im Allgemeinen die unterhalb der festen Oberfläche der Erde gespeicherte Wärmeenergie definiert. Je tiefer man in das Innere der Erde vordringt, umso wärmer wird es. Bei uns in Mitteleuropa nimmt die Temperatur durchschnittlich um etwa 3 °C pro 100 Meter Tiefe zu. Im Erdkern werden zwischen 5.000 und 6.000 °C erreicht. Etwa 30 Prozent der oberflächennahen Erdwärme stammen aus dem Erdkern und rund 70 Prozent entstehen durch Zerfall natürlicher radioaktiver Elemente in Erdmantel und Erdkruste. Im oberflächennahen Bereich können Sonneneinstrahlung, Sicker- und Grundwasser den Wärmehaushalt beeinflussen. Erdwärme ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich und steht unabhängig von Witterung, Tages- und Jahreszeit immer zur Verfügung (8.760 Std./Jahr). Daher ist geothermische Energie eine sogenannte Grundlastenergie. Aus dem Erdinneren steigt ein kontinuierlicher Wärmestrom bis zur Erdoberfläche auf und verliert sich schlussendlich im Weltall. Die Erde strahlt täglich etwa viermal soviel Energie in den Weltraum ab, wie wir Menschen an Energie verbrauchen. Über der Siedlungsfläche von Metzingen (ca. 5,9 km2) werden bei einer Wärmestromdichte von 0,070 W/m2 jährlich etwa 3.610 MWh Erdwärme in die Atmosphäre abgegeben. 40 4.2.2. Nutzungsarten der Erdwärme Mit den heute entwickelten Technologien ist es praktisch überall möglich, diese umweltfreundliche und klimaschonende Energiequelle zu nutzen. ● In aktiven vulkanischen Regionen nutzt man z.B. Dampf- und Heißwasserlagerstätten oder postvulkanische Erscheinungen wie Geysire, Fumarolen und Solfatare (auf Island oder in der Toskana). ● Hydrothermale Erdwärme. Wasserführende Schichten (Aquifere) teilt man ein in heiße (über 100 °C), warme (40 - 100 °C) und solche mit Niedrigtemperaturwasser (25-40 °C). Wasser mit einer Temperatur > 20 °C gilt als Thermalwasser. Hydrothermale Erdwärme wird häufig über eine geothermische Heizzentrale und je einer Injektions- und Förderbohrung genutzt. Bei entsprechend hohen Temperaturen ab 80 - 100 °C kommt auch eine Stromerzeugung in Frage. ● Oberflächennahe Erdwärme bis 400 m Tiefe. Dezentrale Nutzung der Erdwärme über Erdkollektoren, Erdwärmesonden, Energiepfähle, erdberührende Bauteile oder Grundwasserbohrungen mit Wärmepumpen. Daneben kann der Untergrund im Sommer auch als direkte Quelle für Kühlung genutzt werden, so dass elektrische Energie für aufwändige Kühlanlagen gespart werden kann. 4.2. Energie aus Geothermie ● Tiefe Erdwärmesonde mit Wärmezirkulation in einem Bohrloch über ein isoliertes Steigrohr. Hierzu zählt auch die Nutzung bereits bestehender Altbohrungen. ● Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR): Nutzung der im heißen, trockenen Tiefengestein gespeicherten Wärme über Injektions- und Förderbohrungen zur Fernwärme und Stromerzeugung. Über die Injektionsbohrung wird Wasser in den klüftigen Untergrund gedrückt und über eine zweite Bohrung wird das erhitzte Wasser wieder an die Erdoberfläche gefördert (Bad Urach/Soultz). 4.2.2.1. Erdwärmenutzung in Deutschland Abhängig von der jeweils einsetzbaren Technologie ist in Deutschland die Gewinnung von Wärmeenergie aus geothermischen Ressourcen praktisch überall möglich. 1999 waren in Deutschland bereits knapp 400 Megawatt installiert, davon etwa 340 MW in kleinen, dezentralen Systemen mit erdgekoppelten Wärmepumpen und Grundwasserwärmepumpen unter 100 kW. 24 größere Anlagen (geothermische Heizzentralen usw.) stellen den Rest. Mit den heute bekannten Ressourcen der hydrothermalen Geothermie könnten etwa 29 Prozent des deutschen Wärmebedarfes und mit denen aus der oberflächennahen Geothermie zusätzlich rund 28 Prozent gedeckt werden. In Tiefenbereichen zwischen 3.000 m und 7.000 m steht zur Nutzung durch das Hot-Dry-Rock-Verfahren soviel Energie zur Verfügung, dass wir uns damit für 10.000 Jahre rein theoretisch komplett mit Strom und Wärme versorgen könnten! 4.2.2.2. Erdwärmenutzung in Metzingen Die Metzinger Gemarkung ist mit Ausnahme des Wasserschutzgebietes "Glemser Quellen" südlich von Glems vollständig geothermisch nutzbar. Für Erdwärmesonden (EWS) ist allerdings eine sinnvolle Nutzung nur im Bereich der Siedlungsflächen umsetzbar. Gleiches gilt für die Nutzung der hydrothermalen Erdwärme mittels eines Fernwärmenetzes. Nach den vorliegenden geologischen Gegebenheiten/Messungen und Erfahrungen kann man eindeutig feststellen, dass in unserem Raum für eine Erdwärmenutzung besonders günstige Bedingungen bestehen. So ist auch nach dem "Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Wärmesonden" des Ministeriums für Umwelt und Verkehr BadenWürttemberg das Untersuchungsgelände der Fallgruppe A - "Gebiete, in denen die Anlage von Erdwärmesonden aus hydrogeologischer Sicht günstig ist" - zuzuordnen. In diesen besteht keine wasserrechtliche Genehmigungssondern nur Anzeigepflicht. 41 4.2. Energie aus Geothermie Bereits bestehende Erdwärmenutzungen in Metzingen Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Gebäude Nutzungsverfahren Hofbühlstr. 13 4 EWS je 150 m tief Mühlstr. 2 5 EWS je 225 m, 1 EWS 160 m Elsa-Brandströmstr. 24/1 2 EWS je 99 m Leberbachstr. 22 2 EWS je 99 m Mühlwiesenstr. 8/1 2 EWS je 99 m Jahnstraße 10 Grundwasser-Wärmepumpe Carl-Zeiss-Straße 7 erdberührende Bauteile Stuttgarterstr. 59 erdberührende Bauteile (Kanal) Genutztes Potential: insgesamt ca. 250 MWh/Jahr, davon Pos. 2 ca. 125 MWh/Jahr. Mehrere weitere Nutzungen sind in Metzingen zur Zeit im Bau oder in Vorbereitung. 4.2.3 Oberflächennahe Erdwärme (bis 400 m) Anwendung Heizung Heizg./ Kühlg. Heizung Heizung Heizung Heizung Heizg./Kühlg. Kühlung Errichtung 2004 2004 2003 2001 2001 1981 2003 1998 Gebäude gewonnen werden. Im Sommer kann damit eine direkte Gebäudekühlung erfolgen. Zur Wärmeerzeugung über oberflächennahe Erdwärme stehen grundsätzlich folgende Nutzungsverfahren zur Verfügung: Grundwasserwärmepumpen Ab spätestens 10 m unter Geländeoberkante (GOK) hat das Erdreich eine von Witterung und Jahreszeit unabhängige, gleichbleibende Temperatur von etwa 10 °C. Bei oberflächennahen Wärmeanomalien können in etwa 100 m Tiefe auch 12 bis 14 °C oder sogar noch höhere Temperaturen erreicht werden. Hier bietet sich für die Wohnraum- und Gebäudeheizung sowie Kühlung eine Nutzung mittels Wärmepumpe an. Erdwärmesonden (EWS) mit Wärmepumpe werden als technisch ausgereifte Systeme angeboten. In der Schweiz wird zur Zeit etwa jeder dritte Neubau mit einer Erdwärmesonden-Heizanlage erstellt. Mit ihr kann mittels Wärmepumpe Heizenergie für das 42 An geeigneten Standorten lässt sich Grundwasser über Brunnen entnehmen und direkt zur Wärmepumpe leiten. Es muss jedoch wieder in den Untergrund eingeleitet werden, so dass neben Förderbrunnen auch sogenannte Schluckbrunnen einzurichten sind. Gleiches gilt für Fließgewässer. Erdwärmekollektoren In einer Tiefe von etwa 80 - 160 cm werden Wärmetauscherrohre aus Kunststoff horizontal im Boden verlegt. Über eine zirkulierende Wärmeträgerflüssigkeit wird dem Boden die 4.2. Energie aus Geothermie Wärme entzogen und mittels einer Wärmepumpe auf das benötigte Temperaturniveau angehoben. Erdberührende Bauteile, Energiepfähle Bei Neubauten können Bauteile und Gründungspfähle sowie Schlitzwände mit Wärmetauscherrohren ausgerüstet und in Verbindung mit einer Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen des Gebäudes eingesetzt werden. Erdwärmesonden (50 - 250 m) Die Erdwärme wird in der Regel mit Bohrungen zwischen 50 und 250 m Tiefe sowie darin eingebrachten Wärmesonden erschlossen. Die Wärmeabgabefähigkeit der genutzten Gesteinsmasse regeneriert sich durch nachströmende Wärme bzw. durch Einleitung von Abwärme bei sommerlichem Kühlbetrieb. Bei den Erdwärmesonden handelt es sich um geschlossene Kunststoff-Doppel-U-Sonden. Der Rohrdurchmesser beträgt etwa 30 mm. Leistungsfähige Erdwärmesondenanlagen entziehen dem Untergrund umgerechnet zwischen 50 und 75 W thermischer Energie pro Tiefenmeter. Im Untersuchungsgebiet ist aufgrund der relativen Nähe zur Bad Uracher Wärmeanomalie und den vorliegenden Bohrergebnissen eher mit 60 bis 80 W Wärmeenergie pro Tiefenmeter zu kalkulieren. Somit können im Metzinger Raum aus einer 100 m tiefen Erd- wärmebohrung etwa 6 bis 8 kW Entzugsleistung gewonnen werden. Zusammen mit einer Wärmepumpe kann dies bereits für ein modernes, wärmegedämmtes Einfamilienhaus ausreichen (rund 10 kW Heizleistung). Da im Zuge der winterlichen Heizperiode der Untergrund durch Wärmeentzug abkühlt, ist es günstig, wenn im Sommer Überschusswärme aus solarthermischen Anlagen oder Gebäudekühlung in den Untergrund abgegeben und dort gespeichert wird. Hierdurch wird der Untergrund über den natürlichen geothermischen Wärmefluß hinaus für die nächste Heizperiode wieder aufgeladen. Ein optimaler Wirkungsgrad der Wärmepumpe wird durch die Verwendung von Fußbodenheizung oder großflächigen Wandheizkörpern gewährleistet, die mit niedrigen Vorlauftemperaturen zwischen 35 und 45 °C betrieben werden (sog. Niedertemperaturheizung). Technische Potentiale der oberflächennahen Erdwärme (bis 400 m) Die Energiedichte pro Fläche kann sinnvollerweise nur auf die Siedlungsfläche in Metzingen angewendet werden, da eine Nutzung der oberflächennahen geothermischen Potentiale nur in unmittelbarer Nähe zum Wärmenutzer sinnvoll ist. Im Folgenden werden die Potentiale auf der Grundlage der häufigsten Nutzungsart, den Erdwärmesonden bzw. Energiepfählen, berechnet. 43 4.2. Energie aus Geothermie Analog zur Potentialermittlung der erneuerbaren Energien in der Region Hegau/Bodensee soll hier der Versuch einer realistischen Potentialabschätzung unter bestimmten Vorannahmen getroffen werden. Erdwärmesonden eingebaut werden. Für die Potentialübersicht ergibt sich bei einer angenommenen Wärmeentzugsleistung von 60 W/m, 100 m Sondentiefe und 2.000 Volllaststunden ein Potential von 6.600 MWh/Jahr. In Metzingen gibt es einschließlich der Teilorte rund 4.300 Gebäude. Dazu kommen noch etwa 250 Betriebsgebäude. Da die Beheizung mittels Erdwärmesonden nur in Gebäuden mit relativ geringem Heizwärmebedarf bzw. in modern gedämmten Gebäuden Sinn macht, wird davon ausgegangen, dass nur jedes zehnte Gebäude entsprechend nachgerüstet wird und vorwiegend Neubauten für eine Erdwärmenutzung in Frage kommen. Gebäude mit mehreren Wohnungen bzw. Betriebsgebäude werden entsprechend mit mehreren Sonden versehen. Demnach könnten etwa 550 In der Schweiz wurden innerhalb weniger Jahre mehr als 20.000 Erdwärmesonden installiert. Dies zeigt, dass in relativ kurzer Zeit erhebliche oberflächennahe geothermische Potentiale erschlossen werden können. Abb. 1: 44 4.2.4. Tiefe Erdwärmesonden (400 - 1.000 m) Das in tiefen Erdwärmesonden erwärmte Wasser liefert seine Energie über Wärmetauscher in den Gebäuden ab und wird dann abgekühlt in die Tiefe zurückgeführt. Umrisse der Wärmeanomalie Urach in 500 m Tiefe nach Haenel u. Zoth (1981). Aus Schädel u. Stober (1984) 4.2. Energie aus Geothermie In unserem Bereich sind in 400 m Tiefe Temperaturen von etwa 35 °C und in 1.000 m Tiefe rund 65 °C zu erwarten. Zu bemerken ist dazu, dass schon bei Temperaturen von 35 bis 40 °C in Verbindung mit einer Niedertemperaturheizung auf eine Wärmepumpe verzichtet werden kann. Das Technische Potential tiefer Erdwärmesonden liegt in der Größenordnung der oberflächennahen Erdwärmesonden. In die Übersicht aufgenommen wird deshalb ein Potential von 6.600 MWh/Jahr. 4.2.5 . Hydrothermale Erdwärme Die günstigsten Bedingungen für eine geothermische Heizzentrale bestehen aufgrund des Einfallens der geologischen Schichten nach Südosten im Kernstadtgebiet von Metzingen. Dort sind die Thermalwässer des Muschelkalkes schon in Tiefen ab 450 m unter Geländeoberkante vorhanden. In 1.000 bis 2.500 m Tiefe ist bereits mit 65 bis 110 °C warmem Wasser zu rechnen, das mit den Verfahren der hydrothermalen Erdwärme genutzt werden kann. Geothermische Heizzentralen können überall dort betrieben werden, wo es Thermalwasservorkommen gibt. Am häufigsten wird das System einer Doublette (zwei parallele Bohrungen) angewendet. Hierzu wird aus dem Grundwasserleiter (Aquifer) über eine Bohrung heißes Wasser entnommen, an der Oberfläche ausgekühlt und wieder in die Grundwasser führende Schicht zurückgepresst. Die gewon- nene Wärmeenergie wird in Fern- oder Nahwärmenetze eingespeist. Um eine geothermische Heizzentrale wirtschaftlich betreiben zu können, braucht man möglichst hohe Fördermengen und Temperaturen des Thermalwassers sowie Abnehmer vor Ort, da ein Transport der Wärme über längere Strecken unwirtschaftlich wird. Potentiale in mittleren Tiefen (400 m bis 2.500 m) Mit Hilfe von tiefen Erdwärmesonden und geothermischen Heizzentralen kann das Thermalwasser vor allem aus dem Muschelkalk erschlossen und je nach Temperatur und Verwendung mit oder ohne Zwischenschaltung von Wärmepumpen genutzt werden. In Analogie zur Potentialstudie Hegau/Bodensee wird die seit Mitte 1999 bestehende geothermische Heizzentrale in Straubing als Maßstab zur Abschätzung des Potentials in Metzingen herangezogen. Die Doublettenbohrung in Straubing fördert aus 800 m Tiefe 38 °C warmes Thermalwasser, das durch Wärmepumpen auf ein nutzbares Temperaturniveau von etwa 70 °C gebracht wird. In Metzingen kann bereits in einer Tiefe zwischen 500 und 650 m von einer Wassertemperatur zwischen 37 und 42 °C und einer Ergiebigkeit von 8 - 12 l/s ausgegangen werden. Orientiert man sich an dem erfolgreichen Vorbild Straubing (6 MW Heizleistung) und an 45 4.2. Energie aus Geothermie 4.2.6. Tiefe Erdwärme, Hot-Dry-Rock-Verfahren den Verhältnissen in Bad Urach, so kann mit einer oder mehreren Doublettenbohrungen eine Wärmeleistung von 6 - 10 MW installiert werden. Dies entspricht bei 2.000 Volllaststunden einer Energie von 12.000 bis 20.000 MWh/Jahr. Falls neben der Gebäudeheizung weitere Nutzungsmöglichkeiten bestehen, wie z.B. die Nutzung in Gewächshäusern, die direkte Nutzung als Thermalwässer oder für die Beheizung von Schwimmbädern sowie als Prozesswärme, erhöht sich der Jahresnutzungsgrad (etwa 4.000 Volllaststunden) und damit die Energie auf 24.000 bis 40.000 MWh/Jahr. In die Übersicht wird aufgenommen: ● aus tiefen Erdwärmesonden 6.600 MWh/ Jahr ● aus hydrothermaler Nutzung 12.000 MWh/ Jahr ● Gesamt 18.600 MWh/ Jahr Die Wärmeanomalie mit Zentrum bei Bad Urach war der Grund, dort bereits ab Ende der 70er Jahre Forschungsarbeiten zur Entwicklung des HDR-Verfahrens aufzunehmen. 1992 wurde die 1977/78 begonnene Bohrung Urach 3 auf 4.440 m vertieft und man erreichte damit Temperaturbereiche um 175 °C. Die Tiefbohrung Urach 3 ist der bisher am besten untersuchte HDR-Standort in Deutschland in großen Tiefen. Zur Errichtung einer HDR-Pilotanlage in Bad Urach mit rund 1 MW Leistung wurde bereits 2003 der erste Teil des für die Errichtung eines HDR-Kraftwerkes notwendigen unterirdischen Kluftsystems erfolgreich getestet. Leider wurde die zweite Bohrung (Urach 4) Anfang Mai 2004 bei rund 2.800 m Tiefe aus Geldmangel vorerst gestoppt. Technische Potentiale des HDR-Verfahrens (über 2.500 m Tiefe) Ausgehend von der Installation eines HDRKraftwerkes in Metzingen von der Größe Bad Urach - 3 MW - und einer jährlichen Betriebsdauer von etwa 8.000 Stunden im Jahr ergibt sich ein Jahresstromertrag von 24.000 MWh und ein Jahreswärmeertrag von 160.000 MWh. In die Übersicht werden ein elektrisches Potential von 24.000 MWh/Jahr und ein Wärmepotential von 160.000 MWh/Jahr aufgenommen. 46 4.2. Energie aus Geothermie Abb. 2: Schichtenprofil der Forschungsbohrung Urach 3 mit möglichem Zirkulationssystem für das Hot-Dry-Rock-Verfahren 47 4.2. Energie aus Geothermie 4.2.7. Technisches Potential Geothermie Übersicht der geothermischen Nutzungsmöglichkeiten in der Region Verwendung Technologie Oberflächennah Wärme Erdwärmesonden Erdberührende Bauteile Grundwasserwärmepumpe Geologische Voraussetzungen Wärmeleitfähiges Gestein Oberflächennahe Grundwasserleiter Teufenniveau geringe Teufen (bis 400 m) Temperatur 10 - 35°C Nutzungsmöglichkeit nahezu standortunabhängig (Siedlungsflächen) Potential 6.600 MWh/Jahr gesamt Wärme Quellen- und Literaturübersicht: Erdwärme - Energie mit Zukunft, Wärmenutzung aus heißem Gestein, Bad Urach - die Nr. 1 in Erdwärme.- Bundesminister für Forschung und Technologie Erneuerbare Energien in der Region Hegau / Bodensee, Übersicht der technisch verfügbaren Potentiale.- solarcomplex GmbH, Singen, 2002 Geologische Karte von Baden-Württemberg mit Erläuterungen, Maßstab 1 : 25.000. - Geologisches Landesamt BadenWürttemberg 1981 Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden.Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart, Mai 2005 Paschen, H.; Oertel, D. & Grünwald, R. (2003): TAB Arbeitsbericht Nr. 84; Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland - Sachstandsbericht.Deutscher Bundestag; Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Berlin 48 Mitteltief Wärme Tiefbohrung Tiefe Erdwärmesonde Doublette Wärmetauscher/Wärmepumpe, Erdwärmenetz Grundwasserleiter HDR-Verfahren Strom; Wärme Tiefbohrung Wärmetauscher Turbine Erdwärmenetz mittlere Teufen (400 m - 2.500 m) 35 - 110°C geeignete Standorte nachfrageseitig 18.600 MWh/Jahr Wärme große Teufen (2.500 - 5.000 m) 160 - 200°C nahezu standortunabhängig 160.000 MWh/Jahr Wärme 24.000 MWh/Jahr elektr. kristallines Grundgebirge Reuß, M. & Sanner, B.(2002): Planung und Auslegung von Erdwärmesondenanlagen Reutlingen-Rommelsbach, 28.07.2004 Schädel, K. & Stober, I. (1984): Die Wärmeanomalie Urach aus geologischer Sicht.- Jh. Geol. Landesamt Baden-Württemberg, 26, S. 19-25; Freiburg Symposium Geothermie - Erdwärme; Chancen und Grenzen einer regenerativen Energie.- Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg, Stuttgart 1997 Tenzer, H. (1998): Auf dem Weg zu neuen Kraftwerken: Machbarkeitsstudie zur Durchführung eines Hot-Dry-RockErdwärme-Demonstrationsvorhabens am Standort Bad Urach (HDR-Projekt).- Geothermische Energie 22/23, 6. Jahrgang / Heft 2 / 3, Geeste Kaltschmitt, M.; Nill, M. und Schröder, G. (2004) Geothermische Stromerzeugung in Deutschland 5. Fazit Konkrete Schritte zum Erschließen der Potentiale Zur Energieeinsparung ● Informationen und Beratung zur energetischen Gebäudesanierung ● Schulungen zur effektiven Energieverwendung ● Fortführung und Ausweitung des kommunalen Energiemanagements ● Einführung von Energiepässen Zum Ausbau der Biomassenutzung ● Bau von Biomasseanlagen (Hackschnitzelfeuerungen, Holzvergasung, Holzpellets) in Verbindung mit Nahwärmenetzen ● Gezielte Sammlung und Aufbereitung von holzartiger Biomasse ● Bau einer Halle zur Aufbereitung und Lagerung von Holzhackschnitzeln ● Bau einer Gemeinschafts-Biogasanlage zur Verwertung der organischen Abfälle (z. B. Biomüll, Grasschnitt, Gülle) Zum verstärkten Einsatz von Geothermie ● Förderung der privaten Erdwärmenutzung über Erdsonden ● Planung und eingehende Untersuchung zum Bau eines Geothermiekraftwerks 72 Zum weiteren Ausbau der Solarenergie ● Förderung von weiteren Bürgersolaranlagen auf öffentlichen Dachflächen ● Vorgabe der Firstrichtungen bei Neubauten in Ost-West Ausrichtung ● Zeitliche Vorgabe zur Dachflächenbelegung Zum weiteren Ausbau der Wasserkraft ● Bau von Wasserkraftanlagen an den bekannten Standorten ● Möglichkeit der Finanzierung über Contracting ● Aktive Suche von Investoren Zum Einstieg in die Windkraftnutzung ● Bau von Windkraftanlagen an den genannten Standorten ● Aktive Suche nach Investoren