usi30_24098 über Gebiete, die sie interes

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usi30_24098 über Gebiete, die sie interes
UST-Reihe Nt 30
Bertram Meusburger
ÜE(B
It .
kaaft o Bildnng o Kultur
Lebendiges Lernen im
Projektunterricht
1. Einleitung
Anhand der Planungsunterlagen für
den Biologieunterricht und einem
daraus entstandenen fächerübergreifenden Projekt (Unternehmen
Aqua) mit einer 3. Klasse am BRG
Dornbirn Schoren soll darüber
nachgedacht werden, wie im Projektunterricht, unterstützt durch
Anregungen der Themenzentrierten
Interaktion (TZI), eine lebendige
Lernatmosphäre gestaltet werden
kann.
Persönliche Erfahrungen bei Projekten im Rahmen der Umwelterziehung sind Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Mehrmals habe
ich z.B. am Thema Wasser gearbeitet und dies mit SchülerInnen unterschiedlichen Alters umgesetzt.
Ich habe dabei versucht, ein Projektkonzept, das vom selben
Grundthema ausgeht, weiterzuentwickeln und an die jeweilige
Situation einer Schulklasse und ihrem Umfeld anzupassen. Weiters
interessierten mich Formen der
Wissensaneignung und Prüfungsmöglichkeiten, die motivierend
wirken. In einem Schulprojekt am
BRG und BORG Dornbirn Schoren "Schülerinnen und Schüler machen Schule" ging es um die bewußte Erforschung der Bedingungen, wie Eigenverantwortlichkeit
umgesetzt und gefördert werden
kann. Diverse Versuche kollegialer
Zusammenarbeit begleiteten oft
diese Projekte. Im Frühjahr 1996
war dann die Konzeption und Organisation eines Symposions zur
Themenzentrierten Interaktion (im
Auftrag des BMUK) eine Herausforderung in der Frage, wie das Konzept der
Themenzentrierten Interaktion in der
schulischen Wirklichkeit auf verschiedenen Ebenen umsetzbar sein kann
und wo ihm durch die institutionellen
und persönlichen Gegebenheiten Grenzen gesetzt sind. All diese Erfahrungen
fließen ein in den Versuch, lebendiges
Lernen und Gruppenprozesse im Unterricht zu fördern.
Der Lehrer vor Entscheidungen
Als Lehrer stehe ich im Alltag vor einer
Vielzahl an Entscheidungen, die ich oft
in kurzer Zeit fällen muß, bin in vielfältige Beziehungen mit SchülerInnen und
KollegInneen verflochten und bewege
mich dauernd in einem gemeinsamen
Prozeß des Lernens und gleichzeitig
Handeln-müssens. Besonders im Projektunterricht, wenn z.T. die an der
Schule gewohnten Rituale und Verhaltensmuster außer Kraft gesetzt werden,
kommt es dann häufig zu Reaktionen,
die - zumindest im Nachhinein gesehen
- nicht gewollt sind. Gleichzeitig ist es
die Chance, in dem neuen, freien Feld
auch unkonventioneller zu handeln und
wahrzunehmen. Und dieses Handeln
und Wahrnehmen auf der Folie der
Themenzentrierten Interaktion zu reflektieren, ist mein Anliegen.
2. Forschungsidee und Methodik
Es würde den Rahmen dieser Arbeit
sprengen, eine genaue Analyse der
Themenzentrierten Interaktion zu erstellen. Ich möchte vielmehr praktischen
Beispielen und persönlich gemachten
Unterrichtserfahrungen Prinzipien des
"Lebendigen Lernens", wie sie Ruth
Cohn genannt und entwickelt hat,
danebenstellen und zeigen, wie sie
die Richtung der Planung und der
konkreten Vorbe-reitung, der Ausführung und der Reflexion bestimmt haben.
von Persönlichkeitsentwicklung, sachorientiertem Arbeiten und Kommunikation/Kooperation.
Den philosophischen Hintergrund von
Ruth C. Cohns System bilden folgende
Axiome:
Mit Hilfe der Axiome, Postulate
und Hilfsregeln, wie sie in der
Themenzentrierten Interaktion beschrieben werden, werde ich Prozesse beim Lernen und Lehren und
bei der Interaktion der Klasse beleuchten. Dabei versuche ich, durch
die Schüleräußerungen ein möglichst plastisches Bild von der Atmosphäre in der Klasse und von
den Ecken und Kanten im Laufe
des Projektes zu geben.
Die Axiome
1. Der Mensch ist eine psychosomatische Ganzheit, die eine Einheit von
Wahrnehmung, Fühlen und Denken
auszeichnet.
2.Der Mensch verfügt über die Möglichkeit der freien Entscheidung bei
gleichzeitiger Abhängigkeit von vielfältigen inneren und äußeren Gegebenheiten
3. Der Mensch lebt in der Notwendigkeit zu werten, woraus ihm die humane
Daraus ergibt sich folgende Frage- Verpflichtung erwächst, allem Lebendistellung: Welche Bedingungen för- gen und seinem Wachstum Ehrfurcht
dern und hemmen eine lebendige entgegenzubringen.
Auseinandersetzung mit einem
Thema, einen konstruktiven sozia- Ruth Cohn versuchte mit der Themenlen Prozeß in der Klasse (und Leh- zentrierten Interaktion ein Modell zu
rerInnengruppe) und eine langfris- schaffen, das Beteiligte in der Schule
tige, effektive Aneignung von Wis- (und anderen Gruppensituationen) in
sen und Fertigkeiten?
ihrer Eigenständigkeit bestärken und befähigen sollte, mit Widerständen besser
Persönliche Aufzeichnungen, Inter- umgehen zu können.
views und Gespräche mit SchülerInnen und KollegInnen, ver- Themenzentriert heißt der Ansatz desschriftlichte Feedbacks, Stellung- halb, weil sich das gesamte Geschehen
nahmen in Jahresberichten, Pla- innerhalb einer Gruppe auf ein benungsunterlagen, Fragebogen usw. stimmtes Thema bezieht. Ein zentrales
sind die Ausgangsbasis für Ant- Merkmal liegt in der Aufforderung, auf
worten auf die oben gestellte Frage. die "dynamische Balance" zwischen den
Zuerst möchte ich jedoch zusam- einzelnen Personen, dem Gruppenpromenfassend die Grundzüge der TZI zeß, den sachlichen Anliegen und den
darstellen.
realen Bedingungen zu achten.
3. Was ist TZI ?
Themenzentrierte Interaktion (TZI)
nach Ruth C. Cohn ist ein pädagogisch-psychologischer An-satz zum
lebendigen Lernen und Arbeiten in
Gruppen. Ihr Ziel ist die Synthese
Die Postulate ("Sei deine eigene ´Chairperson´, d.h. sei der/die LeiterIn deiner
selbst in der Gruppe" und "Störungen
haben Vorrang", da sie - sofern sie unbearbeitet bleiben - das Lernen in der
Gruppe verhindern.) leiten sich aus den
Axiomen ab und können als kurz gefaßte, auf den Punkt gebrachte Leitideen
angesehen werden.
Es/Thema
Die Postulate und Hilfsregeln sind
jedoch nicht absolut zu sehen, sonUmfeld
dern gelten je nach Entwicklungsgrad einer Gruppe als eine Hilfe,
um den Umgang miteinander auf
Ich
Wir
eine reifere Form zu führen. Wieweit dies möglich ist und wieviel
Abb.1 Das Dreieck in der Kugel
der/die LehrerIn einer Klasse zumuten kann, muß sensibel abgewo- Eine ausgeglichene Balance zwischen
gen werden.
den Faktoren zu halten, gilt jedoch als
Idealzustand. Das Bewußtsein über solDynamische Balance im Un- che "Schwingungen" im Prozeß (zwischen Ich, Wir und Thema) soll dem
terricht
Lehrer/der Lehrerin jedoch die MögWichtiges Element des Konzeptes lichkeit geben, ausgleichende Schritte zu
ist das Streben nach einer dy- setzen. (Siehe Kapitel 5)
namischen Balance zwischen den Faktoren des Ich (der einzelnen Schüle- Bemerkungen zum Konzept
rInnen und LehrerInnen), des Wir
(der Realität der Gruppe), des The- Es ist mitunter ernüchternd, das unter
mas (das Anliegen, an dem die Klas- Umständen eine Vorlaufperiode nötig
se arbeitet) und dem Globe (der ist, in der mit mehr oder weniger autorigruppenexternen Faktoren, d.h. den tären Mitteln Gespräch überhaupt erschulischen Rahmenbedingungen, möglicht werden muß. Ein vorschnelles
Umweltbezüge usw., die auf die Einsetzen von TZI-gemäßen UmgangsGruppe und ihre Lernbedingungen formen führt leicht zu Frustrationen.
Die Hilfsregeln der TZI sollen hier eine
einwirken).
Diese Balance soll helfen, ein Le- gewisse Unterstützung geben, werden
bendiges-Miteinander-Lernen und aber sehr oft von SchülerInnen nicht
Arbeiten aller Beteiligten zu för- akzeptiert, wenn sie nicht in einem sendern sowie Eigenverantwortlichkeit siblen Prozeß und zu einem passenden
Zeitpunkt eingeführt werden. Die Umzu festigen.
setzung ist noch eine eigene Sache und
verlangt vom Lehrer eine selbstbewußte
und konsequente Haltung.
chaotisch
destruktiv
autoritäre
Disziplin
keiner kann
den anderen
hören
alle hören
auf den
Lehrer
soziale
Disziplin
TZI-gemäße--->
Umgangs- und
Gesprächskultur
Schüler hören ---> ...
aufeinander,
gehen aufeinande
ein
Abb.2: Lernen als Entwicklungsprozeß (nach Wedderwille)
Prozeß des Lehrens, waren aber auch
Reaktionen auf das Geschehen im Lernprozeß. Lernprozeß stand also vor
Lernen kann als ein Ent- Lehrprozeß.
wicklungsprozeß gesehen werden,
in den TZI erst bei einem be- 4.2. Prozeßschritte und Verlauf
stimmten Entwicklungsstand der
Klasse eingeführt werden kann.
Gesamtthema finden
Lernen als Entwicklungsprozeß
4. Das Unterrichtsprojekt
Am Anfang stellte ich die Frage, welche
Überschriften im Lehrbuch Themen
4.1. Vorbemerkungen
beinhalten könnten, die sie interessieren
und mit denen sie sich auseinandersetIn der oben erwähnten 3. Klasse zen wollen. Dies geschah in Einzelarbeit
unterrichtete ich seit zwei Jahren und wurde dann mit einem/r Partner/In
Biologie und seit einem Jahr Physik. ausgetauscht.
Zu Beginn des neuen Schuljahres
gab ich SchülerInnen die Aufgabe, Zur Anregung zeigte ich ihnen einige
aus den Stoffgebieten des Lehrpla- Dias, die sie in Ruhe anschauen konnnes der 7. Schulstufe Themen aus- ten. An der Wand hingen Bilder, die
zuwählen, an denen sie besonderes Verbindungen zu verschiedenen BereiInteresse zeigten und mit denen sie chen des Jahreslehrstoffes herstellen
sich über einen längeren Zeitraum sollten. Ich forderte die SchülerInnen
eingehender beschäftigen möchten. auf, zuerst wirklich bei sich zu bleiben,
Mein Ziel war, den Unterricht mehr die Anregungen einwirken zu lassen und
an den Interessen der SchülerInnen wahrzunehmen, welche Reaktionen es
bzw. der Klasse zu orientieren und auslöste, welche Assoziationen aufdamit die Motivation zu Eigenini- tauchten, wo es sie hinzog.
tiative zu wecken. Ein weiteres Motiv war, durch tiefergehende Ausei- Manche SchülerInnen reagierten nervös
nandersetzung in einem Bereich oder skeptisch, andere genossen die Zeit
(z.B. den Lebensraum Wasser), für sich, wieder andere kamen erst in der
bzw. durch die Bearbeitung von Austauschphase in Fahrt.
wesentlichen inhaltlichen Prinzipien "Ich möchte mehr Zeit zum Nachdenken, mir
ein leichteres Verständnis für Zu- geht so viel durch den Kopf" oder "Ich möchte
sammenhänge (z.B. Zusammen- aber mit D. sprechen und wissen, was er denkt,
hänge und Regelsysteme im Öko- mir geht das Nachdenken zu lange."
system See) in verwandten Bereichen (z.B. Ökosystem und Lebens- Einzelarbeit zum Aufwärmen
raum Wald) zu ermöglichen. Durch
Vorerfahrungen mit Projekten und Diese Einzelarbeit diente dazu, daß jeprojekt-orientiertem
Unterricht de/r mit sich mit seinen/ihren Vorstelwar der Klasse und mir bekannt, lungen und Bedürfnissen beschäftigen
was es hieß, länger an einem Thema konnte und merkte, was eigentlich für
zu arbeiten.
ihn/sie an einem Thema dran sein
könnte und mehr als nur die gewohnten
Bei der Planung des Projektes hatte schnellen Reaktionen und bekannten
ich eine Vorstellung davon, welche Interessen in den Vordergrund stellte.
Inhalte in einzelnen Unterrichts- Ich sah meine Aufgabe, einen Raum zu
stunden vorkommen sollten. Das, schaffen, wo alle nicht zu viel und nicht
was ich konkret tat, die Aktionen im zu wenig Zeit zum "Aufwärmen" hatten
und allen damit die Möglichkeit Schüler: "Ist das [das Wasser] wieder so ein
gegeben wurde, einen Zugang zu Thema, wo man so viele Einzelheiten kennen
finden.
und können muß, um es zu verstehen, wie
damals beim Wald?"
Ein Schüler: "Mir gefällt es zwar in Lehrer: Mich interessiert dieser Lebensraum
einem Bachbett barfuß hinaufzuwandern, Wasser auch. Und mir gefällt die Idee, nochaber ich weiß nicht so richtig, was man mals längere Zeit dazu zu arbeiten und eventuInteressantes über das Wasser lernen kön- ell die Erfahrungen vergangener Projekte, wo es
nte. Doch, diese Filme im Fernsehen über ebenfalls um Wasser ging, dabei nutzbar zu
Wale und Tiefseetiere gefallen mir gut"
machen. So habe ich mehr Spielraum, mit euch
zusammen die Projektideen weiterzuentwickeln.
Entscheidungen fallen schwer
Einige SchülerInnen hatten zuerst
Schwierigkeiten, sich etwas unter
den Kapiteln vorzustellen. Ich versuchte etwas genauer zu erläutern,
um ihnen ein Bild zu vermitteln.
Bei einzelnen hatte ich die Phantasie, daß sie sich noch nicht mit der
Entscheidung, auf was sie sich verbindlich einlassen werden, auseinandersetzen wollen.
Ein Schüler: "Warum muß ich mich
entscheiden, wenn dann eh gemacht wird
,was alle wollen?" Eine Schülerin: "Ich
möchte lieber gleich mit A. darüber reden,
weil wir nämlich schon etwas ausgedacht
haben"
Nach einiger Zeit und etwas Hilfe
gelang es besser. Der weitaus größte Teil der Klasse hatte schlußendlich Themen gewählt, die in irgendeiner Form mit Wasser zu tun hatten, auch wenn noch eine deutliche
Skepsis gegen zu wenig Abwechslung im Unterricht feststellbar war.
Ein Schüler: "Wir[die Familie]haben
im letzten Sommer so eine tolle Bachwanderung in´s Ebnit gemacht. Sowas könnten wir ja auch machen, oder?"
Schüler: Ich habe keine Lust, so lange
an einem Thema zu arbeiten, ich würde
aber gerne mehr über die Tiefseetiere und
wie´s dort ausschaut erfahren."
Schülerin: "Beim Wasser gibt es so
vieles, was interessant und wichtig wäre"
Anmerkungen
Ich hatte, bevor ich mit den SchülerInnen das Projekt zu planen begann, das,
was ich im Unterricht bearbeiten wollte
im Kopf, aber die Aktionen verstand ich
auch als Reaktionen auf das Geschehen
im Lernprozeß. Um Lern-prozesse besser wahrnehmen zu können, versuchte
ich Situationen zu schaffen, wo die
SchülerInnen zu Wort kommen, wo sie
über ihr Verhältnis zum Lerngegenstand
sprechen.
Ich erlebte mich und die SchülerInnen
"motiviert", wenn es uns gelangt den
persönlichen Bezug zum Thema zu finden und auszusprechen. Dieser Bezug
konnte positiv oder negativ sein - beide
Einstellungen ermöglichten das Gespräch und die Arbeit. Wenn SchülerInnen im Unterricht Gelegenheit geboten
wurde, über ihr Verhältnis zum Unterrichtsgegenstand zu sprechen, konnte im
Prozeß des Lernens besser auf ihre Voraussetzungen Rücksicht genommen werden. Egal ob ein/e SchülerIn den Themenbereich Wasser mit Bachwandern
oder unangenehmen Lernsituationen in
Verbindung brachte, er/sie hatte sein
Verhältnis zum Thema in´s Bewußtsein
gehoben, und es war mög-lich geworden,
über Variationen (und vielleicht damit
verbundenen Mitteilungen auf der Beziehungsebene) zu sprechen. Dies führte
zunehmend zu einer Offenheit in der
Klasse.
Ein Ziel festlegen
Nach dieser "Aufwärmphase" und
den ersten verbalen Äußerungen
wurden die Themen und eigenen
Ideen gesammelt und auf einem
Plakat verschiedenen Schwerpunkten zugeordnet und diskutiert.
Eine Schülerin: "Wir könnten ja Bücher
suchen oder von zuhause mitbringen, die
die Lebewelt in der Tiefsee beschreibt und
daraus Referate und Plakate machen"
oder eine Schülerin "Es ist notwendig,
etwas darüber zu erfahren, man weiß gar
nicht, was es bedeutet, daß viele gar kein
Wasser zum Trinken haben, da sollten
wir was tun!"
der Sorge um die globale Umweltsituation war das Interesse an der Unterstützung der Aktivitäten der Organisation
Greenpeace auch ein Hinweis (wie sich
auch im Gespräch herausstellte), daß
Themen wie Abenteuer, Rebellion, aus den
eigenen Grenzen hinaustreten usw. den
SchülerInnen wichtig war und in der
Klasse eine bedeutende Rolle spielten.
Ich äußerte meine Bedenken, die ich bei
einem wenig durchdachten Aktionismus
hatte und machte zur Voraussetzung
eine vorangehende Grundlagenarbeit.
Lehrer: Ich sehe, daß ihr gerne bei einer Aktion mitmachen möchtet oder daß ihr euch selbst
an der Öffentlichkeit für etwas einsetzen, für
etwas kämpfen wollt. Ich glaube, daß das sehr
sinnvoll sein kann, bin aber auch daran inteTiefsee und Korallenriffe
ressiert, daß man darüber, wofür man kämpft,
Bescheid weiß. Als Lehrer habe ich dazu noch
Als Lieblingsgebiet stellte sich dann die Aufgabe, das Ganze auch mit dem Lehrnach einer eingehenden Entschei- plan in Verbindung zu bringen.
dungsphase die Tiefsee und die
Korallenriffe heraus. Dabei wollten Bei der Reflexion der Stunde wurde mir
sich einige Schüler auf die Umwelt- deutlich, wie die Motive der verschiedesituation und die Gefährdung der nen SchülerInnen und mir aufGewässer konzentrieren und dies einandertrafen, und es wichtig war, umsollte in eine größere Aktion mün- sichtig zu sein, um das Engagement und
den. Die SchülerInnen wählten den das Interesse am Thema nicht zu verlieTitel: "Unternehmen Aqua - ein ren. Bei der Vorbereitung der Stunde
fächerübergreifendes Projekt zum versuchte ich, herauszufinden, welches
Thema Wasser".
"Thema" (siehe Kapitel 4.4) nun in der
Luft lag.
Ein Schüler: "Wir könnten uns ja mit
Greenpeace zusammentun und vielleicht Die Kartonklasse
mit einem Boot am Mittelmeer Untersuchungen machen." Oder aus Anlaß Um mir ein besseres Bild von der Klasse
einer Pressemeldung über ein Tan- bei der Vorbereitung zu machen und die
kerunglück, die ich mitgebracht jeweiligen Arbeitsschritte besser vorbehatte: "Es wäre toll bei einer Demonstra- reiten zu können, kopierte ich ein Klastion mitzumachen, Plakate zu malen und senfoto, schnitt mir die einzelnen Schüeinfach alle einmal aufrütteln. Bei uns tut lerInnen heraus und klebte sie auf einen
man sonst eh kaum etwas."
Karton. Die Vorbereitung mit der Kartonklasse ging einfach und hat den erAllerdings gab es von meiner Seite staunlichen Effekt, daß mir die einzeleine gewisse Skepsis über den Auf- nen SchülerInnen präsenter und einzelwand und die Durchführbarkeit ne Unterrichtsstrukturen leichter voreines größeren Vorhabens, das von stellbar waren.
den SchülerInnen mit großen Er- Um eine Themenformulierung für Schüwartungen behaftet schien. Neben lerInnen zu finden, versuchte ich zuerst,
mir mein Kernanliegen in der Sache
klarzumachen. Meine Vorerfahrungen in der Arbeit im Bereich Wasser und mit verschiedenen Arten
von Projekten, waren für mich in
diesem Fall eine wichtige Grundlage für die Arbeit. Ein Motiv für die
Arbeit, lag in der Frage, wie ich bei
diesem Projekt die Materialvorbereitungen und
-suche gering halten konnte, um
mich mehr auf den Lernprozeß und
die Frage, wie sich die jeweili-gen
Beziehungsstrukturen in den Gruppen auf den Lernprozeß
auswirken, zu konzentrieren? Eine
gewisse Bekanntheit des Themenbereiches, das Zur-VerfügungHaben viel Material usw. war daher
hilfreich, um mich mehr auf die
Entwicklungen im Projekt konzentrieren zu können.
Als Thema formulierte ich: Wie
können wir eine spannende Aktion
in der Öffentlichkeit mit Interesse
am Wasser als Lebensraum und
seine Bedrohung verbinden ? Was
macht Spaß, wo liegt das Interesse
und wie will/kann ich etwas darüber lernen ? (Vergleiche dazu auch
das Kapitel 5)
Arbeitsstruktur für das Schuljahr finden
Die SchülerInnen hatten in weiterer
Folge die Möglichkeit, sich alleine
oder zu zweit mit einem speziellen
Wasserlebensraum zu beschäftigen, sich sozusagen in dieser ersten
Phase zu Experten zu machen, und
eine zusammengefaßte Form als
(interaktives) Referat den anderen
SchülerInnen weiterzugeben. So
sollte schließlich ein umfassendes
Bild und Wissen über das Wasser
als Lebensraum zustandekommen.
Arbeiten in der Bibliothek
Die SchülerInnen hatten die Gelegenheit, zwei Unterrichtsstunden in der
Bibliothek zu arbeiten, sich zu orientieren und über Gebiete, die sie interessierten, zu lesen, Bücher auszuleihen
oder Kopien zu machen. Diese Phase
diente auch dazu, abzutasten, wer mit
zusammenarbeiten möchte.
Eine Schülerin: "Die Arbeit in der Bibliothek
ist spitze! Da merkt man erst, was es alles gibt
und interessant wäre." Die SchülerInnen
schienen Spaß an der Arbeit zu haben,
nicht nur weil sie sich in der Bibliothek
mit den angenehmen Sitzgelegenheiten
und Polstern wohlfühlten und sich relativ frei bewegen konnten, sondern auch
weil sie anhand der Unterlagen, die sie
fanden und den einschlägigen Materialien, die ich mitgebracht hatte, konkrete
Anregungen erhielten.
In den darauffolgenden zwei Stunden
hatten die SchülerInnen nochmals Gelegenheit, mit Unterlagen, die sie selbst
mitgebracht hatten, in nun gebildeten
Untergruppen zu arbeiten. Extremlebensräume wie die Tiefsee und Arktis
waren für die SchülerInnen attraktive
Gebiete und es kam zu Überschneidungen. Die SchülerInnen hatten die Aufgabe möglichst unterschiedliche Bereiche vorzustellen. Im Austausch wurden
Alternativen gesucht und Kooperationen zwischen SchülerInnen gefunden.
Folgende Referatthemen wurden von
einzelnen SchülerInnen oder kleinen
Gruppen bearbeitet.
Referatthemen
Das Element Wasser und seine Bedeutung in
der Natur
Der Wasserkreislauf
Grundwasser und Quellen
Trinkwasser - Das Gold der Zukunft
Fließgewässer (Bach, Fluß, Strom, Gezähmte
Flüsse)
Die Fischregionen und die Fische
(Forelle, Hecht, Schleie, Zander)
Seen und Weiher
Der Teich (Angelegte Feuchtbiotope) Das Leben im Teich
Moore –Zeugen der Vergangenheit
Die Weltmeere und ihre Bedeutung für
den Menschen
Das Mittelmeer
Der Lebensraum der Küste
Das freie Wasser (Plankton)
Die Tiefsee
Seichtwasserzonen, Korallenriff
Das Wattenmeer, Gezeiten
Arktis und Antarktis (Walroß,
Eisbär)
Meeresströmungen und Tierwanderungen (Wanderungen der Wale)
Umweltkatastrophen in Meeren
Umweltsituation und Umweltschutz
Meeresaquarien
leisten?"... wurden in 3-4er Gruppen
angesprochen. Nach einer Diskussion
einigten wir uns auf einen Kriterienkatalog, wonach sich dann auch die Benotung richtete.
Zum Teil hatte ich die Referate
durch eigene Erläuterungen im
Nachhinein ergänzt und dann zusammen mit der Erarbeitung von
ökologischen Grundbegriffen zwischen den Referaten eingeflochten.
Ergänzungen erfolgten zusätzlich in
folgenden Bereichen:
Kooperationen mit anderen Fächern
Abwasserreinigungsanlagen und
Selbstreinigung v. Flüssen
Wasserexperimente
Schutz des Wassers - Was können wir tun?
Wasser in Dornbirn - Eine Spurensuche
Erlebniswelt Wasser
Lernen, Wiederholen, Prüfen
Die Phase des Einarbeitens und der
Referate dauerte drei Monate. Die
SchülerInnen bemühten sich sehr,
eine ansprechende Form der Vermittlung zu finden. Ich besprach
mit ihnen, was beim Vortragen
sinnvoll und für´s Lernen hilfreich
sein konnte. Fragen wie "Wie finde
ich Interesse am Lernen? Wie
möchte ich mein Wissen überprüfen? Wo liegen die Defizite? Wo
meine Stärken? Was möchte ich
Im Rahmen der Referate wurden von
den SchülerInnen Zusammenfassungen
in Form von "Karten" (Siehe Anhang:
Themen-kartensystem und Prüfungen)
gestaltet, die mit Fragen versehen waren.
In einer Lernphase befragten und
schließlich prüften sich die SchülerInnen
auch gegenseitig. Die SchülerInnen hatten Spaß daran, in verschiedene Rollen
zu schlüpfen und sich dabei Wissen
anzueignen. (Vergleiche Kapitel 4.4).
In verschiedenn Fächern wurde im Laufe des Jahres das Thema Wasser ebenfalls im Unterricht mit eingebaut. Es
ging in der Folge darum, die jeweiligen
Unterrichtsinhalte auf das Gesamtthema
abzustimmen und um die Frage: "Wie
können wir einander mitteilen, was jedeR gerade macht, bzw. wie können wir
uns gegenseitig ergänzen? Die interessanten Möglichkeiten der gegenseitigen
Unter-stützung und die Schwierigkeiten,
die bei der Koordination auftraten, werden hier nicht genauer dargestellt. Nur
soviel sei zu den Rahmenbedingungen
gesagt, auf die sich die LehrerInnen in
einer Klassenkonferenz einigten.
Auf folgende Aspekte sollte geachtet
werden:
-> einerseits das Thema mit den jeweiligen Kerngebieten exemplarisch für andere (ähnliche) Stoffgebiete, dafür umso
tiefgehender, zu bearbeiten;
-> andererseits Stoffgebiete, die in der
eigenen Jahresplanung vorkamen, zumindest teilweise auf das Thema Wasser
abzustimmen.
Diejenigen LehrerInnen, die wenig oder
keinen Bezug finden konnten, erklärten
sich bereit, Vorschläge anderer umWasser in verschiedenen musikalizusetzen, soweit es nicht Mehraufschen Werken
wand bedeutete.
Leibeserziehung
Wassersport, Freizeit und Wasser
Themensammlung der einzel- Eine genauere Analyse der Zusammenarbeit zwischen den LehrerInnen würde
nen Fächer
den Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Religion
Symbolische und religiöse Bedeutung des Wassers
Deutsch
Gedichte, Erfahrungsberichte,
Sprichwörter, Redewendungen
und div. andere Texte.
Englisch
Briefkontakt mit einer anderen
Schule, die sich ebenfalls mit
diesem Thema beschäftigen
Geschichte
Geschichte des Wassers - Wasser in der Geschichte
Geografie
Wasserlandschaften, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Wassers
Biologie
Wasserlebensräume und ihre
Lebewesen, Anpassung der Organismen, Kreisläufe, Störungen
in Wasserbiotopen durch den
Menschen, Ökologie und Naturhaushalt allgemein, Flußmodelle, Wale in ihrem Lebensraum
und Ihre Bedrohung
Physik
Wasser als Element im Periodensystem, das Atommodell,
Aggregatzustände und ihre praktische Bedeutung, elektrische
Leitfähigkeit und andere Eigenschaften
Bildn. Erziehung
Wasserlogo mit diversen Vorentwürfen, Wasserkalender,
Wassergeschichten
Werken
Flußmodelle (naturnah, reguliert)
Musik
Wassermusik, Wasserrätsel,
Wir organisieren zwei Projekttage
Nach einer intensiven Vorbereitungzeit
fiel die Entscheidung, das erworbene
Wissen im Rahmen von speziellen Projekttagen umzusetzen. Es wurde überlegt, wie die Anliegen an der Schule und
der Öffentlichkeit präsentiert werden
sollten. Mehrere aktuelle Ereignisse (Berichte über Meeresverschmutzung in
den Medien, Proteste gegen Atombomben-versuche, Stop dem WalmordAktionen, ...) begleiteten die Entscheidungsphase und prägten die Diskussion
mit.
Die SchülerInnen waren in dieser Phase,
in der sie sich entscheiden mußten, an
welchem Thema und mit welcher
Gruppe sie zusammenarbeiten wollten,
oft hin- und hergerissen. Ein persönlicher Kommentar einer Schülerin, nach
der Stunde lautete: "Eigentlich sollte man
etwas Konkretes in der Heimat machen, aber
ich möchte auch mit der Mirjam zusammen
sein, und die ist in der Gruppe mit den Walen."
Viele von den SchülerInnen konnten
solche Spannungen in der Gruppe
schwer verbalisieren, der Zwiespalt zwischen eigenen Ansprüchen und persönlichen Bedürfnissen in der Gruppe
und die damit verbundene Angst auf der
Strecke zu bleiben, war spürbar.
Gruppenbildung
Erst in einer nächsten Runde ließ ich sie
nun in Kleingruppen gehen, in denen sie
möglicherweise auch im Laufe des gesamten Projektes zusammenarbeiten
würden. Wichtig in dieser Austauschphase war, die inhaltlichen
Anliegen nicht vorschnell auf Kosten der Gruppenkonstellation aufzugeben. Ich machte immer wieder
die Erfahrung, daß es erst dann
möglich war, sich auf inhaltliches
Arbeiten einzulassen, wenn die
SchülerInnen wußten, in welcher
Gruppenkonstellation sie arbeiten
würden.
wollten sie dortige Gewässer genauer
unter die Lupe nehmen und die Bevölkerung über die Situation aufklären.
Damit sollte auf lokale Probleme aufmerksam gemacht werden, mit der
Chance, daß eine direkte Umsetzung in
der Gemeinde leichter möglich würde.
Meine Ausgangsbasis war: Wir können
nur ein Projekt machen. Wir müssen
einen kleinsten, gemeinsamen Nenner
suchen. Bevor wir öffentliche Aktionen
Bei der Gruppenbildung schien es durchführen, sollen Grundinformationotwendig, einzelnen SchülerInnen nen gesammelt werden.
zu helfen "ihre" Gruppe zu finden.
Ich achtete darauf, daß sie eine kla- Wir versuchten ein konkretes Projektre Lösung fanden, um nicht unnötig thema zu formulieren. Als es darum
Spannungen zu erzeugen, die dann ging, sich auf einen Bereich festzulegen,
auf eine versteckte Art später hin- wurden Schwierigkeiten deutlich, da
derlich würden.
niemand "sein" Thema aufgeben wollte.
Es ging darum, einen Kompromiß zu
finden, mit dem alle leben konnten.
Tagespolitische Ereignisse
Verschiedene Fragen wurden diskutiert:
Nachdem die Gruppen gebildet Ist mein Anliegen vertreten? Inwieweit
waren und sich die generellen The- ist das Projekt in der geplanten Form
menbereiche herauskristallisiert ha- eine Überforderung? Welche Veranttten, ging es um die konkrete Aus- wortung übernehme ich für was?
formung der nächsten Schritte. Die
SchülerInnen zeigten bei der Dis- Der Konflikt
kussion lebhaftes Interesse, sich für
bestimmte Bereiche zu engagieren. Es stellte sich heraus, daß es zwei MädDabei spielten tagespolitische Er- chengruppen gab, die sich mit dem
eignisse eine Rolle und erzeugten Schutz von Walen bzw. Robben auseiden Wunsch, sofort aktiv werden nandersetzen und eine Bubengruppe,
zu können. In der Diskussion wur- die an Gewässern ihrer Heimatgemeinde deutlich, daß eine Aktion ohne de Gewässergüteuntersuchungen mavorherige gute Vorbereitung even- chen wollten. Ich drängte die SchülerIntuelle "ein Schuß nach hinten" sein nen, sich auf einen Bereich zu konkönnte.
Die
Verbindung zentrieren, weil uns das Projekt sonst
Meer/Tiefsee und Umweltkatastro- überfordern könnte.
phen/Gefährdung von Lebe-wesen
führte zum Wunsch Greenpeace Die Diskussion verlief sehr emotionsgemit einem "Stop dem Walmord - laden. Es kamen Konflikte zutage, die
Projekt" zu unterstützen.
sich bereits in den Vorwochen in der
Klasse angestaut hatten. Ein Schüler:
Eine weitere Gruppe wollte sich "Alle Mädchen wollen sich immer mit Walen
mit Problemen vor Ort beschäfti- beschäftigen. Stattdessen wäre es viel wichtiger,
gen, die ein direktes Eingreifen in wenn man endlich die Leute von der Wassersiregionale Zusammenhänge ermög- tuation hier im Lande aufmerksam machen
lichten. Da mehrere SchülerInnen würde. Und sowieso wird das Geld von Spenaus einer Rheintalgemeinde kamen, den nur für so unnütze Zwecke verwendet."
Daraufhin ein Mädchen: "Erstens ist
es gar nicht wahr, daß wir immer nur mit
Walen zu tun haben wollen, uns sind halt
Tiere wichtig und die haben niemanden,
der sie unterstützt und bald gibt es keine
solchen Tiere mehr." "Es stimmt nicht,
daß man durch eine Aktion am Marktplatz die Leute dazu bringen kann über
Wale nachzudenken. Es ist besser, wenn
wir das gesammelte Geld Greenpeace
schicken, das denken eh die meisten von
uns". Darauf ein Schüler: "Das
stimmt nicht, wir Buben machen lieber
Wasseruntersuchungen, weil da kann man
wenigstens eine Veränderung fordern,
wenn es schlecht ausschaut mit dem Wasser im Bach."
Verantwortung übernehmen
Die Diskussion wurde kurze Zeit
noch in dieser Form über (scheinbar) stichhaltige Argumente geführt. Ich unterbrach, um persönliche Erfahrungen und Haltungen, die den Argumenten zugrunde
lagen, sichtbar werden zu lassen.
Als Anregung forderte ich sie auf,
von sich und nicht für andere zu
sprechen oder gar andere zu interpretieren. Ich erwartete mir dadurch, daß sie mehr Verantwortung
für ihre Haltungen und Aussagen
übernahmen und sich nicht so sehr
hinter vorschnellen Verallgemeinerungen verschanzten.
Dieses Von-Sich-Sprechen fiel den
SchülerInnen sichtlich nicht leicht,
obwohl ich in vorhergehenden Unterrichtsstunden bereits darauf
wertgelegt und diesbezügliche Hinweise gegeben hatte. Mit der Zeit
begannen SchülerInnen jedoch von
sich aus, sich gegenseitig darauf
aufmerksam zu machen, wenn
scheinbar objektiv und ohne die
eigenen Hintergründe mitzuteilen,
hitzig argumentiert wurde. Es gelang dadurch ein Stück besser, einander zuzuhören.
Eine Schülerin: "Ich finde es o.k., wenn Mädchen und Buben in getrennten Gruppen sind,
denn jeden interessiert eben was anderes und ich
denke mir, daß es so eher keinen Streit gibt."
Ein Schüler: "Ich möchte meinen Freunden
[in der Klasse] eine tolle Stelle am Bach zeigen,
dort kann man sicher viel entdecken. Ich finde
andere Sachen auch wichtig, aber das interessiert mich jetzt halt am meisten, wenn ich mit
den anderen an den Bach gehen kann."
Die VertreterInnen der Gruppen wurden im Laufe der Auseinandersetzung
z.T. in unangenehme Rollen gedrängt,
da sie andere in Dingen vertreten sollten, die sie selbst nicht unterstützen
wollten.
Eine Schülerin: "Die Arbeit am Projekt ist
interessant, aber irgendwie anstrengend. Ich
habe plötzlich die Rolle derjenigen bekommen,
wo alle mich fragen kommen, weil ich am Anfang so hineingestürzt bin. Mir gefällt es schon,
an etwas Spannendem dranzubleiben. Und
Wale waren mir immer schon wichtig. Aber die
anderen könnten doch auch viel selber tun.
Wohltuend ist für mich dann immer das Tagebuchschreiben, auch wenn ich mich schon
manchmal überwinden muß."
Begeistertes Interesse wechselte mit
plötzlich totaler Abneigung dem ganzen
Projekt gegenüber. Es war nicht leicht,
in diesem Gefühlswirrwarr einen Weg
zu finden, der einen befriedigenden weiteren Projektverlauf in Aussicht stellte.
Ich versuchte jedoch, gerade hier nicht
aus Ungeduld vorschnell alle weiteren
Entscheidungen in die Hand zu nehmen, um nicht das Projekt in eine Richtung zu drängen, die zwar (mir) vernünftig und sinnvoll erschienen wäre, mit der
sich aber dann vielleicht ein beträchtlicher Teil der Klasse nicht mehr identifizieren konnte. Solche Konfliktphase bis
zu einem guten Punkt hin auszuhalten,
gelang mir oft nicht, da ich mich selbst
in dem Spannungsfeld: Zeit geben und
Zeit sparen, um möglichst effektiv
"Stoff" vermitteln zu können, steckte.
Wie ist der Informationsfluß geregelt:
zwischen den SchülerInnen, zwischen
Nachdem dieser Konflikt überstan- LehrerInnen und SchülerInnen, zwiden und die Diskussion zu dem schen Direktion und außen?
Ergebnis geführt hatte, daß eine
Mädchengruppe einen Marktstand Ein Schüler: "Ich finde, daß wir viel machen,
zum Thema "Stop dem Walmord" aber dennoch sind manche mehr beschäftigt und
organisieren und die Buben Gewäs- andere drücken sich, weil sie gerade lieber mit
seruntersuchungen in ihrer Heimat- Freunden blödeln. Das finde ich nicht o.k.
gemeinde machen würden, die sie Und das Gespräch in der letzten Stunde hat da
dann ebenfalls am Marktstand prä- schon was gebracht. Jeder weiß jetzt besser für
sentieren wollten, fiel auch die Ent- was er schlußendlich verantwortlich ist und daß
scheidung, was an den beiden Akti- die Sache mit der Ausstellung ganz schön viel
bedeutet. Aber wird das so bleiben? Ich weiß
onstagen gemacht werden sollte.
nicht?"
1. Projekttag:
Wer hilft wem?
Besuch der Dornbirner Kläranlage
Eine Hauptfrage der Untergruppen war,
Ausarbeiten der Ergebnisse
der Gewässeruntersuchungen, wie die gewünschten Produkte erstellt
Diskussion mit dem Leiter der werden könnten. Wer hilft wem? Welche LehrerInnen unterstützen uns?
Kläranlage
Fertigstellen von Materialien
Eine Werkenlehrerin wollte kein Papier
für den Markstand
schöpfen und T-shirts bedrucken, worum sie von den SchülerInnen gefragt
2. Projekttag: (am Markplatz,
wurde. Die andere Gruppe hätte zwar
beim großen Bauernmarkt)
Präsentation und Verkauf von eine Lehrerin gehabt, die dies könnte
(und auch tun würde; die Lehrerin hatte
selbsterstellten Materialien
aber Sorge mit der Kollegin in Konflikt
Plakate aufhängen
zu geraten), aber diese (Buben-)Gruppe
Umfragen und Marktspürnawollte ihre eigenen Dinge anfertigen.
sen
Können Buben für die Mädchen ArbeiUnterschriftenlisten verteilen
ten übernehmen und vice versa? Zuerst
und bewerben
Verkauf von Kuchen und Ge- zeigten beide Gruppen wenig Entgegenkommen. Es wurde kurz überlegt,
tränke
das Projekt sogar abzubrechen.
Schüler: "Wir wollen unsere eigenen Dinge maDanach folgte eine Phase, wo die chen. Wir haben nicht so tolle Dinge zu präsenSchülerInnen in unterschiedlicher tieren und so gehen unsere Sachen neben den
Form und Zusammensetzung an ihrigen am Marktstand unter.
den Teilgebieten arbeiteten. Man- Schülerin: "Die Buben haben sich geweigert,
che stürzten sich voll hinein, andere uns beim Schöpfen des Papiers zu helfen und
schauten eher noch aus einiger Dis- uns immer wieder ausgelacht. Jetzt mag ich
tanz zu. Es tauchte die Frage auf, auch nicht mehr mit ihnen zusammenarbeiten.
wer viel, wer weniger mitarbeitete Obwohl, ich finde es eigentlich schade, wenn
und wer bei welchen Entscheidun- alles so nebenher ohne Verbindung läuft. Und
ihnen taugt ihre Arbeit und uns das, was wir
gen eingebunden werden sollte?
Wie kann ein Ausgleich zwischen machen. Und eigentlich haben wir schon ganz
den SchülerInnen geschaffen wer- schön viel hineingesteckt."
Schüler: "Ich würde schon beim Stand helfen
den?
Die Projekttage
und mitmachen, wenn unsere Wasserunter-suchungen genug Platz bekämen. Und
vielleicht hat die Frau Professor nichts
dagegen, wenn einige von den Mädchen
eine Zeit lang bei uns im Werkunterricht
mitmachen."
Ein Kompromiß wird gesucht
hatten. Aber ich glaub´, das war auch der
Neid und jetzt finde ich es eh eine tolle Sache."
Anmerkungen
Im Laufe des Projektes lernten die
SchülerInnen immer besser, für ihre
Aussagen, für die Wünsche, die sie umsetzen wollten, Verantwortung zu übernehmen. Sie lernten - v.a. in Konfliktsituationen - ihre Bedürfnisse klar zu
äußern, ohne gleich die Schuld für ein
Nicht-Gelingen bei anderen oder den
widrigen Umständen zu suchen.
In der Folge wurden von den SchülerInnen und von mir Gespräche
mit den Werklehrerinnen geführt.
Es wurde Argumente ausgetauscht
und genauer hingeschaut, was eigentlich so schwierig machte, zusammenzuarbeiten.
Wenn im Unterricht SchülerInnen Gelegenheit geboten wurde, über ihr VerLehrerin: "Ich fühle mich bei Arbeiten, hältnis zum Lerngegenstand zu spredie ich noch nie gemacht habe, sehr un- chen, konnte im Prozeß des Lernens
wohl. Sie brauchen viel Energie und Vor- vom Lehrer und von den Mitschübereitung und ich wollte mich zuerst nicht lerInnen besser auf ihre Voraussetzunauf etwas Neues einlassen. Aber nachdem gen Rücksicht genommen werden.
ich mitbekommen habe, was es für die Wenn sie eine Situation, ein Konflikt
Schüler bedeutet, habe ich es mir nochmals ausdiskutieren konnten, wurde klarer,
überlegt." Eine Schülerin: "Auch wenn wo sie Unterstützung von außen wollten
die Buben immer so gegen unsere Sachen und wo die Lösung eines Konfliktes zur
waren, finde ich es doch für alle besser, Identifikation mit der Sache und mit
wenn möglicht viel von unseren Produk- dem Produkt beitragen konnte.
ten an einem gleichen Stand gezeigt werden."
Die Gefahr bestand, daß diese EigenSchließlich gaben alle Seiten (incl. ständigkeit fälschlicher Weise damit
Lehrerin) nach. Die Buben sahen in verwechselt wurde, daß sich der Lehrer
der Idee der Walgruppe eine will- um die Arbeit der SchülerInnen nicht
kommene Möglichkeit auch ihre mehr so kümmern müßte oder sich in
Arbeiten zu präsentieren und be- die Konflikte nicht mehr einmischen
gannen, mit den Mädchen zu ko- sollte. Es brauchte viel Feingefühl heroperieren und Papier für Briefpa- auszufinden, wo ein Eingriff, eine Unpier zu schöpfen, das wiederum ei- terstützung den SchülerInnen das Genige Mädchen bedruckten.
fühl nahm, selbst etwas geleistet zu haSchülerin: "Ich wollte einfach einmal einen ben und darauf stolz zu sein; oder wo
Bach in unserer Umgebung, dort wo er in eine zu starke Zurückhaltung den Prodie Gemeinde hineinfließt, genauer unter- zeß lähmte und faule Kompromisse
suchen. Vielleicht kommen wir ja durch oder einen inneren Ausstieg förderte.
diese Gewässergüteuntersuchungen auf
Dinge drauf, die wir vorher nie geahnt Durch die Erfahrung, daß zusätzliches
haben. Aber manchmal hat mich die Engagement auch Spaß machen konnte,
Aufgabe, etwas beim Marktstand zu zei- lernten sie, wie sie das "Selbstgen ziemlich "gestunken". Aber als ich Verantwortung-Übernehmen"
ihren
mitbekam, was die anderen für Briefpa- Zielen näher brachte.
pier schöpften usw., da hat es mich gereizt, Ein Schüler: "Die Arbeit in der Gruppe
auch wenn wir zuerst ziemlichen Streit machte Spaß, auch wenn es manchmal streßig
war und ich mich manchmal vollkommen
überfordert fühlte. Je mehr ich merkte
(und auch die anderen), daß ich mir die
Arbeit selbst einteilen und das Mittun
selbst bestimmen kann, umso weniger
Streitereien traten auf."
An den beiden Aktionstagen wurde
der Stundenplan aufgehoben. Mehrere LehrerInnen beteiligten sich an
der Exkursion und kamen zum
Marktstand. Eine gelungene Präsentation und ein gutes Echo belohnte
die SchülerInnen und LehrerInnen
für den manchmal mühsamen Weg
dahin. Mit Stolz nahmen die SchülerInnen das Angebot des Direktors
an, den 2 Meter großen, selbstgebastelten Wal in der Schule für längere Zeit an einem zentralen Platz
aufzuhängen.
würde auch interessieren wie der Bach bei uns
zuhause ist.
Ein Mädchen, das sich außerordentlich
bei dem Projekt engagiert: "Das Thema
ist ganz und gar mein Thema. Ich habe vorher
noch nie so ein Projekt gemacht. Ich glaube
nicht so recht, daß man durch eine Aktion am
Marktplatz die Leute dazu bringen kann,
über Wale nachzudenken. Ich finde, es erfüllt
einen besseren Zweck, wenn wir das gesammelte
Geld Greenpeace schicken. Und vielleicht hat
sich doch der eine oder andere Gedanken gemacht. Irgendwie müssen wir ja zu unserem
Ziel kommen."
Oder SchülerInnen lernen sich selber
bewußter einschätzen:
"Ich war zwar manchmal überfordert, aber es
hat mir ganz gut gefallen. Ich bin draufgekommen, daß ich besser etwas vorbereiten
kann, als dann am Marktplatz die Leute
anzusprechen"
"Daß Mädchen und Buben nicht immer zusammen waren, finde ich o.k. Ich denke, in
unserem Alter ist das normal. Ich glaube jeDas Projekt ist beendet
denfalls nicht, daß sich dadurch die KlassengeMittels eines Fragebogens erhob ich meinschaft verschlechtert hat. Im Gegenteil,
am Ende des Projektes, welche beim Projekttag am Marktplatz sind wir alle
Erfahrungen die SchülerInnen beim sehr gut ausgekommen."
Lernen und Vorbereiten, sowie bei
der Umsetzung der Projektarbeiten Haltungen, wie sie in Unterrichtssituationen vertreten wurden, hatten sich
gemacht hatten.
schlußendlich relativiert:
Bei den SchülerInnen erlebte ich "Die Zusammenarbeit war gar nicht schlecht.
oft erst im Nachhinein, wieviel sie Jeder hat etwas geleistet, der eine mehr, der
eigentlich bewußt miterlebt hatten, andere weniger. Durch das Unterschriften und
was es bedeutete, Konflikte auszu- Spenden Sammeln erfuhr man auch etwas über
halten und selbständiger Arbeiten die Einstellung der Leute. Sie schenkten uns
zu lernen. Gleichzeitig wurden auch viel Aufmerksamkeit und ich denke, daß wir
ihre Ansprüche an ein Projekt und das Interesse mancher Menschen auch wecken
an die MitschülerInnen und Lehre- konnten"
rInnen ausgewogener.
4.3. Evaluation des Projektes
Ein Schüler: "Besonders gut hat mir das
Untersuchen des Baches, das Graben
unter den Steinen und das Mikroskopieren gefallen. Im Unterricht hab´ ich
glaub´ ich, vieles gar nicht so recht begriffen und dann ist mir einiges wieder eingefallen, was wir dort gehört haben. Mich
4.4
Methodisch-didaktische Gruppengeschehen in einer Unterrichtsstunde für Konsequenzen mit sich
Anmerkungen
brachte. Vertrauen zu haben und SchülerInnen Vertrauen zu geben, daß beide
Das Thema
Wege sinnvoll sein und alle in ihren
Vorhaben weiterbringen konnte, erachMit Thema meine ich hier nicht den
tete ich für wichtig.
Unterrichtsgegegstand, sondern - in
Anlehnung an die Begrifflichkeit
Kam das Verhältnis von Struktur, Proder TZI - das Thema als Mittelglied
zeß und Vertrauen aus dem Gleichgezwischen Individuum (d.h. den
wicht, so war - im Extremfall - Chaos,
einzelnen SchülerInnen und mir)
Stagnation und Mißtrauen die Folge und der Gruppe. Gemeint ist die
wie hier als Schatten dargestellt.
Sache, in der die Sache aller Mitglieder enthalten ist. Die Frage war
dabei immer, ob es ein prozeßorientiertes Thema, wo es eher um
Struktur
organisatorische Probleme und
Konflikte oder ein Sachthema, das
der Förderung von Teilzielen auf
Prozeß
Vertrauen
dem Weg zum Hauptlernziel (z.B.
ein Verständnis vom Lebensraum Stagnation
Mißtrauen
Wasser bekommen) diente, sein
wird. Und hier half es mir, das
Grunddreieck der TZI von ICH,
WIR und SACHE samt dem UmChaos
feld vor Augen zu halten. Es war
dann leichter herauszufinden, welcher Aspekt mehr beachtet und Abb. 3: Das Dreieck und der Schatten
welcher in den Hintergrund treten
mußte, damit der Prozeß lebendig
blieb.
Der Umgang mit Störungen
Um zu erreichen, daß von SchülerInnen
Gleichgewicht zwischen Struk- eine Arbeit als etwas Eigenes erfahren
tur und Prozeß
wurde, ist mir das Zulassen von KonDie Balance zwischen gut strukturierten Unterrichtsphasen, die ein
konzentriertes Arbeiten ermöglichten und die SchülerInnen nicht unnötig verunsicherten oder aus dem
Rhythmus brachten und Phasen, wo
das Laufenlassen eines Prozesses,
das Ausdiskutieren, weil Spannungen und Gefühle da waren und
nicht mit Gewalt unter den Tisch
gekehrt werden sollten, zu halten,
war keine leichte Aufgabe. Oft wurde erst im Nachhinein deutlich, was
eine bewußte Intervention oder ein
Mitgehen mit den Entwicklungen im
fliktphasen und Entscheidungen, die
auch manchmal vom gewünschten Ziel
wegführen, wichtig geworden. Wenn
Störungen im Unterricht den Vorrang
gegeben wurde, wenn SchülerInnen
dazu angeregt wurden, über Störungen
zu reden (was viel schwieriger war, als
zu stören) und die einzelnen spürten,
daß die Gruppe und der Lehrer ihre
Störungen ernst nahmen, dann war zu
erwarten, daß kein Mißbrauch geschah.
Denn jemand, der eine Störung anmeldete, mußte ja von der eigenen Person
ausgehen und handelte bewußter in der
Beziehung zur Gruppe und zum Lehrer.
Lernen, Wiederholen Prüfen
Noten müssen gegeben werden,
dennoch bleiben sie einem projektund schülerorientierten Unterricht
ein "Fremdkörper". Auch wenn ich
mich als Lehrer der Notengebung
nicht entziehen konnte, so kann ich
dennoch ausgleichen, abschwächen,
versuchen, Sinnvolles aus dieser
Belastung zu machen.
Ich habe deshalb in dieser Klasse
früh damit angefangen, immer wieder auf die Kriterien hinzuweise,
nach denen ich Zensuren geben
wollte. Ich habe diese Kriterien
unmittelbar an Beispielen erlebbar
gemacht. Die SchülerInnen fanden
sich eher rasch mit dem ganzen
Problem ab, schwankten aber hin
und wieder, ob dieses System auch
halten würde.
nie als Lernen empfand. Aber ich habe auch
noch nie so genau ein Walphoto angeschaut und
weiß jetzt über Einzelheiten viel besser Bescheid."
Dann versuchte ich genauso zu vermitteln, daß Lernen nicht immer mit Streß
und unangenehmen Gefühlen zu tun
haben muß. Ein Gespräch darüber, was
sie eigentlich gelernt hatten, war dabei
hilfreich.
Es ist wohl kontraproduktiv, wenn ich
nach einer Phase, wo persönlicher Einsatz, der mit Freude und Ärger verbunden sein kann, gefordert ist, wo Rollenspiele und Naturerfahrungsübungen
gemacht werden, wo Interviews gemacht oder ein Tiermodell gebastelt
wird, mit den gleichen Maßstäben beurteilt werden soll, wie sie bei einer Reproduktionsleistung einfließen. Diese
Arten des Lernens und der Leistung
sollten meines Erachtens vielmehr
Ich habe mich vor allem darum gleichberechtigt nebeneinanderstehen
bemüht, die vertrauensstörende und entsprechend honoriert werden.
Wirkung der Zensuren dadurch zu
neutralisieren, daß ich jedem/jeder, 4.5. Resümeé
der/die eine schlechte Leistung
gebracht hatte, viele Möglichkeiten Durch die Erfahrungen mit der TZI hat
anbot, sie auszugleichen. Die be- sich meine Aufmerksamkeit von einer
troffenen SchülerInnen machten starken Ergebnisorientierung auf eine
ausnahmslos von dieser Möglich- eingehende Planung von Projekten und
keit Gebrauch. Auch die weniger die Beachtung von Gruppenprozessen
interessierten SchülerInnen hatten verlagert. Die "dynamische Balance" in
sich dazu durchgerungen, eine Leis- einem Gruppengeschehen zu beachten
tung für die Klasse zu erbringen - in und Umwege auf dem Weg zu einem
Form der Lösung einer Sonderauf- Ergebnis zuzulassen, macht die Arbeit
gabe, die allen weiterhalf, in Form an Projekten auf eine ganz andere Art
eines zusätzlichen Referates etc. Sie und Weise spannend.
hatten zudem das erforderliche
Grundwissen so weit gelernt, daß Zunächst stellt die Arbeit mit der Thesie auch in diesem Bereich ihre aus- menzentrierten Interaktion eine Herausreichende Note wirklich verdienten. forderung an mich selbst, indem sie
mich zwingt, mich mit der Einstellung
Andererseits gab es Situationen, bei zu den SchülerInnen, zum Stoff und zu
denen SchülerInnen begeistert da- mir selbst auseinanderzusetzen. Meine
bei waren und das Lernen nicht als Erfahrung ist, daß sich die Arbeit in der
"Lernen" empfanden.
Klasse nicht schnell ändern läßt. VielEin Schüler: Als wir das Walmodell mehr geschah dies in einem längeren
bastelten und dazu die Plakate anfertig- Prozeß, in dem immer wieder Rückten, hatten wir so viel Spaß, daß ich das schläge erlebt wurden. Viel hat mir hier
der Austausch mit KollegInnen
geholfen, die dieser Haltung, den
SchülerInnen und der Sache gegenüber offen waren und mich kritisch
hinterfragten und meine Ansprüche
auf einen solideren Boden brachten.
Lernen und Arbeiten muß sich,
wenn es lebendiges bleiben soll,
sich an den Bedürfnissen und Voraussetzungen aller Beteiligten orientieren. Das Spannende für mich war
nicht nur, was gelernt wurde, sondern wie und unter welchen Bedingungen
etwas erlernt werden konnte.
Anhang
mitteilt.
1. Das Themenkartensystem
Präsentiert wird dieses Spezialgebiet
durch ein möglichst "bunt" gestaltetes
Referat, in dem die anderen SchülerInnen miteinbezogen werden (Diskussion,
Quiz, praktische Übungen, ...). Daneben
erstellt jede SchülerInnengruppe sogenannte Themenkarten zu Ihrem Spezialbereich - sozusagen eine interaktive Zusammenfassung. Auf der Rückseite der
Karte sind Fragen formuliert, die den
gesamten Inhalt in seinen wichtigsten
Aspekten in etwa abdecken. (Die Antworten auf diese Fragen werden in einer
Lernphase auf einem separaten Blatt
ebenfalls von "Experten" zur Verfügung
gestellt). Weiters können praktische
Anregungen und Arbeitsaufgaben hinzugefügt werden. Jeweils nach Abschluß
des Referates folgt eine Diskussionsrunde, wobei auch Fragen gestellt und
von SchülerInnen und vom Lehrer weitere Aspekte zum Thema ergänzt werden können. Nach den Referaten und
Erläuterungen durch den Lehrer folgt
die Lernphase.
Als didaktisches Hilfsmittel zur
Erarbeitung des Stoffes in Referatform dienten sogenannte Themenkarten. Dies sind Zusammenfassungen, die von SchülerInnen
verfaßt, in der Klasse weitergegeben
werden und eine Grundlage für
selbständiges Lernen und Wiederholen darstellen. Den SchülerInnen
wurde dadurch die Möglichkeit
gegeben bezugnehmend auf die
eigenen Interessen in der eigenen
Geschwindigkeit und in der selbst
gewählten Intensitität verschiedene
Sachgebiete allein, in Kleingruppen
und bei den Referaten als Zuhörer
und Vortragende zu bearbeiten. In
Anlehnung an das Konzept der
Freiarbeit war das Ziel die größtmögliche Individualität im Lernstil
bei gleichzeitiger Effektivität im
Lernumfang zu erreichen.
Die Themenkarten
Die Lernphase
Vorgegeben wird ein Themenbereich, der sich einerseits am Lehrplan (z.B. Der Wald, das Wasser,
...), und andererseits an den spezifischen Interessen der SchülerInnen
(z. B. die Vielfalt der Tiere eines
Sees) und des Lehrers (z. B. die
Bedeutung der Tiere für das Wasserökosystems und den Menschen)
orientiert.
JedeR SchülerIn wählt einen speziellen Themenbereich, mit dem er
sich genauer auseinandersetzt und
als SpezialistIn in der Klasse fungiert. Die SchülerInnen können
diese Aufgabe auch in Kleingruppen erfüllen. Themenkarten bedeutet hier besonders auch, daß
der/die SchülerIn den persönlichen
Bezug zu seinem/ihrem Thema
finden soll und dies im Referat auch
Die Karten werden in einem Ordner
gesammelt, in der Klasse deponiert und
von 2 SchülerInnen verwaltet. Die Karten sind jederzeit zugänglich. Über ca. 4
Stunden haben die SchülerInnen die
Gelegenheit, sich mit den anderen Karten zu beschäftigen und über gegenseitiges, übendes Ausfragen den Inhalt mehr oder weniger genau erlernen.
Die "ExpertenInnen" können bei Verständnis-schwierigkeiten
rückgefragt
werden. Praktische Übungen werden
ebenfalls in dieser Phase ausprobiert.
Anhand eines Belgeittextes werden die
SchülerInnen daran errinnert, welchen
Lernumfang sie m Schluß mindestens zu
bewältigen haben. Der Freiraum ermöglicht aber auch ein umfangreicheres
Beschäftigen mit den Karten bzw. ein
gegenseitiges sich Helfen.
Kerngebiete und Spezialgebiete
5 Kerngebiete decken hier z.B. die
ökologischen Grundlagen wichtiger
Wasserlebensräume ab, die jeweils
auch andere Lebensräume repräsentieren können. Diese Gebiete sind
Pflichtfragen und müssen von jedem/jeder gelernt werden.
Positiv bewertet wird vor allem, "daß wir
eine eigene Aufgabe haben, gut lernen können
und beim Prüfen nicht so nervös sind."
"Schwierig ist manchmal ein zu hoher Geräuschpegel durch die Organisation der Karten
für die Lernphasen. Durch die ungleich schweren Fragen auf den verschiedenen Karten, entstehen Ungerechtigkeiten bei der Beurteilung."
"Abwechslungsreich und interessant."
"Durch die lustige Atmosphäre beim Lernen
hat man viel gelernt."
Manche empfinden es zu leicht, anderen
ist es zu viel zum Lernen, aber die Zusammenarbeit ist ein positives Erlebnis.
Spezialgebiete sind zum Umfeld des
Themas passende Unterthemen, die
je nach Interesse einzelner SchülerInnen entstehen. Sie können frei Problempunkte
gewählt werden und aus einer größeren Anzahl müssen ebenfalls 5 Eine gewisse Schwachstelle war v.a. die
gelernt werden.
Lernphase, wo die Ausgabe der Karten
einen zu großen Unruheherd erzeugte.
Prüfungsphase
Weiters sollte das Anreizsystem für die
sorgfältige und verständliche Gestaltung
In dieser Phase geht es um das suk- der Karten verstärkt werden. Die praktizessiv gesteigerte Prüfen. Zuerst schen Aufgaben sollen möglichst genau
werden Karten ausgegeben und formuliert und den SchülerInnen als
wiederholt. Dann ist es möglich, Beiblätter zur Verfügung gestellt wermit der Karte zum Spezialisten die- den. Die Umstellungsphase von übliser Karte zu gehen und dieser stellt chen Formen des Lernens und Prüfens
die Fragen der Rückseite. Zusätz- auf solche neue Formen machen eine
lich gibt es eine Jokerfrage (Risiko- längere Anlaufphase notwendig. Sie
frage): d.h. eine zusätzliche Frage dienen als Ergänzung zu den gewohnten
kann gestellt werden, die dann dop- Prüfungsmodellen.
pelt zählt.
Die SchülerInnen erhalten eine
Sammelliste, wo sie sich die gekonnten Antworten von der "PrüfungsleiterIn") bestätigen lassen.
Zuletzt kommen die SchülerInnen
einzeln zum Lehrer und dieser stellt
2 Fragen seiner Wahl (1 Kern- und
1 Spezialfrage), die ebenfalls über
ein Punktesystem bewertet werden.
Auf diese Art finden mehrere Prüfungen gleichzeitig statt.
Befragungen der SchülerInnen ergeben fogendes Bild:
Der Lernertrag wird als hoch empfunden, wenn die Karten gut gestaltet sind, obwohl das Lernen oft
nicht als "büffeln" erlebt wird.