Theorien - Professur für Didaktik der Informatik

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Theorien - Professur für Didaktik der Informatik
Diplomarbeit
Analyse und Bewertung
eines
E-Learning Systems
unter dem Aspekt der
Interaktivität basierend
auf verschiedenen
Motivationstheorien
Patrick Chuh
Begonnen am:
Spätestens einzureichen am:
Betreuer:
Verantwortlicher Hochschullehrer:
Lehr- und Forschungseinheit:
Universität:
05. Februar 2007
05. August 2007
Prof. Dr. P. Hubwieser
Prof. Dr. P. Hubwieser
Didaktik der Informatik
Fakultät für Informatik an der Technischen
Universität München
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Selbständigkeitserklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt habe, alle
Zitate als solche kenntlich gemacht sowie alle benutzten Quellen und Hilfsmittel
angegeben habe.
_____________________________________________________
Datum, Unterschrift
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Kurzzusammenfassung
Die Notwendigkeit der Reduzierung der Drop-out-Quote (Abbrecherquote) ist ein
Problem, dem sich nahezu alle E-Learning Systeme stellen müssen. Heutzutage wird
es den Unternehmen durch den stets wachsenden Konkurrenzdruck auf den Wirtschaftsmärkten immer mehr erschwert, innovative, erfolgreiche, gut getestete und
qualitativ hochwertige E-Learning Systeme zu vermarkten. Diese Lernanwendungen
werden zum Teil zu schnell auf den Markt gebracht, da eine ausführliche Testphase
beispielsweise zuviel kosten und den knapp bemessenen Zeitrahmen eventuell
sprengen könnte. Ebenso werden pädagogische Erkenntnisse vernachlässigt, das
Hauptaugenmerk liegt größtenteils auf der technischen Machbarkeit. Einige kleine
didaktische Fehler können den Lernenden dazu veranlassen, die Auseinandersetzung
mit dem E-Learning System zu vermeiden.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll ein zentrales Element, die „Motivation“, auf ELearning Systeme abgebildet werden. Die Motivation stellt einen der wesentlichen
Faktoren dar, die die Drop-out-Quote beeinflussen. Es wird ein Kriterienkatalog entwickelt, der auf unterschiedlichen Motivationstheorien für E-Learning Systeme beruht,
und der es ermöglicht, motivationshemmende Parameter in einer Lernumgebung zu
erkennen. Diese hemmenden Parameter können dann gezielt vermieden bzw. ausgebessert werden. In diesem Katalog befinden sich auch Methoden zur Steigerung der
Motivation.
Anhand dieses Kriterienkatalogs wird eine Lernumgebung ausführlich analysiert, bewertet und optimiert. Bei der Lernumgebung handelt es sich um einen Onlinekurs
(FLIEG) für die Lehrerweiterbildung (für das Fach Informatik). Der entwickelte Katalog
kann auch bei der Konzeption einer Lernumgebung herangezogen werden.
Zusätzlich wird der entwickelte Katalog in einen „kurzen und bündigen“ Fragenkatalog
überführt. Damit können Lernsysteme schnell, mühelos und effektiv anhand dieses Katalogs bewertet werden.
Diese Arbeit verbindet Themen aus dem Bereich der Informatik, Pädagogik, Psychologie und Didaktik.
Abstract
All E-learning systems are faced with the problem of reducing the drop-out-quote. Due
to the rising pressure of competition on economic markets, companies nowadays find it
increasingly difficult to promote innovative, successful, well tested and high-quality Elearning systems. These learning applications are often placed on the market too soon,
since an extensive test phase could be too costly and ……. Since the technical
feasibility plays a major role, educational insights are often neglected. A few minor
didactical errors can be the cause for a student to be discouraged from taking a closer
look at the E-learning system.
“Motivation” in using E-learning systems is to be a key element of this thesis. Motivation is one of the essential factors affecting the drop-out-quote. A criteria catalogue
will be developed, based upon different motivational theories for E-learning systems,
enabling the detection of parameters hampering the motivation in an educational
environment. These parameters can then be directly avoided or corrected. This criteria
catalogue will also contain methods for increasing motivation.
An educational environment will be analyzed, evaluated and optimized using this
criteria catalogue. This educational environment is an online course (FLIEG) for the
advanced training of teachers (in the field of computer science). The catalogue can
also be used for the development of an educational environment.
Added to this, the developed catalogue will be integrated in a short and concise
question catalogue. Using this catalogue educational systems can be evaluated
quickly, easily and effectively.
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
This thesis combines topics in the fields of computer science, education science,
psychology and didactics.
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Danksagung
Zuerst möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich bei der Anfertigung
dieser Arbeit unterstützt haben.
Ich danke vor allem meinem Betreuer Herrn Prof. Hubwieser für die Überlassung des
Themas sowie die ständige Betreuung mit seinen wertvollen Hinweisen und unterstützenden Besprechungen.
Und letztendlich bekunde ich meiner Mutter Patricia, meinem Vater Vincenzo und
meiner Schwester Victoria den größten Dank, die mich während des gesamten
Studiums insbesondere in schwierigen Phasen mit jeder möglichen Unterstützung zur
Seite standen.
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Aufgabenstellung
Thema:
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems unter dem Aspekt der Interaktivität
basierend auf verschiedenen Motivationstheorien.
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Inhaltsverzeichnis
1
Einführung .......................................................................................1
1.2 Ziel der Diplomarbeit ..........................................................................................1
1.2 Vorgehensweise .................................................................................................2
2
E-Learning System ........................................................................5
2.1 Bedeutung des Begriffs E-Learning.................................................................5
2.2 Mehrwert des E-Learnings ................................................................................6
2.3 Problematik des E-Learnings............................................................................7
3
Motivation.......................................................................................11
3.1 Was ist Motivation? ..........................................................................................11
3.2 Bedeutung der Motivation im E-Learning Bereich.......................................13
3.3 Prozess der Motivation ....................................................................................14
3.4 Formen der Lernmotivation.............................................................................15
3.4.1
Die Leistungsmotivation ......................................................................16
3.4.2
Flow ........................................................................................................17
3.4.3
Interesse ................................................................................................17
3.4.4
Intrinsisch und extrinsisch ...................................................................18
3.4.5
Eingangs- und Verlaufsmotivation .....................................................19
3.5 Überblick über Motivationsmodelle................................................................20
3.5.1
Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan .....................20
3.5.2
Der Einfluss selbstbestimmter Motivation auf das Lernen.............22
3.5.3
Intrinsisch vs. extrinsisch.....................................................................23
3.5.4
Prenzels Ansatz zur Stärkung der Lernmotivation..........................25
3.6 Motivationssysteme basierend auf dem Instructional Design ...................27
3.6.1
Instructional Design..............................................................................27
3.6.2
ARCS-Modell.........................................................................................28
3.6.2.1
Aufmerksamkeit erlangen (Attention)............................................30
3.6.2.2
Bedeutsamkeit des Lehrstoffs vermitteln (Relevance) ...............31
3.6.2.3
Erfolgszuversicht (Confidence) ......................................................32
3.6.2.4
Zufriedenheit und Befriedigung (Satisfaction)..............................34
3.6.3
Supermotivationsansatz ......................................................................35
3.6.4
Time-Continuum-Ansatz......................................................................36
4
Emotionen ......................................................................................39
4.1 Was sind Lernemotionen? ..............................................................................39
4.2 Bedeutung von Emotionen für den Motivationsprozess.............................40
4.3 Formen von Lernemotionen............................................................................41
4.4 Das FEASP-Modell ..........................................................................................42
4.4.1
Emotionskategorien des FEASP-Modells.........................................43
4.4.2
Die Theorien des Modells....................................................................44
Seite I
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
5
Interaktivität...................................................................................47
5.1 Definition der Interaktivität...............................................................................47
5.2 Zusammenhang zwischen Interaktivität und Motivation.............................48
5.3 Weitere Funktionen von Interaktivität ............................................................49
5.4 Formen der Interaktivität..................................................................................50
5.4.1
Steuerungsinteraktionen......................................................................51
5.4.2
Didaktische Interaktionen ....................................................................52
5.5 Taxonomie der Interaktivität nach Schulmeister .........................................53
5.6 Negative Auswirkung der Interaktivität..........................................................54
6
Die untersuchten Kriterien ........................................................55
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
7
Autonomieunterstützung..................................................................................55
Soziale Einbindung...........................................................................................56
Kompetenzunterstützung ................................................................................58
Instruktionsqualität............................................................................................61
Inhaltliche Relevanz des Lernstoffs...............................................................62
FEASP-Elemente..............................................................................................63
Multimediale Qualität........................................................................................66
Untersuchung................................................................................67
7.1
7.2
7.3
7.4
8
Beschreibung der Lernumgebung „FLIEG“ ..................................................67
Untersuchung der Lernumgebung „FLIEG“..................................................69
Bewertung der Lernumgebung „FLIEG“........................................................81
Verbesserungsvorschläge...............................................................................83
Untersuchung weiterer Lernumgebungen............................87
8.1 Fragenkatalog zur Evaluierung von Lernsoftware.......................................87
8.2 Untersuchung des Lernprogramms „MSWLogo“.........................................88
8.2.1
Beschreibung ........................................................................................88
8.2.2
Analyse und Bewertung.......................................................................89
8.3 Untersuchung des Lernprogramms „Alice3D“..............................................91
8.3.1
Beschreibung ........................................................................................91
8.3.2
Analyse und Bewertung.......................................................................92
9
Fazit..................................................................................................95
Anhang ......................................................................................................97
Abbildungsverzeichnis .......................................................................103
Inhaltsverzeichnis der beigelegten CD ..........................................107
Seite II
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Literaturverzeichnis.............................................................................109
Web-Referenzen....................................................................................119
CD zur Arbeit .........................................................................................121
Seite III
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Seite IV
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
1 Einführung
In der heutigen Gesellschaft, in der der Faktor Zeit immer wertvoller wird und in der
dauerhaftes Lernen neben der Ausbildung bzw. Arbeit immer wichtiger wird, wächst
der Stellenwert von computerunterstützten Lernumgebungen stetig an. E-Learning
Systeme werden als Lösungsansätze gesehen, um die Qualität der Aus- und Fortbildung zu verbessern [Blumstengel98]. Der schnelle technische Fortschritt der
Computerindustrie fördert die Entwicklung von E-Learning Programmen. In den letzten
Jahren sind im Bereich des E-Learnings zunehmend computerunterstützte Lernumgebungen erschaffen worden, die, durch innovative Techniken und/oder einer multimedialen Darbietung, moderne didaktische Gedanken und Ideen umsetzen. Vermehrt
wird der Lernende nicht nur als passiver Wissensbehälter angesehen, sondern es wird
versucht, ihn aktiv in den Prozess der Informationsverarbeitung zu integrieren. Es
kommt immer mehr zu einer Ersetzung von behavioristischen zu kognitivistischen bzw.
konstruktivistischen Lehrmethoden. Theorien des Kognitivismus und Konstruktivismus
setzen den Lernenden in den Mittelpunkt eines aktiven Lerngeschehens. Schlageter
und Feldmann [zitiert in Kramer02] fordern für die Fortbildung ein Lernen, bei der der
Lernende im Mittelpunkt steht, dass sich durch die Anwendung von E-Learning
Systemen realisieren lässt. [Schulmeister06] spricht sogar von einem gravierenden
Fehler im E-Learning, wenn die Lernumgebung kein lernerzentriertes Lernen erlaubt.
Die Lerninhalte können in einer computerunterstützten Lernumgebung multimedial,
vernetzt dargestellt werden und folglich können komplexe Sachverhalte angeboten
werden, die in der traditionellen Ausbildung nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand
anschaulich vermittelt werden können.
Auf der anderen Seite treten beim computerunterstützten Lernen auch Probleme auf.
Eines der Hauptprobleme ist die Abbrecherquote, die nach [Astleitner00] auf etwa 3050% beziffert wird. Fehlende Motivation oder Engagement der Lernenden sind die
Ursachen (s. Kapitel 3.2). Auf einige negative Aspekte des E-Learnings wird im Kapitel
2.3 genauer eingegangen.
Vor einigen Jahren entwickelte sich ein regelrechter Boom und man konnte sich
vorstellen, dass E-Learning Systeme mit den traditionellen Bildungsformen wie Präsenzstudium konkurrieren und diese sogar ersetzen könnten. Es wurde prognostiziert,
dass bis zum Jahr 2005 nur noch 50% der universitären Ausbildung an den
bestehenden Präsenzuniversitäten stattfinden würden [Schulmeister01].
Heute weiß man, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde [Schulmeister06]. E-Learning
Systeme sollten als eine sinnvolle Unterstützung für den Lernenden im Lernprozess
angesehen werden. Der Einsatz einer computerunterstützten Lernumgebung stellt
folglich eine denkbare Unterstützung für den Lernenden dar.
1.2
Ziel der Diplomarbeit
In dieser Diplomarbeit soll ein E-Learning System auf Basis von motivationshemmenden, motivationserhaltenden und motivationsfördernden Elementen untersucht werden.
Dabei wird zunächst der Begriff „Motivation“ mit allen seinen Facetten erläutert. Bei der
Motivation müssen die Emotionen besonders beachtet werden. Diese beiden Begriffe
Motivation und Emotion werden in Zusammenhang mit dem Begriff „Interaktivität“
gebracht. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird ein Kriterienkatalog entwickelt, der
Elemente der Förderung, Erhaltung und Hindernisse des Aufbaus der Motivation bein-
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
haltet. Dementsprechend verbindet diese Arbeit die zentralen Begriffe wie E-Learning,
Motivation, Emotion und Interaktivität.
Beispielsweise sollten folgende Fragestellungen geklärt werden:
-
Wie kann man die Motivation des Lernenden bei der Auseinandersetzung mit
einem E-Learning System erhalten?
-
Wie kann man die Lernmotivation steigern?
-
Auf welche Motivationsbedingungen muss besonders geachtet werden?
-
Wie kann man Demotivation beispielsweise durch Ärger, Neid und Angst
vermeiden?
-
Wie kann man Motivation beispielsweise durch Freude oder Sympathie
verstärken?
Die Lernumgebung „FLIEG“ wird explizit mit Hilfe dieses Kriterienkatalogs (s. Kapitel 6)
evaluiert. Die Lernumgebung wird im Kontext der Interaktivität, Motivation und Emotion
beschrieben, analysiert und bewertet. Dieser Katalog soll natürlich auch auf andere ELearning Systeme anwendbar sein. Anschließend wird eine Verbesserung der Lernumgebung im Kontext der Motivation vorgeschlagen.
Schließlich werden auszugsweise zwei weitere Lernumgebungen untersucht.
1.2
Vorgehensweise
Einleitend wird in Kapitel 2 ein kurzer Überblick über E-Learning Systeme gegeben. Es
wird auf den Mehrwert der Neuen Medien gegenüber traditionellen Lehrmethoden
eingegangen und auch die bestehende Problematik mit den Neuen Medien erläutert.
Im Kapitel 3 wird auf das Problem der Abbrecherquote in E-Learning Systemen, deren
Hauptursache fehlende Motivation bzw. Motivationsverluste der Lernenden ist, näher
eingegangen. Der Begriff „Motivation“ wird mit allen seinen Facetten erklärt. Und es
werden die unterschiedlichen Motivationsarten und der Prozess der Motivation erläutert. Des Weiteren werden verschiedene Motivationstheorien vorgestellt und einige
Motivationsmodelle, die auf dem Instructional Design basieren. Schwerpunkt wird
dabei auf das ARCS-Modell gelegt.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit Emotionen und Lehrstrategien im Kontext von Lernemotionen, die den Lernprozess positiv oder negativ beeinflussen können. In einem
ersten Schritt wird der Einfluss der Emotionen auf den Lernprozess und die
Lernmotivation beschrieben.
Als zweites wird das FEASP-Modell vorgestellt und verschiedene Lehrstrategien empfohlen, die negative Emotionen, nämlich Angst, Neid und Ärger, verringern und
positive Emotionen, nämlich Sympathie und Vergnügen, fördern sollen. Diese Lehrstrategien können auch auf E-Learning Systeme angewandt werden.
In Kapitel 5 wird zunächst erklärt was unter dem Begriff der „Interaktivität“ zu verstehen
ist. Es werden die unterschiedlichen Funktionen, insbesondere die Motivationsfunktion,
der Interaktivität beschrieben. Auf die verschiedenen Formen der Interaktivität wird
auch eingegangen. Des Weiteren wird Rolf Schulmeisters „Taxonomie der Interaktivität“ näher erläutert und schließlich werden negative Aspekte bzw. Auswirkungen
der Interaktivität dargelegt.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus den vorhergehenden Kapiteln wird in Kapitel 6
ein Kriterienkatalog entwickelt, der Hindernisse des Aufbaus, Erhaltung und Förderung
von Lernmotivation bzw. Lernemotion in einem E-Learning System beinhaltet. Das
Erkennen und Unterlassen von motivationshemmenden Faktoren sowie das Fördern
der Motivation muss beim Entwurf eines E-Learning Systems eine bedeutende und
entscheidende Rolle spielen. Dieser Kriterienkatalog bildet das „Herzstück“ dieser
Diplomarbeit.
In Kapitel 7 wird der Kriterienkatalog auf die Lernplattform „FLIEG“ angewendet. Zunächst wird das E-Learning System beschrieben und auf Basis der Kriterien analysiert
bzw. bewertet. Anschließend werden konstruktive Vorschläge erarbeitet, um die
Lernumgebung „FLIEG“ im Kontext der Motivation zu verbessern. Auf Basis dieser
Erkenntnisse kann das E-Learning System modifiziert werden, um ein noch motivierendes Lernen zu gewährleisten.
In Kapitel 8 werden, die in Kapitel 6, ausführlich beschriebenen Kriterien zu einem
bündigen Fragenkatalog zusammengefasst. Dieser Fragenkatalog wird auszugsweise
auf zwei weitere E-Learning Systeme angewandt.
Den Abschluss dieser Diplomarbeit bildet Kapitel 9, das die Arbeit kurz zusammenfasst.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
2 E-Learning Systeme
Auch wenn der erwartete Boom in den letzten Jahren ausgeblieben ist, nimmt die Zahl
der E-Learning Systeme stetig zu. Betrachtet man die Fortschritte, die in den Bereichen der Computersoftware und Forschung in den vergangenen Jahren erzielt
worden sind, so stellt man fest, dass man Lernprogramme in fast allen Lebensbereichen findet. Die Anwendungsmöglichkeiten von Lernprogrammen sind sehr vielfältig.
So ist es heute inzwischen gang und gäbe, die gelernten Vokabeln mit einem Sprachprogramm zu überprüfen, die theoretischen Kenntnisse der Fahrschulprüfung durch ein
Lernprogramm zu erlangen, der Lehrer kann komplette Konstruktionsschritte im
Mathematikunterricht mit einem Geometrieprogramm vorführen oder man kann die
erforderlichen Kenntnisse einer Fortbildung bzw. Weiterbildung durch ein E-Learning
System erwerben. Dies sind nur einige Anwendungsgebiete die zeigen, wie hoch die
Bedeutung von Lernprogrammen für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft in den
verschiedensten Fachgebieten sein kann.
Die große Problematik des E-Learning ist die mangelnde Motivation und die
Motivationsverluste des Teilnehmers in diesem Bereich (s. Kapitel 3.2). Viele Lernende
haben ein aufwendig, mit innovativen Multimediatechniken konzipiertes, in den meisten
Fällen kostspieliges Lernprogramm vor sich und sind mit dem Programm trotzdem
unzufrieden. Beispielsweise verliert man den Überblick, vereinsamt immer mehr, kann
nicht mit anderen Teilnehmern in Kontakt treten, kann seine Probleme bzw. Fragen
niemanden stellen. Die Folge ist, dass die Teilnehmer ihren Lernprozess vorzeitig
abbrechen und sich wiederum schwer tun, eine weitere „Auseinandersetzung“ mit dem
E-Learning System zu suchen. Insgesamt wird zu wenig Wert auf die didaktische
Gestaltung der E-Learning Systeme gelegt. In den meisten Fällen steht die Technik im
Vordergrund, nicht der Lernende. In dieser Arbeit wird vor allem der Lernende in den
Fokus gestellt.
2.1
Bedeutung des Begriffs E-Learning
Unter dem Begriff „E-Learning“ versteht man elektronisch unterstütztes Lernen.
[Kerres01] definiert unter diesem Begriff alle Formen von Lernen, bei denen digitale
Medien für die Darstellung und Verwaltung von Lerninhalten und/oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.
Computerunterstütztes Lehren und Lernen kann durch unterschiedliche Formen und
Techniken realisiert werden. Im Folgenden sollen die häufigsten Begriffe lediglich genannt werden [vgl. WikLea]:
-
Computer Based Training (CBT)
-
Web Based Training (WBT)
-
Blended Learning
-
Virtuelles Klassenzimmer
-
Web Based Collaboration
-
Business TV
-
Rapid E-Learning
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
2.2
-
Digitale Lernspiele
-
Computer-Supported Cooperative Learning
Mehrwert des E-Learnings
Zu den Hauptvorteilen von E-Learning Angeboten zählen vor allem die Raum- und
Zeitkomponente. Die Lernenden können ihren Lernprozess räumlich und zeitlich
unabhängig planen. Der Lernende muss bei der Vermittlung von Lerninhalten nicht
selbst anwesend sein. Er ist sehr flexibel in der Planung seines Lernprozesses.
Basierend auf diesem Prinzip betreibt eine E-Learning Initiative der Firma Microsoft
Werbung mit dem Motto AAL = Anytime, Anywhere Learning. Der Leitspruch soll die
Flexibilität des Lernprozesses suggerieren, so dass die Lernenden jederzeit und von
jedem Ort (wie zum Beispiel bei einem Laptop) die Möglichkeit haben, lernen zu
können. Lernende und Lehrende können durch E-Learning anders als gewöhnlich, ihre
Lernzeit einteilen. Diese Lernzeit muss nicht wie bei organisierten Präsenzveranstaltungen gebunden sein und kann individuell verteilt werden [vgl. Paschke03u.a.].
In der traditionellen Ausbildung müssen alle Lernobjekte real existieren. Im E-Learning
hat man es mit verteilten Lernobjekten (Zugang zu seltenen Ressourcen) und in den
einigen Fällen auch mit verteilten Lernorten zu tun. Bildung und Wissen lässt sich
durch E-Learning weltweit versenden. Die Loslösung von Zeit und Raum erweist sich
nach [Schulmeister06] langfristig als ausgesprochen sinnvoll und förderlich.
Die Kurse sind im Gegensatz zu traditionellen Lehrmitteln interaktiv. Die Digitalisierung
hat uneingeschränkt innovative Effekte erschaffen. Alle Medien können untereinander
verknüpft werden. In Lernsystemen können Audio- und Videosequenzen leicht eingebunden werden. Komplexe Lerninhalte können mit Hilfe von Simulationen erläutert
werden. Es können authentische Lernsituationen geschaffen werden, diese ermöglichen die Vernetzung des zu lernenden Sachverhalts in Alltagssituationen. Das
Problem kann in einen realen Kontext eingebunden werden. Auf diese Weise kann der
Vorgang der Identifizierung und Lösung von Problemen unterstützt werden [Doerr02].
Der Lerner hat die Möglichkeit zwischen verschiedenen Präsentationsformen (Audio,
Video, Text, Animation, Bilder etc.) von Lerninhalten zu wählen. Und adaptive Systeme
erlauben, dass spezielle Lernkontrollen oder Übungsaufgaben auf den aktuellen
Wissenstands bzw. Fähigkeiten des Lerners zugeschnitten werden können. Durch
Aufbereitung der Lerninhalte und Bestimmung einer geeigneten Präsentation wird der
Lernprozess unterstützt [Doerr02]. Traditionelle Lernmethoden können mit digitalen
Medien kombiniert werden. Diese Zusammensetzung findet man beispielsweise im
„Blended Learning“ wieder. Bei diesem Ansatz werden Vorteile von Präsenzveranstaltungen und E-Learning kombiniert. Unterschiedliche Lernmethoden, digitale
Medien und lerntheoretische Orientierungen werden miteinander vereint.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 2.1: Vorteile des E-Learning [Vorteile]
Anbieter von computerunterstützten Lernumgebungen erhoffen, durch die Bereitstellung von Systemen zur Aus- und Weiterbildung Kosten einzusparen. Durch die
Digitalisierung lassen sich Lernmaterialien bzw. Lernkurse äußerst leicht aktualisieren,
schnell vervielfältigen und verwalten. Lernobjekte bzw. Lernmaterialien müssen nicht
aufwändig bereitgestellt und können jederzeit wieder verwendet werden. E-Learning
Systeme bieten eine sinnvolle, kostengünstige Alternative in der betrieblichen Fort- und
Weiterbildung eines Unternehmens. Es müssen keine Räume angemietet, Dozenten
und Präsentationsmaterialien wie Projektoren, Beamer etc. bereitgestellt werden. Bei
zunehmender Benutzerzahl des E-Learning Angebots ergibt sich eine Kosteneinsparung durch Skalierungseffekte.
Die Überwindung der Raum- bzw. Zeitschranke, sozialer, politischer und anderer
Barrieren führt zu mehreren Vorteilen für das Individuum, nach [Schulmeister06] zum
Beispiel zur Individualisierung des Lernens, zur Personalisierung des Lernmaterials, zu
größerem Spielraum für Minoritäten wie Behinderte oder ethnische Minoritäten. Diese
Überwindung von Barrieren kann nach [Schulmeister06] auch als eine Ausdehnung der
Lernchancen betrachtet werden. Eigene oder gemeinschaftliche Lernformen lassen
sich durch das Internet sowie durch neue Kommunikationsmethoden wie synchrone
und asynchrone Formen weltweit miteinander verbinden. Die Auswahl von unterschiedlichen Lernmodellen und Kommunikationsmethoden bieten dem Lernenden
einen Freiheitsgrad im Kontext des Lernens. Abgesehen von den Vorteilen, gibt es
auch Nachteile, auf die beim E-Learning eingegangen werden muss.
2.3
Problematik des E-Learnings
Beurteilt man die Qualität von E-Learning Angeboten, liegt häufig eine unterschiedliche
Interpretation des Begriffs Qualität vor. Unter Qualität werden verschiedene Gesichtspunkte verstanden: Technische Qualität, inhaltliche Qualität, didaktische Qualität,
Funktionalität, Wirkungen, Nutzen, etc. [Schenkel02u.a.]. Im Vordergrund der
Entwickler von E-Learning Systemen stehen vor allem technische Aspekte. Pädagogische Erkenntnisse werden durch die Dominanz von innovativen Multimediatechniken kaum berücksichtigt. Die Entwickler integrieren aufwändige multimediale Präsentationsformen, implementieren schwierige Nutzerschnittstellen und
komplexe 3D-Grafiken, sie wissen aber häufig nicht, ob sich diese kostspieligen und
aufwändigen Techniken auf den Lernprozess bzw. Lernerfolg positiv auswirken oder
sogar das Gegenteil bewirken können. So kann ein wirkungsloser Einsatz von Audio
und/oder Videosequenzen ein gut konzipiertes E-Learning Angebot insgesamt
verschlechtern. Die Technik und die Techniker bestimmen den Markt. Bei der VerSeite 7
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
mittlung der Lernmaterialien stehen öfter technische und keine didaktische Faktoren im
Vordergrund. Es arbeiten zu wenig Pädagogen in diesem Bereich. Die Präsentation
der Lernmaterialien müssen besser zwischen den beiden Parteien (Techniker und
Pädagogen) abgestimmt werden [Niegemann01].
E-Learning Programme werden heutzutage aufgrund des stets wachsenden Konkurrenzdrucks auf den Wirtschaftsmärkten übereilt auf den Markt gebracht, da eine
ausführliche Testphase in der Regel zuviel kosten würde. Die Unternehmen
bekommen immer mehr Probleme wegen der immer kürzer werdenden Produktionszyklen sowie steigenden Kosten, um qualitativ hochwertige, erfolgreiche und
gut durchdachte bzw. getestete Lernsoftware auf den Markt zu bringen. Ein
klassisches Problem der Lernsoftwareentwicklung ist die Vernachlässigung der
Analysephase. Oftmals haben E-Learning Projekte keinen Erfolg, weil das „falsche“
System gebaut bzw. entwickelt wird und zum Beispiel, falsch verstandene Anforderungen realisiert werden. Es werden viele qualitativ und didaktisch schlecht konzipierte Lernsysteme auf den Markt gebracht. Der Markt wird von Quantität und nicht
von der Qualität bestimmt. Deshalb sollte ein Lernprogramm ein gewisses Maß an
didaktischer Qualität aufweisen, um sich gegen Konkurrenzprodukte durchzusetzen.
Ein anderes Problem, das gegen den Einsatz eines E-Learning Systems spricht ist die
Möglichkeit der sozialen Vereinsamung des Lernenden. Es besteht die Gefahr, dass
die Lernenden sich sozial isolieren, da traditionelle Ausbildungsplätze wie Schule,
Universität wichtige Standorte sind, um soziale Kontakte zu knüpfen. Der Lernende
muss zuerst selbstständig lernen, mit unterschiedlichen Techniken sowie Nutzerschnittstellen und Präsentationsformen umzugehen. Er ist in den meisten Fällen auf
sich alleine gestellt. Bei Fragen, Anregungen und Problemen lassen sich die Ansprechpartner, wie Dozenten oder Ausbilder, persönlich kontaktieren. Man kennt bei einer
persönlichen Begegnung (Kontakt) die gegenüberliegende Partei, man weiß wie sie
grundsätzlich einzuschätzen ist. Diese Möglichkeit des persönlichen Kontaktes fällt in
den meisten Fällen für den Lernenden weg.
Die Drop-out-Quote (Abbrecherquote) ist eines der Hauptprobleme beim E-Learning.
Lernende beginnen einen Lernkurs und beenden ihn vorzeitig aufgrund von individuellen Gründen bzw. auftretenden Problemen. Auf diese Problematik wird genauer
im Kapitel 3.2 eingegangen.
Das National Center for Education Statistics (NCES) berichtet in ihrem Statistical
Analysis Report February 2002, dass in den USA [vgl. Schulmeister06] von etwa 16,5
Millionen Studierenden, ungefähr 3,3 Millionen Onlinekurse belegen. Dies würde einen
enormen Anteil ausmachen. Eine weitere Studie von NCES legt nahe, dass diese
Zahlen noch weiter steigen werden. Eine Studie vom U.S. General Accounting Office
(GAO 2004) zeigt eine Übersicht über 14 Hochschulen mit der Anzahl der Studenten
und dem Prozentsatz, zu dem diese Online studieren (s. Tabelle 2.1). Auch ein Bericht
eines ehemaligen Professors Hans Weiler (2005) der Standford University besagt,
dass der Online Studien Markt in den USA in den letzten Jahren sehr stark angestiegen ist. Diese Beobachtungen könnten auch auf den europäischen, insbesondere
deutschen Markt übertragen werden, da das deutsche Hochschulsystem immer mehr
an das amerikanische Hochschulsystem angeglichen wird [Schulmeister06]. Durch
Einführung von Studiengebühren sind viele Studierende gezwungen, diese
zusätzlichen Kosten selbst aufzubringen. Eine flexible Zeiteinteilung gewinnt immer
mehr an Bedeutung. Bachelor und Master Studiengänge werden flächendeckend
eingeführt, ebenso wird auf ein dreizehntes Schuljahr verzichtet. Die Studierenden
werden wahrscheinlich in Zukunft mit Bedingungen ähnlich denen der USA
konfrontiert, so dass eine Expansion der Online Hochschule unumgänglich wird.
Seite 8
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Tabelle 2.1: Hochschulen und Studierende (GAO 2004) [Schulmeister06]
Aus diesen Gründen sollten die Hochschullernplattformen didaktisch gut aufbereitet
sein. Das Gegenteil ist aber der Normalfall. Nach [Schulmeister01] sind Lernplattformen aus didaktischer Sicht und im Vergleich zu der Qualität in der traditionellen
Ausbildung ein historischer Rückschritt. Die meisten Lernplattformen besitzen ein
ähnliches Muster und zwingen den Lernenden einheitliche didaktische Anordnungen
einzuhalten. Es werden zu wenige Faktoren wie Kognition, Motivation, Emotion und
mentale Prozesse berücksichtigt, die im Lernprozess eine entscheidende Rolle spielen.
Im folgenden Kapitel wird auf die Motivation näher eingegangen und der Zusammenhang zu Emotionen und zum Verstehen erläutert. Nach [Schulmeister06] ist die
Motivation eine mächtige Variable im Lernprozess, die Verstehen fördern und auch
behindern kann.
Ein Hauptanliegen dieser Arbeit ist der Versuch, didaktische Richtlinien zur Erhaltung
und Steigerung der Motivation im Kontext der Interaktivität bei einem E-Learning
System zu entwickeln.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
3 Motivation
Arbeitgeber suchen in Stellenangeboten zunehmend kreative, motivierte, teamfähige
Mitarbeiter, unabhängig von der Qualifikation.
"Motivierte" Mitarbeiter suggerieren oftmals Verhaltensmerkmale wie Einsatz, Arbeitslust und Interesse beim Arbeitgeber.
Bei „unmotivierten“ Arbeitnehmern denkt man oft an solche, die ein abwesendes, träges und lethargisches Verhaltensmuster zeigen.
Steht die Einstellung eines Mitarbeiters bevor, werden oftmals die so genannten "Hard
Skills" und "Soft Skills" der Bewerber betrachtet.
"Hard Skills" können im Allgemeinen leicht erlernt werden. Es sind Fähigkeiten, die
man zur Ausübung eines Berufes braucht. Im Gegensatz dazu stehen die "Soft Skills",
sie sind meistens nicht leicht erlernbar. Dazu gehören Kreativität, Ehrgeiz, Fähigkeit zu
lehren, Motivation. Alle diese Merkmale besitzen die Funktion, die Persönlichkeit des
Individuums zu erweitern. Bei Bewerbungen für eine Stelle werden zunächst die "Hard
Skills" der Bewerber betrachtet, aber bei den meisten Kandidaten unterscheiden sich
die "Hard Skills" aufgrund der ähnlichen Ausbildung kaum voneinander.
So sind es meistens die "Soft Skills", die einen Arbeitgeber veranlassen einen
Bewerber auszuwählen [vgl. medhu].
Begriffe wie Motivation, Engagement, Einsatz gewinnen immer mehr an Bedeutung in
der heutigen Gesellschaft. Die Motivation ist in vielen Lebensbereichen ein unerlässliches Kriterium.
3.1
Was ist Motivation?
Denkt man im Alltagsleben an den Begriff „Motivation“, so wird dieses Wort häufig als
Erklärung für das Versagen in besonderen Situationen herangezogen. Wenn Schüler
nicht in die Schule gehen, unterstellen Lehrer den Schülern mangelnde Motivation.
Verliert eine Fußballmannschaft gegen eine vermeintlich schwächere Mannschaft, wird
ihr fehlende Motivation unterstellt. Das sind Beispiele für mangelnde Motivation.
Im Unterschied dazu steht das motivierte Handeln. Man denke an einen Schüler, der
von sich aus freiwillig einen Vortrag übernimmt und sich intensiv mit Eifer
beispielsweise durch Außerarbeitung von Power-Point Folien darauf vorbereitet.
Abstrakt gesehen scheint Motivation etwas zu sein von dem man mal mehr und mal
weniger hat. Die Motivation kann in ihrer Stärke variieren [Vollmeyer05].
Betrachtet man den Begriff der Motivation im psychologischen Sinn, so ist dieser
Begriff als neutral zu betrachten, der nicht zwangsläufig zu negativem oder positivem
Verhalten führen muss. Die Psychologie stellt das Bedürfnis zur Aktivität in den Vordergrund.
In der Motivationspsychologie versteht man unter Motivation eine gedankliche
Konstruktion, eine Hilfsgröße, die bestimmte menschliche Verhaltensweisen erklären
soll. Motivation lässt sich von außen nicht offensichtlich erkennen. Man kann
Motivation bei anderen Menschen nie als Zustand direkt wahrnehmen, sondern nur
über Anzeichen erschließen. In der Motivationspsychologie wird die Motivation aber
nicht als etwas Homogenes betrachtet, sondern in viele Komponenten aufgespaltet.
Abstrakt gesehen wird sie als etwas Heterogenes gesehen [Rheinberg06].
Wichtige Komponenten der Motivation findet man in der Definition von Rheinberg.
[Rheinberg06] beschreibt sie als "eine aktivierende Ausrichtung des momentanen
Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand". Durch diese Definition wird
auch eine aktivierende Ausrichtung, mit eingeschlossen. Negative Zielzustände werden
vermieden. Beispiele sollen diese Definition besser veranschaulichen. Möchte ein
Seite 11
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Schüler ein gutes Diplom erwerben (das entspricht einem positiv bewerteten Zielzustand), so ist er sehr motiviert, für die Diplomabschlussprüfungen zu lernen. Droht
einem Schüler die Gefährdung der Versetzung (das entspricht einem negativ
bewerteten Zielzustand), wird er alles Mögliche unternehmen, um diesen bedrohlichen
bewerteten Zielzustand zu vermeiden.
Nach der Definition von [Sternberg98] bewirkt Motivation auch die Konfrontation mit
den persönlichen kognitiven Prozessen, welche wiederum die Entfaltung von Lern- und
Denkfähigkeiten fördert.
Die Motivation ist nicht in jeder Lebenssituation gleich "groß". Sie hängt ab von den
Motiven der Personen und den situativen Bedingungen. Erst wenn beide Größen
günstig aufeinander treffen, resultiert hieraus eine motivierte Handlung, beispielsweise
wenn eine Leistungsmotivierte Person in eine wettkampfähnliche Situation kommt
[Vollmeyer05].
Motive werden nach [Edelmann00] als Sammelname für die so verschiedenen Begriffe
wie Trieb, Bedürfnis, Streben, Beweggrund, Neigung etc. verwendet. Motive sind eine
wichtige Komponente des Motivationsprozesses. Sie bilden die Persönlichkeitsbezogenen Motivationsmerkmale, die erhebliche individuelle Differenzen aufweisen können [vgl. Edelmann00, Rheinberg06].
Die am häufigsten genannten Motive in der Literatur sind das Leistungs-, das Machtund das Anschlussmotiv. In der Motivationspsychologie existieren Zwei Motiv-Tendenzen, nämlich die Aussicht, dass das Handeln gelingt, und die Besorgnis, dass es
misslingen könnte.
[Rheinberg06] beschreibt die jeweiligen Motive:
Die einzelnen Motive liegen in ihrer Hoffnungskomponente (aufsuchend) und in ihrer
Furchtkomponente (vermeidend) vor.
-
Unter Leistungsmotiv versteht man, das Bestreben sich mit einem
Gütemaßstab auseinander zu setzen.
So wurden Menschen, die ein starkes Leistungsmotiv besitzen, von Situationen,
in denen sie Rückmeldung über den Stand ihrer persönlichen Fähigkeit
erhalten, angezogen (z.B. Punkteangabe in der erreichten Online-Prüfung).
-
Unter Machtmotiv versteht man das Bedürfnis, das Erleben und Verhalten
anderer Personen zu beeinflussen.
So verteidigt ein Dozent seine Position gegenüber seinen Lernenden bzw.
Teilnehmern.
-
Unter Anschlussmotiv versteht man das Ziel, wechselseitige und positive
Beziehungen herzustellen.
Jeder Mensch strebt freundschaftliche vertrauensvolle Beziehungen zu anderen
Personen an, möchte verstehen und verstanden werden.
Ein Motiv schreibt aber noch lange nicht ein spezifisches Verhalten vor. Dafür sind sie
nach [Rheinberg06] zu global konzipiert.
Situationsmerkmale, die zu einem speziellen Motiv passen, werden als Anreize
definiert. Beispiel für einen solchen Anreiz ist der Tätigkeitsanreiz.
Das Zusammenspiel von Motiven und Anreizen als Prozess der Motivation, wird im
Punkt 3.3 näher erläutert.
Seite 12
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
3.2
Bedeutung der Motivation im E-Learning Bereich
Wie im Kapitel 2.3 „Problematik im E-Learning Bereich“ erläutert, werden viele ELearning Kurse vorzeitig abgebrochen. Abbrecher beenden nicht ihre Lernkurse, sie
nutzen einen anderen Kurs oder beenden vollständig ihre Aus- bzw. Fortbildung. Neil
Terry [zitiert in Schulmeister06] verglich Präsenzkurse mit Onlinekursen, dabei achtete
er darauf, dass Prozesse, Methoden und Lernmaterialen in beiden zu vergleichenden
Kursen in etwa übereinstimmten. Das Ergebnis seiner Untersuchung liefert eine
wesentlich höhere Abbrecherquote bei den Onlinekursen. [Astleitner00] beziffert in
Studien über Telelernkursen die Drop-out-Quote auf 30-50 Prozent. Die Drop-outQuote ist im Gegensatz zu einer traditionellen Ausbildung bzw. Lernkursen nahezu
doppelt so groß. Das frühzeitige Einstellen eines E-Learning Kurses ist ein Problem mit
dem sich fast jedes E-Learning System konfrontiert sieht.
Worin könnten die Gründe liegen einen E-Learning Kurs vorzeitig abzubrechen? Eine
Studie der James Madison University versuchte dieses Phänomen zu analysieren
[Wang03u.a.]. Die Studie (über einen Online-Fortbildungskurs) kam zu dem Ergebnis,
dass der Faktor der die Drop-out-Quote am meisten beeinflusste, die fehlende Motivation der Lernenden sei. 36 Prozent der Befragten nannten die fehlende Motivation
als Hauptmotiv für den Abbruch.
Abbildung 3.1: Drop-out Faktoren
Weitere Faktoren sind die mangelnde Lehrqualität (knapp 36%), Konflikte mit der
Arbeit bzw. Familie (etwa 33 %), fehlende Betreuung (etwa 9 %), usw. Technische
Faktoren (etwa 5 %) wie mangelnde PC-Kenntnisse oder eine fehlende Affinität zum
Medium Computer hatten kaum einen signifikanten Einfluss auf die Drop-out Rate.
Infolgedessen muss man, wenn von Drop-out Raten im E-Learning Bereich gesprochen wird, den Aspekt der Motivation berücksichtigen.
Ein E-Learning System, welches auf einer konstruktivistischen Lerntheorie basiert,
stellt verstärkt den Lernenden ins Zentrum des Lernprozesses und er ist sozial integriert [Holzinger00]. Im Gegensatz zum Behaviorismus steht die persönliche Entfaltung
des Individuums im Vordergrund. Hauptziel ist die Erlangung von Kompetenz. Im ESeite 13
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Learning kann und muss der Lernende selbst bestimmen, wann, wo und wie er lernen
möchte. Lernende müssen ihren Lernprozess selbst organisieren, durchführen und
überwachen. Dozenten oder Lehrer treten kaum mehr als Motivatoren auf. Der Lernende wird statt des Lehrenden in den Mittelpunkt des E-Learning Systems gestellt. Der
Lerner muss eine hohe Selbstlernverantwortlichkeit aufweisen, diese Funktion wurde in
einer traditionellen Ausbildung vom Ausbilder oder Dozenten gesteuert und überwacht. Diese Aufgabe wird jetzt im E-Learning auf den Lerner übertragen. Der Lernende muss sich selbständig in einer vorgegebenen Lernumgebung zurechtfinden. Die
Entscheidung über Lerntempo, Lernweg und Lernziel liegt beim Lernenden. Der
Lehrende verhält sich passiv im Hintergrund und ist nur noch Lernprozessbeobachter.
Möglicherweise haben viele Lernende Probleme mit der Konfrontation einer solchen
Lernsituation. Man muss sich selbst motivieren, selbst antreiben und sich selbst davor
schützen, anderen Motivationen während des Lernprozesses nachzugehen [Niegemann04u.a.].
Aus diesen Gründen muss man Aspekte der Motivation insbesondere in E-Learning
Systemen, die der konstruktivistischen Lerntheorie unterliegen, ein großes Interesse
widmen.
Auch nach einer Studie von [Mandl05u.a.] sollte verstärkt auf die didaktische Gestaltung geachtet werden und Aspekte der Motivation bei der Konzeption von ELearning Umgebungen berücksichtigt werden.
Dem Faktor Motivation kann ein beträchtlicher Anteil für einen lang anhaltenden Lernerfolg zugesprochen werden (s. Kapitel 3.5.2). Um den Einfluss der Motivation auf
Lernende in einem E-Learning Szenario zu verstehen, muss man sich zunächst klar
machen, welche Faktoren die Motivation fördern und auch welche Faktoren behindern.
Nur mit diesen Erkenntnissen kann man bestehende E-Learning Systeme modifizieren
oder innovative E-Learning Systeme entwickeln.
3.3
Prozess der Motivation
Stoffer [zitiert in Stangl] definiert die Motivation als Vorgang durch den einer Handlung
auf der Basis eines bestimmten Motivs der Antrieb gegeben wird. Der Unterschied
zwischen dem Begriff Motiv und dem Begriff Motivation besteht darin, dass bei
letzterem der Prozess dargestellt wird, der die Dynamik des Handelns bedingt
[Rheinberg06]. Den Prozess der Anregung eines Motivs bezeichnet [Rheinberg04] als
Motivierung.
Allerdings sind die Motive nicht immer aktiviert, sondern müssen erst einmal durch
Situationsmerkmale in der Umwelt stimuliert werden, bevor sie zu einer bestimmten
Handlung führen. Deshalb sind Motiv und Anreiz wechselseitig voneinander abhängig
[Vollmeyer05]. Die Abbildung 3.2 schematisiert diese Vorstellung. Folglich ist das
Zusammenspiel von Motiven und Anreizen verantwortlich für die Verhaltensweise
eines Menschen. Lassen sich in einer Situation Anreize finden, so erfolgt aus dem
Zusammenspiel von Motiv und Anreiz die aktuelle Motivation, die sich dann auf das
Verhalten ausübt.
Seite 14
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 3.2: Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie [Rheinberg06]
Menschen, die ein ausgeprägtes Leistungsmotiv besitzen, sind auf der Suche nach
bestimmten Situationen, in denen sie eine Verbesserung ihrer Fähigkeiten anstreben
können. Charakteristische Anreize für solche Leistungsmotivierte könnten Sport,
Bildung oder Forschen sein. Derartige Anreize von Leistungsmotivierten werden als
positiv bezeichnet, wenn diese Personen erkennen, dass sie durch Tätigkeit in einem
bestimmten Gebiet ihre Fähigkeiten verbessern können. Sollten sie die Möglichkeit
haben sich mit einem Gütemaßstab messen zu können, führt dies zur Motivation, den
Anreiz aufzusuchen [Rheinberg04].
[Schmalt00u.a.] definiert den Zusammenhang zwischen Motiv und Anreiz:
„Ein Motiv – als personseitige Verhaltensdeterminante –
kann nur in dem Ausmaß verhaltenswirksam werden,
wie es durch situative Anreize angeregt wird.
Andererseits kann auch ein Anreiz - als situationsseitige
Verhaltensdeterminante - nur in dem Ausmaß
verhaltenswirksam werden, wie er auf die entsprechende
Motivdisposition im Individuum trifft.
Dieses Aufeinandertreffen von Motiv und Anreiz
bezeichnet man als Motivanregung, aus dem einen Zustand
der Motivierung resultiert.“
[Schmalt00u.a.] präsentiert mit dieser Definition die Wechselbeziehung aller relevanten Komponenten, die bei der Motivation eine Rolle spielen.
3.4
Formen der Lernmotivation
Bezieht man den Begriff der Motivation auf den Lernprozess, so spricht man von
Lernmotivation. Generell bezeichnet die Lernmotivation die Bereitschaft einer Person,
sich aktiv, dauerhaft und wirkungsvoll mit bestimmten Themengebieten auseinander zu
setzen, um neues Wissen zu erwerben bzw. das eigene Fähigkeitsniveau zu
verbessern. Dementsprechend bezeichnet die Lernmotivation den Wunsch bzw. die
Absicht, bestimmte Inhalte oder Fähigkeiten zu erlernen. Ebenso steht die
Lernmotivation für eine Reihe von kognitiven und emotionalen Prozessen, die eine
Selbststeuerung des Lernverhaltens ermöglichen [Rheinberg06].
Seite 15
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Nach [Rheinberg04] wird ein Schüler oder Student ohne ein gewisses Maß an Lernmotivation etwas anderes tun als sich mit einem E-Learning Programm auseinanderzusetzen.
In Motivationslehrbüchern unterscheidet man zwischen einer intrinsischen und extrinsischen Lernmotivation. Diese Motivationsformen werden wiederum in weitere
Unterkategorien aufgeteilt (s. Abbildung 3.3).
[Schiefele94] beschreibt, dass unterschiedliche Motivationsformen unterschiedliche
Lernprozesse unterstützen, was sich dann in unterschiedlichen Lernergebnissen niederschlagen kann. Diese Metaanalyse von Schiefele ergab: Intrinsische Lernmotivation
korreliert positiv mit Leistungsergebnissen und mit einer tiefen Wissensverarbeitung
beim Lernenden (zur Rolle der intrinsischen Motivation s. Kapitel 3.5.3). Es ist sinnvoll,
nach [Schiefele94], innerhalb von Lernumgebungen, die intrinsische Lernmotivation zu
unterstützen.
Abbildung 3.3: Die unterschiedlichen Motivationsformen [MotiForms]
Im nachfolgenden sollen einige relevante Lernmotivationsformen erklärt werden. In ELearning Systemen spielen die Subkategorien (spirituell und biologisch) der Lernmotivation keine bedeutende Rolle.
3.4.1 Die Leistungsmotivation
[Steiner06] versteht unter dem Begriff der Leistungsmotivation den Wunsch oder den
Willen, etwas zu leisten, d.h. Erfolge zu erzielen und Misserfolge zu vermeiden, wobei
zur Wertung des Resultats der Lernhandlung ein individuell als gültig erachteter
Gütemaßstab herangezogen wird. Es handelt sich nur dann um ein Leistungsmotiviertes Verhalten, wenn es „auf die Selbstbewertung eigener Tüchtigkeit zielt, und zwar
in Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab, den es zu erreichen oder zu übertreffen gilt“ [vgl. Rheinberg04]. So verlieren Computerspiele ihre Attraktivität, wenn der
Spieler nicht mehr unterrichtet wird, wie viele Punkte er erreicht hat.
Die Leistungsmotivation gilt nach [Heckhausen06] als die mit Abstand am besten
erforschte Motivation. Sie wird nach [Vollmeyer05] der extrinsischen Lernmotivation
zugeordnet.
Nach dem Risiko-Wahl-Modell von Atkinson spielt die Wahl der Aufgabenschwierigkeit
beim Leistungshandeln eine zentrale Rolle. Bei subjektiv mittelschweren Aufgaben
bzw. Anforderungen sollte [vgl. Vollmeyer05, Heckhausen06] der Anreiz für das
Leistungsmotiv am höchsten sein, denn bei solchen Aufgaben lässt sich die eigene
Fähigkeit am besten erkennen und fördern. Die Emotionen Freude und Stolz über die
eigene Leistung kommen auch zum Tragen. Eine extrem schwierige Aufgabe hätte
zwar einen hohen Anreiz, bliebe aber unattraktiv und würde auch keine LeistungsmotiSeite 16
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
vation auslösen, weil die Erfolgswahrscheinlichkeit, sie zu lösen, gegen Null konvergiert. Umgekehrt könnte eine extrem leichte Aufgabe mit einer sehr hohen Erfolgswahrscheinlichkeit gelöst werden, der Erfolgsanreiz würde aber gegen Null gehen.
Als weitere Anregung für die Leistungsmotivation wirken Rückmeldungen über die
eigene Leistung [McClelland85]. Durch Rückmeldungen lassen sich Forschritte in der
eigenen Fähigkeit erkennen.
3.4.2 Flow
Der Begriff „Flow-Erleben“ meint den Zustand des gänzlichen Aufgehens in einer glatt
laufenden Tätigkeit. Personen handeln, ohne auch nur eine irgendwie geartete Belohnung dafür zu erhalten. Offensichtlich muss etwas in der Aktion selbst für die Person befriedigend sein [Csikszentmihalyi93a]. Die Abwesenheit üblicher Belohnungen
bedeutet aber nicht, dass sich die entsprechende Tätigkeit sich nicht lohnt. Offensichtlich sind diese Personen für die betreffenden Tätigkeiten motiviert, weil sie irgendeine Befriedigung damit verbinden und diese Befriedigung selbst ist der Lohn
[Csikszentmihalyi00].
Ein Schüler, der gänzlich in einem Online Text vertieft ist, gibt an, neben ihm könne
das Dach einstürzen, ohne das er es merken würde. Man fühlt sich optimal beansprucht und hat trotz der Anstrengung den sicheren Eindruck, das Geschehen noch
unter Kontrolle zu haben.
Man spricht dabei vom „Flow-Erleben“, diese Form der intrinsischen Lernmotivation tritt
nach Csikszentmihalyi und Schiefele auf, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt werden [Csikszentmihalyi93bu.a.]:
-
der Handlungsablauf wird als glatt erlebt;
-
Angemessene Anforderungen, d. h. die Person soll sich weder unter- noch
überfordert fühlen;
-
Handlungsanforderungen
interpretationsfrei erlebt;
-
Interesse an der Tätigkeit;
-
eindeutige Handlungsstruktur;
und
Rückmeldungen
werden
als
klar
und
3.4.3 Interesse
Unter Interesse versteht [Krapp99] die Beziehung einer Person zu einem Gegenstand,
die als emotional positiv und selbstbestimmt erlebt wird. Eine auf Interesse beruhende
Lernmotivation wirkt als sehr förderlich für den Lernprozess und hat überdies positive
Auswirkungen auf die Qualität des Lernergebnisses.
[Wild00u.a.] stellten heraus, dass hochinteressierte Lerner ausdauernder bei der Sache sind, sie strengen sich mehr an und beschäftigen sich intensiver mit den Aufgaben.
Ein an einer Lernaufgabe interessierter Student geht der Sache auf den Grund, er
möchte Zusammenhänge zwischen den Lerninhalten verstehen, um das Problem zu
lösen.
Interesse und intrinsische Motivation sind in theoretischer und praktischer Hinsicht sehr
eng miteinander verbunden [vgl. Krapp99, Vollmeyer05]. [Krapp99] behauptet, dass im
Prinzip dasselbe Phänomen beschrieben wird, nämlich eine aus innerer Neigung
resultierende Lernmotivation, die durch einen in der Person verankerten inneren
Antrieb zustande kommt. Nach [Wild00u.a.] hat das Interesse eine momentane oder
dauerhafte subjektive Bedeutung und ist somit Bestandteil des Selbstkonzepts.
Seite 17
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
3.4.4 Intrinsisch und extrinsisch
[Deci&Ryan85] verstehen unter dem Begriff der intrinsischen Lernmotivation den
Wunsch oder das Wollen, eine bestimmte Lernhandlung durchzuführen, weil die
Ausführung selbst als spannend, interessant oder anziehend wahrgenommen wird. Die
Gründe für das Vollziehen einer Handlung liegen bei dieser Form der Lernmotivation in
der Handlung selbst, d.h. sie wird um ihrer selbst willen ausgeführt und nicht weil ihr
bestimmte Belohnungen folgen. Sie fungiert sozusagen als ihre eigene Belohnung.
Im Gegensatz zur intrinsischen Motivation wird die extrinsische Motivation als Wunsch
oder Wollen definiert, eine Lernhandlung durchzuführen, um damit positive Konsequenzen herbeizuführen oder negative Konsequenzen zu vermeiden.
Die intrinsische Lernmotivation umfasst Faktoren wie Neugier, Interesse und
Spontaneität an den unmittelbaren Gegebenheiten. Bei der Lernhandlung folgt die
Lernbereitschaft von der positiven Erlebnisqualität her, die direkt mit dem Handlungsvollzug verbunden wird. Extrinsische Motivation wird dagegen in Verhaltensweisen sichtbar, die auf einer instrumentellen Absicht basieren, weil sie nicht wegen der
unmittelbaren Anreize als solcher, sondern wegen der Konsequenzen angestrebt werden [vgl. Krapp02].
Diese Extrinsische Motivationsform tritt in der Regel nicht spontan auf, sie wird
meistens durch Anweisungen in Bewegung gesetzt, deren Befolgung oft eine positive
Belohnung nach sich zieht. Vereinfacht wird intrinsische Motivation nach [Deci&
Ryan93] als konsummatorisch und extrinsische Motivation als instrumentell aufgefasst. Das Prinzip bzw. die Anwendung der extrinsischen Motivation steht im Vordergrund von behavioristischen Lehrtheorien.
Forscht ein Schüler zu Informationen über einen in der Schule besprochenen Roman
bzw. Schriftsteller, so liegt eine intrinsische Lernmotivation vor, wenn ihm der besprochene Roman Freude macht oder er sich für den Schriftsteller sehr interessiert.
Die Freude und das Interesse an der Sache und das Ziel vor Augen die eigene
Kompetenz in diesem Gebiet zu erhöhen, lässt die Tätigkeit mit hohem Nachdruck und
Selbststeuerung durchführen. Man wird der Aufforderung nachkommen, auch Rückschläge leichter überwinden und bei der Tätigkeit sogar Freude empfinden. Es liegt
eine extrinsische Motivation vor, wenn er sich mit dem Nachforschen nur beschäftigt,
weil er bei einer guten Note eine Belohnung durch die Eltern versprochen bekommen
hat. Es liegt der typische Fall eines extrinsich motivierten Lernenden vor, wenn das
Lernen maßgeblich erfolgt, um eigenen oder fremden Leistungsansprüchen zu
genügen und negative Bewertungen zu vermeiden. Die Wahl dieser Aktion ist motiviert
von der Anreizsituation, sie wird bei Zweckerfüllung beendet und bei neuem extrinsischen Anreiz wieder aufgegriffen
Bei der intrinsischen Motivation wird eine Motivationsform in den Vordergrund gestellt,
die als sehr positiv und erstrebenswert gesehen wird (s. Kapitel 3.5.2) [vgl.
Vollmeyer05]. Nach [Rheinberg04] ist zu bedenken, dass intrinsische und extrinsische
Motivationsformen auch synchron vorhanden sein können und auch im Kontext des
Lernens zusammen erwartet werden. Lernende können gleichzeitig mehrere Ziele
verfolgen. Aus der empirischen Studie von [Lepper&Henderlong00] lässt sich entnehmen, dass bestimmte Formen der extrinsischen Lernmotivation wie die Leistungsmotivation mit intrinsischer Lernmotivation korrelieren. Bei herausfordernden Situationen wie bei einer mittelschweren Aufgabe wird das Leistungsmotiv angeregt. Es
ist nach [Vollmeyer05] anzunehmen, dass in solchen Situationen bei leistungsmotivierten Personen ein ausgeprägtes „Flow-Erleben“ stattfindet.
Das Streben nach verschiedenen Zielen ist besonders charakteristisch für leistungsfähige Lernende.
Seite 18
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
3.4.5 Eingangs- und Verlaufsmotivation
Betrachtet man Aspekte zur Förderung der Lernmotivation können auch Prinzipien des
traditionellen Lehrer-Schüler Unterrichts herangezogen werden. Bei Motivationsverlusten des Schülers im Frontalunterricht wird der Lernende unkonzentriert, folgt nicht
mehr dem Lerngeschehen oder schaltet komplett ab. Im Unterschied dazu besteht bei
der Auseinandersetzung eines Lernenden mit einem E-Learning System die Möglichkeit den Kurs vorzeitig abzubrechen und einer anderen Tätigkeit nachzugehen. Es
könnten auch Aspekte der Eingangsmotivierung bzw. Verlaufsmotivierung zur Förderung der Lernmotivation auf den E-Learning Bereich übertragen werden.
Die Eingangsmotivation soll den Schüler und sein Vorwissen aktivieren, indem ein
interessanter Einstieg geboten wird, der entweder an vorhandenen Interessen anknüpft oder Neugier auf das neue Sachthema weckt [Serve92]. Gewisse Parallelen zur
Attentionphase von John M. Kellers ARCS-Modell (s. Kapitel 3.6.2) lassen sich erkennen. In der Attentionphase soll durch das Lernangebot die Aufmerksamkeit bzw.
die Neugier des Lernenden aktiviert werden, da ohne einen gewissen Anreiz die Motivation, sich mit dem E-Learning System auseinanderzusetzen, schwinden würde.
Empfehlungen nach [Serve92] eine Eingangsmotivation zu erlangen:
-
wähle soweit wie möglich, lebens- bzw. erfahrungsnahe Themen
-
biete sachbezogene Überraschungsmomente an
-
motiviere soweit möglich intrinsisch
-
wecke keine überhöhten Erwartungen, die später nicht erfüllt werden
-
nütze die Freude am Tun
-
berücksichtige spontane Interessen
Die Eingangsmotivierung soll nach [Serve92] das Interesse, die Aufmerksamkeit und
das Vorwissen der Lernenden anregen und sie für die Konfrontation mit dem neuen
Thema bereit machen.
Im Verlauf der Lerneinheit könnte die Motivation nachlassen und es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die so genannte Verlaufsmotivation aufrechtzuerhalten
bzw. zu verstärken.
Die Verlaufmotivation kann nach [Serve92] durch folgende Maßnahmen aufrechterhalten werden:
-
Erfolgsbilanz
-
klare Strukturierung
-
Verdeutlichung von Teilerfolgen
-
Sicherung von Teilergebnissen
-
gründliche und soweit möglich vernetzte Bearbeitung des Themas
-
Rückschau auf den geschafften Weg
Seite 19
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Auch hier wird man gewisse Parallelen zum ARCS-Modell von Keller feststellen. Im
Kapitel 3.6.2 wird das ARCS-Modell näher erläutert.
3.5
Überblick über Motivationsmodelle
Motivierende Vorgänge sind aktivierende Prozesse. Sie erscheinen in außerordentlichen Ausprägungen. Bei dieser Verschiedenartigkeit kann es nicht überraschen,
dass es nicht nur eine alles umfassende Motivationstheorie gibt, sondern eine ganze
Reihe von Motivationsmodellen. Die Motivationspsychologie unterscheidet eine Vielzahl grundlegender Modelle, die Motivation zu erklären versuchen.
Nach [Edelmann00] werden folgende wesentlichen Modellvorstellungen von Motivation unterschieden: Triebtheoretische Auffassung, Neugiermotivation, anreiztheoretische Auffassung, entscheidungs- und austauschtheoretische Konzepte.
Die ältesten Theorien sind die Triebtheorien. Ihnen wird heute weniger Bedeutung
beigemessen als zur Zeit ihrer Entstehung. Die triebtheoretischen Konzepte begründen die Motivation durch personeninterne Größen. Tätigkeiten bzw. Handlungen sind
auf Ungleichgewichte, entweder in Form eines Mangelzustandes oder eines Energieüberschusses zurückzuführen.
Bei der Neugiermotivation werden Aktivitäten von Menschen auf das Bedürfnis, die
Umwelt zu entdecken, zurückgeführt. Ist eine relevante Situation für eine Person völlig
neuartig, dann wird der Organismus relativ stark aktiviert. Die entsprechende Neuheit,
Komplexität und Unbestimmtheit von Objekten führen zum Anreiz, diese zu erforschen.
Unbekannte oder unerwartete Ereignisse bzw. Elemente können beim Lernenden
Aufmerksamkeit, Explorationsverhalten oder Beachtung hervorrufen. Die Neugier wird
der intrinsischen Motivation zugesprochen. Sie bewirkt, dass die erlebten Widersprüche aufgelöst, Informationen erkundet und/oder Unsicherheiten beseitigt, werden.
Die anreiztheoretischen Auffassungen erklären das Auftreten von Motivation als ein
Zusammenspiel aller Kräfte in einer konkreten Situation. Die anreiztheoretischen
Konzepte drücken aus, dass das Motiv durch den Aufforderungscharakter (emotionale
Valenz) stimuliert wird und dadurch motiviert wird.
Entscheidungs- und austauschtheoretische Konzepte stellen den Vergleich zwischen
Nutzen und Kosten sowie die subjektive Wahrscheinlichkeit, mit der das Eintreten
eines Ereignisses vermutet wird, heraus. Die Person schätzt ab, welches Ergebnis den
meisten Nutzen hat und bei welchem Resultat die wenigsten Kosten entstehen. Der
entstehende Konflikt wird durch die Entscheidung beendet.
3.5.1 Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan
Vor einigen Jahren ging man von der Annahme aus, allein die Verwendung neuer
Technologien sei motivierend genug für den Lernenden und zusätzliche Motivationsstrategien seien nicht erforderlich. In vielen Fällen wird Motivation implizit als eine
Voraussetzung angesehen, die in irgendeiner Weise vor dem Einsatz eines E-Learning
System geschaffen wird [Blumstengel98]. Diese These ist mit der Vorstellung der
Neugiermotivation zwar erklärbar, kann jedoch kaum als dauerhaft angesehen werden
[Holzinger02]. Innovative Medien werden zunächst immer als Erfolg versprechend
eingestuft, da es wegen des Neuigkeitsgrads als interessant empfunden wird. Dieser
Hawthrone-Effekt nimmt allerdings mit der Zeit ab [vgl. Holzinger00, Gröhbiel02].
Deswegen muss der Lerner beim selbstgesteuerten Lernen mit neuen Medien ständig
neu motiviert werden.
Seite 20
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Die Selbstbestimmungstheorie (englisch: Self Determination Theory, SDT) nach Deci
und Ryan ist eine Motivationsannahme vom Menschen, mit der die Funktionsweise des
Selbst und dessen Entfaltung in einer sozialen Umgebung dargestellt wird [Deci&
Ryan00]. Im Fokus der Theorie steht das Prinzip des Selbst. [Deci&Ryan00]
versuchten die bisherigen Befunde zur intrinsischen Motivation in eine ausführliche
Theorie der Motivation zu integrieren. Die Selbstbestimmungstheorie ist eine Theorie
zur Motivation und hat sich aus vier unterschiedlichen Subtheorien zusammengesetzt
[vgl. Rheinberg06].
Die „Theorie der kognitiven Evaluation“ beschreibt den Einfluss der sozialen Umgebung auf die intrinsische Motivation.
Im Focus der „Theorie der organismischen Integration“ stehen verschiedene Formen
der extrinsischen Motivation.
Die „Theorie der Kausalitätsorientierungen“ beschreibt individuelle, verschiedene Eigenschaften der Menschen, selbstbestimmt zu handeln.
Die „Theorie der Grundbedürfnisse“ bezieht sich auf das Gebiet der Gesundheitspsychologie. Und befasst sich mit dem Prinzip der Befriedigung der Grundbedürfnisse und den Zusammenhang zum Wohlbefinden.
In ihrer Gesamtheit formen diese vier Theorien die Selbstbestimmungstheorie der
Motivation nach [Deci&Ryan00].
Nach [Deci&Ryan93] repräsentieren intrinsisch motivierte Verhaltensweisen den Prototyp des selbstbestimmten Handelns. Der Mensch fühlt sich unabhängig in der Entscheidung und Verwirklichung seines Handelns.
Entscheidend ist die Annahme, dass intrinsische Motivation auf drei grundlegende,
psychologische Bedürfnisse zurückgeführt wird:
-
Bedürfnis nach Kompetenz oder Wirksamkeit
-
Autonomie oder Selbstbestimmung
-
soziale Eingebundenheit oder soziale Zugehörigkeit
Diese Grundbedürfnisse sind ähnlich wie physiologische Notwendigkeiten (Wasser,
Nahrung, etc.) angeboren und es existiert die Tendenz, diese Bedürfnisse zu befriedigen, um das Ziel der persönlichen Entwicklung und das Wohlbefinden des Individuums zu erreichen.
Deci und Ryan greifen auf die Theorien von Dechamps (1968) bzgl. des Autonomiebedürfnisses sowie die Theorie von White (1959) bzgl. des Kompetenzbedürfnisses
zurück und beschreiben intrinsische Motivation als eine besondere Form der Motivation
[vgl. Deci&Ryan93]. Bei der sozialen Eingebundenheit, gehen Deci und Ryan vom
Prinzip aus, dass der Mensch die angeborene motivierende Absicht hat, sich mit
anderen Personen verbunden zu fühlen und in seinem Umfeld effektiv zu wirken [vgl.
Deci&Ryan93]. Die Funktion der sozialen Zugehörigkeit besteht darin, dass Auftreten
von intrinsischen Verhaltensweisen soweit wie möglich zu fördern, dass sie die Bedürfnisse nach Kompetenz und Autonomie unterstützen.
Des Weiteren hängen diese drei Bedürfnisse eng miteinander zusammen und
bewirken die gemeinsame Grundlage für das Auftreten intrinsisch motivierten
Handelns. Intrinsische Motivation belebt eine große Zahl von Handlungen und
psychologischen Prozessen, deren größte Anerkennung darin besteht, dass die PerSeite 21
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
son sich selbst als autonom und kompetent empfindet. Mit anderen Worten, eine
Person kann nicht intrinsische Motivation empfinden, wenn das Erleben von
Selbstbestimmung und Kompetenz fehlt [vgl. Vollmeyer05]. Folglich sind intrinsisch
motivierte Handlungen in erster Linie nach [Deci&Ryan85] mit den Bedürfnissen nach
Kompetenz und Autonomie verbunden.
Diese Bedürfnisse sind nach [Vollmeyer05, Deci&Ryan85] zwar notwendige, aber
keine hinreichenden Bedingungen der intrinsischen Motivation. Sie können bei einer
Person auch eine extrinsische motivierte Verhaltensweise auslösen.
So kann sich eine Person, die absolut bewusst, ohne jeglichen Druck durch seine
Eltern und aus Überzeugung für ein Studienfach entscheiden, weil es gegebenenfalls
zu einem verhältnismäßig hohen Einkommen führt (dies ist mit extrinsischer Motivation
gleichzusetzen), durchaus im Einklang mit seinen Bedürfnissen nach Selbstbestimmung und Autonomie befinden.
Es können auch extrinsisch motivierte Handlungen einer Person in hohem Maße als
selbstbestimmt wahrgenommen werden.
[Deci&Ryan00] differenzieren zwischen einer rein intrinsischen Motivationsform und
vier Arten der extrinsischen Motivation, die sich in ihrem Ausmaß an Selbstbestimmung
sehr stark unterscheiden (s. Abbildung 3.4). Die höchste Form der Selbstbestimmung
bildet natürlich die intrinsische Motivationsform. Extrinsische Motivationsformen können
in ihrem Selbstbestimmungsgrad variieren.
Abbildung 3.4: Varianten der selbstbestimmten Motivation [Kramer02]
Amotivation beschreibt den Zustand der Abwesenheit von Motivation. Ein bestimmtes
Verhalten, wird ohne Absicht ausgeführt. Lässt sich eine Person durch eine bestimmte
Situation treiben, so spricht man von Amotivation [vgl. Deci&Ryan00].
3.5.2 Der Einfluss selbstbestimmter Motivation auf das Lernen
Eine hohe Motivation beeinflusst Lernverhalten und Lernergebnisse. Das ist sicher eine
pädagogische Binsenweisheit. Man trifft sie auch in Alltagspsychologischen Vorstellungen wieder: "Ohne Fleiß, kein Preis!" [Wild06u.a.].
Den Effekt einer selbstbestimmten Motivation auf das Lernen untersuchten [Ryan90
u.a.] in einer Untersuchung. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es zwischen dem
Interesse und Freude bei der Bearbeitung der Aufgabe sowie dem tatsächlich erreichSeite 22
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
ten Lernerfolg positive Wechselbeziehungen ergab. Dieses Ergebnis von [Ryan90u.a.]
legt den Schluss nahe, dass die intrinsische Lernmotivation eine wichtige Bedingungsvariable des Lernens darstellt.
Auch weitere Studien von [Ryan91u.a.] fanden positive Wechselbeziehungen zwischen
einer auf Selbstbestimmung basierenden Motivation der Schüler und dem Lernerfolg.
[Deci&Ryan93] gehen davon aus, dass hochqualifiziertes Lernen nur durch ein vom
Individuum selbst ausgehendes Engagement bewirkt werden kann. Effektives Lernen
ist auf eine intrinsische Motivation angewiesen. Die gleichen Faktoren, die die Steigerung von intrinsischen Motivation und integrierter extrinsischer Motivation beeinflussen, sollten auch einen Einfluss haben auf das hochqualifizierende Lernen.
Dementsprechend kann Lernmotivation sowohl durch externe Mechanismen als auch
durch selbstbestimmte Formen des Handelns erzeugt werden. Mit einem sehr hochwertigen Lernergebnis kann man rechnen, wenn die Motivation auf eine selbstbestimmte Form zurück zu führen ist. Die intrinsische Motivation beinhaltet den
höchsten Grad der Selbstbestimmung.
Auch Schiefele [zitiert in elearn1] kommt zu dem Schluss, dass „bei einem
identifizierten, intrinsisch motivierten und interessierten Lernen Wissen tiefer verarbeitet wird und besser verstanden wird“.
Motivation hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen sehr hohen Stellenwert beim Lernen.
Ihr Fehlen kann als ein Grund für fehlende Lernleistung oder Abbruch eines Kurses
betrachtet (s. Kapitel 3.2) werden.
Umgebungen, in denen bedeutende Bezugspersonen beteiligt sind, Möglichkeiten
existieren, den Erwerb von individuellen Kompetenzen zu erwerben und Autonomiebestrebungen des Lernenden unterstützt werden, fördern die Entwicklung einer auf
Selbstbestimmung beruhenden Motivation. Im Gegenzug bewirkt diese Motivation des
Selbst eine höhere Lernqualität und fördert die Entwicklung des Lernprozesses [vgl.
Deci&Ryan93].
3.5.3 Intrinsisch vs. extrinsisch
Die Selbstbestimmungstheorie liefert neben der Einteilung in intrinsische und extrinsische Motivation auch Prognosen für die Bedeutung dieser unterschiedlichen
Motivationsformen in Lernsituationen. Aus der Abbildung 3.4 lässt sich entnehmen,
dass Lernende am meisten von einem intrinsischen oder soweit wie möglich selbstbestimmtem extrinsisch motiviertem Lernverhalten profitieren.
Die Integrierte Regulation nach [Deci&Ryan93] ist die Form der extrinsischen Motivation mit dem höchsten Grad an Selbstbestimmung. Sie ist das Resultat der Integration von Zielen, Normen und Verhaltensstrategien, mit denen sich das Individuum
identifiziert.
Die intrinsische Lernmotivation hat dennoch einen stärkeren Effekt auf den Lernerfolg
als die extrinsische Motivation [Miserandino96]. [Lewalter05] bescheinigt intrinsisch
motivierten Lernenden eine intensivere Auseinandersetzung mit den Lerninhalten, so
können diese stärkere Verknüpfungen zwischen ihrem Vorwissen und der neu zu
lernenden Information herstellen und konstruieren demzufolge Wissensstrukturen, die
sie längerfristig behalten und verwenden können. Daher stellt eine selbstbestimmte
Motivation eine wesentlich bessere Bedingung für das Erreichen von anspruchsvollen
Lernzielen dar als eine rein extrinsische Motivation. Es ist nach [Wild06u.a.] zu
erwarten, dass der intrinsisch motivierte Lernende sich mit dem Lerngegenstand ohne
äußeren Druck, häufiger und ausdauernder auseinander setzt als bei ausschließlich
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
extrinsischer Motivation. Diese Form der Motivation wird manchmal fasst als Bestechung und Manipulation betrachtet, die nur eine kurzfristige Verhaltensanpassung
bewirkt. [Blumstengel98] postuliert, dass intrinsisch motivierte Studenten mit einem
höheren Grad an Selbststeuerung umgehen können als extrinsisch motivierte. Letztere
haben einen größeren Bedarf nach didaktischer Führung, die auf die von außen
vorgegebenen Lernziele zugeschnitten ist. Lernen ohne Aufsicht kann bei stark extrinsischer Motivation dazu führen, dass überhaupt nicht mit dem Lernsystem gearbeitet wird [vgl. Holzinger00].
In einer Reihe empirischer Studien konnte nachgewiesen werden, dass die intrinsische
Motivation abnimmt, wenn Belohnungen angekündigt werden [Deci71]. Nachdem man
Versuchspersonen belohnt hatte, äußerten sie beim nächsten Mal weniger Interesse,
dieselbe Tätigkeit ohne Belohnung erneut aufzunehmen. Eine Verstärkung kann in
bestimmten Situationen, wenn z.B. eine Aufgabe als solche interessant empfunden
und intrinsische Motivation zu ihrer Ausführung anregt, lernbehindernd, also kontraproduktiv sein. [Deci71] vertrat die Auffassung, dass die Einführung extrinsischer
Motivatoren in den Verhaltensablauf einer intrinsischen motivierten Beschäftigung das
Gefühl der Selbstbestimmung vermindert, was zu einer Reduzierung intrinsischer
Motivation führe. Das Ergebnis dieser empirischen Studien hat viele Wissenschaftler
veranlasst, intrinsische und extrinsische Motivation als Gegensatz anzusehen. Es wurde angenommen, dass die Kombination aus beiden Motivationsarten negative Folgen
für die intrinsische Motivation hat und eine selbstbestimmte Motivation durch die
fremdbestimmten Belohnungen geschwächt wird [Deci99u.a.]. Man spricht vom so
genannten Korrumpierungseffekt oder Überveranlassungseffekt [Heckhausen06].
Die angesprochenen Interferenzen aufgrund der zusätzlichen extrinsischen Belohnungen waren in der Folge Forschungsgegenstand einiger Untersuchungen. Erst
spätere Untersuchungen von Cameron [zitiert in Deci99] zeigten, dass unter speziellen
Bedingungen extrinsische Belohnungen die intrinsische Motivation eher aufrechterhalten als schwächen. Diese und weitere Befunde führten zu Zweifeln an der
Richtigkeit des Korrumpierungseffekts. Die Motivationstypen wurden nicht mehr als
Gegensätze dargestellt und es verstärkte sich die Meinung, dass auch extrinsisch motiviertes Handeln selbstbestimmt sein kann. So überarbeiteten und ergänzten Deci und
Ryan diese Erkenntnisse auch in ihren eigenen Theorien.
Zieht man die letzte und umfangreichste Metaanalyse von [Cameron01u.a.] heran, so
tritt der Korrumpierungseffekt lediglich dann auf, wenn
1. die Tätigkeit interessant ist
2. materielle Belohnungen (statt Lob) verabreicht werden und
3. wenn diese Belohnungen erwartet werden.
Belohnungen können die intrinsische Motivation unterdrücken, wenn die Verminderung
der Selbstbestimmung stärker ist als die Erfahrung von Kompetenz. Das Empfinden
einer verminderten Selbstbestimmung ist dann am größten, wenn die Belohnungen
erwartet werden und wenn sie materieller Natur sind.
Also insbesondere, wenn Belohnungen unerwartet kommen oder in Form von verbaler
Anerkennung wie Lob ausgedrückt werden und wenn die zu erledigenden Arbeiten
nicht schon hoch attraktiv sind, wurden statt negativer Effekte von Belohnungen eher
positive Motivationsauswirkungen von Belohnungen festgestellt.
Seite 24
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Man kann einen Korrumpierungseffekt von extrinsischen Belohnungen zeigen, allerdings nur unter ganz speziellen Bedienungen. Somit kann durch den Einsatz einer
durchdachten extrinsischen Motivation die Lernmotivation auch verstärkt werden.
3.5.4 Prenzels Ansatz zur Stärkung der Lernmotivation
Lernumgebungen, die auf Förderung einer selbstbestimmten Motivation ausgerichtet
sind, sollten somit sicherstellen, dass sich Lernende autonom, kompetent und sozial
eingebunden fühlen. Lernaktivitäten, die dieser Absicht folgen und mit dem Selbst in
Kongruenz stehen, werden als selbstbestimmt motiviert definiert. „Bedeutende Entscheidungen selbst treffen können“ oder „eine Auswahlmöglichkeit bzw. Alternative zu
haben“ fördert das Erleben von Autonomie. Ebenso bietet die „Anerkennung der
eigenen erbrachten Leistung“ die Befriedigung sich kompetent zu fühlen. Aber diese
Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan ist nach [Prenzel93] noch ergänzungsbedürftig. Die Bedeutung der persönlichen Wertschätzung von Lerninhalten wird nicht
berücksichtigt. Die Theorie müsste vervollständigt werden um weitere Bedingungen,
die intrinsische Motivation bewirken und unterstützen können.
Aufbauend auf dieser Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (s. Kapitel 3.5.1),
wonach zentrale Voraussetzung für die Entwicklung einer selbstbestimmten Motivation
die Erfüllung dreier Grundbedürfnisse ist, entwickelten Prenzel und Mitarbeiter auf
Grundlage unterschiedlicher Analysen mit jungen Erwachsenen ein erweitertes Modell
von Voraussetzungen, die selbstbestimmt motiviertes und interessiertes Lernen wahrscheinlich machen [Kandler02, Kandler04]. Die Förderung der Lernmotivation ist darauf
ausgerichtet, ausdauernde motivierende Tendenzen wahrscheinlich zu machen [vgl.
Kramer02].
Die Abbildung 3.5 zeigt diese folgenden sechs Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lernmotivation nach [Prenzel98u.a.].
Abbildung 3.5: Bedingungen für ein motiviertes Lernen [Prenzel00u.a.]
Die drei Bedingungen aus der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit) werden als die notwendigen
Bedingungen angesehen und nicht in Frage gestellt. Die übrigen drei Bedingungen
Inhaltliche Relevanz, Interesse der Lehrperson und Instruktionsqualität bilden
zusätzliche Bedingungen, die für die Entfaltung von selbstbestimmt motiviertem und
interessiertem Lernen als wichtig angesehen werden [vgl. Kramer02].
[Prenzel98u.a.] definieren sechs Voraussetzungen, die als motivationsunterstützend für
den Lernenden gelten können (s. Abbildung 3.5). Im nachfolgenden werden diese
Bedingungen näher erläutert:
Seite 25
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
•
wahrgenommene inhaltliche Relevanz:
Die von den Lernenden wahrgenommene inhaltliche Relevanz bezieht auf die
persönliche Bedeutung der Lerninhalte. Manche Lerninhalte, Wissensgebiete
oder Tätigkeiten sind für den Lernenden besonders wichtig, werden positiv erlebt und hoch bemessen. Diese empfundene Bedeutsamkeit von Lerninhalten
kann durch Realitätsnähe, verschiedene Präsentationsformen oder das Aufzeigen von Zusammenhängen bzw. Sinn der Aufgaben, gesteigert werden.
•
wahrgenommene soziale Einbindung:
Soziale Einbindung bedeutet das Empfinden sozialer Zugehörigkeit wie
Integration der Lernenden in Lernergruppen, kooperatives Arbeiten, kollegialer
Umgang oder Akzeptanz.
•
wahrgenommene Autonomieunterstützung:
Unterstützung der Autonomie des Lernenden bedeutet, dass die Lernenden
sinnvolle Wahlmöglichkeiten besitzen und das selbstständige Lernen, Planen
und Handeln ermöglicht wird.
•
Kompetenzunterstützung:
Kompetenzunterstützung zielt auf das Erleben eigener Handlungsfähigkeit ab
und lässt sich durch ein bestmögliches Anforderungsniveau, durch Information
über Lernfortschritte, angemessene Rückmeldung, Eingriffsmöglichkeiten und
Förderung der Erfolgszuversichtlichkeit bewerkstelligen.
•
wahrgenommene Instruktionsqualität:
Die wahrgenommene Instruktionsqualität beruht auf der Qualität der
didaktischen Gestaltung. Dazu gehören Aspekte wie klare Strukturiertheit,
Transparenz, Überforderung, Abwechslung, Anpassung an die Lernvoraussetzungen der Lernenden, Verständlichkeit oder Handlungsorientierung.
•
Interesse der Lehrenden:
Interesse der Lehrenden bedeutet, dass die Lehrkraft selbst Engagement,
Enthusiasmus und Interesse für die Lernenden und zum Lehrstoff zeigt.
Bei der Übertragung dieser Bedingungen auf das Arbeiten mit Lernsoftware ist zu
berücksichtigen, dass die Bedingung „Interesse der Lehrenden“, die in einer realen
Unterrichtssituation ermittelt wurde, durch Lernprogramme nur schwer zu realisieren ist
und Aufgabe wirklicher Lehrpersonen bleiben wird [Kandler02].
In der Untersuchung von [Kandler02] werden vier der im Prenzelschen Modell (s.
Abbildung 3.5) gezeigten Bedingungen für motiviertes Lernen als besonders bedeutend festgestellt, und zwar die Instruktionsqualität, Kompetenzunterstützung, Autonomieunterstützung und die inhaltliche Relevanz. Eine Erweiterung der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan auf mehrere Bedingungsgrößen zum Prenzelschen Modell scheint durchaus sinnvoll und angebracht. Für die Lernenden spielt
nach dieser Studie die extrinsische Motivation keine entscheidende Rolle.
Bei der Konzeption von Lernumgebungen sollte man demnach mehr Wert auf eine
konkrete didaktische Gestaltung und auf die Lerninhalte selbst legen, als auf eine
aufwendige, kostspielige und vielleicht überflüssige multimediale Präsentationsform.
3D-Grafiken oder aufwendige Animationen mit Tonsequenzen, ohne einen didaktischen Bezug zu konkreten Lerninhalten, dürften für einen Lernerfolg wenig Beitragen [Kandler02].
Seite 26
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
3.6
Motivationssysteme basierend auf dem Instructional
Design
Von einigen Wissenschaftlern wird gefordert, Motivation als zentrales Element des Instructional Designs anzusehen und explizit zu berücksichtigen [Spitzer96]. Innerhalb
von E-Learning Systemen sollten Bedingungen geschaffen werden, die für die Lernenden motivierend und stimulierend wirken.
Im Wesentlichen existieren drei Modelle, die Motivation systematisch mit dem
Instructional Design in Zusammenhang bringen [Holzinger01].
Zunächst wird das Instructional Design beschrieben. Anschließend wird auf das ARCSModell von Keller, den Supermotivationansatz von Spitzer und auf den TimeContinuum-Ansatz von Wlodkoski eingegangen.
3.6.1 Instructional Design
Das Instructional Design beschäftigt sich mit Elementen die im Lehr- und Lernprozessen eine entscheidende Rolle spielen. Die Grundidee aller klassischen wie der
meisten neueren Theorien des Instructional Designs liegt in der Optimierung von Lehrund Lernprozessen, man möchte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wünschenswerte Lernprozesse stattfinden, dauerhafte Ergebnisse erzielt werden oder höhere
Motivation erreicht wird. Deshalb müssen die bedeutenden psychologischen Prinzipien
bei der Konzeption einer Lernumgebung systematisch genutzt werden [Niegemann01].
Das Instructional Design besteht aus den folgenden Aufgaben (s. Abbildung 3.6).
In der Analysephase sollten Bereiche wie Zielgruppe, Probleme, Ziele, verfügbare
Ressourcen, vermittelnde Inhalte etc. untersucht werden. Bei den strategischen und
Designentscheidungen handelt sich um die Konzeption einer Lernumgebung. Es wird
geklärt, wie welche Basismodelle verwendet werden oder welche Auswahlentscheidungen bzgl. Aufgaben angeboten werden etc. Die Medienproduktion beinhaltet
die Umsetzung des Entwurfs in Programme und Datendateien. Vor der Implementierung wird ein Usability-Test durchgeführt, um die Gebrauchstauglichkeit der Software für die potenziellen Benutzer zu überprüfen. Nach der technischen Implementierung findet die Evaluation statt.
Abbildung 3.6: Arbeitsaufgaben des Instructional Designs [Niegemann01]
Seite 27
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Instructional Design steht für Modelle zur Beschreibung eines Problemlösungs- und
Entwicklungsprozesses [Blumstengel98].
Das Ziel des Instructional Design ist die Verbesserung des Lehr und Lernprozesses,
das Erreichen einer höheren Motivation, Verbesserung der Lernresultate sowie
effektiveres Lernen. Die meisten ID-Theorien enthalten Angaben zur Anwendung der
Empfehlungen, die Umsetzung sollte aber nicht zu statisch erfolgen [Niegemann01]. Es
gibt eine überschaubare, Anzahl von Lehrschritten und Lehrstrategien, die für die
meisten Lehr- Lernsituationen hinreichend sind [Keller83]. Sind die erwünschten
Lernziele hinreichend kategorisiert, können geeignete Lehrschritte empfohlen werden.
Nach Gagné [zitiert in Niegemann01] werden fünf Lehrzielkategorien unterschieden:
1. sprachlich repräsentiertes Wissen
2. kognitive Fähigkeiten
3. kognitive Strategien
4. Einstellungen
5. Motorische Fähigkeiten
Ferner unterscheidet Gagné [zitiert in Niegemann01] neun Lehrschritte, deren Anwendung je nach Lehrzielkategorie variiert:
1. Aufmerksamkeit gewinnen
2. Informieren über die Lehrziele
3. Vorwissen aktivieren
4. Darstellung des Lehrstoffs mit den charakteristischen Merkmalen
5. Lernen anleiten
6. Ausführen/Anwenden lassen
7. Informative Rückmeldung geben
8. Leistung kontrollieren und beurteilen
9. Behalten und Transfer sichern
Im nachfolgenden Abschnitt werden drei Modelle des Motivierens die im Kontext des
Instructional Design stehen, vorgestellt. Den Anfang macht das ARCS-Modell von John
M. Keller (1983). Dieses Motivationsmodell ist sicherlich das bekannteste Modell
[Holzinger01] und wurde in einigen Untersuchungen bereits überprüft [vgl. Visser90u.a.
und Means97u.a.]. Bei diesen theoretischen Befunden werden auch Empfehlungen zur
Konkretisierung in einem E-Learning System gegeben.
3.6.2 ARCS-Modell
In den Achtzigerjahren hat der amerikanische Psychologie John M. Keller auf Basis
motivationspsychologischer Prinzipien ein Modell des Motivierens im Kontext des
Instructional Design entwickelt. Dieses Modell stellt die Motivation in den Fokus der Betrachtung. Keller beschreibt die Merkmale, die eine motivierende Lernumgebung ausSeite 28
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
zeichnen. [Keller&Kopp87] unterscheiden vier Hauptkategorien, nach deren englischen Anfangsbuchstaben das ARCS-Modell benannt ist (s. Abbildung 3.7). Darüber
hinaus formuliert Keller einige Unterkategorien zu den Hauptkategorien. Dieses ARCSModell wird in der Praxis zur motivationalen Designoptimierung in einem iterativen
Prozess angewendet.
Abbildung 3.7: ARCS-Modell [Holzinger00]
-
A wie Attention: Der erste Schritt jeder Lernmotivierung besteht darin, die
Aufmerksamkeit des Lernenden zu erlangen.
-
R wie Relevance: Die Lehrenden müssen die Relevanz des von ihnen
vermittelten Lehrstoffs hervorheben.
-
C wie Confidence: Erfolgszuversicht ist bei den Lernenden unentbehrlich, um
Misserfolgserwartungen aus dem Weg zu räumen
-
S wie Satisfaction: Die Lernenden sollten durch erbrachte Leistungen eine
Befriedigung erfahren.
Die vier Kategorien des ARCS-Modells (s. Abbildung 3.7) sind voneinander abhängig.
Es muss erst die Aufmerksamkeit des Lernenden erlangt werden, bevor die Bedeutung
des Lehrstoffs vermittelt werden kann. Die Bedeutung des Lehrstoffs muss der Lernende akzeptieren, bevor er Erfolgszuversicht verspüren kann. Anschließend sollte man
Befriedigung bzw. Erfolg über die erbrachte Leistung empfinden.
Für jede dieser Hauptkategorien werden Unterkategorien gebildet und auch
Empfehlungen zur Konkretisierung in einer Lernumgebung gegeben. [Keller&Suzuki88]
stellen folgende Unterkategorien auf:
Seite 29
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 3.8: Unterkategorien des ARCS-Modell [Keller&Suzuki88]
Aus diesen Unterkategorien des ARCS-Modell lassen sich Strategien ableiten, die eine
Förderung der Motivation bewirken. Im nachfolgenden Abschnitt werden diese Strategien erläutert und Empfehlungen für eine Umsetzung in einer Lernumgebung gegeben [vgl. Niegemann04u.a. und Keller&Suzuki88].
3.6.2.1
Aufmerksamkeit erlangen (Attention)
Der erste Schritt besteht darin, die Aufmerksamkeit bzw. das Interesse des Lerners zu
erlangen und zu versuchen diese aufrecht zu erhalten.
Abbildung 3.9: Subkategorien (Aufmerksamkeit) [elearn0]
Diese Grafik veranschaulicht, wie Aufmerksamkeit erzeugt werden kann. Neugier,
Orientierungsverhalten und Abwechslung sind entscheidende Faktoren. Der Lernende
hat instinktiv eine Forderung nach Abwechslung und Neugier. Eine zu geringe
Aufmerksamkeit des Lernenden führt zu Langeweile.
Orientierungsverhalten provozieren (Perceptual arousal)
Das Lernangebot soll die Aufmerksamkeit der Lernenden wecken und aufrechterhalten. Dieses Ziel kann erreicht werden durch das Verwenden innovativer,
überraschender, gegensätzlicher oder unbestimmter Ereignisse. Multimediale Zusatzinformationen wie audiovisuelle Effekte, animierte Grafiken, Töne oder Sprache die
zum Lehrkontext passen, können den Lernprozess interessanter machen und die
Seite 30
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Aufmerksamkeit des Lernenden aufrechterhalten. Unübliche oder überraschende Inhalte oder Besonderheiten können das Interesse fördern, die richtige Dosierung sollte
eingehalten werden. Man sollte beachten, dass zu viele Ablenkungen vermieden
werden. Der überflüssige und übertriebene Einsatz von Maßnahmen zur Gewinnung
von Aufmerksamkeit, die nicht zum Lehrkontext passen, können den Lernprozess
hemmen, da die Konzentration der Lernenden beeinträchtigt wird.
Neugier anregen (Inquiry arousal)
Neuheit, Komplexität und Veränderungen von Objekten erwecken das menschliche
Explorationsbedürfnis und führen zum Bedürfnis diese zu untersuchen. Das informationssuchende Lernverhalten des Lernenden soll angeregt werden. Um dieses
Verhalten zu erreichen, kann es hilfreich sein, den Lernenden mit Fragen oder zu
lösenden Problemen zu konfrontieren. Ferner kann man den Lerner auch veranlassen,
Fragen oder Probleme individuell zu formulieren. Die Lernenden sollten die Möglichkeit
haben, sich selbst Aufgaben zu stellen, deren Lösungen dann vom Lernprogramm
beurteilt werden. So kann der Lernende bei den meisten Simulationsprogrammen
selbst die Parameter für die Aufgabenstellungen aussuchen oder eingeben. Durch
Frage-Antwort-Rückmeldungssequenzen, die eine aktive Teilnahme erfordern, kann
das Interesse der Lernenden anregt werden.
Wichtige Begriffe wie das Entdecken oder Erforschen durch die Lernenden stehen in
enger Verbindung mit dem Explorationsbedürfnis des Menschen. So können Problemlösesituationen in einem Kontext stehen, die das Explorationsbedürfnis der Person
steigern.
Abwechslung (Variability)
Durch Abwechslung wird das Interesse der Lernenden gewährleistet und aufrechterhalten. Abwechslung kann erreicht werden durch Veränderung der Instruktionselemente. Es sollten nur kurze Instruktionseinheiten verwendet werden. Das
Erscheinungsbild von Wörtern, Sätzen, Textabschnitten und Anordnungen kann durch
den Wechsel von Größe, Art oder Farben der Schrift verändert werden. Unterstrichene
oder fett hinterlegte Wörter können verwendet werden, um das Interesse auf diese
Schlüsselwörter zu lenken. Die gleiche Funktion haben Tonsequenzen wie Sound oder
Hintergrundmusik, deren Einsatz sich auf bestimmte Abschnitte richtet. Sinnvoll ist
auch der Wechsel zwischen darstellenden und interaktiven Seiten, somit wird die
Präsentation der Lernmaterialien abwechslungsreicher. Ein Wechsel der
Kommunikationsmittel wie Chat, E-mail, Videoconferencing oder Präsenzveranstaltungen zwischen den Lernenden ist stets zweckmäßig, um Interesse und
Aufmerksamkeit zu erwecken bzw. aufrechtzuhalten. Allgemein sollte an einem gewissen Bildschirmformat festhalten werden, vereinzelte Abweichungen von diesem
Standard können allerdings die Aufmerksamkeit aufrechterhalten. Diese Abweichungen sollten allerdings didaktisch begründet sein.
3.6.2.2
Bedeutsamkeit des Lehrstoffs vermitteln (Relevance)
Auch durch gewonnene Aufmerksamkeit und entfachte Neugierde muss die Motivation
des Lernenden nicht automatisch von Dauer sein. Der Lernende muss eine Vorstellung
davon bekommen, warum die dargestellten Inhalte für ihn individuell bedeutsam sind.
Die Abbildung 3.10 zeigt die Faktoren nach [Keller&Suzuki88 und Niegemann04u.a.],
welche bei der Vermittlung der Bedeutsamkeit des Lernstoffs wichtig sind.
Seite 31
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 3.10: Subkategorien (Bedeutsamkeit) [elearn0]
Lehrzielorientierung (Goal orientation)
Die Lehrziele sollten mit Hinweisen auf ihre Wichtigkeit dargestellt werden. Zur
Vermittlung der Ziele können zweckentsprechende Spiele oder Simulationen genutzt
werden. Zudem soll die Nützlichkeit des jeweiligen Lehrinhalts dem Lernenden
erläutert werden. Um verschiedenen Lernzielen bei unterschiedlichen Zielgruppen
gerecht zu werden, sollte der Lernende Lernziele auswählen können. Diese Möglichkeiten sind natürlich abhängig von der jeweiligen Lehrsituation bzw. Lernumgebung.
Lernende sollten aktiv am Lernprozess teilnehmen und bei der Wahl von Lernschritten
oder Lernobjekten freie Hand haben.
Anpassung an Motivationsprofile (Motive matching)
Es sollten Lehrstrategien favorisiert werden, die zu dem Motivationsprofil des Lernenden passen. So ermöglicht ein Angebot aus verschiedenen Schwierigkeitsstufen bei
Aufgaben die Auswahl eines individuellen Anspruchsniveaus. Die Lehrumgebung
sollte, falls technisch möglich, kooperatives Lernen mit anderen Lernpartnern zulassen.
Dem Leistungsstreben der Lernenden soll ein anschauliches Bewertungssystem
(realisiert zum Beispiel durch Punkte) Befriedigung vermitteln und dieses sollte auch
verwendet werden, um Rückmeldungen über die erzielte Leistung zu geben. Aufgaben
mit Wettbewerbscharakter sollten in Lernumgebungen nur optional eingesetzt werden.
Vertrautheit (Familiarity)
Sind Lernende neugierig, interessiert und vertraut mit dem Lehrstoff, so sind sie
motiviert zu lernen. Vertrautheit kann in der Regel erreicht werden durch Gebrauch
eines anschaulichen Sprachstils, konkrete Begriffe und Beispiele, die Beziehungen
zum Vorwissen der Lerner oder zur Realität aufweisen. Besonders eine personalisierte
Sprache sollte verwendet werden. Geeignet ist dabei die persönliche Anrede oder die
Verwendung von Personalpronomen. Des Weiteren können Metaphern und Analogien
gebraucht werden, um spezielle oder nicht vertraute Begriffe in einem bekannten bzw.
realitätsnahen Kontext zu präsentieren. Beispiele, die einen Bezug zur Realität
aufweisen können, für Vertrautheit im Lernprozess sorgen. Eine vertraute Lernumgebung kann durch die Einbettung einer sympathischen Figur in die Lernumgebung
geschaffen werden. Diese konstruierten Figuren, beispielsweise Personen oder Tiere,
eignen sich besser für die Vermittlung spezieller Informationen als unpersönliche
Texte.
3.6.2.3
Erfolgszuversicht (Confidence)
Eine positive Erfolgserwartung sollte als dritte Voraussetzung gegeben sein, um den
Lernenden zu motivieren. Der Lerner sollte zuversichtlich sein, dass er mit dem ESeite 32
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Learning System zweckdienlich lernen kann. Es wird zwar häufig eine Herausforderung
gesucht, das Risiko, zu versagen, sollte in engen Grenzen liegen. So können unterschiedliche Leistungsniveaus angeboten werden, um den Lernenden zu gestatten,
persönliche Anspruchsniveaus zu wählen. Unterschieden werden drei Größen zur
Verbesserung der Erfolgsaussichten.
Abbildung 3.11: Subkategorien (Erfolgszuversicht) [elearn0]
Lernanforderungen (Learning requirements)
Den Lernenden sollten die Leistungsanforderungen und Bewertungskriterien jeweils
erläutert werden. Vorwissen, Fähigkeiten und Einstellungen, die zur Lösung einer
Übungsaufgabe erwartet oder förderlich sind, sollten einleitend aufgeführt werden.
Dementsprechend können Lernende vorab klären, welcher Kurs oder welche Lernaufgabe für ihren Wissensstand am besten geeignet ist. Erreichbare Lernziele und ein
Überblick über die Strukturierung des Lernmaterials sollten deutlich hervorgehoben
werden. Auch in abschließenden Tests nach einer Lerneinheit sollte den Lernenden
angegeben werden, wie viele Aufgaben sie erwarten und ob ein Zeitlimit vorgesehen
ist. Denn sollten sie nicht wissen, was von ihnen gefordert wird, kann die
Erfolgszuversicht dabei leiden.
Gelegenheiten für Erfolgserlebnisse (Success opportunities)
Innerhalb eines Lehrprogramms sollten verschiedene Leistungsstufen präsentiert
werden, die dem Lernenden erlauben, persönliche Anspruchsniveaus und Leistungsstandards zu setzen. Es sollten Möglichkeiten gegeben werden, Leistungen zu erzielen
und Erfolgserlebnisse zu haben. Die Einführung von Lehreinheiten sollte nach dem
Prinzip „vom einfachen zum schwierigen“ erfolgen. Feedbackmaßnahmen haben in
dieser Phase einen besonderen Stellenwert und unterstützen den Lernprozess des
Lernenden. Werden die Lehrmaterialen mit ansteigender Schwierigkeitsstufe präsentiert, kann der Lernprozess als ein Zustand der Herausforderung betrachtet werden.
Diese Strategie wird erreicht, indem mit einer einführenden, leichten Lerneinheit angefangen wird und mit zunehmend schwieriger und komplizierter werdenden Einheiten
fortgefahren wird. Mit dem Empfinden des Lernprozesses als Herausforderung kann
die Lernmotivation des Lernenden verstärkt werden. Um nicht Unter- oder Überforderung aufkommen zu lassen, kann die Lernumgebung die Lernanforderungen
jeweils an die Fähigkeiten und das Vorwissen des Lernenden anpassen.
Selbstkontrolle (Personal control)
Die Erfüllung des Lernerwunsches, sich autonom zu erleben, wird auch in der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan als motivationsfördernd eingeordnet. Jeder
Lerner sollte im Prinzip selbst entscheiden, welche Lektion des Lehrstoffs er bearbeiten
möchte. Den Lernweg (welcher Abschnitt wird als nächstes bearbeitet) sowie das
Lerntempo (der Wechsel der Bildschirmseite sollte nicht automatisch erfolgen) des
Seite 33
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Lernenden sollte der Lerner selbst bestimmen können. Bei den Rückmeldungen muss
darauf geachtet werden, dass die Gründe für Erfolg oder Misserfolg hauptsächlich der
Anstrengung des Lerners übertragen werden. Aussagen wie „Pech gehabt“ oder
„Glück gehabt“ sollten genauso vermieden werden wie Angaben zur Begabung,
speziell bei schwachen Lernleistungen des Lernenden. Lernende sollten den Eindruck
gewinnen, dass sie für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich sind und dass das
Ergebnis aus ihren Anstrengungen resultiert.
3.6.2.4
Zufriedenheit und Befriedigung (Satisfaction)
Lernende können speziell bei der Beschäftigung mit einem E-Learning System sehr
schnell demotiviert werden, wenn die Folgen ihrer Handlungen vom Ergebnis abweichen. Es sollten Möglichkeiten existieren, das neu erworbene Wissen anzuwenden.
Die Abbildung 3.12 bietet eine theoretische Empfehlung, wie Zufriedenheit bewirkt
werden kann. Der Lerner muss mit dem präsentierten Lernangebot und seinen
erbrachten Leistungen zufrieden sein.
Abbildung 3.12: Subkategorie (Zufriedenheit) [elearn0]
Natürliche Konsequenzen (natural consequences)
Dem Lernenden sollte Gelegenheit gegeben werden, das neu erworbene Wissen oder
die gewonnenen Fähigkeiten in realen oder simulierten Umgebungen anzuwenden. Es
könnten Übungsaufgaben, Simulationen, Prüfungen oder Spiele präsentiert werden, in
denen das zuvor neu erlernte Wissen angewendet werden kann.
Positive Folgen (positive consequences)
Positive Folgen für den Lernenden können durch ein positives, motivierendes
Feedback bewirkt werden. Rückmeldungen sollten bei praktischen Übungen aber erst
nach Abschluss einer sinnvollen Aufgabeneinheit gegeben werden. Ein übertriebenes
Lob für Aufgaben mit niedrigem Schwierigkeitsgrad kann sich auf den Lernenden
negativ auswirken, der Lernende könnte glauben, es würde ihm nichts zugetraut und
deshalb würde er wegen Unwichtigkeiten belohnt. Wenn möglich sollten Belohnungen
adaptiv gestaltet werden und vom Lernenden vorher ausgewählt werden können. Des
Weiteren sollten Belohnungen wie Animationen und Spielangebote nicht wesentlich
interessanter sein als der Lehrstoff. Das Feedback muss geeignet und gerecht
gestaltet sein, um das Gefühl einer förderlichen und objektiven Bewertung zu erreichen.
Gleichheit, Gerechtigkeit (equity)
Das Lehrprogramm sowie der Lerninhalt und Struktur einer jeden Lektion sollten mit
den angegebenen Zielen und der Überblicksdarstellung harmonieren. Die Übungen
sollten auf die Lernziele angepasst und untereinander stimmig sein. Die BewertungsSeite 34
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
maßstäbe müssen nachvollziehbar sein und sollten in der Form fortgesetzt werden, in
der sie das erste Mal im Lehrprogramm auftreten.
Das ARCS-Modell von Keller zählt, wie schon erwähnt, zu den bekanntesten
Motivationsdesigns und wurde auch in zahlreichen empirischen Untersuchungen überprüft [vgl. Visser90u.a. und Means97u.a.]. Das ARCS-Modell stellt Motivationsstrategien für einen Designprozess auf, kann aber mit Sicherheit nicht mit den
kompletten Empfehlungen und Motivationsstrategien (in der ganzen Komplexität) für
die Umsetzung in einem E-Learning System eingesetzt werden, um die Motivation der
Lernenden zu verbessern. Dennoch müssen einige interessante, motivationale
Aspekte bei der Konzeption eines E-Learning Systems berücksichtigt werden. Bei dem
Ansatz von Keller kommt es zu einer weitgehenden Überschneidung mit neueren,
theoretisch konsistenten Ansätzen, wie dem Ansatz von Prenzel (s. Kapitel 3.5.4) [vgl.
Niegemann01].
3.6.3 Supermotivationsansatz
Der Supermotivationsansatz dient der Motivationsförderung und basiert auf der These,
dass jede Tätigkeit per se motivierend wirken kann, wenn sie in einen motivierenden
Kontext gebracht wird. Der Ansatz beschreibt eine Ansammlung von unterschiedlichen
Motivatoren. Je mehr motivierende Elemente (Motivatoren) die Lernumgebung umfasst, umso motivierender wird die Lernaktivität vom Lernenden empfunden. Dieser
Supermotivationsansatz wurde von D.R Spitzer entwickelt und er nennt die folgenden
zehn Motivatoren: Aktion, Spaß, Abwechslung, Auswahl, soziale Interaktion, Fehlertoleranz, Erfolgsmessung, Rückmeldung, Herausforderung und Anerkennung, und beschreibt sie folgendermaßen:
Aktion (action): Bedeutet die physisch und mental aktive Beteiligung des Lernenden
am Lernprozess. Die Interaktivität der Lernumgebung ist dabei einer der wichtigsten
Aspekte.
Spaß (fun): Nach [Spitzer96] soll dieser Bereich nicht reduziert werden, wie es am
häufigsten geschieht. Spaß an den Lernaktivitäten des Lernsystems kann durch den
Einsatz humorvoller und überraschender Elemente bewirkt werden. Wie Spitzer
bemerkt, ist das Humorverständnis stark kulturell geprägt und kann in einigen
Situationen lästig oder übertrieben wirken.
Abwechslung (variety): Nach Spitzer sollen verschiedene Medien, Ressourcen und
Objekte eingesetzt werden.
Auswahl (choice): Das Lernangebot soll dem Lernenden Möglichkeiten anbieten. Die
Auswahl über Ressourcen, Medien und Lernwegen sollte immer beim Lernenden
liegen.
Kommunikation (social interaction): Möglichkeiten der sozialen Interaktion, z.B. Fachdiskussionen (Chat, E-Mail), Teamarbeit (Videoconferencing oder Lehrerberatung),
besitzen eine wichtige motivierende Funktion.
Fehlertoleranz (error tolerance): Irren ist menschlich und dies ist ein wichtiger Faktor
beim Lernen. Die Lernumgebung sollte keine demotivierende oder gar bestrafende
Wirkung haben. Lernumgebungen müssen mit falschen Antworten rechnen und dafür
ein geeignetes Feedback anbieten können.
Erfolgsmessung (measurement): Ermutigende Worte sollten bei falschen Antworten
dem Lernenden helfen, die notwendige Spannung zum Lernen zu erhalten. Eine
Punktevergabe kann diesen Prozess auch unterstützen.
Seite 35
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Rückmeldungen (Feedback): Wichtig nach Spitzer ist es, dass das Lernsystem eher
Verbesserungsvorschläge machen sollte, als Fehler nachzuweisen. Fehler zu machen
ist ein Zeichen dafür, dass der Lernende sich in einem noch laufenden Lernprozess
befindet, was mit einem individuellen Lerndefizit nichts zu tun hat. Das Feedback sollte
begleitend erfolgen und immer von positiver und aufbauender Form sein.
Herausforderung (challenge): Die Lernaufgaben und Probleme sollten nicht zu trivial
sein, sondern es sollte eine angemessene und zielgruppenorientierte Herausforderung
bestehen. Die Aufgaben sollten so strukturiert werden, dass sie den Lernenden anregen zu lernen. Nach Spitzer wollen die meisten Lernenden gefordert werden und
Hindernisse überwinden.
Anerkennung (recognition): Die Lernmotivation kann erhöht werden, indem die Lernfortschritte durch das Lernsystem oder durch andere Lernende oder Lehrende anerkannt werden.
Diese zehn Motivatoren können als klare und nützliche Leitlinien zur Entwicklung
motivierender Lernmaterialien dienen. Die Elemente sind geeignet, Motivation aufzubauen und zu fördern [vgl. Roithmeier03]. Man sollte aber beachten, dass sich die
Motivatoren nicht alle mühelos kombinieren lassen.
Nach [Blumstengel98] werden einige Elemente, bei der Entwicklung von E-Learning
Systemen häufig vernachlässigt. So wird dem Lernenden häufig nicht die Bedeutung
des Lernstoffs klar gemacht.
3.6.4 Time-Continuum-Ansatz
Der Time-Continuum-Ansatz wurde von [Wlodkowski98] entwickelt. Das ARCS-Modell
von Keller gibt praktische Strategien zur Erhöhung der Motivation an, es erklärt aber
nicht, zu welchem Zeitpunkt diese im Prozess eingesetzt werden sollten. In diesem
Modell geht es um die zeitliche Anordnung dieser Motivationsstrategien. Im Jahre 1981
entwickelte Wlodkowski sein Modell, in dem er sechs Hauptmotivationsfaktoren einführt und diese in einem speziellen Zeitrahmen verwendet:
-
Einstellung bzw. Haltung (Atttitudes)
-
Bedürfnisse (Needs)
-
Anreize (Stimulation)
-
Emotionale Unterstützung (affect)
-
Fähigkeiten (competence)
-
Verstärkung (reinforcement)
Wlodkowski unterteilt drei Zeitperioden: Beginn (beginning), Instruktionsverlauf (during)
und Ende (ending):
In der Phase „Beginn“ sollte auf die Anliegen der Lernenden eingegangen werden und
eine positive Einstellung (attitude) gegenüber dem Lernangebot erzeugt werden. Der
Lernende muss ein Vertrauen in das Lernangebot entwickeln. Ängstlichkeiten und
Unsicherheiten sollen während des Einarbeitungsprozesses auf jeden Fall abgebaut
oder ganz vermieden werden.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Während der Phase der Instruktion sollten Strategien verwendet werden, um eine
interessante, angenehme und emotional unterstützende Lernumgebung zu schaffen. In
dieser Phase soll der Lerninhalt vermittelt werden. Hier bietet sich beispielsweise eine
Gruppenarbeit an. Aufgaben können so untereinander verteilt und die darausfolgenden
Erkenntnisse und Resultate gemeinschaftlich genutzt werden.
In der Phase „Ende“ sollen hauptsächlich Kompetenz und Selbstsicherheit (selfconfidence) der Lernenden gesichert werden und genügend positive Rückmeldungen
gegeben werden. Es sollten Strategien angewendet werden, die den Lernenden in
seinen Fähigkeiten bekräftigen und damit sein Selbstvertrauen stärken. Der Lerner
muss darin bestätigt werden, dass er sich gut in die Lernmaterie eingearbeitet hat.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Seite 38
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
4 Emotionen
Abgesehen von der Motivation beeinflusst auch die emotionale Komponente das
Lernen. Emotionen, umgangssprachlich Gefühle, sind wohl nach [Niegemann04u.a.]
die am meisten unterschätzten Faktoren menschlicher Handlungen. Ihr Einfluss auf
Lernprozesse und Lernergebnisse steht nicht zur Debatte. Die Freude über ein
hervorragendes Lernergebnis oder Ärger über unzureichende und unvollständige Lehrmaterialien sind nur die allseits bekannten Darstellungen. Außerdem können die
Auswirkungen von Emotionen nach [Edelmann00] auf Verstehensprozesse fördernd
sein (beispielsweise kann eine angenehme, entspannte Lernatmosphäre das Problemlösen unterstützen) oder Emotionen können mentale Prozesse (wie planvolles
Handeln) beeinträchtigen. Positive Emotionen unterstützen und intensiveren nach
[Vollmeyer05] die aktuelle Motivation. So hat ein Fan von Computerspielen bereits
Vorfreude, wenn er ein gutes Spiel findet und ist beim Spielen hochkonzentriert und hat
Spaß. Somit haben Emotionen einen bedeutenden Anteil am Motivationsgeschehen.
Sie vermitteln nach [Heckhausen06] dem Lebewesen, ob die Entwicklung der
Handlung gefördert oder unterbrochen werden soll, ob sich unerwartete Schwierigkeiten in den Weg stellen oder sich glückliche Ereignisse ergeben. Nach [Strzebkowski&
Kleeberg02] müssen bei der Entwicklung einer Lernsoftware bzw. Lernumgebung nicht
nur die motivierenden, sondern auch die emotionalen Effekte in Betracht gezogen
werden. Somit wird auch dem E-Learning System die Aufgabe zugesprochen, das
Selbstwertgefühl, die Moral und positive leistungsfördernde Gefühle der Lernenden zu
entwickeln bzw. zu fördern und negative, hinderliche Stimmungen abzubauen bzw. zu
vermeiden.
4.1
Was sind Lernemotionen?
[Rheinberg99] erklärt, dass eine einheitliche Definition von Emotion in der Literatur
große Schwierigkeiten macht. Bislang ist in der Emotionspsychologie keine Übereinstimmung festzustellen, was unter einer Emotion zu verstehen ist. Jeder Mensch
weiß, was eine Emotion ist, kann aber keine Definition geben. Man begnügt sich häufig
damit, nur Komponenten der Emotion anzugeben. [Heckhausen06] definiert Emotionen
als eine vorrationale Form von Erwartungen und Werten, die in das motivationale
Geschehen eingreifen. Nach [Hascher05] beeinflussen Emotionen die Aktivierung,
Antriebskraft, motivationale Einstellungen, Ansichten und sind Schaltstellen für kognitive Prozesse.
Ziel dieses Kapitel ist es nicht die Darstellung einer komprimierten Emotionstheorie,
sondern in dieser Arbeit werden nur Formen von Emotionen betrachtet die auf den
Lernprozess des Lernenden, sowie auf die vorher, während und danach stattfindenden
Ergebniserwartungs- und Ergebnisbewertungsprozesse, Einfluss haben. Diese Diplomarbeit beschäftigt sich - wie schon erwähnt - nur mit Emotionen im Kontext des
Lernens, folglich den so genannten Lernemotionen. Also Emotionen die mit kognitiven
Komponenten der Informationsverarbeitung zusammenhängen und für Lernvorgänge
eine motivierende Wirkung haben. Demzufolge werden Lernemotionen von den
globalen Emotionen abgegrenzt. Lernemotionen lassen sich nach [Steiner06] als
Emotionen definieren, die im Zusammenhang mit dem Wissens- und Fertigkeitserwerb
auftreten. Somit können Lernemotionen entweder durch die Bearbeitung einer Aufgabe
(wie Spaß am Lösen einer komplexen Aufgabe), durch die Ergebniserwartung (wie
Freude über das zu erwartende Lob bzw. Belohnung) oder durch die Ergebnisbewertung (z.B. Ärger über den Misserfolg einer Aufgabe bzw. Prüfung) ausgelöst
werden. Ferner können Lernemotionen sozialer (z.B. Neid gegenüber einem anderen
Teilnehmer, der bessere Leistungen erbringt) oder persönlicher Natur (z.B. Prüfungsangst) sein.
Seite 39
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
4.2
Bedeutung von Emotionen für den Motivationsprozess
Der Aspekt des emotionalen Empfindens während einer Lernhandlung ist
entscheidend. Genauer gesagt: Die Qualität des emotionalen Empfindens hat aus
theoretischer Sicht einen entscheidenden Einfluss auf den motivationalen Entwicklungsprozess. Nach [Rheinberg99] wirken Emotionen in vielerlei Hinsicht auf den
Motivationsprozess und in folge dessen auch auf die Initiierung, Intensität und Zeitspanne bestimmter Verhaltensweisen und Handlungen. [Hascher05] erklärt, dass nicht
nur Kognition und Motivation Verhaltensweisen steuern und organisieren, sondern
auch die Emotionen. Der Lernprozess der Informationsverarbeitung besteht nach
[Kramer02] aus drei wesentlichen Faktoren. Und zwar handelt es sich um ein Zusammenwirken von kognitiven, emotionalen und motivationalen Prozessen (s.
Abbildung 4.1). Nach [Edelmann00] sind emotionale und motivationale Faktoren selbst
bei den abstraktesten Arten intellektueller Leistungen beteiligt.
Abbildung 4.1: Beziehung zwischen Emotion, Motivation und Kognition
[Strzebkowski&Kleeberg02]
Infolgedessen lassen sich nach [Edelmann00] bei motivationalen Handlungen auch
fast immer emotionale Komponenten nachweisen. Emotionen und Bedürfnisse sind
fest miteinander verknüpft. Emotionen sind nicht nur Begleiterscheinungen von
Motivationsabläufen, sie können selbst eine hemmende oder aktivierende Wirkung haben. Bedürfnisse sind von Emotionen begleitet und Emotionen können selbst
motivierend wirken. Die Konzepte der Motivation und Emotion stehen in sehr enger
wechselseitiger Beziehung zum Begriff Kognition. Die Kognition ist ein Bestandteil von
Emotion und Motivation und nach [Strzebkowski&Kleeberg02] gibt es ohne Emotion
und Motivation keine effektive Kognition.
Bezogen auf den Lernenden kann man sich die Beziehung zwischen Emotion und
Motivation so vorstellen, dass es im Verlauf motivierten Lernens an bestimmten Stellen
zu Bewertungen der gegenwärtigen Situation kommt. Beim Lösen einer Übungsaufgabe oder eines komplizierten Problems muss der Lernende eine intrinsische oder
extrinsische Motivation aufweisen und während der Arbeit sind Emotionen der
Anstrengung, der Zufriedenheit, der Langeweile, der Unzufriedenheit, des Ärgers, der
Erfolgszuversicht bzw. Misserfolgserwartung wesentliche Bestandteile der Lernleistung
[Edelmann00]. Emotionen bewerten und informieren über Erfolg und Misserfolg. Sie
kanalisieren die Aufmerksamkeit und versuchen die Verhaltensweisen zu strukturieren.
So drängt negatives emotionales Erleben auf Veränderung der Situation und positives
emotionales Erleben auf Beibehaltung des aktuellen Zustands. So konnten Isen und
Means [zitiert in Edelmann00] zeigen, dass positiv gestimmte Probanden im Vergleich
zu Versuchspersonen mit neutraler Stimmungslage bei komplizierten Aufgaben besser
Seite 40
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
in der Lage waren, mit der Komplexität bzw. Schwierigkeitsniveau umzugehen und
dass sie bessere, schnellere und effizientere Alternativen wählen.
Folgerichtig stellt man einen gemeinsamen Einfluss von Motivation und Emotion auf
das Lernen fest. Emotionen wirken auf den Lernprozess des Lernenden, Emotionen
lassen sich aber wiederum während des Lernens beeinflussen. Innerhalb der Pädagogischen Lernpsychologie wird angenommen, dass positive Emotionen in der Ausbildung zum Lernergebnis und zur Lerneffizienz beisteuern, da sie eine Grundlage der
Entwicklung lernförderlicher Kognitionen und Motivationen darstellen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Informationsverarbeitung durch das
Zusammenwirken dreier Faktoren Kognition, Motivation und Emotion beeinflusst wird.
Motivationale Prozesse werden von Emotionen begleitet und die Auswirkungen von
Emotionen auf kognitive Leistungen während des Lernprozesses können die Lernmotivation und kognitive Leistungen fördern oder beeinträchtigen. Nach [Gendolla&
Abele00] sollte man den Grundsatz befolgen, positive Befindlichkeiten zu maximieren
und negative zu minimieren. Positive Emotionen suggerieren den Wunsch nach Beibehaltung des Zustands und negative Emotionen drücken den Wunsch nach Veränderung der aktuellen Situation aus. Der Student, bei dem mit jeder weiteren,
komplizierten, nicht verstandenen Aufgabe, Gefühl des Ärgers und der Unfähigkeit aufkommen, wird versuchen, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden.
4.3
Formen von Lernemotionen
In dieser Arbeit werden Emotionen nur im Zusammenhang mit Lernprozessen betrachtet. Dabei stellt sich die Frage, welche Emotionen im Lehr- und Lernkontext
relevant sind. [Pekrun96u.a.] befragte rückwirkend in zahlreichen Studien Personen
hinsichtlich ihrer empfundenen Emotionen in Lern- und Leistungssituationen. Positiv
aktivierende Emotionen wie Hoffnung, Stolz und Freude können die Handlungen bzw.
den Lernprozess der Lernenden fördern und negative deaktivierende Emotionen, wie
Langeweile und Ärger, können den Lernprozess hemmen. Je mehr Freude jemand an
einer Übungsaufgabe hat, desto mehr leitet er seine Aufmerksamkeit auf diese Lernaufgabe und desto konzentrierter ist er [Pekrun02u.a.]. Im Fokus dieser Arbeit stehen
die fünf Lernemotionen Angst, Neid, Ärger, Sympathie und Vergnügen (s. Abbildung
4.2). Diese Emotionen scheinen nach den Erkenntnissen von [Astleitner99] am relevantesten im Kontext des Lernens zu sein. Die positiven Lernemotionen haben eine
günstige Auswirkung auf den Lernprozess bzw. die Leistung und deaktivierende Emotionen haben eine hinderliche Wirkung. Des Weiteren bilden diese fünf emotionalen
Kategorien gemeinsam das FEASP-Modell (s. Kapitel 4.4).
Nach [Niegemann04u.a.] sollten diese ermittelten Lernemotionstypen nicht nur in
traditionellen Lehr- und Lernformen, sondern auch beim Lernen mit interaktiven Medien
eine bedeutende Rolle spielen. Das Fehlschlagen von Versuchen, innerhalb einer interaktiven Lernplattform, eine Datei zu laden oder ein spezielles Objekt zu bearbeiten,
kann unzweifelhaft negative Emotionen wie Ärger, Enttäuschung hervorrufen.
[Astleitner01] sieht den Grund dafür, dass emotionale Aspekte bei der Konzeption von
E-Learning Systemen kaum einkalkuliert werden, in den „kalten Technologien“, die mit
den so komplexen Phänomenen wie menschliche Emotionen kaum umgehen können.
Zudem existiert eine Auswirkung von Lernemotionen auf eine selbstbestimmte Form
der Motivation beim selbstgeregelten Lernen. Das selbstgeregelte Lernen wie es im
Konstruktivismus propagiert wird, spielt eine immer wichtigere Rolle zum Beispiel in der
beruflichen Aus- und Fortbildung. Der Lernende muss lernen, sich einerseits viel
Wissen eigenhändig beizubringen und andererseits seine Lernprozesse selbst zu
steuern. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass ein emotionales WohlbeSeite 41
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
finden und eine intrinsische Lernmotivation bestmögliche Voraussetzungen für ein
optimales Lernergebnis darstellen [Astleitner&Leutner00]. Nach [Lewalter05] bilden
emotionale Erlebensqualitäten auch einen Faktor, der dazu beitragen kann, das Auftreten einer selbstbestimmten Motivation zu unterstützen. [Krapp05] stellt fest, dass nur
jene Komponenten des Wohlbefindens und der intrinsischen Lernmotivation einen
dauernden positiven Effekt auf den Lernprozess ausüben, die den Bedürfnissen der
Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (s. Kapitel 3.5.1) entsprechen, das heißt
wenn die entsprechenden Emotionen Signalcharakter bezüglich des aktuellen
Zustands der Bedürfnisbefriedigung haben. Entscheidend ist nach [Krapp05] das
Erleben des „ganzheitlichen optimalen Funktionierens“ in der entsprechenden Anforderungssituation, die alle drei Bedürfniskategorien (Autonomie, Kompetenz und
soziale Eingebundenheit) umfasst. Somit scheiden Formen des emotionalen Erlebens
aus, die zum Beispiel den Gesichtspunkt der Kompetenzerfahrung völlig ausklammern.
Eine selbstbestimmte Lernmotivation kann entstehen und über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden, wenn der Lernende den Eindruck hat, dass das
Lehrgeschehen für ihn individuell wichtig und interessant (kann durch Sympathie oder
Freude an der Sache erreicht werden) ist und wenn er während des Lernprozesses die
emotional vermittelte Erfahrung macht, dass seine Grundbedürfnisse (Autonomie,
Kompetenz und soziale Eingebundenheit) in hinreichender Weise befriedigt werden
[Lewalter98u.a.].
Infolgedessen können Emotionen die Motivation fördern, aufrechterhalten und auch
abbauen. Allgemein fördern positive aktivierende Emotionen, z.B. Freude, die intrinsische Lernmotivation, während sich negative deaktivierende Emotionen, z.B. Ärger,
nachteilig auf die Lernmotivation auswirken. Das heißt Freude korreliert positiv mit intrinsischer und extrinsischer Lernmotivation, Interesse und Lernergebnissen. Lernlangeweile korreliert dagegen negativ mit motivationalen Variablen und Anstrengung
[Pekrun02u.a.]. Nach [Astleitner99] kann Lernärger oder Lernangst die intrinsische Motivation vermindern.
4.4
Das FEASP-Modell
Wie im vorherigen Kapitel erläutert, korrelieren menschliche Emotionen stark mit Motivation, Anstrengung, aber auch, was für den Lernalltag speziell wichtig erscheint, mit
Lernleistungen [Pekrun96u.a.]. Dieses Kapitel befasst sich damit, inwiefern positive
Lernemotionen gefördert und negative Emotionen vermieden werden können.
[Pekrun96u.a.] stellt jedoch fest, dass es zur Förderung von positiven Lernemotionen
bzw. Vermeidung von negativen Emotionen nur wenige Analysen gibt. Gegenwärtig
liegen kaum ausführliche und theoriegestützte Gestaltungsmodelle für das Lehrgeschehen vor, die sich dieser Aufgabe stellen. Ein Modell ist der so genannte FEASPAnsatz [Astleitner01]. Mit dem FEASP-Ansatz („Fear Envy Anger Sympathy Pleasure“),
der im folgenden Abschnitt dargestellt wird, macht Astleitner den Versuch, für den
Lernprozess positive Emotionen planmäßig zu fördern und hinderliche Emotionen so
weit wie möglich abzustellen. Dieser FEASP-Ansatz wurde nicht nur für den traditionellen Unterricht ausgearbeitet, sondern dient auch als Entwurf zur Gestaltung von
computergestützten Lehrprogrammen [Astleitner01]. Die Idee dabei ist, den Unterricht
oder die webbasierte Instruktion emotional „stimmig“ zu gestalten. Dies besagt nach
[Niegemann04u.a.] nicht, dass die Lernenden in extra Kursen lernen sollen, was
Emotionen sind oder welche Bedeutung sie haben. Vielmehr sollen unterschiedliche
Emotionskategorien in den jeweiligen Unterricht eingegliedert werden. Dieser Ansatz
lässt sich ebenso auf die Gestaltung einer E-Learning Umgebung anwenden bzw.
einsetzen [Niegemann04u.a.].
Seite 42
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
4.4.1 Emotionskategorien des FEASP-Modells
Im FEASP-Modell werden fünf Kategorien von Emotionen unterschieden. Und zwar
werden die Lernemotionen, Angst, Neid, Ärger, Sympathie und Vergnügen als wichtig
erkannt (s. Abbildung 4.2). Hauptziel des FEASP-Ansatzes ist es, einen emotional
stimmigen Unterricht zu gewährleisten, um so die Lernenden optimal zum Lernen zu
motivieren. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes wurde von [Astleitner01] untersucht und
bestätigt.
Um herauszufinden, welche Emotionen als relevant im Lernprozess zu betrachten sind,
wurden Lehrer und Studierende mit Fragenkatalogen nach den wichtigsten Emotionen
im Kontext des Lernens konfrontiert.
Folgende Zuordnungen wurden nach [Astleitner01] gefunden:
•
Angst: Ängstlichkeit, Furcht, Drohung, Gehemmtheit und Gefahr;
•
Neid: Eifersucht, Rivalität, Gerechtigkeitssinn und Benachteiligung;
•
Ärger: Aggression, Wut, Hass, Mängel, Langweile, Gewalt, Enttäuschung,
Frustration, Behinderung, Druck und Streit;
•
Sympathie: Liebe, Zuneigung, Freundschaft, Respekt, Sorgen für andere,
Akzeptanz, Einfühlsamkeit, Gruppengefühl, Einsamkeit, soziale Bindung,
Verantwortungsgefühl, Vertrauen und Hilfsbereitschaft;
•
Vergnügen: Glück, Freude, Befriedigung, Humor, Belohnung und Spaß;
Bezüglich des FEASP-Ansatzes, muss grundsätzlich bemerkt werden, dass die im
FEASP-Ansatz enthaltenen Emotionen sowohl für Lehrer, als auch für Studierende als
sehr wichtig gelten. Die negativen Emotionen wie Angst, Neid und Ärger sollen
verringert werden und die positiven Emotionen wie Sympathie und Vergnügen sollen
gefördert werden.
.
Abbildung 4.2: Die FEASP-Emotionen [Astleitner01]
Seite 43
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Jede der fünf Kategorien beinhaltet unterschiedliche Konzepte bzw. Theorien aus der
Emotionspsychologie und Forschung und bezieht sich auf eine für den Unterricht bzw.
E-Learning System zentrale emotionale Vorraussetzung, der mit geeigneten Lehrmaßnahmen begegnet werden muss, damit die gewünschten emotionalen Effekte bei
den Lernern wahrscheinlich werden. In Untersuchungen konnte die Akzeptanz und der
positive Effekt des FEASP-Modells empirisch bestätigt werden [Astleitner01].
4.4.2 Die Theorien des Modells
Das FEASP-Modell ähnelt formell dem ARCS-Modell (s. Kapitel 3.6.2). Nachfolgend
werden zu den ermittelten FEASP-Emotionen unterschiedliche FEASP-Lehrstrategien
vorgestellt. So werden dem Entwickler Anhaltspunkte und Empfehlungen gegeben,
welche Lernemotionen auf welche Art und Weise gefördert oder reduziert werden
können. Es wird die Lehrstrategie sowie jeweils ein Beispiel für die Realisierung in
einem E-Learning System vorgestellt. Auf Beispiele, die im traditionellen Unterricht
eingesetzt werden können, wird weitgehend verzichtet. Die Zuteilung der FEASPLehrstrategien zu den FEASP-Emotionen wurde anfänglich auf Grundlage von
theoretischen Ansätzen und Resultaten empirischer Untersuchungen geschaffen.
Zu der Lernemotion Angst (Fear) werden die Lehrstrategien F1-F4 zur Senkung der
Angst verwendet und zur Senkung des Faktors Neids (Envy) dienen die Lehrstrategien
E1-E4 (s. Tabelle 4.1).
Primäre
Emotionen
Angst (Fear)
Senkung
Lehrstrategien
F1
F2
F3
F4
Neid (Envy)
Senkung
E1
E2
E3
E4
Stelle Erfolge beim Lernen
sicher
Akzeptiere Fehler als Chancen
zum Lernen
Erzeuge eine entspannte
Situation
Rege kritisches Denken an,
aber halte eine positive
Orientierung aufrecht
Ermutige Vergleiche unter
individueller und kriterialer
und nicht unter sozialer
Bezugsnorm
Installiere eine konsistente und
transparente
Leistungsbewertung
Rege Echtheit und Offenheit
an
Vermeide ungleich verteilte
Privilegien
Beispiele im computergestützten
Unterricht
Kognitives Lernumgebungsdesign,
positives Feedback
Q & A (Fragen und Antworten),
Erfolgsstatistiken
Verwende multimediale
Entspannungstrainings
Setze kognitive Werkzeuge (z.B.
Hypertexte) ein
Nutze "student tracking" Optionen
und Ziellisten
Implementiere automatische
Leistungsbewertung
Verwende Homepages von
Lernenden, schaffe Vertrautheit
Implementiere Belohnungssysteme
Tabelle 4.1: Die Lehrstrategien gegen Angst und Neid [Asteitner01]
[[As[[Astleitner[Astleitner01]
Die folgenden Lehrstrategien befassen sich mit der Senkung von Ärger und der Verstärkung der Sympathie sowie dem Faktor Vergnügen (s. Tabelle 4.2).
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Ärger (Anger) A1
Senkung
A2
A3
A4
Sympathie
(Sympathy)
Erhöhung
S1
Installiere sensitive
Interaktionen
S3
Etabliere kooperative
Lernstrukturen
Implementiere
Hilfeprogramme
Erhöhe das allgemeine
Wohlbefinden
P1
P2
P3
P4
Vermeide Ärgerkomponenten
Zeige flexible Sichtweisen von Nutze Links
Dingen
(Verknüpfungen zu anderen
Informationen)
Lasse einen konstruktiven
Biete Ärger-Hilfe an
Ärgerausdruck zu
Zeige und akzeptiere keine
Implementiere nicht gewalthältige
Form von Gewalt
Action
Intensiviere Beziehungen
Nutze asynchrone und synchrone
Kommunikationsmittel
S2
S4
Vergnügen
(Pleasure)
Erhöhung
Stimuliere Ärgerkontrolle
Richte offene
Lernumgebungen ein
Sei humorvoll
Nutze spielähnliche
Aktivitäten
Implementiere on- und offlinetrainings für empathische
Kommunikation
Verwende Groupware und fördere
das kooperative Arbeiten
Etabliere soziale Netzwerke im
Internet
Implementiere eine
benutzerfreundliche MenschMaschine-Schnittstelle und vermeide
Designfehler
Richte einen virtuellen Klassenraum
ein
Humorvolle Elemente dürfen nicht
zu kurz kommen
Nutze instruktive Computerspiele
Tabelle 4.2: Die übrigen Lehrstrategien [Astleitner01]
Nach [KayGrieder06] ist es einfacher, negative Stimmungen zu reduzieren, als positive
Stimmung zu schaffen. Die Untersuchungsergebnisse von [Astleitner01] zeigen, dass
insbesondere die Emotionen im FEASP-Modell wichtig beim Lernen sind und die
darauf bezogenen Lehrstrategien auch in E-Learning Systemen eingesetzt werden
können. Natürlich lassen sich nach [Astleitner01] nicht alle Instruktionsstrategien implementieren, dennoch sollte man versuchen zur Förderung von Lernemotionen, vor allem
beim selbstregulierten Lernen einige Strategien zu berücksichtigen.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Seite 46
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
5 Interaktivität
Der Begriff der „Interaktivität“ kommt bei E-Learning Systemen besonders häufig vor.
Interaktivität ist nach [Niegemann01] das Zauberwort des Lernens mit neuen Medien.
[Haack02] spricht sogar von einem unaufhaltsamen Aufstieg in den Branchen der
Information und Kommunikationstechnologie. Die Interaktivität ist die zentrale Eigenschaft von mediengestützten Lernprozessen, durch die die Lernenden aktiv in das
Geschehen eingreifen können [vgl. Strzebkowski&Kleeberg02, Schulmeister02].
Besonders in Lernumgebungen, die auf einer konstruktivistischen Lerntheorie beruhen,
wird der Interaktivität ein beträchtlicher Stellenwert eingeräumt. Lernende können
steuernd in den Kommunikations-, Präsentations- und Lernprozess eingreifen, indem
sie den Lerninhalt, Lerndauer oder Lernreihenfolge individuell auswählen können. Ziel
des Konstruktivimus ist es, dass die Lernenden zu eigener Aktivität und Konstruktivität
angeregt werden sollen [vgl. WikKon, Holzinger00]. Lernprozesse können durch Interaktivität gefördert werden. Die Lernmaterialien können anschaulich durch verschiedene
Präsentationsformen dargestellt werden oder man kann das Erlernte einfach am
Computer ausprobieren. So wirken beispielsweise vorgegebene Anleitungen bzw.
Instruktionen fördernd auf das Verständnis oder die aktive Rolle des Benutzers. Alle
diese Elemente fördern die Lernmotivation des Lernenden. Auf die Funktionen der
Interaktivität wird im Kapitel 5.3 näher eingegangen. Interaktivität hat nach
[Niegemann04u.a.] bei Lernmedien eine ausgesprochen positive Auswirkung. Dennoch
sind viele Lernprogramme so interaktiv konzipiert wie ein Buch: So existiert
beispielsweise nur die Möglichkeit des Vor- bzw. Zurückblättern per Mausklick. Im
Folgenden werden Bedeutung, Funktionen (im Zusammenhang mit Motivation), Formen und auch negative Aspekte der Interaktivität erläutert.
5.1
Definition der Interaktivität
Der Begriff „interaktiv“ leitet sich aus dem lateinischen Wort „inter“ für zwischen und
„agere“ für handeln ab [vgl. WikInt]. In seiner ursprünglichen Bedeutung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive bezeichnet Interaktion die gegenseitige Beeinflussung,
die wechselseitige Abhängigkeit und das Miteinander-in-Verbindung-treten zwischen
Individuen [Haack02]. Das Ziel ist die „Kommunikation“ bzw. „Diskussion“ zwischen
den Subjekten (Personen). Dieser Begriff wurde auf viele Bereiche übertragen.
So wurde dieser Begriff in den 80er Jahren auch auf den Bereich der HumanComputer-Interaction übertragen [Shneiderman98]. Dieser Begriff erhält eine besondere Bedeutung im Kontext der Human-Computer-Interaction (HCI). Seit digitale
Medien Aufgaben menschlicher Kommunikationspartner übernehmen können, wird der
Begriff Interaktion auf Fälle erweitert, in denen eines der Individuen durch ein vergleichbares technisches System ersetzt wird. Dabei tritt der Computer als ein
Handlungspartner auf. Der Begriff Human-Computer-Interaction (HCI) bezeichnet nach
[Haack02] sowohl das reale Nutzungsgeschehen zwischen Computer und Mensch als
auch Teildisziplinen der Informatik, die sich mit der Beschreibung, Erklärung und
Optimierung dieser Abläufe befasst.
Nach [Niegemann04u.a.] versteht man unter dem Begriff „Interaktivität“ das Ausmaß, in
dem eine Lernumgebung Interaktionen ermöglicht und fördert. Interaktionen werden als
ein dialogähnlicher Austausch zwischen Nutzer und System beschrieben und geben
den Lernenden die Möglichkeit, selbst in den Lernprozess einzugreifen oder die
Interaktion ermöglicht den Austausch von Informationen mit entfernten Personen
[Kerres01]. Im Bereich des E-Learning hat man es im Normalfall mit Interaktionsketten
zu tun, die im Idealfall der Lernsituation eines Lerners mit einem Privatlehrer nahe
kommt. Die Abbildung 5.1 zeigt eine Interaktionskette zwischen einer Lernumgebung
und einem Lernenden. In einer solchen Situation werden zum Beispiel durch eine
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Aktion A des Interaktionspartners (Lernsystem) spezielle mentale Operationen beim
Partner B (Lerner) angeregt. Jetzt reagiert B seinerseits auf die Aktion von A. Diese
Reaktion hat zweierlei Auswirkungen: Zum einen liefert es A eine Rückmeldung und
zum anderen werden durch die Reaktion von B bei A bestimmte Operationen ausgelöst
[Niegemann04u.a.].
Abbildung 5.1: Interaktionskette [Niegemann04u.a.]
Die Bedeutung der Interaktivität nach [Haack02] lässt sich somit als abgeleiteter Begriff
interpretieren, der in Bezug auf die Gestaltung von Lernprogrammen die Eigenschaft
der Software beschreibt, dem Benutzer unterschiedliche Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Es werden die aktive Rolle des Benutzers, die
Freiheitsgrade bei den Wahlmöglichkeiten, dialogähnliche Aktivitäten und Beeinflussung des Benutzers eines Softwareprogramms betrachtet.
5.2
Zusammenhang zwischen Interaktivität und Motivation
Der Interaktivität kann nach [Strzebkowski&Kleeberg02, Haack02] eine positive Funktion auf die Lernmotivation des Lernenden zugeschrieben werden. Eine motivierende
Funktion wird von vielen Autoren sehr häufig beschrieben. Durch Einbinden von geeigneten Interaktionen kann die intrinsische Motivation des Lernenden nach
[Niegemann04u.a.] verstärkt werden. Weitere Funktionen der Interaktivität werden im
Kapitel 5.3 näher erläutert. Nach [Schank94] ist die Interaktivität eine der bedeutendsten, wenn nicht die elementarste Funktion von didaktischen Anwendungen,
da sie sowohl im kognitiven als auch im motivationalen Bereich eine tiefe Wirkung
hinterlässt. Mit Hilfe der Interaktivität wird selbstreguliertes Lernen, selbstständiges
Probieren, Nachvollziehen von Zusammenhängen, aktives Denken und Lernen gefördert und individuelles Bewerten verstärkt.
Durch den Einsatz sinnvoller Interaktionen soll das Lernen erkenntnisreicher werden.
Der Informationsverarbeitungsprozess, inwiefern Lerninhalte verknüpft sind, die
Funktionsweise von Objekten, der Zusammenhang der Lernmaterialien, soll individuell,
selbstständig und mit vollem Eifer bei den Lernenden ablaufen. Es ist nicht so effektiv
Seite 48
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
für den Lernprozess, wenn Lernende nur passiv Informationen aufnehmen, (vgl. Behaviorismus), als wenn sie angeregt werden, aktiv am Lernprozess teilzunehmen
[Niegemann01]. Infolgedessen werden komplizierte Zusammenhänge verständlicher,
weil diese selbst entdeckt, erforscht und verstanden werden. Dies hat wiederum eine
positive mentale Auswirkung auf die Lernenden.
Die Interaktionen motivieren den Lernenden. Der Lernende soll nach [Haack02] aktiv
in das Lerngeschehen eingebunden werden. Dies ist vor allem bei E-Learning
Systemen der Fall, denen eine konstruktivistische Lerntheorie zu Grunde liegt. In einer
offenen Lernumgebung sind das Feedback der Lernobjekte, sowie die Interaktivität
besonders wichtig. Man sollte unbedingt darauf achten, jede demotivierende Interaktion so weit wie möglich zu reduzieren oder zu vermeiden. So sollten keine
Äußerungen oder Handlungen vollzogen werden, die das Selbstwertgefühl oder das
Selbstbewusstsein des Lernenden in irgendeiner Form beeinträchtigen. Ironisch
wirkende oder scherzhaft gemeinte Rückmeldungen bzw. Äußerungen wie „hoffen wir,
dass es beim nächsten Mal klappt“ sollten auf alle Fälle vermieden werden, da man die
Empfänger auf der anderen Seite und ihre Reaktion nicht kennt. Auf dieses Prinzip
sollte grundsätzlich geachtet werden. Auf negative Auswirkungen bzw. kognitiven
Überlast der Interaktivität wird im Kapitel 5.6 genauer eingegangen. Auf Modelle bzw.
Strategien, die die Lernmotivation im Kontext der Interaktivität erhöhen können, wurde
im Kapitel 3.6 eingegangen.
5.3
Weitere Funktionen von Interaktivität
Interaktivität hat aber über diese Motivationsfunktion hinaus noch weitere Wirkungen
auf den Lernenden. Nach [Niegemann04u.a.] werden häufig Funktionen angestrebt,
die der Kommunikation mit einem menschlichen Tutor oder Dozent nahe kommen.
[Niegemann01] fasst die Funktionen der Interaktivität in der Abbildung 5.2 zusammen.
Abbildung 5.2: Funktionen von Interaktivität [Niegemann01]
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Motivationsfördernde Interaktionen: s. vorheriges Kapitel 5.2.
Informationsliefernde Interaktionen: Hinweise bzw. Anleitungen auf die noch zu
bearbeitenden Lerninhalte erleichtern das selbstgesteuerte Lernen.
Verstehen fördernde Interaktionen: Alternative Erklärungen, besondere Hilfen oder
verschiedene Präsentationsformen sollen angeboten werden, um eine Verbindung mit
dem Vorwissen zu ermöglichen.
Interaktionen, die das Anwenden und den Transfer fördern: Zum Beispiel könnten
im Kontext des Lernens Links zu zusätzlichen Informationen angeklickt werden.
Interaktionen, die den Lernprozess regulieren: Übersichten über den aktuellen
Standort über Inhalte, Lernhilfen, Anleitungen oder Empfehlungen für spezielle Lernwege können den Prozess der Selbststeuerung unterstützen.
Behalten fördernde Interaktionen: Das Behalten wird durch Übungsaufgaben oder
Übungsmöglichkeiten begünstigt.
Nach Klauer [zitiert in Niegemann01] sind das die Grundfunktionen jedes Lehrens. Aus
der Sicht von [Niegemann01] ist keine Interaktivität vorhanden, wenn sie keine der
oben beschriebenen Funktionen erfüllt. Zudem könnte diese „Interaktivität“ noch kontraproduktiv auf den Lernprozess wirken.
[Haack02] fasst die Funktionen der Interaktivität in zwei Hauptkategorien zusammen.
Er nennt zwei wesentliche Funktionen der Interaktivität und zwar die Auswirkungen auf
das individualisierte und das motivierte Lernen.
Unter dem motivierten Lernen versteht man das aktive Einbinden des Lernenden in
den Lernprozess. Dies kann durch interaktive Techniken gefördert werden.
Unter dem individualisierten Lernen versteht man das existierende Wahlmöglichkeiten
und Präsentationsformen von Lernmaterialien im Lerngeschehen, die den individuellen
Bedürfnissen des Lernenden entsprechen, präsentiert werden. Die Interaktivität begünstigt Individualisierbarkeit bei Lernprozessen.
5.4
Formen der Interaktivität
Die Möglichkeiten des Benutzers den Ablauf des Lernprogramms zu beeinflussen,
fallen unterschiedlich aus. Um festzustellen, welche Interaktivitätsformen in einem
Lernprogramm vorhanden sind, gehen viele Autoren von unterschiedlichen Ansätzen
aus. [Schulmeister01] beschreibt, dass bei einigen Verfassern die Häufigkeit der
Interaktivität im Mittelpunkt steht, andere betrachten die Güte der Interaktivität und wiederum anderen ist der multimediale Charakter wichtig. Die Lernenden können steuernd
in den Kommunikations-, Präsentations- und Lernprozess eingreifen, indem sie die
verschiedenen Formen der Interaktivität nutzen. [Strzebkowski&Kleeberg02] gehen von
folgender Annahme aus: Je höher die Qualität der Interaktivität in einem Lernprogramm ist, desto effektiver ist seine lernpsychologische Funktion.
[Strzebkowski&Kleeberg02] gruppieren die verschiedenen Formen der Interaktivität in
einer Lernsoftware grob unter zwei Hauptklassen (s. Abbildung 5.3) Die zwei Klassen
in einer Lernsoftware sind nach Strzebkowski und Kleeberg die Steuerungsinteraktionen und die didaktischen Interaktionen. Alle Möglichkeiten der Interaktivität
werden letztendlich diesen beiden Klassen zugeordnet.
Seite 50
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 5.3: Wechselwirkung zwischen den Interaktionen [Strzebkowski&Kleeberg02]
Die Grenzen zwischen den beiden Interaktionskategorien sind fließend (s. Abbildung
5.3). Sollten die Lernenden innerhalb einer Lernsoftware die Möglichkeit haben frei zu
navigieren, so ist diese Form den Steuerungsinteraktionen zu zuordnen, sollte das
Lernsystem bei den angewählten Navigationsknoten mit unterstützenden Mitteilungen
für den Lernenden reagieren, wird diese Form den didaktischen Interaktionen zugeordnet.
Die didaktischen Interaktionen sind in der Regel schwieriger und komplizierter zu
realisieren als die Steuerungsinteraktionen. Heutzutage bieten die Mehrheit der Lernprogramme nur klassische Steuerungsinteraktionen dar. Oftmals werden die
didaktischen Interaktionen wegen der hohen Implementierungskosten aus den
Lernanwendungen gestrichen und in die Präsenzveranstaltungen verlegt. Im Durchschnitt liegen die Kosten für die Realisierung einer Lernsoftware bei 150.000 Euro [vgl.
Strzebkowski&Kleeberg02]. In manchen Fällen werden sogar die didaktischen
Interaktionen bei der Konzeption einer Lernanwendung vorsätzlich weggelassen.
5.4.1 Steuerungsinteraktionen
Die Steuerungsinteraktionen beinhalten alle System- und Navigationsfunktionen. Sie
umfassen alle Handlungen, die mit der Steuerung der Lernsoftware zu tun haben.
Nach [Strzebkowski&Kleeberg02] gehören beispielsweise zum Bereich der klassischen
Steuerungsinteraktionen:
•
Steuerung des Ablaufs des Programms;
•
selbstständige Auswahl von Lerninhalten und von Präsentationsformen;
•
Entscheidung über einen Lernweg;
•
selbstständige Wahl einer Sequenz des Lehrstoffs;
•
Bearbeiten und Lösen von Problemen und Aufgaben;
•
Auswahlentscheidungen bezüglich Aufgaben und Beispielen;
•
Nutzen und Fordern von Hilfen;
Seite 51
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
•
zeitliche Steuerung der Wiedergabe von Inhalten wie Ton, Animation oder
Video;
•
Einzelworteingabe als beschränkte Form des Mensch-Maschine Dialogs;
•
Speichern des Zwischenzustands etc.;
Auf eine sinnvolle Wahl, Strukturierung und Platzierung der Steuerungsinteraktionen
sollte geachtet werden. Das Empfinden von Kontrolle erhält der Lerner durch die Wahl
der Interaktionsformen. Häufige oder wichtige Operationen sollten hervorgehoben
werden. Auf eine Hierarchie bei der Präsentation der Lernmaterialien sollte geachtet
werden. Die Oberfläche sollte natürlich und übersichtlich gestaltet sein. Der Einsatz
von Metaphern, die an der realen Welt angelehnt sind, empfiehlt sich. Die Steuerungsinteraktionen müssten intuitiv gestaltet werden oder gekennzeichnet werden,
damit der Lerner schnell zur gesuchten Information gelangt. Dadurch kann der Lerner
erfahren, wohin er zum Beispiel durch das Maus klicken gelangt.
5.4.2 Didaktische Interaktionen
Mit den didaktischen Interaktionen werden die erweiterten Interaktionsformen
charakterisiert. Diese Interaktionen haben die Funktion, direkt den Erkenntnisprozess
des Lernenden zu unterstützen. Sie sollen aktives Denken gewährleisten, kreative
Tätigkeiten begünstigen und zu einem bedeutungsvollen und entdeckenden Lernen
führen. Nach [Strzebkowski&Kleeberg02] gehören beispielsweise zum Bereich der
didaktischen Interaktionen:
•
Ein adaptives, tutorielles Feedback sollte angeboten werden;
•
Der Lerner kann existierende Lernmaterialen und Daten modifizieren;
•
Man kann neue Daten oder multimediale Lernobjekte kreieren. Das Lernsystem
erlaubt dem Lerner neue individuelle Objekte aus den präsentierten
Lernmaterialien zu erschaffen oder die angebotenen Lernmaterialien zu
vervollständigen. Beispielsweise die Eingabe neuer Wörter in ein
Vokabellernprogramm;
•
Die Möglichkeit der Texteingabe (auch die Mehrworteingabe) von komplexen
Antworten auf Fragestellungen, könnte durch das Lernsystem unterstützt
werden. Dementsprechend kann ein Mensch-Tutor (Computer) Dialog hergestellt werden;
•
Eingabe von Parametern zur Steuerung von interaktiven Präsentationsformen
wie Simulation oder Animation;
•
Learning by doing: Das Lernen soll direkt in der Tätigkeit erfolgen;
•
Der Lerner sollte an das Lernsystem und auch an andere Teilnehmer Fragen
stellen können. Der Informationsaustausch mit anderen Lernenden sollte
ermöglicht werden;
•
Der Lerner sollte ein elektronisches Notizblock nützen können;
•
Die Eingaben in das Lernsystem sollte eine gewisse Fehlertoleranz aufweisen;
Seite 52
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Durch die didaktischen Interaktionen soll der Lerner veranlasst werden, sich mit den
Inhalten auseinanderzusetzen. Hier steht nicht die schnelle Steuerung und Suche von
Lerninhalten im Vordergrund, sondern der aktive Wissenserwerb.
5.5
Taxonomie der Interaktivität nach Schulmeister
Schulmeister hat einen Entwurf für eine Taxonomie der Interaktivität angefertigt [vgl.
Schulmeister01, Schulmeister05]. Er unterscheidet im Folgenden sechs Klassen, die
nach dem Grad der Interaktivität unterschieden werden. Diese Einteilung bezieht sich
auf Multimedia-Komponenten in einem Lernsystem.
Stufe I: Objekte betrachten und rezipieren
Auf dieser Stufe hat der Nutzer nur die Möglichkeit, die präsentierten Informationen
wahrzunehmen. Der Benutzer kann die Multimedia-Komponenten nur anschauen,
lesen oder hören. In dieser Situation haben die multimedialen Komponenten nur die
Wirkung, den Lerner zu informieren. Der Inhalt bleibt gleich bleibend, er kann nicht den
Inhalt bzw. Objekte modifizieren.
Stufe II: Multiple Darstellungen betrachten und rezipieren
Auf der zweiten Stufe sind die multimedialen Komponenten schon fertige Objekte. Es
gibt für einige multimediale Komponenten diverse Präsentationsformen. Der Benutzer
kann zwischen unterschiedlichen Objekten desselben Inhalts wählen. So haben die
Benutzer zum Beispiel die Möglichkeit, verschiedene Optionen auszuwählen. Die Lernobjekte können auch hier nur wahrgenommen werden. Man kann den Inhalt nicht verändern.
Stufe III: Die Repräsentationsform variieren
Der Benutzer hat die Möglichkeit durch direkte Manipulation einen aktiven Einfluss auf
die Darstellung der multimedialen Komponenten zu nehmen. So kann er beispielsweise zweidimensionale Grafiken skalieren oder durch Klicken in einer Videosequenz zu
anderen Teilen gelangen.
Stufe IV: Den Inhalt der Komponente modifizieren: Variation durch
Parameter- oder Datenvariation
Auf dieser Stufe werden die Inhalte der Multimedia-Komponenten nicht vorgegeben,
sondern sie können durch Eingaben des Benutzers generiert werden. Bei
Diagrammen, Ton und Animationen können die Benutzer einen bestimmten
Bewegungsspielraum aufweisen. Durch die selbständige Eingabe von Daten oder
durch Variieren von Parametern können neue Darstellungsweisen erzeugt werden.
Stufe V: Das Objekt bzw. den Inhalt der Repräsentation konstruieren und
Prozesse generieren
Auf dieser Stufe werden dem Lernenden Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, mit
denen er selbstständig Objekte konstruieren oder Modelle entwerfen kann. So geben
beispielsweise einige Geometrieprogramme den Lernenden die Möglichkeit, geometrische Problemstellungen zu lösen wie Schnittpunkte zu finden und Winkelhalbierende
oder Seitenhalbierende zu konstruieren.
Seite 53
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Stufe VI: Konstruktive und manipulierende Handlungen mit situationsabhängigen Rückmeldungen
Die Interaktivität dieser Stufe wurde hauptsächlich bei naturwissenschaftlichen Programmen wie Mathematikeditoren oder Geometrieprogrammen erreicht. Auf dieser
Stufe tritt der Computer als Weggefährte auf, ihm werden Aktionen sowie Objekte des
Lernenden geschickt, die er schließlich versteht bzw. interpretiert. Das Programm
antwortet mit einem entsprechenden Feedback.
Die nach Schulmeister aufgestellten sechs Modellierungsstufen besitzen mehrere
Überschneidungen mit den nach [ElSaddik01] konzipierten sieben Modellierungsstufen. Die Einteilung nach [ElSaddik01] kann sehr gut mit der von Schulmeister
verglichen werden. In beiden Konzepten werden aber Aspekte der sozialen Interaktion
nicht berücksichtigt. Normalerweise sollte ein hoher Interaktionsgrad in jedem Lernprogramm zur Steigerung des Wissenserwerbs angestrebt werden [Holzinger00].
5.6
Negative Auswirkung der Interaktivität
Man könnte die Vorstellung gewinnen, dass durch Einfügen mehrerer multimedialer
Komponenten die Interaktivität erhöht wird und dies sich wiederum positiv auf den
Lernprozess auswirkt. Feldmann [zitiert in Schallehn04] weist mahnend auf die
Möglichkeit hin, dass Lernende durch Interaktivität überfordert werden können oder
dass die Interaktivität ihnen, speziell wenn die Interaktivität nicht didaktisch sinnvoll
eingesetzt wird, einfach überflüssig erscheinen könnte. Man sollte ebenso darauf
achten, dass es bei der Präsentation nicht zu einer Überladung der Lerninhalte kommt.
Dieses „Phänomen“ lässt sich unter dem Stichwort kognitive Überlast (kognitve
overload) einordnen. Der Lernende würde bei einer Überflutung durch Lernmaterialien
mental abschalten und seine kognitive Aufnahmefähigkeit würde vermindert werden.
Diese Bedingungen könnten zu einer Verschlechterung des Lernergebnisses führen
[Mayer01].
Mit dem Phänomen der kognitiven Überlast des Lernenden beschäftigt sich Richard
Mayer in seinen Untersuchungen. In mehreren Fällen hat sich durch den Einsatz von
multimedial gestützten Komponenten kein signifikant größerer Lernerfolg gegenüber
traditionellen Lernmethoden ergeben. Durch das Integrieren von multimedialen Komponenten kann der Grad der Interaktivität zwar erhöht werden, oftmals wirkt sich der
übertriebene und der falsch durchdachte Einsatz von Medien negativ auf den Lernprozess bzw. Lernergebnis aus. Diese Überlastung könnte sich natürlich nicht nur
negativ auf den Verstehensprozess auswirken, sondern auch die Lernmotivation
erheblich reduzieren. Die Verminderung der Lernmotivation könnte dazu führen, dass
man die Auseinandersetzung mit dem E-Learning Programm vollständig aufgibt. Diese
kognitive Überlastung des Lernenden tritt häufig bei einer großen Menge von
multimedialen Komponenten in einem Lernprogramm auf. [Mayer01] stellte sieben
Design-Prinzipien für multimediale Lernprogramme auf. Das Redundanzprinzip besagt
beispielsweise, dass es effektiver für den Wissenserwerb des Lernenden ist, wenn nur
eine Animation und Erzählung existiert als eine Animation, Erzählung und
Textpassage. Eine Präsentation hat eine größere Wirkung auf den Lernerfolg, wenn
man sich entweder nur auf eine Textdarstellung in gesprochener Form konzentrieren
muss oder auf eine Textdarstellung in geschriebener Form, aber nicht auf beides
gleichzeitig. Man sollte den Gebrauch von multimedialen Komponenten zur Erhöhung
der Interaktivität gut überlegen. Werden mehr multimediale Komponenten in ein
Lernsystem integriert, wird nicht automatisch mehr Qualität oder Effektivität erreicht
[Mayer01, Mayer03].
Seite 54
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
6 Die untersuchten Kriterien
Mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (s. Kapitel 3.5.1)
wird eine Theorie dargestellt, die eine Erklärung für motiviertes Lernen liefert.
Demnach hat der Mensch nach Deci und Ryan das Bedürfnis mit anderen Menschen
sozial in Kontakt zu treten, sich persönlich autonom zu fühlen und seine Fähigkeiten
nützlich einzubringen. Aufbauend auf dieser Theorie hat Prenzel drei weitere
Bedingungen für ein selbstbestimmtes motiviertes Lernen entworfen. Die Bedingungen
inhaltliche Relevanz, Interesse der Lehrperson und Instruktionsqualität, die den Faktor
klare Strukturiertheit und Abwechslung einschließen (s. Kapitel 3.5.4). Somit beschreibt er sechs Bedingungen, die als motivationsunterstützend gelten. Im Nachfolgenden wird beschrieben, wie E-Learning Umgebungen aufgebaut werden können,
damit sie fünf dieser sechs Bedingungen von Prenzel erfüllen. Es handelt sich nur um
fünf Bedingungen, da die Übertragung der Bedingung „Interesse der Lehrperson“ auf
das Lernen mit einem E-Learning System nur schwer zu realisieren ist und Aufgabe
realer Lehrpersonen bleibt [Kandler02]. Demzufolge wird ein Kriterienkatalog bzgl. der
Autonomie, Kompetenz, sozialer Einbindung, Instruktionsqualität und inhaltliche
Relevanz, der Kriterien zur Unterstützung, Erhaltung und/oder Schwierigkeiten im
Aufbau der Lernmotivation unter dem Aspekt der Interaktivität beinhaltet, erstellt. Des
Weiteren wird ein Oberbegriff das FEASP-Modell sein, um eine emotional stimmige ELearning Umgebung zu gewährleisten. Zuletzt wird noch auf das Kriterium der Multimedialität in E-Learning Umgebungen eingegangen. Durch innovative Medien bzw.
Komponenten lässt sich die Neugiermotivation anregen.
6.1
Autonomieunterstützung
Nach Deci und Ryan möchten Menschen selbstständig entscheiden, was sie tun. Die
Möglichkeit einer Auswahl wird angenehmer empfunden als etwas Auferlegtes tun zu
müssen. Personen möchten einen gewissen Handlungsspielraum sowie eigene
Entscheidungsmacht behalten. Zusammenfassend kann man sagen, dass Menschen
grundlegend das Bedürfnis, haben autonom zu handeln. Nach [Kramer02] ist die
motivationsförderliche Funktion von autonomieunterstützenden Lernumgebungen
häufig analysiert und empirisch belegt worden. Autonomieunterstützende Lernumgebungen haben einen größeren Effekt auf die intrinsische Motivation, Selbsteinschätzung, Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit des Lernenden, als kontrollierende Lernumgebungen.
Hat der Anwender ein Gefühl der subjektiven Kontrolle über das Lernvorgehen, so wird
das Lernen für ihn selbstbestimmter und autonomer. Dies kann die intrinsische
Motivation erheblich erhöhen [vgl. elearn1]. Man sollte dem Lerner eine weitgehende
Kontrolle über Lernwege überlassen, dementsprechend soll er in die Lage versetzt
werden über seinen Lernweg selbst bestimmen zu können [Kerres01]. Ihm sollten
Wahlmöglichkeiten bei der Vorgehensweise eines zu bearbeitenden Kapitels oder
Themas angeboten werden (Wo kann ich nachschauen?; Wie kann ich den Stoff
vertiefen?; Welche Lernmaterialien bzw. Präsentation wähle ich aus?; usw.). Im Prinzip
sollte jeder Lernende selbst entscheiden, welche Lektion bzw. Abschnitt des Lehrstoffs
er momentan bearbeitet. Besitzt er diese Entscheidung, kann er entsprechend seinen
jeweiligen individuellen Stärken, Fähigkeiten oder Interessen, Schwerpunkte im
Lehrstoff selbstständig setzen. Weitere Entscheidungen z.B. über das Lerntempo oder
der automatische Wechsel der Bildschirmseite sollten beim Lernenden liegen. Ebenso
sollte die Möglichkeit der zeitlichen Steuerung von Inhalten wie Ton oder Animation
dem Lernenden überlassen werden. Das gerade bearbeitete Kapitel bzw. das
Lehrprogramm kann jederzeit durch den Benutzer ab- oder untergebrochen werden.
Zeitdruck, aufgezwungene Ziele oder Druck jeglicher Art, wie es im Behaviorismus
durchgeführt wird, sind Beispiele für eine Reduzierung der Lernmotivation. Der
Seite 55
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Anwender soll die Gelegenheit bekommen, Probleme und Aufgaben zu bearbeiten und
zu lösen. Er sollte aktiv am Lernprozess teilnehmen und Lernschritte, Sequenz des
Lehrstoffs und Lernobjekte selbständig aussuchen können. Die Lernenden strukturieren und planen ihren eigenen Lernprozess, handeln eigenmächtig. Die Auswahl
der Ressourcen, Medien und Lernwege liegt immer beim Lernenden. Dieser Grundsatz
stimmt auch mit Spitzers „choice“ Prinzip des Supermotivationsansatzes zur Stärkung
einer Lernmotivation überein. Alle diese genannten Bedingungen betonen das
Bedürfnis nach Autonomie des Lernenden, welche die intrinsische Motivation zusätzlich verstärkt.
Ein Navigieren zu den schon bearbeiteten Einheiten sollte jederzeit möglich sein.
Orientierungshilfen wie Sitemaps, Fischaugenansicht, Lesezeichen oder Navigationsleisten sollten den aktiven Lernprozess des Lernenden unterstützen und ein
erneutes Zurückkehren bei fehlgeschlagener Auswahl beispielsweise von Lernmaterialien ermöglichen. Die Übersicht über den aktuellen Standort hilft dem Lernenden
bei der Auswahl einer Reihenfolge des Lehrstoffs. Die Orientierungshilfen dienen der
Vermeidung von Verwirrung und der daraus resultierenden Enttäuschung. Zu jedem
Zeitpunkt muss der Lernende wissen, wo er sich im Lernsystem befindet und er
schnell und einfach zum gewünschten Zielpunkt navigieren kann.
Die Unterstützung der Autonomie beabsichtigt ebenso, dem Lernenden die Möglichkeit
zu geben, individuelle Fragen an das Lehrsystem oder an andere Lernende zu stellen.
Werden Rückmeldungen angeboten, muss darauf geachtet werden, dass kontrollierende Aussagen wie „beim nächsten Mal darf der Fehler nicht passieren“
vermieden werden, genauso wie Angaben zur Begabung speziell bei schwachen
Lernleistungen. Bei Rückmeldungen sollte man sich nur auf die inhaltlich-sachliche
Ebene der guten Ergebnisse beziehen.
Zusammenfassend bedeutet das Unterstützen von Autonomie also, dass eine
vorgegebene Struktur vorhanden ist, in denen sich der Lernende frei bewegen kann. Er
sollte natürlich nicht vollständig alleine gelassen werden in einer unstrukturierten
Lernumgebung, sondern ihm sollten gewisse Handlungsspielräume und Auswahlentscheidungen in einer strukturierten Lernumgebung gegeben werden, die ihn zu den
Zielen führen. [Kramer02] stellt fest, dass der Lerner umso weniger aktiv wird, je mehr
Input-Vorgaben in einem E-Learning System existieren.
6.2
Soziale Einbindung
Die Bedeutung von Unterstützung, Einbindung des Individuums und sozialer Präsenz
kann jeder Mensch nachvollziehen. Natürlich sind die genannten Punkte in einem ELearning System schwieriger zu realisieren als im direkten Kontakt mit Personen.
Soziale Einbindung und das Zugehörigkeitsgefühl sind nach [Deci&Ryan93]
außerordentlich bedeutend für die Entwicklung eines eher fremdbestimmten
motivierten Lernens hin zu einem eher selbstbestimmt motivierten Lernens. Soziale
Einbindung bedeutet: Empfinden von sozialer Zugehörigkeit wie Integration in
Lerngruppen, kooperatives Arbeiten, Vermeiden von Isolation, Umgang mit anderen
Kollegen und Akzeptanz. Die Förderung bzw. Erfüllung des psychologischen Bedürfnisses nach sozialer Einbindung ist ein wichtiger Aspekt für das Auftreten einer
intrinsischen Motivation des Lernenden. Mit der sozialen Einbindung, Kommunikationsmöglichkeiten und Integration können Anschlussmotive der Lernenden angeregt
werden. Der Mangel an sozialer Einbindung ist ein vielfach genannter Grund für
Motivationsprobleme beim E-Learning [vgl. elearn1]. Die motivationsunterstützende
soziale Einbindung zeichnet sich des Weiteren durch ein Anregen und Unterstützen
von kooperativen Arbeits- und Lernformen aus [Prenzel00u.a].
Seite 56
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Existieren in einem E-Learning System nur wenige soziale Interaktionen oder fühlen
sich die Lernenden in ihrem Lernprozess vollkommen alleine gelassen, so kann die
Motivation darunter leiden. Die Lernenden könnten den Eindruck gewinnen, dass eine
traditionelle Ausbildung für sie sinnvoller wäre. Ein Mangel der sozialen Präsenz kann
auch die Motivation an der aktiven Teilnahme einschränken [vgl. elearn1]. [Haack02]
weist darauf hin, dass die Menge der Aktivitäten der Lernenden als Indikator für die
Motivation gesehen werden kann. Werden Informationen über Lernende und Lehrende
zur Verfügung gestellt, ist das eine Methode zur Erhöhung der sozialen Präsenz.
Beginnt ein Teilnehmer sich mit einem E-Learning System auseinanderzusetzen, so
könnte er einleitend die Möglichkeit haben seine individuelle Ansicht zu erstellen. Ein
persönliches Foto, besondere Informationen über Fähigkeiten, E-Mail Adresse etc.
machen die Identifikation des Individuums innerhalb der Lernumgebung leichter.
Derartige Teilnehmerinformationen helfen eine soziale Präsenz aufzubauen und die
Anonymität der Teilnehmer zu verhindern. Die Identität der Teilnehmer und der Tutoren
verleiht der Lernumgebung eine soziale Komponente, welche wiederum einen
positiven Effekt auf die Motivation haben kann. Dennoch sollte der Einsatz von Fotos
bzw. speziellen Informationen den Teilnehmern überlassen werden, da ein gewisser
Grad an Anonymität für einige Teilnehmer bedeutend sein kann.
Es müssen Möglichkeiten für die Teilnehmer geschaffen werden, mit anderen
Lernenden in Kontakt treten zu können. So könnten durch die Tutoren oder Lehrkräfte
Präsenzveranstaltungen für die Teilnehmer organisiert werden, in denen Lernergruppen (mit Personen, die in der Nähe wohnen) gebildet werden oder es sollten
mindestens Möglichkeiten der synchronen und asynchronen Kommunikation bereitgestellt werden. Mit diesen Präsenzveranstaltungen werden Hindernisse der Identität
und Anonymität überwunden. Durch die technischen Möglichkeiten (Kommunikationswerkzeuge) einer Lernumgebung kann der Austausch von Ideen, Informationen und
Erfahrungen realisiert werden. Auf diese Weise kann soziale Interaktion zugänglich
gemacht werden und kooperatives Lernen realisiert werden. Unter kooperativem
Lernen versteht man das Lernen in einer Gruppe, bei denen sich die Gruppenmitglieder das Wissen gemeinsam erarbeiten. Kooperatives Lernen wird beispielsweise
beim Computer-Supported-CooperativE-Learning (CSCL) ermöglicht. CSCL beschreibt
Lernansätze, bei denen das kooperative Lernen durch den Einsatz von computergestützten Informations- und Kommunikationssystemen unterstützt wird [vgl. WikLea].
Der Kontakt mit den Tutoren oder Lehrkräften soll ermöglicht werden, um bei
Anmerkungen oder Fragen nicht alleine dazustehen.
Durch die ständige Bereitstellung von synchronen und asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten soll der Beziehungsaufbau, die Zusammenarbeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Lernenden ermöglicht bzw. unterstützt werden.
Es können Erfahrungen, Meinungen, Kritik oder Lösungsideen ausgetauscht werden.
Man kann die Kommunikationswerkzeuge in technisch asynchrone sowie synchrone
Dienste einteilen (s. Abbildung 6.1).
Seite 57
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 6.1: Kommunikationstools [HuSk05]
Unter Asynchronität, versteht man die indirekte Form der Kommunikation. Die
Nachricht wird zwischengespeichert durch beispielsweise einen E-Mail Server und der
Empfänger ist nicht gezwungen wie bei einem Telefonat, diesem im selben Moment
entgegenzuwirken. Das Gegenstück der asynchronen Dienste (E-Mail, Newsgroups)
bilden die synchronen Dienste (wie Chat).
Unter Synchronität versteht man also die direkte Form der Kommunikation. Durch die
fehlende Zwischenspeicherung der Nachricht durch einen zentralen Server erfolgt
diese Kommunikationsform synchron. Der Empfänger muss unverzüglich der eingehenden Nachricht entgegenwirken, da sonst die Kommunikation nicht zustande
kommt. Einige synchrone bzw. asynchrone Kommunikationswerkzeuge sollten auf
jeden Fall innerhalb einer Lernumgebung angeboten werden, um eine gute soziale
Interaktion zwischen Lernenden bzw. Lehrenden zu gewährleisten [vgl. WikSyn,
Holzinger02]. Eine Kombination der beiden Kommunikationswerkzeuge erweist sich
dabei als sinnvoll. Da bei unproduktiver oder mühsamer asynchroner Kommunikation
auf synchrone Kommunikation gewechselt werden kann oder umgekehrt. Auch nach
Spitzers Supermotivationsansatzes (s. Kapitel 3.6.3) hat die soziale Interaktion eine
wichtige motivationale Wirkung auf den Lernprozess. Bei Schulmeisters Taxonomie der
Interaktivität (s. Kapitel 5.6) wird die soziale Interaktionskomponente nicht berücksichtigt.
6.3
Kompetenzunterstützung
Nach Deci und Ryan haben Menschen das Bedürfnis, Kompetenz bei ihren Fähigkeiten oder Fertigkeiten zu empfinden. Man empfindet sich als kompetent, wenn
unsere Handlungsprozesse dazu führen, dass wünschenswerte Ergebnisse bzw.
Ereignisse eintreten und unangenehme verhindert werden. Das Individuum möchte
wirksam handeln, die individuellen Fähigkeiten oder Fertigkeiten weiterentwickeln,
einbringen und in diesem Prozess unterstützt werden. Nach [Krapp02] hat sich das
Erleben von Kompetenz als bedeutungsvoll, aber nicht hinreichend für die Erzeugung
intrinsischer Motivation herausgestellt. Kompetenzunterstützende Lernumgebungen
müssen einige Komponenten der Autonomieunterstützung aufweisen, um die Bildung
von intrinsischer Motivation wahrscheinlich zu machen.
Seite 58
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Die Aufgabe des E-Learning Systems ist es, eine Lernumgebung zu schaffen, in der
Merkmale bzw. Konzepte zur Steigerung des Kompetenzerlebens des Individuums
realisiert werden können. Die Voraussetzung für Kompetenzerleben ist, dass ein
optimales Anforderungsniveau gewährleistet ist, damit eine Tätigkeit intrinsisch motivierend wirken kann. Es könnten Übungsaufgaben, Simulationen, Prüfungen oder
Spiele präsentiert werden, in denen das zuvor neu erlernte Wissen angewendet wird.
Des Weiteren sollen die präsentierten Aufgaben einen optimalen Schwierigkeitsgrad
aufweisen. Die Lernenden sollten durch einen optimalen Schwierigkeitsgrad herausgefordert, ihr Explorationsbedürfnis und ihre Kreativität angeregt werden [vgl. elearn1].
Man könnte durch eine Analyse der Zielgruppe bzw. das Vorwissen der Lerngruppe ein
angemessenes Anforderungsniveau erzeugen. Ein Angebot aus verschieden
schwierigen Aufgaben ermöglicht dem Lernenden die Wahl eines persönlichen
Anspruchsniveaus. Adaptive Systeme ermöglichen hingegen die Anpassung der
Ansprüche des Lernsystems an den aktuellen Wissenstand des Lernenden. Die Aufgaben oder die Lehrinhalte werden dynamisch dem aktuellen Wissenstand des
Lernenden angepasst [Schulmeister06]. Das Lernsystem wertet die Übungsergebnisse
aus und passt den Schwierigkeitsgrad dem Lernenden an. Nutzerprofile können eingesetzt werden, um Informationen über die Zielgruppe oder Vorwissen des Lernenden
zu erhalten. Innerhalb eines Lernsystems können unterschiedliche Leistungsstufen
angeboten werden, die dem Lernenden erlauben, individuelle Anspruchsniveaus und
Leistungsstandards zu setzen. Der Entwurf sowie die Implementierung eines solchen
adaptiven Systems erweist sich dennoch als sehr kostspielig, zeitintensiv und
problematisch.
Nach Spitzers Supermotivationsansatz möchte der Lernende gefordert werden, die
Übungsaufgaben und Probleme sollten nicht zu trivial sein, sondern es sollte eine
angemessene und zweckmäßige Herausforderung existieren. Es müssen Gelegenheiten gegeben werden, um die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu überprüfen. Die dargestellten Aufgaben bzw. Lerninhalte sollen so strukturiert werden, dass
sie den Lernenden anregen zu lernen. Beispielsweise sollen durch eingefügte Abschnitte, die mit „tieferes Verständnis“ gekennzeichnet sind, die Neugiermotivation, die
Aufmerksamkeit, das Interesse und natürlich der Wissensdrang verstärkt werden.
Diese eingefügten Informationen steigern auch das Kontrollempfinden des Lernenden.
Nach dem Risiko-Wahl-Modell nach Atkinson [zitiert in Vollmeyer05] (s. Abbildung 6.2)
werden bei den Aufgaben, die dem mittleren Schwierigkeitsgrad entsprechen, die
positivsten emotionalen Reaktionen ausgelöst. Bei den leichten Aufgaben schienen die
Lernenden nicht sonderlich motiviert, da jeder diese Aufgaben lösen konnte und nur
die Gefahr des Scheiterns bzw. Blamierens im Vordergrund stand. Die schweren
Aufgaben kosten viel Zeit und bei nicht Lösen der Aufgaben im Regelfall machten sich
wie bei den leichten Aufgaben Langeweile, Ärger oder sogar Frustration breit. Es muss
eine angemessene Herausforderung gefunden werden oder eine Auswahl von
gekennzeichneten Aufgaben oder Lerninhalten präsentiert werden, die dem Lerner
ermöglichen aus gegebenen Inhalten oder Aufgaben auszuwählen, die ihrem Kompetenzniveau entsprechen und Kompetenzerlebnisse ermöglichen. Durch diese gegebene und angemessene Herausforderung können Leistungsmotive der jeweiligen
Lernenden angeregt werden und folglich die Leistungsmotivation gesteigert werden.
Vorwissen, Fähigkeiten und Einstellungen, die zur Lösung einer Übungsaufgabe
erwartet oder förderlich sind, sollten einleitend aufgeführt werden. Dementsprechend
können Anwender vorab klären, welcher Kurs oder welche Lernaufgabe für ihren
Wissensstand am Besten geeignet ist. In anschließenden Übungen soll den Lernenden
angezeigt werden, wie viele Aufgaben sie zu bearbeiten haben und ob eine
Zeitobergrenze vorgesehen ist Nach Spitzers „challenge“ Prinzip wollen die meisten
Lernenden in ihrem Lernprozess gefordert werden und genügend Hindernisse
überwinden. Die Einteilung der Lerneinheiten soll nach dem Prinzip „vom einfachen
zum schwierigen“ erfolgen. Diese Herausforderungsstrategie bewirkt, dass mit einer
einleitenden, einfachen Lerneinheit begonnen wird und mit zunehmend schwieriger
Seite 59
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
und komplizierter werdenden Einheiten fortgesetzt wird. Mit dem Erleben des Lernprozesses als Herausforderung kann das Kompetenzerleben des Lernenden verstärkt
werden.
Abbildung 6.2: Risiko-Wahl-Modell nach Atkinson [Vollemeyer05]]
Belohnungssysteme in Form von Lernspielen, Simulationen, Feedback, etc. können
eingesetzt werden, um den Einfluss des selbstbestimmten motivierten Lernens zu
beeinflussen. Dennoch muss man darauf achten, dass kein Korrumpierungseffekt
auftritt (s. Kapitel 3.5.3). Die Belohnungen sollten nicht attraktiver wirken als das
Lernsystem und sie sollten unerwartet erfolgen (keine erwartete Simulation nach
erfolgreicher Lösung einer Aufgabe) oder in Form von (verbaler) Anerkennung bei
einem Lernfortschritt präsentiert werden. Befolgt man diese Prinzipien, werden statt
negativer Effekte von Belohnungen (Verminderung der intrinsischen Motivation) eher
positive Motivationsauswirkungen von Belohnungen wahrgenommen.
Häufig vorkommende, individuelle und auf die Sache bzw. Inhalt bezogene
Rückmeldungen über den Lernfortschritt können das Kompetenzerleben des Lernenden immer dann positiv beeinflussen, wenn sie auch autonomieunterstützend wirken.
Feedback als Reaktion auf Übungsaufgaben spielt eine wichtige Rolle. Eine Art der
Übungsaufgaben können die Multiple-Choice Aufgaben bilden, bei diesen können die
Rückmeldungen unverzüglich erfolgen. Auf extreme Lobreden für einfache Aufgaben
sollte verzichtet werden, da der Lernende denken könnte, man traue ihm zu wenig zu.
Ein korrigierendes Feedback sollte bei nicht korrekten Antworten gegeben werden.
Wichtig nach Spitzer ist es, dass das Lernsystem eher Verbesserungsvorschläge
machen sollte, als Fehler nachzuweisen, da Fehler im Lernprozess unausweichlich
sind und ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses sind. Das Feedback sollte
begleitend erfolgen und immer von positiver und aufbauender Form sein. Positive
Rückmeldungen am Ende einer Instruktionseinheit wie es auch der Time-ContiniumAnsatz von Wlodkowski (s. Kapitel 3.6.4) fordert, bestärken das Selbstvertrauen und
die Kompetenz des Lernenden. Auf persönliche Kritik durch die Tutoren oder das
Lernsystem muss absolut verzichtet werden, da sich einige Lerner dadurch entwertet
fühlen und ihre Motivation sinkt.
Lernende sollten den Eindruck gewinnen, dass sie für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich sind und dass das Ergebnis aus ihren Anstrengungen resultiert. Daneben
sollen den Lernenden Möglichkeiten gegeben werden, ihre Kompetenzen, Zuständigkeiten bzw. Fähigkeiten aktiv in die Lernumgebung einzubringen, (durch zum
Seite 60
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Beispiel Wiki-Systeme, Weblogs, Newsletter, Dateien, Lösungen etc.). Sie müssen den
Eindruck gewinnen, dass sie durch das aktive Einbringen ihrer Kompetenzen und
Fähigkeiten das E-Learning System aktiv beeinflussen, modifizieren bzw. erweitern
können. Durch das Beeinflussen bzw. Erweitern, empfinden sie sich als einen Teil des
Ganzen. Die Autonomie- und Kompetenzerfahrung der Lernenden nimmt dann zu und
wirkt sich positiv auf ein selbstbestimmtes motiviertes Lernen aus.
6.4
Instruktionsqualität
Der Begriff „Instruktionsqualität“ beschreibt die Qualität der didaktischen Gestaltung.
Zu der Qualität einer didaktisch-methodischen Gestaltung eines Lernprogramms
gehören Abwechslung (bei den Präsentationen), Anregungen, Verständlichkeit, klare
Strukturiertheit, Übersichtlichkeit, Lösungshilfen und Klarheit der Lernziele etc. Die
Qualität eines E-Learning Systems kann sich auf die Lernmotivation und diese
wiederum auf die Lernleistung auswirken.
Langeweile kann durch eine eintönige Präsentationsform ausgelöst werden. Im
schlimmsten Fall kehrt der Lernende dem E-Learning System den Rücken. Um der
Langeweile entgegenzuwirken, sollten Komponenten der Abwechslung integriert
werden. Man sollte die Instruktionselemente verändern. Sinnvoll ist beispielsweise der
Wechsel zwischen darstellenden und interaktiven Webseiten. So wird eine monotone
Präsentation der Lernmaterialien verhindert. Multimediale Informationen wie animierte
Grafiken, Tonsequenzen, Hintergrundmusik, Blinken oder audiovisuelle Effekte können
den Lernprozess interessanter machen, die Aufmerksamkeit aufrechterhalten und der
Langeweile entgegenwirken. Abwechslung beim Lernenden kann durch multimediale
Komponenten und/oder verschiedene Präsentationsformen erreicht werden. Durch
Abwechslung in der Präsentation wird nach [Kerres01l] auch eine gewisse Neugier
beim Lernenden erweckt und aufrechterhalten. Die Darstellung von Wörtern,
Textabschnitten, Links und Zusatzmaterialien kann durch den Wechsel von Größe,
Farben oder Schriftart hervorgehoben werden. Unterstrichene oder fetthinterlegte
Wörter können verwendet werden, um die Aufmerksamkeit auf diese Wörter zu richten.
Die gleiche Wirkung können Tonsequenzen wie Sound oder gesprochener Text haben,
deren Einsatz sich auf bestimmte Textabschnitte konzentriert. Die Tutoren oder
Lehrkräfte können die Lernenden dazu auffordern, die Kommunikationswerkzeuge wie
E-Mail, Chat, Forum oder Präsenzveranstaltungen zwischen den Lernenden zu
wechseln. Diese Veränderung bietet die Möglichkeit, einer monotonen Kommunikationsgestaltung entgegenzuarbeiten. Unübliche, überraschende Inhalte, Besonderheiten, gegensätzliche oder unbestimmte Ereignisse können die Aufmerksamkeit aufrechterhalten. Auch eine Veränderung in der Präsentation der Lehrmaterialien kann sinnvoll sein. Alle diese oben genannten Abweichungen, Aspekte
oder Veränderungen sollen immer didaktisch sinnvoll eingesetzt werden.
Zu Beginn einer jeden Lerneinheit sollten dem Lernenden die Lehrziele erläutert
werden. Er erhält damit einen Überblick, welche Übungsaufgaben bzw. Lerneinheiten
für den individuellen Nutzen am sinnvollsten sind. Lösungshilfen unterstützen die
Suche nach Fehlern und können auch den Verstehensprozess des Lernenden anregen.
Eine klare Struktur muss innerhalb des E-Learning Systems für den Teilnehmer
erkennbar sein. Eine Übersicht über die Struktur der Lernmaterialien sollte für eine
Transparenz der Lernanforderungen sorgen. Es sollten nur kurze, überschaubare, und
absolut verständliche Instruktionseinheiten existieren. Bei der Präsentation von Lernmaterialien können diese mit Zusatzinformationen ausgestattet werden, beispielsweise in Form von weiterführenden Links. Diese Informationen können den
Lerner anregen, den für ihn interessanten und nützlichen Lehrstoff stärker zu vertiefen.
Mit einer klaren Struktur und der Möglichkeit der vernetzten Bearbeitung von Themen
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
beispielsweise durch Anklicken von Links, kann die Verlaufsmotivation der Teilnehmer
erhalten bleiben. Vom Lehrsystem angebotene Hilfeeingabefunktionen bzw. Hilfestellungen können den Lernprozess zusätzlich unterstützen und bieten den Lernenden
die Möglichkeit, bei auftretenden Problemen diese Hilfe zu nutzen. Des Weiteren
können diese zusätzlichen Hilfestellungen den Verstehensprozess des Lernenden
begünstigen. Vorab erläuterte Anleitungen zu den jeweiligen Übungen können auch
den Verstehensprozess des Lernenden unterstützen.
6.5
Inhaltliche Relevanz des Lernstoffs
Die wahrgenommene inhaltliche Relevanz bezieht sich auf die individuelle Bedeutung
für den Lernenden. Einige Inhalte, Tätigkeiten oder Vertiefungen werden als außerordentlich wichtig eingestuft. Lernende, die bestimmte Lerninhalte bereits als wichtig
oder relevant eingeordnet haben, sind natürlich motivierter, sich diese anzueignen.
Diese Bedeutsamkeit des Lernstoffs erschließt sich für den Lernenden in den meisten
Fällen nicht automatisch. Eine Lernumgebung muss den Lernenden unterstützen, eine
angemessene Bedeutsamkeit des Lernstoffs zu erhalten. Nach [Kandler02] wird der
inhaltlichen Relevanz eine viel größere Bedeutung zugesprochen als dem Einfügen
von multimedialen Komponenten in einer Lernsoftware. Es muss auf ein pädagogisches Denken geachtet werden. Die wahrgenommene inhaltliche Relevanz ist eine
Voraussetzung für selbstbestimmtes, motiviertes Lernen. Die Vermittlung der Relevanz
des Lerninhalts ist im Kontext der Interaktivität schwierig zu realisieren.
Eine empfundene Bedeutsamkeit von Lerninhalten kann durch Realitätsnähe, verschiedene Präsentationsformen oder das Aufzeigen von Zusammenhängen bzw. des
Sinns der Aufgaben gesteigert werden.
Die Integration der jeweiligen Lerneinheit in einem aufeinander aufbauenden und
nachvollziehbaren Gesamtzusammenhang oder das Einführen in eine neue Lerneinheit
(beispielsweise durch ein Intro oder Storytelling) unterstützen den Lernenden, die
Bedeutung des jeweiligen Lernstoffs nachzuvollziehen [Prenzel00u.a.]. Hat man einen
Überblick über den Stellenwert der entsprechenden Lerneinheit, können Zusammenhänge besser gesehen und verstanden werden. Wird das Lehrmaterial vom E-Learning
System schlecht, verwirrend, zusammenhangslos oder konfus präsentiert, erhöht sich
die Gefahr, dass der Lernende aufhört, sich mit dem Material auseinanderzusetzen.
Die Lernmotivation, sich ausdauernd und intensiv mit dem Lehrmaterial zu
beschäftigen, sinkt. Verweise auf die Wichtigkeit der Übungsaufgaben helfen dem
Lernenden, den Sinn der Aufgaben nachvollziehen zu können. Der Lernende sollte
sich nie fragen müssen, warum er etwas lernen muss. Im E-Learning Bereich kann
eine höfliche Kommunikation für eine angenehmere Lernatmosphäre sorgen [vgl.
elearn1]. Diese angenehme Lernatmosphäre wirkt sich wiederum positiv auf die
Motivation aus. Ferner kann sich die Verwendung einer motivierenden Wortwahl
ebenso positiv auf die Lernmotivation auswirken. Elemente, die eine angenehmere
Lernatmosphäre im E-Learning Bereich hervorrufen, können beispielsweise eine
persönliche Begrüßung, ermunternde Aufforderungen (mit dem Lernen anzufangen
oder fortzusetzen) sowie eine freundliche Verabschiedung (z.B. „Wollen sie das
Lernprogramm wirklich beenden?“ bzw. „Vielen Dank“ etc.) sein. Es muss eine
gewisse Vertrautheit für den Lernenden geschaffen werden. So kann eine personalisierte Sprache verwendet werden mit Personalpronomen oder dem Namen des
Lerners. Die Verwendung einer sympathischen Figur wie Tier oder Person, die
abgebildet wird, eignet sich bei einigen Passagen besser zur Vermittlung wichtiger
Informationen, als unpersönliche Erklärungstexte. Bei der Verwendung von Beispielen
sollten auch die Erfahrungen und Interessen, die Neugierde der Zielgruppe in Betracht
gezogen werden. Der Nutzen des jeweiligen Lehrinhalts sowie die Bewertungskriterien
sollten jeweils erläutert werden. Zur Lösung bzw. Bewältigung von speziellen Aufgaben
sollten vorab notwendige Fähigkeiten, Vorwissen oder Einstellungen dargestellt wer-
Seite 62
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
den. Die Einführung eines Bewertungs- oder Punktesystems hilft, die Wichtigkeit der
einzelnen Aufgaben oder Abschnitte nachvollziehen zu können.
Die Bedeutsamkeit des Lerninhaltes kann durch Realitätsnähe, Verwendung von
authentischen Situationen bzw. Problemen gesteigert werden. So können Analogien
und Metaphern eingesetzt werden, um abstrakte Probleme oder nicht vertraute Begriffe
in einem vertrauten Kontext zu präsentieren [Haack02].
Nach [Strzebkowski&Kleeberg02] kann es vor allem bei Einsteigern dazu kommen,
dass sie eine Anwendung ablehnen bzw. abbrechen, weil sie die Benutzeroberfläche
nicht verstehen. Metaphern können helfen, auf eine gewisse Art, Akzeptanz zu
schaffen, aktiven Wissenserwerb in Lernanwendungen zu fördern und Vertrautheit zu
gewährleisten, indem diese weitgehend unbekannte Welt des Computers durch Situationen, Gegenstände und Vorgänge aus der realen Welt ersetzt wird. Der Inhalt
kann durch die Verwendung von Metaphern realitätsnäher dargestellt werden. Durch
die Metaphern kann ein besserer Bezug zur Realität hergestellt werden. Das wohl
bekannteste Beispiel sind die Desktop Metaphern, in der Objekte aus der vertrauten
Schreibtisch Welt in metaphorischer Form auf elektronische Dokumente übertragen
werden. Möchte man beispielsweise ein gelöschtes elektronisches Dokument wiederherstellen, so muss der Benutzer das entsprechende Dokument mit der Maus aus dem
Papierkorb verschieben bzw. holen. Ein anderes Beispiel ist die Buchmetapher. So
können Inhalte auf virtuellen Buchseiten die Funktionen des Vor- und Zurückblätterns,
bzw. das gezielte Ansteuern von Kapiteln nachahmen. Komplexer als die simplen
Buchmetaphern sind die Raummetaphern. Der Anwender kann sich in einem der
Wirklichkeit nachempfundenen Raum über sensitive Gegenstandsbereiche bewegen.
Alle diese Interaktionsmetaphern orientieren sich hauptsächlich an vertrauten Handlungen und Gegenständen [Haack02]. Auch Analogien oder Textmetaphern können
beim Anwender eine Vertrautheit schaffen. Komplexe Problemstellungen können auf
die Welt des Computers übertragen werden. Diese Realitätsnähe hilft dem Lernenden
(vor allem dem Einsteiger), eine Lernsoftware zu akzeptieren. Bei der Entwicklung und
Verwendung von Metaphern sollte soweit wie möglich das Alltagsleben, die
Vorkenntnisse und die Computerkompetenz der Zielgruppe berücksichtigt werden
[Strzebkowski&Kleeberg02]. Natürlich muss die verwendete Metapher auf das Lernthema und die Lernziele der Lernmaterialien abgestimmt werden.
6.6
FEASP-Elemente
Wie schon im Kapitel 4.2 erwähnt, sind Emotionen, die am meisten unterschätzten
Faktoren menschlichen Handelns [Niegemann04u.a.]. Im Bereich des Lernens,
insbesondere beim E-Learning, widmet man den Emotionen wenig Beachtung. Sie
besitzen aber eine entscheidende Rolle in Lern- und Leistungssituationen. Jeder wird
bestätigen, dass Emotionen wie Ärger, Angst sowie Vergnügen, Begeisterung oder
Spaß zum Lernen dazu gehören. Emotionen haben demnach einen engen Bezug zur
Lernmotivation, die wiederum der Motor allen Lernens ist. Sie können die Lernmotivation des Lernenden vermindern oder verstärken. Man möchte negative Emotionen soweit wie möglich vermeiden bzw. vermindern. Negative Emotionen wie Angst,
Wut oder Ärger können zum Abbruch eines Lernprogramms führen, positive Emotionen
im Lernprozess wie Sympathie und Vergnügen begünstigen das Arbeiten mit dem
Lernprogramm. Zusammenfassend kann man sagen, dass es einen eher positiven Pol
gibt, der die aktive Wissenskonstruktion unterstützt und einen eher negativen Pol, der
zum Dekonstruieren führt [KayGrieder06].
Nach [Kramer02] ist es leichter, negative Stimmungen im E-Learning Bereich zu
vermeiden als positive zu bewirken. Das FEASP-Modell bietet Möglichkeiten diesen
Ansatz zu realisieren. Natürlich lassen sich nach [Astleitner01] nicht alle Instruktionsstrategien implementieren, dennoch sollte man versuchen einige Strategien zur
Förderung von Lernemotionen zu berücksichtigen. [Astleitner01] hat in seinen Studien
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
versucht zu analysieren, auf welche Lernemotionen besonders geachtet werden muss
bzw. welche Instruktionsstrategien nicht so häufig auftreten. Es kann zu einigen Überschneidungen zwischen den FEASP-Instruktionen und den motivationsgewinnenden
und erhaltenden Elementen kommen.
Die Lernemotion Angst (Fear) kann durch folgende Lehrstrategien abgebaut werden:
Auf die Strategien „stelle Erfolge beim Lernen sicher“ und „rege kritisches Denken an,
aber halte eine positive Orientierung aufrecht“ sollte besonders geachtet werden.
Erfolge können durch Übungsaufgaben vermittelt werden, das Feedback der Tutoren
oder des Lernsystems sollte überwiegend positiv ausfallen und auf Verbesserungsvorschläge muss eingegangen werden. Fehler müssen beim Lernenden als ein
unerlässliches Element im Lernprozess gesehen werden und nicht ihrem eigenen
Unvermögen zugesprochen werden. Auf die öffentliche Kritik oder das zur Schau
stellen von Leistungen sollte verzichtet werden. Lernende sollten die Möglichkeit
haben, ihre Ergebnisse, Gedanken bzw. Lösungen untereinander auszutauschen. Auf
diese Weise kann ein Lernerfolg gewährleistet werden. Kritisches Denken kann durch
das Aufzeigen von Zusammenhängen oder das Anbieten von Links gefördert werden.
Zur Realisierung dienen vor allem kognitive Werkzeuge wie Hypertext. Orientierungshilfen helfen dem Lernenden das „Lost in Hyperspace“ Problem zu umgehen [Holzinger00].
„Rege Echtheit und Offenheit an“, das ist eine Instruktionsstrategie, die zur
Vermeidung der negativen Emotion Neid (Envy) dient. Die Anonymität der Lernumgebung muss weitgehend vermieden werden. So hat ein virtuelles schwarzes Brett
der beteiligten Personen (Tutoren, Dozenten) die Funktion, den anderen zu zeigen
„wer wer ist?“. Die Verwendung von Homepages (bzgl. Lernende) oder das Anzeigen
von Lebensläufen der Tutoren bzw. Dozenten können denselben Effekt haben.
Echtheit und Realitätsnähe kann das E-Learning System durch Kontexte bieten, die
den Lernenden vertraut sind, beispielsweise kann durch den Gebrauch von Metaphern
Vertrautheit erreicht werden. Die Übungsaufgaben sollten möglichst authentisch sein.
Der Lernende muss detailliert über die Art der Bewertung informiert werden und auf
ungleich verteilte Privilegien bei Belohnungssystemen (falls vorhanden) muss verzichtet werden.
Im Lernprozess spielt die Lernemotion Ärger (Anger) eine entscheidende Rolle. Sie
kann zum vollständigen Abbruch eines Lernprogramms führen. Befindet sich der
Lernende beispielsweise an einer Stelle, an der er nicht mehr weiter weiß, so kann ihn
eine Hilfe-Funktion oder eine sensitive Hilfestellung unterstützen. Die Frequently Asked
Questions (FAQ) Funktion kann dem Lernenden in dieser Situation auch unterstützen.
Man soll nicht das Gefühl bekommen, komplett auf sich alleine gestellt zu sein. Die
Betreuung beim E-Learning System bildet eine wichtige emotionale Gestaltungsebene,
bei der zwischenmenschliche Beziehungen medial vermittelt werden. Dazu gehören
die Feedbackgestaltung, die Unterstützung durch Tutoring beim individuellen Lernen
oder die Moderation beim Lernen in einer virtuellen Gruppe. Man soll die Möglichkeit
haben, anderen Lernenden Fragen zum Problem zu stellen.
Durch Links zu anderen Darstellungen, Informationen oder verschiedene Präsentationsformen (visuell, auditiv oder visuell-auditiv) erhält man eine flexible
Sichtweise von den Lerninhalten. Ein zu hoher Schwierigkeitsgrad der Aufgaben,
Orientierungslosigkeit, Eintönigkeit, zu hohe Geschwindigkeit bei Audio bzw. Visuellen
Darstellungen, Ablenkungen in Form von sinnloser Hintergrundmusik, mangelnde
Präsentationsdarstellungen (Grafiken), fehlende Auswahlmöglichkeiten oder schlicht
und einfach zu viel Text können sich negativ auf den emotionalen Zustand des
Lernenden auswirken.
Instruktionsstrategien, welche die positive Lernemotion Sympathie (Sympathy) verstärken sollen, sind die Intensivierung der Beziehungen oder die Etablierung von
kooperativen Lernstrukturen. Die Lernenden sollen auf jeden Fall die Möglichkeit
Seite 64
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
haben, mit anderen Lernenden interagieren. Synchrone und/oder asynchrone
Kommunikationswerkzeuge sollten den Lernenden angeboten werden. Durch die
Nutzung solcher Kommunikationsmittel kann das kooperative Arbeiten ermöglicht werden. Das Interagieren mit anderen Personen wird auch vom Supermotivationsansatz
von Spitzer gefordert. Derartige soziale Interaktionen dienen vor allem der sozialen
Einbindung des Individuums. Die Implementierung der Strategie „Intensiviere Beziehungen“ wird von [Astleitner01] als sehr wichtig erachtet. Des Weiteren sollen
Hilfsprogramme vom E-Learning System angeboten werden, die den Austausch von
Informationen, Lösungen oder Daten beim kooperativen Arbeiten unter den Lernenden
unterstützen. Es sollten Möglichkeiten gegeben werden, die Beziehungen zwischen
den Teilnehmern zu intensivieren. Dies kann durch Präsenzveranstaltungen oder
Bildung von Lerngruppen erfolgen.
Die Beschäftigung mit der Lernumgebung sollte Vergnügen bereiten, denn Vergnügen
ist eine wichtige Lernemotion. Dies wird auch von Spitzers Supermotivationsansatz
gefordert. Das allgemeine Wohlbefinden kann durch die Implementierung einer
benutzerfreundlichen Lernoberfläche wahrgenommen werden. So sollte beim Entwurf
die Perspektive des Nutzers eingenommen werden. Die Oberfläche sollte anschaulich
und übersichtlich gegliedert werden und häufig genutzte Operationen bzw. Funktionen
sollten gut sichtbar angeboten oder hervorgehoben werden, selten genutzte Funktionen sind im Hintergrund darzustellen.
Das Angebot von verschiedenen Präsentationsformen ermöglicht dem Lernenden,
seine individuell bevorzugte Präsentationsform zu wählen. Der Grad der Auswahlmöglichkeit nimmt zu. Bei visuell oder auditiv dargestellten Materialien können die
Lernenden die Methode favorisieren, welche ihnen am meisten zusagt. Komplizierte
Sachverhalte bzw. Zusammenhänge können beispielsweise besser durch Animationen
als durch Textpassagen erklärt werden. Des Weiteren steigert die Wahlmöglichkeit die
Autonomie des Lernenden. Diese wirkt sich wiederum positiv auf die Lernmotivation
aus.
Jakob Nielsen hat eine Liste der Top zehn Design Fehler bei Benutzerschnittstellen
veröffentlicht [DesMis1]. Er gilt als einer der führenden Fachleute im Bereich des
Designs von Benutzerschnittstellen im Internet. Deshalb muss bei webbasierten Lehrund Lernumgebungen vor allem auf folgende Punkte eingegangen werden: Heutzutage
ermöglichen annähernd alle Lernumgebungen einen webbasierten Zugang. Nielsen
bemängelt häufig das verspielte Details wie Flash, Animationen oder Grafiken den
Benutzer zu sehr vom eigentlichen Geschehen ablenken und nach Nielsen interpretieren Benutzer animierte Inhalte als nutzlose Inhalte. Sie müssen didaktisch überlegt eingesetzt werden. Bei Links sollte man auf nichtssagende Texte wie „hier klicken“
verzichten. Wichtig ist das Einbauen von informativen Schlüsselbegriffen in den
Ankertext selbst. Nach Nielsen sollte man JavaScript und andere technische
Raffinessen vermeiden, da sie die Standard-Interaktionstechnik der Links durchbrechen. Ein weiterer häufig genannter Fehler ist, dass zu lange, auszufüllende Formulare hemmend wirken können. Kontaktdaten oder Informationen zu den jeweiligen
Betreibern dürfen nicht fehlen [vgl. DesMis1, DesMis2]. Ein Großteil dieser Punkte
lässt sich auch auf nicht internetbasierte E-Learning Systeme anwenden oder übertragen.
Der Lerner soll sich aktiv am Lernsystem beteiligen. Er soll zum selbstgeregelten
Lernen angeregt werden. Dies kann durch Einrichten einer offenen Lernumgebung
geschehen. Das Vergnügen an den Lernaktivitäten kann zusätzlich durch den
Gebrauch von humorvollen, überraschenden Elementen innerhalb des E-Learning
Systems ausgelöst werden.
Seite 65
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Die Lehrenden bzw. die Mediengestalter beim E-Learning müssen natürlich bei Emotionen auf die Grenzen der Beeinflussbarkeit achten und die Unberechenbarkeit
jeglichen Lernens anerkennen.
6.7
Multimediale Qualität
Komponenten (Grafiken, Tonsequenzen, etc.) können integriert werden, um die
Multimediale Qualität eines E-Learning Systems zu erhöhen. Durch die Verwendung
von innovativen Technologien bzw. Medien kann die Neugiermotivation und damit das
Interesse des Lernenden intensiviert und verstärkt werden [Nistor02].
Interessen bauen zwar auf Neugier auf, aber im Gegensatz zur Neugier, die nach
[Krapp99] eine kurzfristige Phase der Erkundung darstellt, begreift man unter dem
Begriff Interesse eine längerfristige und relativ stabile Beziehung zu speziellen Tätigkeiten, Inhalten oder Gegenständen. Dennoch sind nach [Kerres01] diese motivationalen Vorzüge, die auf Neuigkeitseffekten beruhen, nur von kurzer Dauer. Dieser
Hawthrone-Effekt nimmt allerdings mit der Zeit ab [vgl. Holzinger00 und Gröhbiel02].
Deswegen muss der Lerner beim Lernen mit neuen Medien ständig neu motiviert
werden. Bei der Neugiermotivation handelt sich um keinen lang anhaltenden Effekt.
Es gibt verschiedene Anforderungen, die an den Begriff "Multimedia" gestellt werden.
Die Multicodalität ist als Mindestvoraussetzung für den Begriff Multimedia anzusehen.
Unter Multicodalität versteht man den Gebrauch von unterschiedlichen Codierungen
und Symbolsystemen d.h. die Angebote können eine Mischung aus Text, Symbolen
oder Bild etc. aufweisen [vgl. Weidenmann02, Holzinger02]. Die Aufnahme dieser
Symbolsysteme geschieht aber durch denselben Eingabekanal (Normalfall visueller
Kanal).
Darüber hinaus gibt es noch die zweite Stufe des Begriffs Multimedia und zwar die
Multimodalität. Bei der Multimodalität werden beim Nutzer unterschiedliche Sinne
angesprochen. So existieren auch verschiedene Symbolsysteme (wie Text, Musik,
Sound), es existieren aber auch verschiedene Eingabekanäle (visueller und auditiver
Kanal) [vgl. Weidenmann02, Hoz02].
Nach den Untersuchungen von [Kandler02] wird die Multimedia-Qualität im Kontext der
Lernmotivation als nicht so wichtig erachtet. Prenzels Prinzipien des motivierten
Lernens sollte man mehr Beachtung schenken. Die auf der Multimedia-Qualität beruhende multimediale Motivation ist kein entscheidender Faktor und wird häufig
überschätzt. Durch Einfügen von multimedialen Komponenten kann zwar der Interaktionsgrad einer Lernumgebung erhöht werden, dies kann sich aber auch negativ auf
den Lernprozess auswirken (s. Kapitel 5.6). So können multimediale Komponenten
vom eigentlichen Lernprozess ablenken und die Aufmerksamkeit auf andere Elemente
richten, beispielsweise wenn die Simulation interessanter erscheint als die Lehrmaterialien.
Ganz auf multimediale Elemente sollte natürlich nicht verzichtet werden, da diese
eingesetzt werden können, um einen Mehrwert der Neuen Medien erkennen lassen,
um eine Abwechslung sowie Eingangsmotivation zu erreichen, um unterschiedliche
Präsentationsformen zu verwenden, um die inhaltliche Relevanz hervorzuheben oder
um komplizierte Zusammenhänge (durch Animationen) besser zu veranschaulichen.
Die Multimedia-Qualität sollte auf jeden Fall berücksichtigt werden. Durch die multimedialen Komponenten steigen natürlich die Implementierungskosten um ein
Vielfaches an und der didaktische Mehrwert eines multimedialen E-Learning System ist
nicht immer gegeben. Dennoch ist die didaktische Aufbereitung wichtiger als die
Integration von multimedialen Komponenten [Kerres01].
Seite 66
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
7 Untersuchung
In diesem Kapitel werden die Kriterien aus Kapitel 6 exemplarisch auf eine Lernumgebung angewandt. Als Lernprogramm soll „FLIEG“ verwendet werden, welches in
Kooperationsarbeit zwischen den Lehrstühlen Didaktik der Informatik (Prof. Hubwieser)
an der Technischen Universität München und dem Lehrstuhl für Programmiersysteme
des Instituts für Informatik (Prof. Brinda) an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg entwickelt wurde. Bei „FLIEG“ handelt es sich um einen Onlinekurs, welcher hauptsächlich im Selbststudium bewältigt werden muss. An diesem
Onlinekurs sollen die zuvor hergeleiteten Kriterien ausführlich untersucht werden.
Zunächst wird die Lernplattform „FLIEG“ beschrieben, dann anhand den Motivationsund Emotionskriterien untersucht und auf Basis dieser Analyse bewertet. Die
gewonnen Erkenntnisse sollen zwecks Weiterverarbeitung auf die Lernplattform
„FLIEG“ übertragen werden. Demnach sollen konstruktive Vorschläge für eine Verbesserung des Lernprogramms abgeleitet werden.
Nach der Beschreibung, Analyse, Bewertung und Optimierung von „FLIEG“ werden die
in Kapitel 6 ausführlich beschriebenen Kriterien zu einem komprimierten Fragenkatalog
zusammengefasst. Dieser Kriterienkatalog beinhaltet Fragen zur Vermeidung von Hindernissen, zur Erhaltung und Steigerung eines motivierten Lernens für E-Learning
Systeme. Dieser Fragenkatalog kann als ein Werkzeug zur Messung der intrinsischen
Lernmotivation des Lernenden angesehen werden. Auf Basis dieses Katalogs wird
einem Entwickler die Möglichkeit gegeben in E-Learning Systemen, motivationale
Mittel einzusetzen bzw. zu implementieren, um Defizite in punkto Motivation zu beheben. Auszugsweise wird der Fragenkatalog auf zwei weitere Lernumgebungen
angewandt.
7.1
Beschreibung der Lernumgebung „FLIEG“
Abbildung 7.1: Startseite von „FLIEG“ [FLIEG]
Seite 67
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Der Onlinekurs „FLIEG“ (Flexible Lehrerweiterbildung in Informatik als Erweiterungsfach für Gymnasien) richtet sich hauptsächlich an Lehrkräfte bayrischer Gymnasien, vorzugsweise mit dem Lehrfach Mathematik, die Informatik unterrichten wollen.
Es existiert ein Mangel an Informatiklehrkräften an Gymnasien. Lehrkräfte, die sich für
diese Weiterbildungsschiene entschieden haben, können das Staatsexamen mit der
Erweiterungsprüfung Informatik ablegen. Dementsprechend eignet sich das Lernprogramm besonders für die Fort- bzw. Weiterbildung von Lehrern, die das
Staatsexamen in Informatik machen wollen. Inhalte der Informatik sollen für die Fortbzw. Weiterbildung anschaulich dargestellt werden. Faktoren wie Alter oder Geschlecht
der Teilnehmer spielen keine Rolle. Die Zeitdauer bis zum Staatexamen ist natürlich
abhängig von den Teilnehmern und wird schätzungsweise auf 2-4 Jahre eingegrenzt.
Der Onlinekurs „FLIEG“ beinhaltet 8 thematisch unterschiedliche Lerneinheiten, die
nachfolgend als Module bezeichnet werden. Als Module werden die verschiedenen
Elemente definiert, aus denen sich ein Kurs zusammensetzt. Zusätzlich zu diesen 8
(Haupt-) Modulen wird ein Mathematik-Modul angeboten zur Vertiefung der mathematischen Grundkenntnisse der einzelnen Module sowie ein Fachdidaktik-Modul, dass
das Schulfach Informatik thematisiert. Durch diese Module sollen dem Teilnehmer
Kenntnisse in den unterschiedlichen Bereichen der Informatik vermittelt werden. Der
Aufbau der Module ist gleichartig. Von der Startseite aus (s. Abbildung 7.1) lassen sich
alle Module sowie Programmkomponenten wie Chat, Foren etc. ansteuern. Zu dieser
Startseite kann immer wieder unverzüglich über einen Link „Startseite“ zurückgekehrt
werden. Die Module sind untereinander vernetzt, so dass zwischen ihnen schnell hin
und her gesprungen werden kann. Am Ende jedes der 8 Module wird eine Prüfung
angeboten und nach erfolgreicher Teilnahme erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat.
Diese benoteten Zertifikate können bei der Meldung zum Staatsexamen als
studienbegleitende Prüfungsleistung eingebracht werden. Der Kurs kann auch von
Teilnehmern genutzt werden, die kein Vorwissen im Bereich der Informatik vorweisen.
Die Lernumgebung unterliegt der konstruktivistischen Lerntheorie. Der Teilnehmer hat
die Möglichkeit, die Bearbeitung der Kurse selbstständig zu gestalten. Das Wissen
oder die Fähigkeiten werden stets individuell, basierend auf dem Vorwissen der
Lernenden aufgebaut. Der Lernende muss seinen Lernprozess selbstständig planen,
organisieren und verwalten. Der Teilnehmer wird aktiv eingebunden, er muss sich
selbst Wissen und Kompetenzen aneignen.
Der Kurs „FLIEG“ basiert auf der Lernplattform Moodle. Bei Moodle handelt es sich um
eine Lernplattform auf Open-Source Basis. Das Softwarewerkzeug Moodle bietet eine
große Anzahl an Möglichkeiten zur Realisierung und Unterstützung von kooperativen
Lehr- und Lernmethoden. Moodle ist auf Basis von pädagogischen Erkenntnissen entwickelt worden und versucht aktuelle Erfahrungen der konstruktivistischen Pädagogik
im Rahmen von E-Learning Angeboten zu integrieren [vgl. WikMood]. Die pädagogischen Aspekte stehen im Vordergrund. Es soll nach den Erkenntnissen von
Moodle eine Lernumgebung geschaffen werden, in welcher der Interaktion der Lerngruppe einen hohen Stellenwert beigemessen wird.
Bei „FLIEG“ wird ein Benutzername und Passwort verlangt, so dass sich nur Personen
einloggen können, die sich zuvor angemeldet bzw. einen Zugangsschlüssel erhalten
haben. Dieses E-Learning Programm ist eine internetbasierte Lernanwendung, womit
es nicht vorher installiert werden muss. Man muss nur die entsprechende Webadresse
eingeben. Über einen Link kann eine kurze, allgemeine Einführung in die Benutzeroberfläche angeklickt werden (s. Abbildung 7.2) Der Benutzer hat die Wahl zwischen
drei verschiedenen Sprachen für die Benutzeroberfläche.
Seite 68
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 7.2: Einführung in die Benutzeroberfläche [FLIEG]
In Moodle gibt es drei Hauptkomponenten. Diese Hauptkomponenten legen auch die
Rechte fest. Der Administrator hat sämtliche Rechte über alle Kurse. Der Trainer bzw.
Autor hat nur die Bearbeitungsrechte in seinem eigenen Kurs und der Teilnehmer
nimmt nur an seinem Kurs teil, hat aber keine Bearbeitungsrechte. Die nachfolgende
Untersuchung nimmt den Blickwinkel der Teilnehmer ein.
7.2
Untersuchung der Lernumgebung „FLIEG“
Das Bedürfnis nach Autonomie ist eine wichtige Voraussetzung für das Auftreten von
intrinsisch motiviertem Lernen. Ein wichtiges Kriterium für die Autonomieunterstützung
des Lernenden ist die Auswahl eines individuellen Lernvorgehens.
Beim Onlinekurs „FLIEG“ besitzt der Teilnehmer die Wahlmöglichkeit, zwischen den
Lerneinheiten - den so genannten Module -. Gegenwärtig werden vom Lehrsystem vier
Lernmodule angeboten und es wird eine Bearbeitungsreihenfolge seitens „FLIEG“
empfohlen. Innerhalb der ausgewählten Module lassen sich die entsprechenden Kapitel anwählen. Die Umsetzung erfolgt durch einfache Hyperlinks. Alle auszuwählenden Kapitel sind durch Überschriften gekennzeichnet und folglich selbsterklärend (s. Abbildung 7.3), so dass der Lernende aus den angebotenen Kapiteln oder
die für ihn relevanten Kapiteln auswählen kann. Er kann die Kapitel heraussuchen, die
für ihn nützlich erscheinen und die seinem Vorwissen entsprechen. In
Lernumgebungen, die der behavioristischen Lerntheorie unterliegen, können
Teilnehmer häufig erst dann eine Lerneinheit aussuchen bzw. bearbeiten, wenn sie
bereits dafür vorausgesetzte Lerneinheiten oder Übungen erfolgreich abgeschlossen
haben.
Seite 69
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 7.3: Wahlmöglichkeiten [FLIEG]
Ebenso hat man die Wahlmöglichkeit zwischen Kapiteln im PDF-Format für die
Printversion oder dem Skript im HTML-Format (s. Abbildung 7.3). Manche Teilnehmer
favorisieren das vernetzte Lernen bzw. Lesen beispielsweise durch Hyperlinks am
Bildschirm, andere hingegen befürworten die „traditionelle Methode“ des Lernens bzw.
Lesens auf dem Papier. Man hat die Möglichkeit die Präsentationsform der Lernmaterialien selbständig zu wählen. Außerdem lassen sich einige Kapitel oder Abschnitte auch als Power-Point Präsentation (z.B. die Präsentation zu den Normalformen) anwählen. Sollte einigen Benutzern beispielsweise das Skript missfallen, so
bietet „FLIEG“ die Möglichkeit, aus dem ergänzenden Material andere Vorlesungsskripte bzw. Foliensätze auszuwählen. Mit dem ergänzenden Material kann der
Lernende besondere, für ihn interessante, Themen oder Lernbereiche vertiefen. Die
unterschiedlichen angebotenen Übungen zu den Kapiteln können auch durch den
Lernenden individuell gewählt werden.
Der Teilnehmer hat die Wahl zwischen der Präsentation, Sequenz des Lehrstoffs oder
Lernobjekten. Er kann seinen eigenen Lernprozess kreieren, organisieren und verwalten und folglich eigenmächtig handeln. Er kann aufgrund seiner individuellen
Stärken, Fähigkeiten und Vorkenntnissen, Schwerpunkte bei der Auswahl und
Sequenz der Kapitel und der vertiefenden Materialien oder Übungen selbstständig
setzen. Die Entscheidung über das Lerntempo liegt ganz beim Lernenden und wird in
keiner Weise durch das Lernportal „FLIEG“ beeinflusst bzw. eingeschränkt. Es werden
keinerlei Zeitvorgaben gemacht und es findet beispielsweise kein automatischer
Wechsel der Bildschirmseite statt etc. Die Lernumgebung kann jederzeit ohne
aufwändige Speichermodalitäten oder andere Voraussetzungen unterbrochen werden.
Kürzlich bearbeitete oder besuchte Kapitel lassen sich im HTML-Format durch Hyperlinks sofort wieder anwählen.
Alle diesen genannten Bedingungen stärken die Autonomie des Teilnehmers, welche
einen positiven Einfluss auf die intrinsische Lernmotivation hat.
An Orientierungshilfe ist eine Navigationsleiste (s. Abbildung 7.4) integriert, die dem
Lernenden eine Übersicht über den aktuellen Standort bietet. Der Anwender weiß zu
jedem Zeitpunkt, in welchem Modul er sich befindet oder welche Programmkomponente ( zum Beispiel den „FLIEG“-Chat), er gerade angesteuert hat.
Seite 70
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 7.4: Navigationsleiste [FLIEG]
Mit der Navigationsleiste kann man schnell und einfach zum gewünschten Ziel
navigieren. Eine weitere Orientierungshilfe bietet ein kleiner Frame in dem alle
angebotenen Kurse bzw. Module aufgelistet sind, folglich kann der Teilnehmer schnell
und einfach zwischen den Kursen oder Modulen wechseln. Ein „vernetztes“ Arbeiten
und Lernen wird dadurch unterstützt.
Abbildung 7.5: Alle Module [FLIEG]
Der Teilnehmer hat die Möglichkeit, durch die Nutzung von synchronen oder
asynchronen Kommunikationswerkzeugen (s. nächsten Abschnitt), Fragen zu stellen.
Er kann einzelne Fragen direkt an andere Lernende, Trainer/ Autoren oder auch per
Rundmails verschicken (s. Abbildung 7.6). Individuelle Fragen können auch durch die
Verwendung der FAQs, beantwortet werden. Durch diese technisch einfach realisierbare Art der vorgefertigten Fragen können die Lerner-Lernsystem Interaktionen bekräftigt werden. Auf diesem Wege können elementare Fragestellungen geklärt werden
und die Teilnehmer können eigenständig und unverzüglich die FAQs nach Fragen und
Antworten durchsuchen, ohne auf eine lange Antwort anderer Lernender oder Trainer
warten zu müssen. Der Lernende besitzt eine Anzahl von Wahlmöglichkeiten, folglich
wird der Grad der Autonomie des Lernenden erhöht.
Abbildung 7.6: Nachrichtenaustausch [FLIEG]
Seite 71
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Im Onlinekurs „FLIEG“ kann der Teilnehmer in einer vorgegebenen, strukturierten
Lernumgebung weitgehend selbstständig interagieren. Er kann, basierend auf seinem
Vorwissen, seinen individuellen Lernprozess planen und gestalten.
Der Onlinekurs „FLIEG“ weist Elemente der sozialen Präsenz, des kooperativen
Lernens und der Einbindung des Individuums auf. Um eine gewisse soziale Präsenz
aufzubauen und die Anonymität der Teilnehmer zu verhindern, werden innerhalb von
„FLIEG“ Informationen über die Teilnehmer dargeboten. Beim erstmaligen Einloggen
wird man vom Lernportal „FLIEG“ aufgefordert, ein Profil anzulegen. Die jeweiligen
Profile der Teilnehmer können angeklickt werden, damit man eine Vorstellung von der
„gegenüberliegenden Partei“ gewinnt.
Abbildung 7.7: Profil [FLIEG]
Es werden Daten über den Wohnort, E-Mail Adresse, Foto (beide optional), letzter
Zugriff, Schule etc. angezeigt. Die Identität der Teilnehmer verleiht der Lernumgebung
eine soziale Komponente. Man fühlt sich nicht verloren in der Anonymität. Bei privaten
und vertraulichen Informationen wie Telefonnummer oder Einbindung eines Fotos ist
die Angabe freiwillig. Folglich bleibt ein gewisser Grad an Anonymität den Teilnehmern
überlassen und die Wahlmöglichkeiten, sowie der Grad der Autonomie, steigen.
Beispielsweise können einige Anwender durch die verpflichtende Einbindung eines Fotos eingeschränkt werden. Des Weiteren kann das Profil jederzeit durch den Nutzer
aktualisiert werden.
In diesem Abschnitt werden die angebotenen synchronen und asynchronen Kommunikationswerkzeuge der Lernumgebung dargestellt. Durch die Kommunikationswerkzeuge einer Lernumgebung kann der Austausch von Ideen, Erfahrungen und die
Bildung von Lernergruppen etc. realisiert werden.
„FLIEG“ bietet als synchronen Kommunikationsweg einen Chat-Room an. Treten
mindestens zwei Kommunikationspartner in den Chat ein, kann in Echtzeit mit der
Gegenpartei kommuniziert werden. Die Bedeutung bzw. Einfluss der Chat-Funktion
steigt natürlich bei mehreren Anwendern an. Weitere integrierte synchrone Programme
wie Instant Messaging (Nachrichten sofort Versand), Video oder Telefonkonferenzen
werden nicht angeboten.
Als asynchroner Kommunikationsweg stehen beispielsweise einige Diskussionsforen
zur Verfügung. Zu jedem Modul existiert ein Forum, in dem Fragen, Anliegen oder
allgemeine Dinge diskutiert werden können. Jeder kann seine Probleme in das
entsprechende Forum posten. Möchte man explizit eine Nachricht an eine gewisse
Person versenden, so lässt sich dies über die Mitteilungsfunktion realisieren. Audio,
Video oder sonstige Dateien können über die Dateimanagerfunktion hoch bzw. runter
geladen werden. Eine weitere Möglichkeit, die „FLIEG“ den Teilnehmern bietet, ist das
Anlegen von Weblogs, um Erfahrungen, Erkenntnisse, Meinungen und Erlebnisse
auszutauschen. Durch das Anklicken des Impressums werden Informationen und
Kontaktdaten zur Leitung, Herstellung, Copyright etc. angezeigt.
Durch alle diese technischen Kommunikationswerkzeuge wie Chat, Foren und
Mitteilungsfunktion kann Kommunikation zwischen den Teilnehmern erreicht werden.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Es kann somit soziale Interaktion geschaffen werden und durch die Nutzung des
Dateimanagers kann kooperatives Arbeiten durchgeführt werden. Der Kontakt mit den
Tutoren kann mit diesen Werkzeugen auch hergestellt werden.
[Astleitner00] stellte in seinen empirischen Untersuchungen fest, dass durch die
ständige Bereitstellung von synchronen und asynchronen Kommunikationsmöglichkeiten mit den Tutoren oder anderen Teilnehmern, die Drop-out-Quote gesenkt werden konnte. Diese Möglichkeit der Kommunikation wirkt sich motivationsfördernd auf
den Lernenden aus.
Durch die Trainer des Lernportals „FLIEG“ werden Präsenzveranstaltungen mit den
Teilnehmern organisiert. Bei diesen Veranstaltungen können sich Teilnehmer, Trainer
und Leitung in einer Face-to-Face Situation persönlich kennenlernen. Teilnehmer
können Kontakt zu anderen Personen aufbauen, außerdem können regionale
Verbindungen zwischen den Teilnehmern hergestellt werden und infolgedessen
Lernergruppen gebildet werden. In den Präsenzveranstaltungen wird auf die Vorgehensweise sowie auf den weiteren Verlauf des Onlinekursgeschehens eingegangen. Lernende haben die Möglichkeit, persönlich und direkt auf Schwierigkeiten,
Verbesserungen und Anregungen hinzuweisen. In ersten Präsenzveranstaltungen soll
der soziale Kontakt und die Bildung von Lernergruppen bewirkt werden. In weiteren
Veranstaltungen können Ergebnisse, Präsentationen, Lösungswege etc. vorgestellt
werden. Die Präsenzveranstaltungen sollen den Beziehungsaufbau fördern und die
Zusammenarbeit und das Zusammenhörigkeitsgefühl der Teilnehmer intensivieren.
Das erlernte Wissen kann an Übungsaufgaben, die im PDF-Format vorliegen, überprüft
werden. Diese so genannten Kursbriefe können ausgedruckt und bearbeitet werden.
Innerhalb der Kursbriefe werden unterschiedliche Arten von Aufgaben präsentiert. Die
Check-up-Aufgaben sollen abgegeben werden. Anschließend werden die abgegebenen Aufgaben korrigiert und man erhält ein Feedback. Folglich geben sie dem
Teilnehmer ein Feedback zu seinem aktuellen Leistungsstand. Die anderen beiden
Aufgabentypen dienen der Wiederholung bzw. der Vertiefung des grundlegenden
Lernstoffes. Lässt man sich den Lehrstoff im HTML-Format anzeigen, so werden noch
Übungen bzw. Beispiele präsentiert, die das Verständnis verstärken sollen. Mit einem
einfachen Mausklick kann sofort ein Lösungsvorschlag angezeigt werden. Ein Modul
bietet nach jedem Kapitel auch Multiple-Choice Fragen zum Lehrstoff an. Der Lernende hat zunächst die Wahl, welche Art von Aufgaben er einleitend bearbeitet.
Die Teilnehmer erhalten bei den Check-up-Aufgaben und den Multiple-Choice Aufgaben ein individuelles Feedback durch das Lehrsystem. Ein Feedback hat eine
wichtige Funktion für die Lernenden. Jeder kann das nachvollziehen: Nach einer nicht
gelösten Aufgabe möchte man wissen, woran es gelegen hat. Ein individuelles
Feedback erweist sich folglich als pädagogisch und didaktisch sehr wertvoll. Es kann
auf Fehler eingegangen bzw. Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Im
Onlinekurs sollten nur die Check-up-Aufgaben abgegeben werden, aber die Anzahl der
Check-up Aufgaben in den Modulen (Datenbanken und Ablaufmodellierung) ist sehr
begrenzt. Zu den übrigen Aufgaben werden Musterlösungen angeboten, die man
selbständig mit den eigenen Lösungen vergleichen kann.
Im Modul „Datenbanken“ wird eine Schnittstelle zu einer Übungsdatenbank bereitgestellt, in denen Benutzer die Möglichkeit haben, ihre theoretisch erworbenen
Kenntnisse praktisch anzuwenden.
„FLIEG“ bietet kein adaptives System an, dennoch existiert am Ende eines jeweiligen
Kursbriefes eine Umfrage, die freiwillig und anonym ist. Diese Umfrage dient als
Feedback für die Autoren oder Trainer. Es können Verbesserungsvorschläge, Probleme, Optimierungen, Klausurterminwünsche etc. angesprochen werden. Die Trainer
erhalten einen Überblick über Schwierigkeiten, Einteilung des Lehrstoffs, etc.
Seite 73
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
In den Übungen werden vereinzelt Aufgaben präsentiert, die mit einer gewissen
Wichtigkeit (s. Abbildung 7.8) gekennzeichnet sind. Sie können das Interesse und die
Aufmerksamkeit erhöhen und sind auch eine Aufforderung zur Leistung.
Abbildung 7.8: Zusatzinformation zu den Aufgaben [FLIEG]
Die Lernplattform gibt den Lernenden die Möglichkeit, ihre Kompetenzen und ihr
Fachwissen aktiv in die Lernumgebung einzubringen. Durch das aktive Einbringen ihrer
Kompetenzen in das E-Learning System können sie die Lernumgebung beeinflussen,
modifizieren oder erweitern. Teilnehmer besitzen über die Wiki-Funktion die Möglichkeit, den Aufbau einer Wissensdatenbank zu unterstützen. Man kann zu speziellen
Themen Einträge anlegen und bestehende Einträge bearbeiten. Durch die integrierte
Suchfunktion kann man das Wiki-System effizient nach Begriffen durchsuchen.
Eine weitere Möglichkeit, um die Lernumgebung „FLIEG“ zu modifizieren und zu
erweitern, bietet der Dateimanager (s. Abbildung 7.9). Mit dieser Funktion werden den
Lernenden Möglichkeiten gegeben Dateien, Links und Verzeichnisse zu verwalten.
Man kann seine Dateien anderen Personen zur Verfügung stellen. Die Möglichkeiten
reichen vom Modifizieren über das Ergänzen bis hin zur Erstellung neuer Materialien.
Der Lernende wird aus einer eher passiven in eine aktive Rolle gebracht. Dies hat die
Folge, dass die Aufmerksamkeit gesteigert wird. Man kann dadurch den Eindruck gewinnen, dass man einen gewissen Einfluss auf den Lernprozess anderer Teilnehmer
hat. Man kann den Lernprozess beeinflussen.
Abbildung 7.9: Dateimanager [FLIEG]
In diesem Abschnitt wird der Onlinekurs „FLIEG“ auf den Aspekt der Instruktionsqualität hinuntersucht. Die Instruktionsqualität basiert auf den Merkmalen:
Abwechslung, Verständlichkeit, Klarheit der Lernziele, Hilfen, Aufbau und Strukturiertheit.
Die Struktur der existierenden Module wie „Datenbanken“ und „Ablaufmodellierung“
ähnelt einander. Die Module werden in sechs Einheiten unterteilt. Zunächst wird das
Studienmaterial präsentiert, das didaktische Material, die Kursbriefe und die ergänzenden Materialien folgen. Zu guter Letzt werden noch Literaturhinweise und Umfragen im
Seite 74
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Multiple-Choice Fomat dargestellt. Im Modul „Mathematik“ werden Zusatzinformationen
zu den beiden Modulen (Datenbanken und Ablaufmodellierung) dargeboten. Es
werden fundamentale, mathematische Grundlagen zu den einzelnen Module des
„FLIEG“ Kurses dargestellt. Diese vorhandene Struktur wirkt sich positiv auf die Motivation des Lernenden aus.
Eine „Abwechslung“ durch multimediale Komponenten in Form von integrierten
Videosequenzen, Tonsequenzen oder Simulationen etc. findet nicht statt. Es lassen
sich in den Studienmaterialien zwei Animationen finden. Bei der Präsentation werden
Elemente von darstellenden Seiten (beispielsweise im PDF-Format) aufgezeigt. Es
finden sich Elemente von interaktiven Seiten (beispielsweise über Links), bei denen der
Teilnehmer zwischen den Lehrinhalten hin und her springen kann.
Innerhalb der Module werden zu den Hyperlinks kleine Icons angezeigt, an denen sich
die Dateiformate zu den entsprechenden Links erkennen lassen.
Wichtige Begriffe in den Lerneinheiten werden in den Modulen in einem Glossar aufgelistet. Das Glossar bietet dem Lernenden die Möglichkeit, einfach und zügig (un-)
bekannte Begriffe nachzuschlagen. Folglich unterstützt das Glossar die Verständlichkeit des Lernstoffs.
Abbildung 7.10: Glossare [FLIEG]
Die Lernzielangaben zu Beginn einer jeden Einheit helfen dem Lernenden zu
erkennen, ob er am Ende einer jeden Lektion diese Ziele erreicht hat. Die Lernziele
werden unterteilt in theoretische und praktische Kenntnisse.
Seite 75
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 7.11: Lernziele des ER-Modells [FLIEG]
Die Teilnehmer erhalten einen Überblick darüber, welche Lerneinheit und folglich
welche resultierende Übungseinheit für den individuellen Nutzen am sinnvollsten ist.
Die Lernmaterialien sind oftmals mit Zusatzinformationen ausgestattet. Diese zusätzlichen Informationen und Hilfestellungen können den Verstehensprozess der
Teilnehmer fördern. Beispielsweise wird dem Lernenden eine Anleitungshilfe geboten,
die eine korrekte Anwendung einer Übungsdatenbank beschreibt oder es werden
allgemeine Hinweise wie man bei der Bearbeitung eines Kapitels sinnvoll vorgehen
sollte gegeben. Durch diese Hilfen erhält man einen gewissen Überblick über eine
sinnvolle Vorgehensweise, außerdem wird der Verstehensprozess gefördert. Ferner
helfen Hinweise und eine einführende Einleitung auf jedem Übungsblatt den
Lösungsprozess eines jeden Kursbriefes zu begünstigen.
Spezielle Inhalte, Tätigkeiten oder Textabschnitte können für die Teilnehmer als
außerordentlich relevant angesehen werden. Diese Relevanz der Lerninhalte kann
durch Realitätsnähe, Sinn der Aufgaben, Aufzeigen von Zusammenhängen etc.
hervorgehoben werden.
Zu Beginn einer jeden Lektion bekommt der Lernende ein Inhaltsverzeichnis zu sehen.
Man erhält einen ersten Einblick in den zu bearbeitenden Lernstoff. Man kann den
Umfang der Kapitel abschätzen. Des Weiteren können Zusammenhänge zwischen den
Kapiteln besser erkannt und verstanden werden. Zusätzlich können in der jeweiligen
HTML-Version des Studienmaterials einzelne Kapitel bzw. Unterkapitel direkt angesteuert werden. Auf diesem Wege können Teilnehmer gezielt, aufgrund ihres Vorwissens oder ihrer Kenntnisse, relevante Themen oder Abschnitte ansteuern und
bearbeiten. Entsprechende Kapitel können in der Printversion ausgedruckt werden. Ein
Hin- und Herspringen zwischen den Kapiteln ist auch möglich. Mit der vernetzten
Möglichkeit der Bearbeitung können Zusammenhänge besser aufgezeigt werden und
folglich der Verstehensprozess angeregt werden.
Bevor mit den Grundlagen begonnen wird, ist eine kurze Anleitung in das jeweilige
Modul vorhanden. Der Nutzen der jeweiligen Lerneinheit sowie der Umfang werden
angesprochen. Wie schon zuvor erwähnt, werden innerhalb der Kursbriefe Hinweise
präsentiert, ob die Übungsaufgaben bereits Gegenstand einer Staatsexamensprüfung
waren. Man bekommt ein Gefühl von den zu erwartenden Aufgaben in der
Staatsexamensprüfung. Es werden Erklärungen, eine große Anzahl an Grafiken sowie
Übungen innerhalb der Lerneinheiten angeboten. Einführend werden Tipps und Hinweise zu den einzelnen Übungen erläutert und Musterlösungen sowie Lösungsvorschläge bereitgestellt. Dennoch lässt sich die Wichtigkeit einer Aufgabe kaum erahnen.
Im Onlinekurs „FLIEG“ sind keine Raummetaphern vorhanden, die Studienmaterialien
(im HTML-Format) sind ähnlich einem Buch aufgebaut. Funktionen wie das Vor- und
Zurückblättern sowie das Ansteuern einzelner Kapitel können wahrgenommen werden.
Seite 76
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Es handelt es sich um eine netzartige Struktur, in der durch die Nutzung von Links
navigiert werden kann. Folglich kann der Anwender schnell und einfach durch Anklicken Querverbindungen erkennen.
Bei den Studienmaterialien beziehen sich die Beispiele soweit wie möglich auf die
Schulsituation. Durch diese Metaphern bzw. Analogien können beispielsweise
komplexe Problemstellungen auf die Erfahrungen und Interessen der Zielgruppe
zurückgeführt werden. Ein Beispielszenario zieht sich über das gesamte Material. Das
Beispiel zeigt Situationen, die im Schulalltag eine bedeutende Rolle spielen. Das Beispiel bezieht sich auf Lehrkräfte, Klassen und Fächer. Es wird für den Lernenden eine
gewisse Realitätsnähe und Vertrautheit mit den Lerninhalten erzeugt. Die Beispiele
werden in einem vertrauten Kontext präsentiert. Sie nehmen Bezug auf die
Berufserfahrung der Lernenden und sprechen den Bearbeiter direkt an.
Abbildung 7.12: Beispielszenario mit Klassen, Lehrkräften und Fächern [FLIEG]
Auch in den Kursbriefen werden weitgehend Aufgaben aus der Berufspraxis
herangezogen. Die Beispiele versuchen soweit wie möglich einen Bezug herzustellen.
Seite 77
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Mit den aufgeführten Literaturhinweisen sowie den ergänzenden Materialien können
elementare, bedeutende und wichtige Lerneinheiten individuell durch den Teilnehmer
vertieft werden.
Das FEASP-Modell (s. Kapitel 4.4) bietet Instruktionsstrategien, um positive Lernemotionen zu fördern und negative Stimmungen zu vermeiden. Es können nicht alle
Instruktionsstrategien implementiert werden, aber die bedeutendsten Strategien
müssen auf jeden Fall berücksichtigt werden. Es kann zu einigen Überschneidungen
zwischen den Instruktionsstrategien des FEASP-Modells und einigen Elementen der
Motivationserhaltung und –gewinnung (von Prenzel) kommen.
Die Lehrstrategie „stelle Erfolge beim Lernen sicher“ wird durch Übungsaufgaben
vermittelt. Ein Feedback erhalten die Lernenden bei den Check-up Aufgaben, die
abgegeben werden können und von den Trainern individuell verbessert werden. Es
kann explizit auf Verbesserungsvorschläge sowie auf Fehler eingegangen werden.
Weiteres Feedback erfolgt bei den Multiple-Choice Aufgaben. Zu den anderen Aufgaben werden Musterlösungen angeboten. Es existieren keine Richtlinien der Bewertung bei den Übungsaufgaben, der Lernende weiß nicht, wie die Übungsaufgaben
zu gewichten sind.
Die Lehrstrategie „rege Echtheit und Offenheit an“ dient der Vermeidung der
Anonymität der Lernumgebung. Dies wird beispielsweise durch eine Teilnehmerliste
mit Fotos zu den jeweiligen Teilnehmern und Trainern verwirklicht. Mit dieser Liste
lässt sich ein erster Eindruck von anderen Teilnehmern der Lernumgebung gewinnen.
Außerdem kann man zu den einzelnen Bereichen Informationen anzeigen lassen.
Klickt der Nutzer beispielsweise auf einen Info-Button, öffnet sich ein Fenster und es
werden Daten zum jeweiligen Modul bzw. Trainer, die an diesem Kurs mitgearbeitet
haben, angezeigt.
In einer für den Lernenden ausweglos erscheinenden Situation hat er die Möglichkeit,
mit Teilnehmern zu kommunizieren. Der Lernende kann seine Fragen, Anliegen und
Probleme ins Forum stellen oder sie direkt an einen Trainer oder anderen Teilnehmer adressieren. Die FAQs unterstützen den Anwender natürlich auch in dieser
Situation. Es werden, wie schon erwähnt, synchrone und asynchrone Kommunikationswerkzeuge bereitgestellt. Die Beziehungen können auf diesem Wege
intensiviert werden. Man kann auswählen wie man mit den Trainern bzw. Teilnehmern
interagieren möchte. Durch den Dateimanager, der dem Dateiaustausch dient, die
Kommunikationswerkzeuge und die Präsenzveranstaltungen können kooperative Lernstrukturen realisiert werden. Mit diesen Mechanismen wird die Kooperationsarbeit unter
den Teilnehmern gefördert.
Es werden keine Präsentationsformen in auditiver oder visuell-auditver Form zur
Verfügung gestellt. Viele Grafiken und eine große Anzahl an Auswahlmöglichkeiten
sind vorhanden.
Das allgemeine Wohlbefinden kann durch die Implementierung einer benutzerfreundlichen Oberfläche verwirklicht werden. Die Bildschirmseite gliedert sich in drei
Bereiche.
Seite 78
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 7.13: Einteilung der Benutzeroberfläche [FLIEG]
Zentral auf dem Bildschirm (grün) werden die Module bzw. das jeweilige Modul
präsentiert. Auf der rechten Bildschirmseite (blau) wird eine Kalenderfunktion
dargestellt, in der Teilnehmer ihren individuellen Terminkalender zusammenstellen
können. In den Kalender können persönliche und allgemeine Informationen eingetragen werden. Die Kalenderfunktion stellt eine didaktische Funktion dar.
Ein weiteres Frame zeigt ein „virtuelles, schwarzes Brett“ mit Daten zu den angemeldeten Personen. Mit der Funktion „zur Zeit online“ kann man nachvollziehen,
welche Person sich momentan im Onlinekurs befindet. Zuletzt wird noch der Dateimanager in einem Frame angezeigt.
Auf der linken Bildschirmseite (rot) öffnet sich durch Anklicken ein Mitteilungsfenster,
mit diesem Fenster kann der Benutzer eine Nachricht verfassen und auch versenden.
Mit der Suchfunktion können die Foren explizit nach Begriffen durchsucht werden. Mit
Hilfe dieser Funktion können Lernende bei auftretenden Problemen zügig nach
Lösungswegen suchen. In einem anderen Frame sind alle Kurse aufgelistet, dies
ermöglicht dem Lernenden ein schnelles und einfaches Navigieren. Des Weiteren hat
man die Option, sein Profil zu bearbeiten und sich allgemeine Informationen wie das
Impressum anzeigen zu lassen. Ausgehend vom Hauptfenster lässt sich direkt an jede
beliebige Position navigieren.
Innerhalb des angewählten Moduls werden sechs Bereiche angezeigt. Der erste
Bereich umfasst die gesamten Lernmaterialien. Das didaktische Material versucht eine
Brücke zum Schulgeschehen herzustellen. Im dritten Abschnitt werden Kursbriefe mit
entsprechenden Lösungen abgelegt. In weiteren Punkten werden ergänzende Materialien und Literaturhinweise präsentiert.
Im letzten Abschnitt hat der Anwender die Möglichkeit seine Meinung in einer Umfrage
zu äußern. Optional kann er einstellen, welche der sechs Bereiche er ausblenden
möchte. Folglich kann er nur den Bereich anzeigen lassen, auf den er sich gegenwärtig
fokussieren möchte.
Bei webbasierten Lernumgebungen, beispielsweise „FLIEG“, sollten Jakob Nielsens
Top 10 Designfehler bei Benutzerschnittstellen auch berücksichtigt werden. Probleme
mit der Lesbarkeit bzgl. Kontrast zwischen Text und Hintergrund oder zu kleine
Schriftgrößen lassen sich nicht feststellen. Links sind durch informative Schlüsselbegriffe klar erkennbar und farbig hinterlegt. Eine Unterscheidung zwischen „beSeite 79
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
suchten“ und „nicht besuchten“ Links durch unterschiedliche Färbung ist nur bei den
Studienmaterialien in HTML-Version (im Modul „Datenbanken“) vorhanden. Sollte die
Farbe der besuchten Links nicht unterschieden werden, besteht die Gefahr, dass sich
die Anwender im Kreis bewegen. Es dient der Vermeidung von Konfusion. Flash wird
im Onlinekurs „FLIEG“ nur inhaltlich (Ablauf eines Algorithmus) verwendet und dient
nicht dem Aufpeppen einer Website. Eine Suchfunktion ist für den Anwender
vorhanden. Formulare können für den Benutzer lästig erscheinen. Die Formulareingaben sollten soweit wie möglich reduziert werden. Anfangs existierte im Datenbank-Modul für jeden Kursbrief eine Umfrage. Im nachfolgenden Modul „Ablaufmodellierung“ wird nur noch eine Umfrage angeboten. Kontaktdaten sowie
Informationen zu den Betreibern sind in FLIEG vorhanden. Ein horizontales Scrollen
kommt im Onlinekurs „FLIEG“ nicht vor.
Die Multimedialität in einem E-Learning System kann beim Lernenden Abwechslung
bewirken, Aufmerksamkeit aufsichziehen und Neugier wecken. Die Multicodalität als
Mindestvoraussetzung für Multimedialität wird im Onlinekurs „FLIEG“ durch den
Gebrauch von unterschiedlichen Codierungen und Symbolsystemen erreicht. Das
Angebot besteht aus einer Vielzahl von Textpassagen mit farbigen Grafiken. Die
Grafiken dienen dem tieferen Verständnis der Textpassagen. Es ist oftmals möglich auf
einen unterstrichenen, farbigen Text zu klicken, dieser führt den Anwender auf eine
andere Bildschirmseite mit Informationen. Außerdem lassen sich spezielle Grafiken
anklicken, um weitere Klicken werden Informationen zu erhalten.
Die Übungsaufgaben werden häufig mit farbigen Grafiken dargestellt. Diese Vorgehensweise wirkt sich positiv auf den Verstehensprozess des Lernenden aus. Als
Grafiken werden außerdem noch Zustandsdiagramme sowie Tabellen von „FLIEG“
angeboten. In den Modulen (Datenbanken und Ablaufmodellierung) wird jeweils eine
Animation dargeboten. Mit der ersten Animation kann der Ablauf eines Algorithmus
besser nachvollzogen werden. Die zweite Animation dient der besseren Erklärung
sowie Vertiefung einer Aufgabe (s. Abbildung 7.14). Die beiden Animationen wecken
sofort das Interesse des Betrachters.
Abbildung 7.14: Animation [FLIEG]
Diese Symbole sprechen denselben Eingabekanal (visuellen Kanal) an.
Die zweite Stufe der Multimedialität, die Multimodalität wird im Onlinekurs „FLIEG“
nicht erreicht. Die verschiedenen Symbolsysteme beschränken sich lediglich auf den
visuellen Kanal. Eine Voraussetzung für Multimodalität ist, dass verschiedene
Eingabekanäle angesprochen werden. Die Lernumgebung „FLIEG“ bietet keine Sound
bzw. Videosequenzen, Simulation, Hintergrundmusik oder eine andere Form von
Tonsequenzen an.
Seite 80
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Im Onlinekurs „FLIEG“ lassen sich verschiedene Interaktionstufen nach Schulmeister
erkennen.
•
Stufe 1: Der Benutzer hat die Möglichkeit in den Modulen die Inhalte zu
betrachten, den Text zu lesen und Objekte zu rezipieren. Der Benutzer kann die
entsprechenden Objekte ansteuern und dadurch zusätzliche Informationen und
Instruktionen erhalten.
•
Stufe 2: Für den Anwender besteht die Möglichkeit, innerhalb der Module
zwischen einer Präsentationsform im HTML-Format oder einer Druckversion
(PDF-Format) zu wählen. So muss er beispielsweise lange Textpassagen nicht
auf dem Monitor lesen sondern kann sie sich auf Papier ausdrucken lassen. Er
kann bei den ergänzenden Materialien aus einem Angebot an Power-Point
Folien und pdf-Files wählen. Zu vielen Textpassagen werden noch ergänzende
Grafiken bereitgestellt.
•
Stufe 4: Einzelne Komponenten lassen sich modifizieren. Man kann zum
Beispiel durch die Wiki-Funktion den Lerninhalt erweitern oder mit den
Dateimanager aktiv in die Lernumgebung eingreifen. Mit der Kalenderfunktion
kann man sich seinen individuellen, digitalen Terminplan erstellen. Der
Benutzer entdeckt den Lerninhalt durch Manipulation, Erweiterung oder Modifizierung.
•
Stufe 6: Im Modul „Ablaufmodellierung“ werden dem Benutzer Fragen (im
Multiple-Choice Format) gestellt und er erhält ein Feedback auf seine Antworten. Der Benutzer erhält durch Abschicken seiner Antwort(en) ein Feedback
vom Lernprogramm. Zusätzlich werden die Antworten bewertet und in einer
Statistik veranschaulicht. Zu den Check-up Aufgaben erhalten die Anwender
ein individuelles Feedback durch die Trainer.
Der Onlinekurs „FLIEG“ beinhaltet die Stufen 1,2,4,6 der Taxonomie der Interaktion
nach Schulmeister.
7.3
Bewertung der Lernumgebung „FLIEG“
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Lernende in einer vorgegebenen,
strukturierten Lernumgebung weitgehend selbstständig interagieren kann. Folglich
kann er seinen individuellen Lernprozess nach seinen zeitlichen Vorlieben, Fähigkeiten
und Vorwissen planen und gestalten.
Übungsaufgaben sind ein wirksames Mittel, die neu erworbenen Kenntnisse anzuwenden. Aufgaben mit Musterlösungen sind reichlich vorhanden. Individuelles
Feedback erhalten die Teilnehmer des Onlinekurses „FLIEG“ lediglich bei den Checkup Aufgaben, sowie den Multiple-Choice Aufgaben. Erhält man ein Feedback zu den
Aufgaben, wirkt sich dieses äußert positiv auf den Verstehensprozess und die
Motivation aus. Jede Person kann nachvollziehen, wie wichtig es ist, seine eigenen
Fehler zu erkennen. Die Anzahl der Check-up Aufgaben ist dennoch äußerst begrenzt.
Bei den restlichen Aufgaben müssen die Teilnehmer den Lösungsweg und die Fehler
selbstständig anhand der Musterlösungen nachvollziehen. Bewertungskriterien wie ein
Punktesystem oder ein Schwierigkeitsgrad der Aufgaben werden nicht angegeben.
In der Lernumgebung „FLIEG“ werden ausreichend Elemente zur sozialen Einbindung
des Individuums bereitgestellt. Der Teilnehmer kann synchrone und asynchrone
Kommunikationswerkzeuge verwenden, um mit anderen Personen in Kontakt zu treten.
Das ständige Bereitstellen von Kommunikationsmitteln wird als sehr wichtig zur
Senkung der Drop-out Rate gesehen [Astleitner00]. Durch die Nutzerprofile der
Seite 81
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Teilnehmer bzw. Trainer wird der Anonymität der Lernumgebung entgegenwirkt. Das
Anbieten von Präsenzveranstaltungen stellt ein weiteres Mittel der sozialen Einbindung
des Individuums dar. Die soziale Einbindung wird in vielen E-Learning Systemen erst
gar nicht berücksichtigt. Im Onlinekurs „FLIEG“ sind aber genügend soziale Komponenten integriert.
Das Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen Lernmaterialien wird durch Hyperlinks
realisiert. Einführend werden Hinweise und Tipps zu den einzelnen Aufgaben gegeben,
aber es werden - wie schon oben erwähnt - keine Bewertungskriterien angegeben.
Anhand eines Bewertungssystems kann man die Bedeutung bzw. Wichtigkeit einer
Aufgabe erkennen. So wirken die Staatsexamensaufgaben als besonders wichtig.
Literaturhinweise, ergänzende Materialien und weiterführende Links sind in der
Lernumgebung integriert worden. Es werden auch Erklärungen, Umfang der Materialien etc. angegeben. Zu den wichtigen Kapiteln (z.B. zu den Normalformen)
werden zusätzlich Auszüge aus anderen Quellen bereitgestellt. Die inhaltliche Relevanz wird durch viele Beispiele, die im Kontext der Schule erläutert werden, erreicht.
Es wird eine gewisse Realitätsnähe geschaffen. Zusammenfassend lässt sich
feststellen, dass eine Vielzahl von Elementen enthalten ist, die eine Bedeutsamkeit des
Lernstoffs für den Lernenden erkennen lassen.
Zu einer „Abwechslung“ aufgrund von integrierten, multimedialen Komponenten wie
Video- bzw. Tonsequenzen oder Simulationen kommt es sich nicht. Der Lernende
kann die Präsentationsform der Studienmaterialien auswählen. Am Anfang einer jeden
Lektion werden die Lernziele erläutert. Manche Hilfen, wie beispielsweise die korrekte
Inbetriebnahme einer Übungsdatenbank, begünstigen den Verstehensprozess der
Teilnehmer. Die Struktur der einzelnen Module ist klar erkennbar. Die für den Teilnehmer relevanten Lernmaterialien lassen sich auf Anhieb finden. Die Instruktionen
und Hinweise sind klar erkennbar und verständlich formuliert.
Der Onlinekurs „FLIEG“ erreicht die erste Stufe der Multimedialität. Es sind Defizite in
der multimedialen Qualität erkennbar. Wie schon erwähnt, sind keine Video- bzw.
Tonsequenzen oder Simulationen integriert. Es werden lediglich zwei Animationen
angeboten, die beim Durcharbeiten der Lernmaterialien sofort das Interesse des
Benutzers wecken. Die Stufe der Multimodalität wird in der Lernumgebung „FLIEG“
nicht erreicht. Dennoch lassen sich aufgrund der vielen Optionen unterschiedliche
Interaktionsstufen nach Schulmeister erkennen. Durch Einbinden von multimedialen
Komponenten kann eine gewisse Neugier, Abwechslung, Interesse und auch andere
Interaktionsstufen nach Schulmeister erreicht werden.
Um eine emotional stimmige Lernumgebung für die Teilnehmer zu gewährleisten
werden einige Lehrstrategien verwirklicht. Um „Erfolg sicherzustellen“ werden zum
Beispiel Übungsaufgaben angeboten und zu gewissen Aufgaben erhalten die
Bearbeiter auch ein Feedback. Die Lehrstrategie „Rege Echtheit und Offenheit an“ wird
durch Präsenzveranstaltungen und Nutzerprofile realisiert. Bei Problemen oder Fragen
können die synchronen oder asynchronen Kommunikationswerkzeuge, Suchfunktion,
Dateimanager und Hilfen genutzt werden.
Eine benutzerfreundliche Oberfläche kann beim Teilnehmer ein gewisses
Wohlbefinden schaffen. Die Benutzeroberfläche ist in drei Bereiche gegliedert und alle
auszuwählenden Elemente sind klar erkennbar. Ablenkende oder sogar störend
wirkende Elemente treten nicht auf. Nach Nielsens Designfehler lässt sich eine
Inkonsistenz bei den besuchten bzw. nicht besuchten Links feststellen. Im Modul
„Ablaufmodellierung“ lassen sich bei den Studienmaterialien im HTML-Format keine
Unterschiede zwischen besuchten und nicht besuchten Links finden. Im Gegensatz
dazu wird im Modul „Datenbanken“ farblich zwischen besuchten und nicht besuchten
Links unterschieden. Folglich könnte sich der Benutzer im Kreis bewegen. Ansonsten
lassen sich keine Designfehler nach Jakob Nielsen feststellen.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Betrachtet man den Onlinekurs „FLIEG“ insgesamt, so ist festzustellen, dass es sich
um keine multimediale Lernumgebung handelt, sondern um eine Lernumgebung, die
auf Moodle basiert. Moodle basiert wiederum - wie schon erwähnt - auf didaktischen
und pädagogischen Erkenntnissen. In „FLIEG“ lassen sich viele Prinzipien aus der
Pädagogik wiederfinden.
Im folgenden Kapitel sollen Verbesserungsvorschläge für die Lernumgebung „FLIEG“
aufgezeigt werden.
7.4
Verbesserungsvorschläge
In diesem Abschnitt werden Vorschläge zur Verbesserung des Onlinekurses „FLIEG“
angegeben. Die Teilnehmer könnten „aufgefordert“ werden (in Kleingruppen) Übungsaufgaben für andere Lernende zu erstellen. Lernende können dazu angehalten werden, zu einem Modul eigenständig Übungsaufgaben für andere Teilnehmer zu
erstellen. Ihnen wird eine aktive Rolle im Lernprozess gegeben. Teilnehmer sollten sich
z.B. in Kleingruppen organisieren und in diesen Gruppen Aufgaben erstellen. Die
Herstellung bzw. Bearbeitung dieser Aufgaben kann über Präsenzveranstaltungen,
synchrone oder asynchrone Kommunikationstools, Treffen etc. verwirklicht werden.
Jede Kleingruppe kann sich einmalig in der Position befinden, Aufgaben für die
anderen Teilnehmer bereitzustellen. Die erstellten Aufgaben können beispielsweise
über den Dateimanager eingebunden werden. Dieses Prinzip, dass Lernende Aufgaben für andere Lernende erstellen, korrigieren und vielleicht bewerten, erweist sich
als didaktisch und pädagogisch außerordentlich sinnvoll [Steiner06].
Zum einen wird die Lernumgebung „FLIEG“ durch das Eingreifen und Erstellen von
Aufgaben durch den Lernenden aktiv erweitert, zum anderen werden die Autonomie
und das Kompetenzerleben verstärkt. Durch das aktive Tun oder Eingreifen erreicht
man eine intensivere Beteiligung der Teilnehmer an der Lernumgebung „FLIEG“.
Ferner identifiziert sich der Lernende stärker mit der Lernumgebung. Die Steigerung
der Kompetenz und Autonomie steigert die intrinsische Lernmotivation der Teilnehmer.
Bei der kleingruppenbasierten Erstellung von neuen Aufgaben wird ebenso der
Umgang mit den anderen Teilnehmer gefördert. Das Prinzip der sozialen Einbindung
wird verstärkt, was sich wiederum positiv auf die Motivation auswirken kann.
Besteht die Gefahr, dass die erstellten Aufgaben von den Lernenden nicht ernst
genommen werden, so kann man diese auch in einem Übungsblatt integrieren. Ein
anderes Mittel, dieser Gefahr vorzubeugen, bietet die Methode, die Aufgaben auch
anonym zu stellen. Folglich können „inoffizielle“ Aufgaben als „offiziell“ geltende
Aufgaben präsentiert werden. Die Aufgaben werden von der entsprechenden Kleingruppe korrigiert und man erhält ein Feedback zu den abgegebenen Übungen. Da es
sich bei den Teilnehmern hauptsächlich um Lehrer handelt, sind sie mit dieser
Situation der Erstellung, Korrektur und Bewertung von Aufgaben mehr als vertraut. Ein
individuelles Feedback mit beispielsweise Verbesserungsvorschlägen kann folglich
realisiert werden. Ein Feedback mit Verbesserungsvorschlägen kann eine außerordentlich positive Auswirkung auf die Motivation besitzen. Zusätzlich können einzelne
weiterführende Konzepte, Literaturhinweise, Hilfestellungen oder Textabschnitte integriert werden. Die Menge sowie die Qualität der Aufgaben sind natürlich abhängig vom
Wissen und der Bereitschaft der Entwickler. Der Lernende nimmt kurzzeitig die Rolle
des Lehrenden ein. Der Arbeitsaufwand der Autoren bzw. Trainer wird nicht zusätzlich
gesteigert. Im Gegenteil werden die Trainer zu einem gewissen Teil entlastet. Die
Teilnehmer besitzen einen hohen Freiheitsgrad bei der Erstellung der Übungsaufgaben. Die Gruppenmitglieder müssen nachdenken, welche Schwierigkeiten sie erlebt
haben oder welche Prinzipien, Methoden, Erfahrungen sie als wichtig empfunden
haben, um sie in den Aufgaben zu integrieren. Das Gelernte wird zudem verfestigt und
man kann seiner Phantasie freien Lauf lassen, da eine kreative, aktive Konfrontation
mit den Lernmaterialien vorausgesetzt wird.
Seite 83
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Bevor die Übungen in „FLIEG“ integriert werden, können diese durch die Tutoren noch
geprüft werden. Die synchronen und asynchronen Kommunikationstools unterstützen
diesen Prozess, da nicht „zeitaufwändige“ Treffen zwischen allen beteiligten Personen
organisiert werden müssen.
Abschließend könnten die Aufgaben durch die Teilnehmer des Onlinekurses „FLIEG“
anhand einer Umfrage anonym bewertet werden. In der Online-Umfrage müssen
Punkte, wie Schwierigkeitsgrad, Bedeutung Verständlichkeit der Aufgaben sowie
Interesse und Motivation berücksichtigt werden. Außerordentlich positiv bewertete Aufgaben könnten dadurch belohnt werden, dass diese permanent in die Lernumgebung
aufgenommen werden.
Zu den lernergestellten Aufgaben kann ein individuelles Feedback erfolgen. Die Anzahl
der Check-up Aufgaben ist äußerst begrenzt, deshalb bieten diese lernergestellten
Übungen eine weitere Möglichkeit dar, ein Feedback zu den abgegebenen Aufgaben
zu erhalten. Erhöht man die Anzahl der Check-up Aufgaben, wird der Lehrstab
aufgrund der Korrekturarbeiten stärker belastet. Ein individuelles Feedback mit
Verbesserungsvorschlägen ist sehr wirksam und wichtig für das Kompetenzempfinden
des Lernenden.
Bewertungskriterien oder ein Schwierigkeitsgrad wird bei den Übungen nicht angegeben. Bei den Aufgaben können extrinsische Anreize durch eine Punktevergabe
erreicht werden. Es ist schwierig, die Bedeutung bzw. Wichtigkeit einer Aufgabe ohne
Punktsystem nachzuvollziehen. Durch ein Punktesystem kann man Rückschlüsse auf
seine eigene Leistung ziehen. Man kann seine individuell erbrachte Leistung an den
ereichten Punkten besser erfassen. Ebenso lassen sich durch die erreichten Punkte
Defizite in gewissen Bereichen besser erkennen. Diese Lücken können dann gezielt
geschlossen werden. Außerdem kann man die Wichtigkeit einer Aufgabe besser
einschätzen. Ein Punktesystem kann testweise auch bei den lernergestellten Aufgaben
eingesetzt werden. Vielleicht können überdurchschnittlich hohe Punktzahlen öffentlich
in einer Rangliste präsentiert werden. Folglich wird für die Teilnehmer ein zusätzlicher
extrinsischer Anreiz geschaffen.
Die Übungen im Onlinekurs sollten mit einem Schwierigkeitsgrad versehen werden.
Eine Kennzeichnung (durch Z für Zusatz, Check-up) der Übungen wird zwar angegeben, aber die Schwierigkeit bzw. Umfang der einzelnen Aufgaben lassen sich nicht
erkennen.
Durch einen gegebenen Schwierigkeitsgrad kann jeder Teilnehmer seine anspruchsgerechte Aufgabe finden. Folglich kann jeder Nutzer nach seinen persönlichen
Ansprüchen und Wünschen die Übung und ihre Reihenfolge selbst wählen. Der
Schwierigkeitsgrad kann beispielsweise durch eine entsprechende Skala angegeben
werden. Die Skala könnte zum Beispiel in drei Bereiche eingeteilt werden:
•
Aufgaben, die mit geringem Wissen zu lösen sind.
•
Aufgaben vom Niveau der Klausur.
•
Aufgaben, die dem vertieften Wissen dienen.
Durch den Schwierigkeitsgrad kann auch der aktuelle Leistungsstand nachvollzogen
werden.
Der Onlinekurs erreicht die erste Stufe der Multimedialität. Gegenwärtig sind zwei
Animationen in den Studienmaterialien enthalten, die auch sofort das Interesse des
Benutzers erwecken. Durch Integration von geeigneten dynamischen, multimedialen
Komponenten kann Neugier, Aufmerksamkeit und Interesse bei den Teilnehmern entfacht werden. Möchte man die multimediale Qualität erhöhen, könnte man die BeSeite 84
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
deutung bzw. Wichtigkeit der Aufgaben stärker hervorheben, zum Beispiel können
weitere Animationen integriert werden. Der Implementierungsaufwand würde sich
dabei in Grenzen halten. Eine andere Möglichkeit wäre die Einbindung einer Videosequenz in bestimmten Passagen (Beispielsweise könnte die Inbetriebnahme einer
Übungsdatenbank anhand einer Videosequenz erläutert werden). Wichtige Abschnitte
könnten zusätzlich durch Tonsequenzen hervorgehoben werden. Natürlich muss der
Implementierungsaufwand dieser Komponenten immer berücksichtigt werden. Er sollte
sich soweit wie möglich in Grenzen halten.
Zu Beginn einer jeden Lerneinheit könnten einige einführende Videosequenzen die
Neugier des Lernenden auf die folgenden Sachthemen wecken. Ebenso wird die
Aufmerksamkeit aufrechterhalten, da sich bei jeder Lerneinheit die Instruktionsqualität
von der vorherigen unterscheidet. Eine Phase der stärkeren Unterstützung sollte
besonders zu Beginn eines jeden Moduls oder Kurses eingeplant werden, zum Beispiel
könnte die Gruppenbildung intensiviert werden durch Vorgabe von Gruppenregeln,
„Sanktionen“ für Trittbrettfahrer erläutert oder moderierte Diskussionen im Netz zu
besonders relevanten Themen durchgeführt werden. Es sollten virtuelle Lerngruppen
verstärkt eingesetzt werden. Zusätzlich könnten Tipps und Strategien zur virtuellen
Teamarbeit zur Verfügung gestellt werden. Gegen Ende eines Moduls bzw. Kurses
sollte die Unterstützungskomponente zunehmend abnehmen, so dass die Teilnehmer
die Möglichkeit haben, ihre neu erworbenen Kompetenzen eigenverantwortlich anzuwenden.
Nach Nielsens Topliste der Designfehler sollten die „besuchten“ Links im Modul
„Ablaufmodellierung“ von den nicht „besuchten“ Links farblich unterschieden werden.
Der Teilnehmer bekommt dadurch einen besseren Überblick, welche Abschnitte der
Studienmaterialien er schon bearbeitet hat und er kann den Umfang besser
abschätzen. Die Farbe für bereits „besuchte“ Links kann durch den Befehl vLink=
„Farbe“ im HTML-Quellcode kenntlich gemacht werden.
Innerhalb der Lehrmaterialien (PDF-Format) können wichtige Textabschnitte bzw.
Lektionen farblich hervorgehoben werden. Wichtige Abschnitte wie die Normalformen
können zusätzlich durch Hinweise auf die Wichtigkeit betont werden.
Man kann auch eine Identifikationsfigur in die Lernumgebung „FLIEG“ implementieren.
Die Identifikationsfigur stellt eine Metapher dar und schafft eine gewisse Vertrautheit
mit der Lernumgebung. Diese Vertrautheit kann sich positiv auf die Lernmotivation
auswirken, die wiederum natürlich den Lernprozess der Teilnehmer unterstützt. Außerdem soll eine solche Figur motivieren, sich in regelmäßigen Abständen mit der
Lernumgebung „FLIEG“ zu beschäftigen. Eine Identifikationsfigur könnte beispielsweise ein Thermometer darstellen. Das Thermometer sinkt zum Beispiel, wenn die
zeitlichen Abstände des Einloggens größer werden. Die Teilnehmer erkennen, dass sie
sich vielleicht häufiger mit der Lernumgebung auseinandersetzen sollten. Das Thermometer dient als Motivator und soll dezent auf größere zeitliche Abstände aufmerksam
machen. Andere Faktoren die in den Messwert miteinbezogen werden können, sind die
Regelmäßigkeit und Dauer der Lernphasen.
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
8 Untersuchung weiterer Lernumgebungen
In diesem Kapitel werden zwei weitere computerunterstützte Lernumgebungen untersucht, wobei zunächst der aus Kapitel 6 entstandene Kriterienkatalog in einer „kurzen
und bündigen“ Form vorgestellt wird. Der zuvor ausführlich beschriebene Kriterienkatalog wird zu einem Fragenkatalog zusammengefasst, so dass sich NutzerInnen
oder ExpertenInnen diesen Katalog zur Evaluierung von Lernsoftware hinsichtlich
Lernmotivation zunutze machen können. Anhand dieses Katalogs können Lernsysteme
schnell, mühelos und effektiv evaluiert werden. Die ausführlich hergeleiteten Kriterien
werden im Kapitel „Untersuchte Kriterien“ beschrieben. Die Resultate einer Experten
oder Nutzerbefragung können auf die Ausprägung der einzelnen Motivationskomponenten aufmerksam machen. Experten oder Nutzer können E-Learning Systeme auf
Basis des Kriterienkatalogs hinsichtlich Lernmotivation evaluieren. Anhand dieses
Fragenkatalogs (s. Anhang) werden zwei weitere Lernumgebungen untersucht und die
Ergebnisse werden auszugsweise präsentiert. Die Bewertung der beiden Lernumgebungen anhand des Fragenkatalogs erfolgte durch den Verfasser dieser Diplomarbeit und einem Studenten der Mensch-Maschine Interaktion (Medieninformatik). Die
Defizite und hervorstechend positiven Elemente der Lernumgebungen werden erläutert.
8.1
Fragenkatalog zur Evaluierung von Lernsoftware
Der Fragenkatalog besteht aus den drei Komponenten:
-
allgemeine Angaben
-
Motivationskomponenten
-
allgemeine Fragen zur Lernsoftware
Die Hauptkategorie stellen die Motivationskomponenten dar. Die Motivationskomponenten sollen ein motiviertes Lernen begünstigen und bestehen aus einer Reihe von
Fragen, die von den Nutzern oder Experten anhand einer siebenstufigen Skala
bewertet werden können. Bei Schwierigkeiten oder Unklarheiten bei den zu
bewertenden Fragen können auch die im Kapitel 6 ausführlich beschriebenen Kriterien
herangezogen werden. In den anderen beiden Teilen (allgemeine Angaben und
allgemeine Fragen zur Lernsoftware) sollten die Fragen frei beantwortet werden. Die
allgemein zu beantwortenden Fragen dienen außerdem auch der Optimierung und der
Weiterentwicklung der Lernumgebung.
In der Abbildung 8.1 lässt sich ein solches Bewertungssystem erkennen. Die Farben
geben eine zusätzliche Hilfestellung, um die Bedeutung der einzelnen Skalenwerte
abzulesen. Die Werte sollen entsprechend angekreuzt werden. Die Lernumgebung
kann anhand des Fragenbogens analysiert und bewertet werden und die Ergebnisse
können dem Bewerter als Indikator für das aktuelle Ausmaß der Lernmotivation dienen.
Seite 87
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 8.1: Fragebogenausschnitt zur sozialen Einbindung
Man kann nach Möglichkeit das bestehende Lernsystem entsprechend modifizieren
und einzelnen Motivationsdefiziten gezielt entgegenwirken. Defizite in den Motivationsaspekten können einfach erkannt werden. Der vollständige Fragenkatalog zur
Feststellung der Lernmotivation ist dem Anhang zu entnehmen.
Im Folgenden werden zwei Lernsysteme anhand des Katalogs untersucht und die
Resultate auszugsweise aufgezeigt. Die erste Lernumgebung („MSWLogo“) wurde
nach Prinzipien der konstruktivistischen Lerntheorie entwickelt. Die zweite Lernumgebung („Alice3D“) wurde nach Prinzipien der kognitivistischen Lerntheorie entwickelt.
8.2
Untersuchung des Lernprogramms „MSWLogo“
Die Lernumgebung „MSWLogo“ verwirklicht das Konzept einer Mikrowelt. In einer
Mikrowelt wird eine auf Computer basierende interaktive Lernumgebung geschaffen,
indem der Lernende zu einem Architekten seines eigenen Wissens werden kann. Der
Lernende muss in einem offenen System seinen Lernweg individuell organisieren,
seine eigenen Denk- und Arbeitsprozesse definieren, sein Wissen aktiv konstruieren
und die erlernten Fähigkeiten auf neue Problemsituationen anwenden. Eine Mikrowelt
fördert das entdeckende, autonome, interaktive und handlungsorientierte Lernen. Der
Mikrowelt-Ansatz ist sehr gut vereinbar mit Konzepten, die sich aus der konstruktivistischen Lerntheorie ergeben. Im folgenden Abschnitt wird auf die Lernumgebung näher eingegangen [vgl. Holzinger00, Holzinger01].
8.2.1 Beschreibung
In der Lernumgebung „MSWLogo“ ist die Programmiersprache LOGO integriert. Diese
imperative Programmiersprache ist von Seymour Papert am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) entwickelt worden. Diese Programmiersprache wurde für Programmieranfänger konzipiert und soll leicht zu erlernen, benutzerfreundlich, aber
trotzdem leistungsfähig im Befehlsumfang sein. Es werden alle gängigen Konzepte
einer prozeduralen Programmiersprache wie Rekursion, Datentyperkennung, Schleifen
etc. verwendet. Die Lernumgebung „MSW Logo“ ist eine freie Windows Variante und
wurde von Brian Harvey und George Mills u.a. an der Universität California Berkeley
entwickelt.
Durch den Einsatz der Lernumgebung „MSWLogo“ kann mit Hilfe der Programmiersprache LOGO beispielsweise mathematische Operationen besser nachvollzogen,
geometrische Grafiken (auch 3D-Grafiken) konstruiert, komplexe Problemstellungen
gelöst oder strukturiertes, logisches Denken gefördert werden. Das Programm fällt in
Seite 88
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
die Kategorie der CBT Lernprogramme. In der Abbildung 8.2 lässt sich die
Benutzeroberfläche erkennen. In der unteren Leiste können die Programmierbefehle
eingegeben werden, die den „Turtle“ in der Mitte des Bildschirms steuern. Der Turtle
kann in verschiedene Richtungen bewegt werden, somit können beispielsweise Grafiken realisiert werden. Ferner wird ein sofortiges graphisches Feedback bei Auftreten
von Bugs bereitgestellt.
Abbildung 8.2: Benutzerroberfläche von „MSWLogo“ [MSWLogo]
8.2.2 Analyse und Bewertung
Die Lernumgebung „MSWLogo“ wird in diesem Abschnitt anhand des im Punkt 8.1
erwähnten Fragebogens untersucht. Besonders negative bzw. positive Aspekte werden
herausgegriffen.
Bei der Auswertung des Fragebogens hat sich herausgestellt, dass Defizite vor allem
im Bereich sozialer Einbindung aufgetreten sind. Dies lässt sich in der Abbildung 8.3
ersehen. Dieser Bereich bildet oftmals einen der massivsten Schwachpunkte von ELearning Systemen. Die Lehrer-Lerner bzw. Lerner-Lerner Interaktion wird auch in
dieser Lernumgebung kaum ansatzweise vorgesehen. Zusätzlich sollte man erwähnen,
dass [Astleitner00] in seinen Untersuchungen die Drop-out Rate durch Integration von
Kommunikationstools bzw. sozial einbindenden Komponenten senken konnte.
Seite 89
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 8.3: Bewertung der sozialen Komponente
In der Lernumgebung „MSWLogo“ treten insbesondere im Bereich sozialer Einbindung
signifikante Mängel auf, die sich negativ auf die Lernmotivation auswirken können. Sie
können soweit führen, dass der Benutzer die Konfrontation mit der Lernumgebung
„MSWLogo“ vermeidet oder sogar die Lernphase mit dem System „MSWLogo“ vollständig eingestellt wird. Man findet so gut wie keine Elemente, die eine soziale
Einbindung des Lernenden bestärken. Durch Implementierung geeigneter Funktionen
kann die Qualität der sozialen Komponente erheblich gesteigert werden. Es können
beispielsweise Nutzerprofile oder Informationen über die Autoren bzw. Tutoren eingebaut werden. Dieser Schritt schafft eine Vertrautheit für den Lernenden und der
Anonymität der Lernumgebung wird entgegengewirkt. Es kann ein Forum für Probleme
und Fragen implementiert werden. Spezielle Fragen könnten auf der Website der
Softwarefirma beantwortet werden. Ein Internetzugang kann in die Lernumgebung integriert werden. Durch Bereitstellen von synchronen oder asynchronen Kommunikationstools (z.B. Mitteilungsfenster) kann der Teilnehmer mit anderen Personen in
Kontakt treten.
Außerordentlich positiv ist die Bewertung im Bereich multimedialer Qualität ausgefallen. Die Bewertung lässt sich anhand der Abbildung 8.4 erkennen. Die Lernumgebung verfügt über ein hohes Interaktionspotenzial. Der Teilnehmer hat die
Möglichkeit komplette Modelle innerhalb der Mikrowelt zu konstruieren und zu modifizieren.
Abbildung 8.4: Bewertung der multimedialen Qualität
Seite 90
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Beispiele sowie Zusammenhänge werden durch Videosequenzen verdeutlicht. Es sind
sehr viele Videosequenzen vorhanden, die ebenfalls eine Aufmerksamkeit, Neugier
sowie ein besseres und tieferes Verständnis des Lernstoffes bewirken.
Die Oberfläche kann benutzerfreundlicher gestaltet werden, so können einige geeignete Farbkomponenten im Hauptfenster entsprechend eingesetzt werden, um einer
eintönigen und monotonen Präsentation vorzubeugen.
Die Bewertungsergebnisse der anderen Motivationskategorien des Fragebogens sind
überwiegend im positiven Bereich wiederzufinden.
8.3
Untersuchung des Lernprogramms „Alice3D“
Bei „Alice3D“ handelt es sich um eine Lernumgebung zur Modellierung interaktiver 3DGrafiken. „Alice3D“ ist einer kognitivistischen Lerntheorie zuzuordnen. Es sollen Methoden zur Antwortfindung gelehrt werden. Es werden Regeln zur Funktionsweise
vermittelt. Diese Regeln können anhand von Beispielen erlernt werden. Die Lehrperson ist ein Tutor, ein Ratgeber. „Alice3D“ fällt in die Kategorie der tutoriellen
Systeme [vgl. Holzinger00, Holzinger01].
8.3.1 Beschreibung
Mit „Alice3D“ lassen sich interaktive 3D-Grafiken erstellen. Die Abbildung 8.5 zeigt eine
solche Anwendung. „Alice3D“ versucht die Schwierigkeiten, die mit der Programmierung aufkommen, zu überwinden und das Programmieren durch drag und drop
einfacher zu gestalten. Das Lernprogramm richtet sich an Schüler und Studenten und
bietet einen Einstieg in die Programmierung bzw. Modellierung von 3D-Grafiken. Bei
der Lernumgebung „Alice3D“ handelt es auch sich um eine Software, die in die
Kategorie der CBT fällt.
Abbildung 8.5: Benutzeroberfläche von „Alice3D“ [Alice]
Seite 91
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Die Lernumgebung „Alice3D“ wurde von einem Entwicklerteam der Universität von
Virginia erstellt. Sie wird kostenlos auf der Alice Homepage zum Download bereitgestellt
8.3.2 Analyse und Bewertung
Die Lernumgebung „Alice3D“ wird in diesem Abschnitt anhand des im Punkt 8.1 vorgestellten Fragebogens untersucht. Es werden negative bzw. positive Aspekte beleuchtet.
Beim Kompetenzempfinden des Lernenden könnten einige Mängel auftreten. Diese
Mängel könnten dazu führen, dass die Motivation der Lernenden leidet. Es findet keine
richtige Wissensüberprüfung statt, da die Anzahl der Aufgaben äußerst begrenzt ist.
Dementsprechend werden auch keine Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad angeboten. Ein Eingangstest zur Selbsteinstufung wird nicht präsentiert. Der
Lernende besitzt lediglich die Möglichkeit, seine Kompetenzen über ein Forum einzubringen. Über dieses Forum können Teilnehmer beispielsweise ihre Erfahrungen,
Ideen und Lösungswege austauschen. Ein Feedback zu den Aufgaben wird nicht
angeboten.
Abbildung 8.6: Bewertung der Kompetenzen
Ebenso lassen sich Defizite in der Instruktionsqualität erkennen (s. Abbildung 8.7).
Lernziele der einzelnen Kapitel lassen sich nicht erkennen und Voraussetzungen für
die einzelnen Kapitel werden nicht angegeben. Der Arbeitsaufwand für unterschiedliche Kapitel wird nicht beschrieben. Es existiert keine klare Strukturierung des
Inhalts, beispielsweise werden unterschiedliche Tutorials ohne Inhaltsangabe wiedergegeben. Ebenso werden keine Hilfen zum Tutorial angeboten. Darunter könnte die
Verständlichkeit bzw. Vermittlung des Lehrstoffes leiden. Der Lernende erhält nur
wenige hilfreiche Fehlermeldungen.
Seite 92
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 8.7: Bewertung der Instruktionsqualität
Die Lernmotivation der Anwender kann aufgrund der aufgetretenen Defizite in den
Bereichen Kompetenz und Instruktionsqualität vermindert werden.
Positiv ist die Bewertung im Bereich der multimedialen Qualität ausgefallen. Die
Bewertung lässt sich anhand der Abbildung 8.8 erkennen. Die Lernumgebung verfügt
über eine Vielzahl von multimedialen Komponenten. Ferner hat der Lernende die
Möglichkeit einige Komponenten selbstständig zu modellieren. Die Lernumgebung
bietet dem Lernenden eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten.
Abbildung 8.8: Bewertung der multimedialen Qualität
Weitere positive Elemente lassen sich in der sozialen Komponente wieder finden. Das
zeigt die Bewertung 8.43. Es wird ein Forum für auftretende Probleme auf der Alice
Homepage angeboten. Technische Fragen können auch direkt an die Alice Community
gestellt werden. Informationen zu den Betreibern können auf der Alice Homepage
gelesen werden. Des Weiteren wird eine Alice User Mailing List zur Verfügung gestellt.
Die Lernumgebung „Alice3D“, die auch in die Kategorie der CBT fällt, weist im
Seite 93
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Gegensatz zur Lernumgebung „MSWLogo“ eine Reihe von Komponenten zur sozialen
Einbindung auf.
Abbildung 8.9: Bewertung der sozialen Komponente
Seite 94
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
9 Fazit
Die Aufgabe dieser Diplomarbeit war die Analyse, Bewertung und Optimierung eines
E-Learning Systems unter dem Aspekt der Interaktivität basierend auf verschiedenen
Motivationstheorien. Das „Herzstück“ dieser Diplomarbeit bildet Kapitel 6. In diesem
Kapitel wird die Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs für E-Learning Systeme beschrieben, der motivationserhaltende, -fördernde sowie -hemmende Aspekte beinhaltet. Anhand dieses Katalogs lassen sich computerunterstützte Lernumgebungen im
Kontext der Motivation untersuchen, bewerten und optimieren.
Der Einsatz von E-Learning Systemen wird auch zukünftig in der Aus-, Fort- und
Weiterbildung eine zentrale Rolle spielen, auch wenn reichlich hochgesteckte Ziele aus
den 90er Jahren (noch) nicht realisiert wurden.
Zunächst wurden theoretische Gedanken zum Thema „Motivation“ hergeleitet. Hierfür
wurde der beachtliche Einfluss der Motivation, der als ein wesentlicher Faktor für einen
langfristigen Lernerfolg angesehen werden kann, erläutert. Mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan wurde eine Theorie vorgestellt,
die eine Erklärung für selbstbestimmt motiviertes Lernen liefert. Aufbauend auf dieser
Theorie wurden vom Mitarbeiterteam um Prenzel drei weitere Bedingungen für ein
selbstbestimmt motiviertes Lernen entwickelt. Der Begriff „Motivation“ kann in engem
Zusammenhang mit dem Begriff „Emotion“ gesehen werden. Ein weiterer Oberbegriff
des Kriterienkatalogs stellt folglich das FEASP-Modell dar. Das FEASP-Modell wird
eingesetzt, um eine emotional stimmige Lernumgebung zu gewährleisten. Der letzte
Oberbegriff des Katalogs bildet das Kriterium der Multimedialität. Durch die Multimedialität bzw. Digitalisierung lassen sich innovative Effekte erwecken. Man muss sich
aber immer bewusst machen, dass die technisch multimediale Komponente noch keine
didaktischen Probleme löst. Ein multimedial aufwändig konzipiertes E-Learning System
stellt noch keinen Lernerfolg dar. Es wurde versucht, diese Kriterien lediglich im
Kontext der Interaktivität zu betrachten.
Die in diesem Katalog beschriebenen Kriterien unterstützen die „Anbieter“ eines ELearning Systems darin, eine bestmögliche Lernmotivation zu garantieren. Anhand
dieses Katalogs lassen sich beispielsweise Defizite in einem gewissen Bereich
erkennen, so dass die Entwickler eines E-Learning Systems gezielt die Lernumgebung
bzw. Lehrumgebung entwerfen oder verbessern können.
In dieser Diplomarbeit wurde der Onlinekurs „FLIEG“ evaluiert. Der Kriterienkatalog
wurde schrittweise anhand dieser Lernumgebung „durchgegangen“. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei „FLIEG“ um keine multimediale Lernumgebung handelt, sondern um eine Lernumgebung, die auf Moodle basiert und diese
wiederum auf didaktischen und pädagogischen Erkenntnissen beruht. Es ließen sich
keine größeren Abweichungen zu den untersuchten Kriterien feststellen. Anschließend
wurden einige Verbesserungsvorschläge für den Onlinekurs angeführt, die zu einer
weiteren Verarbeitung in die Lernumgebung noch integriert werden können.
Im Kapitel 8 wurde der kompakte Fragebogen aus dem Anhang vorgestellt. Dieser
Fragebogen ermöglicht Nutzern sowie Experten in kurzer und kompakter Weise ELearning Systeme zu untersuchen und Anmerkungen anzuführen. Anhand dieses
Katalogs können Lernsysteme schnell, problemlos und effektiv evaluiert werden.
Erhöht man die Anzahl der Nutzer bzw. Experten lassen sich noch aussagekräftige
Ergebnisse erzielen. Es wurden zwei Beispiele angeführt, die die Verwendung des
Fragenkatalogs anschaulicher machen sollen. Die Ergebnisse dieser Nutzer oder
Expertenbefragung können auf die Ausprägung der jeweiligen Motivationsaspekte
aufmerksam machen. Die beiden Lernsysteme (MSWLogo und Alice3D) wurden
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Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
untersucht und die Resultate auszugsweise aufgezeigt. Das Hauptaugenmerk lag auf
den Defiziten und positiven Elementen der Lernumgebungen.
Die Bearbeitung dieser Motivationsthematik empfand der Autor zu jedem Zeitpunkt als
eine sehr interessante und spannende Herausforderung, bei der man außerdem
einiges an Erfahrungen und Erkenntnissen dazu gewinnen konnte. Zudem war es sehr
aufschlussreich zu erfahren, wie Themen aus den unterschiedlichen Bereichen der
Informatik, Pädagogik, Psychologie und Didaktik miteinander in Verbindung treten
können und sich nicht nur die Auseinandersetzung um die technischen Komponenten
im Vordergrund befinden soll.
Weitere Forschungsfelder in diesem Bereich könnte beispielsweise eine ausführliche
Untersuchung darüber sein, welche Abschnitte eine Face-to-Face Konfrontation zum
Beispiel ein Präsenztreffen unumgänglich machen oder wie sinnvoll und motivierend
Features, Kommunikationstools, Internettelefonie bzw. Videokonferenzen wirklich sind?
Natürlich darf bei all den beschriebenen Theorien, Untersuchungen, Erkenntnissen und
Erfahrungen, die im Kontext der Motivation erläutert wurden, die menschliche Komponente nie außer Acht gelassen werden. Eine Maßnahme gegen die Willenskraft
eines Menschens lässt sich kaum entgegnen. Möchte man sich nicht mit dem Lehrstoff
auseinandersetzen, so konvergiert höchstwahrscheinlich jede Motivationsanstrengung
gegen Null.
Seite 96
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Anhang
Katalog zur Evaluation von Lernsoftware
hinsichtlich
Lernmotivation
Für NutzerInnen und ExpertInnen
von Patrick Chuh
Seite 97
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Anleitung zur Beantwortung des Fragenkatalogs
Bevor der Katalog durch den Nutzer oder Experten ausgefüllt wird, sollte man
sich ausdauernd mit der Lernumgebung beschäftigen.
Der Fragenkatalog umfasst 36 Fragen, die drei unterschiedliche Aspekte
behandeln:
1.) Allgemeine Angaben
2.) Motivationskomponenten
3.) Allgemeine Fragen zur Lernsoftware
Zur Beantwortung der Fragen steht Ihnen im Teil „Motivationskomponenten“
eine siebenstufige Skala zur Verfügung. Bitte kreuzen Sie dementsprechend
an. In den anderen beiden Teilen sollten die Fragen frei beantwortet werden.
Lesen Sie bitte alle Fragen sorgfältig durch und geben Sie dazu ihre Bewertung
ab.
I. Allgemeine Angaben
1.) Geschlecht
weiblich □
□ männlich
2.) Alter
________________________
3.) Titel des Lernprogramms
________________________
II. Motivationskomponenten
Autonomieunterstützung:
4.)
Kann der Lernende seinen Lernweg frei wählen?
trifft voll zu
Seite 98
trifft gar nicht zu
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
5.)
Existieren Auswahlentscheidungen bzgl. Aufgaben und Beispiele?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
6.)
Kann der Lernende die Sequenz des Lehrstoffs bzw. Lehrobjekte selbstständig
wählen?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
7.)
Existieren Hilfen (z.B. Navigationsleiste, Sitemaps), die den Auswahlprozess
unterstützen?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Kompetenzunterstützung:
8.)
Werden ausreichend Möglichkeiten geboten, die erworbenen Kompetenzen
anzuwenden (z.B. Aufgaben etc.)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
9.)
Ist die Lernumgebung den Fähigkeiten des Nutzers angepasst bzw. existieren
unterschiedlich schwierige Aufgaben?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
10.)
Wird zu den Aufgaben bzw. Lernfortschritt eine didaktisch sinnvolle Rückmeldung
gegeben?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
11.)
Kann der Lernende seine Kompetenzen aktiv in die Lernumgebung einbringen (z.B.
Möglichkeit der Erweiterung, Dateimanager, Wiki-Funktion etc.)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Soziale Einbindung:
12.)
Kann der Lernende mit Anderen in Kontakt treten z.B. durch synchrone oder
asynchrone Kommunikationstools?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
13.)
Werden Maßnahmen ergriffen, um der Anonymität der Lernumgebung
entgegenzuwirken (wie Nutzerprofile etc.)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Seite 99
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
14.)
Wird versucht den Lernenden in die Lernumgebung zu integrieren z.B. durch
Präsenzveranstaltungen, Gruppenbildung, kooperatives Arbeiten?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Instruktionsqualität:
15.)
Gibt es während des Programms überraschende Elemente?
(z.B. Änderung der Präsentationsart, multimediale Komponenten, etc.)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
16.)
Sind die Lernmaterialien bzw. die Lernumgebung übersichtlich und klar strukturiert
(z.B. Inhaltverzeichnis)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
17.)
Werden die Lernziele klar und verständlich vermittelt?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
18.)
Sind Anregungen, Hinweise oder Hilfen (z.B. Lösungshilfe) integriert?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Inhaltliche Relevanz des Lernstoffs:
18.)
Werden Zusammenhänge zwischen den Lerninhalten aufgezeigt z.B. durch eine
sinnvolle Netzstruktur?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
19.)
Sind Elemente eingeschlossen, die eine Realitätsnähe (z.B. Metaphern, Analogien)
schaffen?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
20.)
Ist der Sinn der Aufgabe bzw. Übungseinheit erkennbar?
trifft voll zu
Seite 100
trifft gar nicht zu
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
21.)
Werden wichtige Abschnitte hervorgehoben?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
FEASP-Elemente:
22.)
Wird eine positive Orientierung aufrechterhalten (z.B. positives Feedback) und
kritisches Denken angeregt?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
23.)
Bekommt man ein Gefühl der Vertrautheit (durch z.B. authentische Aufgaben,
Kontaktadresse, etc.)?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
24.)
Sind unangenehme Elemente (Eintönigkeit, Orientierungslosigkeit, Ablenkungen, zu
viel Text etc.) vorhanden?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
25.)
Wirkt die Oberfläche benutzerfreundlich?
26.)
Treten sonstige Designfehler (beispielsweise nach Nielsen) auf?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Multimediale Qualität:
27.)
Enthält das Lernsystem für schwierigere Sachverhalte Grafiken oder Animationen?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
28.)
Werden unterschiedliche Medienformen angeboten in Form von Simulationen, Video
oder Audio?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
29.)
Ist ein ausgewogener Einsatz von Audio, Video und Text gegeben?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
30.)
Hatten Sie den Eindruck, ausreichend mit der Lernumgebung interagieren zu können?
trifft voll zu
trifft gar nicht zu
Seite 101
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
III. Allgemeine Fragen
31.)
Stört Sie persönlich etwas an der Lernumgebung?
32.)
Könnten Sie sich vorstellen dieses Programm längerfristig
zum Lernen zu verwenden?
33.)
Handelt es sich bei der Lernsoftware um Freeware?
□ ja □ nein
□ ja □ nein
34.)
Ist die Auseinandersetzung mit dem Lernprogramm motivationsfördernd?
□ ja □ nein
35.)
Wie könnte man Ihrer Meinung nach dieses Lernprogramm noch verbessern?
36.)
Angenommen man legt das Punktesystem (0=ungenügend, 15= sehr gut)
zu Grunde. Wie viele Punkte würden sie für die Lernsoftware vergeben?
Ende
Vielen Dank für Ihr Mitwirken an dieser Untersuchung!
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Seite 102
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1:
Vorteile des E-Learnings
Abbildung 3.1:
Drop-out Faktoren
Abbildung 3.2:
Grundmodell der klassischen Motivationspsychologie
Abbildung 3.3:
Die unterschiedlichen Motivationsformen
Abbildung 3.4:
Varianten der selbstbestimmten Motivation
Abbildung 3.5:
Bedingungen für ein motiviertes Lernen
Abbildung 3.6:
Arbeitsaufgaben des Instructional Designs
Abbildung 3.7:
ARCS-Modell
Abbildung 3.8:
Unterkategorien des ARCS-Modell
Abbildung 3.9:
Subkategorien (Aufmerksamkeit)
Abbildung 3.10:
Subkategorien (Bedeutsamkeit)
Abbildung 3.11:
Subkategorien (Erfolgszuversicht)
Abbildung 3.12:
Subkategorien (Zufriedenheit)
Abbildung 4.1:
Beziehung zwischen Emotion, Motivation und Kognition
Abbildung 4.2:
Die FEASP-Emotionen
Abbildung 5.1:
Interaktionskette
Abbildung 5.2:
Funktionen von Interaktivität
Abbildung 5.3:
Wechselwirkung zwischen den Interaktionen
Seite 103
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 6.1:
Kommunikationstools
Abbildung 6.2:
Risiko-Wahl-Modell nach Atkinson
Abbildung 7.1:
Startseite von „FLIEG“
Abbildung 7.2:
Einführung in die Benutzeroberfläche
Abbildung 7.3:
Wahlmöglichkeiten
Abbildung 7.4:
Navigationsleiste
Abbildung 7.5:
Alle Module
Abbildung 7.6:
Nachrichtenaustausch
Abbildung 7.7:
Profil
Abbildung 7.8:
Zusatzinformation zu den Aufgaben
Abbildung 7.9:
Dateimanager
Abbildung 7.10:
Glossare
Abbildung 7.11:
Lernziele des ER-Modells
Abbildung 7.12:
Beispielszenario mit Klassen, Lehrkräften und Fächern
Abbildung 7.13:
Einteilung der Benutzeroberfläche
Abbildung 7.14:
Animation
Abbildung 8.1:
Fragebogenausschnitt zur sozialen Einbindung
Abbildung 8.2:
Benutzeroberfläche von „MSWLogo“
Abbildung 8.3:
Bewertung der sozialen Komponente
Seite 104
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Abbildung 8.4:
Bewertung der multimedialen Qualität
Abbildung 8.5:
Benutzeroberfläche von „Alice3D“
Abbildung 8.6:
Bewertung der Kompetenzen
Abbildung 8.7:
Bewertung der Instruktionsqualität
Abbildung 8.8:
Bewertung der multimedialen Qualität
Abbildung 8.9:
Bewertung der sozialen Komponente
Tabelle 2.1:
Hochschulen und Studierende (GAO 2004)
Tabelle 4.1:
Die Lehrstrategien gegen Angst und Neid
Tabelle 4.2:
Die übrigen Lehrstrategien
Seite 105
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Seite 106
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Inhaltsverzeichnis der beigelegten CD
Ordner
Inhalt
\
Inhaltsverzeichnis der CD im PDF-Format und
als Word-Dokument, Hilfe zur CD im PDFFormat und als Word-Dokument.
\ diplomarbeit_praxisteil \
\ … \ alice3D\
\ … \ mswlogo\
In diesem Ordner befinden sich alle Dateien, um
die jeweilige Lernumgebung zu starten.
\ diplomarbeit_theorieteil \
Theorieteil der Diplomarbeit in elektronischer
Form als Word-Dokument und als PDFDokument. Der Fragebogen befindet sich im
Anhang.
\ verwendete_software \
Zur Erstellung der Arbeit verwendete Software,
soweit rechtlich erlaubt. Dies umfasst:
- Konvertierungstool WordToPDF 2.1
- Konvertierungstool Ghostscript 8.54
- Bildbearbeitungstool XnView
\ zitierte_quellen \
Elektronische Form der in der Arbeit zitierten
Quellen (PDF-Format): [Astleitner01],
[Cameron01u.a.], [KayGrieder06], [Kramer02],
[Mandl01u.a.] [Mandl05u.a.], [Paschke03u.a.],
[Schallehn04], [Schenkel02u.a.],
[Schulmeister05] und [Wang03u.a.].
[Blumstengel98] ist im HTML-Format verfügbar.
\ vortragsfolien \
Der Vortrag findet nach dem Abgabeschluss
statt. Die Vortragsfolien zum Endbericht werden
separat nachgereicht.
Seite 107
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
Seite 108
Analyse und Bewertung eines E-Learning Systems
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