Traumatisierungen bei Flüchtlingen
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Traumatisierungen bei Flüchtlingen
Dima Zito, PSZ Düsseldorf Traumatisierung bei Flüchtlingen Traumatisierung bei Flüchtlingen ► Was ist ein Trauma? Wie entsteht es? Wie wirkt es sich aus? ► Traumatisierung bei Flüchtlingen Wechselwirkung mit Lebensbedingungen Behandlungsmöglichkeiten ► Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge Tipps im Umgang Schutz vor eigenen Belastungen Warum Beschäftigung mit Traumatisierung? ► Untersuchung der psychologischen Forschungs- und Modellambulanz für Flüchtlinge, Universität Konstanz (Gaebel et al., 2006) ► 40 % der AsylbewerberInnen leiden unter Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) häufiger auf als bisher angenommen traumatische Erfahrungen und daraus resultierende PTBS-Symptome werden auch durch geschulte Mitarbeiter des BAMF nicht erkannt ► Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen Trauma International Classification of Diseases der WHO: Trauma = einem „belastenden Ereignis oder einer Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde“ (ICD 10, F 43.1). Beispiele: Unfälle, Umweltkatastrophen, Vergewaltigung, Kriegserlebnisse Trauma ist nicht gleich Trauma • Typ I: Plötzlich, unvorhersehbar, unbeabsichtigt (z.B. Unfall, Naturkatastrophen) • Typ II: „man-made“, bewusst durch Mitmenschen zugefügt (z.B. Gewalt, Folter) • Erschüttern Vertrauen in Welt / andere Menschen, schwerer zu verarbeiten • Typ III: Zeugenschaft Nach Maerker, Maerker, 2003 Auch sekundäre Traumatisierung von HelferInnen/Fachkräften 5 Vorweg… ► bei der Arbeit mit Traumatisierten kein „Tunnelblick“ auf die Belastung weder ausblenden noch darauf fixieren ► Blick auf die Ressourcen, auf Entwicklung… Fallbeispiel Frau Z. ► Kurdin aus der Türkei, 30, 2 Kinder ► Ehemann politisch aktiv ► bei Suche nach Mann wird sie verhaftet, tagelang festgehalten, geschlagen und von mehreren Soldaten vergewaltigt ► nach der Freilassung wird sie von ihrem Mann aufgrund der Vergewaltigung verstoßen ► sie flieht mit ihren Kindern nach Deutschland Traumatische Erfahrungen bei Flüchtlingen ► Mehrzahl der Flüchtlinge stammt aus aktuellen Kriegs- / Konfliktgebieten (Afghanistan, Irak…) ► Krieg, Vertreibung, Zerstörung des Heimatortes ► Haft, Folter, Todesdrohungen ► Zeugenschaft bei Gewalt / Morden ► Sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung ► Beschneidung, Zwangsheirat ► Zwangsprostitution ► Eigene Täterschaft (z.B. KindersoldatInnen) ► Lebensgefahr / Gewalt auf der Flucht ► Übergriffe in Deutschland Was passiert in einer traumatischen Situation? Stressreaktion • Mobilisierung von Energie zur Bewältigung der Bedrohung • Kampf – Flucht – Reaktion (Cannon, 1932) • Bewältigung/Erholung Was passiert bei traumatischem Stress? - extreme Bedrohung Überforderung zur Verfügung stehender Bewältigungs-Mechanismen: kein Kampf/keine Flucht möglich Erstarrung (Freeze), Dissoziation Innerliche Distanzierung von Bedrohung/ Rückzug aus unerträglicher Realität Neurobiologischer Schutzmechanismus Veränderte Zeit/Raum/Selbstwahrnehmung, Schmerzempfinden… Abspaltung aus dem Bewusstsein erschwert Verarbeitung Erleben als „Spiegel“ in unkritischen Situationen ► Emotionen ► Bilder ► Geräusche ► Gerüche ► Körperempfindungen ► Gedanken ► Erinnerungen „ als ganzes Bild“ Traumatisierung als „zerbrochener Spiegel“ Emotionen Gedanken Gerüche Geräusche Bilder Körper Erinnerungen/Erfahrungen Traumafolgestörungen ► ► Extrem belastende Ereignisse führen nicht „automatisch“ zu Traumafolgestörungen Beginn des 20. Jahrhunderts: erstmals massenhafte Ausfälle durch Kriegstraumatisierungen („shell shock“) Haltung: Gesunder Mensch muss extreme Erfahrungen symptomfrei verarbeiten anhaltende psychische Störungen auf „neurotische Disposition“ zurückzuführen ► Holocaust-Überlebende nicht individuelle Faktoren, sondern Ausmaß der Belastung (Schwere und Dauer der Misshandlungen) für psychische Schädigungen ausschlaggebend („Die Ermordung von wie vielen seiner Kinder muss ein Mensch symptomfrei ertragen, um eine normale Konstitution zu haben?“ Eissler, 1963) ► ► Weiterentwicklung der Traumaforschung durch Behandlung von Vietnam-Veteranen 1980: psychiatrische Diagnose PTSD (Posttraumatic Stress Disorder) wird im DSM III aufgenommen Traumafolgestörungen: Zusammenwirken verschiedener Faktoren ► Ereignisfaktoren ► Qualität (Intensität, Brutalität) Quantität (Häufung, Dauer) Unerwartetheit, Kontrollierbarkeit (Z.B. Aktivist, Kind) Schutzfaktoren soziale / familiäre Unterstützung bereits erworbene Kompetenzen und positive Erfahrungen Kohärenz („sinnhaft einordnen können“) ► Risikofaktoren geringes Alter frühere belastende Erfahrungen frühere psychische Störungen belastende Lebensbedingungen (Gefängnis / Asyl) Häufigste Traumafolge: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) Verkehrsunfälle Ca.15% Schwere Erkrankungen (HIV,Krebs etc.) Ca.15% Professionelle HelferInnen Ca.5-20% Technische - und Naturkatastrophen Ca.25 % Gewaltverbrechen Ca.25% Politische Verfolgung Ca.50 -70% Vergewaltigung Ca.57-80% Symptomatik der Posttraumatischen Belastungsstörung ►Wiedererleben ►Vermeidung ►erhöhte angstbedingter Erregung Trauma-Symptome I Wiedererleben ►Ereignis nicht als normale Erinnerung gespeichert, kreist unverarbeitet ►sich wiederholende, sich aufdrängende Erinnerungsbilder ►Alpträume ►Flash-Backs (z.B. bei Polizeiuniformen) ►intensive psychische Belastung bei Aspekten, die an das Trauma erinnern, auch körperl. Reaktionen Wiedererleben ► „Wenn ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern ► „Wenn ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern ► „Wenn Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich ich auf der Straße gehe, manchmal sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern ► „Wenn Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich Sich aufdrängende gehe,Erinnerungen manchmal ich auf der Straße sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Wiedererleben Reize, die an traumatische Situation erinnern ► „Wenn Intensive emotionale Reaktion, auch körperlich Sich aufdrängende gehe,Erinnerungen manchmal ich auf der Straße sehe ich Menschen, die so aussehen wie diese Menschen, die mich im Gefängnis gefoltert haben. Wiedererleben, Sofort bekomme ich Angst. Oder erinnere ich mich Flash-backs an diese Zeiten. Es gab bei der Folter eine Art von Parfüm. Und es gibt dieses Parfüm auch hier. Manchmal, wenn ich auf der Straße bin und ich rieche dieses Parfüm, dann sofort bin ich zurück in diesen Zeiten. Und ich bekomme Angst, ich zittere.“ (Deniz Tuncay) Trauma-Symptome II Vermeidung ► Bewusste Vermeidung von Reizen, die an traumatische Ereignisse erinnern Vermeidung von Gewaltfilmen Vermeidung zur Ruhe kommen Vermeidung von Gespräch über Erlebnisse ► auch im Asylverfahren ► auch in der Therapie ► Unbewusste Vermeidung Amnesie für Erlebtes und darüber hinaus extreme Vergesslichkeit, Orientierungsschwierigkeiten Gefühl der Gefühllosigkeit und der Entfremdung von der Welt ► „Numbing“, Rückzug, abgestumpfte Gefühle, sozialer Wiedererleben und Vermeidung ► „So wie der Krieg ist passiert, ja, bis heute noch ich habe im Kopf. Das stört mich viel. Nur wenn ich Sport mach so, oder arbeiten, dass ich habe was zu tun, dann ich habe nicht so Gedanken, aber wenn ich ruhig bin, zu Hause oder so am schlafen, diese Bilder kommen wieder in den Kopf. (…) Deswegen- zur Zeit arbeite ich so viel. Ja, ich mach- ich will immer was zu tun. Wenn ich ruhig bleibe so zu hause so, die Gedanken kommen wieder und das ist schwierig“ (Cherif Condé) Trauma-Symptome III Erhöhte Angstbedingte Erregung ► Schlafschwierigkeiten ► Reizbarkeit, Wutausbrüche ► Konzentrationsschwierigkeiten ► übermäßige Wachsamkeit ► übertriebene Schreckreaktionen Wiedererleben, erhöhte angstbedingte Erregung ► „Es geht mir einfach nicht gut und ich bin immer müde, ich schlafe nicht und ja, manchmal denk ich an Sachen, an die ich gar nicht denken will, dann kommen die ganzen Erinnerungen wieder und zum Beispiel in der Schule, wo ich jetzt hingehe, manchmal lerne ich was und wenn ich raus gehe, ich vergesse alles auf einmal.“ Posttraumatische Belastungsstörung ► Beschwerden lassen sich auf traumatisches Ereignis zurückführen ► Beschwerden dauern länger als 1 Monat sonst „akute Belastungsreaktion“ ► können teilweise Jahre später einsetzen weitere Auslöser (z.B. Abschiebungsandrohung) ► Leiden und Beeinträchtigungen in relevanten Lebensbereichen Zusätzliche Symptome ► „Dauertrauer“ ► Schuldgefühle, Überlebensschuld ► Labiles Selbstwertgefühl/Hohe Kränkbarkeit ► Eingeschränkte Impulskontrolle ► Eingeschränkte Realitätsprüfung ► Vegetative Symptome Kopf-, Bauch-, Herz-, Rückenschmerzen… Zittern, Schwindel, Atemnot, Krämpfe… Frau Z. ► kam ins PSZ mit Bitte um Stellungnahme wegen Wohnungswechsel im Flüchtlingswohnheim Angstzustände, wenn sie Männern begegnete ► Permanente Kopfschmerzen, Bauchschmerzen ► hatte im Asylverfahren Vergewaltigungen nur angedeutet, Thematisierung vermieden Ablehnung ► Überflutenden Erinnerungen bei Begegnungen mit Männern, Angst, Vermeidung, Anspannung, Alpträume, Schuldgefühle, Scham… Komorbide Störungen ► Depressive Störungen 70% aller TraumapatientInnen (Maier 2007) ► Angststörungen ► Somatoforme Störungen körperliche Beschwerden ohne organische Ursache ► Suchterkrankungen Alkohol, Drogen, Medikamente als Versuch der Selbstmedikation Suizidalität ► Flüchtlinge: Gruppe mit besonders erhöhtem Suizidrisiko ► Bei PTBS achtfach erhöhte Rate an Suizidversuchen (Huber 2003) ► Menschen, die Krieg, Folter oder rassistisch, religiös oder politisch motivierte Verfolgung oder sexuelle Übergriffe bzw. Gewalt erlebt haben, sind besonders suizidgefährdet (Dorrmann 2006) ► Hilf- und Hoffnungslosigkeit und pessimistische Einschätzungen der Zukunft erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Suizids (Davison/Neale 1998) Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung (ICD 10, F 62.0) ► Bei sehr schweren und langandauernden Traumatisierungen andauernde Gefangenschaft mit unmittelbarer Todesgefahr, Folter oder Konzentrationslagererfahrungen ► wenn Symptome über 2 Jahre bestehen ► feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt ► sozialer Rückzug ► Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit ► chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl Angst, Misstrauen, Bedrohung ► „Ich mache zehn Schritte nach vorne und dann muss ich immer nach hinten gucken, bis heute, das ist der Einfluss von damals. Die Polizei, wenn ich die Polizei sehe, habe ich sofort Angst, obwohl ich weiß, dass ich jetzt in Deutschland bin. Ich sehe diese Waffen, die Pistole. (…) Waffen haben mit Menschentötung zu tun, da habe ich immer Angst. Auch hier in Deutschland, durch Stimmen hier, davon, Polizei zu sehen. Kein Vertrauen, immer nach vorne zu gucken und nicht nach hinten. Abends zum Beispiel kann ich nicht raus gehen, habe ich Angst, dass jemand vielleicht eine Falle für mich geplant hat um mich zu töten.“ (Deniz Tuncay) Übersicht traumareaktiver Entwicklungen Quelle: AWMF online (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) Keine Pathologisierung! ► Psychologisch-psychiatrische Konzepte wie das der PTBS beschreiben Symptome kann entlastend wirken („ich werde nicht verrückt“) ► Aber: Symptomatiken entwickeln sich in Wechselwirkung mit sozialen Rahmenbedingungen ► Fokus auf Krankheitsbild = Individualisierung und Pathologisierung psychosozialer Belastungen, die in gesellschaftlichem Kontext entstanden sind (Becker 2006; medico report 1997). Traumatisierung und Lebensbedingungen von Flüchtlingen Studien-Ergebnisse ► Wahrscheinlichkeit psychischer Belastungen, insb. PTBS und schwerer Depressionen bei Flüchtlingen signifikant erhöht ► Bedingungen des Aufenthalts im Exil im direkten Zusammenhang mit der Entwicklung (Verbesserung oder Verschärfung) psychischer Erkrankungen Psychosoziale Belastungen im Zusammenhang mit Nach-FluchtLebensbedingungen ► ► Zusammenhang zwischen belastenden Nach-FluchtLebensbedingungen, ungesicherten Zukunftsperspektiven und psychischen Erkrankungen Hallas et al. (2007): Unterlagen von 4.516 Flüchtlingen in Dänemark psychische Erkrankungen steigen mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Aufnahmezentren deutlich an ► Momartin et al. (2006): Vergleichende Studie zur psychischen Verfassung iranischer und afghanischer Flüchtlinge mit befristetem (n = 49) und unbefristetem (n = 67) Aufenthaltsstatus beide Gruppen haben ähnliche belastende Gewalt- und Verfolgungserfahrungen vor der Flucht Flüchtlinge mit befristetem Aufenthaltsstatus relevant höhere Ausprägungen sämtlicher psychiatrischer Symptome Frau Z. ► Extreme Belastung unter Bedingungen des Flüchtlingswohnheims ► Verbesserung nach Umzug in eigene Wohnung ► Extreme Ängste bei unklarem Ausgang des Asylverfahrens ► Entlastung bei Aufenthaltserlaubnis nach fast drei Jahren Schwierigkeiten im Asylverfahren ► Asylverfahren: Häufig keine Beweismittel, um Schutzbedarf zu belegen Auf Grundlage der Anhörung wird entschieden ► Schlüssige Berichterstattung wird erwartet „Fluchtgründe aus eigener Initiative umfassend, detailliert, nachvollziehbar und widerspruchsfrei schildern“ ► Traumatisierte Flüchtlinge oft überfordert Traumatypische Vermeidung Angst und Scham (Folter, Vergewaltigung) Misstrauen Behörde, bürokratische Atmosphäre, Erinnerungen an Verhöre Lebensbedingungen ► Asylbewerberunterkünfte teils ehem. Kasernen Mehrbettzimmer, Gemeinschaftsduschen Razzien und Abschiebungen ► Asylbewerberleistungsgesetz Arbeitsverbot, extreme Armut (35 % unter ALG II) eingeschränkter Zugang zu therapeutischer Behandlung eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten (Zugang zu Bildung und Kultur, Wahl des Wohnumfeldes, der Tagesgestaltung oder Fortbewegungsmöglichkeiten) ► Zuspitzung und Chronifizierung psychischer Belastung Erstaufnahmelager ► Wir alle müssen uns in einer Reihe anstellen, wie eine Reihe Gefangener, wissen Sie? Wieder anstellen und auf das Essen warten, wissen Sie? Das war einfach wie in dem Gefängnis, wo du gewesen bist, wo ich herkam, aufs Essen warten. (…) Kein Unterschied. Wo bin ich? Und unter strikter Kontrolle, strenge Sicherheitsmaßnahmen, alles, wissen Sie? (atmet aus) (…) Eine Erfahrung wie: "Wofür ist das? Wird es so mein Leben lang sein?“ In einem Lager sein, eingezäumt, du kannst nicht raus, sie sagen dir, was du tun musst, sie bestimmen, was du isst. (David Kamara) Von der Belastung zur Stabilisierung Behandlung ► Schwierigkeiten eingeschränkte Versorgung, DolmetscherInnen ► PTBS häufig nicht erkannt, Fehldiagnosen Schizophrenie, Psychosen… ► Psychosoziale Zentren Behandlungsplätze Stellungnahmen (Abschiebeschutz aus humanitären Gründen) Das PSZ bietet für Flüchtlinge • Psychotherapie, psychosoziale Beratung, • • • • • • • therapiebegleitende Sozialarbeit Therapiebegleitende Gruppen und Gruppentherapie Begutachtung /psychosoziale/ psychotherapeutische Stellungnahmen Beratung zu Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten, Klärungsgespräche CD-NAWA Trauer-Ort Hilfen zur Erziehung speziell für UMF: Jugendgruppe und Clearinggespräche Traumatherapie mit traumatisierten Flüchtlingen ►3 (idealtypische) Phasen Traumatherapie Stabilisierung Traumabearbeitung (-konfrontation) Integrationsphase ► Bei schwer und komplex traumatisierten Menschen nimmt Stabilisierung den größten Raum ein ► Traumabearbeitung nicht immer möglich: zu frühe Konfrontation ohne ausreichende Stabilisierung: Gefahr der Destabilisierung, psychischer Dekompensation notwendige Stabilität wird nicht immer erlangt KlientInnen wünschen explizit keine Konfrontation Stabilisierungsphase Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung ► besondere Herausforderung für KlientInnen, die durch menschliche Gewalt traumatisiert wurden, schwer, wieder Vertrauen in andere Menschen zu fassen für Flüchtlinge, die Ablehnung durch VertrerInnen deutscher Institutionen erfahren haben Stabilisierungsphase Rahmen für Narration schaffen ► Therapeutische Haltung Bereitschaft, Misstrauen auszuhalten, sich testen zu lassen… ► Kommunikation ermöglichen Sprach- und Kulturmittler ► (Aus-)Halten Erlebtes darf, aber muss nicht ausgesprochen werden ► Rolle der TherapeutIn stellvertretende Zeugenschaft und Anerkennung durch Aufnahmegesellschaft, Würdigung Stabilisierungsphase Äußere Sicherheit ► Ohne soziale Stabilisierung keine psychische Stabilisierung ► Ganzheitliches Vorgehen ► Kooperation mit SozialarbeiterInnen und anderen Fachkräften (RechtsanwältInnen…) Absicherung des Aufenthalts Verbesserung der Unterbringungssituation Tagesstruktur (Ausbildung, Arbeitserlaubnis) Behandlung eventueller körperlicher Erkrankungen, Infektionen oder Verletzungen Stabilisierungsphase Autonomie und Orientierung ► doppelte Erfahrung des Ausgeliefertseins Erfahrung, ausgeliefert und ohnmächtig zu sein Als Flüchtlinge Erfahrung, dass über sie hinweg entschieden und verfügt wird ► Autonomie muss in der Therapie gewürdigt werden! Haltungen und Entscheidungen der KlientIn ernst nehmen und respektieren Transparentes Vorgehen ► Bedürfnis nach Orientierung („Psychoedukation“) „Sagen Sie mir, was ich tun soll.“ Entlastung durch Verhaltens-Ratschläge und konkrete Übungen Informationen über psychische Belastung, therapeutisches Vorgehen und Selbsthilfemöglichkeiten Stabilisierungsphase Selbsthilfemöglichkeiten im Umgang mit Belastungen ► Übungen erlernen, „Handwerkzeug“ ► Gefühle zu regulieren anstatt von ihnen überflutet zu werden z.B. „Gefühlsregler-Übung“ ► sich von traumatischen Bildern zu distanzieren z.B. „Tresor-Übung“ ► Flashbacks und Dissoziationen zu stoppen z.B. Reorientierungsübungen ► Alternativen finden für selbstschädigende Lösungsversuche z.B. Substanzmissbrauch, selbstverletzendes Verhalten Stabilisierungsphase Suizidprophylaxe ► Suizidale Krisen situative Belastungen (Abschiebungsandrohungen, aufenthaltsrechltiche Verfahren) chronisch belastende Lebenssituation ► Nicht-Suizid-Vertrag ► Notfallplan für suizidale Impulse was tun, wen anrufen, wo hingehen aufschreiben, bei sich tragen oder an zugänglichen Ort aufbewahren ► wenn möglich, Erreichbarkeit der TherapeutIn über Krisenhandy ► stationäre Aufnahme wenn notwendig Stabilisierungsphase Ressourcen stärken ► Förderliche Netzwerke aufbauen ► Wohltuende Aktivitäten ausbauen z.B. Sport, kochen, Musik… ► Imaginationsübungen z.B. Innerer Garten o. Sicherer Ort (Reddemann 2001) Wenn es keinen realen sicheren Ort gibt (Sammelunterkünfte und Lager) ist Imagination schwierig, Therapiezimmer als sicherer Ort Traumabearbeitung ► Bei ausreichender Stabilisierung mit spezifischen Verfahren ► sinnvoll, da unverarbeitete Traumatisierungen immer wieder getriggert werden können: über die Konfrontation mit ähnlichen Reizen (Bilder, Gerüche…) werden belastende Erinnerungen gekoppelt mit den entsprechenden Gefühlen ausgelöst ► Traumabearbeitung: traumatische Situation wird kontrolliert wieder durchlebt ► isoliert voneinander gespeicherten Elemente sollen zusammengefügt und verarbeitet werden Erinnerungsbilder, Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken Beispiel: Bildschirmtechnik als Verfahren der Traumabearbeitung ► Traumatisches Erlebnis wird auf imaginiertem Bildschirm mit klar definiertem Anfang und Ende durchgespielt ► mit imaginierter Fernbedienung können Bilder größer oder kleiner gestellt oder angehalten werden, Lautstärke oder Farben modifiziert ► Verarbeitung Vermeidung und Angst bewältigen, sich stellen (Katastrophe bleibt aus) Kontrolle erlangen Zusammenfügen der Erinnerungsbrüchstücke auf verschiedenen Erfahrungsebenen Integrationsphase ► Integration der traumatischen Ereignisse in Lebensgeschichte Traumatische Erfahrung (Ausgeliefertsein und Todesnähe) wird nicht auf gesamte Existenz verallgemeinert örtlich und zeitlich begrenzte schreckliche Erlebnisse in der Vergangenheit eingeordnet betrauern und abschließen ► Wiederaufbau ein positives Selbst- und Weltbildes ► Energien auf Gegenwart und Zukunft richten Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen ► Klare Rolle, Grenzen einschätzbar sein ► Zuverlässigkeit positive Bindungserfahrung ► Evtl. Misstrauen, „testen“ aushalten ► Trauma-Exploration kann triggern das Erlebte darf, aber muss nicht erzählt werden für Stabilisierung sorgen (wie geht jemand nach hause, was macht er nach dem Termin, gibt es Ansprechpartner…) Wenn belastende Gefühle aufkommen ► Sicherheit und Ruhe vermitteln ► Orientierung in der Gegenwart Zeit und Ort Kontakt herstellen (Berührung klären) Wahrnehmung auf Gegenwart fokussieren Sinneswahrnehmungen (aufstehen, Füße auf Boden, Gesicht waschen, trinken…) Berührung (Igelball kneten, Muskeln…) Übungen: 5 Dinge wichtig: immer erklären! Suizidgefahr ? ► Risiko – und Schutzfaktoren (Familie, Bezugspersonen, Religion…) ► bisherige Suizidversuche, Reaktion der Umwelt, eigene Bewertung vom heutigen Standpunkt ► Impulskontrolle und Dissoziation? ► Verdecktes suizidales bzw. fremdgefährdendes Verhalten Maßnahmen bei Suizidalität 1. Keine Scheu vor Ansprache von Suizidalität! Es wird dadurch keine Suizidhandlung „ausgelöst“! 2. Besorgnis und Empathie vermitteln 3. Einschätzung der Suizidgefahr 4. Hilfsmöglichkeiten ansprechen, z.B. Psychiatrie 5. Wenn akut: Notfallbehandlung veranlassen, begleiten Bei Kräften bleiben… ► Selbstschutz Berichtetes nicht bildlich vorstellen ► Entlastung Im Weggehen Belastendes bewusst dalassen oder „deponieren“ „Film“ im Tresor einschließen kollegiale Intervision, Supervision, Coaching ► Ausgleich Schöne Dinge tun!!! (Freizeit, Freunde, Sport etc.) Vielen Dank!