Achtung, nAchbArn

Transcription

Achtung, nAchbArn
NR. 7/2016
G r at i s
Magazin der
Hamburger
Volkshochschule
www.achtmagazin.de
Inklusives Wohnen
in der HafenCity
Geflüchtete lernen
Deutsch
Die Zeichnerin
Isabel Kreitz
Hamburgs
schönste
Tankstelle
und vieles mehr
Achtung, Nachbarn
Sommer im Norden
Tom Gaebel
4.7. Hamburg
5.7. Eutin
Tom Gaebel singt Sinatra
€ 20,- bis 49,- / erm. 50%
Mariza
19.7. Kiel
Die Königin des Fado
€ 12,- bis 54,- / erm. 50%
Sophie Hunger
25.8. Lübeck
26.8. Kiel
Supermoon
€ 35,- / erm. 50%
Infos und Karten: Tel 0431-23 70 70 www.shmf.de
F
SH.–M
28.8.
2.7
2016
Holstein
Schleswig- val
Musik Festi
Intro
Editorial
Ob Nothilfe in Krisenzeiten oder spontane Kinderbetreuung, in der Nachbarschaft kann man
schnelle Unterstützung oder auch ein freundliches Wort finden. Ob in der Großstadt oder auf
dem Land, gute Nachbarschaften bieten Heimatgefühl und lehren Toleranz sowie Solidarität. Für manche werden zufällige Nachbarn sogar
zu Freunden oder zur Wahlfamilie, die das eigene
Leben bunter und glücklicher machen. Manchmal können sie aber auch ihren Mitmenschen das
Leben bis zur Unerträglichkeit vermiesen.
ACHT fragt nach, welche Bedeutung die Nachbarschaft heute noch hat. Zu diesem Thema forscht
auch der Stadtsoziologe Walter Siebel: In seinem Essay
zeigt er, wie sich die Nachbarschaft in den letzten Jahren
gewandelt hat. Wenn Flüchtlinge neue Nachbarn werden,
davon berichten wir in einer Reportage über eine Frau
aus Syrien, die nach Hamburg geflüchtet ist. Wir recherchieren, wie sich die digitalen Netzwerke und Apps auf
die Beziehungen zwischen den Nachbarn auswirken. In
einem Interview erzählt die Raumsoziologin Ingrid Breckner über die Stadtentwicklung in Hamburg und die sozialen Folgen für die Nachbarschaft.
ACHT besucht auch eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft in der HafenCity: Hier wohnen Behinderte und
Nichtbehinderte unter einem Dach. Und wir begeben uns
auf einen spannenden und lehrreichen Streifzug durch
die Hamburger Partnerstädte.
Viel Vergnügen und Inspiration bei der Lektüre wünscht:
die Redaktion.
PS: Bitte mailen Sie uns Fragen, Anregungen,
Meinungen, Lob und Tadel: acht@vhs-hamburg.de
inhalt
Intro
Editorial, Contributors, Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
news
Rote Flora, Hamburger Muslime, FC St. Pauli . . . . . . . . 4
Thema Flüchtlingsalltag in Hamburg
Ein Tag mit der Syrerin Riham Basali. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
„Die Teilnehmer spiegeln die Situation. . . . . . . . . . . 10
in der Welt wider“ Angelina Stern, Zentrum für
Deutsch als Fremdsprache, im Gespräch
Die etwas andere WG
Eine inklusive Hausgemeinschaft in der HafenCity. . . . . . . . 12
Seid lieb und vernetzt euch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Digitale Netzwerke und Apps sollen Stadtteile stärken
Rock ’n’ roll & Kalter Hund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Die historische Tankstelle am Brandshof
„Nachbarschaft kann man nicht planen“ . . . . . 18
Die Stadtsoziologin Ingrid Breckner über die
Hamburger Stadtentwicklung
5x5 Fünf Menschen über Nachbarn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
„Ich suche den individuellen Moment“. . . . . . . . . . 22
Die Zeichnerin Isabel Kreitz über den Kiez und ihre Arbeit
Nachbar, komm doch mal rüber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Elf nachbarschaftliche Tipps
Global Ferne nachbarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26
Hamburg und seine neun Partnerstädte
Glosse Oberstübchen-pogo
Die lieben Nachbarn ...
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
S cience Nachbarschaft heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Über das Phänomen „Nachbarschaft“
„Kampnagel ist ein Dorf“
Intendantin Amelie Deuflhard über Nachbarn . . . . . . . . . . . . . 32
Profil
Nerd
Christian Biedermann Retro-Nerd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Fotos: Julia Knop (Titel), Sören Ingwersen, Julia Knop
Contributors
Sören Ingwersen,
Journalist
Sören Ingwersen wollte
Musiker, Schauspieler,
Schriftsteller werden –
aber niemals Journalist
und Redakteur. Heute
ist er Journalist und
Redakteur, fühlt sich
pudelwohl und schreibt
neidlos über alle, die
auf großen und kleinen
Bühnen ihr Bestes geben.
Als Redakteur des Klassikmagazins concerti und des
Magazins der TheaterGemeinde Hamburg sowie als Autor
der Hamburger Morgenpost und der Deutschen Bühne ist
er seiner Liebe zu Musik und Theater treu geblieben.
Besondere Freude bereitet ihm das Schreiben von
Opernlibretti und alles, was abseits des üblichen
Tagesgeschäfts liegt. Wie das Interview mit der
preisgekrönten Comiczeichnerin Isabel Kreitz in der
aktuellen Ausgabe von ACHT.
3
Julia Knop, Fotografin
Am liebsten ist die
Hamburger Fotografin
Julia Knop mit ihrer
Kamera durch die Welt
unterwegs, um Menschen
zu fotografieren. Sie
ist eine Jägerin auf der
Suche nach nur scheinbar
banalen Momentaufnahmen, nach Fotos die mehr
sind als alltägliche
Bilderflut. Ihre Bilder
sind in so renommierten Magazinen wie Brand eins,
Stern, ZEITMagazin, Süddeutsche Zeitung Magazin,
Nido oder Neon erschienen. Deswegen sind wir ganz
stolz, dass wir sie für unser Titelthema „Nachbarn“
gewinnen konnten. Für die ACHT hat sie eine nach
Hamburg geflüchtete Syrerin, die Zeichnerin Isabel
Kreitz und die Bewohner einer Inklusions-WG fotografiert. Dabei hat sie mit ihrer sensiblen Sichtweise
und Empathie sehr bewegende Bilder kreiert.
I m p r e ss u m
Herausgeber:
Hamburger Volkshochschule
Schanzenstraße 75
20357 Hamburg
E-Mail: acht@vhs-hamburg.de
www.vhs-hamburg.de
Verantwortlich i. S. d. P.:
Joachim Sucker,
c/o Hamburger Volkshochschule
Redaktion: Pawel Sprawka,
Kerstin Estherr, Andreas
Homann, Dr. Antje von Rein,
Hamburger Volkshochschule
Mitarbeit: Hans-Hermann Groppe,
Hamburger Volkshochschule
Artdirektion: Andreas Homann
Lektorat: Bernd Kuschmann,
Berlin
Anzeigen und Vertrieb:
Cult Promotion e.K.,
Agentur für Kulturmarketing,
anzeigen@cultpromotion.com
Druck: Neef + Stumme
Premium Printing GmbH & Co. KG,
Wittingen
Allgemeine Informationen
–> www.achtmagazin.de
–> Das neue Gesamtprogramm
der Hamburger Volkshochschule
liegt ab Anfang Mai vor und
ist in allen VHS-Zentren,
Bücherhallen und BudniFilialen kostenlos erhältlich.
–> Alle Kurse und Informationen
unter www.vhs-hamburg.de
–> Hotline 4 28 41 42 84
–> Find us on Facebook!
4
News
Die Imam Ali Moschee an der Außenalster ist die viertälteste
Moschee Deutschlands
D i e R o t e F l o r a Hamburger
Blick hinter die Kulissen
D
ie Rote Flora ist eine Konstante der politischen
und kulturellen Gegenöffentlichkeit in Hamburg.
Im Jahr 1989 besetzten linksautonome Gruppen
das alte Varietétheater. Damals protestierten Anwohner und Aktivisten gegen den Plan, die Flora als Spielstätte für das Musical „Phantom der Oper“ auszubauen.
Nach anhaltenden Protesten gaben die Veranstalter das
Musicalprojekt schließlich auf. Als die Stadt die Protestgruppen dann für sechs Wochen in das halb abgerissene
Gebäude ließ, um dort Ideen für eine stadtteilverträgliche Nutzung der Flora zu präsentieren, erklärten die das
Haus schlicht für „besetzt“ und blieben. 26 Jahre ist das
her. Im Rahmen eines Besuchs besteht die Möglichkeit,
hinter die Kulisse einer umstrittenen Hamburgensie zu
schauen.
Sternschanze, Treffpunkt: Rote Flora, Schulterblatt 71 /
Achidi-John-Platz 1, Kurs 3100MMM22, Andreas Blechschmidt,
9,00 €, 3 Ustd., 1 Termin, Sa., 16.4., 14–16.15 Uhr
Muslime
K
irchtürme, Minarette, Synagogen und Tempel
– kaum eine andere deutsche Stadt hat eine so
große religiöse Vielfalt wie Hamburg. Christen
unterschiedlicher Konfessionen, Muslime und Juden
leben hier seit Jahrzehnten neben Buddhisten, Hindus,
Shintos und anderen religiösen Gruppen – Vielfalt ist in
der Hansestadt normal.
Dieser religiösen Mannigfaltigkeit widmet sich auch
das VHS-Bildungsangebot „Gespräch mit Hamburger
Muslimen“: Die Teilnehmer besuchen zwei Moscheen und
diskutieren gemeinsam mit Vertretern der muslimischen
Gemeinde über Islam in Hamburg und die gelebte konfessionelle Nachbarschaft in Hamburg. Kursbegleitung
ist die Islamwissenschaftlerin und Politologin Rubina
Ahmadi.
Sternschanze, VHS-Zentrum Mitte, Schanzenstraße 75,
Kurs 3240MMM16, Rubina Ahmadi, 24,00 €, 8 Ustd., 1 Termin,
Sa., 9.4.2016, 10–16 Uhr
RECORD: Hamburg
Sternschanze,
VHS-Zentrum Mitte,
Schanzenstraße 75,
Kurs 1000MMM83,
Mathias Will, 54,00 €,
18 Ustd., 3 Termine,
Sa., 21.5., 11–15.30 Uhr,
So., 22.5., 10–16 Uhr,
Di., 24.5., 18–21.15 Uhr
www.vhs-hamburg.de
RECORD: Hamburg – die Hansestadt abseits der gängigen Attraktionen filmen, fotografieren und aufnehmen
D
enkt man an Hamburg, dann fallen einem sofort
Reeperbahn, Hafen, Fischmarkt, Speicherstadt,
schicke Elbvororte oder buntes Nachtleben ein.
Hamburg-Erfahrungen ganz anderer Art bietet der VHSKurs „RECORD: Hamburg“ an: Auf Rundgängen zu ungewöhnlichen Zielen können die Teilnehmer ihre Stadtimpressionen filmen, fotografieren und aufzeichnen mit
verschiedenen digitalen Geräten. Dazu können Smart­
phones, Tablets, digitale Spiegelreflexkameras und
andere Geräte bis zum digitalen Mikro eingesetzt werden:
Alles ist erlaubt, was sich ohne viel Aufwand mitnehmen
lässt. Anschließend werden die digitalen Formate selektiert, bearbeitet und dann die fertigen Ergebnisse getwittert und gebloggt.
Fotos: M a r l i e s Sch w a r z i n / p i x e l i o . d e ( F l o r a , R e c o r d ) , B e r n d S t e r z l / p i x e l i o . d e
RECORD: Hamburg
News
Der
besondere
Verein?
FC St. Pauli ist Kult. Der Verein ist längst
bundesweit zu einer Marke geworden. So
mancher Hamburg-Tourist verlässt die Stadt
nicht ohne ein Souvenir mit dem TotenkopfEmblem. Was ist das Besondere an diesem
Verein? Wie kommt es, dass der kleine Fußballklub aus dem Hamburger Schmuddelviertel die Herzen von Hunderttausenden Fans in
der ganzen Welt erobert hat?
Die Antworten darauf gibt Justus Peltzer. Er ist Fanbeauftragter des FC St. Pauli
und Mitarbeiter im Fanladen, dem sozialpädagogischen Fanprojekt. Er arbeitet im Dreieck Fans, Verein und Polizei und macht im
Rahmen der VHS-Reihe „Alles Hamburg!“
eine Führung durch den Fanladen, die aus
der Fanszene finanzierten Fanräume und die
Südkurve im Millerntor-Stadion.
Fotos: Bernd Sterzl/pixelio.de, T a n j a B i r k n e r
St. Pauli, Fanladen St. Pauli, Heiligengeistfeld 1 A, Kurs 3200MMM05, Justus Peltzer,
6,00 €, 2 Ustd., 1 Termin, Do., 7.4., 18–19.30 Uhr
ACHT gibt’s auch online –
mehr Infos, mehr Bilder:
www.achtmagazin.de
Prekäre
Nachbarschaften
Tanja Birkners Fotokunst offenbart
intensive Einblicke in fremde Welten
am Rande der Gesellschaft
P
rostituierte, Obdachlose, junge Muslimas: Die Fotografin Tanja Birkner zeigt die versteckten Seiten Hamburgs.
Sie bildet Menschen ab, die nicht im Rampenlicht stehen
– unverstellt und stolz. „Mich haben schon immer Menschen interessiert. Und dann vor allem die Menschen, die
als Außenseiter oder Fremde gelten“, sagt die 44-Jährige. Um sie zu treffen, geht sie an Orte, wo die Menschen
nichts haben, wohinter sie sich verstecken könnten – keinen Ruhm,
keine Macht, kein Geld. Nur ein „prekäres“, oftmals auch sehr hartes
Leben an den Rändern der Gesellschaft.
Wie bei ihrem Buchprojekt „Halbe Stunde – Sexarbeit in St. Georg“,
das aus Fotos und Texten besteht, die jeweils zusammen präsentiert
werden. In den Texten erzählen die gezeigten Frauen und Männer in
der Ich-Form aus ihrem Leben. Bei diesem Projekt verbrachte sie
mit den Menschen, die sie fotografiert hat, nicht nur ein paar Minuten, Stunden oder Tage. Sie wurde zu ihrer „Nachbarin“ und begleitet
sie zwei Jahre lang. So arbeitet Tanja Birkner – sie will nicht zu Gast
sein im Leben ihrer Modelle, sie nimmt teil daran. Will nicht nur verstehen, sondern auch nachempfinden, wie sich diese oder jene Existenz anfühlen mag. Dabei hilft ihr auch ihr wissenschaftliches Knowhow: Als studierte Kulturwissenschaftlerin kann sie Alltagssituationen fotografisch dokumentieren, die Motive in ihren Begleittexten
gesellschaftlich, kulturell verorten und sie einem breiteren Publikum
zugänglich machen.
Die Fotografie als teilnehmender Akt, das will Tanja Birkner auch
anderen Menschen vermitteln: Sie unterrichtet an der Hamburger
Universität die angehenden Ethnologen und gibt Fotografiekurse an
der Hamburger Volkshochschule. „Ich möchte, dass meine Schüler
nicht nur schöne Bilder machen“, meint Tanja Birkner. „Es ist mir viel
wichtiger, dass die Leute, die ich unterrichte, eine Beziehung zu ihren
Motiven entwickeln.“
Das Buch „Halbe
Stunde – Sexarbeit
in St. Georg“ von
Tanja Birkner
erschien im
Sieveking Verlag.
Mehr Infos unter:
www.tanjabirkner.de
Fotografische
Exkursionen
mit Tanja Birkner,
z. B. Nachbarschaft
in St. Georg:
Kurs 1213MMM20
www.vhs-hamburg.de
5
6
Achtung, Nachbarn
„Die Familie Schäfer wohnt jetzt schon seit vier Jahren in der Nummer 25. Haben damals erst einmal eine
Party für die halbe Straße gemacht. Housewarming oder so. Kaffee, Kuchen, Bier und abends grillen. Er
arbeitet bei einer Versicherung und sie kümmert sich um die Kinder, Haushalt und so. Ganz klassisch eben.
Und dann bastelt sie noch, macht so Deko-Sachen. Die verkauft sie entweder auf dem Flohmarkt oder sie
verschenkt sie in der Nachbarschaft. Meist mit Flyern gegen die neue Flüchtlingsunterkunft. Von mir aus
können die Schäfers auch wieder abhauen.“
Achtung, Nachbarn
Foto: Tim Toppik, Jala /Beide Photocase.De
„Wohnen eigentlich schon ewig in der 2a ... Wahrscheinlich sind die auch am längsten hier in der Straße. Die beiden
Großen sind schon aus dem Haus, der Jüngste macht eine Ausbildung. Man bekommt nicht viel mit von den
Klingmanns, die leben total zurückgezogen. Die Gardinen sind auch immer zu, nicht mal Blumen haben die im
Fenster. Irgendwie sieht das immer so dunkel bei denen aus ... und auch ein bisschen schedderig. Aber was
klasse ist: Alle helfen! Die einen kaufen ein, die anderen regeln alles mit der Krankenkasse. Oder kochen. Bis
Frau Klingmann von der Reha wiederkommt. Vielleicht auch noch danach – mal sehen ...“
7
8
Achtung, Nachbarn
Im letzten
Sommer kam
die Syrerin Riham
Basali mit ihrem
Mann Amgad
Alghabra nach einer
langen Odyssee
durch verschiedene
Länder nach Hamburg.
Doch was ist das
jetzt für ein Leben,
das sie hier führen?
Die ACHT hat sie
in ihrem Alltag
begleitet.
Flüchtlingsalltag in
Riham Basali und
ihr Mann Amgad
Alghabra auf
dem Weg von der
Flüchtlingsunterkunft in der
Schnackenburgsallee zum Kurs
Deutschkurs bei
Deutschlehrerin
Julia Freienberg
B
evor sich Riham Basali mit ihrem Mann Amgad
Alghabra auf den Weg gemacht hat, aßen sie
noch etwas zu Mittag: „Joghurt, Eier und ‫نوتيز‬,
aber wie heißt das bloß auf Deutsch?“ Vor sieben Monaten kamen sie aus Syrien nach Hamburg. Nun
sitzen sie in der U2 und überlegen. Eine junge Frau, weiße
Wollmütze, dunkel geschminkte Augen, hat auf dem Vierersitz nebenan Platz genommen und dreht sich rüber:
„Oliven – sie haben Oliven gegessen“, sagt sie. „Ich spreche auch Arabisch, vielleicht kann ich helfen.“
Riham Basali, 27 Jahre alt, wäre bereit, auf Deutsch
loszulegen. Doch irgendwer ist da immer, mit dem es
noch einfacher geht. Auch in der Flüchtlingsunterkunft
Schnackenburgallee, wo sie seit vielen Monaten lebt,
spricht sie arabisch. Mit Deutschen hat sie hier, an diesem unmöglichen Ort mitten im Industriegebiet, direkt an
der A7, nichts zu tun. Selbst als sie und Alghabra zwei Mal
bei Hamburger Familien zum Abendessen eingeladen
waren, bei einem sogenannten „Welcome Dinner“, haben
sie immer nur englisch gesprochen. Dabei ist Basalis Englisch gar nicht so gut. Im Sommer lernte die junge Syrerin
Hamburg
in nur drei Tagen das Fahrradfahren. Doch mit der Sprache ist das nun mal nicht so leicht.
„Schöne Abende waren das“, sagt Alghabra. Noch
wenn er heute davon spricht, merkt man, dass ihn die
Essen bei den Hamburger Familien beeindruckt haben.
Er zieht sein Smartphone aus der Hosentasche und will
unbedingt die Fotos zeigen, die davon auf einer Facebookseite hochgeladen wurden. Auf diesen Fotos sind
sie mittendrin in einer Gesellschaft, in der sie bislang
unsichtbar sind. Zeigen kann er die Bilder nicht, die Internetverbindung ist hier, an der Bushaltestelle neben der
Autobahn am Rande der Stadt, zu schlecht.
Riham Basali kramt in ihrer Tasche. Sie trägt enge
Jeans, ein blumengemustertes Kopftuch und hat ihre
Augenbrauen nachgezogen. Aus dem Portemonnaie
holt sie ein HVV-Ticket hervor. Seit sie und ihr Mann
das haben, sind sie immerhin mobil. Basali und Alghabra haben Fahrräder, aber jetzt im Winter nehmen sie lieber Bus und Bahn. Auf Basalis Ticket steht, dass es vom
1. Februar bis zum 30. April gültig ist. Seit Februar müssen
Flüchtlinge in Hamburg eine verbindliche HVV-Monatskarte kaufen. Die offizielle Begründung des Senats ist,
dass Ausgabe und Abrechnung von Einzeltickets für
Flüchtlinge bürokratisch zu aufwendig waren. Außerdem
hätten Kontrolleure zu oft Flüchtlinge ohne gültigen Fahrschein erwischt. Basali und Alghabra haben Glück, dass
sie das Ticket immerhin gebrauchen können, wenn sie
zum Deutschkurs an der Messehalle fahren.
Drei Mal ist Riham Basali ohne Alghabra zum Kurs
gefahren, weil er krank war. Ansonsten ist sie selten allein
unterwegs. Es ist zehn Jahre her, dass die beiden in der
syrischen Hauptstadt Damaskus heirateten. Wenn da
nicht der Kurs wäre, an dem Basali und Alghabra drei Mal
die Woche teilnehmen, würden sie das Geld für das Ticket
umsonst ausgeben.
Auch an diesem Montag machen sie sich wieder
zusammen auf den Weg, um im Kurs Deutsch zu lernen.
Der Bus fährt von der Schnackenburgallee in der Mittagszeit nur einmal die Stunde. Auf dem Haltestellenschild
steht „BAB Auffahrt Volkspark“. Ein paar Meter weiter
über der Mülldeponie fliegen Möwen im Kreis. Es ist minus
Achtung, Nachbarn
9
5 Grad und Basali ist kalt. „Auch in Damaskus gibt es Tage,
an denen es so kalt ist“, sagt Alghabra. Aber das sei dann Text:
Marga Lang
nur ein Tag und danach werde es wieder wärmer.
Es ist der 13. Juli 2015, als Basali und Alghabra nach Fotografie:
ihrer 20-tägigen Fluchtroute über den Libanon, die Türkei, Julia Knop
Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich in Hamburg ankommen. Seitdem sind sie hier, in
Hamburgs größter Erstaufnahmeeinrichtung, untergebracht, die wegen gravierender Missstände in dieser Zeit
immer wieder in den Schlagzeilen war.
Basali und Alghabra gingen hier viele Tage, Wochen
und Monate verloren. Eine Zeit, in der sie erst in einem der
Zelte ausharren mussten. Nach ein paar Monaten konnten sie in einen Container umziehen, wo sie bis heute
wohnen. Eigentlich hätten sie schon längst eine richtige Bleibe bekommen sollen. Doch im Herbst wurde mit
der Verschärfung des Asylrechts die zulässige Höchstaufenthaltsdauer in einer Erstaufnahmeeinrichtung von
drei auf sechs Monate verlängert. Auch diese Frist ist nun
bereits ein paar Wochen abgelaufen, Basali und Alghabra
warten täglich auf eine Nachricht. „Transit“ ist für sie zu
einem magischen Wort geworden. Man versteht es in vielen Sprachen. Sie hoffen, möglichst bald in einem richtigen Haus wohnen zu können, nicht wieder in einem Container, wo sie sich das Bad mit anderen teilen müssen.
Der Weg zum VHS-Deutschkurs im Karolinenviertel
bei den Messehallen geht über Stellingen und den Tierpark Hagenbeck. Obwohl Riham Basali und Amgad Alghabra hier mehrmals die Woche vorbeifahren, haben sie
den Zoo noch nie besucht. Der Eintrittspreis ist für sie
mit 20 Euro pro Person einfach zu hoch. Ermäßigungen
gibt es keine. „Später, wenn ich Nachricht vom Jobcenter
bekomme, will ich mit Basali hingehen“, sagt Amgad Alghabra, „aber ohne Arbeit und mit den 101 Euro, die uns
im Monat zum Leben bleiben, ist das nicht drin.“ Weil es
so wenig Geld ist, rechnet Alghabra auf den Euro genau:
„Pro Person stehen uns 131 Euro zum Leben zu, für Ledige
sind es 145 Euro – davon müssen wir aber 29 Euro für die
Monatskarte ausgeben.“
Im Kurs packen Basali und Alghabra ihre Deutschbücher aus. Sie sitzen neben anderen Syrern, untereinander ist die Verständigung auch hier kein Problem. Um wieder ins Deutsche reinzukommen, sollen am Anfang alle
der Reihe nach etwas sagen. Jeder stellt seinen Nachbarn vor. Als Basali an der Reihe ist, überlegt sie kurz und
sagt dann fehlerfrei: „Das ist Amgad, mein Mann, wir sind
seit zehn Jahren verheiratet, er ist 31 Jahre alt, kommt
aus Syrien und hat keine Kinder.“
Die Deutschlehrerin Julia Freienberg, strubbelige
kurze Haare, grauer Kapuzenpullover, geht an die Tafel Gesang der Kulturen –
und schreibt „aufstehen“. Letzte Woche haben sie Modal- gemeinsam singen
verben gelernt: dürfen, können, mögen, müssen, sollen Zusammen singen, sich
und wollen – und den Imperativ. „Den hört man im Deut- bewegen, tanzen, Spaß
schen oft falsch“, sagt Freienberg. „Es heißt: Mach das haben, ins Gespräch
kommen mit ZugezogeFenster zu, nicht mache.“
Nur ein paar Tage später sterben bei Terroranschlä- nen, Alteingesessenen,
gen in Damaskus und Homs wieder 184 Menschen. Die Geflüchteten, Nachbarn,
Hoffnung, dass der Bürgerkrieg irgendwann vorbei sein Migranten, Freunden …
Jeden Donnerstagnachkönnte, hat Basali aber noch nicht verloren.
mittag von 15.30 bis
Am liebsten würde sie zurück nach Damaskus gehen. 17.30 Uhr. Keine KosAber bis zu einer möglichen Rückkehr will Basali Deutsch ten, keine Anmeldung.
lernen. Das heißt für sie auch: endlich mehr mit Einheimi- Einfach vorbeikommen.
schen in Kontakt zu kommen. Noch fällt ihr das schwer, Sternschanze, VHS-Zenaber sie ist überzeugt, es zu schaffen. Wenn es so weit ist, trum Mitte, Schanzenwill sie als Friseurin arbeiten. Da kann man die Sprache straße 75
www.vhs-hamburg.de
gut gebrauchen.
Intergview:
Marga Lang
ACHT: Neben dem Eingang der
Volkshochschule steht auf einem
Schild, dass die Deutschkurse ausgebucht sind. Was bedeutet das für
Leute, die die Sprache lernen wollen?
Angelina Stern: Dass sie nicht auf
eine Kursberatung zu warten brauchen, weil wir bis Mai keine Plätze
mehr haben. Für Interessenten ist es
frustrierend, zwei Stunden zu warten, um dann gesagt zu bekommen,
dass die Kurse voll sind. Deshalb
informieren wir darüber. Viele Leute
warten aber trotzdem.
Welche Kurse betrifft das?
Wir haben mit den Standardkursen
ein Angebot, das die Stufen von A1
Angelina Stern, Leiterin des Zentrums
Deutsch als Fremdsprache (DaF) der
Hamburger Volkshochschule
„Die teilnehmer spiegeln die
Situation in der Welt wider“
Tausende Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten in
Hamburg angekommen sind, sollen die deutsche Sprache
erlernen. Die gestiegene Nachfrage stellt Anbieter von
Integrations- und Deutschkursen derzeit vor echte Probleme.
Angelina Stern, die das Zentrum für Deutsch als Fremdsprache
der Hamburger Volkshochschule leitet, berichtet aus dem Alltag.
Das Zentrum Deutsch
als Fremdsprache
(DaF) der Hamburger
Volkshochschule
versteht sich als
Bildungsprogramm für
alle MigrantInnen in
Hamburg und möchte
dazu beitragen, die
Chancen von MigrantInnen zu verbessern
und gleichberechtigte
Teilhabe in allen
Lebensbereichen zu
ermöglichen.
Das Angebot besteht
aus Deutschkursen
aller Stufen (A1 bis
C2), Intensiv- und
Integrationskursen
(A1 bis B1) und
DaF-Prüfungen (A1 bis
C2), zudem berufsbezogene Deutschkurse
im Rahmen des
ESF-BAMF-Programms.
DaF-Zentrum in Mitte
Schanzenstraße 77
20357 Hamburg
Tel: 040.42841-3238
E-Mail:
daf@vhs-hamburg.de
bis C2 abdeckt, das für jeden offen
ist, also auch für Flüchtlinge. Auch
die Integrationskurse und die Erstorientierungskurse für Flüchtlinge
sind ausgebucht, weil wir ein sehr
hohes Aufkommen haben.
Integrationskurse sind für Flüchtlinge aber nicht freiwillig.
Nein, das ist ein Regelprogramm,
das auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert wird.
Wie viele Menschen kommen in
die Beratung des Zentrums für
Deutsch als Fremdsprache (DaF)?
In der Woche in den zwei Beratungsstellen in der Schanze und in Harburg um die 700 Leute.
Wer bietet in Hamburg solche
Deutschkurse an?
Für Integrationskurse gibt es derzeit
40 Träger – und es sollen noch zehn
weitere zugelassen werden.
Ist das eine gute Nachricht?
Prinzipiell ja, der Bedarf ist sehr hoch.
Sprache gilt als Schlüssel zu allem.
Fühlen Sie sich für Integration verantwortlich?
Wichtig ist mir, dass wir den Leuten
die Möglichkeit bieten, einen Kurs zu
besuchen. Deshalb sind wir bemüht,
unser Angebot auszubauen. Dabei
müssen wir professionellen und
qualitativ hochwertigen Unterricht
anbieten. Wir haben aber ein Ressourcenproblem, weil unsere hoch
qualifizierten Kursleitenden uns zum
Teil verlassen, weil Schulen bessere
Konditionen bieten können.
Inwiefern sind die Bedingungen
dort besser?
Schulen bieten sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, wir
hingegen stellen die Kursleitenden nicht ein. Sie arbeiten bei uns
als Honorarkräfte. Dadurch, dass
der Bedarf an Schulen jetzt groß ist,
wandern sie ab. Das stellt uns vor
das Problem, dass wir das Kursangebot nicht weiter ausbauen können.
Wir versuchen eher die Lücken zu
schließen, die entstehen. Das ist im
Moment unser Handicap.
Lehrer für Deutsch als Fremdsprache gelten als nicht so gut bezahlt.
Wie viel bekommen sie bei Ihnen?
Wir bezahlen mit 26 Euro die Unterrichtsstunde besser als der Durchschnitt der Träger. Nur gibt es keinerlei Absicherung für die Kursleitenden: Wenn sie krank werden, verdienen sie nichts. Sie müssen ihre
Krankenversicherung und Rente
selbst zahlen. Sie müssen also viel
arbeiten, um über die Runden zu
kommen. Das ist nicht angemessen, wenn man sieht, was von ihnen
erwartet wird.
Was müssen sie können?
Wenn man in einem Kurs mit 20
Menschen unterschiedlichster Nationen zusammensitzt, braucht ein
Kursleiter in Deutsch auch eine hohe
interkulturelle Kompetenz. Man
muss so viel koordinieren und die
Leute zügig ans Ziel bringen.
Ist das Nadelöhr der Mangel an
Lehrkräften oder die Finanzierung?
Dass die Leute nicht angemessen bezahlt werden, hängt mit der
Finanzierung zusammen, das heißt,
das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge finanziert die Kurse mit
einem Stundenkostensatz, der nicht
ausreichend ist, um ein angemessenes Honorar zu zahlen.
Ist der aktuelle Bedarf an Deutschlehrern auch eine Chance, dass der
Beruf aufgewertet wird?
Natürlich, es wird ja jetzt gesehen,
wie wichtig der Beruf ist. Es muss
aber auch wahrgenommen werden, dass nicht jede/r ihn ausüben
kann. Das ist ein Beruf, den man lernen muss. Sonst haben wir qualitativ
minderwertige Kurse und das zeigt
sich dann auch beim Ergebnis.
Nehmen nur Flüchtlinge an diesen
Kursen teil?
Nein, der Kreis der Berechtigten ist
groß, zum Beispiel Personen aus
anderen EU-Ländern. Wir hatten
schon immer eine hohe Nachfrage.
Natürlich ändern sich die Zielgruppen je nachdem, wie die politische
Lage ist: Gibt es im Süden Europas
Probleme, wie während der Finanzkrise, ist die Zuwanderung aus dem
Süden im Vordergrund. Jetzt haben
wir viele Flüchtlinge. Die Kursteilnehmer spiegeln die Situation in
Europa und der Welt wider.
Vermitteln Sie in einem Integrationskurs auch die deutsche Kultur?
Natürlich wird Sprache im Kontext
vermittelt. Im Lernprozess werden
verschiedene Handlungsfelder aus
dem Leben in Deutschland behandelt. Da erfährt man viel über den
Alltag, die Sitten und Bräuche, die
hier herrschenden Werte, den kulturellen Rahmen, die Geschichte
Deutschlands, man lernt, wie dieses
Land tickt.
Foto: Julia Knop
10 Achtung, Nachbarn
Foto: Anatol Kotte, Gestaltung: Felix Wandler
Die Netzwelt
Von Jennifer Haley
Deutsch von Michael Duszat
Regie: Ralph Bridle
Ausstattung: Mascha Deneke
Mit Björn Ahrens, Marco Albrecht, Christian Kohlund,
Neda Rahmanian, Annika Schrumpf
Premiere 10. April 2016
Vorstellungen bis 16. Mai 2016
Gefördert von
Thomas J.C. und Angelika Matzen Stiftung
Hamburger Kammerspiele
Hartungstraße 9-11, 20146 Hamburg
040 - 41 33 44 0
www.hamburger-kammerspiele.de
12 Achtung, Nachbarn
Text:
Alessa Pieroth
Fotografie:
Julia Knop
Shanghaiallee 29
In der Inklusiven
Hausgemeinschaft
Shanghaiallee wohnen
29 Menschen mit und
ohne Assistenzbedarf gemeinsam. Sie
gestalten ihren Alltag
und unterstützen
sich dabei gegenseitig. Es gibt sieben
Wohnbereiche, jeder
Hausbewohner hat ein
eigenes Appartement
und zusätzlich mit drei
Mitbewohnern einen
Gemeinschaftsraum mit
Wohnküche. Menschen
ohne Assistenzbedarf
unterstützen gezielt
in einem festgelegten
Stundenumfang ihre
auf Unterstützung
angewiesenen Mitbewohner im Alltag und
wohnen dafür vergünstigt. Fachkräfte von
Leben mit Behinderung
Hamburg arbeiten in
der Hausgemeinschaft
und unterstützen durch
pädagogische Betreuung
und Pflegeleistungen.
Inklusive Hausgemeinschaft Shanghaiallee,
Shanghaiallee 15–17,
20457 Hamburg
E
ine große grüne Tafel hängt in der geräumigen Wohnküche. Fritz und Marco haben das
Relikt alter Schultage aufgehängt, kurz nachdem sie dort eingezogen sind. Jetzt werden an
ihr keine Matheaufgaben mehr gelöst, sondern Wochenpläne geschmiedet, die das Zusammenleben der ViererWG in der HafenCity regeln. „Uns war von Anfang an klar,
dass wir uns besonders strukturieren müssen“, sagt der
28-jährige Marco. „Wir hätten das auch in unsere Kalender reinschreiben können. Aber so können alle gleich
sehen, was die Woche ansteht“, findet der 24-jährige Fritz.
Seit November 2015 leben die beiden jungen Männer als
sogenannte Alltagsbegleiter in Hamburgs erstem inklusiven Wohnprojekt, gegründet von „Leben mit Behinderung
Hamburg“, einem Träger der Behindertenhilfe der Stadt.
Sie zahlen keine Miete, müssen lediglich für die Nebenkosten aufkommen. Dafür sollen sie einen Teil des Alltags ihrer auf Unterstützung angewiesenen Mitbewohner
begleiten – etwa gemeinsam einkaufen, kochen, aufräumen und einen Teil der Freizeit gestalten.
Auf den insgesamt rund 90 neu gebauten Quadratmetern leben außer Marco und Fritz auch noch Glen und
Patrick. Der 21-jährige Glen ist in seiner Art auffallend
ruhig und zurückhaltend. In seinem Alltag bezieht er die
anderen WG-Bewohner nicht so stark mit ein und bleibt
lieber für sich allein. Der 32-jährige Patrick hingegen ist
stärker auf die Unterstützung seiner Mitbewohner angewiesen. Er hat seit seinem sechsten Lebensjahr eine dystonische Störung: Sein ganzer Körper zuckt unkontrolliert,
was ihm das Sprechen, Trinken und Essen erschwert.
„Die Idee ist, dass die Studenten nicht unsere professionelle Arbeit machen, sondern den Freiraum haben,
sich wie in einer normalen Wohngemeinschaft zu begegnen“, erläutert Katrin Meyer, die Leiterin der inklusiven
Hausgemeinschaft, das Konzept. Eine kleine Elterninitiative hat es zusammen mit der Geschäftsführung von
Leben mit Behinderung Hamburg erarbeitet. Meyer und
ihr Team setzen den Plan nun in die Realität um.
Das Büro der Pädagogin befindet sich im vierten Stock
des Neubaus. Vom Schreibtisch aus kann sie die Hafenkräne sehen. Der kleine Raum hat zwei Türen. Eine führt
ins Treppenhaus, die andere direkt in eine Wohngemeinschaft, in der fünf Bewohner mit hohem Hilfebedarf stationär betreut werden. „Das Haus ist so aufgebaut, dass
in der Mitte des Stockwerkes die Wohnungen liegen, in
denen Menschen mit hohem Hilfebedarf rund um die Uhr
betreut werden. In den restlichen fünf von sieben Wohneinheiten leben immer zwei Studenten mit zwei Menschen mit leichten Behinderungen zusammen, die ambulant betreut werden.“ Die insgesamt 19 Zimmer für Menschen mit Hilfebedarf und 10 für ihre Mitbewohner verteilen sich auf drei Stockwerke. Die meisten haben einen
eigenen Balkon oder Hafenblick, verfügen über ein eigenes Duschbad und eine Küchenzeile.
Beim Interviewtermin mit Fritz, Patrick, Marco und
Glen ist die Stimmung gelöst und herzlich. Obwohl das
Projekt „forciert“ und ein „Modell“ ist, wie es Katrin Meyer
formuliert, fühlt sich das Miteinander hier überhaupt
nicht konstruiert an. Die Stimmung ist locker und ent-
Schuhchaos –
wie in
jeder WG ...
Auf der alten
Schultafel
sind die
Wochenpläne
der WG
eingezeichnet
spannt. Marco reicht Patrick einen Strohhalm zum Kaffeetrinken und erzählt vom Flohmarkt der Hanseatischen
Materialverwaltung, wo die WG Teile ihrer Einrichtung
erworben hat. Patrick findet die Einkaufsmöglichkeiten in
der HafenCity zu teuer und offenbart seine Leidenschaft
für deutschen Hip-Hop – die Beginner und Samy Deluxe.
Gerne erinnert er sich an das Tourneeabschluss-Konzert
des Hamburger Rappers im Docks, das er besuchte. Auch
über das Flüchtlingsheim, das bald in der HafenCity eröffnet werden soll, unterhalten sie sich. Die vier haben einen
Ausflug zur Bürgerversammlung zum Thema „Flüchtlinge“
geplant, angeregt von Marco, der in Lüneburg Politikwissenschaft studiert.
Kontakte zu den anderen WGs wurden bereits
geknüpft, beim Basketballspielen auf dem nahen Bolzplatz oder beim Joggen. An Silvester stieg die erste WGParty mit mehr als 50 Gästen.
Das Projekt läuft gut an. Dennoch schließt Katrin
Meyer auch ein Scheitern nicht aus: „Neu ist der Umgang
mit den Studenten. Da sind wir noch am Entwickeln. Theoretisch kann es auch sein, dass es überhaupt nicht
funktioniert. Dann stampft man es vielleicht wieder ein.“
Ein mögliches Problem sieht sie in der Vereinnahmung
der Alltagsbegleiter durch ihre Mitbewohner. Neben der
Unterstützung behinderter Menschen achtet Meyer als
Leiterin der Hausgemeinschaft auch darauf, dass die
Studenten nicht überfordert werden und Aufgaben erledigen, die sie nicht machen müssen.
Tatsächlich wünscht sich Patrick mehr Zeit mit seinen
Mitbewohnern. Der 32-Jährige hat zuletzt allein in einer
Wohnung in Osdorf gewohnt, in die er mit seiner Freundin eingezogen war. Für das Wohnprojekt in der HafenCity bewarb er sich, weil er sich in seiner alten Wohnung
einsam fühlte. Marco und Fritz kennen sich vom Studium
und waren schon befreundet, bevor sie in die Shanghaiallee einzogen. Für Meyer ist das ein Grund, hellhörig
zu werden. Für die vier Mitbewohner sind das normale
WG-Unstimmigkeiten, über die man reden kann. „Paddy
ist halt einfach am meisten da, auch am Wochenende.
Dadurch ergibt sich vielleicht ein leichtes Ungleichgewicht“, bewertet Fritz die Situation.
Katrin Meyer und die neuen Mieter betonen aber auch
immer wieder, dass das Zusammenleben in der Shanghaiallee noch am Anfang steht. Die Flure im Treppenhaus
sind noch mit Baustaub überzogen. Hier und da wird laut
gehämmert und gebohrt. Das Haus der inklusiven Wohngemeinschaft steht an der Baugrenze. Danach kommt
Brachland, denn die HafenCity breitet sich dort noch weiter Richtung Osten aus. Der Bebauungsplan der HafenCity GmbH sieht vor, in den anderen Neubauten ebenfalls soziale Projekte zu integrieren. Es wird auch Raum
für andere Träger der Behindertenhilfe geben. Im Netzwerk HafenCity können sich die Anwohner aktiv an der
Entwicklung des neuen Quartiers beteiligen. Katrin Meyer
sieht das als große Chance gerade für die Bewohner mit
Behinderung, von Anfang an den Stadtteil mitzugestalten
und sich nicht erst nachträglich mühsam zu integrieren.
„Da entsteht noch so viel. Zu sehen, wie das alles zusammenwächst, das wird noch mal sehr spannend.“
Die
etwas
andere
WG
Achtung, Nachbarn 13
Seit November gibt
es in der HafenCity
eine inklusive
Hausgemeinschaft.
Vier junge Leute — zwei Studenten und
zwei Menschen mit Behinderung —
berichten über ihre aktive
Nachbarschaft.
Essen mit
Janina Bernhardt,
der Betreuerin
von Patrick
Hausbesuch bei der
inklusiven Hausgemein­
schaft in der
Shanghai­allee in der
HafenCity.
Kurs 3200MMM16
www.vhs-hamburg.de
Wirkt wie eine Straßen-Gang, ist
aber eine inklusive Wohngemeinschaft:
Fritz Hinrichsmeyer, Marco Pawlowski,
Glen Goltz und Patrick Wagner
Marco und
Glen beim
gemeinsamen
Kochen
14 Achtung, Nachbarn
Digitale Netzwerke und Apps
sollen Stadtteile stärken und
Nachbarschaften zusammenbringen.
Das klingt praktisch, ist aber nicht frei
von unternehmerischen Interessen.
Text: Juliane Löffler
Seid
lieb und
vernetzt
euch
Foto: suze/photocase.de
E
s gibt Momente, in denen spürt man die Nachbarschaft sehr analog. Wenn man etwa nachts
wach liegt und sich fragt, ob man tatsächlich im
Schlafanzug ein Stockwerk nach oben gehen soll,
um die Nachbarn zu fragen, ob sie bitte den Bass rausdrehen können. Oder wenn das kleine Nachbarskind im
Zweistundentakt ausgedehnte Schreianfälle bekommt,
weil es gerade zahnt. Oder wenn man sich fragt, ob die
von obendrüber gerade ein Raumschiff bauen oder ihre
Wohnung umräumen, oder was zur Hölle es sonst ist, was
unbedingt an einem Sonntagmorgen erledigt werden
muss. In diesen Momenten wünscht man seine Nachbarn
lieber auf den Mond statt in ein gemeinsames Netzwerk.
Tatsächlich aber treten seit geraumer Zeit immer mehr
digitale Nachbarschaftsplattformen an, um vor allem
Großstädter zu vernetzen. Austausch fördern, Zusammenhalt in Stadtteilen stärken, Informationen verteilen,
so lauten die Ziele dieser Plattformen, bei denen man
über personalisierte Accounts mit seinen Nachbarn in
Kontakt kommen kann. Die Vorteile liegen auf der Hand –
ich leihe dir meine Bohrmaschine, dafür gehst du mit meinem Hund Gassi, und jemand aus unserer Straße warnt
vor Einbrechern. Über die Plattformen kann man sich
kennenlernen und der Anonymität der Großstädte trotzen, Straßenfeste organisieren etwa, Hinterhöfe bepflanzen, Müll entsorgen. Das klingt nach Großstadtidylle und
es ist einleuchtend, dass sich vieles mit einer App besser
und effizienter organisieren lässt. Ähnlich machen es die
Carsharing-Plattformen, welche verstanden haben, dass
in Großstädten gerade jungen Leuten Zeit, Platz und Geld
fehlt – und dass es für sie Sinn ergibt, Gegenstände und
Ressourcen zu teilen. Es ist das Prinzip der Sharing Economy. Aber: Wenn das Bedürfnis nach Nachbarschaftskultur tatsächlich so groß ist, was spricht dagegen, sich
einfach im Hausflur anzusprechen? Oder ist unsere Kommunikationskultur so digitalisiert, dass wir unsere Nachbarn lieber über eine App kennenlernen möchten?
Hinter den Nachbarschaftsnetzwerken steckt noch
etwas anderes. Es gäbe wohl all die Plattformen wie WirNachbarn.com, nebenan.de, Do me a favour oder nachbarschaft.net nicht, wenn es sich nicht bezahlt machen
würde – auch wenn gerne betont wird, dass es vor allem
um die gute Sache geht. Das Geschäftsmodell ist einfach:
Sind die kostenlosen Netzwerke erst einmal groß genug,
werden sie attraktiv für Werbeanzeigen lokal ansässiger
Geschäfte, die ihre Zielkundschaft auf dem Silbertablett präsentiert bekommen. Oder werden kostenpflichtig.
Eines der Vorbilder ist das amerikanische Netzwerk Nextdoor, ein Start-up aus San Francisco, dessen Marktwert
von Investoren nach rund fünf Jahren auf über eine Milliarde Dollar geschätzt wird. In Deutschland allerdings sind
die Netzwerke längst nicht so gewinnträchtig oder populär. Ein Grund dürfte darin liegen, dass in den USA Menschen ihre Nachbarschaft wesentlich schlechter kennen
als in Deutschland, wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens YouGov herausfand. So schlecht, zeigt die
Studie, steht es um die Nachbarschaftsbeziehungen gar
nicht. Fast jeder Deutsche kennt zumindest einen Teil
seiner Nachbarn.
In Deutschland versuchen die Netzwerke trotzdem,
mit unterschiedlichen Strategien an das Erfolgsmodell
aus den USA anzuknüpfen. Die in Hamburg gestartete
App Do me a favour ist eine Art digitales Schwarzes Brett,
in dem Nachbarschaftshilfe angeboten und angefragt
werden kann, ähnlich funktioniert die Facebook-Gruppe
Achtung, Nachbarn 15
Nett-Werk Hamburg. In Berlin gibt es die Plattformen Wir- der Stadt einnehmen, wie man an den Kämpfen um das
Nachbarn.com, nebenan.de, Letztere ein ambitioniertes Gängeviertel sehen konnte. Auch das ist ein wichtiger Teil
Projekt des erfolgreichen Start-up-Gründers und Unter- von Stadt- und Stadtteilkultur.
nehmers Christian Vollmann. Es handelt sich um eine Art
Die digitalen Nachbarschaftsnetzwerke jedenfalls
Facebook für Nachbarn, aus denen Microcommunities in wollen bislang nicht so recht anlaufen. In der App Do me
den Stadtteilen entstehen sollen. Mithilfe von Kategorien a favour findet man hauptsächlich Karteileichen. In Eilwie „Leihen“, „Helfen“, „Sicherheit“ oder „Event“ können bek sucht jemand Hilfe beim Lampeninstallieren, in Marisie sich austauschen. Bisher entstehen die Netzwerke enthal bietet sich jemand als Katzensitter für den „kleivor allem in Hamburg und Berlin, potenziell sind dem nen Tiger“ an, eine andere Anfrage sucht ein Tandem für
Wachstum aber über die Großstädte hinaus keine Gren- „seriöse Massagen“. Fast alle Einträge sind unbeantworzen gesetzt. Im Gegenteil – oft ist das Ziel, dass die Netz- tet. Dass es vielleicht gar keine Nachfrage gibt für die
werke in ganz Deutschland funktionieren. Es ist der Hype digitale Nachbarschaft, mussten auch die Gründer des
um die sogenannte Hyperlokalisierung und der Wunsch, Hamburger Netzwerks Niriu erfahren. 2010 gestartet
das Ozeanische, das das digitale Leben mit sich bringt, ging im Laufe der Zeit das Engagement der 3.000 Mitwieder im analogen Mikrokosmos dingfest zu machen. glieder zurück, die nötige Finanzierung blieb aus. Anfang
So sehen das zumindest die Gründerinnen und Gründer. 2015 schloss das Portal. Vielleicht sind es nur die StartVollmann spricht von einem „Social-Impact-Business“ schwierigkeiten einer Form von Vernetzung, die in einiund einem „Effekt auf das Every-Day-Life der Nutzer“.
gen Jahren in den Nachbarschaften ganz alltäglich sein
Wie nebenbei werden die Nachbarn zu Nutzern. Es wird. Vielleicht zeigt es aber auch, dass man, nur weil man
ist nicht der Fakt, dass die Vernetzung der Nachbar- sich vernetzen kann, es nicht unbedingt auch tun muss.
schaft digital unterstützt werden soll, der einen stutzig Dass der sogenannte Großstadtdschungel eben auch
werden lässt – es ist der Gedanke, dass es kommerziel- dazu da sein kann, um abzutauchen oder sich zurücklen Nutzen abwerfen soll, wenn sich Nachbarn gegensei- zuziehen. Und dass, falls man Hilfe oder Informationen
tig unterstützen. Und vielleicht auch die Frage, wie effizi- aus der Nachbarschaft braucht, mehr dazu gehört, als
ent wir leben sollen. Ob wir nicht vielleicht ganz ineffizient eine App herunterzuladen. Über alternativen Wohnraum
an den Haustüren unserer Nachbarn klingeln wollen, um nachzudenken etwa, indem man sich beispielsweise in
etwa gemeinsame Projekte zu organisieren, besonders Gemeinschafts- oder Mehrgenerationenhäusern unterwenn es darum geht, widerständig zu sein. Auch wenn stützt und neue Formen des Zusammenlebens entwisie sich digital organisieren – Netzwerke wie Reclaim your ckeln kann. Oder einfach den Mut zu haben, nebenan auf
City leben davon, dass Menschen sehr analog Raum in die Klingel zu drücken.
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16 Achtung, Nachbarn
Rock’n’roll
&
kalter Hund
Die historische Tankstelle am Hamburger
Brandshof ist eine Anlaufstelle für
Retro-Fans: Ob Einrichtung, Mode, Musik
oder Kuchen – hier ist alles auf die
50er-Jahre abgestimmt.
Text und
Fotografie:
Beke Zill
Die Tankstelle
Brandshof
am Billhorner Röhrendamm 4 in Rothenburgsort ist unter der Woche
von 4.00 bis 18.00
Uhr geöffnet. An den
Wochenenden finden die
„Offenen Treffen für
altes Blech“ von 11.00
bis 17.00 Uhr statt.
Am 17. April gibt es
von 9.00 bis 16.00 Uhr
einen Flohmarkt für Autoteile, Haushalt und
Lebensart der 50er- bis
70er-Jahre.
D
ie grauen Polstersitze quietschen, als Olaf
und Sabine Kinzen in ihrem alten Opel Rekord
auf den Schotterplatz fahren. Der Motor stottert im Takt der Rock-’n’-Roll-Musik – auch der
Wackel-Elvis hinten auf der Hutablage bewegt seine HüfZwar kann man hier nicht mehr tanken, doch das Café,
ten gekonnt im Rhythmus der Saxofonklänge, die krat- der „Erfrischungsraum“, und die GTÜ-Prüfstation locken
zend aus den Lautsprechern ertönen. Behäbig wie eine inzwischen Autoliebhaber aus ganz Deutschland. Vor
Dampflok rollt das Auto auf den Platz und kommt neben allem am Wochenende treffen sich die Oldtimerfreunde
den anderen Oldtimern zum Stehen. Kurz noch einmal an zum Staunen, Fachsimpeln und Kaffeetrinken.
der Lederjacke gezupft steigt der Hamburger aus seinem
Während ihr Mann mit den anderen Besuchern über
Wagen. Eine steife Brise weht, der Wind wirbelt den rot- seinen Opel – Baujahr 1959 – spricht, hat sich Sabine
weißen Petticoat von Sabine Kinzen hoch, während sie Kinzen vor der Jukebox hingesetzt und genießt ihren Kafdie Tür hinter sich zuknallt.
fee. Beim ersten Schluck zeichnet sich ein roter Rand
Das Ehepaar dreht die Zeit zurück – sie lassen die ihres Lippenstiftes an der Tasse ab. Zu essen gibt es
50er-Jahre lebendig werden. Zwischen grauen Beton- kalten Hund – ein Kuchen aus Butterkeksen und Schoriesen, Bahnschienen und der Elbe haben sie einen Ort kolade. „Das kommt auch aus der Zeit – und hat ganz
in ihrer Heimatstadt gefunden, an dem die Uhr ebenfalls viel Fett“, betont sie. Beim Lachen kommt ihre kleine
stehen geblieben ist.
Lücke zwischen den Schneidezähnen zum Vorschein.
„Wir mögen dieses tolle Ambiente hier. Das ist unser Der Erfrischungsraum wird inzwischen voller, fast jeder
Treffpunkt, unsere Basis“, sagt die 53-Jährige, rückt ihre von den etwa 20 Plätzen vor der originalgetreuen Theke
rote Schleife in ihrem schwarzen Haar zurecht und blickt ist besetzt. Auch nebenan im Vorzimmer der Werkstatt
auf die Tankstelle vor ihr. Das historische Gebäude am schauen sich Gäste die ausgestellten Original-Autoteile
Brandshof wurde 1953 gebaut. Wer damals über die Elb- im Regal an. Zwei grüne Ohrensessel, das alte Schnurtebrücken in die Hansestadt kam und zum Großmarkt in die lefon, die handbetriebene Kasse und der Atlas von 1978
Deichtorhallen wollte, der fuhr über den stark befahre- auf der Fensterbank erinnern ebenfalls an die Vergannen Röhrendamm. Anfang der 60er-Jahre wurde dann der genheit. Im Ausstellungsraum und im hellen, halbrunden
neue Großmarkt gebaut und die Straße zur Sackgasse. Café ist natürlich Rock ’n’ Roll im Hintergrund zu hören.
1983 wurde der Tankbetrieb endgültig eingestellt. Erst „Das ist eine Musik, die begeisterungsfähig bleibt“, sagt
2010 erweckte Besitzer Alex Piatscheck die alte Retro- die 53-Jährige und erinnert sich, wie sich ihre LeidenTanke im Stil der 50er-Jahre wieder zum Leben.
schaft für die 50er-Jahre entwickelte.
Achtung, Nachbarn 17
Durch Elvis Presley kam sie zum Rock ’n’ Roll. „Seit
ich 14 bin, bin ich Elvis-Fan“, erzählt die gelernte Krankenschwester. Außerdem habe sie schon immer gern
Petticoat getragen. Die Kleider seien sehr feminin, das
möge sie. Durch Freunde lernte sie Ende der 80er-Jahre
dann ihren Ehemann kennen, der die Leidenschaft für
den Rock ’n’ Roll mit der Hamburgerin teilt. „In den 50ern
war die Welt noch in Ordnung. Es war nicht so hektisch,
eher ruhig“, sagt die zierliche Sabine Kinzen und streicht
über ihr weißes Kleid, auf dem große rote Blumen aufgedruckt sind. Nachdem Sohn Marcel geboren wurde, blieb
jedoch nur noch wenig Zeit für ihr liebstes Hobby.
Doch inzwischen tauscht das Paar nach der Arbeit
seine Alltagskleidung gegen Petticoat und Nietenjeans.
„Seit unser Sohn aus dem Haus ist, knüpfen wir dort an, wo
wir aufgehört haben. Back to the roots“, sagt sie, nimmt
einen letzten großen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und
schreitet eleganten Schrittes raus zu ihrem Mann.
Vor der Tankstelle werden die Oldtimer bestaunt. Olaf
Kinzen ist in seinem Element. Die Nieten an seiner Lederjacke funkeln in der Sonne. Das rot-schwarz karierte
Hemd, die enge Jeans, die schicken schwarzen Lackschuhe und seine perfekt gelegten grauen, schon etwas
lichten Haare runden sein Outfit ab. Er fühle sich wohl.
Jugenderinnerungen würden wach, wenn er die Klamotten trage.
Zum Lebensstil passt natürlich auch ihr Auto. „Das
sind noch Autos mit Charakter“, betont er. Der gelernte
Maschinenschlosser und heutige Beamte bei der Deutschen Bahn kaufte das Schmuckstück in Beigefarben
und Alabastergrau 2010 in Herne. „Dieses Modell Ascona
wurde nicht in Rüsselsheim, sondern in der Schweiz
gebaut und hat eine zweifarbige Lackierung“, erklärt Olaf
Kinzen und blickt voller Stolz auf die 45-PS-Limousine,
in die er nach dem Kauf noch „etliche Hundert Stunden
reingesteckt“ hat.
Immer mehr Liebhaber kreisen wie Geier um ihre
Beute um die aufgestellten Autos. Der Erfrischungsraum
ist gefüllt, draußen an den Tischen vor dem gläsernen
Halbrund sitzen meist die Begleitungen und erzählen.
In dem Gewusel bahnen sich Olaf und Sabine Kinzen mit ihrem Opel einen Weg zum Ausgang. Der Vierzylinder blubbert, der Fahrer lehnt lässig den Arm aus
dem offenen Fenster. Rock ’n’ Roll läuft. Auf der Hutablage steigt der Wackel-Dackel neben Elvis ins allgemeine
Kopfnicken ein. Ein zufriedenes Lächeln huscht über Olaf
Kinzens blasses Gesicht. Die 50er-Jahre, das sei mehr
als ein Hobby. „Das ist ein Lebensgefühl“, sagt er und
winkt seinen Oldtimer-Freunden an der Tankstelle zum
Abschied.
Stilecht in Rothenburgsort: An der alten
Tankstelle treffen
Olaf und Sabine Kinzen
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18 Achtung, Nachbarn
„Nach—
bar—
schaft
kann
man
nicht
planen“
Ein Interview mit der
Stadt- und Raumsoziologin
Ingrid Breckner über
Stadtentwicklung in Hamburg
und die sozialen Folgen für
die Nachbarschaft.
„Bei den früheren Großsiedlungen hat
man nur das Wohnen geplant, diesen
Fehler macht man nicht mehr.“
Foto: Alexandra Falken/photocase.de, privat
Achtung, Nachbarn 19
ACHT: Frau Breckner, was macht eine gute Nachbarschaft aus?
Ingrid Breckner: Nachbarschaft kann man nicht planen. Sie entsteht weitgehend durch die Bedingungen
des Wohnungsmarktes und durch die Bewohner. Ob
daraus eine gute Nachbarschaft wird oder nicht, hängt
davon ab, ob Menschen Interesse an Nachbarschaft
haben. Viele Leute ziehen ja gerade in die Stadt, weil sie
die Anonymität schätzen. Nachbarschaft ist immer dann
gut, wenn sie eine freiwillige Angelegenheit ist.
Wann kann man von Freiwilligkeit sprechen?
Wenn das Nachbarschaftliche durch diejenigen
selbst definiert werden kann, die da zusammenkommen.
Zuziehende aus Kleinstädten oder dörflichen Lebenswelten suchen manchmal nachbarschaftliche Kontakte.
Es gibt aber auch Menschen, die froh sind, wenn sie mit
Nachbarn nichts zu tun haben: Sie leben in der Stadt,
weil sie sich hier ihre Freunde selbst aussuchen können.
Ist das soziale Miteinander ein wichtiges Thema in
der Stadtplanung?
Stadtplaner entscheiden selten darüber, wer konkret
in welche Wohnhäuser einzieht. Sie beeinflussen eher,
wo gewohnt und wo gearbeitet wird. Da versucht Stadtplanung das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten
so zu organisieren, dass möglichst keine Störungen auftreten.
Anstatt an der „funktional getrennten Stadt“, die
auf den französischen Architekten Le Corbusier und
die „Charta von Athen“ zurückgeht, orientiert sich der
heutige Städtebau an Nutzungsmischung und versucht
dabei auch soziale Erfordernisse zu berücksichtigen.
Der öffentliche Raum ist heute von zentraler Bedeutung und muss so gestaltet sein, dass er die Interessen
und Praktiken von ganz unterschiedlichen Menschen
aufnehmen kann: Da hat der Punk genauso seinen Platz
wie die feine Dame, die an ihm vorbeimarschiert. Da
muss man gucken, wie das zusammengeht.
Wie wichtig ist es, dass Flüchtlinge auch in vermögenderen Stadtteilen leben können?
Flüchtlinge können überall wohnen, wo es möglich
ist und wo sie die notwendige Unterstützung erhalten.
Sozialwohnungen können nur dort gebaut werden, wo
bezahlbare Flächen vorhanden sind, für die sich Investoren interessieren. Wenn es niemanden gibt, der sie baut,
und niemanden, der die Sozialwohnungen als Folgeunterkunft für Flüchtlinge betreibt – z. B. weil in kleinen,
verstreuten Einheiten die Sicherheit kaum zu gewährleisten ist –, bleiben als Alternativen nur Container, Zelte
oder die Umnutzung bestehender Gebäude.
Ist die HafenCity ein guter Ort, um Flüchtlinge und
ihre Familien unterzubringen?
Die geplante temporäre Unterbringung auf einem
Baufeld, wo in drei Jahren ein Gymnasium entstehen soll,
ist durchaus eine Möglichkeit. Es gibt überhaupt keinen
Grund, bestimmte Stadtteile nicht in Betracht zu ziehen,
wenn geeigneter Platz vorhanden ist.
Was können Stadtplaner dazu beitragen, dass
Integration gelingt?
Stadtplanung ist eher für die Vorbereitung von Baumaßnahmen zuständig. Integration ist eher Aufgabe der
Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie der Zivilgesellschaft.
Was im Moment am stärksten fehlt, ist eine systematische Zusammenarbeit der verschiedenen Ressorts,
damit man das Herstellen von Wohnmöglichkeiten und
das Integrieren auch wirklich zusammenführt. Es müsste
eigentlich bei jedem Projekt detailliert diskutiert werden:
Wo baue ich was, wo gibt es im Umfeld Kindergärten,
Schulen und Arbeitsmöglichkeiten, wer bietet Deutschkurse an und wer macht die Sozialberatung?
Wenn es jetzt darum geht, schnell viele Wohnungen
zu bauen, befürchten manche, man könnte die Fehler der
Vergangenheit wiederholen, indem man zu große Wohnsiedlungen baut.
Eine Großsiedlung hat 10.000 Einwohner und mehr,
keine der in Hamburg geplanten Siedlungen soll so viele
Bewohner haben. Es geht um Einheiten von einigen Hundert Wohnungen. Man sollte wirklich das Wort Großsiedlung aus der Diskussion streichen. Das halte ich für eine
absolut ideologische Irreführung der Bevölkerung und
das heizt genau den Konflikt an.
Aber ist es nicht auch schwierig, Flüchtlinge dauerhaft in Siedlungen mit 200 bis 600 Wohnungen unterzubringen?
Die Stadtentwicklungsbehörde will ja, dass die Quartiere eingebunden werden. Bei den früheren Großsiedlungen hat man nur das Wohnen geplant. Diesen Fehler macht man nicht mehr und ich finde es im Prinzip gut,
dass Sozialwohnungen gebaut werden, um Zelte und
Container allenfalls kurzfristig zu nutzen. Das fällt der
Stadt am allermeisten auf die Füße, wenn das zum Dauerzustand wird.
Warum wird diese Debatte denn so hitzig geführt?
Weil die Menschen oft nicht sagen, was sie eigentlich denken. Hinter dem Argument der Größe verstecken
sich auch andere Motive.
Welche?
Ein Argument, das ich immer wieder höre, ist, dass
die Leute Angst haben, dass ihre Immobilienpreise fallen.
Das war auch ein Argument, das im Prozess in Harvestehude vorgetragen wurde.
Gibt es irgendwelche Zahlen, die eine Auswirkung
auf den Immobilienpreis belegen?
Ich habe keine Befunde dazu. Es gab in Hamburg aber auch schon Proteste gegen Kindergärten und gegen Hospize mit ähnlichen Argumenten. Es
gibt halt Leute, die die Vielfalt der Stadt nicht aushalten. Die sollten vielleicht besser in ländliche Räume ziehen, da haben sie vielleicht am wenigsten Berührung mit
Andersartigkeit. In der Stadt gehört das Miteinander von
Unterschiedlichkeit zum konkreten Leben dazu!
Über welche Unterschiedlichkeit sprechen wir –
von sozialer Mischung?
Wenn man von Mischung spricht, muss man auch
sagen, was und wer da eigentlich gemischt werden soll.
Es gibt Ideologien, die davon ausgehen, je homogener,
desto besser. Es streiten sich aber auch Leute in reichen
Vierteln, lassen sich auch scheiden und schlagen vielleicht auch ihre Kinder, das kriegt man nur nicht so mit.
Was macht einen gewachsenen Stadtteil aus?
Das ist ein Stadtteil, der sich auseinandersetzt, der
offen ist für Vielfalt und wo Vielfalt miteinander ausgetragen wird, wo man auch miteinander darüber diskutiert, wo man gegenseitig versteht, warum der andere
etwas macht. So stabilisieren sich Stadtteile – und es
sind nicht umsonst die Stadtteile, die besonders begehrt
sind.
Interview:
Lena Kaiser
Fotografie:
Alexandra Falken
Prof. Dr. Ingrid Breckner
forscht und lehrt an
der HafenCity Universität Hamburg Stadtund Regionalsoziologie.
Sie wurde 1954 in
Mediasch, Rumänien,
geboren. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit
liegen im Bereich Suburbanisierung, soziale
Stadt und Strategien
integrierter Stadtentwicklung.
Blicke auf
Wilhelmsburg
mit dem Oberbaudirektor Jörn Walter bei der
VHS: Kurs 3101MMW02
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SCHLOSSFESTSPIELE
S C H W E R I N 2 0 16
des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin
AIDA
Oper von Giuseppe Verdi | Open air
8. Juli –14. August 2016
n Hamburg!
o
v
e
d
n
tu
S
e
in
Nur e
Schwerin
Achtung, Nachbarn 21
5x
Acht stellt 5 Menschen 5 Fragen
Sie sind keine Freunde und gehören nicht zur Familie. Und dennoch können sie uns den Alltag erleichtern
oder das Leben vermiesen: unsere Nachbarn. Wir haben fünf VHS-Kursleiter nach ihren Nachbarn und
Nachbarschaftserfahrungen gefragt.
Welche
Welche
wie
würden
Welches
Nachbarn
sind Ihnen die
liebsten?
Nachbarn sind
für Sie die
schlimmsten?
ist das
Verhältnis
zu Ihren
Nachbarn,
unternehmen
Sie auch was
gemeinsam?
Sie eine
Flüchtlingsunterkunft
in Ihrer Nachbarschaft
begrüSSen?
Thema bieten
Sie im Rahmen
der VHSReihe „Alles
Hamburg!“ an?
Bei ragazza e. V.
schätze ich die Nachbarn, die allen hier im
Stadtteil lebenden
Menschen mit Toleranz und Verständnis
begegnen und sich
für eine Vielfalt in St.
Georg einsetzen.
Menschen, die Antworten auf soziale
Problemlagen in einer Verschärfung von
Repression und Verdrängung suchen.
Diese „Nachbarn“ finde ich am unverträglichsten.
Wir als Verein organisieren regelmäßig einen „Tag der offenen
Tür“ – es ist eine tolle
Gelegenheit, mit unterschiedlichen Menschen aus dem Stadtteil in Kontakt zu treten.
Mir fehlten häufig der
Gedanke der Mitmenschlichkeit und
die Chancen durch
Zuwanderung. Mir
macht eine Flüchtlingsunterkunft in der
Nachbarschaft weder
Angst noch würde ich
sie ablehnen.
Ich biete eine Veranstaltung zum Thema
„Drogenkonsum und
Sexarbeit“ an – die
Veranstaltung findet
im ragazza in St. Georg statt.
Der Prophet Mohammed sagte: „Der Engel Gabriel empfahl
mir so oft die gute Behandlung des Nachbarn, dass ich beinahe dachte, er würde
ihn vielleicht zum Erben einsetzen.“
Die keine Rücksicht
auf andere nehmen
und nur ihre Vorteile
sehen. Die nicht verzeihen können. Der
Prophet Mohammed
sagte: „Einer, dessen
Nachbar nicht sicher
ist vor seiner Bosheit,
der glaubt nicht.“
Mit unseren Nachbarn unternehmen
wir öfter etwas, z. B.
gemeinsam einkaufen
und kochen. Oder die
Kinder in die Schule
bringen. Aber auch im
Urlaub Blumen gießen
und auf das Auto aufpassen.
Ja, selbstverständlich. Es muss eine
gute Mischung geben
in der Gesellschaft.
Die Vielfalt macht unser Leben bunter und
lebendiger.
„Interkulturelle Kommunikation“, es geht
in dem Kurs darum,
wie verschiedene Kulturen sich gegenseitig
bereichern und Vorurteile abgebaut werden können.
Die Streithähne und
die Radikalinskis –
aber Gott sei Dank
wohnen sie nicht in
meiner Straße. Im Gegenteil – meine Nachbarn sind weltoffen
und hilfsbereit.
Aleksandra Jeszke-Zillmer,
Sprachlehrerin
Am liebsten sind mir
jene Nachbarn, die
immer ein Quäntchen
Zeit für einen kurzen
Schnack haben – stehen bleiben oder vom
Fahrrad absteigen
und ungefragt, einfach von sich aus, das
Neueste berichten.
Seit 25 Jahren organisieren wir gemeinsam ein Straßenfest,
das zwei Tage dauert – ein Treffpunkt
für Familien und Ehemalige, von denen einige wieder in unsere
Straße zurückgezogen sind.
In einer unmittelbaren Entfernung befindet sich bereits eine
Unterkunft für Flüchtlinge. Wir und viele
Nachbarn engagieren
uns in der Kinderbetreuung, Hausaufgabenhilfe und Freizeitgestaltung.
Ich biete eine 4-stündige Bustour zu Stätten der polnischen
Kultur und Geschichte in Hamburg an, mit
vielen Begegnungen
mit Menschen aus
Polen, die hier Fuß
gefasst haben.
Die Tadellosen.
Von meiner Seite des
Hauses aus gesehen:
sehr gut. Fragen Sie
meine Nachbarn, ob
sie der gleichen Meinung sind. Ja, wir halten gemeinsam das
Haus am Leben.
Lieber wäre mir, sie
zögen in die freien
Wohnungen im Haus,
in der Nachbarschaft
und der Stadt.
Was ist kulturell möglich in Bergedorf.
Ein KulturoptionenStadtrundgang, der
für jeden Bezirk Geltung hat.
Huug van’t Hoff,
Schriftsteller
Alle Menschen sind
interessant. Es ist
langweilig, nur nette Nachbarn zu haben, da sie wenig zum
Nachdenken und Geschichtenspinnen anreizen. Als Autor mag
ich die Abwechslung
von Charakteren.
Nicht neugierig, grüßen, nehmen Pakete
an und machen Hinterhof-Flohmärkte
oder -Feste.
Welche mit Suchtproblemen, welche,
die ihren Müll tagelang vor der Haustür
stehen lassen, Post
klauen und superlaut
Musik hören und im
Hausgang rauchen.
Ich hatte auch schon
nette Nachbarn, mit
denen ich was unternommen habe, meistens beschränkt sich
der Kontakt jedoch
aufs Grüßen auf dem
Flur.
Ich würde es begrüßen, wenn geflüchtete Menschen in ganz
normale Wohnungen
kommen und nicht
zusammengepfercht
in einem Haus leben
müssten.
Schwarze deutsche
Perspektiven, afrodeutsche Geschichte,
Alltagsrassismus. Ich
habe das Buch „Anleitung zum Schwarzsein“ für schwarze
Leserinnen geschrieben, um ein positives
Selbstbild zu geben.
Svenja Korte-Langner,
Sozialpädagogin
F o t o s : F r a n k Uf e r Ph o t o g r a p h y , N o e l - R i ch t e r , P r i v a t ( 3 )
Mohammed Khalifa,
Sprachlehrer
Anne Chebu,
Journalistin
22 Achtung, Nachbarn
Isabel Kreitz
gehört zu den
besten Comiczeichnerinnen
Deutschlands,
ihr Atelier hat sie
auf St. Pauli. Ein
Gespräch über
Rohrkrepierer,
Kiez und
Nachbarschaft
„Ich
suche
den
individuellen
Moment“
Was will man mehr:
Isabel Kreitz wurde
mit vielen renommierten Preisen
ausgezeichnet und
arbeitet mit Blick
auf den Hamburger
Hafen ...
Achtung, Nachbarn 23
A
uf der Arbeitsplatte ein Meer von Buntstiften und Tuschefarben. Säuberlich geordnete Mappen, Bildbände und Magazine in den
Regalen. Durch das Fenster des Pfarrhauses
der St.-Pauli-Kirche, in dem die Comiczeichnerin Isabel
Kreitz ihr Büro hat, schaut man über die Elbe bis zum Trockendock 11. Bei Plätzchen und Tee erzählt die 48-jährige
Hamburgerin von ihrer im letzten Jahr erschienenen Graphic Novel „Rohrkrepierer“ und weshalb das Wort „Nachbarschaft“ auf St. Pauli eine ganz besondere Bedeutung
hat.
ACHT: Frau Kreitz, weshalb haben Sie den Roman
„Rohrkrepierer“ des Hamburger Autors Konrad Lorenz
als Vorlage für Ihre gleichnamige Graphic Novel gewählt? Die Geschichte eines Jungen, der unmittelbar
nach dem Zweiten Weltkrieg auf St. Pauli aufwächst.
Isabel Kreitz: Einerseits haben mich die Lausbubengeschichten dazu bewogen, die mein Vater mir früher oft
erzählt hat. Andererseits liegt mir die Gegend hier sehr
am Herzen, die ich als sehr angenehm, interessant und
offen empfinde. Ich arbeite seit viereinhalb Jahren hier
und habe auf St. Pauli ein Willkommen erlebt wie sonst
noch nirgends in Hamburg.
Knüpft man auf St. Pauli schneller Bekanntschaften als anderswo?
Bekanntschaften schon. Mit Freundschaften dauert
es wie überall etwas länger. Aber ich fühle mich hier sauwohl. In Altona hat es zehn Jahre gedauert, bis ich mal
ein Wort mit meinen Nachbarn gewechselt habe. Hier
haben mich die Leute schon nach drei Mal Zigarettenkaufen im Kiosk wiedererkannt. Das macht einfach Spaß.
Der Kiez als Ort sozialer Zusammengehörigkeit,
wie man den Begriff etwa in Berlin verwendet?
Ich denke, dass der Kiez in Hamburg schon sehr einzigartig ist. Hier gab es immer ein Kommen und Gehen,
durch den Hafen, die Seeleute. Hier war das Rotlichtviertel. Obwohl inzwischen von der Seefahrt nichts
mehr übrig ist und das Rotlichtviertel sich zugunsten einer Partykultur zurechtgeschrumpft hat, hat sich
diese Offenheit doch in Teilen erhalten. Ich hoffe, dass
mein Buch auch dazu beiträgt, den ursprünglichen KiezGedanken am Leben zu erhalten.
Wobei Ihr Buch ja noch einen anderen Aspekt von
Nachbarschaft veranschaulicht: die Enge …
Die Wohnung, in der ein Großteil der Geschichte
spielt, ist in der Tat eine Art Kabäuschen. Am meisten hat
mich dabei interessiert, wie Kalle damit klarkommt, in
einem Frauenhaushalt aufzuwachen, in dem seine Mutter und Oma ständig streiten. Die Kindheit mit diesen
beiden starken Frauen macht ihn gewissermaßen zum
Seemann, weil er irgendwann erkennt, dass er es dort
nicht länger aushält.
Ein Gefühl der Enge kann ja auch entstehen, wenn
Nachbarn einem zu dicht auf die Pelle rücken. Im
Buch gibt es eine Frau, die den ganzen Tag mit einem
Fernglas aus dem Fenster schaut, Schulschwänzer
ermahnt oder bei Straßenschlägereien die Polizei ruft.
Ist diese Art Nachbarin typisch für St. Pauli?
Hier in St. Pauli kenne ich so eine Person nicht. Aber
in den engen Straßenzügen von Altona, wo ich früher
gewohnt habe, habe ich so etwas erlebt. Da sah man in
den gegenüberliegenden Fenstern Personen – meistens in Schiesser Feinripp mit Hosenträgern, Zigarette
und Kaffeetasse –, die den ganzen Tag auf die Straße
geglotzt haben.
Auffällig ist, dass sich in Ihrem Buch die Huren im
positiven Sinne nachbarschaftlich verhalten. Sie greifen helfend ein, wenn Schuljungen in der Herbertstraße in Bedrängnis geraten oder jemand ausgeraubt
werden soll. Gibt es diese Art von Solidarität zwischen
Sexarbeiterinnen und Anwohnern auch heute noch?
Ich nehme an, dass heute kaum noch bürgerliche
Familien auf dem Kiez wohnen und es dieses Nebeneinander nicht mehr gibt. Das ist vielleicht ohnehin eine idealisierte Vorstellung. Ich muss mich auf den Autor Konrad Lorenz verlassen, dass das damals so war.
Worauf verlassen Sie sich noch bei Ihrer Arbeit?
Wie gehen Sie bei der Recherche vor?
Konrad Lorenz hat mir netterweise die gesamten
Fotoalben seiner Familie überlassen. Dadurch wusste
ich, wie die wichtigsten Personen des Buches aussahen, und konnte ihre Bilder als Vorlage nutzen. Ich habe
aber auch andere Bilder aus der alten Hamburger Zeit zu
Hilfe genommen, zum Beispiel von Herbert Dombrowski,
einem Fotografen, den ich sehr schätze.
Ihre Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind sehr detailreich. Man sieht sofort, dass Sie viel Zeit darauf verwenden …
Manchmal tue ich vielleicht etwas zu viel des Guten.
Das liegt an meiner Arbeitsteilung – Storyboard, Vorzeichnung, Reinzeichnung – und daran, dass ich versuche, mich bei jedem Arbeitsschritt noch einmal selbst
zu überraschen. Dann verliere ich mich oft in Details und
zeichne jeden Backstein aus, weil es gerade so viel Spaß
macht.
Ihre Bilder wirken fast wie realistische Schnappschüsse …
… weshalb einige Leute sagen, meine Figuren sehen
hässlich aus. Dabei wehre ich mich nur gegen die Idealisierung von Gesichtszügen, die im Comicbereich ja
häufig vorkommt, wo ein Gesicht mit möglichst wenigen
Linien auskommen soll. Ich suche aber nicht nach dem
idealen, sondern dem individuellen, zufälligen Moment.
Die Aneinanderreihung solcher Momente erzeugt
eine Nachbarschaft von Einzelbildern, die nicht wie im
Film als Fluss, sondern als separate Einheiten wahrgenommen werden. Wie stellen Sie sicher, dass diese
„Nachbarn“ miteinander kommunizieren, dass die Bilder
sich im Kopf des Lesers zu einer Handlung verbinden?
Das war bei diesem Buch ein größeres Problem als
bei anderen Büchern, weil es eine Fülle notwendiger
Schnitte gibt. Teilweise habe ich ganze Seiten eingefügt,
um diese Schnitte weicher zu machen, damit man nicht
sofort in die nächste Szene geworfen wird. An anderen
Stellen fand ich es aber auch besonders reizvoll, dass
man ganz plötzlich in einer anderen Szene landet.
2012 haben Sie den Max-und-Moritz-Preis als
beste deutschsprachige Comic-Künstlerin erhalten,
um nur eine von vielen Auszeichnungen zu nennen.
Kann eine Comiczeichnerin heute noch etwas von
Wilhelm Busch lernen?
Die schwungvolle, leichte Linienführung! Da gibt es
bei mir immer eine Diskrepanz zwischen Vor- und Reinzeichnung. Aber ich arbeite daran, dass dieser Schwung
auch in den Reinzeichnungen erhalten bleibt. Man lernt
ja mit jedem Buch dazu. Von daher habe ich noch Hoffnung. (lacht)
Interview:
Sören Ingwersen
Fotografie:
Julia Knop
Isabel Kreitz,
geboren 1967 in Hamburg, besuchte die
Fachhochschule für
Gestaltung, Hamburg
und die Parsons School,
New York. Seitdem
zeichnet sie: neben
eigenen Geschichten
wie „Die Sache mit Sorge“ (Sondermann-Preis
2008), Literaturadaptionen u. a. von Erich
Kästner. Die Graphic
Novel „Haarmann“ bekam
den Sondermann-Preis
2011, 2012 erhielt sie
den Max-und-MoritzPreis. Ihr neues Buch
„Rohrkrepierer – Eine
Jugend auf St. Pauli“
basiert auf dem Roman
von Konrad Lorenz über
dessen Jugend in den
50er-/60er-Jahren.
Comics – Cartoons –
Bildgeschichten
Entwicklung einer
eigenen Comicfigur
lernen in der VHS mit
Calle Claus.
Kurs 0216MMM02
www.vhs-hamburg.de
24 Hallo Zukunft
Immer mehr Menschen wollen keine
Großstadt-Anonymität. Sie rücken
zusammen – ob im Mietshaus, beim
Hofflohmarkt oder im Gemeinschaftsgarten.
Wir stellen einige spannende Projekte,
Initiativen und Stiftungen vor, die der
nachbarschaftlichen Stimmung zuträglich
sein können.
Hallo Frau Nachbar
Der Nachbarschaftsmarkt „Hallo Frau
Nachbar“ sorgt mehrmals im Jahr für
beste Unterhaltung und nachbarschaftliches Flair im Schanzenviertel. Der Markt ist ein Treffpunkt
für die gesamte Nachbarschaft, ein
Ort zum Frühstücken, Kaffeetrinken, Mittagessen und ideal geeignet
für den entspannten Klönschnack mit
den Nachbarn. Livemusik und ein Kinderprogramm sorgen zusätzlich für
Spaß und Unterhaltung. „Hallo Frau
Nachbar“ setzt sich für eine soziale Nachbarschaft ein: Auf dem Markt
gibt es einen Nachbarschafts-Stammtisch, an dem Nachbarn den Initiatoren ihre Projekte und Ideen vorstellen können. Zehn Prozent der Erlöse
des Marktes werden für Verbesserungen im Quartier bereitgestellt.
www.hallofraunachbar.blogspot.de
schiedene Pflanzensorten, fünf Bienenvölker, vier Komposthaufen und
eine Wurmkiste. Allen voran ist das
Gartendeck ein Ort, an dem gemeinschaftliche Strukturen wiederbelebt werden: Nachbarn lernen sich
kennen, gärtnern gemeinsam und gestalten auf diese Weise den ganzen
Stadtteil mit. Alle sind herzlich
eingeladen, vorbeizukommen und mitzumachen.
www.gartendeck.de
Aus der altehrwürdigen ViktoriaKaserne wird eine Genossenschaft
Das Gartendeck auf St. Pauli:
nachbarschaftliches Gärtnern
Gartendeck
Das „Gartendeck“ ist ein ursprünglich temporär angelegter urbaner
Garten in der Großen Freiheit, zwischen St.-Pauli-Druckerei und dem
Indra: 1.100 m2 Dachfläche, 400 m2
Grünstreifen, rund 650 Bäckerkisten, ein Container, zwölf Schaufeln, zwei Schubkarren, 172 ver-
fux eG – die Genossenschaft
Die ehemalige Viktoria-Kaserne
in Hamburg-Altona ist ein gemeinschaftlich betriebener Produktionsort für Kunst, Kultur und Gestaltung, Gewerbe und Bildung, kleine
Firmen sowie soziale Organisationen. Durch ein offenes und kostenfreies Angebot von Ausstellungen,
Lesungen, Konzerten, Vorträgen und
Diskussionen kommuniziert die Genossenschaft mit der Stadt und dem
Stadtteil. Offene Werkstätten und
verschiedene Workshops bieten darüber hinaus auch ein Angebot, aktiv
zu werden. fux eG kooperiert mit verschiedenen Hochschulen sowohl aus
Hamburg als auch überregional und
tauscht sich regelmäßig mit Gruppen
verschiedenster Disziplinen aus.
www.fux-eg.org
Linie Fünf
„Linie Fünf“, hier ist der Name das
Programm: Es ist ein Informationsund Diskussionsportal, bei dem es um
die Sammlung, Diskussion und Bewertung von Vorschlägen für neue Strecken, Linien und Haltestellen in Hamburg geht. Bestehende und neue Ideen sollen in breiter Fülle gesammelt
Stadtkuratorin Hamburg
„Stadtkuratorin Hamburg“ ist ein von
der Kulturbehörde initiiertes Projekt zur Aktualisierung und Neuausrichtung des Programms „Kunst im öffentlichen Raum“. Mit Sophie Goltz
beschäftigt Hamburg die bundesweit
erste Stadtkuratorin für Kunst im
öffentlichen Raum. Ziel aller Aktivitäten ist es, die Möglichkeiten von Kunst im städtischen Raum in
Hamburg neu auszuloten und von Hamburg aus eine Diskussion um europäische wie globale Kunst und Kultur anzuregen. Die Stadtkuratorin
soll zudem neue Formate der Ausstellung, der Kunstproduktion ermöglichen und dabei die nachbarschaftlichen Graswurzel-Initiativen berücksichtigen.
www.stadtkuratorin-hamburg.de
Stilbruch
„Lieber gebraucht als teuer“ – so
lautet das Motto des Sozialkaufhauses „Stilbruch“. Es gilt für Möbel,
Hausrat, Bücher, Platten und CDs,
Elektroartikel, Fahrräder und Klamotten. Die beiden Filialen (in Altona und Wandsbek) des Kaufhauses
sind ein Paradies für Schnäppchenjäger, Sammler und alle, die gern stöbern gehen. Für Nachschub bei „Stilbruch“ sorgen die rund 20 Möbelwagen der Sperrmüllabfuhr. Was vor 16
Jahren als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes entstanden
ist, ist zu einem profitablen Unternehmen der Hamburger Stadtreinigung geworden. „Stilbruch“ bietet
zudem Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose.
www.stilbruch.de
Nachbarschaftshaus Jenkelweg
Nachbarn treffen, Kurse besuchen,
sich austauschen, gemeinsam feiern
– all das und mehr können die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers Jenkelweg – Archenholzstraße.
Im Nachbarschaftshaus gibt es neben
einer Betreuerloge und Toiletten
einen Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile. Hier steht ausreichend Raum
für unterschiedliche Ideen zur Verfügung. Jeden Dienstag von 16.30 bis
18.30 Uhr bietet die Lawaetz-Stiftung hier ihre Quartierssprechstunde an. Die muslimische Frauengruppe kommt im Nachbarschaftshaus regelmäßig zum „Dialog in Deutsch“ zusammen und lädt außerdem Kinder und
Jugendliche zum Kochen, Backen und
Basteln ein. Weiterbildung für Senioren, eine Boule-Gruppe, Hausaufgabenhilfe und Gesundheitskurse ergänzen das Angebot des Hauses.
Jenkelweg 20, 22119 Hamburg
steg (Stadterneuerungs- und
Stadtentwicklungsgesellschaft
Hamburg)
Der Name steg steht seit über 26 Jahren für nachhaltige Quartiersentwicklung. Projekt- und Stadtentwickler, Stadterneuerer und -planer
sowie Architekten arbeiten hier unter einem Dach. Die steg ist bei unzähligen Projekten und Bauvorhaben
Hamburgs ein Mittler vor Ort. Sie organisiert das Sanierungsgeschehen,
mittelt zwischen Anwohnern, Verwaltung und Investoren. Ziel ist oft,
dass städtische Investoren noch mehr
private Initiativen auslösen, um so
in einem Stadtviertel durch Neubau
und Sanierung neuen Schub zu bringen. Bei der Realisierung von Projekten, wie z. B. dem Gesundheitszentrum St. Pauli im ehemaligen Hafenkrankenhaus oder der Alten Rinderschlachthalle, fließen auch die Visionen und Wünsche von Bürgern, Nachbarn und Nutzern ein.
steg@steg-hamburg.de
Ambulante Hilfe Hamburg e. V.
Die Ambulante Hilfe Hamburg e. V. betreibt seit 1984 die älteste Hamburger Beratungsstelle für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit Bedrohte. Hier bekommen Besucher auch Informationen zu den Rahmenbedingungen der Hilfe für Wohnungslose. Die
Ambulante Hilfe Hamburg e. V. ist
auch als Gesellschafter beteiligt an
der Initiative „Neue Wohnung“, die
mit verschiedenen Projekten Unterbringungen für Obdachlose anbietet.
www.wohnungslose.de
Johann Daniel Lawaetz-Stiftung
Die Lawaetz-Stiftung ist eine 1986
von der Freien und Hansestadt Hamburg gegründete gemeinnützige Stiftung, um sozial und wirtschaftlich
benachteiligten Personengruppen
Zugänge zum Arbeits-, Ausbildungsund Wohnungsmarkt zu ermöglichen.
Die Lawaetz-Stiftung fördert Wohnund Mietergruppen, die mit Eigenleistung alte Gebäude instand setzen und damit bezahlbaren Wohnraum
erhalten oder schaffen. Viele Projekte der Stiftung richten sich an
obdachlose Menschen, denen Wohnmöglichkeiten angeboten werden.
www.lawaetz.de
Werkstatt Vielfalt
Mit dem Programm „Werkstatt Vielfalt“ unterstützt die Robert Bosch
Stiftung Projekte, die dazu beitragen, Menschen aus unterschiedlichen
sozialen, kulturellen oder religiösen Milieus miteinander in Kontakt
zu bringen. Die Projekte der „Werkstatt Vielfalt“ wollen Brücken zwischen unterschiedlichen Lebenswelten bauen. Wird eine Projektidee in
die „Werkstatt Vielfalt“ aufgenommen, erhält sie nicht nur eine finanzielle Förderung: Die Projektverantwortlichen holen sich bei einer
Projektwerkstatt Tipps von Fachleuten, tauschen Erfahrungen aus und
geben Anregungen zur Weiterentwicklung des Programms.
www.bosch-stiftung.de
Fotos: Lia Darjes, ACHT
Nachbar,
komm doch
mal ruber!
und später zu einer gemeinschaftlich entwickelten Nahverkehrsstrategie zusammengefasst werden, die
den Entscheidungsträgern und allen
mit Planung, Bau und Betrieb des ÖPNV
befassten Institutionen und Unternehmen als Inspirationsquelle vorgelegt werden soll.
www.liniefuenf.de
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K
R
H PA
26 Global
D
as Feuerwerk ist spektakulär, die Zahl der es nicht, Projekte und Aktionen mit viel Geld zu unterstütSchaulustigen riesig: Wenn jedes Jahr Ende zen, sondern Ansprechpartner für Vereine, Firmen oder
Mai in Hamburg das Kirschblütenfest gefei- Schulen zu liefern oder an die entsprechenden Fachbeert wird, säumen Zehntausende von Zuschau- hörden zu verweisen. „Wir können nur mit kleineren BeiText:
ern die Ufer auf beiden Seiten der Außenalster, um die trägen unterstützen“, sagt Ram. Ein Teil seines Etats ist
Heinrich Oehmsen
Pyroschau zu erleben. Seit 1968 gibt es das Kirschblü- fest gebunden, wie zum Beispiel für die ständigen
tenfest. Es ist der Dank der japanischen Firmen für die Vertretungen, die Hamburg in Shanghai, St. PetersGastfreundschaft, die ihnen in Hamburg zuteilwird, und burg und in León unterhält. Viele Aktivitäten laufen
ein gutes Beispiel für eine friedliche gemeinsame Feier. zwischen Bürgern und Organisationen der PartnerVerbunden ist dieses Fest mit der Wahl einer Kirschblü- städte, ohne dass die Staatskanzlei davon Kenntnis
tenprinzessin und neuerdings sogar einer Königin. Zwei hat. „Jeder kann ohne Weiteres nach Marseille oder
Jahre lang wird die 25 Jahre alte Laura Gräwert den Titel nach Dresden reisen. Da muss die Stadt nichts untertragen und eine Sonderbotschafterin der Hansestadt stützen“, sagt Ram. Anders sei es bei Projeksein. Außerhalb Japans werden nur noch in Washington ten mit Shanghai und St. PetersD. C. und in Honolulu auf Hawaii solche Königinnen gekürt. burg: „Vieles funktioniert erst,
Für Politik und Wirtschaft in Hamburg ist diese Kirschblü- wenn es den offiziellen Segen
Hamburgs ferne Nachbarn
tenmajestät ein Türöffner in höchste japanische Kreise. der Partnerschaft bekommt.“
Die Geschichte der Ham„Der Erste Bürgermeister einer Stadt wie Hamburg oder
Wie verbunden die Hamburger Bevölkerung
burger StädtepartnerWirtschaftsvertreter
würden
nie
einen
Termin
beim
japaihren
Partnerstädten ist, hat sich in der Vergangenschaften beginnt in den
50er-Jahren: Die ersten nischen Premierminister oder bei den Chefs großer Kon- heit immer wieder bei Katastrophen gezeigt. Als Anfang
zerne bekommen. Doch eine Kirschblütenkönigin besitzt der 90er-Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetbeiden Partnerschaften
in Japan höchsten Stellenwert“, sagt Uwe Ram, in der union die Versorgungslage in Leningrad immer verheemit St.Petersburg (damals noch Leningrad)
Senatskanzlei Leiter der Abteilung Internationale Zusam- render wurde, stellte der Senat 4,5 Millionen Mark an
1957 und Marseille 1958
menarbeit.
Soforthilfe bereit. Es gründeten sich Initiativen, die Güter
fielen in die Zeit des
Eine der Aufgaben von Ram und seinen Mitarbei- zusammenstellten und per Lkw nach Russland brachKalten Krieges. Die
tern ist die Betreuung der neun Partnerstädte, mit denen ten. Bis heute existiert die „Paket-Brücke“ des ArbeiBeziehungen zu einer
Hamburg sich seit den 50er-Jahren verknüpft hat. Eine ter-Samariter-Bundes, die unter anderem soziale Prosowjetischen und einer
besondere Bindung gibt es zu Osaka, mit 2,6 Millio- jekte zugunsten von Straßenkindern ins Leben gerufen
französischen Stadt
nen Einwohnern die drittgrößte Stadt Japans. Seit 1987 hat. Auch andere Städte konnten auf Hilfe der Hamburger
hatten vor allem eine
gehört die Hafenstadt zu den Partnerstädten Hamburgs. bauen: Als in Nicaragua 1998 der Hurrikan „Mitch“ das
Bedeutung für die
Die Partnerschaft zwischen Hamburg und Osaka ergibt mittelamerikanische Land verwüstete, sprangen die hieAussöhnung. Erst in
Sinn, denn beide Städte sind traditionell die wichtigs- sigen Bürger mit Spenden und Hilfsaktionen genauso ein
den späten 80er-Jahren
schloss Hamburg die
ten Handelszentren ihrer Länder. Das Kirschblütenfest wie 1995 nach einem Erdbeben in Kobe, bei dem 6.000
nächsten Partnerschafist Ausdruck dieser engen Verbindung. Doch auch China, Menschen den Tod fanden, oder im August 2002, als
ten. Diese folgten zwei
und hier besonders Shanghai, hat in den vergangenen Dresdens Innenstadt überflutet wurde.
Richtungen: zum einen
Jahren einen großen Platz in den Beziehungen zur HanIn diesem Jahr stehen die Städtepartnerschaften
„Entlang der Elbe“ –
sestadt eingenommen. Das hängt mit der Öffnung Chi- ganz im Zeichen des Jubiläums mit Shanghai. Vor 30 JahDresden (1987) und Prag
nas zum Westen zusammen, aber auch mit Shanghais ren wurden Beziehungen zu der bedeutendsten chinesi(1990), zum anderen
Bedeutung
als Hafen. „Partnerstädte werden für Ham- schen Handelsstadt geknüpft. Mit 24 Millionen Einwoh„Hinaus in die Welt“ –
burg immer wichtiger“, sagt Wolfgang Schmidt, Staatsrat nern ist Shanghai auch die bevölkerungsreichste MetroShanghai (1986), Osaka
in der Senatskanzlei. „Städte haben fast überall auf der pole in China. Eine offizielle Delegation wird im Sommer
(1987), das nicaraguWelt mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen. Des- nach Hamburg kommen, im November läuft wieder das
anische León (1989),
Chicago (1994) und
halb ist es sinnvoll, sich auszutauschen und von Partner- Festival „China Time“ mit Konzerten, TheateraufführunDaressalam in Tansania
städten zu lernen.“
gen, Diskussionen, Lesungen und Filmvorführungen aus
(2010).
Die ersten Städtepartnerschaften schloss die Han- dem Reich der Mitte. Anfang des Jahres gab es bereits
sestadt bereits in den 50er-Jahren mit Leningrad, heute bei den Lessingtagen ein Gastspiel des Shanghai DraSt. Petersburg, und Marseille. „Es ging damals um die matic Arts Center. „Die Masse“, ein kritisches Stück des
Überwindung der Gräben, die durch den Zweiten Welt- jungen Autors Nick Yu Rong Jun, war der Auftakt an kulkrieg entstanden waren. Menschen, die sich gegenseitig turellen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr. „Das Thakennengelernt haben, sind weniger in der Gefahr, aufei- lia Theater pflegt seit Jahren gute Kontakte nach China.
nander zu schießen“, erläutert Uwe Ram diesen histori- „Wir haben dort gerade mit unserem ,Ring‘ gastiert, ,Die
schen Beginn der Städtepartnerschaften. Auch mit Dres- Masse‘ ist das aktuellste Beispiel für ein Gastspiel einer
den ging Hamburg 1987, zwei Jahre vor der damals noch chinesischen Theatergruppe in Hamburg“, sagt Sandra
nicht abzusehenden Öffnung der Grenzen, eine Partner- Küpper, Dramaturgin am Thalia Theater.
schaft ein. Prag folgte 1990, in den späten 80er-Jahren
Neben den kulturellen und persönlichen Begegnunhatte man bereits Kooperationen mit Shanghai, Osaka gen dienen die Städtepartnerschaften besonders dem
und León in Nicaragua geschlossen, die jüngsten Part- Austausch auf Expertenebene. Im vergangenen Jahr gab
nerschaften wurden mit Chicago (1994) und Daressa- es zum ersten Mal das Urban Partnership Forum, bei dem
lam in Tansania (2010) vereinbart. Als Partner wurden vor Vertreter aus Dresden, Prag, St. Petersburg und Hamburg
allem dynamische Metropolen gesucht, mit denen man drei Tage lang über städtische Großprojekte diskutierten.
sich auf Augenhöhe begegnen konnte und die eine ähn- In diesem Jahr werden Gäste aus Shanghai, Osaka und
Alle Sprachen
unserer Partnerstädte – liche große Bedeutung wie Hamburg haben, aber keine Chicago erwartet. Gesprochen werden soll über Handel
Hauptstädte sind. Prag ist die Ausnahme.
und Wirtschaft, die Bedeutung und die Auswirkungen für
auch Swahili – kann man
Geld kostet die Hansestadt die Partnerschaft ver- die jeweiligen Metropolen. „Miteinander reden, voneinanan der Volkshochschule
lernen.
gleichsweise wenig. Nur 445.000 Euro sind im aktuellen der lernen“ ist das Credo dieser Veranstaltung, eine Forwww.vhs-hamburg.de
Haushalt eingestellt. Die Aufgabe von Rams Abteilung ist mel ganz im Sinne jeder Städtepartnerschaft.
St. Petersburg 1957
Marseille 1958
Shanghai 1986
Dresden 1987
Osaka 1987
León 1989
Prag 1990
Chicago 1994
Daressalam 2010
Ferne
Nach—
barn
Hamburg hat neun
Partnerstädte in aller Welt.
Die ACHT begibt sich
auf einen Streifzug und
nimmt die metropolitanen
Begegnungen genauer
unter die Lupe.
Global 27
28 Glosse
Oberstübchen—Pogo
Text:
Thomas Glatzer
Ärger?
Wenn Sie Ihre Nachbarn
richtig ärgern
wollen, dann üben
Sie Stepptanz:
Kurs 0851ROF05
www.vhs-hamburg.de
W
ohnungssuche in Hamburg ist kein Spaß.
Besichtigungstermine mit über hundert
Konkurrenten sind der Normalfall, bezahlbaren Wohnraum in den attraktiveren Vierteln zu finden ist so wahrscheinlich, wie in den Harbur­ger
Bergen ein Edelweiß zu entdecken.
Meine Freundin und ich hatten eines Tages nach ca.
99 Besichtigungsterminen dieses unverschämte Glück:
3-Zimmer-Altbau mit Schnörkelstuck und Balkon, sonnendurchflutetes oberstes Stockwerk, unter 1.000 Euro
warm. Wir überschütteten die Maklerin mit Blumen und
Worten des Dankes.
Ein klitzekleiner Haken an der Sache offenbarte sich
uns erst, nachdem der Mietvertrag unterschrieben war
und wir unseren Abstellraum unterm Dach ansehen wollten. Hier oben gab es zwei Türen. Eine davon besaß eine
Klingel. Und es standen drei Paar Schuhe davor. Ein ausgebautes Dachgeschoss befand sich exakt oberhalb
unserer Räumlichkeiten. Keine Schallisolierung, aber
immerhin schluckte ein dickfloriger Teppichboden den
gröbsten Lärm, mit der Kleinfamilie gab es in der Folgezeit keinen Stress.
Klar, so ein Altbau hat dünne Wände. Wenn Oma
Voss nebenan Punkt 20 Uhr den Fernseher einschaltete,
brüllte ein unsichtbarer Jan Hofer seine TagesschauTexte wie durch ein Megafon auch in unser Wohnzimmer.
Na und? Wir werden schließlich alle alt. Hin und wieder
eine rauschende Party im Erdgeschoss? Egal, wir waren
schließlich auch mal jung. Schwamm drüber – leben und
leben lassen! So hausten und arbeiteten wir glücklich
und zufrieden in unseren geliebten vier Wänden. Hier
würden wir ewig wohnen bleiben, dachten wir. Bis Holzmichel in unser Leben trat. Oder besser gesagt, darauf
herumtrampelte.
Die Maklerin teilte uns mit, der neue OberstübchenMieter sei Waldorflehrer, Werken und Musik. Holzmichel,
ein grobschlächtiger Geselle, und seine Frau renovierten
selbst. Erste Amtshandlung: Bodenbelag komplett rausreißen. Schnell wurde klar, dass dieser Teppich in Sachen
Akustik unser bester Freund gewesen war. Fortan konnte
man jedes Geräusch vom Fallen einer Stecknadel aufwärts klar und deutlich vernehmen. Wir forderten den
Vermieter auf, für wirksame Schallschutzmaßnahmen zu
sorgen. Der Mann stellte sich taub.
Genau das gelang uns fortan überhaupt nicht mehr.
Holzmichel hatte Sommerferien, die nächsten sechs
Wochen waren geprägt von 14-stündigem Einsatz von
Hammer, Hobel, Bohrmaschine und anderem schweren
Gerät. Gekrönt wurde das Ganze durch ein infernalisches
Finale mit der Schleifmaschine. Der Tag nach der Lackierung war der letzte unbeschwerte Tag in unserem Leben.
Danach folgte dauerhafte Eskalation.
Holzmichel trug auf den ollen Dachbodendielen konsequent klobige Holzbotten nach Art holländischer Käseverkäufer. Er arbeitete nur halbtags und widmete sich
dann ausgiebig seinen Hobbys: Holzbearbeiten und Musizieren. Klarinette, Bass und Bongos. Letztere gern erst
nach 22 Uhr. Sonntags kam dann die gesamte Verwandtschaft aus dem norddeutschen Flachland zu Besuch.
Eine Art Großfamilie Flodder mit Bibel und Gesangbuch.
Gemeinsam trällerten und flöteten sie christliche Lieder.
Hosianna!
Nach wenigen Monaten waren Holzmichels zu viert.
Die Zwillinge – Rosemaries Baby im Doppelpack – wuchsen schneller heran als altersüblich, sie brachten gefühlt
das dreifache Gewicht eines normalen Kleinkindes auf
die Waage, sie brüllten ohne Pausentaste und konnten
mit sechs Monaten bereits laufen und Pogo tanzen. Ihr
Erzeuger bastelte für sie einen hölzernen Radwagen und
plumpes Schuhwerk. Oder waren es Hufeisen? Ab jetzt
lief Ben Hur, rund um die Uhr.
Am Wochenende begann das Programm spätestens
morgens um 6 Uhr. Wir versiegelten unsere Ohren präventiv mit Ohropax, doch der wattierte Geräuschpegel sank
nur geringfügig. Bei dumpfen Schlägen wie 20-fachem
Zuknallen einer Tür oder 60-minütigem Wettspringen der
Racker vom Stuhl versagte das Produkt seinen Dienst.
Natürlich richteten wir freundliche und später auch
weniger freundliche Worte an die Familie. Die lapidare
Antwort: „Wir wollen doch auch nur leben.“ Weder Vermieter („Tja, Kinder halt“) noch Mieterverein („Genaues
Lärmprotokoll mit Zeugen erstellen, ein Prozess kann
aber Jahre dauern, bei geringen Erfolgsaussichten“) wollten oder konnten helfen.
Wir waren drauf und dran, den besten Rat („Zieht endlich weg!“) zu befolgen, als uns Familie Holzmichel damit
zuvorkam. Halleluja! Inzwischen hat der Vermieter einen
Trittschallschutz einbauen lassen und die Maklerin hat
das Casting deutlich verbessert. Die neue Mieterin ist
Primaballerina und schwebt auf Zehenspitzen durch die
Wohnung. Himmlisch!
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30 Science
Nach—
bar—
schaft
heute
Sie sind keine Freunde und
gehören nicht zur Familie.
Und dennoch können sie
uns den Alltag erleichtern
oder das Leben bis zur
Unerträglichkeit vermiesen:
unsere Nachbarn.
Der Stadtsoziologe
Walter Siebel spürt
seit Jahrzehnten
dem Phänomen
„Nachbarschaft“ nach.
Text: Walter Siebel
Stadtleben
Mit der Volkshochschule städtische
Lebensräume intensiver
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der Speicherstadt
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mit der Kamera“, Kurs
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N
achbarschaft hat ein Janusgesicht. Sie kann
Quelle von Freundschaften oder ständigen
Ärgers sein. Der Streit zwischen Nachbarn
kann erbitterter ausgefochten werden als
Scheidungskonflikte. Nachbarschaft ist eine wichtige
Ressource zur Bewältigung des Alltags. Aber Nachbarschaft kann auch zur Falle werden. „Schlechte“ Nachbarschaften sind schlechte Adressen, durch die Benachteiligte zusätzlich benachteiligt werden. Wer in einem „Ausländerghetto“ wohnt, der ist abgestempelt. Nachbarschaft ist auch ökonomisch relevant. Eine „gute“ Nachbarschaft bedeutet hohe, eine „schlechte“ niedrige
Preise für Immobilien.
In vormodernen Gesellschaften waren die Nachbarn
denselben Nöten und Zwängen unterworfen. Man war
zur Bewältigung des eigenen Alltags aufeinander angewiesen. Heute machen Wohlstand, moderne Kommunikations- und Verkehrsmittel und die sozialen Netze des
Wohlfahrtsstaates nachbarliche Hilfssysteme weitgehend überflüssig. Die Differenzierung der Berufe, die Individualisierung, die Pluralisierung der Lebensstile reduzieren heute auch die sozialen Gemeinsamkeiten unter den
Nachbarn. Dadurch wachsen die Konfliktmöglichkeiten.
Da man Nachbarn anders als Freunde und Verwandte,
zu denen man Kontakte hält oder eben nicht, nur durch
Umzug auswechseln kann, werden die Kontakte zu Nachbarn bewusst auf der Ebene einer vorsichtig-höflichen
Distanz gehalten. Die wichtigste Norm gutnachbarlichen
Verhaltens ist die Distanznorm. Es lassen sich aber drei
Gruppen benennen, die Interesse an intensiveren Nachbarschaftsbeziehungen haben.
In den 1970er- und 80er-Jahren entstanden zahlreiche Projekte geplanter Nachbarschaften, initiiert insbesondere von den Frauen. Diese wollten nachbarliche Hilfsnetze organisieren, um Hausarbeit, Kindererziehung und Berufstätigkeit besser vereinbaren zu können. Hinzu kam das Interesse, Isolation und Anonymität
zu vermeiden. So fügten sich sehr praktische Überlegungen zur Entlastung der berufstätigen Frau durch Zusammenarbeit im Wohnbereich und das Interesse an mehr
Kommunikation zu einem Idealbild gelungener Nachbarschaft. Diese Nachbarschaften haben umso besser
funktioniert, je höher die soziale und kulturelle Homogenität der Beteiligten war, also auf Basis einer sehr feinkörnigen sozialen Segregation. Das hat gute Gründe. Je
mehr und je privatere Lebensbereiche man miteinander
teilt, desto wichtiger wird es, dass die Teilnehmer in Fragen der persönlichen Überzeugung, des Geschmacks,
des Lebensstils und in ihren materiellen Möglichkeiten
einander ähneln.
Fotos: zettberlin/photocase.de, Privat
Die Pluralisierung
der Lebensstile
reduzierten die
Gemeinsamkeiten auch
unter Nachbarn,
wodurch Konfliktmöglichkeiten wachsen
Science 31
Nachbarschaft ist auch für Zuwanderer von großer und der Nachbarschaft. Das leistungsfähigste dieser drei,
Bedeutung. Auch die Deutschen, die nach Amerika aus- das Verwandtschaftssystem, wird aber durch den demogewandert sind, haben zuerst die Nähe zu Landsleuten in grafischen Wandel und die Veränderungen der Lebensden „little Germanys“ der amerikanischen Städte gesucht. weisen geschwächt: Das Einzelkind zweier EinzelkinLandsmannschaftliche Nachbarschaften bilden Puffer der hat nach dem Tod seiner Eltern keinerlei direkte Verzwischen dem eingewanderten Individuum und der Auf- wandte, und Ähnliches gilt für die kinderlose Witwe und
nahmegesellschaft, Brückenköpfe vertrauter Heimat in den lebenslangen Single. Also bleiben nur Freundschaft
der Fremde, in denen der Schock der Migration gemildert und Nachbarschaft, beides Systeme, die über lange Zeitwird. Zuwanderer, die noch nicht vollständig in Markt und räume aufgebaut sein müssen, um sich als verlässliche
sozialstaatliche Netze integriert sind, sind besonders auf Netze eines humanen Alters bewähren zu können.
informelle Hilfsnetze angewiesen, und solche Netze bilZuwanderer sind einander wichtige Nachbarn. Typisch
den sich in der Regel leichter unter Menschen mit ähnli- für alle Einwanderungsstädte ist deshalb ein Mosaik
chen Orientierungen. Der Zugewanderte findet hier erste „urbaner Dörfer“, in denen Einwanderer Übergangsräume
Informationen über die noch fremde Umgebung, materi- zwischen Heimat und fremder Gesellschaft finden könelle Hilfen, Schutz vor Isolation oder auch nur Menschen, nen. Der demografische Wandel kann dazu beitragen,
mit denen er sich verständigen kann, weil sie dieselbe dass Menschen wieder mehr und schon sehr früh in das
Sprache sprechen.
soziale Kapital einer funktionierenden Nachbarschaft
Auch die Alterung der Bevölkerung wird die Bedeu- investieren, ähnlich wie das in den Projekten gemeinsatung von Nachbarschaften stärken. Je älter man wird, men Wohnens junger Familien der Fall ist. Nachbarschaft
desto mehr ist man auf Hilfe angewiesen. Viele Hilfen las- verschwindet keineswegs, aber sie nimmt neue Formen
sen sich professionell organisieren, nicht aber das, was an. Früher war Nachbarschaft Schicksal, heute ist sie
alte Menschen am dringendsten benötigen: Achtung wählbar, früher war Nachbarschaft eine räumliche Tatsader Person, Vertrauen und Liebe. Das sind Qualitäten che, die sich sozial organisiert, heute ist sie eine soziale
menschlicher Beziehungen, die gebunden bleiben an die Tatsache, die sich räumlich organisiert.
informellen Netze der Verwandtschaft, der Freundschaft
Prof. Dr. Walter Siebel
wurde geboren 1938
und ist seit 1975
Universitätsprofessor
für Soziologie mit
Schwerpunkt Stadt- und
Regionalforschung an
der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg.
Seit 1978 leitet er
dort die Arbeitsgruppe
Stadtforschung. Seine
Forschungsschwerpunkte
liegen in der Regionalund Stadtforschung,
der Wohnsoziologie,
den Zusammenhängen von
sozialem und räumlichem Wandel sowie
Integrationsfragen.
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NACH DEN TEXTSAMMLUNGEN VON MARC-UWE KLING
BÜHNENFASSUNG UND REGIE HANS SCHERNTHANER
BÜHNE SONJA ZANDER KOSTÜME ANNE SPITZER
MIT KATRIN GERKEN ■ JOHANNES MERZ ■ STEPHAN MÖLLER-TITEL ■ ROBERT
ZIMMERMANN u.a.
Marc-Uwe Kling, Kleinkünstler, der nicht Kleinkünstler genannt
werden möchte, lebt mit einem kommunistischen Känguru zusammen, das auf Nirvana und Schnapspralinen steht. Das ungewöhnliche Duo nimmt uns mit in seinen Alltag – mal bissig, mal
verschroben, dann wieder liebevoll ironisch und stets völlig absurd.
PREMIERE 17. APRIL 2016
VORSTELLUNGEN BIS 19. JUNI 2016
TICKETS 040. 39 90 58 70 ■ WWW.ALTONAER-THEATER.DE
32 Profil
Text:
Maike Dugaro
Fotografie:
Marcelo
Hernandez
„Kampnagel
ist
ein
Dorf“
Seit 2007 wohnt Intendantin Amelie Deuflhard
mehr auf Kampnagel als in ihrer Wohnung
und wundert sich trotzdem manchmal, wie
viel ihre Nachbarn über sie wissen.
Amelie Deuflhard
ist eine Theaterproduzentin und Intendantin. Sie ist 1959
in Stuttgart geboren
und hat Romanistik,
Geschichte sowie
Kulturwissenschaften
in Frankfurt, Tübingen und Montpellier
studiert. Von 2000 bis
2007 war sie die künstlerische Leiterin und
Geschäftsführerin der
Sophiensæle in Berlin.
Seit 2007 ist sie die
Intendantin von Kampnagel. Sie unterrichtet
auch an verschiedenen
deutschen sowie europäischen Hochschulen,
u. a. an der Hochschule
für Musik und Theater
Hamburg, der Kunstuniversität Graz und der
Zeppelin Universität
in Friedrichshafen.
Benefizkonzert von
„Bildung für Alle! e.V.“
(www.bildung-fuer-alle.
eu), dem Förderverein
der Hamburger Volks­
hochschule, am 6. April
2016 auf Kampnagel:
„VHS klingt wunderbar!“
Beginn: 20.00 Uhr,
15,00 €/erm. 10,00 €,
Karten unter Telefon
040.270949-49 oder
www.kampnagel.de
ACHT: Frau Deuflhard, wenn ich Ihre Nachbarin wäre,
was wüsste ich über Sie?
Amelie Deuflhard: Meine Nachbarn zu Hause wissen
relativ wenig über mich. Sie kennen mich aus der Zeitung. Aber zu Hause erleben sie mich nie. Früher, in Berlin, konnte man anhand des Schuhhaufens vor der Tür
darauf schließen, wie viele Kinder ich habe. Heute – mit
den Kindern aus dem Haus – nehme ich meine Schuhe
rein. Ich habe allerdings noch ein Haus auf dem Land
in Brandenburg. Da wissen meine Nachbarn so einiges
über mich. Zum Beispiel, dass ich von 2003 bis 2005 den
dekonstruierten Palast der Republik bespielt habe – das
weiß man sogar auf dem Dorf.
Gibt es Stadt-Land-Unterschiede?
Ja. Auf dem Land wissen immer alle, was man macht,
ohne dass ich weiß, woher. So dörflich ist in Hamburg nur
Kampnagel. Wenn ich hier aus meinem Büro im dritten
Stock herunterlaufe mit einem Koffer in der Hand, wissen die Techniker unten längst, wo ich hinfahre.
Was bedeutet denn Nachbarschaft für Sie?
Im besten Fall sind Nachbarschaften Solidargemeinschaften. Das ist natürlich in der Stadt manchmal etwas
schwierig, aber es gibt doch viele Häuser, in denen das
sehr gut funktioniert.
Sie haben in Stuttgart, Berlin und Hamburg gelebt.
Wie unterschiedlich haben Sie Nachbarschaft erlebt?
Hamburg ist die einzige Stadt, in der ich Klebezettel mit wüsten Beschimpfungen von Nachbarn an meiner falsch geparkten Vespa finde. Aus Stuttgart dagegen
ist mir die Kehrwoche noch gut in Erinnerung. Erfreulicherweise hat einer meiner Mitbewohner das sehr ernst
genommen und immer erledigt. Und unsere sehr alte
Hausbesitzerin hat uns jede laute Party nachgesehen.
Sie war sehr schwerhörig.
Hatten Sie einen Lieblingsnachbarn?
Ein Lieblingsnachbar war sicher der Junge, mit dem
ich als Jugendliche mal zusammen war. Und eine Familie
mit jüngeren Kindern mochte ich auch sehr gerne. Denen
habe ich nämlich oft Nachhilfe gegeben und gutes Geld
damit verdient. Und bei denen konnte man entgegen den
schwäbischen Sitten auch immer etwas ausleihen, wenn
einem mal etwas gefehlt hat. Das mag ich überhaupt
sehr bei Nachbarn, wenn man sich da einfach etwas leihen kann.
Wie wäre Ihr idealer Nachbar?
Der ist tolerant, freundlich. Man kann mal ein Glas
Wein zusammen trinken. Man kann rübergehen, ohne
dass man eingeladen wird. Man unterhält sich, egal ob
am Zaun oder im Treppenhaus.
Auf Kampnagel sind Sie selbst eine ideale Nachbarin. 2014 nahmen Sie kurzerhand sechs Flüchtlinge auf
in der ecoFAVELA Lampedusa-Nord. Wie kam es dazu?
Im Sommer 2014 kamen Hamburger Künstler und
Aktivisten auf mich zu, die sich für die LampedusaFlüchtlinge eingesetzt haben, und baten mich um eine
Halle als Massenschlaflager im Winter. Ich konnte mir
das zwar vorstellen, fand es aber ein schlechtes Signal, dass man noch eine Massenunterkunft schafft. Mein
Vorschlag war, lieber etwas zu bauen, das eine andere
Art von Wohnen abbildet und symbolische Wirkung
hat. Zusammen mit der Architektengruppe „Baltic Raw“
haben wir dann die „ecoFAVELA“ entwickelt.
Was war Ihnen selbst das Wichtigste an diesem
Projekt?
Die Funktion von so einer Art sozialer Skulptur ist,
dass man im Experimentellen etwas anders zeigen kann,
das auch für die Realität übertragbar wäre. Es ging eben
nicht nur um Unterbringung. Es ging um Austausch, ums
Ankommen, ums Beschäftigen, ums Selber-KünstlerWerden. Daraus haben sich tolle Projekte entwickelt.
Und keiner der Nachbarn rund um Kampnagel hat sich
daran gestört. Alle wollten helfen.
Warum war Kampnagel der ideale Raum dafür?
Weil es ein offener, internationaler Raum ist. Einer
unserer Bewohner hat mal zu mir gesagt: Das Tolle auf
dem Gelände hier ist, dass niemand denkt, dass ich ein
Flüchtling bin. Ich könnte genauso gut ein Künstler sein.
Trotzdem haben Sie auch Gegenwind bekommen.
Die AfD zeigte Sie an, die Staatsanwaltschaft ermittelte, und bald galten Sie als Mutter Courage von
Kampnagel. Können Sie damit etwas anfangen?
Natürlich nicht. Zum Glück haben wir aber so viel
mehr Unterstützung bekommen als Gegenwind. Das war
das richtige Projekt zur richtigen Zeit.
Ist Widerstand eine Antriebsfeder für Sie?
Ja. Widerstand spornt mich an und gibt mir Kraft.
Wenn die Leute sich an einem Thema reiben, weiß ich,
dass wir am richtigen Projekt arbeiten.
Sie haben den Traum, irgendwann eine ganze Stadt
als Theater zu bespielen, weil die Einwohner einer
Stadt Ihre liebsten Darsteller sind. Wie genau stellen
Sie sich das vor?
Partiell machen wir das ja schon. Ich möchte nicht
nur gerne an vielen Orten in der Stadt spielen, sondern
damit auch eine Haltung zeigen. Ich will einen realen Dialog mit der Stadt, ihren Problemen und den Menschen,
die dort leben. Und da nur ein kleiner Teil der Bevölkerung an Kunstorte geht, will ich mit der Kunst an ungewöhnlichen Orten noch mal andere Menschen erreichen.
Was wäre Ihrer Meinung nach heute das Wichtigste
im Umgang mit unseren neuen Nachbarn aus Syrien,
Afghanistan oder dem Irak?
Dass wir sprechen und zuhören. Dass wir verstehen,
dass wir auch immer etwas von ihnen lernen können.
Profil 33
Intendatin
Amelie Deuflhard:
„Kampnagel ist
ein offener,
internationaler
Raum.“
34 Nerd
Christian Biedermann,
Retro—Nerd
Dank Christian
Biedermann hat der
Kiosk im Naturbad
Kiwittsmoor die
stärksten Pommes —
wie der Flyer
rechts beweist.
Frische Infos
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1
Nach 20-minütigem Anstehen am Freibadkiosk konnte ich mir als Kind mit 40 Pfennig ein
Süßigkeiten-Vermögen kaufen. Küfa KolaRundlutscher, Esspapier, Leckmuschel und manchmal Frigeo Knusperpuffreis … Solche Retro-Produkte kann man heute bei Ihnen am Kiosk im
Naturbad Kiwittsmoor auch kaufen, warum?
Es gibt einfach Produkte, die für mich ins Freibad gehören. Und das, woran wir uns früher erfreut haben, sollte
man den Kindern heute nicht vorenthalten.
2
Was erzählen Sie den jungen Käufern – warum
ist Caramac besser als Twix, Mars und Milky
Way und woher beziehen Sie Ihre Ware?
Das ist alles eine Soße, es macht dick und ist von Firmen,
deren Politik ich nicht gutheiße. In einem Kiosk kommt
man um deren Produkte allerdings nicht herum. In manchen Fällen fühle ich mich wie der Handlanger von Unilever & Co. Man kann aber im Kleinen Alternativen schaffen
und diese entsprechend vertreten.
3
Wollen Sie damit das „Heile-Welt-Gefühl“ der
„alten Bundesrepublik“ transportieren?
Ach ja, die gute alte Zeit ... Ich sehe ein volles Freibad, Familien mit Sonnenschirmen und Kühltaschen, die
sich mit Sonnenmilch eincremen. Sowie dicke Männer
mit Schnurrbart, die im Klappstuhl sitzen und Dosenbier
trinken. Ich wüsste nicht, warum die Welt damals besser
gewesen sein soll. Die Frage ist doch immer, was man
draus macht. Einen Grund, festzustellen, dass die Welt
schlecht ist, findet sich immer. Und mag die Welt auch
schlecht sein, seine eigene Welt sollte man sich schön
machen.
4
Würden Sie einem dicken Kind sagen,
dass ein Riegel Caramac 170 kcal hat?
In die Verlegenheit würde ich nicht kommen, da
mir das besagte Produkt dahinschmelzen würde, bevor
es verkauft werden kann. Aber es ist schon so, dass man
bei übergewichtigen Stammgästen hier und da Aufklärungsarbeit leisten kann. Es ist halt immer eine Frage
des Maßes. Wenn sich „Dickie“ zum dritten Mal Pommes
mit extra Mayo holt, grenzt das irgendwo an Körperverletzung, wenn man nicht auf Alternativen hinweist. Es
gibt Kinder, die wissen gar nicht, was gesunde Ernährung
ist, da zu Hause nicht mehr gekocht wird.
5
Ist da also bei Kindern noch was zu machen?
Bei Kindern ist in vielerlei Hinsicht eine ganze
Menge zu machen. Einstellung und Verhaltensweisen sind noch nicht so manifestiert wie bei Erwachsenen. Man könnte auch sagen, sie sind noch nicht so
verdorben.
6
Wie reagieren die jungen und älteren Freibadbesucher auf Ihr Outfit und Ihr Kiosk-Konzept?
Letztendlich versuche ich mit dem Kiosk und dem
Drumherum das Ganze ein bisschen bunter, schöner zu
machen. Kinder finden alles Bunte toll, viele Erwachsene
auch. Sicher gibt es auch Besucher, die sich fragen, was
das soll. Was meine Erscheinung betrifft, das würde ich
nicht überbewerten. Ich bin sicher, der ein oder andere
erwartet ein anderes Wesen hinter dem Schnurrbart. Es
ist schön, Leute überraschen zu können. Kinder interessiert das kaum. Die denken nicht in Schubladen und
haben ganz andere Sachen im Kopf, zum Beispiel Pommes.
7
Was bedeuten Ihnen Ihr Look und Ihr Job?
Die Freiheit, nicht der Norm entsprechen zu müssen. Außerdem ist es so, dass ich in meinen
Beschäftigungen einen Sinn sehen muss. Und natürlich
muss man an etwas glauben.
8
Freibad und Pommes gehören irgendwie
zusammen. Was machen gute Pommes aus?
Es ist wie mit allen Dingen. Wenn man seine
Sache mit Liebe macht, wird’s schön und die Pommes
gut. Alle mögen es schön – und gute Pommes!
Fragen: Kerstin Estherr
A C H T U N G ! Die nächste Ausgabe von Acht erscheint Ende Juni 2016
Fotos: Christian Biedermann
Christian Biedermann
1976 in Hamburg gebo­
ren,veranstaltet er rund
um den Kiez Partys oder
Afterhours, arbeitet
einmal im Monat auf
einer Erwachsenenparty
als Cocktailmixer und
hatte zwei harte Jahre
als Geschäftsführer und
Partner mit einer Bar
auf St.Pauli. Im Sommer
verkauft er im Naturbad
Kiwittsmoor Retro-Süßig­
keiten und die besten
Pommes, im Umkreis
von 500 Metern. In den
Wintermonaten kocht er
an der HFBK den Kaffee
und trägt dazu bei, dass
das Hamburger Nachtleben
hier und da, ein bisschen
bunter erscheint.
Kontakt: Anzutreffen im
Salon Rasputin, bei Frl.
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