AG 1: „Der unwillige Verkäufer“
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AG 1: „Der unwillige Verkäufer“
Fallbesprechungen zum SachenR WS 2003/2004 Fröhlich/Großkreuz/Knöpfle/Steuer AG 1: „Der unwillige Verkäufer“ Konrad (K) möchte sich ein Gemälde in der Galerie des Eugen (E) kaufen. Er betritt dessen Geschäft, in dem zurzeit nur der Lehrling Ludwig (L) anwesend ist. K sucht sich das Gemälde aus, mit dem er schon lange geliebäugelt hat, bezahlt dieses bei L und möchte gerade den Laden verlassen, als E von seinen Besorgungen zurückkehrt. Er sieht K mit dem Bild unter dem Arm und entreißt dem verdutzten K das Bild. K bringt das Bild sogleich wieder in seine Gewalt, woraufhin ihm E erklärt, er habe das Bild schon gestern verkauft, aber noch nicht übereignet, und der Käufer wolle es morgen abholen. K ist nicht bereit das Bild wieder herauszugeben und meint das sei nicht sein Problem. Bearbeitervermerk: E fragt, ob er Ansprüche auf Herausgabe gegen K geltend machen könne. Fallbesprechungen zum SachenR WS 2003/2004 Fröhlich/Großkreuz/Knöpfle/Steuer AG 2.1: „Das Ruderboot“ Emil Eigner (E) ist Eigentümer eines Ruderbootes, das am Starnberger See liegt. Nachdem der letzte Sommer gänzlich verregnet war, beschloss E, sich von seinem Boot zu trennen. Er beauftragte und bevollmächtigte den ortsansässigen Bootshändler Hermann (H), sich nach einem Käufer umzusehen und das Boot in seinem Namen zu verkaufen. Das Ruderboot blieb an seinem Anlegeplatz am Starnberger See, der weder abgesperrt noch bewacht und für jedermann frei zugänglich war. Einige Wochen später beklagte sich E im Bekanntenkreis, u.a. gegenüber Siegfried Schnell (S), dass der H immer noch keinen Käufer an der Hand habe, obwohl er nur 300.- € für das Boot verlange. Am nächsten Tag, dem 20.09., fand S zufällig einen Interessenten aus Österreich, den Ignaz (I), der bereit war 450.- € für das Boot zu bezahlen. Weil S den E telefonisch nicht erreichen konnte, verkaufte S das Boot kurzerhand im Namen des E für 450.- € an I. Weiter erklärte S dem I, er könne das Boot jederzeit am Anlageplatz abholen, es sei nicht gesichert. I erklärte sich einverstanden und zahlte die 450.- € an S. Am Abend des 20.09. erzählte S dem E von seinem „Deal“. E war hellauf begeistert und meinte, S könne vom Erlös 50.- € selbst behalten. Am 21.09. gelang es schließlich auch dem H, einen Käufer – Konrad (K) – für das Ruderboot zu finden. Beide fuhren zum Anlegeplatz und luden das Boot auf den Anhänger des K, der seinerseits 300.- € bezahlte. Als I das Boot am 22.09. abholen wollte, fand er es nicht mehr vor. Bearbeitervermerk: 1. Welche Ansprüche stehen dem I zu? 2. Wie wäre die Eigentumslage hinsichtlich des Ruderbootes zu beurteilen, wenn S den E erst am 22.09.2001 von seinem „Deal“ benachrichtigt hätte? AG 2.2: „Das Aktionskunstgemälde“ Antiquitätenhändler A in München beauftragt seinen Bekannten B in Berlin, für ihn ein Bild eines Berliner Künstlers zu erwerben. B erwirbt bei K ein Aktionskunstgemälde, 7 x 4 Meter für 2.000.- € und bringt es zu sich nach Hause. Als er das Gemälde am nächsten Tag in seinen Transporter laden will, um zu A nach München zu fahren, erscheint der Gerichtsvollzieher und versieht das Gemälde mit einem Pfandsiegel. Bearbeitervermerk: Kann A gegen die Pfändung des Gemäldes vorgehen? Fallbesprechungen zum SachenR WS 2003/2004 Fröhlich/Großkreuz/Knöpfle/Steuer AG 3.1: „Bonifatiusverein“ Der Pfarrer Paulus (P) lag im Sterben. Kurz vor seinem Tod übergab er dem Mönch Martin (M) seine Inhaberwertpapiere und wies diesen an, die Inhaberwertpapiere dem Weihbischof Franz (F) (dem von der Diözese bestellten Vertreter des Bonifatiusvereins e.V.) für den Bonifatiusverein (B) zu überbringen. P erklärte, er wolle die Inhaberwertpapiere dem Bonifatiusverein schenken. M überbrachte die Wertpapiere jedoch erst vier Tage nach dem Tod des P. Die gesetzliche Alleinerbin des P, seine Schwester Sabrina (S), verlangt die Wertpapiere vom Bonifatiusverein heraus. Bearbeitervermerk: Wie ist die Rechtslage? AG 3.2: „Das Surfbrett“ Für seinen Urlaub leiht sich Schlampig (S) ein Surfbrett, das dem Eigen (E) gehört. Als er am Urlaubsort in Geldschwierigkeiten gerät, entleiht er sich von seinem Hotelier Herb (H) einen Geldbetrag. Zur Sicherung dieses Betrages übereignet er das Surfbrett an H. Am nächsten Tag nimmt H das Surfbrett in Besitz, ohne bei S Rückfrage zu halten. Bearbeitervermerk: Wer ist Eigentümer des Surfbretts? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 4 AG 4: „Der unglückliche Fußballprofi“ Peter Teschel (T) ist Fußballprofi beim VfL Castrop-Rauxel und seit dem Jahr 2000 mit der ehemaligen Kunstturnerin Ilonka Meschka liiert. Da das Paar Nachwuchs erwartete, schaute sich T im Herbst 2001 im Autoanzeigenteil des Revier-Marktes nach einer geeigneten "Familienkutsche" um. Nach einigem Suchen wurde er schließlich am 1. November 2001 bei dem Gebrauchtwagenhändler Victor Vogel (V) in Bochum fündig. T und V einigten sich über den Kauf eines Audi A 6 Kombi zum Preis von 45.000.- € (Preis laut Schwacke-Liste). Da der Verein des T kürzlich in die Regional-Liga abgestiegen und sein erfolgsbezogenes Gehalt aus diesem Grunde stark rückläufig war, konnte er den Kaufpreis nicht sofort vollständig aufbringen. T vereinbarte daher mit V, dass er den Kaufpreis in drei gleichen Raten zu 15.000.- € zahlen würde, wobei die einzelnen Raten jeweils am 1. der nachfolgenden Monate fällig werden sollten; die erste Rate leistet T sofort. Ferner wurde vereinbart, daß T erst bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises Eigentümer des Fahrzeugs werden und deshalb der Kfz-Brief bis zu diesem Zeitpunkt bei V bleiben sollte. T nahm den Audi mit. Da sein Verein auch in der Regional-Liga keinen Erfolg hatte, konnte T bereits die zweite Rate nicht fristgerecht bezahlen. Am 10. Dezember 2001 erklärte V daher nach erfolgloser Nachfristsetzung den Rücktritt vom Vertrag. T wollte den Wagen aber behalten. Er hatte vor, am 15. Dezember 2001 die zweite Rate zu zahlen; darüber hinaus war er der Meinung, V werde es mit seinen "Drohungen" nicht so genau nehmen. Am 12. Dezember 2001 erlitt T einen Unfall, bei dem der Audi beschädigt wurde (Schaden 2.000.- €, merkantiler Minderwert 500.- €). Am 13. Dezember 2001 gab er das Fahrzeug zur Reparatur in die Audi-Vertragswerkstatt des Albert Xaver (X) in Castrop-Rauxel. Nach der ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur stellte X den Wagen verschlossen auf dem Werksgelände ab. Dort wurde dieser am späten Abend des gleichen Tages vom dem einschlägig "als Autoschieber" vorbestraften Kasimir Yaguar (Y) aufgebrochen und gestohlen. T meldete den Diebstahl der Polizei. Nachdem Y die Einbruchschäden beseitigt und den Wagen umgespritzt hatte, bot er den Wagen am 7. Januar 2002 dem Gebrauchtwagenhändler Ulrich Umtrieb (U) zum Kauf an. Der Kaufpreis sollte 30.000.- € betragen. Mit dem Ankauf von Gebrauchtwagen hatte U seinen Angestellten Edelbert Eilig (E) beauftragt und bevollmächtigt. E war wegen des günstigen Preises sehr an dem Audi interessiert. Er forderte Y auf, den Kfz-Brief zwecks Prüfung zu übergeben. Y sagte, das werde er in den nächsten zwei Tagen tun. Er habe beim Straßenverkehrsamt einen neuen Brief beantragt, da der alte bei einem Wohnungsbrand vernichtet worden sei. E und Y wurden sich aber trotzdem handelseinig, da sich E Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 5 das günstige Geschäft nicht entgehen lassen wollte. Bei einer anschließenden Probefahrt kam E infolge seines halsbrecherischen Fahrstils von der Fahrbahn ab und fuhr gegen einen Begrenzungspfahl. Dabei entsteht an dem Fahrzeug ein Schaden von 3.500.- €. Nach der Unfallaufnahme durch die Polizei kam der ganze Sachverhalt ans Licht. V wandte sich an Rechtsanwalt Rudi Emsig und fragte nach den ihm zustehenden Ansprüchen gegen die Beteiligten. Bearbeitungsvermerk: Welche Ansprüche stehen Victor Vogel zu? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 6 AG 5: „Vorsicht in der Rio Bar!“ Emil (E) ist Eigentümer einer Lederjacke im Wert von 1.200,-- €. Als er eines Abends in der Rio Bar einen Cocktail trinkt, wird ihm die Lederjacke, die an der Garderobe hängt, von Detlev (D) entwendet. D findet in Bernd (B) einen Interessenten, dem er erzählt, er habe die Jacke günstig in einem Second Hand Laden erworben. Beide einigen sich auf einen Preis von 500,-- € und D übergibt B die Lederjacke. Dieser veräußert sie am folgenden Wochenende auf dem Flohmarkt für 600,-- € an Caesar (C). Inzwischen konnte E nach intensiver Befragung von Gästen der Rio Bar in Erfahrung bringen, dass D die Lederjacke entwendet hat. Er macht daher Ersatzansprüche gegen D geltend. Dieser verweist E an B weiter. Nachdem E sowohl D als auch B mit einer Strafanzeige droht, zahlt zunächst D 500,-- €. Später zahlt auch B 600,-- € an E, ohne von der Zahlung des D zu wissen. Bearbeitervermerk: Wie ist die Rechtslage? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 7 AG 6: „Müllers Mühle“ Max Müller betreibt im Hafen von B. eine Mühle. Diese ist durch einen Kanal, über den Schiffe das Mahlgut anliefern, mit dem Hafenbecken verbunden. An den Kanal grenzt das Betriebsgelände der RAG an, auf dem sich ein Rollkran zum Be- und Entladen von Frachtschiffen befand. Am 11.09. stürzte der Rollkran in den Kanal, der Müllers Mühle mit dem Hafenbecken verbindet, weil der Kranführer Friedrich – durch mehrere Pausenbierchen ermüdet – mit voller Geschwindigkeit gegen die Schienenbegrenzung gefahren war. Friedrich konnte sich noch durch einen beherzten Sprung ins Wasser retten. Durch den umgestürzten Rollkran wurde jedoch der Kanal für Schiffe unpassierbar. Ein Schiff der Reederei Redlich befand sich zur Zeit des Unfalls gerade an der Ladestelle bei Müllers Mühle und konnte den Kanal nicht mehr verlassen. Zwei weitere Schiffe des Redlich lagen im Hafenbecken und warteten voll beladen darauf, ebenfalls die Mühle anlaufen zu können. Redlich fordert Schadensersatz gegen die R-AG, weil er jeden Tag, an dem er seine drei Schiffe nicht nutzen konnte, einen Gewinnausfall von 1.000,-- € je Schiff erlitten habe. Auch Müller macht Ansprüche gegen die R-AG geltend. Er möchte zum einen die Kosten i.H.v. 15.000,-- € ersetzt haben, die ihm durch die Beseitigung des Rollkrans entstanden sind. Die Bergung des Rollkrans dauerte 8 Tage und wurde von einem Spezialunternehmen durchgeführt, das von Müller sofort beauftragt wurde. Ferner verlangt er Schadensersatz für die zerstörte Ufermauer (Reparaturkosten 10.000,-- €) und macht weiter geltend, dass der Betrieb der Mühle zwei Tage nach dem Unfall eingestellt werden musste, weil kein Getreide mehr angeliefert werden konnte. Dadurch habe er jeden Tag einen Betriebsausfallschaden i.H.v. 4.000,-- € erlitten. Bearbeitervermerk: Wie ist die Rechtslage? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz AG 7: Besprechung der 1ten Übungsklausur 8 Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 9 AG 8: „Die Fräsmaschine“ V veräußerte der H-KG eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt. Die Maschine wurde der H-KG übergeben und es wurde vereinbart, dass das Eigentum erst bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises auf die H-KG übergehen soll. Noch vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises übereignete die H-KG die Fräsmaschine zur Sicherung eines Darlehens an den Kaufmann C, der davon ausging, die H-KG sei Eigentümerin der Maschine. Nach der Sicherungsvereinbarung sollte die H-KG die Maschine weiter benutzen dürfen, diese blieb daher in den Produktionsräumen der H-KG. Später trat C seine Rechte aus dem Sicherungsvertrag mit der H-KG an die L-GmbH zur Sicherung bestehender Verbindlichkeiten ab. Die L-GmbH und C einigten sich darüber, dass das Eigentum an der Fräsmaschine auf die L-GmbH übergehen soll. Zugleich trat C sämtliche Rechte gegen die H-KG in Ansehung der Fräsmaschine an die L-GmbH ab. Dies teilte C der H-KG auch mit und wies diese an, ab sofort den Besitz der L-GmbH zu vermitteln. Als V von den Vorgängen erfährt, verlangt er die Fräsmaschine von der H-KG heraus. Bearbeitungsvermerk: Wie ist die Rechtslage? 10 Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz AG 9: „Bürgi Bank in Nöten“ Gustav Gans (G) beauftragte am 5. Juli 2002 nach monatelangen, unter Hinzuziehung von Anwälten geführten Verhandlungen den im Handelsregister eingetragenen Bauunternehmer Stefan Samt (S) mit der Errichtung einer neuen Textilfabrik. Für das Bauvorhaben wurde ein Pauschalpreis von 25 Mio. € vereinbart. Zur Sicherung etwaiger Rückabwicklungs- bzw. Schadensersatzansprüche aus dem Vertragsverhältnis übernahmen beide Vertragspartner gemäß § 7 des vereinbarten Rahmenvertrages die Verpflichtung, einander wechselseitig „unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaften einer Bank oder Sparkasse in Höhe von 10 % der Auftragssumme zur Verfügung zu stellen.“ Am nächsten Tag begab sich S zur Bürgi-Bank AG (B) und legte dort den am Vortag mit G geschlossenen Rahmenvertrag vor, um eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Auftrag zu geben. Der zuständige Bankmitarbeiter der B erklärte, dass grundsätzlich keine Bedenken gegen die Übernahme der Bürgschaft bestünden. Sein Haus sei jedoch seit dem vergangenen Jahr dazu übergegangen, nur noch Bürgschaften auf erstes Anfordern zu erteilen. S, der mangels ausreichender Erfahrung mit Bankgeschäften hierin keinen Unterschied sah, erklärte sich damit einverstanden. Eine Woche später, am 13. Juli 2002, übersandte die Bürgi-Bank AG dem S eine formularmäßig errichtete und von zeichnungsberechtigten Mitarbeitern unterschriebene Erklärung folgenden Inhalts: „Die Bürgi-Bank AG übernimmt gegenüber Gustav Gans die Bürgschaft für alle sich aus dem am 5. Juli 2002 geschlossenen Rahmenvertrag ergebenden Rückabwicklungs- bzw. Schadensersatzansprüche gegen Stefan Samt bis zu einem Betrag von 2,5 Mio. €. Die Bürgschaft ist zahlbar auf erstes Anfordern unter gleichzeitiger schriftlicher Erklärung des Bürgschaftsnehmers, dass der Schuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllt habe (...).“ Am 15. Juli 2002 leitete S die Erklärung an G weiter. In einem Begleitschreiben wies er darauf hin, dass die Übersendung „auf der Grundlage der im Rahmenvertrag getroffenen Vereinbarungen“ erfolge. G bestätigte S am 21. Juli 2002 den Empfang der Urkunde. Anfang Oktober 2002 kündigte G den Rahmenvertrag aus wichtigem Grund. Da S jegliche Zahlung von Schadensersatz verweigerte, nahm G mit Schreiben vom 15. Oktober 2002 die Bürgi-Bank AG aus der Bürgschaft in Anspruch. Er erklärte, dass er wegen zahlreicher Pflichtverletzungen des S den Rahmenvertrag fristlos gekündigt habe, weshalb ihm Schadensersatzansprüche in Höhe von 1 Mio. € zustünden. Im Übrigen entsprach die Zahlungsaufforderung des G den in der Bürgschaftsurkunde Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 11 festgelegten Anforderungen. Die Bürgi-Bank AG vertritt die Auffassung, G dürfe schon deshalb nicht aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern gegen sie vorgehen, weil er nach dem Vertrag mit S nur eine gewöhnliche selbstschuldnerische Bürgschaft habe verlangen können. Bearbeitervermerk: 1. Kann G die Bürgi-Bank AG auf Zahlung von 1 Mio. € aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen? 2. B zahlt. Nunmehr stellt sich heraus, dass ein Anspruch des G gegen S nicht besteht. G fällt in Insolvenz. Hat B Ansprüche gegen S? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 12 AG 10: „Grundstückskauf mit Hindernissen“ Adelheid Anselm (A) war seit 1966 im Grundbuch des Amtsgerichts Augsburg als Eigentümerin des Grundstücks, Flur-Nr. 4701, eingetragen. Nach ihrem Tode am 11. Juli 1985 wurde sie von ihrem Sohn Robert Anselm (R) kraft Gesetzes beerbt, der am 2. September 1985 auch als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Anfang 1995 entschloss sich R, das Grundstück zu verkaufen. Schon bald fand er in Konrad Kühl (K) einen möglichen Käufer. Da K sich zu diesem Zeitpunkt in finanziellen Schwierigkeiten befand, räumte R ihm am 13. März 1995 nur ein Ankaufsrecht ein, das auch notariell beurkundet wurde. Für K war der damals vereinbarte Kaufpreis von 500.000.- € ein finanziell vorteilhaftes Geschäft gewesen, da die Grundstückspreise in Augsburg in den folgenden Jahren erheblich in die Höhe stiegen. Im August 2002 reute es R, dem K das Ankaufsrecht eingeräumt zu haben. Als sein Nachbar Siegfried Sorglos (S) ihm 650.000.- € für das Grundstück bot, verkaufte er das Grundstück am 25. September 2002 durch notarielle beurkundeten Kaufvertrag an S. Um K vor vollendete Tatsachen zu stellen, wurde am selben Tag die Auflassung erklärt; zugleich bewilligte R die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des S. Den Antrag auf Einräumung der Vormerkung brachte R noch am gleichen Tag beim Grundbuchamt vorbei, wo ihm der zuständige Rechtspfleger eine schnellstmögliche Bearbeitung zusicherte. K war zwischenzeitlich gegenüber R misstrauisch geworden. Am 30. September 2002 erwirkte er – nachdem er sich zuvor durch Einsicht in das Grundbuch überzeugt hatte, dass noch als Eigentümer eingetragen war – beim zuständigen Amtsgericht Augsburg eine einstweilige Verfügung, die auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Übertragung des Grundstücks gerichtet war. Am 10. Oktober 2002 wurde zugunsten des S die beantragte Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen; des Weiteren erfolgte am 12. Oktober 2002 die Eintragung der Vormerkung zugunsten des K. Als S Anfang Dezember 2002 vom Ankaufsrecht des K und den Grundbucheintragungen erfuhr, war er empört und verlangte von K die Zustimmung zur Löschung der Eintragung vom 12. Oktober 2002. Bearbeitungsvermerk: Kann S von K Zustimmung zur Löschung der Eintragung vom 12. Oktober 2002 verlangen? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 13 Abwandlung 1: Anlässlich einer amtlichen Überprüfung der in amtlicher Verwahrung befindlichen Testamente wurde beim Amtsgericht Augsburg am 19. April 1995 ein ordnungsgemäß errichtetes Testament der A gefunden, in dem es hieß: „Ich setze meine Schwester Berta Bunsenbrenner (B) als alleinige Erbin ein.“ Bereits am 13. März 1995 hatte R, der am 2. September 1985 nach dem Tode der A als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden war, aufgrund eines notariellen Kaufvertrages sowie Bewilligung einer Auflassungsvormerkung das Grundstück mit der Flur-Nr. 4701 an K, der von dem Testament der A keine Kenntnis hatte, verkauft. Die Vormerkung zugunsten des K war am 30. März 1995 in das Grundbuch eingetragen worden. Am 2. Mai 1995 war B als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden. Sie verlangte von K die Zustimmung zur Löschung der Vormerkung. Bearbeitungsvermerk: Kann B von K Zustimmung zur Löschung der Vormerkung verlangen? Abwandlung 2: Fall wie Abwandlung 1, aber K hatte am 13. März 1995 Kenntnis von dem Testament der A. Nach Eintragung der Auflassungsvormerkung zugunsten des K am 30. März 1995 trat dieser den Anspruch auf Übereignung des Grundstücks am 21. April 1995 an den gutgläubigen S ab. Im Mai 1995 verlangte B von S die Zustimmung zur Löschung der Vormerkung. Bearbeitungsvermerk: Kann B von S Zustimmung zur Löschung der Vormerkung verlangen? 14 Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz AG 11: „Der Gutgläubige“ Um seiner Rennwagenleidenschaft weiterhin frönen zu können, benötigt Siegfried Schumacher ein Darlehen über 500.000.- €. Die Guldenberg-Bank wäre bereit, ein Darlehen in dieser Höhe zu gewähren, verlangt aber, dass seine Bekannte, Elly Eidel, zur Sicherung der Darlehensforderung eine Buchhypothek/Briefhypothek an dem ihr gehörenden Grundstück in Kerpen bestellt. Frau Eidel schlägt eine Sicherungshypothek vor. Frage 1: Worin unterscheidet sich eine Verkehrshypothek von einer Sicherungshypothek? Frage 2: Wie wird eine Buchhypothek/Briefhypothek bestellt? Die Bank erhält eine normale Buchhypothek. Sie zahlt das Darlehen allerdings nicht aus. Da jedoch andere Forderungen des Schumacher ebenfalls fällig sind, will die Bank das Grundstück trotzdem verwerten. Frage 3: Darf die Bank das Grundstück für andere Forderungen verwerten? Die Bank entschließt sich, alle im Rahmen der Bankverbindung bestehenden Forderungen gegen Schumacher samt Sicherheiten an den „Factor“ Dietrich Derwisch zu verkaufen. Frage 4: Wie erfüllt die Bank ihre Verpflichtung aus dem Kaufvertrag? Derwisch will nun gegen Schumacher und Eidel vorgehen. Er kündigt Darlehen und Hypothek. Dabei stellt sich folgendes heraus (Anmerkung: die Unterfälle a) bis e) sind unabhängig voneinander zu sehen!): a) Der Darlehensbetrag wurde an Schumacher ausbezahlt. Allerdings war Frau Eidel zur Zeit der Hypothekenbestellung ein Betreuer mit Einwilligungsvorbehalt beigeordnet. Auf nachträgliche Vorlage hin lehnt der Betreuer das Geschäft ab. b) Der Darlehensbetrag wurde an Schumacher ausbezahlt. Der vereinbarte Zinssatz betrug 36 % pro Monat. 15 Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz c) Ein Abschlussvermittler der Bank erklärte dem Schumacher bei Vertragsschluss bewusst wahrheitswidrig, der Zinssatz von 11 % p.a. sei derzeit der günstigste aller Banken. Daraufhin schloss Schumacher den Darlehensvertrag ab. Die Darlehenssumme wurde ausgezahlt. Frau Eidel erhielt vor der Stellung der Sicherheit seitens des Abschlussvermittlers die Information, dass Herrn Schumachers finanzielle Verhältnisse blendend seien. Sie bewilligte daraufhin die Hypothek zu Gunsten der Bank. Aus den Unterlagen der Bank ergab sich allerdings, dass Schumacher zu diesem Zeitpunkt bereits „pleite“ war. Schumacher und Eidel erklären nunmehr gegenüber der Bank die Anfechtung. d) Darlehensvertrag und Hypothekenbestellung sind in Ordnung. Zwischen Schumacher und der Bank wurde jedoch vereinbart, dass die Bank vor Ablauf von drei Jahren nicht berechtigt sei, die Forderung geltend zu machen. Frau Eidel leidet bedauerlicherweise unter phasenweise auftretenden Bewusstseinsstörungen. In einem dieser Zustände hatte sie die Sicherungsabrede mit der Bank geschlossen. Frage 5: Wie ist die Rechtslage in Bezug auf die Fallvarianten a) bis d)? Fall wie oben unter 5). Es wurde aber eine Briefhypothek bestellt. Diese wurde unter Wahrung der Form des § 1155 BGB von der Guldenberg-Bank an D, von diesem an X und von X, diesmal ohne Wahrung der Form des § 1155 BGB, an Z abgetreten. Z möchte nun gegen Schumacher und Eidel unter den Voraussetzungen der Ziff. 5 a) bis d) vorgehen. Frage 6: Ergeben sich hierdurch Änderungen im Vergleich zur Lösung der Frage 5? Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 16 AG 12: Vertiefung Hypothekenrecht Fall 12/1: „Wettlauf der Sicherungsgeber“ Fritz Schorlemmer hat bei der Guldenberg-Bank ein Darlehen über 200.000.- € aufgenommen. Für die Rückzahlung des Darlehens hat Günter Bürgi eine Bürgschaft übernommen. Zudem wurde zu Lasten des Grundstücks des Walter Eidenmaier eine Buchhypothek bestellt. Schorlemmer kommt mit der Rückzahlung der Darlehensraten in Verzug, woraufhin die Guldenberg-Bank Darlehen und Hypothek gegenüber Schorlemmer kündigt. Um die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu vermeiden, zahlt Eidenmaier 200.000 € an die Bank. Bearbeitervermerk: Welche Ansprüche stehen Eidenmaier nach der Zahlung zu? Fall 12/2: Verwertung der Hypothek Bauer Sepp hat bei der Guldenberg-Bank ebenfalls ein Darlehen über 200.000.- € aufgenommen, gesichert durch eine Buchhypothek an seinem Grundstück. Die Bank kündigte im folgende Jahr das Darlehen und die Hypothek gegenüber Sepp ordnungsgemäß. Dieser kam aber seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach. Die Guldenberg-Bank möchte daher die Hypothek verwerten. Frage 1: Was versteht man unter der „Hypothekenhaftung“ und wie weit reicht sie? Frage 2: Was muss die Bank zur Verwertung der Hypothek unternehmen? Dem zuständigen Sachbearbeiter fällt bei der Durchsicht der Akten folgendes auf: a) Vor Beschlagnahme hatte Sepp die Weizenernte eingefahren, sie an den Müllermeister Huber übereignet und anschließend geliefert. Fallbesprechung zum Sachenrecht WS 2003/2004 Fröhlich/Knöpfle/Steuer/Großkreuz 17 b) Seinen letzten Traktor hatte Sepp ebenfalls vor Beschlagnahme vom Grundstück entfernt und dem Bauer Vinzenz anschließend übereignet. c) Seinen privat genutzten PKW, der sich bei Beschlagnahme auf dem Grundstück befand, hatte Sepp eilig an das „Milchmädchen“ Maria verschenkt und übergeben. d) Sein Hausschwein hatte Sepp vor Beschlagnahme zur Mästung zum Großmastbetrieb gefahren. Nach Beschlagnahme veräußerte er das Tier an den Schlachtermeister Heinrich. Von der Beschlagnahme wusste Heinrich nichts. e) Eine seiner Kühe hatte Sepp nach Beschlagnahme zum Großmastbetrieb gefahren und später, nach der Mästung, ebenfalls an Heinrich veräußert. f) Seinen Mähdrescher hatte Sepp vor Beschlagnahme gemäß § 930 BGB an Georg veräußert. Nach Beschlagnahme holte Georg den Mähdrescher ab. Von Hypothek und Beschlagnahme wusste Georg dabei nichts; allerdings war zum Zeitpunkt des Abtransports bereits die Anordnung der Zwangsversteigerung und -verwaltung im Grundbuch eingetragen. g) Eine Jaucheschleuder hatte Sepp an Rudi nach Beschlagnahme veräußert; die Schleuder wurde von Rudi sogleich mitgenommen. h) Die Gerstenernte hatte Sepp vor Beschlagnahme im Silo des Lagerhauses Ludwig eingelagert, einen Käufer dafür allerdings noch nicht gefunden. i) Seinen alten, nicht mehr benötigten Gabelstapler hatte Sepp vor Beschlagnahme in der Bauernzeitung zum Verkauf angeboten, allerdings bis jetzt noch nicht verkauft. j) Einen Lastkran hatte Sepp unter Eigentumsvorbehalt von der Firma Kranbau erworben. Als der Lastkran bis auf 2.000.- € abbezahlt war, hatte Sepp ihn an die D-Bank gemäß § 930 BGB sicherungsübereignet. Dann erfolgte die Beschlagnahme. Die D-Bank erfuhr von der Beschlagnahme, zahlte die restlichen 2.000.- € an die Firma Kranbau und nahm den Kran mit. Frage 2: Welche Gegenstände fallen unter die Hypothekenhaftung?