bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche

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bremer kirchenzeitung - Bremische Evangelische Kirche
bremer kirchenzeitung
Das evangelische Magazin März 2008
Kinder auf Spurensuche
nach Ostern
Aussegnungen helfen beim
Abschied von Verstorbenen
Leben mit Hartz IV –
(k)ein Spiel
Ostern –
neues Leben
Inhalt
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Bremerinnen und Bremer zum Motto
des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2009 “Mensch, wo bist du”
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Mittagessen gegen Hausaufgabenhilfe: Wie das Offene Haus Straßenkindern im rumänischen Sibiu hilft
Spurensuche nach Ostern –
wie Kinder die Ostergeschichte
begreifen lernen
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Stirbt ein Mensch, helfen
Aussegnungen, in Ruhe Abschied zu nehmen
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An frühere Lebenserfahrungen anknüpfen: Wie Friedehorst auf Bedürfnisse dementer Menschen eingeht
Ehrenamtlich in der Krankenhausseelsorge: Neuer Ausbildungskurs
startet am DIAKO
Leben mit Hartz IV - (k)ein
Spiel: Alltagserfahrungen mit
Armut
Impressum
Die bremer kirchenzeitung ist eine Publikation der Bremischen Evangelischen Kirche. Sie erscheint vier Mal im Jahr samstags als Beilage zum Weser-Kurier und den Bremer
Nachrichten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion dar. Ihr Themenvorschlag ist uns willkommen.
Bitte senden Sie uns eine Mail an thema@kirche-bremen.de oder schreiben Sie uns. Falls Sie Fragen rund um die Kirche haben, erreichen Sie Pastorin Jeannette Querfurth unter
frage@kirche-bremen.de. Sie können uns auch an 0421/5597-206 ein Fax senden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte können wir leider nicht haften.
Herausgeber: Bremische Evangelische Kirche (Mitglied im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) Franziuseck 2-4, 28199 Bremen, Telefon (0421) / 55 97 - 0
Redaktion: Sabine Hatscher & Matthias Dembski
Titelfoto: Matthias Dembski
Grafische Realisation: Rank - Grafik-Design. Druck, Vertrieb & Anzeigen: Bremer Tageszeitungen AG, 28189 Bremen
Die nächste Ausgabe der bremer kirchenzeitung erscheint am 14. Juni 2008.
Aktuelle Termine unter www.kirche-bremen.de
Katrin Göring-Eckardt über
Zukunftsfragen, ihren Glauben,
Verantwortung und Freiheit
Kurs: “Umsteuern”
Bremen bei Nacht fand sie wunderschön, als sie mit den anderen Präsidiumsmitgliedern des Deutschen Evangelischen Kirchentags den Veranstaltungsort für
2009 kürzlich besichtigte. Von Wahlkampfauftritten kennt sie auch die Tageslicht-Perspektive. “Was ich an Bremen schätze, ist die intensive öffentliche Diskussion in der Stadt – eine wunderbare Voraussetzung für einen Kirchentag”, lobt
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/ Die Grünen), mittlerweile Vizepräsidentin
des Deutschen Bundestages und bereits zu rot-grünen Regierungszeiten eine der
maßgeblichen Strippenzieherinnen ihrer Partei im Parlament. “In Bremen hat
man Lust, über Zukunftsfragen nachzudenken.” Zukunft zu gestalten, ist auch das
Anliegen der Politikerin, die sich als kulturpolitische Sprecherin ihrer Partei zu Reformthemen regelmäßig zu Wort meldet. Jüngst mit einem Buch zur Situation von
Familien in Deutschland mit dem treffenden Titel ‘Leichter gesagt, als getan’.
“Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht gegeben”
“Egal in welcher sozialen Lage, lassen sich Familie und Beruf nicht gut miteinander verbinden. Es geht um Wahlfreiheit, die wir nicht haben. Darüber geredet wird
viel, aber wenig getan”, kritisiert die zweifache Mutter. “Junge Eltern stellen schnell
fest, dass nach dem Elterngeld plötzlich der Kita-Platz fehlt. In der Regel bleibt
dann doch wieder die Frau zu Hause, die damit ihre berufliche Entwicklungsmöglichkeiten aufgibt.” Auch gebe es bei der Qualität von Kita-Plätzen leider gravierende Unterschiede.
Noch mehr Sorge macht ihr die soziale Spaltung der Gesellschaft. “Wir haben
echte Kinder- und Familienarmut, materielle Armut und Armut an Bildungschancen.” Eine selbstproduzierte Katastrophe, kritisiert Göring-Eckardt: “Das liegt auch
daran, dass wir in unserm föderalen System immer meinen, jedes Land könnte es
selbst besser machen. Dabei bleiben wir auf einem ganz niedrigen Niveau.”
Für die Demokratie werben – gegen Wahlverdrossenheit
nicht mehr um Visionen, sondern darum, in den nächsten Jahren anders zu
leben. “Wir können den Kurs wahnsinniger Ressourcenverschwendung, mit mehr
CO2-Ausstoss und mit der Haltung, wir hätten mehr Rechte als alle anderen auf
der Welt, nicht weiter fortsetzen.” Zwar gebe es in Deutschland ein hohes
Problembewusstsein für Energiesparen oder Mülltrennung. “Aber wir machen es
so, dass wir es möglichst nicht spüren. Unser Leben muss sich verändern. Zum
Beispiel muss unsere Automobilindustrie endlich kapieren, dass wir sparsame,
emissionsarme Autos haben wollen.”
“Gutes Leben ist mehr als Konsum”
Gutes Leben sei mehr als Konsum. “Für mich als Christin ist das nicht schwer zu
sagen, aber das gilt auch für nicht-religiöse Menschen. Die Kirche muss sich trauen, über diese Fragen zu reden. Wir können Menschen ein Zuhause, Orientierung
und Gemeinschaft bieten”, sagt die Politikerin, die mit einem Pfarrer verheiratet
ist. “Über die existenziellen Fragen können Christen anders diskutieren, weil sie
wissen: Wir sind nicht nur auf uns allein gestellt, sondern es gibt etwas, das größer ist als wir. Gott verpflichtet uns zur Verantwortung für die Welt, die er geschaffen hat. Auf der anderen Seite macht uns Gott frei zu handeln, obwohl wir Fehler
machen, doch wir haben die Chance zum Neuanfang.”
Mit Kindern über Glauben sprechen
Glauben weiterzugeben und Kindern Geschichten aus der Bibel zu erzählen, auch
wenn man selbst noch einmal nachlesen muss, ist für Katrin Göring-Eckardt wichtig. “Wir können miteinander beten, den Sonntag heiligen und als gemeinsamen
Familientag gestalten, über den Sinn unserer Feiertage sprechen. Im Jahreskreis
ändert sich nicht nur die Farbe der Blätter.” Mit Rhythmen und Regeln, die sie
gern auch übertreten dürften, fänden sich Kinder besser im Leben zurecht.
Gespräch: Matthias Dembski/ Foto: Deutscher Bundestag
Der Kirchentag 2009 findet 20 Jahre nach dem Mauerfall statt. Für die gebürtige Thüringerin, die vor der Wende in der DDR Theologie studierte und über “Demokratie Jetzt” zur Politik kam, ist klar, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht gleich sind. “In Ost wie West müssen wir uns aber 60 Jahre nach Verkündung des Grundgesetzes die Frage stellen: Wie hat sich unsere Demokratie
entwickelt?” In Westdeutschland sei der Aufbau der Demokratie mit dem Wirtschaftswunder verbunden gewesen. “Den Menschen ging es immer etwas besser.”
In Ostdeutschland habe sich die Demokratie in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Unsicherheit entwickeln müssen. “Das wirkt sich auf das Zutrauen in demokratische Strukturen aus. In Ost wie West müssen wir neu für Demokratie begeistern.”
Um der Wahlverdrossenheit entgegen zu wirken, plädiert die Bundestagsvizepräsidentin dafür, bereits in den Schulen zu beginnen, Schülerinnen und Schüler für
Beteiligung zu begeistern. “Häufig wissen Jugendliche gar nicht, was sie alles tun
können: Ob bei der Schülervertretung, bei Greenpeace oder in der Jungen Gemeinde. Sie können etwas bewegen.” Der Kirchentag sei ein wunderbarer Ort,
über die Frage gesellschaftlicher Beteiligung zu diskutieren.
Rechtsradikalismus sei ein gesamtdeutsches Problem, sagt Katrin Göring-Eckardt.
“Überall, wo sich der Staat und die Gesellschaft sich zurückziehen, kommen die
Neonazis und besetzen das Feld. Zum Beispiel machen sie auf dem Land, wenn
kein Jugendklub mehr da ist, die Freizeitangebote. An diesen Stellen brauchen
wir einen starken Staat.” Wo sich die Bürgergesellschaft zurückzieht
und sich niemand mehr einbringt, gleichzeitig der Staat bestimmte Aufgaben nicht mehr finanziert, werde es gefährlich. “Wir
haben es alle in der Hand, umzusteuern.”
Katrin Göring-Eckardt, die als pragmatische Reformpolitikerin
Katrin Göring-Eckardt
gilt, ist an dieser Stelle entschieden: “In sozialen, BildungsGrünen-Politikerin und
und Teilhabefragen brauchen wir eine Revolution. Wir lieBundestagsvizepräsidentin
gen zu weit zurück, als dass wir uns da noch kleine Schritte
leisten könnten.” In ökologischen Fragen gehe es ebenfalls
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
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Auf Spurensuche nach Ostern
Stockdunkel ist es in der Krypta unter der Kirche
Unser Lieben Frauen. Nur in einer Ecke strahlen etwa
zwanzig Taschenlampen eine mittelalterliche Wandmalerei an. Heute sind die Kindergartenkinder der Hasengruppe gemeinsam mit ihren Erzieherinnen in der
Kirche zu Gast. Pastorin Gesche Gröttrup will für die
Kinder das bald bevorstehende Osterfest in der Kirche
erfahrbar machen. Dazu gehört ein Erkundungsgang
mit Taschenlampen in das Untergeschoss der Kirche.
Damit die Kinder das wesentliche auf dem jahrhundertealten Wandbild entdecken, helfen die Taschenlampen. Mit ihnen leuchten sie eine wichtige Szene
aus der Leidenssgeschichte Jesu an: “Hier verrät Judas
seinen Freund Jesus”, erklärt Pastorin Gesche Gröttrup.
“Seht ihr, wie er mit dem Finger auf ihn zeigt?”
Etwas später entzünden die Kinder ihre selbstgestalteten Osterkerzen in der noch immer verdunkelten
Krypta. Kerzenlicht strahlt die Gesichter an und
taucht den gesamten Raum in ein sanftes, warmes
Licht – wie am Ostermorgen, wenn in der Kirche die
Osterkerze bei Anbruch der Morgendämmerung entzündet wird.
Osterkekse in Frühlingsfarben
Im evangelischen Kindergarten in Hemelingen sind die
Kinder der Dinogruppe derweil mit ganz handfesten
Ostervorbereitungen beschäftigt: Sie backen mit Erzieherin Heike Kandler Osterkekse. Eifrig wird der
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Teig geknetet und ausgerollt, aus dem kurze Zeit später Osterlämmer und Osterhasen ausgestochen werden. Auf der Fensterbank stehen bereits Becher mit
ausgesäter Kresse: Neues Leben keimt auf.
Kaum haben die Plätzchen mit den österlichen Motiven den Backofen verlassen, duftet der Gruppenraum nach dem frischen Gebäck. Die Kekse werden
mit viel Liebe zum Detail verziert. Manches
Osterlamm gerät dabei so bunt wie die
Frühlingblumenwiese, auf der es weiden könnte.
Live dabei mit dem Esel
Im Horner Kindergarten erzählt Pastorin Heike Wegener die Ostergeschichte aus der Bibel. Genau genommen tut sie es nicht selber, sondern hat eine
Handpuppe mitgebracht, die das Geschehen “live”
miterlebt hat. “Ich bin der Esel, auf dem Jesus nach
Jerusalem geritten ist”, stellt sie den “Erzähler” vor.
Gebannt hören die Kinder zu und gestalten mit Playmobilfiguren und Buchsbaumzweigen den Einzug
Jesu in Jerusalem auf einem Tuch nach.
Jedes Kind bekommt eine kleine Spielzeugfigur oder
einen symbolischen Gegenstand aus der Passionsund Ostergeschichte, den es an der passenden Stelle
der Erzählung auf das Tuch in der Mitte des Stuhlkreises legt. So entsteht die Tafelrunde der Freunde
Jesu, das letzte Abendmahl vor seiner Gefangennahme. Der Karfreitag, der Tag Jesu Hinrichtung am
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Kreuz, bekommt ein schwarzes Tuch. Darauf legen die
Kinder ein Kreuz und Stein, der das Grab verschlossen
hat. So lernen sie spielerisch die einzelnen Teile des
biblischen Berichtes kennen. Den Schluss der
Erzählung bildet ein gelbes Tuch, das die Hoffnung
des Ostermorgens symbolisiert: Mit Jesu Tod am
Karfreitag ist nicht alles aus, sondern Gott schenkt
einen neuen Anfang: Jesus lebt, er ist nicht tot.
Bunte Ostereier als Lebenssymbol
Was es mit Ostern auf sich hat, wissen die Kinder in
der Evangelischen Kita in Grambke schon. “Da haben
die Jünger Jesus wiedergesehen und er war nicht mehr
tot.” Klare Antwort auf die Frage, warum Christen
Ostern feiern. Doch dann gilt die volle Konzentration
wieder den bunten Pappmaché-Ostereiern, die den
Osterstrauß in der Bärengruppe verzieren sollen.
Auch das Ei ist ein traditionelles Ostersymbol: Es enthält Leben und steht bildlich für die Auferstehung.
Mit Fingerfarbe bekommen die Eier im Grambker
Kindergarten ein buntes Kleid verpasst. Damit vor
lauter Akribie beim Anmalen die Eierschalen nicht
brechen, hat Erzieherin Elke Schmidt kurzerhand auf
praktische, unzerbrechliche Kunststoffeier zurückgegriffen. Mit Pappmaché verkleidet fällt es gar nicht
auf, dass es keine “echten” Ostereier sind. Dafür sind
sie aber garantiert haltbarer.
Text/ Fotos: Matthias Dembski
Ostern – eine Hoffnungsgeschichte für Kinder
Von Rolf Sänger-Diestelmeier, Pastor für Religionspädagogik im Landesverband Ev. Tageseinrichtungen für Kinder
Ostern – Ursprung und Kern
des christlichen Glaubens.
Jeden Sonntag feiern wir es.
Der erste Tag der Woche –
jede Woche neu ein kleines Osterfest. Wenn wir ein
Kind “aus der Taufe” heben, heißt das auch: aus der
Tiefe verschlingender Todesfluten. Die Taufe bedeutet
gleichsam aus dem Tod gerettet zu werden. Ostern
feiern wir das Wunder der Auferweckung.
In den Fragen von Kindern nach Tod und Leben
begegnen uns manchmal die eigenen, ungeklärten
Fragen: Was glaube und hoffe ich selbst? Weiß ich
eine Antwort? Sind die Fragen der Kinder nicht auch
meine eigenen Fragen? So können die Ostergeschichten zum gemeinsamen Nachdenken von Kindern und Erwachsenen anregen.
Gerade Kinder müssen Hoffnungsgeschichten kennen
lernen, Geschichten, die wahrer sind, als unsere Wirklichkeit. Das, was ist, ist nicht schon alles. Wenn unse-
re wirkliche Welt schon die wahre Welt wäre, dann
wäre sie eine Welt ohne Hoffnung auf Veränderung.
Deshalb erzählen wir die österlichen Hoffnungsgeschichten: Die uns umgebende Welt muss erst wahr
werden, sie soll nicht trostlos bleiben. Sie lässt sich
verändern zu einer Welt, in der die Letzten zu Ersten
werden, der Verlierer zum Glückspilz wird und zu einer
Welt, in der die Armen das Erdreich besitzen werden
und der Totgetretene leben wird.
Das müssen wir erfahren und entdecken, Kinder erst
recht. Wir müssen es mit ihnen feiern, besingen und
spielerisch vorweg nehmen. Vielleicht stellen wir mit
ihnen Pflanzkästen mit Weizenkörnern zu einem
Kreuz zusammen. „Wenn das Weizenkorn nicht in die
Erde fällt und erstirbt, so bringt es keine Frucht“,
schreibt der Evangelist Johannes.
Symbole können Kindern wie Erwachsenen helfen,
das Ostergeschehen zu begreifen: Wie sich der Tod
zum Leben verwandelt, können die Kinder an der
Entwicklung einer Larve über die Puppe bis zum
Insekt entdecken. Oder am Symbol des Ostereis: Die
Schale ist kalt, hart und kalkig. Sie ähnelt einem toten
Stein. Aber aus der harten Schale befreit sich ein warmes, lebendiges Wesen.
Wir können mit den Kindern eine Osterkerze gestal-
ten. Wenn wir sie anzünden, verwandelt sich die Kerze
plötzlich in eine warme, helle Lichtquelle.
So verwandelt sich Dunkelheit in Licht, Trauer in Freude, Verzweifelung in Hoffnung und der Tod zum Leben. Wer sich aus der Erstarrung heraus wieder zu
bewegen beginnt, vom Schweigen zum Singen
kommt, bekommt eine Ahnung von Ostern. Wir versuchen mit den Kindern, ob wir aus einem Feuerstein
einen Funken schlagen und vielleicht gar ein Osterfeuer entzünden können. So erfahren sie, wie aus dem
toten, erstarrten, kalten Stein der Funke des Lebens
und das Feuer des Lichts springt.
Symbole helfen Kindern, das Auferstehungsgeschehen zu begreifen: Dies’ ist keine Geschichte von
damals, sondern das geschieht immer wieder: “Wenn
ich allein bin, kommt jemand zu mir. Wenn ich traurig
bin oder Angst habe, tröstet mich jemand und ich
werde wieder fröhlich.”
Das Leben lässt sich finden und entdecken. Die
Ostereier werden ja auch nicht einfach aufgegessen.
Sie müssen zuvor gesucht und gefunden werden. Und
ehe wir gefunden haben, hat Gott uns längst gesucht.
Frohe Ostern!
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung Dezember 2007
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“Mitsingen kann
Dass Kinder und Jugendliche nicht singen, ist ein
Märchen – in Grohn kann man sich vom lebendigen
Gegenteil überzeugen: An jedem Donnerstag nachmittag gleicht das Gemeindehaus einem Taubenschlag, der im Stundentakt von drei Kinderchören
hintereinander bevölkert wird. Allerdings wird hier
nicht gegurrt, sondern glasklar gesungen.
Dafür sorgt Kirchenmusiker Jürgen Blendermann,
seit 28 Jahren im Dienst der Grohner St. MichaelsGemeinde. Deren Kirche hat gerade ihr 100-jähriges
Gründungsjubiläum gefeiert. Doch in Grohn setzt
man längst nicht nur auf Tradition. In der Kirchenmusik gibt es seit den 1990er Jahren einen Aufbruch,
der einem Boom gleicht. Acht Chöre mit über 175
Sängerinnen und Sängern vom Kleinkind bis zum
Erwachsenen “über 50” zählt die Chorwerkstatt der
Gemeinde mittlerweile.
Chöre für jedes Alter
Jugendliche, die mit Begeisterung neben poppigen
Songs auch Volkslieder singen? Ein Chor, zu dem
schon Babys mit ihren Müttern gehen? – Die Chorwerkstatt St. Michael kann dank konsequenter Nachwuchsarbeit von Kantor Jürgen Blendermann mit
etlichen Überraschungen aufwarten. “Anfang der
neunziger Jahre habe ich mir Gedanken gemacht,
wie sich Kinderchorarbeit wieder salonfähig machen
lässt”, erinnert sich der Kirchenmusiker. Statt darüber zu räsonieren, dass Kinder Musik nur noch von
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der CD-Konserve konsumierten und nicht mehr selbst
singen, ergriff Jürgen Blendermann die Initiative –
die Idee der Chorwerkstatt war geboren. Hier können
Kinder bereits im Alter von drei Jahren die ersten
Kinderlieder kennenlernen und Chorerfahrungen in
der Gruppe sammeln. In der Gruppe der zwischen
Drei- und Sechsjährigen ist in der Regel noch ein
Elternteil bei den Proben mit dabei. “Die Erfahrung,
gemeinsam mit den Eltern zu singen, ist für die
Kinder ungemein wichtig”, meint Jürgen Blendermann. Die Kleinsten singen auswendig, die Proben
verlaufen spielerisch. Bewegung gehört zum Singen
mit Kindern dazu, um das richtige Rhythmusgefühl
zu bekommen.
Drei Chorgruppen am Nachmittag
Auch in der mittleren Chorgruppe für die Schulkinder wird getanzt: “Dornröschen ist ein schönes Kind”
steht als kleine Spielszene auf dem heutigen Probenplan. Jürgen Blendermann ist mit der “Choreografie” der Kinder noch nicht ganz zufrieden, es hält
ihn nicht hinter dem Klavier. “Die Hecke soll hochwachsen, aber langsam und dabei Dornröschen nicht
erdrücken.” Mit einem Augenzwinkern, kleinen Späßen, aber auch deutlichen Ansagen hat der Chorleiter die Probe fest im Griff – was angesichts der
quirligen Kinderschar auch nötig ist. Drei Chorproben hintereinander sind ein nicht ganz stressfreies Nachmittagsprogramm für den Grohner
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Kirchenmusiker. Doch dem ist selbst bei Beginn der
dritten Chorprobe nichts anzumerken: “Schön, dass
du da bist.” Fröhlich begrüßt er jeden Sänger seines
“Cantus Fidium III”-Chores mit Handschlag an der
Tür des Probenraumes.
Auch Eltern mit dabei
Die Chorwerkstatt St. Michael bindet auch Eltern mit
ein. Mit ihnen hält Chorleiter Blendermann engen
Kontakt, auch per E-Mail und Sammel-SMS. “Die
Eltern helfen uns zum Beispiel bei der Gestaltung
der Bühnenbilder oder bei den Kostümen.” Neben
der Musik ist die Kreativität aller Beteiligten auch
für diese Aufgaben gefordert. Denn Jürgen Blendermann sprüht vor Ideen, laufend schiebt er neue Projekte an. “Von meinen Kindern habe ich mir wieder
einige Bilderbücher ausgeliehen und überlege gerade, welches sich für ein Musical eignet.” Der Kirchenmusiker komponiert und arrangiert gern selbst. So
wurde seine Kinderoper “Schneewittchen und die
Sieben Zwerge” zu einem Renner, der elf Mal vor vollständig gefüllten Publikumsrängen aufgeführt wurde.
Berührungsängste mit populärer Musik jeder Art
kennt Jürgen Blendermann nicht. Neben modernem
geistlichen Liedgut stehen in diesem Frühjahr in
allen Chören Volkslieder auf dem Probenplan. “Wir
planen ein Volksliederfestival in der Vegesacker
Strandlust, bei dem sämtliche Kinder- und Jugendchöre mitwirken werden. Die Begleitung übernimmt
jeder”
St. Michaels-Gemeinde Grohn schreibt
musikalische Nachwuchsarbeit groß
das Bremer Kaffeehausorchester.” Aufführungsorte
jenseits der Kirche, wie der Vegesacker Kulturbahnhof, haben in Grohn Tradition. Zudem pflegt Jürgen
Blendermann Kooperationen mit der Jugendmusikschule, die demnächst in ein benachbartes leeres
Schulgebäude einzieht, und zum Jugendsinfonieorchester Bremen-Nord.
Das “Gespenst von Canterville” steht im November
auf dem Grohner Konzertprogramm. “Wir haben die
gesamte musikalische Bandbreite drauf: Pop, Rap,
aber auch klassische Werke wie Händels ‘Dettinger
Te Deum’ zum Kirchenjubiläum oder die zeitgenössische Misa Criolla des argentinischen Kompnisten
Ariel Ramírez.”
Konzerte für die Orgel-Sanierung
Der Erlös dieser Konzerte, wie auch aller anderen
laufenden Projekte ist für die Restaurierung der
Orgel in der St. Michaels-Kirche vorgesehen. Das
überholungsbedürftige Instrument soll zudem an
seinen früheren Platz versetzt werden. “Dadurch wird
die bisherige, hintere Orgelempore für die Chöre
frei”, erläutert Jürgen Blendermann. Und ein weiteres schönes Glasfenster der neuromanischen Kirche
mit ihren interessanten Ausmalungen und Mosaiken
würde wieder sichtbar. “Spender für dieses Großprojekt sind uns herzlich willkommen”, betonen
Pastor Klaus Balz und Kantor Jürgen Blendermann.
Denn in der Kirche hat die Chorwerkstatt ihre Heimat.
Jeden Sonntagabend um 17 Uhr gibt es dort eine
kirchenmusikalische Veranstaltung, überwiegend mit
freiem Eintritt. Von Chor- und Orgelkonzerten bis hin
zum von Jürgen Blendermann selbst komponierten
und auch auf CD eingespielten “Abendgebet” in gregorianischer Tradition reicht das Musikangebot der
Sonntagskonzerte.
Blendermann seine Chorphilosophie. Das nötige
musikalische Handwerkszeug und die Stimmbildung
vermittelt er. “Da ist es von Vorteil, dass viele Kinder
von klein auf bei uns mitsingen. Teilweise sind schon
die Kinder von ehemaligen Chorkindern dabei.” –
Schließlich kann jeder singen (lernen). Wer’s nicht
glaubt, kann’s in Grohn hören.
Text: Matthias Dembski
Fotos: Chorwerkstatt/ Matthias Dembski
Zahlreiche CD-Produktionen
Dass die Chorwerkstatt St. Michael auf der Höhe der
Zeit ist, stellt sie auch mit ihrem neusten Projekt
unter Beweis. Nach den CD-Erfolgen des vergangenen Jahrs mit “...Woran glaubst Du?” und der Weihnachts-CD “Stern über Bethlehem” nehmen sich die
Grohner Chöre das in Kürze erscheinende Liederbuch für den Deutschen Evangelischen Kirchentag
2009 in Bremen vor. Unter dem Kirchentagsmotto
“Mensch, wo bist du?” wird der Chor in Kürze eine
weitere Aufnahme einspielen.
Alle CDs sind im Evangelischen Informationszentrum Kapitel 8 an der Domsheide und natürlich
in der Grohner Kirchengemeinde erhältlich.
Chorwerkstatt
St. Michael Grohn
Kantor Jürgen Blendermann
Grohner Bergstr. 1, 28759 Bremen
Telefon 0421/ 62 89 28
blendermann@kirche-bremen.de
Spenden zugunsten der Orgel-Restaurierung
Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Michael Grohn
Kontonummer 500 45 36
bei der Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01
Stichwort “Orgel”
Offen für neue Stimmen
“Mitsingen kann bei uns jeder – es gibt keine Eingangstests und kein Vorsingen”, erläutert Jürgen
www.chorwerkstatt-bremen.de
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
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“Wie geht es Ihnen heute?”
Wer ins Krankenhaus muss, findet sich schnell in
einem persönlichen Ausnahmezustand wieder: Herausgerissen aus dem Alltag, mit dem Gefühl, abgeschnitten zu sein von Familie, Freunden und Beruf,
jenseits der Außenwelt in einem System mit festen
Zeiten, fremdbestimmten Abläufen und manchmal
schwer durchschaubaren Routinen. Oft fehlt es in
der Alltagshektik des Krankenhauses an Ansprechpartnern, mit denen man intensiv über die eigene
Ungewissheit und bohrende Fragen sprechen kann:
“Warum hat diese Krankheit gerade mich erwischt? “
– “Gibt es Hoffnung, dass ich wieder gesund werde
und was, wenn nicht?”
Die seelischen Belastungen für Krankenhauspatienten sind neben den gesundheitlichen Problemen
groß, Sorgen zehren und mit den Angehörigen mag
man auch nicht über alles sprechen, was einem auf
der Seele liegt. Schließlich reicht es doch, dass man
selbst krank ist und sich elend fühlt. Bloß nicht noch
andere in Unruhe versetzen und ihnen auch noch
das Leben schwer machen.
Patienten brauchen Gesprächspartner
Wer mit solchen Gedanken und Gefühlen daniederliegt, braucht offene, sensible und ehrliche Gesprächspartner, um neue Perspektiven zu gewinnen, die ihn
wieder aufbauen – oder die Situation einfach mit
aushalten. Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger bieten die Möglichkeit, sich auszusprechen und
die Sorgen frei von der Seele zu reden. Die Seelsorger
unterliegen der Schweigepflicht und nehmen sich
Zeit, zuzuhören und auf die Ängste und Nöte einzugehen. Diese Arbeit können nicht nur hauptamtliche
Pastorinnen und Pastoren tun, sondern nach entsprechender Ausbildung auch Ehrenamtliche. Am DIAKO
in Bremen-Gröpelingen startet in Kürze ein neuer Kurs,
für den sich Interessenten noch bewerben können.
“Als ganze Person gefordert”
“Viele Situationen im Krankenhaus berühren mich,
aber ich muss mit dieser Wirklichkeit umgehen können und bin dabei als ganze Person gefordert”,
erzählt Jutta Gräbner, seit Sommer 2005 als ehrenamtliche Krankenhausseelsorgerin im Klinikum Bremen-Ost im Einsatz. Was die ehrenamtlichen Seelsorger hinter den Krankenzimmertüren erwartet, wissen sie meist vorher nicht. “Ich schaue mir die Tafel
im Stationszimmer an, um mir vorab einen Überblick
über die Patienten zu verschaffen.” Dann steckt sie
sich ihr Seelsorgerinnen-Schild an und klopft an die
erste Tür.
Tätigkeit “mit Sinntiefe”, nah am Menschen.
Berührungsängste dürfen die ehrenamtlichen Krankenhausseelsorgerinnen nicht haben. “Wir begegnen
am Krankenbett Menschen in Ausnahmesituationen”, ergänzt ihre Kollegin Ingrid Kenner-Maucher,
ausgebildete Sozialpädagogin und seit Januar 2007
freiwillig in der Krankenhausseelsorge engagiert.
Sensibilität, die Fähigkeit, intensiv zuhören und Anteil zu nehmen können, gehören für die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen zu den Grundvoraussetzungen
ihrer Tätigkeit. “Das sind nicht irgendwelche Besuche, sondern meist Begegnungen, in denen wirklich etwas passiert und Menschen oft ihr Innerstes
öffnen”, erklärt Ingrid Kenner-Maucher. “Die Patienten spüren sehr genau, ob ich ganz dabei bin und ihre Situation wirklich mitzutragen versuche.”
Deshalb ist eine qualifizierte Ausbildung unerlässlich, um die Freiwilligen auf die Begegnungen am
Krankenbett gut vorzubereiten. Denn viele Gespräche finden wegen der immer kürzeren Liegezeiten im Krankenhaus keine Fortsetzung, sondern es
bleibt bei einem einzigen Besuch. “Das ist eine besondere Herausforderung, denn das Gespräch muss
in der ersten Begegnung meist schon zum Abschluss
gebracht werden”, lautet eine Erfahrung von Jutta
Gräbner. Allenfalls Krebspatienten blieben länger
und könnten mehrfach besucht werden. Der zunehmende Zeitdruck und die Arbeitsüberlastung des
ärztlichen und Pflegepersonals in den Krankenhäusern bringt es nach Erfahrungen der Seelsorgerinnen mit sich, dass sie vielfach die einzigen
Ansprechpartnerinnen im “System Krankenhaus”
sind, die Zeit für ein längeres Gespräch haben.
Kurs bereitet
Ehrenamtliche intensiv vor
Selbsterfahrung spielt in der Ausbildung der
künftigen ehrenamtlichen Krankenhausseelsorger eine zentrale Rolle. “Nur wer
sich selbst gut kennt und weiß, wie
er in bestimmten Situationen
reagiert, kann sich in
andere einfühlen
Keine Berührungsängste
“Ich wollte etwas mit Menschen und für Menschen tun”,
erinnert sich Jutta Gräbner. Seit dem Sommer 2005
betreut sie “ihre” feste Station im Bereich der Inneren Medizin. Früher arbeitete sie in der Touristikbranche und sehnte sich im Ruhestand nach einer
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und ihnen ein guter Gesprächspartner sein”, meint
Ingrid Kenner-Maucher. Es sei wichtig zu wissen, was
man selbst in schwierigen Situationen tue, meint
Pastorin Uta Küpper-Lösken, die ab April am DIAKO
in Bremen-Gröpelingen ehrenamtliche Seelsorgerinnen in einem neuen Kurs ausbilden wird. Die
Wahrnehmung der eigenen Person und des eigenen
Verhaltens sei wichtig, um angemessen mit den
Gefühlen anderer umgegehen zu können. “Nur so
nimmt man wahr, was beim Gesprächspartner los ist
und tröstet nicht sofort drauf los. Wir begleiten die
Patienten im Gespräch, gehen aber eher einen halben Schritt hinter oder neben ihnen. Tempo und
Richtung geben sie vor.”
Direkte Rückmeldung aus Gesprächen
Krankenhausseelsorge fordert die Ehrenamtlichen
nicht nur, sondern bringt auch viele positive
Rückmeldungen mit sich. “Sowohl bei Patienten und
Angehörigen, als auch bei Ärzten und dem Pflegepersonal werden wir meist mit offenen Armen empfangen”, haben Jutta Gräbner und Ingrid KennerMaucher erfahren. Auch kirchlich nicht gebundene
Patienten freuten sich über den Besuch der Seelsorgerinnen. “Wir drängen den Patienten nichts auf,
aber manchmal entsteht durch unsere Gespräche
wieder ein Kontakt zur Kirche und die Patienten beschäftigen sich angesichts der existenziellen Lebensfragen neu mit ihrem Glauben. Darauf sind wir
natürlich ansprechbar und das spielte auch in unserer Ausbildung eine wichtige Rolle.” Die Patienten
geben die Gesprächsrichtung vor. “Worüber
ein Kranker sprechen möchte, entscheidet er selbst. Wir mode-
Ehrenamtliche in der Krankenhausseelsorge haben ein offenes Ohr
rieren eher und fragen behutsam nach”, erklärt
Ingrid Kenner-Maucher Ratschläge oder Besserwisserei seien in der Seelsorge fehl am Platze. “Jeder
Ratschlag ist ein Schlag”, lautet ein Grundsatz aus
der Ausbildung, den die ehrenamtlichen Seelsorgerinnen verinnerlicht haben. “Wir nehmen die Patienten als Menschen so an, wie sie sind.”
fen. “Die Information, wir können nichts mehr für sie
tun, wirkt wie eine Ohrfeige. Das mit zu tragen, kann
schon gut tun. Da braucht es nicht viele Worte.”
Teilweise sage sie bei einem 20-minütigen Besuch
nur zwei Sätze, aber die Patienten bedankten sich
danach für das gute Gespräch. “Zuhören tut ihnen
gut, es entlastet, sich einmal ausklagen zu können.”
Vertrauensbasis schaffen
Belastendes wieder los werden
Oft steht die einfache Frage “Wie geht es Ihnen?”
am Anfang. “Wir haben eine andere Gesprächsbasis
als Angehörige, um mit den Patienten über ihre
Krankheit und ihre Gefühle sprechen zu können.” Mit
Dritten über seine Ängste und Sinnfragen reden zu
können, sei manchmal einfacher, als mit Verwandten.
Um mit ihren Erfahrungen, die auch belastend sind,
nicht allein zu bleiben und das Erlebte verarbeiten
zu können, treffen sich die ehrenamtlichen Seelsorger regelmäßig zur Supervision. In der Gruppe besprechen sie, was ihnen gelungen ist, aber auch, was
ihnen zu schaffen macht und wo sie ratlos gewesen
sind. Daneben sind die Krankenhauspastorinnen,
wie Brunhilde van Nguyen vom DIAKO betont, für
die freiwillig Engagierten immer erreichbar. “Sie können mit uns jederzeit Rücksprache halten, um mit
schwierigen Erlebnissen nicht allein zu bleiben.”
Gerade am Anfang ihres Praxiseinsatzes ist das eine
wichtige Entlastung für die Ehrenamtlichen.
Sich mit einer Seelsorgerin aussprechen zu können,
tue den Patienten gut, auch in kritischen Situationen. “Einmal bin ich in ein Krankenzimmer reingekommen, dass der Arzt gerade mit der Mitteilung
verlassen hatte, die Patientin sei ‘austherapiert’”,
erinnert sich die ehrenamtliche Seelsorgerin aus
dem Klinikum Ost. Wenn die Mediziner nicht mehr
helfen können, fallen viele Menschen in ein dunkles
Loch der Hoffnungslosigkeit. “Da saß die Frau nun
mit ihrem Mann und weinte. Ich habe gefragt, ob ich
wieder gehen solle, aber sie wollten, dass ich da bleibe. Wir haben uns einfach an den Händen gefasst,
die Traurigkeit miteinander geteilt und versucht, uns
Kraft zu geben.” Gesprochen wurde nur wenig, aber
Jutta Gräbner konnte durch das Mit-Aushalten des
Leides in dieser Situation den Betroffenen doch hel-
Krankenhausseelsorge
in Bremer Kliniken
DIAKO - Ev.-Diakonie-Krankenhaus,
Telefon 0421/6102-1970
St. Joseph Stift, Telefon 0421/347-1018
Rotes Kreuz Krankenhaus, Telefon 0421/5599-559
“In der Supervision habe ich gelernt, innerlich einen
Haken machen zu können, um schlimme Erlebnisse
für mich zu bewältigen”, erklärt Ingrid KennerMaucher. “Krankenhausseelsorge ist ein Geben und
Nehmen. Ich lerne aus den Begegnungen viel für
mich, über den Umgang mit Krankheit.” Am
Krankenbett begegnen die Seelsorgerinnen dabei
auch immer wieder sich selbst – näher als sonst.
Text/ Foto: Matthias Dembski
Klinikum Links der Weser
Telefon 0421/879-1340 und 0421/5486919
Klinikum Bremen-Mitte (St.Jürgen Straße)
Telefon 0421/44 00 64
Professor-Hess-Kinderklinik, Telefon 0421/497-5518
Klinikum Bremen-Nord, Telefon 0421/6606-1523
Klinikum Bremen-Ost, Telefon 0421/408-1710
Ameos Klinik Dr. Heines, Telefon 0421/408-1710
Roland-Klinik, Telefon 0421/8778-0
Ausbildungskurs für
Ehrenamtliche
in der Krankenhausseelsorge
Weitere Informationen/ Bewerbungen:
Krankenhausseelsorge im DIAKO
Gröpelinger Heerstraße 406-408, 28239 Bremen
Telefon 0421/ 61 02 19 70, seelsorge@diako-bremen.de
Ansprechpartnerinnen und Kursleiterinnen:
Die DIAKO-Krankenhausseelsorgerinnen
Pastorin Friederike Jordt, Pastorin Uta Küpper-Lösken,
Religionspädagogin Brunhilde van Nguyen
Ausbildungszeitraum:
2. April bis Ende September 2008
12 Kurs-Abende (mittwochs 16.30 bis 18 Uhr) und zwei
Studientage (12.4. u. 20.9.08)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
Alter zwischen 25 und 68 Jahre, Auswahlgespräche nach
schriftlicher Bewerbung.
Ausbildungsort:
Seminarräume der “Gesundheitsimpulse” des DIAKO
Ausbildungskosten:
Keine. Alle Teilnehmenden erhalten ein Zertifikat über die
Ausbildung. Erwartet wird eine mindestens zweijährige
ehrenamtliche Mitarbeit in der Krankenhausseelsorge.
Praxiseinsatz:
Ab September 2008 jeweils für zwei bis drei Stunden
wöchentlich Patienten-Gespräche. Parallel 14-tägige
Gruppensupervision zur Aufarbeitung der Gespräche.
www.diako-bremen.de
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
9
Die Kreuzigung durchkreuzt
Der Statthalter Pilatus ist wohl eine der schillerndsten Figuren in der 2000 Jahre alten Geschichte von
Gefangennahme, Verhör und Folter, Verurteilung und
Verspottung und schließlich der Hinrichtung von Jesus
Christus. Als Vertreter des übermächtigen römischen
Imperiums hatte er dafür zu sorgen, dass die Steuern
reichlich nach Rom flossen und das kleine Volk Israel
nicht aufbegehrte.
“Jesus wurde
für Pilatus zunehmend
zum Ärgernis”
Doch die Menschen in diesem abgelegenen Winkel
Palästina waren widerborstig. Sie beriefen sich auf
ihren Gott, der sie einst schon einmal aus der Sklaverei befreit hatte und begehrten gegen die römische Besatzung ihres Landes auf. Hatte Gott ihnen
damals in Ägypten nicht beigestanden und sie mit
Hilfe des Moses in die Freiheit geführt? Jesus, der
sich in dieser alten jüdischen Tradition von Freiheit
und Gerechtigkeit selbstverständlich bewegte,
wurde darum dem Pilatus zunehmend zum Ärgernis.
“Der Mann musste weg,
aber die Entscheidung
wollte nicht Pilatus tragen”
Pilatus reagierte souverän. Er wusste, dieser Mann
musste weg, aber es musste so aussehen, als ob es
nicht seine Entscheidung wäre. Also überließ er die
Entscheidung der jüdischen Selbstverwaltung, dem
10
Synhedrion, und dem örtlichen König. Doch das
Prinzip „Teile und herrsche!“ funktionierte diesmal
nicht. Der Hohe Rat der Juden und König Herodes
wollten die Verantwortung nicht übernehmen. Pilatus
auch nicht. Er musste zu einer anderen Strategie
greifen.
“Die Strategie von
Zuckerbrot und Peitsche
ging auf”
War da nicht dieser alte Brauch am Pessach, dem
Fest der Befreiung aus der Sklaverei, dem Volk einen
Gefangenen frei zu geben? So präsentierte der römische Statthalter dem Volk den erniedrigten und gefolterten Jesus und einen Verbrecher. Und das Volk
sollte wählen, wen es frei haben wollte. Wir kennen
den Ausgang der Geschichte. Die Strategie des Pilatus
ging auf. Die Menschen hatten zulange schon die
Peitschen der römischen Besatzer gespürt, jetzt braucht
sie Zuckerbrot – eine gute Show, um die angestauten
Aggressionen und den Zorn loszulassen. So wurde
Jesus gekreuzigt und Pilatus wusch seine Hände in
Unschuld.
“Interessen durchsetzen,
ohne Verantwortung zu
übernehmen”
Soweit ist die Geschichte von der Hinrichtung Jesu
Christi eine gewöhnliche Geschichte von Politikern,
die ihre Interessen durchzusetzen wissen, ohne die
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Jesus starb
nicht umsonst
Verantwortung dafür zu übernehmen, insbesondere
des römischen Statthalters Pilatus, der dies auf
besonders intelligente Art und Weise tat.
“Die Sache Gottes lebt
weiter – jenseits politischer
Machtspielchen”
Wenn da nicht dieser alte, Freiheit und Gerechtigkeit
liebende Gott wäre, der die Pläne des Pilatus und
des Hohen Rates im wahrsten Sinne des Wortes
durchkreuzte. Es ist, als ob Israel erneut aus der Sklaverei ausgezogen ist; als ob Gott die 10 Gebote, die
Statuten der Freiheit aufs neue aufgerichtet und in
Geltung gesetzt hat. Jesus lebt. Er ist auferstanden
und aufgestanden. Seine Sache, die auch die Sache
Gottes ist, lebt weiter – jenseits aller politischen
Machtspielchen und doch diesseitig mitten in unserem Leben.
Bis auf den heutigen Tag berufen sich Männer und
Frauen auf diesen befreienden Gott. Sie stehen auf,
durchkreuzen die Pläne der Menschenschänder, streiten und arbeiten für eine friedvollere und menschlichere Welt.
Volkhard Leder
ist Pastor in der
Evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinde Bockhorn.
Die biblische Ostergeschichte aus dem
Markus-Evangelium, Kapitel 16 (in der
Bibel-Übertragung der “Guten Nachricht”).
“Gott hat ihn vom Tod auferweckt!”
Am Abend, als der Sabbat vorbei war,
kauften Maria aus Magdala und
Maria, die Mutter von Jakobus, und
Salome wohlriechende Öle, um den
Toten damit zu salben. Ganz früh am
und sahen dort auf der rechten Seite
einen jungen Mann in einem weißen
Gewand sitzen.
Sie erschraken sehr. Er aber sagte zu
ihnen: »Habt keine Angst! Ihr sucht
Sonntagmorgen, als die Sonne gerade
aufging, kamen sie zum Grab.
Unterwegs hatten sie noch zueinan-
Jesus aus Nazareth, der ans Kreuz
genagelt wurde. Er ist nicht hier;
Gott hat ihn vom Tod auferweckt!
der gesagt: »Wer wird uns den Stein
Hier seht ihr die Stelle, wo sie ihn
vom Grabeingang wegrollen?« Denn
der Stein war sehr groß. Aber als sie
hinsahen, bemerkten sie, dass er
hingelegt hatten. Und nun geht und
sagt seinen Jüngern, vor allem
Petrus: 'Er geht euch nach Galiläa
schon weggerollt worden war.
Sie gingen in die Grabkammer hinein
voraus. Dort werdet ihr ihn sehen,
genau wie er es euch gesagt hat.'«
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
11
Bremerinnen und Bremer zum Motto des
Deutschen Evangelischen Kirchentags 2009
Die Frage regt zum Nachdenken an: „Mensch, wo bist
du?“ – so lautet das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags, der im kommenden Jahr in Bremen stattfindet. Was fällt Einheimischen, aber auch
Bremen-Besuchern dazu ein? – Eine Umfrage in der
Bremer Innenstadt.
Wo bist du? Julia Genschel denkt bei dieser Frage
vor allem an ihre Schwester. Die lebt in Russland.
„Telefonieren ist ein bisschen teuer und Briefe schreiben wir uns eher selten“, sagt die junge Frau. Sie
weiß: Je größer die Entfernung, desto leichter ist es,
sich aus den Augen zu verlieren.
Elke Wulf sieht in der Kirchentagslosung eher eine
Frage, die sich jeder selbst stellen sollte: „Da geht es
eigentlich um eine Standortbestimmung - um die
Frage, wo ich im Leben stehe.“ Als Kirchentagslosung
hätte sie sich allerdings etwas Aussagekräftigeres
gewünscht: „Ich denke, die Menschen suchen heute
eher nach Antworten als nach Fragen.“ Zugleich sieht
sie für die Kirchen aber auch große Schwierigkeiten, Menschen zum Mitmachen anzuregen. „Die Kirchen bieten
ja schon eine ganze Menge an, aber viele Menschen sind
einfach so sehr mit ihren eigenen Problemen belastet,
dass es ihnen schwer fällt, sich für solche Angebote
zu öffnen.“
Anna Sohst denkt bei der Frage „Mensch, wo bist
du“ eher an die Schwierigkeiten, seinen eigenen Weg
zu finden. „Wir leben in einer Gesellschaft, die ganz viele
Möglichkeiten bereit hält. Aber trotzdem hat jeder seine
eigenen inneren Grenzen.“ Die Gefahr, sich zu überfordern
und zu verzetteln sei groß, findet die junge Frau. Patentrezepte, die dagegen helfen, gebe es nicht. „Da muss
jeder selbst herausfinden, was für ihn richtig ist.“
Gerade deshalb passe die nachdenklich stimmende
Kirchentagslosung gut in die jetzige Zeit.
“Mensch,
nung und zum Nachdenken kommen, sich fragen,
warum man so verhärtet ist, und seinen Alltag mit
einfachen Gesten verändern.
J
“ ugendliche
suchen Vorbilder
für ihr Leben”
größer werden. Das ist mir auch in meiner Arbeit als
Sekretärin in der Kirchengemeinde Tenever immer
wieder deutlich geworden. Seit der Jahrtausendwende
hat sich für viele Menschen mit geringen Einkommen
die Lage enorm verschlechtert. Gleichzeitig wird viel
öffentliches Geld in den Sand gesetzt. Besonders ärgerlich finde ich es auch, wenn besonders reiche Menschen wie Herr Zumwinkel Steuern hinterziehen.
Der schafft es doch kaum, die Zinsen auszugeben,
die er für sein enormes Vermögen bekommt. Außerdem darf man ja eines nicht vergessen: Der Staat hat
mit seinen Schulen und Universitäten vielen Topmanagern erst den Aufstieg ermöglicht. Da sollte es doch
eigentlich selbstverständlich sein, dass diese Leute
heute auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben,
indem sie ehrlich ihre Steuern zahlen. Es kann doch
nicht sein, dass stattdessen der kleine Mann bluten
muss.
Manche gesellschaftliche
“
Kerstin Nanninga
Ich glaube, die Frage „Mensch, wo bist du?“ richtet sich
nicht nur an die Kirchentagsbesucher. Auch die Kirchen
selbst fragen sich, wo die Menschen bleiben. Viele
Mitglieder haben ihnen den Rücken gekehrt, immer
weniger Menschen gehen sonntags in den Gottesdienst.
Gleichzeitig suchen gerade Jugendliche oft nach Vorbildern für das eigene Leben. Das haben ja auch die
vergangenen Kirchentage gezeigt. Ich denke, die Kirche müsste offener werden. Ihre Arbeit ist oft geprägt
von Regelungen und starren Grundsätzen. Bei der ka
tholischen Kirche ist dies, denke ich, noch stärker ausgeprägt als bei der evangelischen. Eine solche Haltung schreckt viele Menschen ab.
A
Entwicklungen machen
mir Sorgen:
Immer mehr Jugendliche
leiden unter Kontaktarmut
und Bewegungsmangel”
U
“Den lltag mit einfachen
Gesten verändern”
“ nterschiede
zwischen Arm und Reich
werden immer größer”
Uwe Bremenkamp
Wenn ich mich frage, wo ich selbst stehe, kann ich
nur sagen, dass ich im Moment mit meinem Leben
sehr zufrieden bin. Ich bin mit meiner Familie glücklich und freue mich, dass ich seit anderthalb Jahren
Großvater bin.
Ulrich Frost
Die Frage „Mensch, wo bist du?“ will das Humane
aus dem Menschen herauslocken. Sie erinnert einen
an das, was man an sich selbst verändern kann – und
zwar so, dass es auch anderen Menschen zugute
kommt. Da gibt es viele Wege: Man kann zur Besin-
12
Renate Neumann
Wenn ich die Frage „Mensch, wo bist du?“ höre, dann
denke ich vor allem daran, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich in unserer Gesellschaft immer
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Manche gesellschaftlichen Entwicklungen machen
mir allerdings Sorgen – zum Beispiel die Tatsache,
dass immer mehr Jugendliche zuviel Zeit vor dem
Computer verbringen. Als Jugendtrainer in einem
Tennisverein merke ich ganz deutlich, dass viele
Sportvereine immer stärker mit Nachwuchssorgen zu
kämpfen haben. Viele wollen sich nicht mehr an
einen Verein binden. Ich frage mich allerdings, wohin
das führen soll, wenn immer mehr Jugendliche unter
Kontaktarmut und Bewegungsmangel leiden.
wo bist du?”
M
“Zählen
enschen in der
Gesellschaft nur, wenn sie der
Wirtschaft nutzen?”
L
“Diese osung setzt nicht
einfach etwas vor, sondern
lässt uns selbst nachdenken”
Singen für den Kirchentag
Ilze Kalnia
Bei dieser Kirchentagslosung kommt mir spontan die
Frage in den Sinn, welche Menschenbilder die Gesellschaft prägen: Zum Beispiel, wie die Wissenschaft
den Menschen sieht. Oder welche Möglichkeiten
durch wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen und ob man sie nutzen sollte. Und ob Menschen in
der Gesellschaft nur dann etwas zählen, wenn sie der
Wirtschaft nutzen.
M
“ enschen
brauchen einander –
bei sturem
Einzelkämpfertum
kommt selten
etwas Gutes heraus”
Michaela Sobolewski
Kathrin Lippert
Melissa Brandt
Johanna Jedding
Wir finden es gut, dass die Kirchentagslosung eine
Frage ist. Man bekommt nicht einfach irgend einen
Spruch vorgesetzt, sondern kann selbst darüber nachdenken. „Mensch, wo bist Du?“ klingt wie eine Frage
nach dem Charakter des Menschen. Manche Leute
sind offener, manche verschlossener, manche mag
man richtig gerne, andere gar nicht. Und doch hat
eigentlich jeder irgendwo einen weichen Kern – auch
wenn manche Leute das nicht so gerne zugeben.
Deshalb kann man Menschen auch nicht so einfach
in gute oder schlechte Charaktere einteilen.
Interviews/ Fotos: Thomas Joppig
Reingeschaut und mitgemacht
Else Harms
„Mensch, wo bist du?“ ist eine Frage, bei der es
darum geht, wo der Mensch steht und wohin er sich
wendet – ob er eine Verbindung zu anderen aufnimmt. Das ist etwas ganz Wichtiges: Menschen
brauchen einander. Wenn sie zu sturen Einzelkämpfern werden, die nur noch sich und ihre eigenen Ziele
im Kopf haben, kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Das wissen wir ja aus der Geschichte...
Ab Freitag, 4. April 2008 öffnet der Kirchentag sein
“Schaufenster” direkt am Bremer Hauptbahnhof. Im ehemaligen Postamt V in der Schalterhalle
(links neben der Postfiliale) gibt ein Infozentrum in
freundlicher Atmosphäre Auskunft zu allen Fragen
rund um den Kirchentag und über Mitwirkungsmöglichkeiten für Gruppen wie Einelpersonen aus
Gesellschaft, Kultur (zum Beispiel im Bereich Musik,
Theater, Kleinkunst) und Kirche.
Geplant sind auch Ausstellungen rund um Kirchentagsthemen, ein Kirchentagsshop und kleine Veranstaltungen im Vorfeld des Kirchentages.
Öffnungszeiten:
MO-DO 10-17 Uhr, FR 10-14 Uhr
Telefonkontakt:
0421/ 434 83-0
Für die gesangliche Einstimmung auf den Kirchentag 2009 in Bremen soll ein Projektchor sorgen, der bereits bei einer anderen Großveranstaltung in der Hansestadt für den Kirchentag werben
soll: Zwischen dem 22. und 25. Mai kommt das
Chorfest des Deutschen Chorverbandes an die
Weser.
Zu diesem Fest soll nicht nur das neue Liederheft
für den Kirchentag präsentiert, sondern gleich
auch aktiv ausprobiert werden. “Wir wollen Möglichkeiten zeigen, wie Chöre auf den Kirchentag
hinarbeiten können”, sagt Tim Günther, Leiter
des geplanten Projektchors, für den ab sofort Mitsänger gesucht werden. Der Chor soll befristet
auf ein Jahr proben und konzertieren – bis zum
Ende des Kirchentag im Mai 2009.
“Wir wollen beispielhaft und auf hohem künstlerischen Niveau die Musik des Kirchentages in die
Stadt tragen und zugleich zeigen, was bremische
Chormusik zu bieten hat”, erläutert Tim Günther,
Leiter der Musikdirektion der Kulturkirche St. Stephani und Kirchenmusiker in der Waller Immanuel-Gemeinde.
1. Chorprobe: 1. April 2008
Proben danach 14-täglich dienstags 19.30 –
22 Uhr, ergänzende Wochenend-Workshops.
Probenort:
Immanuel-Kapelle Walle, Elisabethstraße 20
Erstes Konzert:
24. Mai 2008 im Rahmen des Chorfestes,
danach etwa vierteljährliche Auftritte vor und
während des Kirchentages. Mitschnitte durch
Radio Bremen und Deutschlandradio Kultur
sind geplant.
Musik:
Chorstücken zu Kirchentagsliedern, Werke zu
den ausgewählten Kirchentagstexten einstudiert, etwa das „Abendlied“ von Gabriel
Rheinberger oder die sechsstimmige Motette
„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ von
Heinrich Schütz.
Voraussetzungen:
Notenkenntnisse und Chorerfahrung
Anmeldung zum Projektchor:
Musikdirektion der Kulturkirche St. Stephani
Telefon 0421/ 30 22 42
www.kirchentag.de/mitwirken
www.kirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
13
“Ich wollte, dass sie noch ein
Ich habe mit meiner Mutter seit 20 Jahren im selben Haus gewohnt. Wir sind
Flüchtlinge aus Ostpreußen gewesen, mein Vater ist noch 1945 gefallen. Wir
konnten ihn nicht bestatten und hatten nie ein Grab. Es kam nur irgendwann die
Meldung, dass er tot sei. Das hat mich immer zutiefst erschüttert und ich hatte
mir vorgenommen, dass es anders sein soll, wenn meine Mutter stirbt. Ich habe
mir gewünscht, ihren Sterbeprozess bewusst zu begleiten. Sie sollte bei uns im
Haus, in ihrer Wohnung sterben können. Das war auch das Bedürfnis meiner
Mutter.
In den letzten zwei Jahren, als sie anfing, schwach zu werden und nicht mehr aus
dem Haus gehen konnte, habe ich mir einen ambulanten Pflegedienst zur
Unterstützung geholt. Später bekam sie die Pflegestufe drei, weil sie völlig bettlägerig war. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, ich brauche auch noch eine
emotionale Hilfe, eine Stütze im Hintergrund. So habe ich meinen Hospizverein,
bei dem ich mal einen Kursus gemacht habe, angerufen. Der empfahl mir eine
dort ebenfalls ausgebildete Pastorin, die bereit wäre, jemanden zu begleiten.
So hat die Pastorin meine Mutter und mich besucht, was uns beide sehr gefreut
hat. In den letzten drei Monaten vor ihrem Tod ist sie regelmäßig zu uns gekommen. Ich war ganz erstaunt, dass meine Mutter das gut angenommen hat und
auch gesprächsbereit war. Sie war keine Frau der vielen Worte, sondern eher eine
der Taten. So hat sie gern gemalt und sich damit Ausdruck verschafft. Sie war bis
zum Schluss geistig ganz da. Das lag auch daran, dass sie wusste, wo sie ist. Ihr
vertrauter Lebensort hatte sich nicht verändert.
“Nach dem Tod Ruhe für den Abschied haben”
Mein Wunsch war, dass meine Mutter unbedingt, wenn sie gestorben war, noch
ein bisschen zu Hause bleibt. Über den Hausarzt hatte ich mich schon informiert,
dass sie nicht sofort abgeholt werden musste. Unsere Pastorin hat mich sehr bestärkt, meine Mutter noch im Haus zu behalten, wenn sie gestorben ist. Ich wuss-
14
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
te, dass ich nicht hektisch einen Notarzt wegen des Totenscheins anrufen muss. Das
hätte für mich die ganze Situation gesprengt, ich wollte Ruhe für den Abschied.
Ich wünschte mir, nach ihrem Tod noch eine Zeit nah mit meiner Mutter zusammen sein zu können. Ich denke mir, nach dem Tod trennen sich Seele und Körper.
Diese Phase wollte ich erleben. Die Verwandtschaft kam erst später, ich war allein
und die Pastorin war gerade in dieser Zeit eine große Stütze für mich. Als sie mir
angeboten hat, dass eine Aussegnung möglich ist, habe ich natürlich sofort zugestimmt. Weil ich das Gefühl hatte, wir erleben noch einmal zusammen einen ganz
wichtigen Moment, in dem die heiligen Worte gesprochen werden und meine
Mutter noch einmal beim Namen genannt wird.
“Das Fenster für die Seele geöffnet”
Den ganzen Tag über, bevor meine Mutter nachts gestorben ist, habe ich einige
Stunden an ihrem Bett gesessen. Dabei habe ich gemerkt, dass sie sehr unruhig
war. Die Schwester, die zur Nachtkontrolle kam und sie versorgt hat, sagte zu mir,
dass es nicht mehr lange dauern wird. Wir hatten immer noch auf Tage gehofft,
damit meine Schwester in der Zwischenzeit aus den USA anreisen könnte.
So bin ich auch die Nacht über an der Seite meiner Mutter geblieben. Nachdem
die Nachtschwester gegangen war, bin ich wieder zu ihr ins Zimmer gegangen.
Mir fiel auf, dass sie plötzlich ganz ruhig war und mich aufmerksam anblickte.
Dann hab ich gesagt: „Mutter! Stirbst du jetzt?“ Ich bin ganz nah herangegangen
und habe sie angefühlt, sie schaute mich an, bekam einen ganz zarten, schmerzhaften Ausdruck. Das war für mich eine Bestätigung, dass sie jetzt stirbt. Ich
hatte überhaupt keine Erfahrung mit dieser Situation. Dann habe ich den letzten
Hauch gefühlt und es wurde ganz still. Ich erlebte eine ganz tiefe Stille und Weite.
Ich habe das Fenster geöffnet, weil ich aus Erzählungen wusste, dass man für die
Seele das Fenster aufmacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass mein vertrauter Blick
hinten in die Gärten eine ganz andere Weite bekam.
bisschen da bleibt”
“Das haben wir gut gemacht”
Ich habe dann noch ungefähr eine Stunde am Bett gesessen, habe meine Mutter
gestreichelt, mit ihr geredet und gemerkt, dass ihr Körper kalt wurde. Während ich
neben ihr saß, lösten sich meine Tränen und ich habe zu ihr gesagt: “Das haben
wir gut gemacht.”
Dann habe ich irgendwann die Bettdecke weggenommen, ihr nur ein leichtes
Laken übergelegt und die Strümpfe ausgezogen, damit es nicht zu warm ist.
“Ich habe die Stille in ihrem Gesicht gesehen”
Die Trennung von Körper und Seele habe ich ganz intensiv erlebt: Diese Stille im
Gesicht, dass der Körper langsam zur Hülle wird, aus dem die Lebendigkeit, die
Seele entweicht. Das war ein Geschenk, das meine Mutter mir gemacht hat, weil
sie noch gewartet hat, bis ich wieder an ihrem Bett war.
Ich hatte überhaupt keine Angst, war ganz ruhig und konnte später in meine
Wohnung herunter gehen. Ich wusste, dass die Pastorin am nächsten Tag zur
Aussegnung kommen würde. Wir hatten verabredet, dass ich sie anrufe. Vor der
Pastorin kam der Arzt, hat die Todesbescheinigung ausgestellt. Schon nachts
hatte ich Blumen und Kerzen hingestellt. Ich habe noch zwei Weihnachtsengel
geholt und aufgestellt. Das hat neben dieser unendlichen Stille eine schöne
Atmosphäre in den Raum gebracht. Ich wollte das gern gestalten.
Am nächsten Morgen habe ich noch drei Rosen hingelegt. Die Pastorin brachte
eine Sonnenblume mit. Meine Mutter hat viel Sonnenblumen gemalt. So haben
wir ihr gemeinsam die Sonnenblume auf die Brust gelegt und die Kerzen brannten. Die Pastorin hatte ein kleines Licht und einen schönen Text mitgebracht.
Dass der Name meiner verstorbenen Mutter noch einmal ausgesprochen wurde,
empfand ich als Ehrerbietung. Dass ich diese Erfahrung mit jemanden teilen
konnte, war ein Geschenk: Diese kosmische Stille, die noch im Raum lag, dazu das
Sprechen der heiligen Worte. Wir sind nicht aktiv mit der Kirche verbunden gewe-
“Nach dem Tod in Ruhe zusammenkommen”
“Der Tod kommt überraschend und plötzlich, auch wenn man mit dem Sterben
eines lieben Menschen rechnet”, lautet die Erfahrung von Pastoren. Hektik ist
in dieser Ausnahmesituation unangebracht und tut den Zurückbleibenden nicht
gut. “Ein Abschied braucht Zeit und die Angehörigen haben diese Zeit”, betont
Pastor Joachim Stoevesandt. Sie können in aller Ruhe am Sterbebett zusammen
kommen, eine Kerze entzünden, eine Blume niederlegen und für sich ganz persönlich Abschied nehmen. Es ist weder erforderlich, überstürzt den Notarzt
anzurufen, um einen Totenschein ausstellen zu lassen, noch sofort den Bestatter
zu bestellen. “Wer sich ein Ritual, Segen und Gebet für den Verstorbenen
wünscht, sollte den Pastor anrufen, der in aller Regel dafür alles stehen und liegen lassen wird.” Gut ist es, soweit möglich, über eine Aussegnung schon vorher zu sprechen. “Natürlich kann man auch selbst zum Beispiel den Psalm 23
aus der Bibel lesen und ein Vater Unser beten. Oft hat man unmittelbar nach
dem Tod das Gefühl, die Seele ist noch da. Diesen Moment sollte man sich nicht
entgehen lassen, sondern ihn bewusst erleben.”
Arzt und Bestatter erst später anrufen
“Setzen Sie sich in Ruhe ans Bett, rufen Sie die Familie zusammen, zünden Sie
eine Kerze an, trinken Sie zusammen einen Kaffee oder Tee”, rät auch Christian
Stubbe, Vorsitzender des Bremer Bestatterverbandes. “Als Bestatter wissen wir
um die Trauerphasen. Es tut gut, wenn erstmal Ruhe einkehrt. Natürlich sind wir
immer im Dienst, aber es ist besser, uns erst später anzurufen, nachdem man
sich persönlich Zeit mit dem Verstorbenen genommen hat.” Diese aktive Abschiednahme zu Hause sei durch nichts zu ersetzen. “Der Tote muss keinesfalls
eilig aus dem Haus, er darf dort bleiben. Jede spätere Aufbahrung im
Bestattungsinstitut oder der Trauerhalle ist nur eine Ersatzveranstaltung.”
Bestatter reagieren flexibel auf die Wünsche der Angehörigen. Christian Stubbe
Stirbt ein Mensch, helfen
Aussegnungen Abschied zu nehmen
sen, aber dieses Ritual hat mich an meine Kindheit erinnert. Mit meiner
Großmutter haben wir als Kinder immer gebetet, auch auf der Flucht aus
Ostpreußen. Ich habe erlebt, wie die Worte eines Gebetes stützen können und
mich in dieser Situation getragen haben.
“Die tragende Kraft christlicher Rituale gespürt”
Das ist schwer in Worte zu fassen, aber ich habe in dieser Situation die tragende
Kraft christlicher Rituale gespürt. Wir haben beide eine ganze Zeit lang am Bett
meiner Mutter gesessen, ohne etwas zu tun. Die Pastorin hat dann einen Text gelesen, der meine besondere Beziehung zu meiner Mutter und die menschliche Seite noch mal betont hat. Dabei hat sie ihr die Hand auf die Stirn gelegt, ein Gebet und einen Segen gesprochen.
Diese Worte haben wir ihr ebenfalls auf die Brust gelegt, später habe ich das für
meine Schwester kopiert. Mich begleitet dieser Text noch immer. Für mich bleibt
es ein Geschenk, dass meine Mutter bis zuletzt geistig präsent war und mich so
von ihr verabschieden konnte.
Die Aussegnung, die Worte und das Ritual haben mir geholfen, mit der Seele meiner Mutter in Kontakt zu bleiben. Ich habe die Aussegnung als heilend und stärkend erlebt. Die Kommunikation mit meiner Mutter läuft weiter. Immer, wenn ich
das Gefühl habe, sie ist nahe, dann habe ich einfach mit ihr gesprochen – auf
dem Friedhof und auch sonst. Solche Gedenkorte sind wichtig.
Ich möchte anderen Menschen Mut machen, sich mit dem Abschied zu befassen,
ihn zu gestalten. Nach meiner Erfahrung verliert man die Angst und ist bereit,
sich dieses kostbare Erleben nicht nehmen zu lassen.
Hildegard Corinth starb am 23. August 2007 im Alter von 91 Jahren.
Protokoll des Gespräches
mit Rotraud Billerbeck-Corinth/ Foto: Matthias Dembski
rät, sich früh über den Abschied Gedanken zu machen, vielleicht schon zu einem
viel früheren Zeitpunkt einmal Kontakt mit dem Pastor und dem Bestatter aufzunehmen. Hausaufbahrungen seien eine viel zu selten genutzte Möglichkeit,
sich im vertrauten Lebensumfeld zu verabschieden.
Angehörige sollten Wünsche offen äußern
“Auch mit dem Altenpflegeheim oder dem Krankenhaus sollte man seine Wünsche besprechen, dort herrscht eine große Offenheit, auf die Bedürfnisse der Angehörigen einzugehen”, sagt Pastor Joachim Stoevesandt. In Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern gebe es oft separate Räume, um sich in Ruhe und
Würde von dem Verstorbenen zu verabschieden.
Vielfach unterschreiben Menschen Patientenverfügungen oder notarielle Verfügungen für den Fall, nicht mehr selbst entscheiden zu können. “Wenn ich das
tue, kann ich mich auch damit auseinandersetzen, wie meine Beerdigung aussehen soll und sollte darüber auch mit meinen Angehörigen offen sprechen”,
empfiehlt Pastor Joachim Stoevesandt. Das mache im Sterbefall vieles einfacher.
Notfallseelsorger am Unfallort machen Angehörigen ebenfalls Mut, auf ihre Gefühle zu hören. “Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Wir ermutigen zum Abschied. Den Tod begreifen hat etwas mit Anfassen zu tun”, sagt
Notfallseelsorger Peter Walther. “Jeder sollte tun, was er braucht. Viele
Menschen wünschen sich ein Gebet oder Segen. Wir drängen nichts auf, sondern versuchen als Seelsorger jemand zu sein, an den man sich mit seinem
Gefühl von Bodenlosigkeit anlehnen kann. Es tröstet zu wissen, das der
Verstorbene nicht einfach weg ist, sondern in den großen Zusammenhang von
Leben und Tod hineingenommen ist. Wir lassen den Toten nicht einfach liegen.
Ihn mit einem Segen und einen Amen in Gottes Hände zu empfehlen, erleichtert uns den Abschied.”
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
15
Ökumenisches Stadtgespräch in
der Kirche Unser Lieben Frauen
Wiederkehr der Religion
Ein Bundespräsident, der seine Reden mit “Gott schütze unser Land” schließt,
Bücher und Theaterproduktionen mit religiösen Motiven, sogar Privat-TV-Produktionen, bei denen den Fernsehermittlern ein kirchlicher Notfallseelsorger an
die Seite gestellt werden soll, ein Boom beim Pilgern, der sich auch auf den
Bestsellerlisten niederschlägt und eine steigende Nachfrage nach “spirituellen
Angeboten”: Ist Religion wieder im Kommen? – Der Ratsvorsitzende der
Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, beobachtet “Zeichen für die Wiederkehr des Religiösen” in fast jedem gesellschaftlichen und kulturellen Bereich. Auch die Landesbischöfin der Hannoverschen
Landeskirche, Margot Käßmann, sieht ein wachsendes Bedürfnis von Menschen
nach Halt im Glauben und Gebet, gelebter Religion und erfahrbarem Glauben.
Ist Religion tatsächlich ein neuer Megatrend?
Doch führt die viel beschworene neue Religiosität in den Kirchen zu einem sichtbaren Aufschwung oder bleibt sie im Bereich des Privaten? Führt das möglicherweise steigende Interesse an Religion automatisch dazu, dass Menschen sich wieder auf den christlichen Glauben hin orientieren und der Kirche zuwenden? Oder
suchen sie Sinnangebote anderswo, jenseits der Kirchen und des christlichen
Glaubens?
Der Soziologe Rüdiger Schulz vom Allensbacher Institut für Demoskopie stellt
unter Kirchenführern in diesen Fragen mehr Wunschdenken fest als eine Orientierung an Fakten: Die gefühlte Renaissance des Christentums stehe einer nach
wie vor christentumsdistanzierten Haltung vieler Menschen gegenüber.
Kritiker der These, Religion erlebe eine Renaissance, wenden ein, allenfalls das
Bedürfnis nach Religion wachse. “Nicht die Religion kehrt zurück und ergreift die
Menschen, sondern die Menschen greifen nach etwas, was sie für das Religiöse
halten; sie spüren ein Vakuum und möchten es aufgefüllt sehen. Da ist ständig
von der Suche nach »Sinn« die Rede”, kritisiert der Berliner Philosoph Herbert
Schnädelbach.
Landesbischöfin
Margot Käßmann,
Hannover.
16
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Der Wiener Theologe Ulrich H. J. Körtner meint, mit dem gleichen Recht wie vom
"Megatrend Spiritualität" könne man von einem “Megatrend Gottvergessenheit”
sprechen. Das latente Interesse an religiösen Themen dürfe nicht mit Religion
selbst verwechselt werden. Die These von der Wiederkehr der Religion unterstelle, sie sei zeitweilig verloren gegangen. "Tatsächlich ist jedoch auch eine säkulare Gesellschaft niemals völlig religionslos."
Was Menschen an Religion interessiert oder fasziniert, was sie suchen und möglicherweise in den Kirchen auch vermissen, wird das 10. Ökumenische Stadtgespräch in der Kirche Unser Lieben Frauen am 14. April 2008 um 19.30 Uhr zu
klären versuchen. Die These “Wiederkehr der Religion” bietet spannenden und
kontroversen Gesprächsstoff, wenn die hannoversche Landesbischöfin Margot
Käßmann mit dem Journalisten Giovanni di Lorenzo, Moderator der Radio Bremen-Talkshow “3 nach 9” und Chefredakteur der “Zeit” unter Moderation von
Hans-Dieter Heimendahl, stellvertretender Programmdirektor von Radio Bremen,
diskutieren.
Text: Matthias Dembski
Stadtgespräch zum Thema “Wiederkehr der Religion”
am Montag, 14. April 2007 um 19.30 Uhr
in der Kirche Unser Lieben Frauen
Sendung einer Zusammenfassung auf Nordwest-Radio
(In Bremen auf 88,8 MHz bzw. 106,4 MHz in Bremerhaven)
am Samstag, 19. April 2008, 17.05-18.00 Uhr
in der Sendung “Kultur und Gesellschaft”
www.radiobremen.de www.kirche-bremen.de
TV-Moderator
und Journalist
Giovanni di Lorenzo
Kulturkirche im Zeichen des Klezmer
Wenn Susanne Sasse ihre arabische Trommel schlägt,
füllt sich ihr Wohnzimmer mit Rhythmen, zu denen
man sich unwillkürlich mitbewegen will. “Klezmer ist
jüdische Tanz- und Festmusik”, erläutert die Percussionistin, die Mitglied der Bremer Band Klezgoyim ist.
Zu hören ist die mitreissende Formation beim Bremer
Klezmer-Festival, das vom 18. März bis 26. April in der
Kulturkirche St. Stephani stattfindet.
Vor allem bei jüdischen Hochzeiten werden Klezmerstücke in unterschiedlicher Instrumentalbesetzung
gespielt: Klarinette, Akkordeon, Kontrabass, Geige,
Hackbrett, Gitarre, Banjo, Saxofon, Tuba oder auch
Klavier sind dabei zu hören. “Je nachdem, wo im jüdischen
Exil die Musik entstand, kamen Instrumente dazu”,
sagt Susanne Sasse. Geige, Hackbrett, Bass und eine
Beckenpauke gehören zur ursprünglichen, aus
Osteuropa kommenden Standardbesetzung. “Die Klarinette ist beispielsweise aus der russischen Militärmusik dazu gekommen, weil sie schlicht lauter ist, als
die Geige.” In den USA, wo die Klezmer-Tradition den
Holocaust überlebte, kamen amerikanische BigbandInstrumente wie das Saxofon dazu. “Klezmer ist keine
statische Musik, sie entwickelt sich ständig weiter”,
beschreibt die Schlagzeugerin die Faszination. Die
Bremer Klezgoyim spielen sie seit 15 Jahren in großer
Besetzung mit entsprechender Klangvielfalt.
Klezmer ist jüdische Weltmusik, die in die Beine geht
und immer mehr Menschen begeistert. “Für unsere
Ohren liegt sie zwischen fröhlich und traurig, zwischen Dur und Moll”, beschreibt Susanne Sasse den
klanglichen Reiz. Mit der traurigen Fröhlichkeit oder
fröhlichen Traurigkeit zieht Klezmer Zuhörer in den
Bann - oder lässt sie mittanzen. “Wir begleiten auch
Tanzworkshops und haben eine Tanz-CD herausgegeben. Das Tanzen zu Klezmer verbindet bei Hochzeiten
Generationen, weil Kreistänze bei uns sonst aus der
Mode gekommen sind.”
workshops, Konzerten und dem Dokumentarfilm “A
tickle heart” im Kino 46, der die Karriere der Epstein
Brothers, im New York der 1930er Jahre Könige des
Klezmer, nachzeichnet, die nach 60 Jahren eine grandiose Rückkehr in die Konzertsäle erleben.
Musikfarben aus aller Welt verarbeitet Kooperationspartner des Festivals sind die Kultur“Als wir vor 15 Jahren angefangen haben, uns mit
Klezmer zu beschäftigen, gab es wenig Noten und
Hörmaterial. Wir haben vor allem Sachen gespielt,
die wir vom Hören kannten. Für mich als Schlagzeugerin gab es wenig Vorbilder”, erinnert sich Susanne
Sasse an die Gründung des Ensembles. Mittlerweile
habe sich der Klang verändert. “Wir haben unseren
Stil gefunden und spielen jetzt auch neue, goyische
Musik, Eigenkompositionen in Klezmer-Tradition.” Immer
schon hat der Klezmer Musiktraditionen aus den Ländern aufgenommen, in denen er gespielt wurde. So
kamen russische, bulgarische, albanische, griechische
und türkische Einflüsse dazu.
Vielfältiges Festival-Programm
Während des am 18. März beginnenden Klezmer-Festivals in Bremen gibt es nicht nur reichlich Möglichkeiten, diese stilistisch vielfältige Musik zu hören. Die
international bekannte Ausstellung „Klezmer –
Hejmisch & Hip“ wird zum Bremer Klezmer-Festival
für sechs Wochen in der Kulturkirche St. Stephani zu
sehen sein und über den Wandel der Klezmer-Kultur
informieren. Zusätzlich gibt es ein hochkarätiges Begleitprogramm mit Vorträgen, Musik- und Tanz-
werkstatt westend, die Bremer Volkshochschule, Kino
46/ Medienzentrum Bremen, die Klezgoyim sowie
die Kulturkirche St. Stephani.
Text: Matthias Dembski
Foto: Klezgoyim
Bremer Klezmer-Festival
in der Kulturkirche St. Stephani
Ausstellung “Klezmer - Hejmisch & Hip”
vom 19. März bis 26. April
jeweils dienstags bis sonntags von 11 - 18 Uhr
Eröffnung mit Musik von den Klezgoyim:
18. März, 20 Uhr
10. Bremer Klezmer-Nacht
25. April, 20 Uhr (Eintritt 17/14 Euro)
Ausführlicher Programmflyer u.a. erhältlich in der
Kulturkirche St. Stephani, bei der VHS
und im Kapitel 8, Domsheide 8.
www.klezgoyim.de
www.klezmerwelten.de
www.kulturkirche-bremen.de
www.kirche-bremen.de bremer kirchenzeitung März 2008
17
“Kindergel
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zurückzahle
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Dein Sohn
ist 18
Jahre alt
und
musste vor
vier
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Wehrdienst. Wie üb
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ist sein Kind
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Zeitungsabo?
Täglich eine Zeitung lesen zu
können, wäre prima, vor allem
um mitzubekommen, wo es kostenloses Kindertheater oder Konzerte ohne Eintritt gibt.
Überlege, wie
du ein Abo mit
den dafür vorgesehenen 7,60 Euro
bezahlen kannst
und gehe zwei
Felder zurück.
Bello hustet
Euer Familienhund ist ein zwar
freundlicher, aber zu teurer
Lichtblick, seit ihr Hartz IV
bekommt: Die Hundemarke,
das Futter - und jetzt hustet er
und muss zum Tierarzt.
Jetzt kommt ein Rückforderungsbescheid von der Familienkasse,
weil während der Bundeswehrzeit kein Kindergeld gezahlt wird
.
Wenn du das zu viel erhaltene
Kindergeld sofor t zurückzahlst,
muss du kein Bußgeld zahlen.
Doch nicht du müsstest das Kindergeld zurückzahlen, sondern die
BAgIS, die es dir ja vorher abge
zogen hat. Nochmal Glück gehabt:
Um diesen Zusammenhang zu
verstehen, bist du zu einer Arbeitslosenberatungsstelle gegangen – vier Felder vor!
Überlege, was du einsparen
kannst oder gibt Bello beim
Tierheim ab, auch wenn deine
Kinder an ihm hängen.
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zurück,
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Leben mit
Hartz IV–
(k)ein Spiel
Physiotherapie
verpasst
Strom abgestellt
Trotz aller Sorgfalt kannst du
nicht gegen die steigenden
Strompreise ansparen. Obwohl
du deinen Kindern EnergieBAgIS verhande
sparen predigst, bleibt der PC
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Ratenzahlung
auch an, wenn niemand dran
zu erreichen
.
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Stromversorge
brennt oft länger, als nötig.
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Fazit: Eine saftige Nachzahab, da ihm di
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“nebenher” aus dem ALG
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kauf ten Vorrä er t eingeII-Regelsatz zahlen kannst.
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Du gehst zum Arbeitslokann
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nicht schlecht
werden.
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sechs Felder
zurück.
18
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Dein Sohn hat den falschen
Bus genommen und ist eine
Stunde zu spät zur Krankengymnastik gekommen. Den
ausgefallenen Termin musst
du privat
zahlen.
45 Euro sind
ein Schlag ins
Kontor:
Vier Felder
zurück!
Orthopädische
Schuheinlagen
Du hast vom Arzt ein zuzahlungsfreies Kassenrezept für orthopädische Schuheinlagen bekommen.
Suche eine Orthopädieschuhmacher,
der dir die Einlagen zum Kassensatz-Preis erstellt. Die üblichen 20
Euro Zusatzkosten kannst du dir
nicht leisten. Humpele drei
Felder zurück um zu suchen,
aber achte auch deine Stützstrümpfe und die Brille. Wenn hier eine
Zuzahlung nötig wird, musst du
noch mehr Geld aus deinem ALG
II abzweigen.
Verspätet
te MorDie Grippewelle hat heu
erwischt.
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Sie hat Fieber und der
mit Waihr weh. Du versorgst sie
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“Zwischenfall” kommst
zum Konhalbe Stunde zu spät
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grationsab
Einfach weggefahren...
Kein Sozialticket
Du überlegst, ob du dir in
diesem Monat zum achten
Mal ein Tagesticket leisten
kannst oder ob du eine
Strecke laufen musst. Weil
es in Bremen noch kein Sozialticket gibt, warte solange
an der Haltestelle, bis jemand
ein kostenneutrales Sozialticket
erfunden hat.
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Dein Arbeitslosengel
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Monaten um
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Ein Alltag mit Hartz IV? - Von 345
Euro leben zu müssen, scheint zunächst kein Ding der Unmöglichkeit. Doch halt: Der Arbeitslosengeld II (ALG II)-Satz beinhaltet
nicht nur das Geld für Lebensmittel!
Alle anderen Alltagskosten, von
Kleidung über Reinigungs- und
Waschmittel bishin zum Kindertheaterbesuch oder Schulausflug
sind darin auch enthalten. Wie es
sich mit Hartz IV lebt, haben NichtBetroffene in Selbstversuchen zu erproben versucht. Doch die Alltagswirklichkeit sieht krasser aus. Das
Arbeitslosenzentrum Tenever in Trägerschaft der Bremischen Evange-
lischen Kirche kann sich vor Beratungsanfragen kaum retten. Nur
einige der typischen Situationen
aus dem wirklichen Leben, denen
die Beraterinnen und Berater in
der Praxis begegnen, haben wir als
“Spielstationen” dargestellt – ein
“Spiel” ohne Ausweg, solange die
Betroffenen ALG II beziehen und
keine Chance bekommen, wieder im
regulären Arbeitsmarkt, jenseits
des Niedriglohnsektors Fuß zu fassen.
“Armut in Bremen” wird auch das
Schwerpunktthema des Kirchenparlaments der Bremischen Evangelischen Kirche bei seiner MaiTagung sein.
Der Kaffee
unterwegs
1,50 Euro für
einen “Coffee to
go” in der Stadt
sind bei 4,25
Euro für Lebensmittel am Tag
nicht mehr drin.
Der Bremer Treff
hat noch zu –
also gibt’s unterwegs keinen
Muntermacher!
Deine alte Mutter in Osnabrück liegt
im Sterben. Du fährst spontan dorthin, um an ihrer Seite zu sein, ohne
dies mit deiner Fallmanagerin
abzustimmen. Als dies im Nachhinein herauskommt, wird dir das
Arbeitslosengeld II ab Reisebeginn
bis zur erneuten Meldung wegen
“nicht genehmigter Ortsabwesenheit” komplett gestrichen.
Küche einrichten
Du musst mit deiner 5-köpfigen Familie umziehen und
kannst die Einbauküche
aus deiner alten Wohnung
Wenn du davo
n nicht innernicht mitnehmen, weil
halb von 14 Tage
n eine Küchensie deinem bisherigen
einrichtung inklus
ive WaschmaVermieter gehört.
schine und Kü
hlschrank geDu hast lediglich einen
kauf t hast, musst
du das Geld
Herd, sonstige Möbel
zurückgeben. Be
eile dich und
und Geräte fehlen.
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6 Euro ohnehin
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298 Euro für eine Kükommst, mit de
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Milchmädchenrechnung
Verwaltungsfehler
Du erhältst Hartz IV neben einer
Erwerbstätigkeit, weil du als Niedriglohnempfänger so wenig verdienst,
dass du allein davon nicht leben
kannst. Jeden Monat reichst du deine
Verdienstbescheinigungen bei der
BAgIS ein. Tätest du das nicht, drohte dir ohnehin sofor t ein Bußgeldbescheid. Jetzt bekommst du per Post
einen Rückforderungsbescheid. 250
Euro sind angeblich “überzahlt” worden. Wovon sollst du das Geld zurückzahlen und warum? Den Bescheid
verstehst du nicht, den Grund noch
weniger. Gehe zwei Felder vor,
um dich im Arbeitslosenzentrum
beraten zu lassen.
Theaterbesuch
Dein Sohn geht mit dem
Leistungskurs Deutsch ins
Theater. Die Schülerkarte
kostet zehn Euro. Überlege, wo du das Geld dafür
einsparen kannst, um die
Teilnahme zu ermöglichen.
Du hast centgenau für einen Speiseplan nach Menüvorschlägen des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin
(SPD) eingekauft. Tatsächlich kostet
dich eine Bratwurst die von ihm errechneten 39 Cent, weil du eine Zehnerpackung beim Discounter gekauft
hast. Nach sechs Tagen Bratwurst mit
Sauerkraut musst du entsetzt feststellen: Die restlichen vier Würste sind
schlecht geworden. Pech, denn Verderbnis und Schwund von Lebensmitteln
sind beim ALG II nicht mehr mit eingerechnet. Fazit: Du musst den Verlust
aus dem ALG II-Regelsatz bezahlen.
Gehe zwei Felder zurück und
suche nach 15-Cent-Brötchen!
Zwei Felder zurück!
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
19
Ein Lied für
verwaiste Eltern
“So weit vor deiner Zeit”
Karin Grabenhorst will kein Klagelied singen. Keinesfalls. Aber dennoch: Dem zum Diakonischen Werk
zählenden Verein „Verwaiste Eltern und Geschwister“,
dessen zweite Vorsitzende sie ist, geht es nicht gut.
Die seit zwölf Jahren in Findorff bestehende Beratungsstelle, die von betroffenen Eltern gegründet
wurde, muss inzwischen ohne öffentliche Zuschüsse
auskommen.
Nachdem die Förderung durch die Glücksspirale ausgelaufen ist, war der Verein zum 1. November des vergangenen Jahres gezwungen, seine anderthalb festen Stellen zu streichen, Geschäftsführer und Bürokraft zu entlassen und die gesamte Arbeit auf ehrenamtliche Schultern zu übertragen. Hilfsanfragen bei
der Stadt sind nach Angaben des Vereins unter Verweis auf die leeren Kassen abgelehnt worden. Der
130 Mitglieder zählende Verein schafft es gerade,
über die Runden zu kommen. Deshalb will Karin
Grabenhorst jetzt singen. Für den Verein, aber eben
kein Klagelied.
Benefiz-CD zugunsten des Vereins
Die Benefiz-CD, die sie mit dem Lied „So weit vor deiner Zeit“, das den Tod eines Kindes verarbeitet, herausbringen will, soll zum einen auf die schwierige
Lage des Vereins aufmerksam machen, das Thema
Tod und Trauer stärker ins öffentliche Bewusstsein
rücken, gleichzeitig ein wenig Geld in die Kasse des
Vereins spülen und natürlich auch den Menschen
Trost bieten, die ein Kind verloren haben.
Auf die Idee für das Lied sei sie im vergangenen Jahr
durch den Aufruf des Magazins Chrismon gekommen, zum Paul-Gerhardt-Jahr bisher unveröffentlich-
te Texte einzureichen, erzählt die künstlerisch orientierte Entspannungspädagogin Grabenhorst. „Bei meinem Lied sind der Text und die Melodie gleichzeitig
entstanden, haben sich gegenseitig bedingt.“ Zuhause an der Gitarre.
len in diese Fassung einfließen. Schön wäre es, so
Grabenhorst, wenn noch jemand eine japanische oder
eine afrikanische Übersetzung beisteuern könnte. Abgeneigt wäre sie auch nicht, wenn es gelänge, einen
professionellen Sänger für das Projekt zu gewinnen.
Dass sie das Thema Tod gewählt habe, liege natürlich in ihrer Arbeit mit Trauergruppen begründet. In
ihrer Begegnung mit betroffenen Eltern sei sie immer
wieder den gleichen Fragen begegnet: Warum mein
Kind? Warum muss ich weiterleben? Wo ist mein
Kind? Gleichzeitig, so Karin Grabenhorst, gibt es
immer auch die Versuche, Antworten zu finden, oft
in Bildern und Symbolen. Die verstorbenen Kinder
würden dann in einer „veränderten Existenz“ als
Regenbogen, Schmetterlinge, Engel oder Sterne
wahrgenommen.
Mehrere hundert Familien betreut
Trost in allen Sprachen
Nach den bisherigen Planungen soll im Frühjahr eine
Demo-CD mit drei Versionen des Liedes „So weit vor
deiner Zeit“ entstehen. Eine deutsche, eine englische
und eine instrumentale Fassung für Gitarre und Klavier. Unterstützt wird Karin Grabenhorst dabei von
dem Kantor Hauke Scholten aus Blumenthal und
dem Jugendchor „Die Lerchen“.
Mit diesem Tonträger möchte Karin Grabenhorst für
ihre „große“ Variante werben und prominente Förderer gewinnen. Auf der eigentlichen CD sollen die
drei Fassungen von der Demo-CD um eine internationale Fassung des Liedes ergänzt werden. Grabenhorst erklärt: „Die einzelnen Zeilen werden dann in
einer jeweils eigenen Sprache und der Refrain auf
Englisch gesungen.“ Mindestens zwölf Sprachen sol-
Karin Grabenhorsts Wunsch ist es, dass die internationale Fassung ihres Liedes im Rahmen des „Worldwide Candle Lighting“, dem Weltgedenktag für die
verstorbenen Kinder am jeweils zweiten Dezembersonntag gesungen wird. Neben Deutschland haben
sich die Schweiz, Österreich, Italien, Holland, Belgien,
die USA, Kanada, Australien und die Philippinen
dem „Worldwide Candle Lighting“ zum Weltgedenktag angeschlossen. Motto: Ein Licht geht um die
Welt. Künftig vielleicht begleitet von dem Lied „Long
before your time“.
Doch zurück zur CD. Ergänzt werden die Lieder auf
der „großen“ CD noch um Textlesungen. „Dabei handelt
es sich um Texte, die in einer Schreibwerkstatt des
Vereins für verwaisten Eltern und Geschwister entstanden sind“, erläutert Karin Grabenhorst.
Die enge Verknüpfung mit dem Verein sei ihr sehr
wichtig. Schließlich solle die CD nicht nur künstlerisch überzeugen, sondern auch auf die wichtige
Arbeit des Vereins verweisen, der im gesamten norddeutschen Raum mehrere hundert Familien betreut.
Diese Arbeit müsse weitergehen, und dabei solle die
Musik von Karin Grabenhorst mit den Takt vorgeben.
Text/ Foto: Ingo Hartel
Katrin Grabenhorst
von “Verwaiste Eltern
und Geschwister
Bremen e.V.”
Verwaiste Eltern und
Geschwister Bremen e.V.
Münchener Straße 146
28215 Bremen
Telefon 0421/ 2070465
info@verwaiste-eltern-bremen.de
Sprechzeiten:
nach telefonischer Vereinbarung
Kontakt
Karin Grabenhorst
spiegelungen@karin-grabenhorst.de
Spendenkonto
Kontonummer 161 95 84
bei der Sparkasse Bremen
BLZ: 290 501 01
www.verwaiste-eltern-bremen.de
20
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Mittagessen gegen Hausaufgaben
Die Uhr zeigt kurz nach zwölf. Nach und nach trödeln die ersten Kinder im „Offenen Haus“ ein. Es ist
Winter und draußen ist alles matschig. Entsprechend
sehen die Schuhe der Kinder aus, die sie noch im
Windfang ausziehen und im Schuhregal abstellen.
Bevor sie in die geheizten Räume gehen, waschen
sie sich die Hände und fahren sich mit einem Kamm
durch die Haare. Es herrschen klare Regeln im Straßenkinderhaus im rumänischen Sibiu (Hermannstadt).
In dem Raum zur Straße hin sitzen bereits zwei Kinder,
die sich bei den Schularbeiten helfen lassen, mit dem
Gesicht zur Wand gekauert liegt ein Junge und schläft.
Er ist krank, hat Fieber, aber seine Eltern wollten ihn
an diesem Tag nicht Zuhause behalten. Also ist er
hier. Neben ihm sitzt ein dreijähriges Mädchen auf
dem Boden und legt ein Puzzle. Kindlicher Alltag.
Soziale Schieflage nicht übersehen
Ein Alltag, den die Kinder außerhalb des blitzblank
geputzten Straßenkinderhauses kaum erleben, erzählt
Ortrun Rhein, die das „Offene Haus“ der Straßenkinder gegründet hat. Neben ihrer eigentlichen Aufgabe,
die in der Leitung des diakonischen Alten- und Pflegeheims „Carl-Wolff“ und dem dort angegliederten
Hospiz besteht. Eigentlich mehr als genug Arbeit
und Verantwortung, aber Ortrun Rhein kann nicht
die Augen vor der sozialen Schieflage in Rumänien
verschließen. Denn der Staat zeige kein Interesse an
der Not seiner Bürger.
Immer mehr Kinder auf der Straße
„Ende der 90er Jahre sind mir immer mehr Kinder
aufgefallen, die sich auf dem Markt oder am Bahnhof herumtrieben“, erinnert sie sich an die Geburtsstunde des Straßenkinderhauses. Derzeit werden
hier knapp 30 Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren
betreut.
Rhein erzählt, dass die Kinder meist aus desolaten
Mittagessen im
Straßenkinderhaus
im rumänischen Sibiu
Familie kämen. Auseinandergefallene Landarbeiterfamilien, die in die Stadt gezogen sind und zumeist
keine Arbeit haben. „Armut ist weit verbreitet. Eine
Mittelschicht gibt es so gut wie nicht.“ Der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft hat in Rumänien zu einer tiefen sozialen Spaltung geführt. „Die
Familien vieler Straßenkinder leben in den Blocks
am Stadtrand ohne Wasser, Strom und Gas oder sogar in Zelten auf dem offenen Feld.“ Selbst vom
durchschnittlichen Nettolohn von 200 Euro im Monat
kann eine Familie kaum überleben. Resignation, Alkoholismus und Gewalt sind oftmals die Folge. Um
dem häuslichen Chaos zu entkommen, suchen die
Kinder Zuflucht auf der Straße, schnüffeln Klebstoff
und gehen nicht mehr zur Schule.
Essen und Hausaufgabenhilfe
Der nachmittägliche Besuch des Straßenkinderhauses
setzt den Schulbesuch voraus, sagt die Erzieherin
Edith Bucencan, die gemeinsam mit einer Kollegin
die Kinder betreut, ihnen zu Essen gibt, bei den
Hausaufgaben hilft, sie bei Bedarf entlaust oder mit
ihnen zum Arzt geht. Sie erzählt von „ihren“ Kindern.
Von einem Jungen, der schizophren und häufig gewalttätig ist, für den es aber keinen Ort gibt, wo er
besser betreut würde. Die meisten staatlichen Einrichtungen seien reine Verwahranstalten. Sie berichtet aber auch von Kristojan, der häufig ins „Offene
Haus“ kam und sehr gut tanzen konnte. Ein Hobby,
das die Mutter versuchte mit Putzstellen zu finanzieren, bis sich ein Sponsor fand, der den Jungen unterstütze. Ein bisschen Hoffnung.
Ein paar Stunden Normalität
Gemein ist aber allen Kindern, dass sie im „Offenen
Haus“ für einige Stunden ein wenig Normalität und
Zuwendung genießen. Sie spüren, was Edith Bucencan
meint, wenn sie sagt: „Ich liebe, was ich mache.“
Mittlerweile sind sieben Kinder eingetroffen, und Edith
Ein Straßenkinderhaus kümmert
sich um Kinder im rumänischen Sibiu
Bucencan gibt das Signal: Essenszeit. „Das Essen ist
für die Kinder das Wichtigste“, sagt Ortrun Rhein.
„Dafür nehmen sie sogar die Hausaufgaben in Kauf.“
Neben der Küche ist der Wäscheraum, täglich laufen
hier die beiden Waschmaschinen und der Trockner,
um die wenige Wäsche der Kinder wieder sauber zu
bekommen – für viele der Kinder eher ein kleiner
Luxus. Einmal die Woche können die Kinder hier
auch duschen.
Mundfunk für “unser Haus”
Nach dem Mittagessen laufen die Kinder wieder hinauf in die zwei Zimmer im Erdgeschoss. Die einen
basteln, andere malen. Als Ana-Maria das erste Mal
im offenen Haus war, konnte sie weder spielen noch
zeichnen. Sie konnte nicht stillsitzen, sich nicht konzentrieren oder klar ausdrücken. Jetzt malt sie mit
den anderen, geht regelmäßig zur Schule und
kommt einigermaßen klar.
Meistens erfahren Kinder von anderen Kindern vom
Offenen Haus: Mundfunk. Hier haben die Erzieherinnen ein offenes Ohr für ihre Probleme. Kein Wunder,
dass die Kinder das Haus „Casa Noastra“ nennen:
unser Haus.
Kleine Schritte gegen große Not
Jedoch: „Wir werden es niemals schaffen, ihnen so
viel Liebe zu geben, dass sie unauffällig werden“,
gibt sich Ortrun Rhein realistisch. „Aber wir können
ihr Selbstwertgefühl ein wenig stärken.“ Es sind nur
kleine Schritte. Eigentlich braucht jeder Stadtteil in
Hermannstadt eine solche Einrichtung, so Ortrun
Rhein. Doch ohne die finanzielle Unterstützung der
diakonischen Hilfsorganisation „Hoffnung für Osteuropa“ gäbe es nicht einmal das eine „Offene Haus“.
Text/ Foto: Ingo Hartel
Straßenkinderhaus
in Sibiu
Weitere Informationen
Kontakt
Angela Hesse
Diakonisches Werk Bremen
Telefon 0421/ 163 84 14
hesse@diakonie-bremen.de
Spendenkonto
Diakonisches Werk Bremen e. V.
Kontonummer 114 50 44
bei der Sparkasse Bremen
BLZ 290 501 01
Stichwort: Offenes Haus Sibiu
www.diakonie-bremen.de
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
21
nnnnn
Friedehorster “Promente” gehen voll auf Bedürfnisse dementer Menschen ein
Auf dem Flur in die Vergangenheit reisen
“Es ist ein Haus für Läufer“, sagt die Sozialpädagogin
Ulrike Vogt und führt den Besucher auf den Flur des
Wohnbereichs Promente auf dem Gelände der Stiftung Friedehorst in Bremen Lesum. Der Flur trägt dem
oft besonders ausgeprägtem Bewegungsdrang dementer Menschen Rechnung und führt sozusagen in
einer Art Rundlauf um den begrünten Innenhof, der
mit Hochbeeten, einem geschwungenen Spazierweg,
Bänken zum Ausruhen und heimischen Obststräuchern gestaltet ist.
Zurück in die fünfziger Jahre
„Die Bewohner landen immer wieder am Start ihres
Weges“, sagt Ulrike Vogt. Quasi ein architektonisch
22
eingebautes Navigationssystem. Weitere Orientierungshilfen sind die farblich ansprechend gestalteten
Flure, die auch als Begegnungsorte dienen. Der Flur
wird viel genutzt. Wie gerade von der ehemaligen
Turniertänzerin, die immer noch eleganten Schrittes,
wenn auch mit Hilfe der allgegenwärtigen Handläufe,
ihre Kreise zieht. Vorbei an den ebenso reich wie
groß bebilderten Erinnerungsbereichen „Hafen“,
„Urlaub in den 50ern“, „Beim Kaufmann“ und „altes
Bremen“.
Wunderbare Badenixen am Strand der Weser, der
vollbepackte VW-Käfer auf dem Weg nach Italien,
ein Blick in den noch brummenden Hafen und frühe
Alltagsszenen aus dem Kolonialwarenladen, zieren
die Wände.
bremer kirchenzeitung März 2008 · www.kirche-bremen.de
Verlorenheitsgefühle beseitigen
Die großformatigen historischen Fotos sollen kleine
Reisen in die weiter zurückliegende Vergangenheit
anregen und den Bewohnern helfen, sich mit Hilfe
der Vergangenheit in der heutigen Zeit nicht zu verloren zu fühlen. Eine Referenz an das Langzeitgedächtnis, das auch bei dementen Menschen häufig
noch funktioniert.
Ulrike Vogt erläutert, dass der Pflegewohnbereich
Promente speziell auf die Bedürfnisse von Menschen
mit Demenz ausgerichtet ist. Das Angebot gilt vor
allem für mobile Bewohner mit unterschiedlichen
Demenzformen, unter anderem vom Alzheimer-Typ.
Die Spezialisierung auf diese Gruppe bedeutet mehr
leben zwei Kaninchen, die in den Wohnküchen nie
als Ergänzung des Speisezettels, sondern stets als
mobiler Streichelzoo vorkommen.
Lebensgeschichte aufnehmen
Ruhe, Gelassenheit und Entspannung für den einzelnen Bewohner. Ute Vogt gibt ein Beispiel: In Einrichtungen mit dementen und nicht dementen Bewohnern kommt es immer wieder zu Konflikten, wenn
etwa Desorientierte fremde Zimmer betreten oder
den Pullover oder das Gebiss der Nachbarin für die
eigenen Zwecke gebrauchen. Daher sei es in Promente auch für das Personal einfacher, das nicht
zwischen dementen und nicht dementen Bewohner
vermitteln muss und sich ganz auf den Umgang mit
altersverwirrten Menschen konzentrieren kann .
Die Pflege und Betreuung in Promente ist biographisch orientiert, erläutert Melanie Löwemann, Geschäftsführerin der Dienste für Senioren und Pflege
in Friedehorst. Zudem lege man auf die weitgehende Selbstständigkeit der Bewohner großen Wert.
Diese werde unter Einbeziehung der bei den Bewohnern noch vorhandenen Möglichkeiten gefördert.
Auf diesem Weg werde eine alltagsnahe Tagestruktur vermittelt. Die Idee dahinter: Die Mitarbeitenden
entwickeln ein Verständnis für die innere Welt der
Bewohner und begegnen ihnen durch eine interessierte und motivierende Grundhaltung.
Auch kirchliche Angebote sind an den Bedürfnissen
dementer Menschen ausgerichtet. Jeden Sonntag wird
ein gemeinsamer, kurzer Gottesdienst in der hauseigenen Kapelle „Zum guten Hirten“ gefeiert - auch
ein Stück Heimat und Nähe für viele Bewohner.
Zurück in die fünfziger Jahre
der Leitung der Sozialpädagogin Ulrike Vogt statt.
Diese Angehörigencafés bieten die Gelegenheit zum
gegenseitigen Austausch und werden als InfoVeranstaltung über ein ausgewähltes DemenzThema genutzt.
Zu jedem der unterschiedlich bebilderten Erinnerungsbereiche vom Hafen bis hin zu Italien gehört
auch eine jeweils eigene thematisch gestaltete Wohnküche. Sabine Gerbert, Leiterin des Hauses, erzählt,
dass die Bewohner der vier Bereich zunächst das
Frühstück in ihrer Wohnküche einnehmen. Den ganzen Tag über sind so genannte Präsentkräfte in den
Wohnküchen für die Bewohner da. Sie reichen Essen
Bewohnerbedürfnisse gehen vor
Alles dreht sich in Promente um die besondere
Problemlage ihrer Bewohner. Tag und Nacht. So wird
für nachtaktive Bewohner in einem der Erinnerungsräume ein Imbiss vorgehalten.
Die allgemeinärztliche und therapeutische Betreuung wird durch angestellte Ärzte und Therapeuten,
unter anderem auch Ergotherapeuten, sichergestellt.
Gerade ist Dr. Ralf Beyer in einer der Wohnküchen,
misst Blutdruck und nimmt Blut ab.
oder Getränke an und bereiten mit den Bewohnern
das Mittagessen vor, schnibbeln Obst oder machen
am Nachmittag auch Spiele oder kleinere
Handarbeiten. Eben das, was geht. Und Besuch ist
willkommen. Frau Vogt wird von einer Bewohnerin
gleich lautstark mit „Na, meine Süße“ begrüßt und
soll den dargebotenen Teddy herzen.
Mobiler Streichelzoo schafft Nähe
Bei dem Bedürfnis nach Nähe spielt auch Lucky eine
gewichtige Rolle. Immer montags kommt der Golden
Retriever und lässt sich geduldig von allen durchpuscheln und streicheln. Und in einem Stall im Garten
Zur Einschätzung des Schweregrades der Demenz
wendet der ärztliche Dienst Friedehorst den MiniMental-Status-Test an. Dieser Test eignet sich auch,
um den Verlauf der Demenz zu dokumentieren.
Frau Loewemann fasst die Besonderheiten von
Promente zusammen: Hier kooperieren Bewohner,
Angehörige, Pflegepersonal, Therapeuten, Seelsorger
und Ärzte eng miteinander. Die Präsenz- und Pflegekräfte werden vor Aufnahme ihrer Arbeit und
begleitend von einer Sozialpädagogin geschult,
unterstützt vom Qualitätsmanagement-Team Qualitas.
Seit August 2007 stehen den Bewohnern in
Promente insgesamt 21 Doppelzimmer und 33
Einzelzimmer in vier Wohngruppen zur Verfügung.
Elf Einzelzimmer sind mit einer eigenen kleinen
Terrasse ausgestattet.
Text: Ingo Hartel
Fotos: Ingo Hartel/ Ulrike Rank
Friedehorst
“Promente”
Pflegewohnbereich für
demente Menschen
Friedehorst gGmbH
Dienste für Senioren und Pflege
Rotdornallee 64
28717 Bremen-Lesum
Ansprechpartnerin:
Sabine Gerbert
Telefon 0421 / 6381 354
www.friedehorst.de/sen/promente
Für Angehörige finden halbjährliche Treffen unter
www.kirche-bremen.de · bremer kirchenzeitung März 2008
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Informiert
von Pastorin Jeannette Querfurth, Kapitel 8
Frohe Ostern!
Was die Ostersymbole bedeuten
Was hat eigentlich der Osterhase mit Jesus Christus
zu tun? Sind die beiden eher Konkurrenten oder
Verbündete? Und wieso gehören Ostereier zum
Fest der Auferstehung? An Ostern mischen sich
so kräftig Volksbräuche und christliche Inhalte,
dass man am Ende kaum noch weiss, was wohin
gehört. Was ist christlich und was nicht?
Beim Osterhasen ist es kompliziert. Viele denken möglicherweise, dass der fortpflanzungsfreudige Hase als heidnisches Fruchtbarkeitssymbol
nichts mit dem Christentum zu tun haben kann.
Und manche finden vielleicht die Vorstellung sogar
äußerst ungehörig, Jesus Christus mit dem putzigen Osterhasen in Verbindung zu bringen.
Aber ganz so schnell kann man den Hasen zu
Ostern nicht abschreiben: Denn in einem großen
Teil der frühen christlichen Kirche, im östlichen
Byzanz, war der Hase das Tiersymbol für Jesus
Christus. Da gab es also kein Problem mit dem
Hasen – im Gegenteil.
Und die Ostereier? Auch da mischt es sich wieder munter: Denn das Ei war schon in vorchristlicher Zeit ein Symbol für Fruchtbarkeit, den
Frühling und neues Leben. In der christlichen
Kirche hat man dieses Symbol aber aufgenommen. Schon im 4. Jahrhundert wurden Eier in
den Kirchen zur Osterzeit geweiht. Hier ist das Ei
auch ein Symbol des neuen Lebens – und damit
auch für die Auferstehung von Jesus Christus.
Ostern in der Kirche
Die St. Jakobi-Gemeinde (Kirchweg 57) geht daher
nach dem Familiengottesdienst am Ostersonntag
um 10 Uhr auch fröhlich auf Osternestsuche.
„Baum des Lebens“ heißt ebenfalls um 10 Uhr
der Ostergottesdienst für Kleine und Große in der
Martin-Luther-Gemeinde-Findorff. (Neukirchstr.
85) Auch hier werden anschließend Ostereier
gesucht. (Anmeldung im Gemeindebüro unter
37 96 90).
Ihr evangelisches Informationszentrum
bei Fragen zu Kirchengemeinden, Veranstaltungen und Konzerten, Einrichtungen, Kircheneintritt, Taufe, Hochzeit, Beerdigung, Konfirmation;
Domsheide 8, Telefon 33 78 220
kapitel8@kirche-bremen.de · www.kapitel8.de
Montag bis Freitag 12.30 bis 18.30 Uhr,
Samstag 11 bis 14 Uhr
Fast alle Gemeinden feiern nach den Frühgottesdiensten am Ostersonntag ein großes gemeinsames Frühstück – und bestimmt fehlen
nirgendwo die schönen bunten Ostereier.
So ist es zu allen Zeiten gewesen. Da, wo Menschen
sich zum Christentum bekannten, brachten sie
ihre vertrauten Bräuche aus früherer Zeit mit und
haben sie neu gedeutet.
Wenn uralte Symbole die christliche Botschaft
der Auferstehung Christi näher bringen und leichter verstehbar machen, ist das etwas Gutes.
So symbolisiert das Licht der Osterkerze Jesus
Christus als Licht der Welt. Und ein alter Brauch
ist es, die Osterkerze am Osterfeuer anzuzünden.
Solch ein Osterfeuer entzündet z.B. auch die St.
Georg-Gemeinde in Huchting am Ostersamstag
um 19 Uhr. (Kirchhuchtinger Landstraße 24)
Und ganz dem uralten Brauch folgend wird in
der Osternachtfeier im St. Petri Dom um 5.30
Uhr in der Frühe im Glockengarten ein kleines
Osterfeuer entfacht. Daran wird die Osterkerze
entzündet, hinter der die Gottesdienstgemeinde
dann in den dunklen Dom einzieht.
Osternachtfeiern gibt es in den meisten Gemeinden. Beginnend am späten Samstagabend
mit Ephiphanias (Bardowickstraße 83) um 22
Uhr, um 23.30 Uhr in der St. Michaels-Gemeinde
Grohn (Grohner Bergstraße 1). Zwischen 5 und 8
Uhr am frühen Ostersonntag beginnen in fast allem
Bremer Gemeinden Osternachtfeiern. Alle Termine
findet man im „Kirchlichen Anzeiger“ im Stadtteilkurier am Donnerstag vor Ostern und im
Internet.
In vielen Osternachtfeiern werden übrigens Jungen, Mädchen und Erwachsene getauft. Auch
dies ist eine uralte Tradition. In der ersten Zeit
des Christentums wurde überhaupt nur in der Osternacht getauft.
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