Weil am Rhein: Ein ganz anderer Religionsunterricht

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Weil am Rhein: Ein ganz anderer Religionsunterricht
Weil am Rhein: Ein ganz anderer Religionsunterricht - badische-zeitung.de
04. Mai 2015
Ein ganz anderer Religionsunterricht
Suzan Firat-Steppan unterrichtet alevitische Religion für knapp 70 Schüler an mehreren
Schulen in der Stadt.
Die alevitische Religionslehrerin Suzan Firat-Steppan Foto: OUNAS-KRÄUSEL
WEIL AM RHEIN. Suzan Firat-Steppan ist eine gefragte Frau: Die alevitische Religionslehrerin unterrichtet
aktuell knapp 70 Kinder an drei Weiler Grundschulen – der Rheinschule, der Karl-Tschamber und der
Leopoldschule, außerdem an der Realschule, am Kantgymnasium sowie einzelne Schüler vom
Oberrheingymnasium. Alevitische Schüler an der Hans-Thoma- und der Markgrafenschule erhalten bislang
keinen Unterricht in ihrem Glauben, weil es nicht genügend Fachlehrer dafür gibt. Alevitische Religion ist
ein reguläres Unterrichtsfach.
"Wir leben hier unseren Glauben, weil wir hier Religionsfreiheit haben", begründet Suzan Firat-Steppan
das große Interesse. Aleviten sind Mitglieder einer auf das 13./14. Jahrhundert zurückgehenden
islamischen Glaubensrichtung. Die Gottesliebe und die Liebe zu Gott stehen im Alevitentum vor der
Gottesfurcht. Das Ziel des Lebens im Alevitentum ist es, die Erleuchtung zu erreichen, wozu unter
anderem Nächstenliebe, Geduld, Bescheidenheit und andere gute Werte gezeigt und im öffentlichen
Leben angewendet werden. Nicht wenige Aleviten sehen sich selbst allerdings nicht als Muslime.
In der Türkei würden die Aleviten verfolgt, berichtet Suzan Firat-Steppan. Vor vier Jahren begann sie,
alevitische Religion an der Rhein-, der Karl-Tschamber- und der Leopold-Grundschule zu unterrichten.
Heute besuchen an die 50 Grundschulkinder die alevitische Religionslehre, außerdem 15 Fünft- und
Sechstklässler der Realschule und acht Kinder der Klassen fünf bis sieben des Kant- und des
Oberrheingymnasiums. Allein der alevitischen Gemeinde Weil gehören rund 190 Familien an, von denen
die meisten kurdische oder türkische Wurzeln haben. Aber auch Kinder aus Familien, die nicht Mitglied
der Gemeinde sind, nehmen am Unterricht teil.
Im ganzen Landkreis sei der Bedarf nach alevitischer Religionslehre groß, berichtet Suzan Firat-Steppan.
Schulen aus Rheinfelden, Schopfheim, Hausen und Zell, würden das Fach gerne anbieten, aber die Lehrer
dafür fehlten, sagt sie. Sie selbst sei gefragt worden, ob sie an der Hans-Thoma-Schule und an der
Markgrafenschule in Weil unterrichten könne, habe aber nicht die Zeit dafür.
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04.05.2015 16:36
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Suzan Firat-Steppan, die mit neun Jahren von der Türkei nach Deutschland kam, arbeitet am Gymnasium
in Neuenburg als Lehrerin für Gemeinschaftskunde, Geschichte und Deutsch. An der Pädagogischen
Hochschule in Weingarten hat sie eine Qualifizierung für alevitischen Religionsunterricht abgeschlossen.
Die Inhalte für dieses Fach erstelle die Alevitische Gemeinde Deutschland in Absprache mit dem
Kultusministerium, berichtet sie. Sie selbst gehört der zuständigen Bildungskommission an.
In der Grundschule vermittelt sie geschichtliche Grundlagen und bringt den Kindern Feiertage und Rituale
des Alevitentums näher. Im März nahmen die Kinder zum Beispiel an einer religiösen Versammlung,
einem Cem, in der alevitischen Gemeinde teil.
Ab Klasse vier stellt sie ihnen die sieben großen Dichter der Aleviten vor. Pir Sultan Abdal, zum Beispiel
habe Freiheitslieder verfasst und gelte bei den Aleviten, die schon im Osmanischen Reich verfolgt wurden,
als Volksheld, erzählt die Lehrerin.
Vor allem aber will Suzan Firat-Steppan die Kinder dazu anleiten, mit anderen Menschen im
Einvernehmen zu leben und mit ihnen zu teilen. Zu Beginn jeder Religionsstunde versuche sie daher,
Streitigkeiten der Kinder untereinander oder auch mit ihr, der Lehrerin, zu klären, erzählt sie.
Rücksichtnahme und das Einvernehmen mit anderen Menschen seien zentrale Werte des alevitischen
Glaubens, sagt die Lehrerin, fügt aber hinzu: "Es handelt sich um allgemeine Werte." Sie selbst habe als
Schülerin des katholischen Mädchengymnasiums in Sigmaringen gelernt, wie wichtig eine solche Haltung
sei. Heute ist sie überzeugt, dass alle Religionen Werte vermitteln können, die die Persönlichkeit eines
Menschen prägen. Daher wünscht sie sich auch, dass alle Kinder an den Weiler Schulen die Religion ihrer
Mitschüler kennenlernen, in dem sie zum Beispiel religiöse Feste gemeinsam feiern.
Autor: Regine Ounas-Kräusel
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