Ein Hotelier spielt die Charme-Karte

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Ein Hotelier spielt die Charme-Karte
Wirtschaft
Sonntag, 8. Mai 2016 / Nr. 19 Zentralschweiz am Sonntag
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Ein Hotelier spielt die Charme-Karte
WEGGIS Er wollte Architekt
werden, landete dann aber in
der Hotellerie. Peter Kämpfer
vom Hotel Park Weggis hat
dem Guide Michelin erfolgreich den Rücken gekehrt.
Und steht jetzt vor einer noch
grösseren Herausforderung.
DOMINIK BUHOLZER
dominik.buholzer@luzernerzeitung.ch
Jammern? Peter Kämpfer (58) mag
nicht jammern. Es gelte, das Beste aus
der Situation zu machen, sagt er. Die
Situation ist derzeit allerdings alles andere als einfach: Den Deutschen ist die
Schweiz viel zu teuer und seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses erst
recht. Das spürt ein Hotel wie das «Park
Weggis», das neben dem Schweizer
Markt (53 bis 54 Prozent) vor allem auf
deutsche und russische Gäste setzt. Letztere lassen sich in den vergangenen zwei
Jahren auch immer weniger blicken. Bei
ihnen ist es nicht der Euro, der sie von
der Schweiz fernhält, sondern die UNOSanktionen und die damit verbundene
schwierige wirtschaftliche Situation im
eigenen Land. «Es kommen wieder bessere Zeiten. Zumindest bei den russischen Gästen sehen wir Anzeichen für
eine Trendwende», sagt Kämpfer.
Nur nicht Hotelier werden
Kämpfer ist Optimist und Hotelier von
Haus aus; aufgewachsen ist er im Hotel
Kastanienbaum in Horw. Als Kind
schwärmte er jedoch für Architektur und
Grafik, nur nicht für die Hotellerie.
Letzten Endes absolvierte er dann doch
eine Kochlehre, besuchte danach die
Hotelfachschule und ging auf Wanderschaft: Genf, Engadin und Bürgenstock
hiessen die Stationen, bis es ihn vor
19 Jahren nach Weggis ins heutige «Park
Weggis» verschlug.
Er löst selbst schwierige Aufgaben souverän: Peter Kämpfer, Direktor des «Park Weggis».
Bild Corinne Glanzmann
guter Typ. Das Wagnis hatte sich gelohnt.
Die Übernachtungszahlen im Ort stiegen
sprunghaft um 6 bis 10 Prozent. InsDer Glückstreffer
gesamt bescherte das Gastspiel von
Eines hat Kämpfer schnell begriffen. Brasiliens Kickern Weggis eine WertUm erfolgreich zu sein, muss man im- schöpfung von rund 100 Millionen Franmer wieder mal gewohnte Pfade ver- ken. «Es war wie ein Sechser im Lotto»,
lassen. Das war vor zehn Jahren der Fall, erinnert sich Kämpfer zurück. «Ich glauals sich Brasiliens Fussballer während be, es gab keine Zeitung und keine
zweier Wochen in Weggis auf die Welt- Fernsehanstalt in Brasilien, die nicht
meisterschaft in Deutschland vorberei- über uns berichtete», sagt Kämpfer.
teten. Quartier bezogen Ronaldinho und
Und wie war der Umgang mit den
Co. im «Park Weggis». Es war ein ge- Spielern? «Die waren alle sehr nett»,
sagt Kämpfer und
wagtes Unterfangen:
schiebt nach: «Das
Die Verhandlungen
zogen sich über Wosind alles unglaublich
«Wir müssen
talentierte Fussballer,
chen hin, der Einsatz
die aber ein Stück
war nicht gering: Ludie Kunden mit
zern musste 400 000
weit noch Kinder
Romantik packen.»
Franken aufbringen
sind.» Weggis konnte
P E T E R KÄ M P F E R ,
und unter anderem
dies letzten Endes
D I R E KTO R « PA R K W E G G I S »
auch die Kosten für
egal sein. Dem Gedie Hotelübernachschäft war dies nicht
tungen übernehmen.
abträglich.
Acht Jahre später, vor der Fussball-WM
Und um welche Mannschaft es sich
handelte, erfuhren die Involvierten erst, 2014 in Brasilien, stand wieder das «Park
als die Tinte unter den Verträgen trocken Weggis» im Mittelpunkt. Damals waren
war. «Uns wurde einzig versichert, dass es die Schweizer Nationalspieler, die sich
es sich um eine der Top-Five-Mann- in Weggis den letzten Schliff für das
schaften des Fifa-Rankings handelt», grosse Turnier holten.
erinnert sich Marketingspezialist Edwin
Rudolf, der damals in die Verhandlungen Verzicht auf Guide Michelin
2009 stand Kämpfer vor einer ganz
involviert war. «Die Lösung mit Peter
Kämpfer war perfekt», sagt der ehema- anderen Entscheidung. In Vitznau nahm
lige Direktor der Stiftung Schweizer das Parkhotel seinen Betrieb wieder auf.
Sporthilfe. «Kämpfer ist nicht nur ein Was sollte er tun? Würden sich zwei
Macher, sondern auch ein exzellenter Luxushotels mit gehobener Küche nicht
Zuhörer, der schnell Probleme und im Wege stehen? Kämpfer entschied
Schwierigkeiten erkennt», betont er. sich in der Folge, künftig auf die presKämpfer sei ganz einfach ein souveräner, tigeträchtigen Bewertungen des franzö-
Tausende besuchten vor zehn Jahren die Trainings
der brasilianischen Nationalmannschaft in Weggis.
Archivbild Neue LZ/Michael Buholzer
sischen Restaurantführers Guide Michelin zu verzichten. «Wir hatten mit unserem Restaurant am See einen Stern,
Nenad Mlinarevic in Vitznau auf Anhieb
zwei von maximal drei. Für uns war klar,
dass ein Wetteifern um mehr Sterne
keinen Sinn macht, sondern dass wir
uns neu ausrichten mussten», betont
Kämpfer. Statt Haute Cuisine setzte er
auf Grill. Mit Erfolg. In diesem Jahr
folgte der nächste Schritt: Das zweite
Restaurant wurde auf französische Küche umgestellt. «Wir wollen unser Haus
noch mehr öffnen.»
Zur Diskussion stand einiges. Es hätte
vegetarische Küche sein können oder
auch japanische. «Entscheidend ist, dass
sich die Gäste unter der Küche etwas
vorstellen können», betont Kämpfer. Dass
die französische Küche das Rennen machte, lag vielleicht auch an Kämpfers Erinnerungen an seine Zeit in Genf. Gewiss
aber daran, dass er in dem Westschweizer Markt ein gewisses Potenzial sieht.
Das funktioniert bislang ganz gut. An
etlichen Abenden wird mittlerweile an
jedem zweiten Tisch im Restaurant im
«Park Weggis» französisch gesprochen.
Neuer Glanz für alte Marke
Jetzt steht Kämpfer vor einer ganz
anderen Herausforderung. Seit einem
Jahr ist er Präsident von Relais & Châteaux. Die Vereinigung von exklusiven
und unabhängigen Restaurants und
Hotels wurde 1954 in Frankreich gegründet und versucht sich in der
Schweiz wieder in Erinnerung zu rufen.
Weltweit zählt Relais & Châteaux 540 Betriebe, in der Schweiz sind es gerade
mal 27. Kämpfer soll der alten Marke
zu neuem Glanz verhelfen.
Ein schwieriges Unterfangen, sagt
André Jaeger (69), Spitzenkoch und
ehemaliger Betreiber der Fischerzunft
in Schaffhausen (19 von 20 Gault-Millau-Punkten). Doch Kämpfers Wahl
zum Schweiz-Chef bezeichnet er als
absoluten Glücksfall. «Denn nur mit
solch einem erfahrenen und mutigen
Vorsitzenden können in Paris die Interessen der Schweiz wahrgenommen
und verteidigt werden», sagt er. Kämpfer sei fähig, nach vorne zu schauen
und «bei Niederlagen oder in schwierigen Zeiten optimistisch in eine neue
Richtung zu weisen», so Jaeger. Die
Marschroute hat Kämpfer schon mal
festgelegt. «Wir müssen die Kunden mit
Romantik packen. Wir müssen die
Charme-Karte spielen», sagt er. Laut
Kämpfer sollen die Partnerbetriebe
vermehrt auf Hochzeitsanlässe und
Dates setzen und entsprechende Angebote kreieren. Zudem hat es in der
Schweiz noch ein paar weisse Flecken
auf der Karte von Relais & Châteaux.
Zürich, Basel und Zermatt – in diesen
drei Orten müsse die Kette unbedingt
präsent sein. An Kämpfers Einsatz wird
es nicht mangeln. Er hat bereits erste
Gespräche geführt.
Schweiz-Deal bleibt blockiert
Griechen streiken
WASHINGTON Der US-Senat
sollte schon längst das Doppelbesteuerungsabkommen
verabschieden. Das zieht sich
weiter hin – wegen Rand Paul.
ATHEN sda. Aus Protest gegen ein
neues Sparprogramm mit Rentenkürzungen haben die griechischen
Gewerkschaften am Samstag den
zweiten Tag in Folge gestreikt. Wichtigste Auswirkung: Der öffentliche
Verkehr lag lahm. Die meisten ÄgäisFähren blieben in den Häfen, die
Eisenbahner legten ihre Arbeit nieder,
der Nahverkehr in Athen und anderen Städten brach zusammen.
Das Parlament nahm gestern eine
zweitägige Debatte über das neue
Der staatskritische Senator Rand Paul
lässt nicht locker. Er hält an seiner Blockade von Doppelbesteuerungsabkom-
men – darunter ein Vertrag zwischen
der Schweiz und den USA – fest. Kurz
vor dem Wochenende sagte Paul auf
dem Kurznachrichtendienst Twitter,
dass der Schutz der Privatsphäre nicht
«verschroben» sei.
Der Republikaner, der sich im November im Bundesstaat Kentucky zur
Wiederwahl stellt, reagierte dabei direkt
auf die Kritik von Präsident Barack
Obama. Der Demokrat hatte zuvor an
einer Medienkonferenz im Weissen
Haus gesagt, Paul solle endlich von
seiner Blockade von sieben Doppelbesteuerungsabkommen sowie einem Vertrag mit der OECD ablassen. Dabei
nannte Obama den Senator mit Namen
und nannte seine Kritik an den Verträgen «verschroben». Das revidierte
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den USA wurde
im September 2009 unterzeichnet und
wartet seither auf eine Verabschiedung
im Senat.
RENZO RUF, WASHINGTON
nachrichten@luzernerzeitung.ch
Bündel von Sparmassnahmen in Angriff.
Die Abstimmung ist für den späten
Sonntagabend geplant. Auch Journalisten legten die Arbeit für zwei Tage
nieder. Im Radio und Fernsehen gab es
am Samstag nur Musik und Filme.
Neben Rentenkürzungen von 1,8 Milliarden Euro sind insgesamt 1,8 Milliarden Euro Steuererhöhungen vorgesehen.
Zu einem späteren Zeitpunkt plant die
Regierung, indirekte Steuern in Höhe
von weiteren 1,8 Milliarden Euro vom
Parlament billigen zu lassen.