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DAS KATHOLISCHE PORTAL FÜR DEN DEUTSCHEN SPRACHRAUM ARCHIV Afrikanische Politik - 14.06.2011 Die African Union (AU), gegründet 2002 in Durban / Südafrika, hat sich unter anderem die Aufgabe gesetzt, die Souveränität und territoriale Integrität und Unabhängigkeit ihrer Mitgliedsstaaten zu verteidigen und Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent zu fördern. Wie schwer das im Einzelfall in die Praxis umzusetzen ist, zeigt sich deutlich am Fall Libyen. Als sich der Konflikt in Libyen verschärft, setzte der Sicherheitsrat der AU am 10.03.2011 eine ad-hoc Kommission ein, die in Libyen vermitteln soll. Die Staatschefs von Mauretanien, Kongo, Mali, Südafrika und Uganda wurden zusammen mit dem Vorsitzenden des Sicherheitsrates der AU benannt, um die Vermittlungen zu führen. Am 20.03.2011 sollten die Friedensvermittlungen beginnnen und Mitglieder der ad-hoc Gruppe nach Libyen reisen. Drei Tage vorher kam es jedoch zur Abstimmung im UN Sicherheitsrat über die Resolution 1973, die militärische Intervention zum Schutze der Zivilbevölkerung autorisierte. Der Kontinent Afrika war dabei mit drei nicht ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat vertreten, nämlich Südafrika, Gabun und Nigeria. Interessanterweise stimmten alle afrikanischen Staaten für die militärische Option und verschafften dieser sogar die notwendige Mehrheit – die Resolution wurde mit einer Stimme mehr als erforderlich angenommen. Das heißt, Afrika hätte es in der Hand gehabt, der Friedensmission der AU Vorrang zu verschaffen und die militärische Intervention zu verzögern. Es ist dabei interessant zu vermerken, dass China ausdrücklich darauf hinwies, dass es keinen Gebrauch von seinem Vetorecht machte wegen der Wünsche der Arabischen Liga und der AU. Damit hatten die afrikanischen Länder ihre eigene Friedensmission torpediert – eine tragisch-komische Figur spielte dabei der Vertreter Südafrikas: Er war bei der entscheidenden Sitzung des Weltsicherheitsrates erst einmal nicht angetreten, was die US Botschafterin zur UN, Susan Rice dazu veranlasste, ihn suchen zu lassen, um von ihm die Ja-Stimme zu erhalten. Später wurde bekannt, dass US Präsident Obama persönlich bei dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma interveniert hatte, um Zustimmung zu erhalten. An dem Tag, an dem die Friedensmission der AU beginnen sollte, begann auch die Bombardierung Libyens und die afrikanischen Präsidenten mussten um Genehmigung nachsuchen, um in die nunmehr militärisch abgesicherte Flugverbots zone einfliegen zu können. Die Genehmigung wurde erst am 10.04., also zwei Wochen später, erteilt. Erschwert werden alle Verhandlungen aber nicht nur durch die militärischen Vorgaben, sondern auch dadurch, dass von Anfang an allen Beteiligten klar war, dass es nicht nur um den Schutz der Zivilbevölkerung geht, sondern um den Abgang Gaddafis. Bereits am 26.02.2011 erklärten die USA, dass die Zeit Gaddafis vorbei sei und er gehen müsse. Wie also verhandeln, wenn klar ist, dass eine der beiden Konfliktparteien auf jeden Fall der Verlierer sein wird? Und wenn der Verlierer derjenige war, der sicherlich als einer der vehementesten die Umwandlung der Organisation of African Unity (OAU) zur African Union (AU) betrieben hat? Die AU war und ist, von allen Seiten betrachtet, hier in einer misslichen Lage, die sie sich zum Teil selber zuzuschreiben hat. Die Verhandlungen um einen Waffenstillstand aber gingen weiter. Am 11. April fanden die ersten Gespräche zwischen AU und Gaddafi statt. Der südafrikanische Präsident verkündete nach den Verhandlungen, dass Gaddafi einem Waffenstillstand zugestimmt habe. Dieser kam jedoch nie zustande, die Kämpfe gingen unvermindert weiter. Ende Mai 2011 war der südafrikanische Präsident ein zweites Mal im Auftrage der AU in Tripoli, um erneut die road map der AU zur Wiederherstellung des Friedens zu diskutieren. Vor dem Abflug warf Jacob Zuma der NATO vor, sie übertrete das UN Mandat zum Schutze der Zivilbevölkerung. In den südafrikanischen Medien wurde als Teil der Mission Zuma’s genannt, eine exit Strategie für Gaddafi zu suchen. Nach den Verhandlungen in Tripoli gab Zuma bekannt, Gaddafi hätte einen sofortigen Waffenstillstand angeboten, aber lehne einen Rücktritt entschieden ab. Zuma führte weiter aus, dass sich alle Parteien an den Waffenstillstand halten müssten, einschließlich der NATO. Weiterhin habe Gaddafi verlangt, das Libyen seine Probleme selber lösen darf. Der Nationale Übergangsrat der Rebellen in Benghasi aber lehnt jede Lösung ab, die Gaddafi an der Macht hält, damit war die road map der AU, die ein Bleiben Gaddafi’s für eine Übergangszeit vorsah, schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Nach seinem Abflug gab der Sprecher der libyschen Regierung, Moussa Ibrahim, bekannt, dass es bei den Gesprächen zwischen Gaddafi und Zuma nicht um die Frage der Abdankung Gaddafis gegangen sei. Er dankte Zuma für seine Bestrebungen, eine friedliche demokratische und afrikanische Lösung für das Libyenproblem zu finden und fügte hinzu: „Wir verstehen sehr gut, das Präsident Zuma und der afrikanische Kontinent vom Western ignoriert wird... Es ist eine machtvolle afrikanische Stimme, die ignoriert wird, ebenso wie die afrikanische road map ignoriert wird.“ Während seines Treffens mit Gaddafi hatte Jacob Zuma aber noch eine andere Aufgabe zu lösen. Vor Wochen war ein südafrikanischer Fotograph von Gaddafi-Loyalisten erschossen worden. Für sechs Wochen hielt die libysche Regierung die Angehörigen von Anton Hammerl hin, bevor die Wahrheit bekannt wurde. Libyen hat sich nun bereit erklärt, aufzuklären, was mit dem Leichnam des Fotographen passierte. Während die Bombardierung Libyens weitergeht, sind für die AU noch viele Fragen offen: Wie geht man mit den vielen Bankkonten, Investments und Gütern in Afrika um, die Libyen (teilweise) gehören oder deren Bau von libyschen Geld abhängig ist, vom berühmten Michelangelo Hotel in Sandton/Johannesburg bis hin zu Telekommunikation, Ölpipelines, moslemischen Schulen und viele andere finanzielle Transaktionen? Wie definiert die AU in Zukunft Demokratie und Menschenrechte für ihre Mitgliedsstaaten? Wie verhindert die AU in Zukunft, das sie Massnahmen beschliesst, die sie anschliessend selber sabotiert? Und für Südafrika ist eine weitere Frage interessant zu dem Zeitpunkt, wo Jacob Zuma über eine weitere Reise nach Tripolis nachdenkt: Wieviel Geld hat Gaddafi für den Wahlkampf des ANC gespendet? Während diese Fragen auf Antwort warten, fordert die AU weiterhin in ihren Communiques die Einstellung der Bombardierung durch die NATO und die Einhaltung ihrer road map für den Frieden – wohl wissend, dass ohne Gaddafi’s Abgang gar nichts weitergeht. Tweet Stefan Hippler © Aschendorff Verlag, Münster