Kopulation als Subversion
Transcription
Kopulation als Subversion
| Aktuell | Kino | Musik | Bestseller | Gutenberg-DE Home > Kultur > Gesellschaft 19. August 2004 Druckversion | Versenden | Leserbrief S CH O CK TH E A TE R Kopulation als Subversion MEHR KULTUR Schocktheater: Kopulation als Subversion Medienstar Michael Moore: Neue Bücher gegen Bush "King Arthur": Ritter Sport und Bürger-King Filmmusik: Komponisten-Legende Elmer Bernstein gestorben Von Werner Theurich EXKLUSIV Die katalanischen Theater-Rebellen La Fura dels Baus provozieren seit 25 Jahren mit grellen Effekten und wohl kalkulierten Tabubrüchen. Beim HamburgGastspiel der Schockveteranen ging es um die Sex- und Gewaltphantasien des Marquis de Sade. Die allerdings erwiesen sich als erstaunlich inszenierungsresistent. Eugénie ist jung, hatte bisher nur Kuschelsex mit ihrem Freund und sucht einen Job beim Film: Die klassische "Casting-Situation", wie sie schon als Ausgangspunkt für zahllose Pornofilmproduktionen diente. Eugenie muss also lernen, worauf es beim Sex, bei der körperlichen und geistigen Lust ankommt, dass man sehr weit gehen muss, bis an die Grenzen des Erträglichen womöglich - und sogar darüber hinaus. Denn der Mensch kann absolute Lust nur im Schmerz erfahren, so die Devise. Krawallrocker "The Libertines": Unersättlich im Dauerzoff Die Bushs bei Larry King: Präsident auf Butterfahrt Neuer Kino-Trend: Die hübschen Zicken kommen Klingelton-Boom: Pop und Piepen Zeitungsprojekt "Kraut": Das Wort vor Ort REZENSIONEN Abgehört: Die wichtigsten CDs der Woche Abgenickt: Best of HipHop, Soul und R&B Neue Bücher: Belletristik, Sachbücher und Bildbände, rezensiert vom KulturSPIEGEL Andreu Adrove/ Ana Caparrós Vernetzt im Wiedergeburts-Tank: Eugénie (Sonia Segura) vor der Befreiung Schöpfer dieser Urkonstellation der sexuellen Grenzerfahrung ist der Marquis de Sade, dessen Traktat "Philosophie im Boudoir" von 1795 sich die spanischen Schockspezialisten der Theatertruppe "La Fura dels Baus" zwecks Modernisierung vorgenommen haben. Ein imposanter Wust an Philosophie und Ideologie, der hier zusammenkommt, doch in der Werkstatt-Atmosphäre der Hamburger "Kampnagel-Fabrik" waren die Katalanen an der richtigen Adresse. Bücher, Filme, CDs: Alle Rezensionen COM!X Der neue Jamiri ist da: Bestellen Sie direkt hier exklusiv bei SPIEGEL ONLINE Comic von ©TOM: Skaten, bis die Wade kracht Comic von Jamiri: In Form gebrachte Männer Alle Artikel Fließband-Sex aus dem Internet Spartanische Ausstattung und knappe Kostüme statt opulenter Kulissen, viel Video- und Film-Projektion plus mitunter aufdringlich wabernden Ambient-Sounds bestimmten die Szenerie. Denn schließlich ging es ums Sehen selbst, um das Tatsächliche als bloßer Entwurf, um die Täuschung der Sinne, um Realität und ihre Dekonstruktion. Präsentiert wurde dann aber vor allem eines: hinlänglich bekannte Sex-Artistik. DPA Lüstlinge Domancé (Jorge Flores, l.) und Giovanni (Damia Die herrische Madame Lula, der diabolische Dolmancé (das AlterEgo von de Sade), sein Diener Giovanni sowie die junge Eugénie hangeln sich durch die Szenen einer Verführung: ein Vierer ohne Steuermann, denn die Fäden zieht die ältere Domina Lula. (Mit diesem dramaturgischen Kniff versuchte man bei der Pressekonferenz treuherzig, SPIEGEL-DOSSIERS Jim Jarmusch: Abschiede in Schwarz-Weiß Schlingensief: Spiel ohne Grenzen Rechtschreibreform: Sieg für den Tolpatsch Peter Handke: "Gelassen wär ich gern"* Richard Wagner: Lump in Seide KULTUR IN BILDERN Halle Berry in "Catwoman": Zur Sache, Kätzchen Madonna erobert Europa: "Material Girl" in Manchester Gitarrengesicht - Der Wettbewerb: Die neun Gesichtsgewaltigen Frauenbücher: Liebe von verschiedenen Seiten sexuellen Revolution eventuelle Einwände bezüglich der latenten Frauenfeindlichkeit im de Schauspiel-Legende Richard Burton: Filmreifer Selbstzerstörer Sade-Text zu entkräften.) Doch für solche Überlegungen bleibt im knapp zweistündigen Zirkus der Lust nur wenig Zeit, denn Eugénie muss schließlich zack zack ihre Erfahrungen sammeln: Kopulieren, Masturbieren, Fellationieren, dazu Schmerz ertragen und zufügen, auch mal zärtlich sein, allein, zu zweit, zu mehreren, was Frauen mutmaßlich eben zu lernen haben im Geschlechterkampf um die scheinbare sexuelle Befreiung. Dabei operieren die Furas zeitweise nicht ohne Ironie mit künstlichen Penissen, Peepshow-Bühnen und InternetFließband-Sex via Webcam. Da werden Sexmaschinen per Teleshopping an- und eine bunt bizarre Palette einiger monströser Abartigkeiten aufgeboten, um der Welt den Spiegel vorzuhalten: Seht, zu welchen Perversionen der Mensch fähig ist, wenn es um seine Lust geht! Das Pathos trivialer Einsicht, auf die Essenz eingedampft - schlüssig, aber schließlich auch schlicht. Sehr schön, setzen, aber das hatten wir schon in der Grundschule der sexuellen Revolution. Außerdem geht es in dieser brutalen Erziehung um mehr. An den Grenzen des Erträglichen Der böse Stachel im de Sade, den La Fura dels Baus natürlich kennen, schärfen und zuspitzen wollen, liegt hier: Die Subversion des Verbrechens, des Todes, des radikalen Nonkonformismus braucht Sex als unmittelbarstes Ausdrucksmittel. Konsequent also, wenn für Eugénie die ultimative Probe im Rahmen ihrer éducation sexuelle im orgiastischen Muttermord besteht. Die symbolische Tötung der Mutter, die ihrerseits schlimmste sexuelle Erniedrigungen zu absolvieren hat, führt den Betrachter nun tatsächlich an die Grenzen des Erträglichen, auch wenn das Ganze nicht mehr auf der Bühne, sondern als künstlich verwackelte Real-Life-Doku in überlebensgroßer Projektion stattfindet. Und schon befinden wir uns wieder am Anfang: Madame Lula verkauft den soeben "abgedrehten" Film als besonders scharfes Werk an einen Kunden. Business as usual, the show must go on - immer und immer und immer weiter. DPA Madame Lula (Teresa Vallejo, l.) und Eugénie (Sonia Segura): Zurichtung im erotischen Stellungskrieg Für ihre brachialen und beeindruckenden Bilder sind La Fura dels Baus berühmt und vielfach ausgezeichnet worden, sie begannen 1979 als virtuos provokante Straßentheatertruppe, probierten sich aus in diversen Gattungen von Oper bis Film, inszenierten in Salzburg und bei der Ruhr-Triennale ("Die Zauberflöte"), arbeiteten an kollektiven künstlerischen Performances und schufen so eine universelle, eigene Theatersprache. Sogar an Ernst Jüngers schwülstigschwieriger Faschismus-Parabel "Auf den Marmorklippen" haben sie sich 2002 in Mannheim versucht. So sind sie zu international geschätzten Fachkräften für Eklat und Skandal geworden. Momente peinlicher Ödnis Das de-Sade-Projekt "XXX" jedoch wird der mächtigen Vorlage nur schwer gerecht. Die gefährliche Sprengkraft der Gedanken findet nur selten ihre kongeniale Umsetzung im Bild. Am Ende KOLUMNEN Heute in den Feuilletons: Die tägliche Presseschau vom Perlentaucher Zwiebelfisch: Die Sprachpfleger-Kolumne von Bastian Sick Televisionen: Die TV-Kritik. SPIEGEL- und SPIEGEL-ONLINE-Autoren meditieren über das alltägliche Flimmern und Rauschen auf der Mattscheibe KulturSPIEGEL 8/2004 TITEL: Überirdisch Catwoman rettet das Actionkino Inhalt sind es doch nur die altbekannten Projektionen des Körpers und seiner Zurichtung im erotischen Stellungskrieg, die hier zu sehen sind. Der bohrenden Langeweile von Bühnensex, verbraucht in zahllosen Kiez-Sex-Shows, entgeht auch "XXX" nicht. Ein Schwanz ist ein Schwanz, eine Vagina ist eine Vagina, dies die simple Logik, in der der Bilderfuror der Furas gefangen bleibt. Deshalb enden auch die Versuche, mit dem Publikum in Interaktion zu treten, in peinlicher Ödnis. Ein gnädiger Zuschauer zieht sich nackt aus, ein anderer lässt sich ein Kondom über den Penis streifen. Geschenkt. Wer durch die härtende Schule des deutschen DPA Unterhaltungsfernsehens Madame Lula und die Kunst der Lust: Bohrende Langeweile gegangen ist, wer die 0190ervon Bühnensex Nummernwerbung kennt und über alle Lustzonen bereits die passende Talkshow ertrug, den kann man auch ohne Risiken und Nebenwirkungen am Schniedel ziehen. Willkommen in der Realität. Bestaunen muss man hingegen die darstellerische Energie der vier Kraftpakete auf der Bühne: Die athletisch gebauten Herren de Sade (Jorge Flores) und Giovanni (Damià Plensa) bieten den Damen Lula (Teresa Vallejo, eine ehemalige Flamencotänzerin) und der zum Schluss triumphierend selbstbewussten Eugénie (Sonia Segura) bestens Paroli. Sie sind die wahren Helden der Inszenierung und überwinden mit ihrer puren persönlichen Präsenz die kognitive Schwere des Konzeptes. Fast scheint ein ironisches Lächeln durch die Mienen der Darsteller zu geistern, die doch mit bösem Ernst in der Leiber Tiefen nach Amoral und Freiheit forschen sollen. Am Ende gelingt ihnen dann doch ein Moment wirklicher Erotik: Als sie nackt und abgekämpft einen umgekehrten Strip in Richtung schwarzweißer Anzuggarderobe hinlegen, da sehen sie nach dem sinnlichen Ankleidevollzug sagenhaft scharf und sexy aus. In dieser Szene liegt die wahre Provokation von "XXX": die Verhüllung gibt vom Wesen der Lust mehr Preis als die schärfste Bloßstellung es je könnte. ANZEIGE SUCHTIPPS Dvd Filme ebay Angebote zum Thema Dvd Filme Dvd - Sammlungen finden Sie hier supergünstig! eBay 3...2...1...meins! http://www.ebay.de Dvd Filme - bei AMANGO.de ausleihen DVDs per Flatrate beliebig oft tauschen: hin und zurück schnell per Brief, keine Leihfristen, keine Nachgebühren und keine Aufschläge für Top-Filme & FSK18. DVDs leihen - einfach & bequem. http://www.amango.de Dvd Filme im eBay Shop kaufen In den eBay Shops finden Sie günstige Angebote zum Sofort-Kaufen aus dem Bereich Filme & DVDs! www.ebayshops.de © SPIEGEL ONLINE 2004 Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH [ Home | Politik | Wirtschaft | Panorama | Sport | Kultur | Netzwelt | Wissenschaft | UniSPIEGEL | Reise | Auto ] [ Wetter | Marktplatz | Schlagzeilen | Forum | Leserbriefe | Newsletter | Archiv | Shop ] [ DER SPIEGEL | SPIEGEL TV | SPIEGEL-Jahrbuch | KulturSPIEGEL | SCHULE@SPIEGEL ] [ Impressum | Hilfe | Kontakt | SPIEGEL-Gruppe | Mediadaten ]