IM BLICKPUNKT-Wirtschaftspolitik 2008
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IM BLICKPUNKT-Wirtschaftspolitik 2008
IM BLICKPUNKT Informationen des Delegierten der Deutschen Wirtschaft in Washington, D.C. _________________________________________ September 2008 Die Kandidaten zur Wirtschaftspolitik Die beiden Präsidentschaftsbewerber vertreten unterschiedliche Konzepte Von Klaus-Dieter Ordemann Die bevorstehenden Parteitage1 der Demokraten und der Republikaner sollen zum Anlass genommen werden, nochmals einen Blick auf die wirtschaftspolitischen Positionen der beiden Präsidentschaftskandidaten zu werfen. kungen4 dauerhaft machen und sieht darin ein wichtiges Mittel zur Wirtschaftsbelebung.5 Er plant eine Senkung der Unternehmenssteuer von derzeit 35% auf 25%. Gleichzeitig verspricht der Senator aus Arizona einen ausgeglichenen Haushalt bis zum Ende seiner ersten Amtszeit. McCain gilt als Anhänger des freien Spiels der Marktkräfte, er will primär kleine Unternehmen fördern und wendet sich gegen „Big Business“ vor allem im Hinblick auf die Öl-, Pharma- und Tabakindustrie. Tendenziell ist McCain ein Befürworter von mehr Deregulierung. Die sich weiter abschwächende Wirtschaft mit latenter Rezessionsgefahr, die Prognose weiterer Zwangsvollstreckungen im Immobiliensektor, die nach wie vor hohen Benzinpreise2 sowie das weiterhin sinkende Verbrauchervertrauen haben die Wirtschaftslage zum Wahlkampfthema # 1 gemacht. Die Wirtschaftsphilosophie von McCain brachte sein Wirtschaftsberater Douglas Holtz-Eakin auf den Punkt: McCain habe eine Abneigung gegen Machtkonzentration – sei es von Unternehmen, Gewerkschaften, Verbrauchern oder der Regierung. Vielmehr plädiere er für ein level playing field, zu dem jeder Zugang haben müsse und sich dann – mit mehr oder weniger Erfolg – entfalten könne, so Holtz-Eakin. McCain sieht – trotz aller Probleme – die US-Wirtschaft in solider Verfassung und vertritt die Philosophie „the lesser the better“, wenn es um die Rolle der Regierung Die Philosophien von John McCain und Barack Obama zur Lösung der Wirtschaftsprobleme sind allerdings ebenso unterschiedlich wie ihre Persönlichkeiten und ihre Biographien. John McCain – The Original Maverick3 – ist ein Verfechter breit angelegter Steuersenkungen und will vor allem kleine und mittlere Unternehmen entlasten. McCain will die 2001 und 2003 beschlossenen Steuersen1 Die Demokraten werden vom 24.-27. August in Denver, Colorado, und die Republikaner vom 1. - 4. September 2008 in St. Paul, Minnesota, Parteitage abhalten und dort ihren Präsidentschaftskandidaten nominieren. 2 Der höchste durchschnittliche Benzinpreis lag landesweit im Juli 2008 bei $4,11 pro Gallone. 3 TV-Eigenwerbung von John McCain in einigen seiner zahlreichen Werbespots. 4 Diese Steuersenkungen laufen im Jahr 2010 aus. 5 Senator Obama will die Steuerentlastungen für Familien mit einem Einkommen über $250.000 nicht verlängern. 1 geht und setzt bei Steuern auf das Prinzip: „the lower the better“. gien und will künftig $15 Mrd. pro Jahr in neue Technologien wie Wind- und Solarenergie investieren. Zudem soll der Benzinverbrauch von Kraftfahrzeugen in den nächsten 20 Jahren um die Hälfte gesenkt werden. Zur Entlastung der Mittelklasse von den hohen Energiekosten will Obama $1000 pro Haushalt bereitstellen. Barack Obama hingegen favorisiert grundsätzlich eine stärkere staatliche Regulierung und fordert ein neues Konjunkturprogramm in Höhe von $50 Mrd., um den Markt kurzfristig zu stabilisieren. Er setzt sich zudem für höhere staatliche Ausgaben für eine umfassende Gesundheitsreform sowie für eine Unterstützung in Not geratener Hausbesitzer ein. Zum Ausbau der Infrastruktur plant er die Gründung einer Infrastrukturbank, die mit Finanzmitteln in Höhe von $60 Mrd. ausgestattet werden soll. Die von ihm geforderten Steuerentlastungen für die unteren und mittleren Einkommensbezieher sollen durch Steuererhöhungen für die Besserverdienenden finanziert werden. Obama plant Steuererleichterungen für alle Beschäftigten mit einem Jahreseinkommen unter $150.000 und will die Steuern auf Kapitalgewinne von derzeit 15% auf 20% erhöhen6. Handelspolitik John McCain gilt als ausgewiesener Befürworter des Freihandels und hat dies durch seine Zustimmung im Senat zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA im Jahr 1993 als auch zu bilateralen Vereinbarungen mehrfach unter Beweis gestellt. Der Senator aus Arizona unterstützt eine Ratifizierung der von der Regierung abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit Kolumbien8. Er fordert ferner eine Ratifizierung des Abkommens mit Südkorea durch den Kongress, steht einem eventuellen Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU aufgeschlossen gegenüber und gilt als starker Förderer einer weltweiten Handelsliberalisierung. Gegenüber China als dem am stärksten wachsenden Exportmarkt der USA setzt McCain auf einen weiteren Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Energiepolitik Bei der Energiepolitik haben sich beide Präsidentschaftskandidaten zum Ziel gesetzt, die US-Öleinfuhren erheblich zu senken und die Abhängigkeit der USA von fremden Öleinfuhren deutlich zu verringern. McCain will dies vor allem durch die Steigerung der Ölproduktion im eigenen Land erreichen und setzt sich für mehr Ölbohrungen vor der US-Küste ein (offshore drilling)7. Außerdem will er die Atomenergie deutlich fördern und fordert den Bau 45 neuer Atomkraftwerke bis zum Jahr 2030. Im Gegensatz dazu legt Obama den Schwerpunkt auf die Förderung erneuerbarer Ener- Sein Konkurrent Obama ist gegenüber bilateralen Handelsabkommen kritischer eingestellt und hatte im Vorwahlkampf gefordert, das Freihandelsabkommen NAFTA aufzuschnüren, um bei den Handelspartnern verbesserte Arbeits- und Umweltstandards durchzusetzen. Er ist auch Gegner der Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Südkorea; er will zudem die US-Handelspartner von Exportsubventionen sowie der Errichtung nichttarifärer Handelshemmnisse abhalten. Zudem unterstützt Obama eine Ausdehnung des Trade Adjustment Assistance- 6 Obama hat sich noch nicht endgültig auf einen Prozentsatz festgelegt, Äußerungen seines ChefWirtschaftsberaters Jason Furman deuten jedoch auf einen vorgesehenen Steuersatz von 20% hin. Allerdings will Obama Neugründungen und Kleinunternehmen von dieser Steuer befreien. 7 In jüngster Zeit gibt es Anzeichen, dass auch Obama und die Führung der Demokraten im Rahmen eines Energiekompromisses mit den Republikanern offsore drilling zustimmen könnten. 8 Diese Position hat McCain während einer Reise nach Kolumbien im Juli 2008 unterstrichen. Zudem wirbt er auf seiner Website mit spanischen und englischen Untertiteln für den Deal mit diesem südamerikanischen Land. 2 Programms9 auch auf den Dienstleistungssektor. Ein weiterer Umstand könnte dem Senator aus Arizona zum Vorteil gereichen: falls sich abzeichnet, dass die Demokraten ihre Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses erheblich ausbauen könnten – und die Umfragen sprechen derzeit dafür –, dürften die Wähler versucht sein, nicht auch noch einen Demokraten ins Weiße Haus zu schicken, um damit ein Gegengewicht zum Kongress zu bilden (divided government). Allerdings hat sich Obama seit seinem Sieg über Hillary Clinton bei den Primaries mit seinen wirtschaftlichen Positionen zunehmend in Richtung politischer Mitte bewegt10 und seine kritische Haltung zu den Folgen des Freihandels abgeschwächt. Nach Ansicht von Handelsexperten hat die Bedeutung der Themen Freihandel und Globalisierung ohnehin ihren Zenit bei den Vorwahlen in den swing states – den besonders hart umkämpften Bundesstaaten wie Ohio, Michigan und Pennsylvania – überschritten.11 Barack Obama, der seinen Vorsprung bei der Wirtschaftskompetenz vor seinem Konkurrenten verloren hat, profitierte bislang nicht zuletzt von der schwächelnden Wirtschaft, die auch der derzeitigen Administration angelastet wird. Darüber hinaus hatte ihm John McCain im Vorwahlkampf Schützenhilfe geleistet, als er eingestand, dass er von Wirtschaftsthemen mehr verstehen sollte, als dies der Fall ist. Wenn Obama die Wähler davon überzeugen kann, dass die von ihm geforderten staatlichen Ausgaben zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft12 auch eine Investition in die Zukunft sind, könnte er bei seiner Wirtschaftskompetenz Boden gutmachen. Wer setzt sich mit seinem Wirtschaftskonzept durch? Nach den neuesten Umfragen trauen die Wähler John McCain mehr Wirtschaftskompetenz zu als seinem Herausforderer, der allerdings im Vormonat Juli noch die Nase vorn hatte. Zudem könnte McCain von einer sich verschlechternden Wirtschaftslage weiter profitieren. Eine wachsende Zahl von Demokraten – vor allem in den swing states – befürchten nämlich, dass ein gravierender Abwärtstrend der Wirtschaftsentwicklung leicht als eine nationale Sicherheitskrise wahrgenommen werden könnte, deren Lösung man nicht einem Neuling, sondern eher einem – vor allem in Sicherheitsfragen – erfahrenen Politiker anvertrauen will. Möglicherweise wird auch die Nominierung der jeweiligen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft mit darüber entscheiden, welchem Bewerber die Wähler im November die größere Wirtschaftskompetenz zutrauen. 9 Das Programm sieht eine Unterstützung von Arbeitnehmern vor, die durch Freihandelsabkommen ihren Arbeitsplatz verloren haben. 10 Dies spiegelt sich auch in der Nominierung seines Wirtschaftsberaters Jason Furman wider, der vom ehemaligen Finanzminister unter Bill Clinton, Robert Rubin, protegiert wurde. Rubin gilt als handels- und Wall Street-freundlich. 11 Die Verlagerung von Arbeitsplätzen aufgrund der Globalisierung war in diesen Bundesstaaten ein wichtiges Thema bei den Vorwahlen. 12 Dazu gehören vor allem Investitionen in die Infrastruktur, eine Reform des die Unternehmen zunehmend belastenden Gesundheitswesens sowie höhere Ausgaben für Bildung, insbesondere für eine qualifizierte Weiterbildung. 3