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PDF aus image hifi 5/2012 image hifi Lautsprecher Rega RS-10 Autor: Helmut Hack Fotografie: Rolf Winter Bald Klassiker: Die kleinen Strolche Regalboxen? – Muss das sein? – Wie bitte? – Ach so, Rega-Boxen! Immer her damit. PDF image-hifi.com 5/2012 Bekannt ist Rega für die cleveren und günstigen Teile, die den Erfolg des unkonventionellen britischen Unternehmens ausmachen, seit Roy Gandy 1973 seinen ersten Plattenspieler auf eigenen Schultern in die Serienfertigung stemmte wie Atlas den Erdball in den Himmel. Der pfiffige Dreher hieß Planet und war so weit reduziert, er besaß nicht mal einen Teller. Aber man kann in Southend-on-Sea auch ganz anders: In den letzten Jahren steht mehr und mehr prestigeträchtiges und teures High-End auf dem Programm, wie der Osiris-Amp oder Isis-CD-Player, den es als Isis Valve sogar mit Röhrenausgangsstufe gibt. Ich weiß das so genau, weil beide Geräte ungefragt als Bonus zum Test der RS-10 angeliefert wurden. Vermutlich weil man beim deutschen TAD-Vertrieb so unbändig stolz darauf ist. Nicht zu Unrecht, das sind sehr edle Komponenten mit eigenständigem, spartanischem Design. Aber nicht billig. Es sei denn, man vergleicht sie mit dem, was Accuphase aufgefahren hat (Test ab Seite 44). Aber selbst wenn die spontane Liebschaft der RS-10 mit der Edelelektronik aus Yokohama unüberhörbar war, es war kein großer Schritt zurück zu Isis Valve und Osiris. Nebenbei bemerkt, sehr fantasievolle und treffende Namen; müssen die Lautsprecher unbedingt RS-10 heißen? Horus wäre doch passend. Jedenfalls hatte das Götterpaar aus der griechischen Mythologie nicht ganz die Luft, um so tief auszuatmen wie die japanischen Verstärker-Boliden, sie gingen mit ihrer Farbpalette etwas sparsamer um, setzten aber dennoch glanzvolle Akzente. Mit der RS-10 verschmolzen sie förmlich zu einer Einheit, spielten schnell, geradlinig und mit Gefühl. Im Verhältnis Klang pro Euro haben die angelsächsischen Langnasen selbige vorne. Wobei ich – um ehrlich zu sein – die Rega-Kette überwiegend bei mir zu Hause mit einer kompletten Kabelage von Musical Wire gehört habe, während die dicken Schiffe im Redaktions-Hörraum rangierten. Das stellt aber lediglich eine semipermeable Trennung dar, anfangs stand die RS-10 lange in der Redaktion, später machte sie mit der P-6100 von Accuphase eine Kemenate aus meinem Hörraum. Im Austausch verlor ich die dicken LS-Kabel an die Gamut M7 und sogar der Schumann-Resonator (ich verrate noch nichts – „Bleibt in Schwingung!“, würde Winfried Dulisch sagen) hatte einen Interimsaufenthalt im image-Hörraum. 360°-Grad-Ansicht unter image-hifi.com Herzstück der zierlichen Standbox ist der Balanced Mode Radiator, kurz BMR, der in Alu gefasste Treiber mit flacher Membran. Um dieses Chassis herum, das eigentlich einen Breitbänder darstellt, der zwischen 100 und 20 000 Hz einen relativ linearen Frequenzgang aufweist, wurde die RS-10 konstruiert. Im Gegensatz zu den Basschassis' und dem Hochtöner ZRR-10, dessen Gewebekalotte direkt an der Frontplatte befestigt ist, ist der BMR keine Eigenentwicklung und wird auch nicht bei Rega gefertigt. Er entsteht unter Lizenz in China und wird in dieser Form, der sogenannten Inventor-Series, weltweit ausschließlich von der britischen Firma Cotswold Sound Systems vertrieben. Ihr steht Dr. Graham Bank vor, der den BMR Mitte des vergangenen Jahrzehnts, damals noch als Direktor von NXT, auch der Weltöffentlichkeit vorstellte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Karl-Heinz Fink und Naim nicht viel später, glaube ich, einen ganz ähnlichen Treiber entwickelt haben. Der BMR macht mit seinem nicht sehr verwindungssteifen Kunststoffkorb und dem kleinen Neodym-Magneten nicht eben großspurig auf High-End, hat es aber faustdicker hinter den Ohren, als seine geringe Einbautiefe vermuten lässt. Eine Art Hybrid aus dynamischem Lautsprecher und Biegewellenwandler soll das sein. Das klingt nach der Quadratur der Sinuswelle und mithin reichlich kurios, denn herkömmliche Membranen wandeln elektrische Impulse in kolbenförmige Auslenkungen, die wiederum Luft anregen, Biegewellenwandler hingegen sind auf eine starre Aufhängung angewiesen, um effektiv partiell schwingen zu können. Eine weiche Sicke konterkariert ihr Funktionsprinzip. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Breitbändern, die mit sehr hart auf- Original noch schöner: die schmale RS-10 mit makellosem, paargleichem Hochglanzfurnier und charakteristischem Kleeblatt auf der Flanke 5/2012 image-hifi.com PDF Lautsprecher Rega RS-10 Alle für einen: Die konventionellen Tieftöner mit verschiedenartigen Papiermembranen und der geschlossene Tweater stehen dem BMR (Balanced Mode Radiator, oben rechts) letztlich nur zu Diensten. Er ist der Star des Ensembles PDF image-hifi.com 5/2012 Ein 125-mm-Tieftöner mit Raufaser-Papiermembran arbeitet in einer geschlossenen Kammer und übernimmt ab 120 Hz … … darunter setzt Rega auf einen größeren Treiber mit Transmissionslinie. Richtung Mittelpunkt ist er fester und dunkler beschichtet Gut zu erkennen: die partielle Erhöhung der Masse durch aufgeklebte Gummiflecken und die Wabenstruktur der BMR-Membran 5/2012 image-hifi.com PDF Lautsprecher Rega RS-10 Wurde hier bei der Endmontage etwas vergessen? Ist das ein Bassreflex-Rohr oder ein Service- bzw. Belüftungsschacht? Alles falsch! Bei der Aussparung handelt es sich um das Ende einer behutsam mit Schafwolle gedämmten Transmissionslinie PDF image-hifi.com 5/2012 gehängten Konusmembranen ein ähnliches Ziel verfolgen, aber alle bekommen zum oberen Frequenzende hin ein mehr oder weniger großes Problem: Der Klang zerfasert, weil die Membran unkontrolliert flirrt oder flattert. Einen Frequenzgang wie den des BMR sieht man bei Full-Range-Chassis nicht alle Tage. Das schau' ich mir genauer an: Was hier als Membran bezeichnet wird, ist eher ein Paneel aus Papier, wobei zwei kreisrunde Scheiben eine wabenförmige Struktur zwischen sich einschließen – von hinten sieht es aus wie ein Bierdeckel aus Wellpappe. Aus dieser Perspektive fallen auch die Gummiplättchen auf, die einzeln oder doppelt an definierten Punkten die Schwungmasse erhöhen. Von vorne betrachtet hängt die Membran – ich bleibe jetzt einfach dabei – ganz konservativ in einer Gummisicke, welche ihr allerdings nur sehr wenig Hub gönnt. So schwingt sie im unteren Frequenzbereich kolbenförmig und zu höheren Frequenzen hin, wenn sie ihre Eigenresonanz erreicht, nur partiell und kontrolliert in sich. Mehrere Schallzentren auf engstem Raum sollen die starke Bündelung gängiger Hochtöner aufheben und damit für eine insgesamt breiter empfundene Abstrahlcharakteristik sorgen, bei gleichzeitiger Wahrung der Punktschallquelle. Aber welchen Schalldruck kann man von einer achteinhalb Zentimeter durchmessenden Scheibe erwarten, selbst wenn sie das Volumen einer geschlossenen Kammer nutzen kann? Um diesen Punkt abzuhaken: Die RS-10 konnte den Hörraum locker füllen, aber obwohl sie nie auffällig dünn klang, wollte ich dennoch wissen, wie sie sich in meinem mit zwanzig Quadratmetern nur etwa halb so großen Zimmer verhält. Sie bevorzugt keinen der Räume, ich sah mich lediglich dazu veranlasst, das Environment Settings Match-Netzwerk (ESM) zu bemühen, das den Pegel der Mitten und Höhen verändert und so für eine intensivere oder moderatere Basswiedergabe sorgt. „Diese Einstellungen sind messtechnisch nur sehr klein“, sagt Michael Stops, einer der beiden verantwortlichen Entwickler, „machen aber einen Unterschied, wenn man zuhört.“ Abgesehen davon fühlte sie sich bei mir zu Hause mit innenliegenden Basstreibern deutlich wohler, im image-Hörraum mit größerem Abstand zur Seitenwand schien ihr das schnuppe, es entschied lediglich zwischen einer kompakteren und konturierten Bühnendarstellung und einer ausladenden, die aber immer noch in den Raum „passte“. Die Bambi Molesters mit „As the Dark Wave Swells“ von der gleichnamigen CD (Glitterhouse, CD 944582) gerne im Breitwand-Sound, Nick Drakes Pink Moon (die ich nur gehört habe, um einen unfreiwillig komischen CD-Tipp von Seite 189 wieder aus dem Ohr zu spülen) Komplizierte Weichenstellung: 12 dB zwischen Hoch- und Tiefton, der BMR erhält einen Bandpass gerne mit schmaleren Schultern, wenn's keine Mühe macht. – Verflixt, ich hab' ja gar keinen Assistenten. Mit anderen Worten: Sie hören den Ring von Wagner gerne in Originallänge und -größe, drehen sie das dreiblättrige Kleeblatt nach außen, oder nach innen, wenn bei Ihnen Cash in der Repeat-Schleife hängt. Weitaus wichtiger und momentan auch interessanter ist hingegen die Wirkungsweise der Basstreiber, die erst mal unnötig kompliziert aussieht, sich aber auditiv äußerst sophisticated präsentierte. Ich habe aufmerksam hingehört, weil ich nicht glauben wollte, dass man zwei nach unterschiedlichen Prinzipien arbeitende Bässe zu einer Einheit formen kann. Aber es geht, ganz ohne Weiche, die Bässe suchen sich ihre Frequenzbereiche ausschließlich aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften. Der größere Treiber pumpt einen profun- den, knochentrockenen Tiefbass durch seine Viertelwellen-Transmissionslinie und der 125-mm-Konus mit grobstrukturierter Papiermembran schwingt sich vollkommen bruchlos bei 120 Hz ein, um die Lücke zum BMR zu schließen. Ich finde diese Konstruktion noch faszinierender als die des BMR, da nach meinem Verständnis der kleinere Treiber viel schneller sein müsste, als der größere und trägere. Tatsächlich zeigt die Impulsantwort der beiden auch einen leichten Zeitversatz, den man aber aufgrund der sehr knapp bemessenen, geschlossenen Kammer für das flinkere Chassis unter Kontrolle habe. So zumindest die Aussage von Michael Stops, dem ich nicht zu widersprechen wage, selbst wenn ich bislang der Meinung war, ein kleines Gehäuse erhöhe die Geschwindigkeit eines Treibers. Möglicherweise sorgen unterschiedliche Membrangewichte für einen Ausgleich. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die RS-10 im Tiefton meisterhaft abgestimmt ist, weit hinabreichend, impulsfest und ohne jede Dröhnneigung, aber mit einer leichten Präferenz des Grundtons, der dem BMR einen sicheren Stand verleiht, wenn er ausgewogen durch die Mittellagen balanciert wie ein Seiltänzer auf dem Einrad. Als ob RS für Rennsport stünde, hängt die Box in diesem Bereich am Gas. Die RS-10 zeichnet sich durch die geschlossene Wiedergabe eines guten Breitbänders aus, punktet darüber hinaus jedoch mit einem 5/2012 image-hifi.com PDF Bi-Wiring oder Bi-Amping? Go ahead! Über eine Steckbrücke lassen sich Mitten und Höhen an den Bass anpassen. Spikes mit Kontermuttern in Auslegern garantieren einen festen Stand ausgewogenen Frequenzgang auch außerhalb der Achse und unzweifelhaften grob- wie feindynamischen Fähigkeiten. Brachial zu geht es mit „Platz da“ von den Fehlfarben, wo heftige Synthie- und Bassattacken auf sägende Stromgitarren und schrillen Schreigesang treffen (Xenophobie, Tapete Records, CD 963352). Nicht schön, aber notwendig, vor allem textlich. Die RS10 ist keine Radau-Box vom Schlage einer Klipsch, aber sie folgt dem schnellen Rhythmus behende und legt ein Pfund in den Tiefton, dass man glaubt, ein Subwoofer sei am Werk. Einzig im Übergang zum Hochtöner, der sich bei 6 kHz ungewöhnlich spät einkoppelt, scheint sich mir vor allem in komplexen Passagen eine leichte Unsauberkeit einzuschleichen. Nur eine Marginalie, die ich überdies nicht einmal konkret festmachen kann, es könnte mit einer Phasendrehung oder dem Aufbrechen der Punktschallquelle zusammenhängen, auf das ich vielleicht übersensibel reagiere. Alles in allem ist die RS-10 ei- PDF image-hifi.com 5/2012 ne Traumbox für PRAT-Fetischisten, sie beherrscht aber auch die emotional ansprechende Tonalität im wichtigen Mittenbereich. Bleibt mir nur noch, den Namen des zweiten Entwicklers zu enthüllen: Roy Gandy persönlich, der sich und uns zum baldigen 40jährigen Rega-Jubiläum im Voraus reich beschenkt hat. xxxx Lautsprecher Rega RS-10 Funktionsprinzip: 3-Wege-Standlautsprecher Wirkungsgrad: 88 dB/W/m Nennimpedanz: 6 Ohm Bestückung: 125-mm-Tieftöner (geschlossene Bauweise, 200-mm-Tieftöner (TML), BMR-Breitbandchassis, rückwärtig geschlossener Kalottenhochtöner Besonderheiten: Breitbänder mit Bass- und Hochtonunterstützung, 2 Basstreiber mit unterschiedlicher Eigenresonanz, Environment Match Settings Ausführungen: Kirsche oder Walnuss hochglanzlackiert Maße (B/H/T): 20 (30 an der Basis)/100,5/44 cm Gewicht: 38 kg Garantiezeit: 2 Jahre (mit Registrierung 3 Jahre) Paarpreis: 10 000 Euro Kontakt: TAD Audiovertrieb GmbH, Aich 3, 83112 Frasdorf, Telefon 08052/9573273, www.rega-audio.de xxxx