Hasta Bananas
Transcription
Hasta Bananas
Otti Schmid Hasta Bananas T. O . P. BOOKS 3. Auflage © 2000 T.O.P. Books GmbH Consulting: Rosenfluh Publikationen, Neuhausen am Rheinfall DTP, Layout und Umschlagsgestaltung: Willum Møller Lektorat: Urs von Schroeder Fotos: Otti Schmid Illustrationen: Klaus Beerli Druck: stamm+co, Schleitheim ISBN 3-9521225-4-8 Hasta Bananas Inhalt Willkommen an Bord Viel Vergnügen Panamakanal 1995 Pinguine am Äquator So sieht die Hasta Mañana aus Ziel Marquesas Tahiti: Perle in der Südsee? Macht Langstreckensegeln wirklich Spass? Tiere an Bord: Freud und Leid Ende des «Coconut Milk Run» Tonga-Rally Samoa – oder im Paradies gefangen Als Einhandsegler unterwegs Schnupperlehre in melanesischer Kultur Ziel Australien Auf Schusters Rappen 60 Jahre Otti Das Starboot Die Südsee hält mich gefangen Black Justice Vanuatu: Hemi namba wan gud ples Salomoninseln und zurück nach Australien Korallenküste ARC- und Tonga-Rally: Teilnehmerliste Nautische Erläuterungen Notebook; Kontakte 9 11 13 27 33 37 47 53 59 69 103 111 119 129 137 145 155 167 169 181 191 207 223 235 238 240 Willkommen an Bord D ieses Buch widme ich meinen Eltern: Meiner geliebten Mutter Hanna, die im Altersheim in Stein am Rhein lebt und sich zum 80. Geburtstag wünschte, mit mir Hongkong zu besuchen, bevor es die Chinesen 1997 übernahmen. Auch meinem Vater Otto, der 1990 verstarb und noch im Alter von siebzig Jahren bis zu acht Stunden pro Tag im Sattel eines Pferdes zubrachte um noch unbedingt im Yukon (Kanada) eine Schneeziege zu schiessen. Der ausgestopfte Kopf dieses Tieres hängt noch immer in meinem Haus in Hemishofen. Ich bedanke mich bei ● Dr. Richard Altorfer für seine Spontanität, sein Interesse und dafür, dass er mit seiner Rosenfluh Publikationen GmbH das T.O.P. (The Otti Project) ankurbelte und dieses Buch ermöglichte. ● Willum Møller, Gestalter in diesem Verlag, Mitglied des Yachtclubs Schaffhausen (YCS), Modellbauer und (Star-)Segler. Er war es, der die Idee hatte, meine Aufzeichnungen, die jeweils in den YCS-Mitteilungen erschienen waren, in einem Buch zu binden. Er überzeugte mich mit den Worten: «Es ist spannend, und die Arbeit soll uns Spass machen!» ● Thesi Schröckel, die mir mit ihrer Bemerkung «Schreib mir doch mal was von deiner Reise» den eigentlichen Anstoss gab, überhaupt etwas aufzuschreiben. Meine Artikel landeten bei ihr und später ohne Kürzungen in den von ihr redigierten YCS-Mitteilungen. Sie freute sich ungemein ob den herrlichen Briefmarken aus der Südsee. ● Urs von Schroeder, meinem nachsichtigen und geduldigen Lektor, für seine Hilfe, dieses Buch lesbarer zu machen. 9 Manfred Müller, dem stellvertretenden Verlagsleiter, der das Sekretariat und die T.O.P. Books GmbH umsichtig und sachkundig betreut. ● Klaus Beerli, der mit seinen treffenden und bissigen Karikaturen in den YCS-Mitteilungen viel dazu beitrug, meine «Berichtli» zu verschönern. ● Walo Hauser, dem Präsidenten des YCS, der – ohne den Zensurstift anzusetzen – die YCS-Mitteilungen jeweils absegnete. ● Meiner Schwester Dor, die sich während meiner Abwesenheit um meine Angelegenheiten in der Schweiz kümmert(e). ● Otti Schmid 10 Viel Vergnügen W arum beginnt das vorliegende Buch erst beim Panamakanal? Das hat seinen ganz besonderen Grund. Erst nach dem Passieren dieses Kanals und nachdem die «Hasta Mañana» im Pazifik schwamm, hatte ich wirklich das Gefühl, weg zu sein: weg von Europa, der Schweiz und von zuhause. Nach fast dreissig Jahren Tätigkeit als Linienpilot bei der Swissair erscheinen mir Länder, die in einem zehn- bis zwölfstündigen Nonstop-Flug erreichbar sind, gleich um die Hausecke zu liegen … Lossegeln, vorausschauen, einen Traum verwirklichen, just do it, es wird schon irgendwie gehen, sogar eine Weltumsegelung. Das sind zweifellos alles Schlagworte. Vielleicht genügen schon etwas Neugier und Fernweh, um die gewohnten Reviere zu verlassen, aufzubrechen zu neuen Ufern, mit Zielen, die erreichbar sind, mit einer Planung, die keine Planung ist, sondern Raum lässt für spontane Entscheide. Wie spannend ist es doch, aufzubrechen und selbst zu schauen, wie es ist: ohne sich allzuviel zu denken und ohne auf vielleicht negative Berichte zu hören. Natürlich sind die Gesetze der Natur zu respektieren: Es müssen Wetterentwicklungen berücksichtigt oder eine Zyklonsaison vermieden werden. Weil der Wind meistens aus Osten weht, ist es angenehm, einer Route in westlicher Richtung zu folgen. Keine Crew zu haben, kann auch ein Vorteil sein. Als Einhandsegler erlebt man die Bewohner einer Inselgruppe völlig anders als eine mehrköpfige Besatzung. Wenn man allein ist, gibt es auch nur eine Meinung an Bord. Brauche ich eine Crew, so gibt es genügend Bekannte, die ein Stück mitsegeln wollen. Noch besser ist es meiner Ansicht nach, gerade dort jemanden zu suchen, wo ich aus welchem 11 Grund auch immer eine Crew brauche. Sinnigerweise gibt es mit einer fremden Person an Bord meistens weniger Konfliktstoff als mit einer bekannten. Natürlich braucht es ein seetüchtiges Segelboot, das den persönlichen Ansprüchen und dem Budget gemäss ausgerüstet ist, dazu die nötige Zeit und genügend Geld. Es gibt aber auch Möglichkeiten, mit wenig Geld per Segelboot in den Pazifik und in die Südsee zu kommen, nicht zuletzt als «Bootstopperin oder Bootstopper» und damit als «Hand gegen Koje». Lesen Sie im vorliegenden Buch, wie es mir während der vier Segelsaisons 1995–1998 im Pazifik ergangen ist, wie ich dazu kam, wegzusegeln und wie alles anfing. Sailing is fun. Jedenfalls empfinde ich diese Art des Reisens als viel, viel schöner, als ich in meinen kühnsten Träumen erwartet hatte. Ich wünsche Ihnen beim Lesen und beim Träumen von fernen Ländern und ihren Bewohnern viel Vergnügen. Otti Schmid 12 Panamakanal 1995 oder «Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön» V erdammt nochmal! Das darf doch einfach nicht wahr sein! Und trotzdem – all mein Fluchen nützt nichts – es ist wahr. Ebenso wenig lässt sich daran etwas ändern. Mit Beamten zu argumentieren, ja auch nur Fragen zu stellen, bringt nichts. Wir liegen beim Kanal bereit, aber per Funk wird unser Transit wiederum abgesagt. Bereits zum zweiten Mal und nach drei Verschiebungen. Wir motoren zurück und belegen die «Hasta Mañana» bei strömendem Regen beim «Panama Canal Yacht Club» am Steg. Dabei sind wir gierig darauf, die Karibik hinter uns zu lassen, den berühmten Kanal zu durchqueren, in die Weiten des Pazifiks vorzustossen und dorthin zu gelangen, wohin ich schon immer wollte: in die Südsee. Meine beiden Crewmitglieder, Smita und Mick, scheinen es gelassener zu nehmen. Im Gegensatz zur mir. Ja, ich fühle mich saumies. Warum eigentlich? Haben wir nicht Zeit im Überschwang? Sollte ich nicht längst vergessen haben, dass wir nicht mehr in Europa sind? Knurrend schicke ich mich ins Unabänderliche. Und alles geht wieder von vorne los: Traffic Control in Panama anrufen. Der Mann am Telefon wird sich wie immer über den Namen meiner Yacht ergötzen. Wir versuchen, möglichst bald einen neuen Termin zu kriegen. Es heisst: Einen Tag warten und nochmals anrufen, bis der neue Termin bestätigt wird. Wir müssen am nächsten Samstag, morgens um 0440 Uhr beim Kanal bereit sein, um den Lotsen aufzunehmen. Wir werden um 0400 Uhr auslaufen, mit zusätzlich zwei angeheuerten «Linehandlers» an Bord: Mauricio und Armando. Die Kosten belaufen sich 13 auf fünfzig Dollar pro Mann und Transit. Die vier Leinen à 35 Meter haben wir ebenfalls für fünfzig Dollar gemietet. Ansonsten sind wir im PCYC gut aufgehoben. Die Stadt Colón gilt als unsicher. Man ist gut beraten, schon hinter dem Klubhaus ein Taxi zu schnappen, um in die Stadt zu fahren. Heben wir auf einer Bank Geld ab, lassen wir jeweils ein Taxi vor dem Haus warten. Trotzdem geniesse ich die quirlige Stimmung in diesem tropischen Schmelztiegel verschiedener Menschenrassen. Abends bin ich unterwegs. Auch in der Bar des PCYC ist nachts etwas los. Es sind viele Einheimische da, die gerne auf Besuch an Bord kommen. Meine Crew, Smita und Mick, kennen mich inzwischen und müssen in Kauf nehmen, dass sie manchmal im Schlaf etwas gestört werden. Das Warten auf einen Transit ist jedenfalls kurzweilig. Hier liegt auch ein Brief Peter Kägis an die «Hasta Mañana». Er schreibt mir über seine Erfahrungen bei der Kanalpassage mit seiner «Paros» von Basel, einer Wibo II von 31 Fuss Länge. Von Beruf Bauführer, kommt Kägi von Turbenthal und ist mit Iris, einer Freundin aus Deutschland, unterwegs. Ich hatte die beiden vor dem «Atlantic Rally for Cruisers» (ARC) in Las Palmas kennengelernt. Der Papierkrieg ist erträglich: Er benötigt einen Tag. Das «Admeasurement» (Vermessung der Yacht zwecks Gebühren) ergibt eine Taxe von 225 Dollar. Das ist akzeptabel, zumal darin eine Reserve von etwa 40 Dollar enthalten ist, die mir nach erfolgter Passage tatsächlich in die Schweiz überwiesen wird. Danach heisst es Einklarieren für Panama. Wir müssen für 77 Dollar die panamaische Cruising Permit besorgen, die Zollformalitäten erledigen und gleich wieder ausklarieren, was hier erlaubt ist. In Balboa, nach dem Passieren des Panamakanals, wollen wir nur kurz bleiben, um unsere Vorräte aufzustocken. Als nächsten Hafen, den wir nach Balboa anlaufen werden, geben wir Puerto Ayora auf den Galapagos-Inseln an. Meine jungen Mitsegler Smita und Mick sind aus Deutschland. Beide haben ihr Studium abgeschlossen, sie in Biologie und er in biologischer Landwirtschaft. Sie wollen nach Australien oder Neu- 14 seeland; Smita möchte dort ihr Wissen in Meeresbiologie erweitern und wenn möglich doktorieren. Um die Distanz zu erleben, haben sie sich in Deutschland entschlossen, die Reise an Bord eines Segelbootes anzutreten. Sie starteten in Holland, und die «Hasta Mañana» ist ihr viertes Boot. Beide sind herrlich unverdorben und voller Begeisterung. Ich traf sie am Karneval von Trinidad. Blenden wir etwas zurück. 1986 fand erstmals – mit dem Start in Las Palmas und dem Ziel in Barbados – das «Atlantic Rally for Cruisers» (ARC) statt. Heute ist das Ziel nicht mehr Barbados, sondern die Rodney Bay in St. Lucia. Am Start melden sich meist über 150 Boote. Im Anschluss an das ARC 94 wurde auf der lebensfrohen Insel St.Lucia noch eine geschlagene Woche gefeiert. 149 Boote waren mehr oder weniger unbeschadet über den Atlantik gekommen. Die Swan 68 «Hissar» segelte nach Schäden am Rigg direkt nach Antigua zur Reparatur. Eine andere Crew der Zeitschrift«Yachting World» musste mit ihrer «Dash» wegen gravierender Schäden nach dem Start nach Las Palmas zurückkehren. Auf Wolfgang Konigers First 38 «Belle de Vienne» brach das Ruder. Die Crew musste sich mit einer Notlösung behelfen, konnte aber St.Lucia verspätet erreichen. Auf der 43-Fuss-Ovni «Diamond of Malta» ereignete sich ein gefährlicher Zwischenfall: Skipper Bernt Schwarzhaupt fiel bei einer Reparatur über Bord. Bis die übrige Crew das Schiff gewendet hatte – sie musste noch zuerst das Steuerrad montieren – verging über eine halbe Stunde. Sie hatte jedoch die GPS-Position und konnte Bernt auffischen. Auch auf unserem Boot hatten wir bei Halbzeit einen Zwischenfall, der glücklicherweise ohne schwerere Folgen verlief. Bei einem misslungenen Halsemanöver küsste mich unser Grossbaum an Stirn und Nase. Ich überlebte dieses Missgeschick blutverschmiert und mit einer schmerzhaften Prellung am rechten Schienbein, die einen Besuch im Hospital von Castries in St. Lucia erforderlich machte. Schliesslich war die Baltic 43 «Niinemari» Erste im Ziel (nach 15 Handicap): mit einer Zeit von 17 Tagen für die Überquerung. Dies, nachdem zwei Yachten der Racing Division wegen Regelverstössen ausgeschlossen worden waren. Bevor ich in Las Palmas gestartet war, hatte ich die Engländerin Philippa – genannt «Pippa» – getroffen. Sie suchte ein Boot, auf dem sie Hand gegen Koje, also Handanlegen gegen ein Gratisbett, den Atlantik überqueren konnte. Üblich ist, dass der Skipper einen Nahrungsmittelbeitrag verlangt. Pippa war vor dem ARC an der Pier aufgetaucht: «Do you need a crew for the crossing?» fragte sie. Mit auf meinem Boot war damals auch mein Schwager Reini. Weil dieser kaum englisch spricht, erkundigte ich mich bei Pippa, ob sie Französisch- oder Deutschkenntnisse hatte. Sie bejahte. So wurden wir einig, und sie kam an Bord. Reini ist zehn Jahre jünger als ich. Mit ihm war ich schon jahrelang Starbootregatten gesegelt. Er war mein Vorschoter und bediente die Fock, ich war der Steuermann. Reini betreibt ein Sanitärgeschäft in Wagenhausen. Leider lebt er heute – sie heirateten 1980 und haben zwei Kinder – von meiner Schwester Dor getrennt. Nun lag das ARC hinter uns, wir waren in St.Lucia, und ich hatte ein Problem. Einerseits wollte Pippa noch etwas auf meinem Boot bleiben. Anderseits hatte ich die Bekanntschaft von Rosie gemacht, einer Mastriggerin aus Kanada. Mit ihr wollte ich nach meinem Weihnachtsurlaub in der Schweiz in Richtung Süden zum Karneval von Trinidad segeln, sobald ich wieder zurück war. Zusammen mit Reini erkundeten wir die wunderschöne Insel mit Bananenplantagen, einem intakten Regenwald und dem Wahrzeichen: den Pitons. Kaum war Reini weg, zog Rosie in seine Koje, obwohl mich Reini bei seiner Abreise ermahnt hatte: «Du wirst doch wohl kaum den beiden Frauen dein Boot anvertrauen!» Was sollte daran schlecht sein? Jedenfalls flog ich auch bald ab: zum Weihnachtsfest mit meiner Mutter, Tante Elsi und meinen beiden Söhnen Oliver und Ronald in 16 Hemishofen. Den unteren Teil meines Hauses hatte ich inzwischen Corinne Ghisletti vermietet, aber ich lieh mir das Wohnzimmer für diesen Abend aus. Meine Mutter wollte wissen, warum ich einen so lausigen Christbaum ins Wohnzimmer gestellt hatte. «Den habe ich heute nachmittag in meinem Wald geschlagen. Der musste ohnehin weg, weil er zu wenig Platz zum Gedeihen hatte,» beruhigte ich sie. Kaum war der 79. Geburtstag meiner Mutter am 23. Januar 1995 gefeiert, dachte ich ans Zurückfliegen. Was sich meine Mutter zum Geburtstag gewünscht hatte? «Ich möchte mit dir nach St.Lucia fliegen und mit dir zwei Wochen Badeferien machen. Das Hotel ‹St.Lucian› liegt in der Nähe der Marina.» Das wusste sie von meinem Bruder Hansruedi, der dort schon Ferien zusammen mit seiner Frau Lisbeth verbracht hatte und begeistert war. Eine alte Lockheed Tristar von British West Indian Airlines (BWIA) brachte uns sicher über Antigua, Barbados nach St.Lucia, bevor sie nach Port of Spain in Trinidad weiterflog. Kurz vor dem Abflug hatte ich einen Fax bekommen: «My name is Linda, I would like to sail with you to Trinidad – Pippa and Rosie left your boat a few days ago – I am now living on your boat!» Kaum hatten wir unser Hotelzimmer im «St.Lucian» bezogen, machte ich mich mit meiner Mutter zur nahen Marina auf, um mir meine neue Crew anzuschauen. Eine blonde Engländerin streckte ihren Kopf aus dem Niedergang, nachdem wir an die «Hasta Mañana» geklopft hatten. «Hello, nice to meet you», begrüsste sie uns. Am 6. Februar trafen dann noch mein Sohn Oliver und seine Freundin Christine ein. Sie wollten bis Trinidad mitsegeln. Und da war noch, fast hätte ich es vergessen, der Österreicher Herbert. Er hätte hier ein Boot treffen sollen, doch dieses war aus unerfindlichen Gründen schon weg. Ich bot ihm an, auf meinem Boot zu leben, bis meine Mutter abgereist war. Ich genoss die Zeit mit meiner Mutter am Strand und unter Palmen. Dabei kam zwischen uns eine bisher nie gekannte Wärme auf. Sobald sie abends eingeschlafen war, machte ich mich auf, mich in der hoteleigenen Disco zu vergnügen. Mit dunklen Frauen zu heissen Karibikrhythmen zu tanzen, war sehr erregend. Sie kannten keine Scheu und gaben ihrer Sinnlichkeit freien Lauf. Im Takt der Musik pressten sie mit ondulierenden 17 Bewegungen ihre Pobacken gegen mein Becken. Damit verfehlten sie – Gesetz der Natur – natürlich ihre Wirkung nicht. Sie waren auch gerne bereit, für ein kurzes Schäferstündchen an den nahen Hotelstrand zu verschwinden. Wirklich, so etwas hatte ich bisher noch nie erlebt! Nach einem ergreifenden Abschied von meiner Mutter, die in die Schweiz zurückflog, machte ich mich wieder auf den Weg zum Boot. Es war nun ziemlich belegt mit mir, meinem Sohn mit Freundin und der Engländerin Linda. Dazu hatten wir kurzerhand beschlossen, auch den gestrandeten Österreicher Herbert mitzunehmen. Nach dem üblichen Einkaufen und Auftanken erreichten wir am 13. Februar eine der wohl schönsten Ankerbuchten der Welt, die Marigot Bay. Dann folgten wir der Küste bis Soufrière, gingen vor Anker und bestiegen am nächsten Morgen den kleinen Piton (750 ü. M.). Wir schafften das mit einem Führer in eindreiviertel Stunden. Die Aussicht war schlichtweg überwältigend. Tief unten lag unser Boot. Am Abend, nach einem Fischmahl, verabschiedeten wir uns von Herbert, der auf ein Tauchboot wechselte. Ich genoss es, meinen Sohn an Bord zu haben, auch, dass er sichtlich Freude an dieser Reise und am Segeln fand. Auch Christine gefiel ihre erste Segelreise. Zusammen bildeten wir eine gute Crew. Linda entpuppte sich als erfahrene Seglerin. Sie war es auch, die jeweils von einem Fischer gekaufte Lobster mit einem gezielten Stich in den Hinterkopf tötete, bevor sie in der Pfanne landeten. Wir folgten der üblichen Route nach Süden über Bequia, Mustique (die Millionärsinsel) und Mayreau. Herrliche Segeltage reihten sich aneinander. Sogar Fische bissen sich an unserer Schleppangel fest und landeten wenig später auf dem Grill. Nach den Tobago Cays folgten Union Island, Petit St. Vincent, dann segelten wir in einem Nachttörn östlich an Grenada vorbei und in die Chaguaramas Bay zum Einchecken für Trinidad. Wir hatten Glück, sogar im Trinidad & Tobago Yacht Club fanden wir einen Stegplatz, 18 geradezu ideal, um bei den Karnevalsaktivitäten hautnah dabei zu sein. Unsere Vorfreude auf dieses Ereignis war gross. Kaum hatten wir Port of Spain erreicht, spürten wir bereits ein leichtes Kribbeln auf der Haut. Der Karneval findet in der bei uns üblichen Fasnachtszeit statt: Sonntag und Montag sind die beiden Höhepunkte. Am Aschermittwoch ist anderswo alles vorüber und vorbei – aber nicht hier: Hier trifft sich männiglich zum Ausklang in der Maracas Bay. Mit dem Auto Beat Lüthis, eines Maître de Cabine der Swissair, den ich hier getroffen hatte, fuhren wir zum Strand. Was für ein Ausklang das war! Die Menge tanzte am Beach und im Wasser zu Musik, die überirdisch laut aus Riesenlautsprechertürmen übers Meer und wahrscheinlich bis nach Afrika schallte. Es war wirklich ein eindrückliches Erlebnis an diesem Karneval, die lebenslustigen und musikalischen Menschen bei ohrenbetäubenden Calypso- und Steelbandrhythmen ausflippen zu sehen. Als sich Christine und Oliver zu ihrem Flug Richtung Schweiz begaben, war ich wieder einmal traurig – aber so ist halt das Seglerleben. Auch für Linda und mich gingen diese herrlichen Tage zu Ende. Wir nahmen Abschied von den netten Serviertöchtern im Restaurant des Trinidad & Tobago Yachtclub und motorten in einer Stunde zur Chaguaramas Bay. Nun begann, kaum waren die Steelbands verstummt, der Ernst des Lebens: Auswassern und Überholen meines Bootes bei den Industrial Marine Services (IMS). Linda half mir noch beim Auswassern, machte sich dann aber daran, mein Boot zu verlassen. Sie begab sich auf einen Backpacktrip nach Venezuela und liess nur etwas Gepäck auf der «Hasta Mañana» zurück, das sie später in Porlamar abholen wollte. Sie hoffte, dort ein Boot zu finden, das nach Antigua segeln würde. Bei der IMS traf ich einmal mehr Peter Kägi und Iris. Sie hatten gerade ihr Boot fertig überholt und warteten aufs Einwassern. Peter war es, der mich schon in St.Lucia auf die Südsee «gluschtig» 19 gemacht hatte. Warum sollte ich in der Karibik bleiben? Alles, was ich verpasst hatte, konnte ich später einmal nachholen. Die Südsee lockte! Smita und Mick, die beiden bereits erwähnten Deutschen, hatten in Trinidad von meinen Plänen gehört und wollten mich bis nach Tahiti in Französisch Polynesien begleiten. Das passte genau zusammen. Es wurde eine lustige Zeit bei der IMS: Sechs Mann waren am Schleifen des Unterwasserteils des Schiffes. Pro Stunde und Mann wurden mir drei Schweizerfranken verrechnet – da lag auch mal eine Bierpause drin. Ein aufgebocktes Schiff. Das war schön. Kein Schaukeln. Man musste nur heil die Leiter rauf und runter kommen. Am Wochenende gab‘s Barbeque, untermalt von einer siebenköpfigen Steelband. Dabei verliebte ich mich auch prompt in eine junge Frau: Robyn aus Trinidad. Wie sie an Bord kam, daran kann ich mich nicht genau erinnern, denn das Bier war in Strömen geflossen. In der ersten Nacht, als ich Robyn etwas «antun »wollte, erteilte sie mir einen klaren Aufttrag: «Lick me!» Alles, was ich bis anhin gelernt hatte, investierte ich in die nächste Viertelstunde. Als auch ich einen kleinen «Auftrag» formulieren wollte, machte sie mir klar: «Fuck yourself!» Da war nichts zu machen, sie schien etwas speziell zu sein! Kein Problem, so schlief ich eben mehr. Ich genoss diese zehn Tage auf dem Trockenen. Wann immer mich Robyn besuchte, brachte sie mehr Kleider mit und liess sie in meiner Koje liegen. Mir schwante Böses. Ich sagte ihr klar, dass ich sie keinesfalls mitnehmen konnte, machte ihr auch keine unhaltbaren Versprechungen, war aber grosszügig und gab ihr Geschenke – sie schien es zu begreifen. Dann ging‘s ans Abschiednehmen. Smita und Mick waren vor ein oder zwei Tagen eingetroffen, und mein Boot war bereit zum Einwassern. Vorsichtshalber beschloss ich, die letzte Nacht in einem Hotel in Port of Spain zu verbringen. Dieses kannte ich schon von einem früheren Besuch mit meiner neuen Freundin. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und so sollte der letzte Abend etwas anders herauskommen, als ich mir das vorgestellt hatte. In einer nahen Bar ertränkten Robyn und ich unseren Abschiedsschmerz. Sie hatte ihren letzten Drink noch halbvoll in der Hand, als sie vor mir die Wendeltreppe zum Zimmer Nr. 1 emporstieg. Kaum 20 waren wir im Zimmer, schmiss sie den Zimmerschlüssel aus dem Fenster. Was sollte das? Sie eröffnete mir, dass sie mich nicht so ohne weiteres ziehen lasse und dass sie in mich verliebt sei. Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber stattdessen knallte sie ihr halbgefülltes Glas auf den Plättchenboden. Es zersprang, Scherben lagen überall. Robyn schnappte sich eine Glasscherbe, ging auf mich los und schrie: «I will kill you!» Ich packte sie an ihren Handgelenken und hielt sie fest. Sie biss mich so wütend in die Handrücken, bis ich blutete. (Als kleines Souvenir ziert noch heute eine Narbe meine rechte Hand.) Nur langsam wurde Robyn etwas ruhiger, und ich machte ihr klar, warum ich sie nicht mitnehmen konnte und wollte. Ich erinnerte sie auch daran, dass wir eine schöne Woche zusammen hatten. Mit einem Badetuch wischte ich die Scherben in die Ecke. Plötzlich hielt Robyn meinen Pass in den Händen, den ich fürs morgige Ausklarieren bei mir hatte. Sie küsste mein Passbild, was ich noch schön fand, aber dann – und das gefiel mir weniger – riss sie diese Seite aus meinem Pass! Ich versuchte, ihr den Ausweis zu entwenden, ohne Erfolg. Statt dessen riss sie Seite um Seite aus meinem Pass, auch die Seite 15, auf der sich mein Visum für Venezuela befand. Nach dieser Tat wurde Robyn etwas ruhiger, ganz im Gegensatz zu mir. Als ich nach einem kurzen Gang zur Toilette wieder ins Zimmer kam, standen die Reste meines Passes am Boden in Flammen! Wütend schrie ich Robyn an:«Wenn du nicht endlich Ruhe gibst, vögle ich dich zu Tode!» «Yes, do it!» lachte sie und präsentierte sich in erotischer Pose. Sofort erregt, machte ich mich ziemlich unsanft über sie her. Sie schrie und stöhnte, und offensichtlich machte ihr das Ganze Spass. Kaum war dieses Intermezzo vorbei, weinte Robyn und bat mich um Entschuldigung dafür, was sie mir mit ihrem Zerstörungswerk angetan hatte. Nur zwei verkohlte rote Deckel waren übrig geblieben – auf einer Seite war das Schweizerkreuz noch knapp erkennbar. Am nächsten Morgen sah ich unten beim Schwimmbad unseren Zimmerschlüssel im Morgenlicht glitzern. Ein Gast warf ihn mir durchs offene Fenster zu. Robyn war friedlich. Zusammen nahmen wir das Frühstück ein. Ich gab ihr etwas Geld, damit sie nach Hause fahren konnte. Natürlich begriff ich ihre Situation: Wie gerne wäre sie aus 21 ihrem nicht gerade verheissungsvollen Leben ausgebrochen, und wäre es auch nur für eine gewisse Zeit gewesen! Sie bat mich nochmals um Entschuldigung und sagte, wie gerne sie mich irgendwann einmal wiederzusehen wünschte. Ich gestehe, ich war erleichtert, es hätte schlimmer ausgehen können. Von anderen Seglern, die einheimische Frauen an Bord mitgenommen hatten, wusste ich, dass sie oft mit Passproblemen zu kämpfen hatten, es sei denn, sie gingen den Bund der Ehe ein. Auch das soll vorkommen! Ich würde wohl das nächste Mal vorsichtiger sein müssen. Als Schweizer im Ausland ohne Pass, ich kam mir ziemlich dumm vor. Im Telefonbuch fand ich einen Eintrag unter Swiss Embassy. Die Dame am Telefon wies mich an, einen Polizeirapport erstellen zu lassen. Die Beamten amüsierten sich köstlich ob meiner Story und schrieben in ihrem Rapport, mein Pass sei mir in einer nahegelegenen Bar morgens zwischen eins und zwei Uhr gestohlen worden. Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, war mir aber egal. Die Hauptsache, ich hatte einen unterzeichneten Rapport. Zwei Passfotos waren schnell gemacht. Anschliessend fuhr ich hinaus zum Schweizer Honorarkonsul: zum Nestlé-Direktor Rolf Frei. Ich füllte einen Antrag aus, bekam einen exzellenten Néscafé vorgesetzt und blätterte hundert Dollar Gebühren auf den Tisch. Herr Frei musste meinen Pass bei Konsul Probst in Caracas beantragen. Auch dieser zeigte sich sehr kooperativ. Er sandte meinen neuen Pass direkt nach Porlamar auf der Isla de Margarita in Venezuela, meinem nächsten Ziel. Das mit dem Visa sei kein Problem, versicherte mir der Konsul, sei es doch in irgend einem venezuelanischen Computer gespeichert. Pippa, Rosie und Linda, die mich ein Stück des Weges begleitet hatten, waren zurückgeblieben. Meine jetzige Crew waren Smita und Mick. Nach dem problemlosen Ausklarieren segelten wir nun endlich mit gemischten Gefühlen in einem Nachttörn von Trinidad los, Richtung Isla de Margarita. In Gedanken sah ich mich nach der Ankunft in Porlamar schon festgenommen und in ein Gefängnis gesteckt. Meine neuen Begleiter mochten sich zu jener Zeit so ihre Gedanken gemacht haben über den Skipper, den sie sich angelacht hatten. Die Sache mit den Papieren 22 war dann allerdings nur halb so schlimm. Zwei Tage nach der Ankunft erhielt ich einen neuen Pass. Wir ankerten vor Porlamar, beim Concorde Hotel in der Nähe der Ricardo‘s Bar. Hier reichte es für ein kurzes Bier mit Peter Kägi und Iris. Sie waren bereit zum Auslaufen mit ihrer «Paros». Smita und Mick machten sich von Porlamar aus auf, Venezuela zu bereisen, und wir vereinbarten, uns nach dem Besuch meiner Schwester und ihrer Kinder in Curaçao wieder zu treffen. Diese kamen am 6. April an. Ich fuhr zum Flughafen von Porlamar, um meine Besucher aus der Schweiz abzuholen. Übermüdet vom langen Warten in Caracas trafen sie ein. Die Isla de Margarita hat Zollfreistatus. Der Einkauf für unsere Reise war einmalig günstig. Nachdem wir noch 180 Liter Diesel für nur zehn Schweizerfranken gebunkert hatten, segelten wir los – meine Schwester Dor und ihre Kinder Melissa und Sascha –, um über die Inseln Tortuga, Los Roques und Bonaire nach Curaçao zu kommen. Wir lagen noch in Boca del Rio auf der Isla de Margarita, als Melissa nach dem Aufstehen und noch vor dem Frühstück fragte: «Götti, weisst du, was ich geträumt habe? Wir sind aufgefahren!» « Red‘ keinen Blödsinn!» lachte ich. Wir motorten los, es war windstill, und wir beschlossen, während der Fahrt unter Motor zu frühstücken. Dann passierte es: Dor riss zwar noch geistesgegenwärtig den Gashebel zurück, aber genau um 0750 Uhr steckten wir im Sand – aufgefahren! Glücklicherweise kriegten wir das Boot schnell wieder flott. Das Frühstücken während der Fahrt werden wir wohl in Zukunft besser bleiben lassen. Spannende Riffnavigation und schönes Segeln im Passat wechselten sich in diesen zwei Wochen mit Faulenzen und Schnorcheln ab. Ende April brachte ich meine Schwester und die Kinder mit einem Mietauto der Sarifundys Marina zum Flughafen Curaçao, von wo sie wieder in die Schweiz zurückflogen. Etwas belämmert blieb ich zurück. Während der vergangenen zwei Wochen hatte ich mich wie ein Familienvater gefühlt und hatte die Anwesenheit meiner Schwester, die sich um alles 23 kümmerte, und der beiden neugierigen Kinder genossen. Wie froh war ich, dass ich Dor etwas Anerkennung und Dank hatte zukommen lassen können dafür, dass sie meine Interessen während meiner Abwesenheit in der Schweiz vertritt. Ich brauchte etwas Ablenkung. Noch am Flughafen fragte ich einen Taxifahrer, wo denn heute was los sei. Er lachte mich an. «Da liegst du gerade richtig. Nur fünf Minuten von hier entfernt liegt ‹The Mirage›, ein Vergnügungskomplex. Dort gibt es Frauen, die auf Kunden warten.» Tatsächlich fand ich Anschluss. Es war schon weit nach Mitternacht, als ich zurückfuhr nach Spanish Water. Trotz mehrerer Anläufe konnte ich aber die etwas versteckt liegende Sarifundy‘s Marina in der stockdunklen Nacht nicht mehr finden. Ich sah auch niemanden, den ich hätte fragen können. Kurzerhand parkierte ich daher mein Auto bei einem Busch und schlief auf der hinteren Sitzbank. Am nächsten Morgen hatte ich mehr Erfolg bei meiner Suche. Smita und Mick stiessen nach ihrem Backpacktrip durch Venezuela wie vereinbart wieder zu mir. Ich lag mit der «Hasta Mañana» völlig geschützt vor Anker. Den Einkauf und das Ausklarieren bei der Harbour Police erledigten wir im malerischen Willemstad. Das Auslaufen mussten wir jedoch um einen Tag verschieben, denn der Wind heulte mit über dreissig Knoten über unseren Ankerplatz. Auf dem Törn von Curaçao nach Christobal (700 Meilen) wurden wir dann auch ordentlich durchgeschüttelt. Der Passat wehte mit 25–30 Knoten, in Böen mit 35 Knoten. (ca. Bf 7). Die See war grob und unangenehm. Das Kochen wurde zu einem Balanceakt, und das Schlafen war fast unmöglich. Die Wachen schoben wir im durchgehenden Dreistunden-Rhythmus: drei Stunden Wache, sechs Stunden frei. Die Stimmung war trotz allem gut. Smita und Mick kochten vorzüglich, vegetarisch, mit immer neuen Ideen. Ich war schon bald auf meinem Idealgewicht! Nach fünf Tagen, am 29. April 1995, erreichten wir schliesslich den Panama Canal Yacht Club in Christobal. Das alles liegt zurück. Wenden wir uns wieder der Gegenwart zu: unseren Vorbereitungen für die Passage des Panamakanals. Ich bin erstaunt, dass der Transit der Segelyachten, die in der 24 Mehrzahl zum Vergnügen unterwegs sind, von der Kanalverwaltung ernst genommen wird. Wir fühlen uns willkommen, auch wenn ab und zu eine Transitzeit geändert oder abgesagt wird. Jedenfalls ist die Fahrt durch den fünfzig Meilen langen Panamakanal ein einzigartiges Erlebnis. 1903 schlossen die USA mit Panama einen Vertrag zum Bau dieser Passage. 1904 kauften sie von der französischen Kanalfirma alle Rechte und das erforderliche Land am Isthmus von Panama für 40 Millionen Dollar und trieben das Mammutprojekt voran. Es war durch schwierigste äussere Bedingungen – Malariagefahr und ungenügende sanitäre Verhältnisse – und zahlreiche unvorhergesehene geologische Probleme erschwert und auch durch einen hohen Zoll an Menschenopfern belastet. Beendet wurde der Kanal schliesslich nach zehn Jahren Bauzeit. 1914 wurde er für den Schiffsverkehr freigegeben. Am Ende des 20. Jahrhunderts, am 31. Dezember 1999, geben die USA, wie es im Vertrag festgehalten ist, die Kanalzone an Panama zurück. Zweifellos führt das auch zu einer Gebührenerhöhung für Yachten. Am 6. Mai, um 0530 Uhr, steigt unser «Pilot» Samandiego zu. Jedes Boot muss für die Kanalpassage einen Lotsen mitführen. Sofort fahren wir unter Motor in die erste Stufe der Gatunschleusen. Unsere vier Leinen werden belegt, die riesigen Schleusentore schliessen sich hinter uns. Wasser sprudelt in die Schleuse – der Atlantik liegt hinter uns! Hinter einem Tanker geht es in drei Stufen um 26 Meter in die Höhe. Der Gatunsee liegt vor uns. Dieser aufgestaute Teil des Kanals ist 28 Meilen lang. Unter Motor und Genua fahren wir bei pausenlosem Regen – die Regenzeit scheint angebrochen – los. Unser Lotse will in einem Tag durch den Kanal. Normal rechnet man mit zwei Tagen, mit einem Halt unterwegs. Um 14 Uhr erreichen wir den Gaillard Cut. Die Gegend sieht hier fast so aus wie bei mir zu Hause am Rhein. Die Pedro-MiguelSchleuse bringt uns wieder neun Meter nach unten in den Miraflores-Stausee und schliesslich in zwei weiteren Stufen (Miraflores-Schleusen) auf Pazifikhöhe. 25 Wir lassen die Champagnerkorken knallen. Mit Ausnahme eines gebrochenen Getränkehalters haben wir keine Schäden. Nachdem wir die Brücke «Puente de las Americas» passiert haben, durchströmt mich ein Gefühl tiefer Befriedigung: Endlich bin ich weg von zuhause! Wir schwimmen im Pazifik, und zur Südsee ist es nicht mehr weit. Wir machen um 18 Uhr Lokalzeit an einer Mooringboje fest. Im Gegensatz zum Atlantik, wo die Gezeiten-Differenz nur etwa einen Meter ausmacht, beträgt auf der Pazifikseite der Tidenhub bis sechs Meter. Deshalb sind hier Festmacherbojen vorhanden. Vom Balboa Yacht Club tönt Merenge-Musik herüber – die Mädchen warten bereits! 26 Pinguine am Äquator Panama - Las Perlas - Galapagos A m 9. Mai 1995 stechen wir nach dem Passieren des PanamaKanals von Balboa aus in See, mit Ziel Galapagos. Ob wir dort eine Aufenthaltsbewilligung bekommen würden? Unter den Seglern zirkulieren die wildesten Gerüchte. Uns ist‘s egal, wir wollen hin. Vorerst segeln wir vierzig Meilen zur Insel Contadora. Wir verschätzen uns und kommen erst in der Nacht an. Mit Hilfe des Radars und der Taschenlampe fabrizieren wir eine «Nachtlandung». Kaum sitzt der Anker, rudern wir mit dem Dinghy an Land. Dort besuchen wir die Deutschen Sabine und Gerald, die das Restaurant «Gallo Negro» führen. Dort gibt es doch tatsächlich Wurst mit Sauerkraut und bayrisches Bier. Die nächste Nacht verbringen wir im Lee der Isla de San José, der letzten Insel der LasPerlas-Gruppe. Wir sind etwas beunruhigt, denn dort soll es Piraten haben. Nachts verfolgt uns mal ein Motorboot, dreht aber nach einer Weile ab. Vor uns liegt das 850-Meilen- Stück nach den Galapagos. Man rechnet mit neun bis zwölf Tagen; manche Segler sollen aber auch schon dreissig Tage gebraucht haben. Wir wissen, dass es schwierig werden wird. Anfangs kommen wir mit raumem Wind zügig voran, dann dreht der Wind und bläst mit fünf Beaufort aus der Richtung, in die wir wollen. Also kreuzen wir gegen den Wind an, bei ruppigem Seegang und Gegenstrom. Das soll dann für die nächsten zehn Tage so bleiben. Immerhin hält die Windfahnensteuerung das Boot genau auf Kurs. Eine gewisse Lethargie macht sich an Bord bemerkbar – wir kommen nur mühsam voran. Sechs Tage nach dem Auslaufen sichten wir die Felseninsel Malpelo. 27 Schon der Name passt uns nicht. Westlich davon wurde im Juni 1989 Bill Butlers «Sibonney» von Walen versenkt. Er trieb dann zusammen mit seiner Frau Simone 66 Tage in der Rettungsinsel, bis sie aufgefischt wurden. Bill schrieb später das Buch: «Our last chance». Mit meinen Begleitern Smita und Mick segelt es sich leicht. Sie freuen sich auf die Galapagos: speziell Smita als ausgebildete Biologin. Ich segle gerne mit wechselnder Crew, gerade so, wie es sich ergibt. Damals in Las Palmas haben mich acht oder neun Frauen gefragt: «Do you need a crew for the crossing?», dazu viele junge Burschen. Diese Tramperinnen und Tramper der Meere haben durchwegs Hochsee-Segelerfahrung und sind sich gewohnt, auf kleinen Booten zu leben, auch bei ungemütlichen Verhältnissen. Ich bin auch erstaunt, dass sich Frauen so – ohne sich viel zu denken – auf einen längeren Trip mit einem Einzelkämpfer einlassen. Mir gefällt das Leben auf einem Segelboot. Ich bin unterwegs, und wohin es geht, ist nicht so wichtig. Ich fühle mich sorglos und unbeschwert. Meine persönlichen Verhältnisse sind auch ideal: alleinstehend, meine Kinder sind erwachsen, ich bin pensioniert – jeden Monat tröpfelt etwas Geld auf mein Konto. Die täglichen Pflichten als Skipper genügen vollends, um Befriedigung aus meiner Tätigkeit zu schöpfen. Nebst den Wachen im Dreistundenrhythmus bleibt uns viel Zeit zum Lesen und Faulenzen. Smita und Mick freuen sich jeweils aufs Kochen. Herrlich, mit immer wieder neuen Ideen gehen sie ans Werk. Meine Apfelwähe gerät etwas trocken, weil die Vanille-Füllung wegen einer Welle über den Rand der Form in den Backofen geschwappt ist. 250 Meilen vor den Galapagos, der Morgen ist gerade angebrochen, wird unser Frieden plötzlich gestört: Ein Knall. Bruch des Rollfockbeschlages am Bug. Die ganze Einrichtung bleibt in der Reling hängen. Im Auf und Nieder der Wellen knattert die Genua wie wild. Schliesslich gelingt uns die Reparatur. Uns wird bewusst, dass das Malheur bei viel Wind einen Mastbruch hätte zur Folge haben können. Schleunigst setzen wir das Kutterstag, um dem Mast zu- 28 sätzlichen Halt zu geben. Beim Überqueren des Äquators am 20. Mai auf 89° West sind wir in Feststimmung. Ab sofort wird sich nachts der Südhimmel mit neuen Sternzeichen über uns wölben. Am 21. Mai taucht die Insel Santa Cruz aus dem Morgendunst auf. Es ist kühl. Im Hafen Puerto Ayoras gehen wir vor Anker. Seit die Armada von Ecuador Alejandra Villaci als Capitán de Puerto bestimmt hat, sind Yachten wieder willkommen auf den Galapagos. Ohne Probleme bekommen wir fünf Tage Aufenthaltsbewilligung für fünfzig Dollar Liegegebühren. Noch vor einem Jahr wurden nur 72 Stunden bewilligt. Zusätzlich sind achtzig Dollar pro Person an Bord als Eintritt in den Parque Nacional zu berappen. Boots-Tagesausflüge (mit Mittagessen und Führer) sind für 45 Dollar zu haben. Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs Die Lavaformationen gehen über Schwarz, Braun zu Rot, die Gesteinsbrocken am Boden wirken schwer, sind aber federleicht. Es gibt Lavatunnels, die sich durchwandern lassen. Entstanden sind sie durch Lavaströme, die sich von aussen nach innen abkühlten. Die Wände scheinen wie von Menschenhand geschaffen. Die Vielfalt und Zutraulichkeit der Tiere verblüfft uns: sogar kleine Pinguine – des kalten Humboldstromes wegen – neben Wasserund Landiguanas, Flamingos, Seelöwen, die ab und zu von Haien angegriffen werden, Wasser- und Riesenlandschildkröten. Ausserdem gibt es jede Menge Vögel: Pelikane, Blaufusstölpel, Adler und Albatrosse. Hier ist aber nicht nur für Naturfreunde gesorgt. Etwas ausserhalb der Stadt steht sogar ein kleines Freudenhaus mit Frauen aus Ecuador. Der Taxifahrer meint lakonisch: «Bei 9000 Einwohnern braucht es das!» Das sollte mal den Zürcher Stadtvätern zu Ohren kommen, die sich gerade schwer damit tun, ein entsprechendes Etablissement überhaupt zuzulassen! Hier liegt auch die «Paros» Peter Kägis neben ein paar deutschen Booten. Schon am zweiten 29 Abend werden wir vom legendären Henri, der hier den TransOcean-Stützpunkt leitet und eine Amateurfunkstation betreibt, zu einem Grillabend eingeladen. Henri ist per Funk mit unzähligen Seglern im Pazifik verbunden. Er unterstützt sie mit Wetterberichten und allerlei nützlichen Informationen. Peter Kägi ist auch anwesend, aber etwas unter Stress, hat sich doch seine Begleiterin Iris entschieden, sich nach Ecuador zu begeben, um dort Spanisch zu lernen, bevor sie nach Deutschland zurückkehren will. Und das ausgerechnet vor dem 3000 Meilen langen Pacific Run zu den Marquesas! Peter will sich erstmals als Einhandsegler versuchen. Er rechnet für die Überfahrt mit bis zu dreissig Tagen. An diesem Abend lasse ich auch etwas über das Freudenhaus verlauten. 30 Am nächsten Abend fahre ich mit dem gleichen Taxifahrer dorthin, der mir die Auskunft gegeben hatte. Aber hol‘s der Teufel. Da sitzen doch die Männer der deutschen Boote und vergnügen sich mit den Schönen der Nacht. Was haben sie wohl ihren Freundinnen oder Frauen erzählt, um sich frei zu machen? Sie empfangen mich mit den Worten: «Otto, halt ja die Schnauze!» Das verspreche ich ihnen, bin ich doch selbst froh, wenn nicht immer alles an den Tag kommt, was ich so anstelle. Sie laden mich zu einem Bier ein. Auch für mich sind noch fröhliche Frauen übrig, die mich sogleich in Beschlag nehmen. Ich fühle mich in Ländern wohl, in denen es nicht so puritanisch zugeht wie etwa in der Schweiz. Leben und leben lassen. Am Freitagabend vor unserer Abfahrt steigt mit der Schwedencrew der «L'Ondine» ein Abschiedsfest in der «Bar de Frank«. Um Mitternacht wird der Generator der Insel abgestellt, und die Stadt versinkt in diskretes Dunkel. Wir haben Kerzen bereit. Allerdings dauert das Glück nicht lange. Die plötzlich eintreffende Polizei verhaftet Frank kurzerhand wegen Nichtbeachtens der Polizeistunde. Wir setzen uns ab in die beiden Discos, die einen eigenen Generator betreiben: «Five Fingers» – gehört einem Schweizer – und «La Panga». Die Inselbewohner scheinen ein fröhliches Volk zu sein. Um 0230 Uhr bin ich zurück an Bord und wecke Smita und Mick. Dann laufen wir aus zu unserem nächsten Ziel: der Isla Santa Maria, die wir im Morgengrauen erreichen. Hier steht das schönste Post-Office der Welt. Die Post legt man in zwei Fässer, in der Hoffnung, es nehme sie jemand mit. Dieses Postsystem wurde zur Zeit der Walfänger erfunden. Probehalber lege ich eine Karte rein, adressiert an Vaimiti, die Tochter Alain Colas, die in Papeete wohnt und die ich dort treffen möchte. Mal sehen. Tatsächlich findet die Karte ihr Ziel, mitgenommen und weitergeleitet von «Yachties», wie ich später erfahre. 31 32 So sieht die «Hasta Mañana» aus M ein Boot – eine Engholm 40S – ist 1990 in Lars Pedersens Werft in Dänemark entstanden und aus Stahl. VorgängerModell war die Engholm 36, von der zwölf Exemplare, alles Einzelanfertigungen, gebaut wurden. Weshalb ich mich für ein aus Stahlblech gefertigtes Boot entschied, hat seinen besonderen Grund. Er liegt darin, dass ich einst eine Lehre als Mechaniker absolvierte und mir deshalb Metall besonders vertraut ist. Was für mich aber wirklich zählte: die passive Sicherheit. Sie ist bei einem Stahlboot beträchtlich grösser als etwa bei einer Kunststoffkonstruktion. Mit meinem Boot könnte ich zum Beispiel einen Zusammenstoss mit einem Wal oder einem anderen unter Wasser schwimmenden Hindernis heil überstehen oder auf ein Riff auflaufen, ohne dass es gleich sinken würde. Dazu lassen sich Reparaturen auch an den abgelegendsten Orten machen. Ein kleiner Nachteil, doch der zählt für mich kaum, ist die Geschwindigkeit. Ein Stahlboot ist etwas langsamer als andere. Die «Hasta Mañana» ist, wie alle Engholms, ein Einzelmodell und als Sloop getakelt. Ihr Designer, Knud Olson, entschied sich für einen modernen Riss. Das Boot ist 40 Fuss oder 12,2 Meter lang, 3,8 Meter breit und hat einen Tiefgang von 2,1 Metern. Es hat zwei Fockbäume und Tanks für 400 Liter Wasser und 700 Liter Diesel. Eingebaut ist ein 36-PS-Bukh-Dieselmotor. Das Boot verfügt über folgende Segelflächen: ● Gross mit Patentreff 1 und 2: 35 Quadratmeter ● Profurl-Rollgenua: 47 Quadratmeter ● eine neue Reserve-Genua: Sobstad ● Sturmsegel für das Kutterstag: 10 Quadratmeter 33 Nach der Ablieferung in Dänemark rüstete ich die «Hasta Mañana» bei Gregor Zurfluh in Brunnen noch weiter auf. Eingebaut wurde ein Autopilot von Tecnautic (Bachenbülach), der hydraulisch auf den Ruderquadranten wirkt. Das Boot ist von der Navecke, beim Niedergang und ab dem Steuerstand steuerbar. Es hat eine Radsteuerung. Weiter ausgerüstet wurde es mit einer Elektro-Ankerwinsch von Simpson-Lawrence. Ein Bügel am Heck dient als Antennenträger. Zum Glück war das Boot beim Kauf nur mit einer Sailor-VHF-Anlage ausgerüstet. So hatte ich die Möglichkeit, die Modifikation nach meinen Wünschen zu gestalten und neue Geräte zu installieren. Eingebaut ist auch folgende Ausrüstung: ● Radar Furuno 1721 ● GPS Garmin 75 ● SSB-Sender/Empfänger des Typs ICOM IC-M810 ● Multisystem TV-Empfang, Video, Radio, MC/CD-Player ● Barograph, Sextant ● Laptop von Texas Instruments mit Wetterfaxprogramm und Printer ● Zeise-Dieselgenerator «Liliput» 2KW (Batterieladung, 220 V) ● Sprayhood über dem Niedergang ● Sonnensegel ● Cockpittisch ● Aussendusche Im Innern befindet sich eine Doppelbugkabine für Gäste, ein Salon mit U-Sofa und eine durch ein Leesegel gesicherte Sitzbank. Dahinter hat es eine grosszügig bemessene Navigationsecke; die Eignerkoje liegt achterlich an Backbord. Die achterliche Steuerbordkoje wird als Stauraum benützt. In der Pantry hängt ein zweiflammiger Gasherd mit Backofen, bedient über ein Sicherheitssolenoid. Dort ist auch ein Elektrokühlschrank eingebaut. Das Beiboot – ein Bombard AX 3 – ist aufblasbar und ausgerüstet mit einem 2-PS-«Malta»-Aussenbordmotor (Yamaha), Lifesling 34 Engholm 40 S Knud Olsen D -1 owner cabin galley saloon heads forecabin anchor well storage starboard bunk nav station 35 und Rettungsring mit Markierungsboje. Zur Sicherheitsausrüstung gehören eine Rettungsinsel des Typs Atlantic für sechs Personen von der Ballonfabrik Augsburg, vier automatische Schwimmwesten «Crewsaver» und ein 406-MHz-Kannad EPIRP (Satellitenortung). In einem Notfall-Container liegt folgende Ausrüstung bereit: ● Handfunkgerät ICOM M-15 ● Hand-GPS Garmin 45 ● Signalraketen ● Hand-Wassermacher PUR-Survivor 06 ● Utensilien zum Fischen ● Signalspiegel ● Taschenlampe und Reservebatterien ● Wasserkanister im Cockpit bereit. Die Windfahnensteuerung von Windpilot Hamburg wurde erst kurz vor der Atlantiküberquerung in Las Palmas montiert. Sie ist für mich zur wichtigsten Anlage an Bord geworden. Sie braucht keinen Strom, nur von Zeit zu Zeit ein paar Tropfen Öl, und steuert mein Boot unter Segel immer zuverlässig. In Trinidad installierte ich noch den von Southwest Windpower in Flagstaff neu entwickelten AIR-Marine-Windgenerator auf den Antennenträger. Ebenfalls neu kam noch ein Wassermacher PUR Survivor 35 hinzu, dank dessen ich in der Folge auf Reserve-Wasserkanister verzichten konnte. Meine Gesamtinvestition belief sich, alles in allem, auf etwas über 210 000 Schweizerfranken. Der Versicherungswert für die Kaskoversicherung wurde auf 250 000 Franken festgelegt. Für diese Summe habe ich «viel Schiff» bekommen. Ich wollte ein Boot, das so ausgerüstet ist, dass ich damit auch alleine segeln kann. Das Gesamtkonzept hat sich durchwegs bewährt. Die Kosten des Unterhalts bleiben ausserdem im Rahmen. 36 Ziel Marquesas 3000 Meilen Raumkurs A m Abend des 27. Mai 1995 lichten wir den Anker in der Post-Office-Bucht der Isla Santa Maria, beäugt von neugierigen Seelöwen, mit denen wir noch kurz vorher um die Wette geschwommen waren und natürlich verloren hatten. Vor uns liegen 3000 Seemeilen Raumkurs nach Hiva-Oa. Das ist die grössere Distanz als unsere Atlantiküberquerung. Anfangs steht der Passat nicht voll durch. Wir motoren, um etwas «Süden» zu machen. Allerdings bereitet mir mein Bukh-Motor zunehmend Sorgen: Er qualmt wie eine Dampfmaschine. Anfänglich schreibe ich es schlechter Dieselqualität zu, später stelle ich ein Ansteigen des Ölniveaus fest: Diesel im Motorenöl! Der Entschluss ist klar: Wir dürfen den Motor nicht mehr brauchen. Zwei Tage nach unserer Abfahrt, morgens um acht Uhr, überholen uns stolz meine schwedischen Freunde mit ihrer Swan 53 «L'Ondine». Wir kommen aber gut voran im Passat – das Segeln macht so richtig Spass. Schon am zehnten Tag sind wir 1500 Meilen gesegelt: Halbzeit. Grund genug, eine Flasche Champagner als «Sundowner» zu öffnen. Unsere Freude wird getrübt, als wir in den Nachrichten von Radio Schweiz International erfahren, dass der neue französische Präsident, Jacques Chirac, die Atomwaffenversuche im Südpazifik – wir sind im Moment 2000 Meilen vom Mururoa-Atoll entfernt – wieder aufnehmen will. Wir haben eine erregte Diskussion an Bord, denn wir können das irgendwie nicht begreifen. Trotz unserer Bedrückung steigt das «Kreuz des Südens», diese einzigartige Sternenformation, in den Nachthimmel. Wir segeln locker dahin. Unsere Besegelung besteht aus einer Rollgenua, die wir zeitweise ausbaumen, und einem Grosssegel 37 mit Patentreff (1. und 2. Reff). Alles lässt sich aus dem Cockpit bedienen. Zusätzlich liegt eine Sturmfock bereit, die wir am Kutterstag setzen können. Ich halte nicht viel von Passatsegeln – mir ist das zu kompliziert. Zur Navigation: Heutzutage mit GPS vollzieht sich alles bequem. Vor dem Losfahren Route mit Way-Points eingeben (genau kontrollieren, es darf keine Fehler geben), unterwegs die Positionen ablesen und in die Karte eintragen – fertig. Ich habe einen Garmin 75 fest eingebaut und zusätzlich einen Garmin 45 (Handgerät) in Reserve. Sollten beide ausfallen oder das ganze Satellitensystem abgeschaltet werden, dann liegt ein Sextant bereit, mit einem im Laptop vorhandenen Astroprogramm. Von Zeit zu Zeit machen wir eine Trainingsmessung mit dem Sextanten und rechnen mit Hilfe des Nautischen Jahrbuchs die Mittagsposition (Länge und Breite) «von Hand» aus. Das ist keine Hexerei. Ich bin allerdings ein Freund moderner Elektronik. Als Linienpilot war ich stets auf den modernsten Flugzeugen wie Airbus A310 und später MD-11 anzutreffen. Die Tage und Nächte fliessen dahin. Wie sagte doch die Seglerlegende Moitessier? «Ein langer Törn auf dem Meer ist der kürzeste Weg zu dir selbst!» Ich geniesse diesen kleinen und gleichzeitig riesigen Lebensraum. Zugegeben, es ist nicht jedermanns Sache, auf der Karte nur Wasser zu sehen. Doch was für ein Luxus, Zeit zu haben, und zu erfahren, wie gross der Pazifik ist! Smita und Mick sind leidenschaftliche Backgammon-Spieler. Oft hören wir auch klassische Musik auf unserem CD-Player oder schauen uns abends einen Videofilm an. Meinen Lieblingsfilm, «Top Gun», habe ich sicher schon fünfmal gesehen. Mir scheint es wichtig, mit solchem Schnickschnack ausgerüstet zu sein. Es ist allerdings ein eigenartiges Gefühl, sich nach einem Film «in the middle of nowhere» vorzufinden. Ich habe auch genügend Bücher an Bord, die ich schon lange mal lesen wollte. Daneben bin ich am Spanischlernen. Allerdings werde ich diese Sprache nicht so schnell wieder brauchen können. Was soll‘s. 38 Fliegende Fische, die nachts auf unserem Deck gelandet sind, enden in der Bratpfanne und später in unseren Mägen. Eine herrliche Vorspeise – fliegende Fische schmecken wie Sardinen. Von Zeit zu Zeit beisst ein Fisch an, wir schleppen einen Köder nach. Meistens fangen wir Goldmakrelen, selten Thunfische. Je nach Grösse braucht es etwas Geschick, einen wild um sich schlagenden Fisch an Bord zu bringen. Mit einer Dachlatte, die ich aus Hemishofen mitgenommen habe, wird er dann zu Tode gebracht. Seine eigene Schuld. Hätte er nicht einen kleinen farbigen Tintenfisch an einer Angel schnappen wollen, wäre er am Leben geblieben. Auf langen Passagen kommt dem Essen grosse Bedeutung zu. Wir versuchen, uns immer wieder mit neuen Einfällen zu verwöhnen. Inzwischen habe ich das Brotbacken völlig im Griff – es verkürzt meine Nachtwachen. Wir halten die Wachen stur durch, obwohl wir in drei Wochen nur ein einziges Schiff zu Gesicht bekommen. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Am 12. Juni nehmen wir uns den Motor vor. Es herrscht gerade eine ruhige See. Ich vermute, dass via Einspritzdüsen Diesel in das Motorenöl gelangen konnte. Wir starten mit dem Ölwechsel und pumpen acht anstelle von normal vier Liter heraus. Dann lösen wir die drei Einspritzdüsen aus dem Zylinderkopf und können sie rauskriegen. Tatsächlich sind sie völlig verkokt. Sorgfältig reinigen wir sie, setzen sie wieder ein und entlüften das Brennstoffsystem. Gespannt machen wir einen Startversuch: Der Motor läuft wieder ohne Rauchentwicklung. Wir haben eine Sorge weniger. Nein, ich wusste keinesfalls, dass ich dereinst ein hochseetüchtiges Segelboot kaufen und damit nach meiner Pensionierung auf eine Weltumsegelung gehen würde. Im Sommer 1993 zeichnete sich in meinem ach so schön organisierten und eigentlich recht glücklichen Leben eine Wende ab. Schon in weniger als einem Jahr konnte ich als Pilot mit 55 Jahren in reguläre Pension gehen. Ich hatte aber auch die Möglichkeit, als MD-11Captain weiter bei der Swissair zu fliegen und meinen geliebten Beruf 39 noch etwas länger auszuüben. Eine Entscheidung liess sich somit hinausschieben; ein Bedarf an Piloten war damals vorhanden. Was sollte ich tun? Ich fragte meine engsten Freundinnen und Freunde um Rat. Eine Lebenspartnerin hatte ich keine, ich war schon seit über acht Jahren geschieden und damit im engsten Sinne nur für mich alleine verantwortlich. Therese, eine Freundin, meine Schwester Dor, mein Bruder Hansruedi, meine Mutter nebst meinen Söhnen Oliver und Ronald rieten: «Hör doch auf, du hast es lang genug gemacht! Das Leben als Pilot hat nicht nur positive Seiten». Mein Bruder Ernst, ein Bauer, sah es ganz klar: «Du bekommst fürs Nichtstun eine Pension – ich würde aufhören.» Mir fiel es schwer, einen Entschluss zu fassen. Ich wurde hin- und hergerissen. Robes, mein bester Freund und auch als MD-11-Captain tätig, formulierte es einfach: «Mach eine Beurteilung der Lage, wie im Militär, dann fälle eine Entscheidung und komm nicht mehr auf deinen Entschluss zurück!» Peter Fricker, ein anderer Freund, meinte spöttisch: «Deine Sorgen möchte ich auch mal haben – du kannst zwischen zwei Paradiesen auswählen!» Wie recht er hatte! Schliesslich schaffte ich es Ende September 1993, meinem Chefpiloten, Alois «Wiesel» Schneider, und unserer Personalchefin Ruth Hofer die Kündigung auf 31. März 1994 kund zu tun. Kaum war das getan, erfüllte neuer Optimismus mein Herz. Ich begann, Pläne zu schmieden für meine Zeit als «junger» Pensionär. Vorerst erwog ich die Möglichkeit, als «Freelance»-Instrumentenfluglehrer (aufgeboten bei Bedarf) bei der Flugschule Altenrhein anzuheuern und während der Wintermonate als Skiguide für die Skischule Klosters Gäste im Parsenngebiet zu betreuen. Beide Möglichkeiten erwiesen sich aber nach genauen Abklärungen als für mein Leben zu einschneidend – sie rochen verdammt stark nach Arbeit! –, und ich fragte mich, ob ich das wirklich nötig hatte mit einer gesicherten Pension. Wohl kaum. Neue Verpflichtungen eingehen oder wirklich frei sein? Anfangs Dezember 1993 unterzog ich die Verkaufsangebote für hochseetüchtige Segelyachten in der von mir abonnierten deutschen «Yacht» genauerem Studium. Vielleicht sollte ich ein Boot kaufen und meinem Leben eine neue Form geben, denn ich hatte Lust, etwas Neues in Angriff zu 40 nehmen. Ich stellte fest, dass allein schon in der Dezemberausgabe einige Angebote in meinen Raster passten: Stahlbau, Sloop, ca. 40 Fuss (12 m) lang. Erste telefonische Kontakte ergaben, dass sich Bootseigner scheinbar nur zweimal an ihrem Boot freuen: erstens nach dem Kauf und zweitens nach dem Verkauf desselben. Die mit einem Bootskauf verbundenen Kosten – um die 200 000 deutsche Mark – liessen mich allerdings um Hilfe schreien. Und überhaupt war ich noch nicht sicher, ob es eine gute Idee war, ein Boot zu kaufen und loszusegeln. Hilfe fand ich bei Gregor Zurfluh, dem Inhaber einer Bootswerft in Brunnen am Vierwaldstättersee und einem Freund aus Starbootzeiten, der nach seiner Lehrzeit einige Jahre als «Bootsstopper» auf den Weltmeeren unterwegs gewesen war und über einschlägige Erfahrung verfügte. Schon beim ersten Kontakt im «Mövenpick» in Sihlbrugg bestärkte er mich: «Otti, du hast doch nichts zu verlieren, du bist frei und ungebunden, hast ein regelmässiges Einkommen. Versuch‘s doch – vielleicht zuerst mal im Mittelmeer. Haut es nicht, so hörst du einfach wieder auf!» Und: «Ich werde dir ein Boot finden, ich habe gute Kontakte zu Norddeutschland, Dänemark und Schweden – willst du wirklich ein Stahlboot?» Inzwischen sind wir seit der Isla Santa Maria schon bald drei Wochen auf See. Der Passat bläst immer schöner, bis Bf 6. Mein Boot verträgt noch Volltuch. In 24 Stunden legen wir bis 169 Meilen zurück, allerdings geigt das Schiff stark, je nachdem, wie uns die Wellen gerade erwischen. Das Schlafen wird problematisch. Die Lucken müssen wir schliessen, zeitweise saust Gischt über das Deck. Wir bereiten uns auf den Landfall bei der Insel Hiva-Oa in den Marquesas vor. Als Unterlagen habe ich «Landfalls of Paradise» und «Charlies‘ Charts of Polynesia» (zu beziehen bei Bluewater Books and Charts, Fort Lauderdale, Florida). Am 23. Tag sehen wir Land. Die drei Stunden entlang der erstaunlich hügeligen Insel sind ekelhaft – uns ist's eher zum Kotzen als für euphorische Gefühle. Der Seegang, über Tausende von Meilen aufgebaut, beutelt uns. Bei Atuona in der Taa Huku Bay gehen 41 42 43 wir vor Anker. Es sind etwa fünfzehn Yachten hier, die meisten aus den USA. Das russische Bötchen «Joy», es ist nur sieben Meter klein, hat es auch geschafft: mit Vitali, Marina und dem zweieinhalb Jahre alten Sohn Ivan an Bord. Sie brauchten 52(!) Tage, direkt von Panama. Hier, versteckt hinter einem Wellenbrecher, liegen wir ruhig vor Anker. Nach einem Welcome-Drink und einem kurzen Schlaf gehen wir an Land. Um zum Dorf Atuona zu kommen, machen wir Autostopp. Das ist hier so üblich. Das erste Fahrzeug hält, und wir setzen uns auf die Ladebrücke. Die Berge um den Hafen ragen steil empor. Sie sollen von wilden Pferden und Schweinen bevölkert sein. Wo gehen wohl die Strassen durch? Nach dem Einklarieren in der Gendarmerie bei freundlichen französischen Beamten steigen wir hinauf zum Friedhof, wo Paul Gauguin 1903 im Alter von 55 Jahren begraben wurde. Gleich nebenan hat der belgische Chansonnier Jaques Brel 1978 seine letzte Ruhe gefunden. Gegenüber der Bucht kann man noch sein Flugzeug sehen, mit dem er jeweils zum Einkaufen nach Papeete flog – es steht in einer Wiese. Wir geniessen die Ruhe und die Aussicht auf die Baje Vipikai und beginnen unweigerlich zu träumen, wie es wohl zu Gauguins Zeiten ausgesehen haben mag. Was würde er wohl sagen, wenn er wüsste, was seine Bilder in der heutigen Zeit wert sind. Nach einigen Tagen bringt uns ein Nachttörn zur Insel NukuHiva. Wir ankern in der Baje Taiohae. Hier taucht nach einigen Tagen Peter Kägi mit seiner «Paros» auf. Er hat seinen Einhandtrip wohlbehalten geschafft. Er ist mir auch behilflich, mein Mastfall, das im Top in einer Rolle verklemmt ist, neu einzuscheren. Die Tage verbringen wir mit Wandern. Dann segeln wir weiter. Als eindrückliches Erlebnis bleibt uns des Vaipo-Wasserfall in Erinnerung, den wir nach einem zweistündigen Marsch von der Hakaui- 44 Bay aus erreichen. Diese Bucht liegt nur zwei Stunden westlich von Taiohae. Der nächste «Schlag» von vier Tagen bringt uns zu den Tuamotus, den «gefährlichen Inseln», die wegen ihrer niedrigen Höhe erst spät sichtbar sind: Apataki heisst die Riffinsel, die wir anlaufen. Wir verbringen drei herrliche Tage mit Schnorcheln. Dort begegne ich zum ersten Mal unter Wasser einem Schwarzspitzenhai. Diese Haiart soll ungefährlich sein, aber trotzdem schlägt mein Herz rascher. Das Tier beäugt uns neugierig, dann dreht es ab. Im geschützten Wasser der Lagune werden schwarze Perlen gezüchtet. Kleine Bojen weisen auf die Kulturen hin. Zuerst begegnen wir einer jungen Mutter. Sie ist schlank, eine Südseeschönheit und hat nur einen Makel: Beim Lachen zeigt sich eine Zahnlücke. Aber das ist in dieser Gegend üblich und wird nicht als negativ bewertet. Im kleinen Dorf sind die Einwohner sehr freundlich. Die meisten, die wir auf einem Rundgang treffen, drücken uns spontan die Hand und freuen sich, dass es uns gefällt auf ihrer Insel. Erstaunlicherweise verkehren auf dieser kleinen Insel sogar Autos und viele Motorräder, obwohl es kaum Platz zum Fahren hat. Scheinbar machen die Leute gutes Geld mit der Perlenzucht. Mit der Aussenwelt sind sie durch einen kleinen Flugplatz verbunden. Allerdings fliegt nur einmal pro Woche ein Flugzeug nach Tahiti, und auch das Versorgungsschiff kommt selten. Zwei Segeltage trennen uns von Papeete in Tahiti. Wir freuen uns schon jetzt darauf. 45 46 Tahiti – Perle in der Südsee? Papeete – Moorea – Huahine – Raiatea – Tahaa – Bora-Bora I n der Morgendämmerung des 6. Juli 1995 taucht die Insel Tahiti auf. Wir befinden uns nördlich des Point Venus. James Cook beobachtete hier im Jahre 1769 den Durchgang der Venus durch die Sonne. Um acht Uhr legen wir am berühmten BirHakeim-Quai in Papeete an. Ich fühle mich sauwohl – ich habe schon über 10 000 Meilen seit meinem Start im August 1994 in Frankreich im Kielwasser gelassen – und bin in der Südsee angelangt. Kaum liegen wir fest, bringt uns die Crew der «Broken Wing» eine Baguette, eines dieser köstlichen, langen, dünnen französischen Brote. Was für ein Empfang! Wir kommen gerade recht zu den Heiva-Festspielen. Doch der Friede in Papeete täuscht – immer wieder sind die Strassen verbarrikadiert, immer wieder gibt es Demonstrationen der Atomwaffengegner, seit Frankreichs Präsident Chirac für den September erneute Atomwaffentests angekündet hat. Das zweiwöchige Heiva-i-Tahiti – ein Festival, das früher als «Fête du Juillet» bekannt war – bringt Leute aus ganz FranzösischPolynesien nach Papeete. Sie messen sich auch in traditionellen Tanz- und Singwettbewerben. Täglich ist etwas los. Im Hafen von Papeete werden Ausleger-Kanurennen (Pirogen) in verschiedenen Klassen für Frauen und Männer ausgetragen. Es gibt auch Doppelpirogen mit zweimal acht Ruderern. Das Langstreckenrennen von Papeete nach Moorea und zurück stellt hohe Anforderungen. Der Früchtetrag-Wettbewerb (30 oder 50 Kilo Bananen, Brotfrüchte, Papayas an einer Stange) geht über 1900 Meter Distanz, und das wohlverstanden barfuss. Auch das Javelin-Werfen (Speer) hat mich beeindruckt. Das Ziel ist eine Kokosnuss auf einer Stange. Er- 47 staunlicherweise gibt es Treffer, und das bei einer Distanz von etwa dreissig Metern. Das wichtigste Ereignis ist der Bastille-Tag am 14. Juli, der an den Fall der Bastille in Paris an diesem Datum im Jahre 1789 erinnert, als die Französische Revolution auf dem Höhepunkt war. Allerdings will keine richtige Feststimmung aufkommen – bei den französischen Kriegsschiffen wird für ein unabhängiges Polynesien und gegen die Atomwaffenversuche demonstriert, und die Parade der französischen Armee muss in einer Nebenstrasse stattfinden. Was in Papeete sofort auffällt, sind die hübschen Frauen, oft mit einer Hibiskus-Blüte im Haar oder mit einer Couronne (Blumenkranz) um den Hals oder Kopf. Mir haben es die schlanken Schönen mit einem Schuss Chinesenblut angetan. Meistens bin ich abends mit Peter Kägi unterwegs, den ich hier natürlich auch wieder treffe. In der Regel beginnen wir im «Prince Hinoi», einem Spielcasino mit Gratisdrinks, sofern man spielt und dabei etwas Geld verliert. Im «Royal» wird am Freitagund Samstagabend zu einheimischer Musik getanzt. Die Viermannband heisst «Te Ava Piti». Ich liebe diese einschmeichelnde Musik. Öfters sind es die Frauen, welche die Männer zum Tanzen auffordern. Sofort gehen sie auf Körperkontakt. Wehe, wenn man einen falschen Schritt macht. Sie sagen sofort, wie man zu tanzen hat. Trotzdem geniesse ich die Art, wie sie tanzen – das Wiegen mit den Hüften beherrschen alle. In den diversen Discos hat es überwiegend junge französische Soldaten, und die Konkurrenz ist gross. In der «Pianobar» und im «Club 5» halten sich Transvestiten auf, die übrigens in der ganzen Südsee als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft gelten. Sie sind als Frauen gekleidet und nur schwer von echten Frauen zu unterscheiden. Vorsicht ist also geboten! Im «Café de Sport» geht's rustikaler zu und her, dafür kostet das Bier nur halb soviel wie an anderen Orten. Von der Tanzfläche aus kann man den Männern beim Pinkeln zuschauen – es hat keine Türe. Auch verschwindet von Zeit zu Zeit ein Pärchen in der gleichen Toilette. 48 Hier in Papeete trifft man Segler aus aller Welt. Allerdings sind fast alle mit Reparaturarbeiten beschäftigt. Es bleibt wenig Zeit für Kontakte – alle wollen weiter. Den meisten Seglern ist es hier ohnehin zu teuer. Auch ich muss kräftig in die Tasche greifen, sind doch der Kurzwellensender, der Radar und mein Laptop zu reparieren. Immerhin wird alles bestens erledigt. Kurz nach der Ankunft suche ich Vaimiti Colas auf, die Tochter des berühmten französischen Seglers Alain Colas. Die Adresse hatte ich mir von Ruth und Milo Chappuis aus Lausanne geben lassen. Alain Colas, geboren 1943, entdeckte erst mit 23 Jahren das Segeln während eines Aufenthaltes in Sydney. Er machte seine Seglerlehrzeit bei Eric Tabarly und kaufte schliesslich dessen Trimaran «Pen Duick IV». 1970 segelte er nach Tahiti und lernte dort die Südseeschönheit Teura kennen, die spätere Mutter Vaimitis. Der Gewinn der Transat 72 – solo von Plymouth (GB) nach Newport (USA) – machte ihn berühmt. Sein Buch «Un tour de monde pour une victoire» wurde ein Bestseller. Die «Pen Duick» taufte er auf «Manureva» (reisender Vogel) um und machte damit 1973/74 eine Soloweltumseglung um die drei Kaps in 169 Tagen. 1975 hatte er einen Seglerunfall, verlor beinahe sein rechtes Bein und blieb gehbehindert. Die Transat 76 segelte er allein mit der unglaublich langen 72-MeterEinrumpfyacht «Club Méditerranée» und verlor nach Stürmen und Materialproblemen gegen seinen Lehrmeister Eric Tarbarly. Schliesslich wollte er es 1978 an der Transatlantik-Regatta «Route de Rhum» nochmals wissen: mit der inzwischen zehn Jahre alten «Manureva». Mitten auf dem Atlantik, nach einem Zyklon, blieb er verschollen. Vaimitis Freund Vehere bringt uns in Kontakt mit seiner Familie. In der Südsee bedeutet das Familienleben viel. Oft wohnt die ganze Sippe in mehreren Häusern auf einem Grundstück. Geheiratet wird oft erst, nachdem schon einige Kinder geboren sind. Nun heisst es auch Abschied nehmen von meiner Crew, Smita und Mick, die mich den ganzen Weg von Trinidad begleitet ha- 49 ben. Sie wechseln auf die holländische 22-Meter-Yacht «Sensation». Meine neue Begleiterin heisst Doris und ist eine gute Freundin, mit der ich zuhause Starbootregatten gesegelt bin. Ich freue mich darauf, ihr das Hochseesegeln etwas näher zu bringen. Am 24. Juli hole ich sie zusammen mit Peter Kägi mit Blumenkränzen bewaffnet am Flughafen mit dem herrlichen Namen Faaa ab. Auch Peter bekommt einen Begleiter für die nächsten zwei Wochen, Dani, ein Skilehrer aus St.Moritz. Er kommt mit demselben Flugzeug an. Lustig, Doris und Dani lernten sich beim Warten in Los Angeles kennen. Wir beginnen mit einem «Welcome»- Drink auf der «Hasta Mañana». Es gibt viel zu erzählen. Der neue Tag bricht bereits an, als wir uns endlich schlafen legen. Doris und ich wollen zusammen nach Neuseeland segeln. Ihre ersten Hochseemeilen macht sie auf einem Wochenendtörn Papeete-Moorea, wo wir von Veheres Familie zu einem Erdofenessen auf der Ile Fareone vor dem Club Méditerranée eingeladen sind. Bei dieser polynesischen Art des Garens werden in einem Erdloch zuerst Lavasteine mit einem Feuer erhitzt. Auf die heissen Steine legt man dann ein in Bananenblätter eingewickeltes Ferkel. Darüber werden Taro, Plantains – das sind Kochbananen – und spinatähnliche Taroblätter ausgelegt. Dann deckt man den «Ofen» mit Sand ab und lässt das Kochgut etwa drei Stunden schmoren. Der grosse Schmaus – es wird von Hand und ohne Besteck gegessen – dauert den ganzen Nachmittag. Anlass dieses Festessens ist der erste Geburtstag eines Mädchens in der Familie. Der erste Geburtstag hat in der Südsee eine spezielle Bedeutung. Am Montag segeln wir nach Papeete zurück. Kaum zurück, steigt ein neues Fest. Wir feiern den ersten August und laden auch Frédérique und Vincent ein, die aus der französischen Schweiz kommen und mit der Stahlyacht «Shipibo» unterwegs sind. Ebenfalls dabei ist der Journalist Werner Bringold, auch ein Schweizer, der für «Les Nouvelles de Tahiti» arbeitet. Danis mitgebrachte Lampions schaukeln in der Abendbrise, eine echt schweizerische Dekoration. 50 Wir sind aber auch tagsüber aktiv. In einer Zweitagestour bezwingen wir den 2066 Meter hohen Aorai. Leider hüllt sich der Gipfel in Wolken. Der Aufstieg ist hart und schafft uns. Zu unserem Bedauern wird unsere Mühe nicht belohnt: Die Sicht bleibt verhangen. Tahitianer sieht man selten auf dieser Tour. Für sie ist sie offensichtlich zu anstrengend! Nach einem Monat in Papeete machen wir uns langsam für das Weitersegeln bereit. Ich nutze noch die Gelegenheit, mich nach Marquesas-Art am linken Oberarm tätowieren zu lassen. Viele Männer und auch Frauen sind in der Südsee tätowiert. Zusammen mit Peter treffe ich einen jungen Mann aus den Marquesas, der uns in die Kur nimmt. Auch miete ich beim Aeroclub auf dem Flughafen Faaa (alle A werden ausgesprochen) eine Piper PA-28. Zum ersten Mal seit meiner Pensionierung als Linienpilot habe ich wieder ein Flugzeugsteuer in der Hand. Wir überfliegen die Strecke, die wir anschliessend segeln wollen – Moorea, Huahine, Raiatea, Tahaa – und landen schliesslich auf Bora-Bora. Herrlich, diese Lagune aus der Vogelperspektive zu betrachten. Es ist angeblich die schönste Lagune der Welt. Das Wasser schimmert türkis, dunkelblau, hellblau und grün, je nach Wassertiefe und Sonneneinstrahlung. Nach einem kurzen Halt fliegen wir nach Tahiti zurück. Der Abschied von Raa, Veheres Vater, und dessen liebgewonnener Familie naht. Vollzählig – sogar mit einem vor einigen Tagen geborenen Säugling – ist die Familie beim Ablegen dabei. Jedes Familienmitglied und auch jedes Kind überreicht uns einen Muschelkranz. Ich kämpfe gegen die Tränen. Sogar in der Zeitung «Les Nouvelles de Tahiti» erscheint ein kleiner Artikel mit Abschiedsfoto von «WB». Das Segeln von Insel zu Insel im Passat macht so richtig Freude. Für Doris ist es die Gelegenheit, sich langsam an das Leben 51 unterwegs auf einem Boot zu gewöhnen. Schliesslich erreichen wir Bora-Bora. Die hohen Preise machen uns den Abschied von Französisch-Polynesien leicht. Unser nächstes Ziel: Rarotonga, das zu den Südlichen Cookinseln gehört. 52 Macht Langstreckensegeln wirklich Spass? Bora-Bora - Rarotonga American- und Western Samoa M eine Trauminsel, Bora-Bora, versinkt hinter der Kimm. Die schönste Koralleninsel der Welt? Die Wirklichkeit zeigt ein anderes Gesicht. Französisch-Polynesien ist sehr teuer geworden. Im Bora-Bora-Yachtclub kostet eine Mooringboje für eine Yacht um die 28 Dollar, es sei denn, man konsumiert im Restaurant für etwa gleich viel. Service für die Yachties gibt es so gut wie keinen. Trotzdem haben wir ein positives Erlebnis: Wir hängen ein paar Tage hinter einem, Toopua Iti genannten, Inselchen. Die «Pura Vida» mit Vreni und Toni Caviezel aus Schiers – ich hatte sie in Papeete kennengelernt – und ihrem Sohn Reto liegt ebenfalls dort. Dazu die «Phönix» aus Österreich mit Ulla, Karl und zwei Söhnen. «Was die Einheimischen können, das können wir auch», überzeugt uns Toni: «Lasst uns einen Erdofen bauen.» Die «Phönix»- Crew mit dem schnellsten Beiboot wird zum Einkaufen bestimmt, die anderen buddeln das Erdloch aus. Tatsächlich, das Resultat darf sich sehen lassen, allerdings kommen wir erst kurz vor dem Eindunkeln zu unserem gut gelungenen Festschmaus. Unser neues Ziel heisst Avatiu Harbour auf Rarotonga der Südlichen Cookinseln. Nach vier Tagen (für 450 Meilen) mit launischen Wind- und Wetterverhältnissen steuern wir die Hafeneinfahrt an und legen uns an die Mole. Es ist Samstag, der 2. September 1995. Helfende Hände von anderen Yachten sind bereit – der Empfang ist herzlich –, und Hafenmeister Don Silk begrüsst uns mit einem «Welcome to Avatiu! Have a good time. Customs and immigration will arrive soon.» Doris gefällt es auf Anhieb. Hier liegen dreissig Yachten, meistens vor Buganker und 53 Heckleine im Tahiti-Stil. Der Schwell ist beträchtlich, besonders bei nordöstlichen Winden. Am Sonntagmorgen organisiert die amerikanische «Ruquca»Crew ein gemeinsames Frühstück mit Flohmarkt. Das Birchermüsli von Doris findet reissenden Absatz. Sofort entstehen Kontakte zu Seglern aus aller Welt. Das habe ich bis jetzt noch nie in diesem Ausmass erlebt. Am Sonntagabend steht ein «Pot-LuckDinner» auf dem Programm: Jeder bringt etwas mit. Damit entsteht ein internationales Buffet. Meine Schweizer Speckrösti findet hungrige Mägen. Am 5. September feiert Doris ihren 31. Geburtstag. An Bord meiner «Hasta Mañana» haben wir «open house», und es geht hoch zu und her. Inzwischen ist auch die «Pura Vida» mit Vreni, Toni und Reto eingetroffen. Lustigerweise feiert Sarah von der amerikanischen Yacht «Balamar» am gleichen Tag Geburtstag. Sie ist 18 Jahre alt. Unsere Festfreude wird allerdings durch die Tatsache des ersten französischen Atomtests im Mururoa-Atoll an diesem Tag getrübt. An der Pier hängen drei Segelboote aus Neuseeland. Sie wollen sich der Protestflotte ausserhalb der 12Meilen-Zone in Mururoa anschliessen. Doris, die seit Papeete auf meinem Boot ihre ersten Meilen auf See segelt, empfindet das Langstreckensegeln als langweilig. Für ihren Geschmack sind die Kontakte mit anderen Seglern zu selten und die jungen Leute zu dünn gesät. In vielem hat sie natürlich Recht. Hat man jemanden kennengelernt, so heisst es bald wieder Abschied nehmen. Jeder segelt seine eigene Route nach seinem Zeitplan, aber früher oder später trifft man sich immer wieder entlang des «Coconut Milk Run», wie die Barfussroute durch die Südsee auch genannt wird. Die langen Überfahrten sind für viele Segler ein Gräuel. Wache schieben ist mühsam. Mit einer kleinen Crew schläft man auch 54 unregelmässig. Bei uns geht es am besten mit zwei Wachen: einer von 19 bis 01 Uhr und einer zweiten von 01 bis 07 Uhr. Doris übernimmt die erste und ich die zweite. Das sind lange Zeiten, die aber einen sechsstündigen Schlaf ermöglichen. Ohne Ausguck zu segeln, behagt mir auch nicht, obwohl das oft praktiziert wird. Das ewige Geschaukel macht auch das Kochen mühsam, doch der Appetit hält sich meistens auch in Grenzen. Mein Boot findet unter Windfahnensteuerung, abgesehen von kleineren Korrekturen, seinen Weg selbst. Je nach Wind muss mal gerefft werden, ansonsten ist tatsächlich nicht viel zu tun. Es kann also schon langweilig werden. In Avatiu habe ich die Gelegenheit ergriffen, andere Crews übers Langstreckensegeln auszufragen. Kerry segelt mit Peter, einem Schweizer, auf der englischen Yacht «Mythra». Auf meine Frage lachte sie: «Sailing just hates me. » Sie leidet bei den Überfahrten ungemein, will aber trotzdem mit Peter segeln. Vreni von der «Pura Vida» liebt die Überfahrten auch nicht gerade. Auf SSB hatte ich eine Diskussion zwischen den Besatzungen der österreichischen Yachten «Que Sera» und «Rubinsky» mitgehört: Sie bestätigten einander, dass das Segeln mühsam und nur vor Anker oder im Hafen schön sei. Vor allem bei Ehepaaren war die Antwort oft: «Mein Mann hat mich jahrelang eingeseift, bis ich mitmachte.» Es gibt aber auch Einhandseglerinnen wie die Deutsche Susanne. Sie segelt mit einem kleinen Hund auf der Ketsch «Glory». Sie ist Funkamateurin und auf den einschlägigen Kanälen anzutreffen. Ihr macht das Segeln offensichtlich Spass. Immerhin ist sie schon drei Jahre unterwegs. Besonders hier im Pazifik ist der Passat tatsächlich unregelmässig oder überhaupt nicht vorhanden und das Wetter unbeständig. Es regnet häufig, vor allem auf den Inseln. Ich selbst nehme die Dinge so, wie sie kommen, und mache mir wenig Gedanken. Diese Lebensform behagt mir, zumal ich die Seekrankheit nur aus Büchern und Erzäh- 55 lungen kenne. Anker auf und lossegeln erfüllt mich mit einem besonderen Gefühl, so wie: Let's go, auf geht's zu neuen Ufern! Was Kontakte betrifft, so überlasse ich das dem Zufall. Ich suche eher Kontakt zur Lokalbevölkerung, wodurch ich viel über die Sorgen und Freuden der Einheimischen erfahre. Rarotonga ist eine saubere Insel mit Tourismus-Infrastruktur und hauptsächlich Gästen aus Neuseeland. Es gibt schöne Wandermöglichkeiten, zum Beispiel quer über die Insel am 415 Meter hohen «Needle» vorbei, was wir zusammen mit der «Pura Vida»Crew tun. Reizvoll ist es auch, mit einem Mietrad entlang der Südostseite der Insel zu fahren. Dort gibt es prächtige Strände und – bei Muri – auch Schnorchelmöglichkeiten. Nach einer Woche möchte ich weiter mit Ziel American Samoa. Harbourmaster Don Silk meint: «Es ist gut, jetzt loszusegeln – das Wetter ist stabil.» «Das sagst du wohl jedem,» bemerke ich. «Nun, damit mache ich den Seglern Mut.» Er hat übrigens ein Buch geschrieben – «Kauri trees to sunlit seas» – über sein Leben als Segler und als Kapitän von Frachtschiffen im Pazifik. Es heisst wieder einmal Abschied nehmen. Für Doris ungewohnt, für mich bereits Routine. Früher oder später wird man sich wieder treffen. Anfangs bläst wenig Wind – also Motor an. Nach 24 Stunden auf See kommt Wind auf, eher mehr, als uns lieb ist. Bald sind es 25 Knoten. Also Reff 1. Später legt der Wind nochmals zu: bis 40 Knoten (mehr als Bf 8). Das hält während der nächsten Tage an. Mit Doris segle ich gerne. Sie hat keine Angst und kennt mein Schiff gut. Sie hat genügend Kraft und würde auch den nächsten Hafen finden, sollte ich verloren gehen. Dazu macht sie ihre Wachen, obwohl sie sich zeitweise nicht wohl fühlt. Es ist fast wie Starbootsegeln: Das Gross haben wir ausgefiert und die Genua ausgebaumt. Ich habe keinen Spinnaker. Diese Segelstellung können wir dann für einige Tage einhalten, was Spass macht. Stundenlang beobachte ich auf dieser Überfahrt die Wellen, brechende Kämme, glitzerndes grünes Wasser. Wir brauchen genau fünfmal 24 Stunden für diese 750 Meilen. Kurz vor der Einfahrt sehen wir 56 unseren ersten Wal. Mit einem lauten Klatschen taucht er ab. Was für ein Schauspiel! Der Hafen von Pago Pago in American Samoa gefällt uns nicht. Dazu bläst es vor Anker mit bis zu 35 Knoten. Der «Rainmaker Mountain» macht seinem Namen alle Ehre. Es regnet oft. Prompt rutscht der Anker auf dem schlechten Grund. Beim Raufholen hängt allerhand Plastikmüll daran. Ein Vorteil hat Pago Pago aber: gute Einkaufsmöglichkeiten. Der Diesel kostet nur dreissig USCents pro Liter. Schon nach drei Tagen segeln wir weiter nach Western Samoa. In Apia angekommen, dauert das Einchecken fast einen ganzen Tag – wir werden wie ein grosses Schiff behandelt. Vier verschiedene Beamte kommen an Bord: von den Zoll-, Einwanderungs-, Gesundheits- und Landwirtschaftsbehörden. Schon morgens um zehn nehmen sie gerne ein Bier, und alle sind sehr nett. Wir ankern vor dem berühmten «Aggie Grey's» – Hotel. Liegt man um acht Uhr noch in der Koje, so wird man kurz vorher mit Marschmusik geweckt, denn täglich schreitet die Polizeimusik in Wickeljupes gekleidet zum Gerichtsgebäude, um dort den Aufzug der Staatsflagge zu begleiten. Western Samoa war einst eine deutsche Kolonie. Deutsche Namen weisen darauf hin, wie zum Beispiel «Otto's Reef Bar». Bevor es soweit war, hatten sich die Deutschen mit den Amerikanern und den Briten um die Inseln gebalgt. 1889 kam es vor Apia zu Konflikten. Die versammelten Kriegsschiffe wurden jedoch Opfer eines Wirbelsturmes. Sechs Schiffe sanken und rissen hundert Seeleute in den Tod. Am 1. März 1900 wurde die deutsche Flagge gehisst. 1914 besetzte dann Neuseeland die Inseln, und seit 1962 ist Western Samoa unabhängig. Die Berlinerin Barbara und der Zürcher Christian führen in Apia das kleine Restaurant «The Rainforest» und leiten den Trans-Ocean-Stützpunkt. Sie sind daran, im ersten Stock ein kleines Museum über die deutsche Vergangenheit einzurichten. Von ihnen erfahren wir viel über die «Fa'a Samoa», die samoanische Lebensart. Die Insulaner leben nach alten Traditionen in Grossfamilien (Aiga). Der Haushaltvorstand (Matai) 57 sorgt für seine Familie, erwartet aber absoluten Respekt und Gehorsam. Damit haben aber auch hier junge Leute ihre Mühe. Angeblich soll hier die höchste Selbstmordrate der Welt unter Jugendlichen herrschen. Barbara und Christian zeigen uns die Insel mit einer intakten Natur, Regenwald und stiebenden Wasserfällen. Wir fahren durch viele Dörfer. Die Häuser (Fale) haben keine Wände – man sieht in jedes Haus. Hineinzublicken ist allerdings unanständig. Alles Land ist in Familienbesitz. Will man ein Foto schiessen oder an den Strand, so kostet das einige Talas. Abends, kurz vor dem Einnachten, treiben die Männer alle Kinder nach Hause zum abendlichen Gebet und Nachtessen. Kinder hat es in Fülle, denn hier gilt ein Mann erst mit mehr als sechs Kindern als richtiger Mann. Die Stellung der Frau scheint im ganzen pazifischen Raum eher untergeordneter Art zu sein. Die Männer entscheiden, was läuft. Hier in Western Samoa sind die Frauen gegenüber Fremden besonders zutraulich. Kontakte sind leicht herzustellen – allerdings kommt vielleicht bei einer Einladung die ganze Familie mit. Im Night Club «Mount Vaea» meint die mandeläugige Lynn, als ich sie zu einem Drink einlade: «Ja gerne, aber ich habe noch drei Cousinen dabei, die wollen auch einen Drink.» Nach sehr günstigem zollfreien Einkauf (eine Stange Zigaretten zu 7.50 Dollar und die Büchse Bier zu 30 Cents) setzen wir am 21. September 1995 die Segel mit Ziel Tonga. Das Anlaufen von Samoa hat sich gelohnt, zumal ich von dort eine Karte an meinen «Shanty Singers»-Chor in Steckborn senden konnte – jahrelang hatten wir vom Mädchen Tayona aus Samoa gesungen! 58 Tiere an Bord: Freud und Leid Western-Samoa – Niuatoputapu – Tonga Vava'u-Group A m 26. September 1995, abends um sieben, verlassen wir Apia. In die Nacht hinaus zu segeln, braucht immer etwas Überwindung, aber wir wollen unser neues Ziel – Niuatoputapu, das auf halbem Weg zwischen Samoa und Tonga liegt – nicht nachts erreichen. Doris übernimmt die Navigation (GPS und Radar) und steuert das Boot via Autopilot von der Navecke aus. Die Navigation ist anspruchsvoll, weil wir noch einigen Riffen ausweichen müssen. Ohne GPS wäre das nachts gar nicht möglich. Ich bin Ausguck und Segeltrimmer. Um Mitternacht erreichen wir das offene Meer und damit auch den Passat aus Ost mit fünf Beaufort. Leider ist er verbunden mit rauem Seegang, was Doris zwingt, sich hinzulegen und sich etwas an die Verhältnisse zu gewöhnen. Ich übernehme die Nachtwache. Wir kommen schnell voran, und wie vorgesehen taucht am übernächsten Morgen Niuatoputapu in der Morgendämmerung auf. Wir haben die Datumsgrenze überfahren und haben jetzt Freitag anstatt Donnerstag. Vier Boote liegen vor Falehau. Diese Insel wird selten von Yachten besucht, weil es von hier aus oft schwierig ist und Kreuzen erfordert, um Neiafu anzusteuern. Falehau hat keinen elektrischen Strom, also auch keine Kühlschränke, Fernseher oder Videos und wenig Autos. Die Einwohner leben in einfachen Hütten. Freilaufende Hühner, Hunde, Schweine und Pferde tummeln sich an einigen Wasserstellen und beleben das Dorfbild. Die Insel hat drei Dörfer mit total 1300 Einwohnern und, wie üblich in der Südsee, viele Kirchen. Hier sind es neun. Die Glaubensbekenntnisse sind vielfältig. Die einen sind Katholiken, andere Mormonen oder Adventisten. Tuinyua, der zweite katholische Priester, zeigt uns sein Dorf. 59 Schule und Anbauflächen liegen etwas abseits. Einkaufen kann man im Dorf nur dann, wenn das Versorgungsschiff einläuft. Das Nötigste wird selbst angebaut. Um sich etwas Geld zu verschaffen, verkaufen die Frauen aus Pandanusblättern geflochtene Matten. Diese dienen als Schlafunterlagen, aber auch als Kleidungsstücke. Der Ta'ovala wird um den Körper geschlungen und mit einem aus Kokosnussfasern geflochtenen Band zusammen gehalten. Der Zoll kommt abends in Gestalt einer Frau und einem Mann. Er kontrolliert unsere Vorräte und möchte etwas Alkohol für seinen Sonntagskuchen, sie einige Konserven. Eine Flasche Whisky geht drauf, dafür werden wir zum einmal im Jahr stattfindenden «Feast» (Festessen) der katholischen Kirche eingeladen. Am Samstagmorgen sind die Familien damit beschäftigt, einen möglichst üppigen Beitrag zum nachmittäglichen Essen bereitzustellen. Ferkel werden am offenen Feuer gebraten, die Erdofen mit Taro, Yams, Brotfrüchten und Bananen gefüllt und zur Nachspeise Kuchen aller Art gebacken. Die Gestelle mit den Köstlichkeiten werden im Gemeinschaftsraum aufgestellt, die «Yachties» bekommen einen Platz zugewiesen, und nach der Segnung und dem Tischgebet durch den Priester beginnt das grosse Essen. Wir werden wie Freunde behandelt. Die Insulaner sind glücklich und freuen sich, dass wir ihr Essen mögen und zünftig zulangen. Nach etwa zweieinhalb Stunden ergreift der Priester das Wort. Die Gemeinde singt und betet, und die Resten des Essens – mehr als die Hälfte – werden an die anwesenden Familien verteilt. Die «Yachties» erhalten ihren Teil: einen Korb mit einem Ferkel und anderen Köstlichkeiten. Anschliessend versammeln sich die Männer zum Kava-Trinken. Um Kava herzustellen, werden die Wurzeln der Pfefferpflanze gemahlen und mit Wasser angerührt. Tuinyua lädt uns ein, uns in der Runde niederzulassen. Eine Schale macht die Runde. Das Gebräu enthält keinen Alkohol, schmeckt eher wie Abwaschwasser und erzeugt ein taubes Gefühl im Mund. Immer wieder melden sich Männer zu Wort und erzählen Geschichten, die wir leider nicht verstehen können. Meinen Wortbeitrag lasse ich übersetzen und ernte 60 damit das Wohlwollen der Gemeinschaft. Selbstverständlich besuchen wir am Sonntag den katholischen Gottesdienst. Frauen, Männer und Kinder sind in schönster Tracht herausgeputzt. Die Kirche ist übervoll. Sie hat keine Bänke, und alle hocken am Boden. Mit dem Schneidersitz habe ich eher meine Mühe. Von der Predigt verstehen wir nichts, aber die mehrstimmigen und häufigen Gesänge brauchen keine Erklärung. Nach dem Kirchgang verschwinden alle zum Mittagessen. Am Nachmittag geben sie sich dem Schlaf hin, und abends versammeln sie sich zum zweiten Mal in der Kirche. Was mich in der Südsee immer wieder erstaunt, ist die unglaubliche Gastfreundschaft. Ich werde auch zu einem Tanzabend der Mormonenkirche eingeladen. Dieser findet in einem Klassenzimmer statt. An der Stirnseite sitzt der Discjockey , entlang den Wänden stehen Stühle bereit. Der Raum ist mit Strom aus der hauseigenen Generatoranlage grell beleuchtet. Beim ersten Takt der alten Musik ab Schallplatte oder Musikkassette strömen Weiblein und Männlein in die Mitte und beginnen zu tanzen. Wie in der Südsee üblich, ergreifen die Frauen die Initiative. Ich tanze mit Jüngeren und Älteren, mit Schlanken und weniger Schlanken, mit Hübschen und weniger Hübschen. Mache ich mal einen Fehltritt, dann zeigen sie ungeniert ihre Schadenfreude. Nach jedem Musikstück lässt man den Tanzpartner stehen und sucht sich einen neuen. So herrscht ein stetes Geläufe. Zum Trinken gibt es nichts, nicht einmal Wasser. Ich muss meinen Durst in der Toilette stillen. Punkt halb elf ist Schluss. Mitten im gerade laufenden Stück reisst der Oberhirte dem Discjockey den Stecker aus der Dose, was mit Händeklatschen quittiert wird. Am nächsten Tag überbringe ich dem Discjockey einige Musikkassetten, damit er etwas moderner werden kann. Blenden wir nochmals zurück ins Jahr 1994, in die Zeit unserer Atlantiküberquerung. 151 Boote waren am neunten ARC-Rally in Las Palmas am Start gewesen, darunter zehn Schweizer Boote. Nach neunzehn Tagen und einigen Stunden auf See näherte sich unsere Fahrt dem Ende. 61 Meine englische Begleiterin «Pippa» tanzte wie verrückt auf dem Vorschiff meiner 40-Fuss-Stahlsloop «Hasta Mañana» herum. «We did it, we did it!» frohlockte sie. Es war dunkel, 0215 Lokalzeit, 4 Beaufort aus Ost. Die ersten Lichter St. Lucias tauchten vor uns auf. Wir waren drei an Bord: neben Philippa, die ich «Hand gegen Koje» mitgenommen hatte, auch mein Schwager Reini Küng. Mit uns liefen neun Yachten ein. Dass wir die Ziellinie in der Rodney Bay passiert hatten, hörten wir über Funk mit der Begrüssung: «Congratulations – welcome to St. Lucia.» Wir bargen die Segel, warfen den Motor an und schipperten durch den Kanal in die Rodney Bay Marina. Reini war am Ruder, Pippa am Funk, ich als Skipper war fürs Grobe zuständig. Im Hafen war ein Riesenfest im Gange. Musik, Welcome Drinks und ein gutes Gefühl, an diesem Anlass teilgenommen zu haben. Der Rang nach Handicap bedeutete wenig, vielmehr war es darum gegangen, die Herausforderung anzunehmen, den Atlantik per Segelboot zu überqueren. Schon der Start der 151 Yachten zum Atlantic Rally war zu einem Volksfest im Hafen von Las Palmas geworden. Einmal unterwegs, waren die Wetterbedingungen während der ersten zwölf Tage ideal. Allerdings erreichten wir den NE-Passat erst nach vier Tagen. Es ging dann zügig voran, bei Bf 4-5, manchmal – meistens nachts – auffrischend bis auf Bf 6. Täglich gaben die Teilnehmer ihre Positionen auf SSB-Funk durch (Roll call). In den letzten Tagen erlebten wir wechselhaftes Wetter, zeitweise mit Regen und nur noch Bf 2-3. Die erst in Las Palmas angebolzte «Windpilot»-Windfahnensteuerung hielt uns präzis auf Kurs. Mit dem Boot hatten wir unterwegs keine technischen Probleme, und es herrschte eine gute Stimmung an Bord, obwohl Reini anfangs etwas gegen die Seekrankheit kämpfen musste. Pippa war unterhaltsam. Auf halbem Weg schrie sie plötzlich auf: «It‘s coming!» «What‘s coming?» fragte ich. «A poem», antwortete sie und rannte zum Kartentisch, um sich Notizen zu machen. Das Resultat lag nach einigen Tagen vor: ein erotisches Gedicht für die vier jungen 62 63 Männer auf der «Morangie», einer am Rennen teilnehmenden Yacht. Nach einem «Roll call» setzte Pippa ihr Gedicht per SSB an die «Morangie-Boys» ab, mit dem Resultat, dass sie nach unserer Ankunft diverse Kopien los war und sogar von der Rennleitung einen Sonderpreis bekam. Das alle Jahre stattfindende ARC wird durch Jimmy Cornells World Cruising Ltd in London organisiert. Vor dem Start wurde in Las Palmas ein dreitägiges Seminar durchgeführt, das erstmals auch für Nicht-ARCTeilnehmer offen war. Themen waren Astronavigation, Route Planning, Erste Hilfe, Leben an Bord und Überleben auf See. Zum Abschluss fand noch eine Rettungsdemonstration statt. Auch für Partys und ein Feuerwerk am Vorabend des Starts blieben noch Zeit. Nach kurzweiligen und interessanten Tagen in Falehau laufen wir aus Richtung Süden mit Ziel Vava'u in der nördlichen Inselgruppe von Tonga. Das sind 160 Meilen. Der Passat hat eine südöstliche Richtung. Wir schaffen es gerade, die Hauptinsel anzuliegen, denn das Meer ist unruhig, und die «Hasta Mañana» bockt in den Wellen. Kaum auf offenem Wasser, bekommt Doris die Härte des Ozeans zu spüren. Seewasser schwappt über das Boot und dringt durch die noch nicht geschlossene Decksluke in ihre Koje. Das fängt gut an. Gegen Abend am 3. Oktober 1995 laufen wir in Neiafu ein, am Hauptort von Vava’u. Doris schnappt eine Boje in der Nähe des «Paradise-Hotels». Viele uns bekannte Yachten liegen hier, und die neuesten Geschichten machen zur «Happy Hour»-Zeit die Runde. Die zweimotorige «Quest» aus Südafrika hat unterwegs von Samoa ihren zweiten Maxprop im Wert von 2500 Dollar verloren. Sie muss auf Slip, um einen neu eingetroffenen Propeller anzubringen. Den werden die Südafrikaner wohl besser sichern. Wohl oder übel müssen sie vorerst einmotorig weiter. Die Schweizer «Pura Vida» hat Getriebe-, Alternator- und Kühlschrankprobleme, etwas viel auf einmal. Auf meinem Boot spukt der Kühlschrank auch – ein loser Kontakt ist die Ursache. Am nächsten Tag werden die Einklarierungshürden genommen. In 64 meinem «Länderlexikon für Fahrtensegler» heisst es: «Hunde und Papagaien werden getötet, andere Tiere kommen in Quarantäne. Obst und Gemüse werden beschlagnahmt.» Was hat wohl Erich auf der «Rubinsky» mit seinem Hund gemacht? Hier stellt sich die Frage, welchen Sinn es macht, ein Tier an Bord zu haben. Weil der Auslauf sehr eingeschränkt ist, bereitet man zweifellos auch dem Tier keine Freude. Sie dürfen in den Häfen niemals an Land, teilweise nicht mal an Deck. Speziell Neuseeland handhabt die Gesetze sehr genau und bestraft Verletzungen zu Recht mit hohen Gebühren. Erich will unbedingt nach Neuseeland und erwägt, seinen Hund nach Hause zu schicken. Andere Crews passen ihre Routen den für Tiere geltenden Regeln an und laufen deshalb viele Orte nicht an. Sie verbringen die Hurrican-Saison zum Beispiel in Fidschi, wo die Bestimmungen weniger streng sind als anderswo. So oder so: Tiere bringen meistens Probleme mit sich. Die Freuden, die ein kleiner Begleiter bereitet, wiegen – wie ich meine – die Nachteile kaum auf. Ein amerikanischer Einhandsegler musste in Galapagos seinen Schäferhund töten. Dessen Lebensraum an Bord der Yacht war dermassen eingeschränkt, dass er kaum mehr gehen konnte. Hundebesitzer führen oft an, ihre Begleiter seien gute Wächter. Das mag sein, auf jeden Fall muss man sich aber gut überlegen, ob ein Tier auf einem Boot mitfahren soll. Doris und ich haben ein anderes Problem: In Neiafu übernehmen wir ein neues Crewmitglied: Paul Steinemann mit dem Studentennamen «Pirat», einen alten Freund, mit dem ich vor dreiunddreissig Jahren die Ingenieurschule in Winterthur besucht und Elektrotechnik studiert hatte. Er lebt in Neuseeland und ist ein angefressener Segler. Er wird uns nach Whangarei auf der Nordinsel begleiten. Da wir beide angegraute Haare haben, ist 65 Doris öfters dem Spott ausgesetzt, im Stile von: «Heh Doris, wie geht‘s mit deinen Pensionären?» Tatsächlich wurde auch Paul kürzlich in den Ruhestand versetzt. Er fügt sich gut in unsere Crew ein, allerdings scheint ihm das Essen wichtig, denn er hat jede Menge Fleisch eingekauft. Statt eine grosse Mahlzeit pro Tag stehen jetzt zwei auf dem Menüplan. Doris hat aber keine Lust, für uns die Hausfrau zu spielen. So werden alle drei abwechslungsweise zum Kochen verknurrt. Die Arbeitsteilung ist ein altes Problem auf Yachten. Vor allem bei Paaren spielt der Mann öfters den Skipper, die Partnerin ist vollwertiger Vorschoter und muss noch den ganzen Haushalt an Bord besorgen, wohlverstanden ohne Geschirrspüler und Waschmaschine. Unter solchen Umständen kann ich gut verstehen, dass manchen Frauen das Segeln zum Halse heraushängt. Hier in Neiafu ist die Mooring-Charterfirma vertreten. Ihr Guide für die Vava'u-Gruppe ist hervorragend. Es hat sich auch die Sitte eingebürgert, anstelle von Inseln nur noch von Nummern zu sprechen. Das erleichtert die Kommunikation ungemein, obwohl diese Ausdrucksweise unromantisch ist. Wir machen uns auf, dieses durch Riffe geschützte Inselrevier mit vielen unbewohnten Eilanden zu erkunden. Es gibt sehr schöne Ankerplätze mit Sandstränden und tollen Schnorchelmöglichkeiten. Unter Wasser ist viel los: Neben Korallen in allen Farben lässt sich ein Reichtum an Fischen bestaunen. Taucht jedoch ein Hai auf, so wird es mir eher mulmig in der Magengegend. Paul als erfahrener Taucher meint: «Du musst dich nur ruhig verhalten und nicht mit den Armen fuchteln, dann passiert nichts.» Die Abende vertreiben wir mit Kartenspiel, Videos oder Gesprächen über vergangene Zeiten oder das Leben in Neuseeland, wo Paul schon dreissig Jahre ansässig ist. Am 10. Oktober treffen sich viele Yachten vor der Insel Kenutu. Hier führt die Berlinerin Joanna zusammen mit ihrem einheimischen Freund Moses die «Berlin-Bar». Es gibt jede Menge Fisch zum Nachtessen, und die Crew der «Amblers» – Stan am Keyboard und Cora am Saxophon – spielen zum Tanz auf. Die 66 Stimmung ist ausgelassen: ein richtiges Seglerfest. Wie schön, viele bekannte Gesichter wiederzusehen! Joanna führt auch ein Tourist-Resort, in dem man zwischen Baum-, Doll- oder Coconuthaus wählen kann. Die Anlage ist in einheimischen Baustil unter den Palmen entstanden und jederzeit einen Besuch wert. Es besteht eine Bootsverbindung nach Neiafu, die zum Einkaufen rege benutzt wird. Hier treffen wir auch unsere kalifornischen Freunde Doris und Denny der «Balamar», die mit ihren drei zwischen zwölf und achtzehn Jahre alten Kindern nach Neuseeland unterwegs sind. Auf meine Frage nach dem Wohlbefinden antwortet Doris: «Just great.» Das ist typisch für die optimistische Lebenseinstellung der Amerikaner. Ein Schweizer oder ein Deutscher würde antworten: «Es gefällt uns hier, aber es ist zu heiss, das Wasser ist trübe, man sieht wenig Fische beim Schnorcheln.» Denny veräusserte seinen Anteil an einer Anwaltspraxis seinem Partner, kaufte ein Boot, vermietete das Haus in Carmel in Kalifornien, und dann ging die Reise los – mit der ganzen Familie. Die Kinder absolvieren ein Ferngymnasium. Alles nach dem Motto: «Just do it. Make the best out of it.» Die Tage vergehen wie im Fluge. Wir segeln schliesslich zurück nach Neiafu. Das Einkaufen und Ausklarieren vollzieht sich reibungslos. Nach einem letzten Fest in der «Bounty-Bar» setzen wir am 14. Oktober die Segel, um Suva anzulaufen. Wir wären schon am Freitag, dem 13. auslaufbereit gewesen, aber einen Start an einem solchen Tag lasse man als Segler besser bleiben. Etwas Aberglaube darf sein. 67 68 Ende des «Coconut Milk Run» Tonga – Suva – Mamanuca-Inseln Yasawa-Gruppe - Lautoka – Whangarei A uf der 420-Meilen-Überfahrt von Tonga nach Suva stimmt einfach alles: Unser Kurs ist West, und der Passat weht mit konstanten fünf Beaufort aus Ost. Wir wählen den kürzesten Weg durch die relativ schmale Oneata-Passage. Das Wetter ist schön. Die Dreiercrew ergibt Wachen von drei Stunden und sechs Stunden Ruhe, genügend Zeit, um das zu machen, wozu man gerade Lust hat. Die Segelstellung ist immer die gleiche: Gross an Steuerbord und die Genua backbord ausgebaumt. Das Timing stimmt. Im Morgengrauen erreichen wir die Passage, begleitet von Delphinen, die mit uns um die Wette schwimmen. Paul ist erstaunt, wie präzis meine Windfahnensteuerung das Boot auf Kurs hält. Wir befinden uns in der mit Riffen gespickten Korosee. Hier in dieser Gegend hat schon öfters eine Weltumsegelung an einem der Riffe ein abruptes Ende gefunden. Nach dreieinhalb Tagen laufen wir in die Bucht von Suva der Insel Viti Levu ein. Auf VHF-Kanal 16 werden wir angewiesen, uns an die Kings Wharf zu legen. Der Immigration Officer erscheint in Gestalt einer jungen hübschen Frau mit indischen Gesichtszügen. Nächste Station ist der Zoll. Diverse Formulare sind in mehrfacher Ausführung auszufüllen. Immerhin erhalte ich Kohlepapier. Der immense Papierkrieg scheint ein Überbleibsel der englischen Kolonialzeit zu sein. Ich nehme das Ganze gelassen und stelle mir vor, dass es wohl auch nicht ganz einfach wäre, mit einem Boot in die Schweiz einzureisen. Dann fällt der Anker vor dem Royal Suva Yachtclub. Wir kommen gerade recht zur «Happy Hour» an der Clubbar. Das Bier kostet nur einen halben Fidschi-Dollar oder fünfzig Schwei- 69 zer Räppli. Gegen einen kleinen Beitrag kann man alle Clubeinrichtungen benützen. Das Restaurant ist hervorragend und sehr günstig. Suva ist eine kosmopolitische Stadt mit 175 000 Einwohnern. Der indische Einschlag ist unübersehbar. Um die Jahrhundertwende wurden indische Arbeiter für die Zuckerplantagen ins Land gebracht. Als der Anteil der Inder mit der Zeit die Anzahl der Fidschianer zu übertreffen drohte, kam es öfters zu Spannungen. Seit 1970 ist Fidschi unabhängig. Wie schön, wieder einmal in einer grossen Stadt zu sein, wo das Leben pulsiert und die Polizisten weisse, unten gezackte Jupes tragen. Alles ist zu kaufen, aber um alles muss gefeilscht werden – es geht zu wie auf einem Bazar. Der Markt ist besonders am Samstagmorgen sehenswert. Er überquillt förmlich von angebotener Ware und Menschen. Ruhe findet man im gut einer halben Stunde entfernten Tholo-i-Suva Forest Park. Ich folge dem Weg entlang dem Waisila-Creek durch dichten Regenwald. Immer wieder lädt ein Süsswasserpool zum Bade. Aber Vorsicht, es sollen schon Touristen ausgeraubt worden sein, während sie sich im Wasser tummelten! Am untersten Pool angelangt, beobachte ich eine Gruppe junger Fidschianerinnen, die T-Shirts und Hosen übers Badkleid anziehen, nicht etwa um wegzugehen, sondern um zu baden. Im ganzen Südseeraum baden die einheimischen Frauen in Kleidern. Die Missionare haben offensichtlich ganze Arbeit geleistet. Hier in Suva verlässt Doris mein Schiff. Wir sind etwas später dran als vorgesehen, und sie möchte lieber genügend Zeit haben, um Neuseeland kennenzulernen, bevor sie zum Windsurfen nach Australien weiterreist. Ich kann gut verstehen, dass sie das Flugzeug der Reise per Boot von etwa zehn Tagen vorzieht, zumal es beim Ansteuern Neuseelands ziemlich rau zu und her gehen kann und sie ein Ticket hat. Sie beschenkt mich mit einem mehrfarbigen Schirm. Er soll mich vor Regen, Sonne und allen bösen Geistern schützen. Trotzdem fällt es mir schwer, mich von Doris zu verabschieden. 70 Nach einem ausgiebigen Abschiedsfest steche ich mit Paul zusammen in See. Wir segeln entlang der Südküste in Tagesetappen. Wir wollen zuerst dem Musket Cove Yachtclub auf der westlich Viti Levus gelegenen Insel Malolo-lailai – was für ein schöner Name! – einen Besuch abstatten. Ich mache mich mit gemischten Gefühlen auf diese Reise. Zwei Skipper an Bord sind nie gut, aber nach ein paar Reibereien werden wir ein richtiges Team, ja im Laufe der weiteren Reise sogar richtig gute Freunde, die sich geradezu ergänzen. Nach einer Riffpassage im MCYC angekommen, legen wir uns an eine Clubboje. In der Marina liegt die Mooring-Charterflotte Fidschis. Es hat sogar einen kleinen Flugplatz mit Verbindungen zum Nadi Airport. Hier wird mir mal wieder meine Liebe zum weiblichen Geschlecht zum Verhängnis. Nachts um halb zehn habe ich ein Rendezvous mit der Fidschianerin Liku. Ich mache mich mit meinem Beiboot und einer Flasche Rum Richtung Hafen auf den Weg. Ich weiss genau, ich muss mich in der Mitte des Kanals halten, die durch zwei rote Peillichter markiert ist. Nun, ich fahre wohl etwas schnell und kürze Richtung Steg etwas ab. «Ratsch!» Ein ekelhaftes Kratzen und das Zischen rasch entweichender Luft erschüttern mein Dinghy. Schon bin ich am Schwimmen und versuche, den Motor abzustellen und ihn vor dem Eintauchen ins Wasser zu retten. Schliesslich schaffe ich es, mein lädiertes Bötchen an einer Palme festzumachen. Eine Seite sieht aus, wie mit dem Messer aufgeschnitten. Ich bin doch tatsächlich auf einen Korallenblock aufgefahren! Etwas abgekühlt und bis auf die Knochen durchnässt, mache ich mich mit der geretteten Rumflasche auf zu meinem Treffen mit Liku. Trotz allem erlebe ich einen gelungenen Abend. Liku wird meine Freundin, wenigstens für die Zeit meiner Anwesenheit auf dieser Insel. Die Reparatur meines Beibootes hält uns hier fest. Das dazu nötige Material muss aus Suva eingeflogen werden – schliesslich hat das ganze Malheur auch noch einen «Pfnüsel» (Erkältung) zur Folge. Während der Wartezeit ergreife ich die Gelegenheit, mit einer herumstehenden Cessna-172 der Pacific Flying School einen Flug 71 zu unternehmen. Schön, wieder mal selbst zu fliegen. Ich brauche die Flugstunden auch, um mein Privatpilotenbrevet erneuern zu können. Paul scheint sich an Bord des Flugzeuges nicht ganz wohl zu fühlen, besonders, wenn ich zum Fotografieren das Fenster öffne. Aus der Vogelperspektive sind alle Riffe gut zu erkennen. Wir fliegen bis hinauf zur «Blue Lagoon» in der Yasawa-Gruppe, wo wir noch hinsegeln wollen. Dann verlassen wir das schöne Revier um Musket Cove und segeln – oder besser motoren – Richtung Norden. Vor dem Dorf Soso auf der Insel Naviti gehen wir vor Anker. Hier leben die Fidschianer noch nach traditioneller Lebensweise. Als Fremder ist man angehalten, beim Dorfältesten vorzusprechen und als Geschenk Yagona (Kavabier) mitzubringen. Nach einem warmherzigen Empfang wird uns das ganze Dorf gezeigt. Alle grüssen uns mit einem fröhlichen «Bula» (Grüezi). Hühner und Schweine laufen frei herum. Die Frauen waschen natürlich von Hand. Die Küche ist eine Hütte mit offenem Feuer. Es gibt weder Strom noch fliessendes Wasser. Das Gemeinschaftsbad ist ein Süsswasserpool am Ende des Dorfes. Nach einer schwierigen Riffpassage mit Paul am Ruder und mir im Ausguck folgen wir weiter unserem Kurs Richtung Norden und erreichen die «Blue Lagoon». Dort liegt die Turtle Island Lodge auf einer Insel, die der exzentrische Amerikaner Richard Evanson 1972 für 300 000 Dollar gekauft und nach und nach zu einem exklusiven Ferienort ausgebaut hat. Er beherbergt nur englisch sprechende, gemischte Paare in 14 Bungalows und nur für mindestens sieben Tage. Pro Nacht und Paar blättert man satte 690 Dollar hin, doch ist in diesem Preis wirklich alles inbegriffen: vom Champagner über sämtliche Getränke bis zu einsamen Stränden nur für zwei. Der Transfer vom internationalen Flugplatz Nadi per Flugboot kostet 72 noch zusätzlich 500 Dollar. Richard Evanson verspricht seinen Gästen auch, dass sie garantiert keine Fremden zu Gesicht bekommen. Da sind wir entschieden fehl am Platz! Aber wir lassen es darauf ankommen und gehen an Land. Mit einer Schale Kava in der Hand fängt uns ein älterer Herr ab: «Hi, my Name is Richard. What are you looking for?» Wir fragen, ob es hier eine Bar habe. Richard gibt uns etwas Kava zum Trinken und erläutert uns sein Reich. Anschliessend bittet er uns freundlich, seine Insel zu verlassen. Am nächsten Tag segeln wir nach Lautoka. Wir müssen einkaufen und Diesel und Wasser tanken. Das Ein- und Auschecken braucht etwas Zeit, dann starten wir in Richtung Neuseeland. Hier in Lautoka kann man übrigens in der Werft am Hafen sein Boot hurricansicher eingraben lassen. Der Kiel wird eingebuddelt und die Yacht in den Sand gestellt. Ob das im Ernstfall funktioniert? Die 1100-Meilen-Reise nach Neuseeland wird zu einem Vergnügungstörn, zumindest während der ersten neunzig Prozent der Strecke. Ein reiner Männertörn hat auch was Gutes. Wir segeln am Rand eines stationären Hochs mit Wind aus östlicher Richtung um die vier Beaufort, später auf Nord drehend und durchwegs angenehmem Meer. Allerdings wird es mit zunehmender südlicher Breite kühler. In Neuseeland ist es Frühling. Die Barfussroute ist zu Ende, warme Socken müssen her. «Pirat», mein Mitsegler, entpuppt sich als gewiefter Seemann, wie von einem Neuseeländer kaum anders zu erwarten ist. Er ist auch fähig, per Sextant in nützlicher Frist einen Astro-Fix hinzukriegen. Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Das Wetter verschlechtert sich, und es beginnt zu regnen. Wir schalten den Radar ein, sobald wir uns der Küste und damit den Schifffahrtsrouten nähern. Die Sicht beträgt kaum eine Meile. Es sind keine 73 Schiffe zu sehen, jedoch auf dem Radarschirm, der auf den 8-NMRange eingestellt ist, haben wir fünf klare Echos. Einem Schiff müssen wir sogar mit Hilfe des Radars ausweichen, ohne es je gesehen zu haben. Jedenfalls ist mir etwas klar: Ohne mit einem Radar ausgerüstet zu sein, würde ich mich nie aufs Meer wagen. Es passiert in der letzten Nacht auf See. In einer auf acht Beaufort auffrischenden Böe beginnen wir zu reffen. Zu spät. Die «Hasta Mañana» legt sich auf die Seite, der Grossbaum taucht ins Wasser ein, bricht und klappt zusammen. Das wirkt wie eine automatische Reffeinrichtung. Das Glück im Unglück: Wir haben nur noch einige Stunden unter Segel vor uns. Wir runden Bream Head (Bream = eine Fischart) bei Anbruch des neuen Tages, dann fahren wir unter Motor auf dem Hatea River hinauf nach Whangarei. Nach dem Anlegen am «Customs & Ministry of Agriculture and Fishery Wharf» verholen wir ins Town Basin. Es ist Freitag, der 10. November 1995. Ich flippe aus, denn zum ersten Mal betrete ich neuseeländischen Boden. Wir lassen die Champagnerkorken knallen. Mit der Ankunft in Neuseeland hat sich für mich ein langgehegter Traum erfüllt. Die Langstreckenseglerei gefällt mir ausserordentlich gut und entspricht genau dem, was ich in meiner gegenwärtigen Lebensphase gerne mache. Ich möchte die Leser mit ähnlichen Träumen dazu ermuntern, die Segel zu hissen und loszufahren. Zugegeben, so etwas braucht Zeit und etwas Geld, aber es geht auch mit einem kleineren Boot und weniger Komfort. Kaum zu glauben, vor genau einem Jahr war ich in Las Palmas mit den Vorbereitungen fürs Atlantic Rally ARC 94 beschäftigt. Inzwischen habe ich die halbe Erde umsegelt und seit August 1994 schon über 14 000 Meilen auf dem Log. Paul, der mit seiner Familie in der Mairangi Bay in Auckland wohnt, verabschiedet sich. Seine Frau, Nelly, ist auch eine Schweizerin und arbeitet als Ärztin mit eigener Praxis in der Nähe ihres Wohnortes. Ihre 17jährige Tochter ist pferdeverrückt und öfter bei ihrem Pferd als zu Hause anzutreffen. Bei ihnen geniesse ich spä- 74 ter einige Tage grosszügige Gastfreundschaft, bevor ich mich aufmache, die Nordinsel etwas kennenzulernen und auch die ersten Reparaturen an meinem Boot vorzunehmen. Gegen Ende November taucht Doris wieder auf, die mich von Tahiti ein Stück des Weges bis nach Fidschi begleitet hat, um ihr auf dem Boot zurückgelassenes Gepäck abzuholen. Wir erleben ein paar schöne Tage zusammen. Während Doris noch weiter auf dem Fünften Kontinent bleiben will, plane ich meine alljährlichen Weihnachtsferien in der Schweiz. Deshalb besorgt Doris Weihnachtsgeschenke, obwohl es in Neuseeland erst Frühling ist. Ich verspreche ihr, dass ich, was immer sie einpackt, wie abgemacht bei ihren Eltern in Wagenhausen abliefern werde. Kurz bevor ich abfliege, feiere ich noch meinen 57. Geburtstag. Obwohl mein Kopf am nächsten Morgen noch etwas brummt, verlege ich die «Hasta Mañana» zum «Dockland 5», wo mein Boot per Travellift auf das Land oder «on the hard», wie es hier heisst, befördert wird. 75 Legende fotos 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 76 Im April 1994 wird die »Mañana» von Oslo nach Egå in Dänemark überführt: v.l.n.r. Hans Jørgensen, Otto Schmid (der Autor), Gregor Zurfluh aus Brunnen und Peder Mathiasen (vorheriger Teileigner) Auf der Insel Espalmador bei Ibiza: Ob dieses Schlammbad Otti wohl gut tun wird? «Hasta Mañana» unterwegs: zwischen Gibraltar und Las Palmas erstmals auf dem Atlantik «Junior Parade of Bands»: am Karneval von Trinidad Robyn: Leidenschaft von zerstörerischer Sprengkraft Der Hafenkommandant von Puerto Ayora: Alejandro Villacis mit einer deutschen Seglerin Im Trinidad and Tobago Yacht Club: «Absolutely no credit!» Im Panamakanal: Die beiden Deutschen Smita und Mick bilden die neue Crew Der 27. Mai 1995 ist denkwürdig: Auch die «Hasta Mañana» verewigt sich beim Post Office Hiva Oa: Nach 23 Tagen auf See bergen Smita und Mick die Segel Atuona auf den Marquesas: Paul Gauguin ruht an einem schönen Ort Smita im einstigen Eingeborenen-Look Im Sand von Tortuga: Patenkind Melissa auf Besuch Smita ist vielseitig talentiert: auch beim Kuchenbacken Unterwegs nach Trinidad: v.l.n.r. Christine und Oliver (Sohn und Freundin) und die beiden Mitsegler Herbert aus Österreich und Linda Perusko aus England Im Panamakanal: Ebenfalls unterwegs ist die «Dreamtime» aus Florida (rechts) Isla Santa Maria auf den Galapagos: die schönste Post der Welt Apataki auf den Tuamotos: ein Schnorchelparadies Moorea: Bei solchen Bildern werden Südseeträume Wirklichkeit In Papeete getroffen: Peter Kägi mit seiner «Paros» von Basel Maurea in Papeete: Hier verbirgt sich weibliche Schönheit nicht Die Starflotte Bodensee lässt grüssen: Ganzkörper-Sonnenschutz Heiva-i-Tahiti-Festival in Papeete: Heiata rudert für das Moorea-Pirogenteam Trinidad: müder Nachwuchs für den Karneval Doris Fricker aus Wagenhausen: Sie sammelt auf der «Hasta Mañana» ihre ersten Hochsee-Erfahrungen Papeete: Zurück bleibt die Familie von Raa Papeete: Otto Schmid als Sponsor des Pirogen-Teams Moorea Bei Bora Bora: die beiden Schweizer Vreni und Toni Caviezel mit ihrer «Pura Vida» Apia: Barbara und Christian führen das Restaurant «Rainforest» Bereit zum Festschmaus: grillierte Ferkel Port Vila: Kristy aus Melbourne ist leicht zu führen Papeete 1995: Bei einer Demonstration gegen die Atombomben schlagen die Wogen hoch Abschiedsgeschenk von Doris: Es soll vor Regen, Sonne und allen bösen Geistern schützen Papeete: Vaimiti, Alain Colas Tochter Pfefferpflanzen-Wurzeln: der Rohstoff für den Kava Bewährt: der Heckbügel als Montage-Plattform Marovo-Lagune: Kinderbesuch Hollyford Track: unterwegs in Neuseeland Am Tonga Rally: Debbie ist ein unterhaltsames Crewmitglied Von Port Vila nach Tanna: eine Stunde mit der einheimischen Airline Mount Cook in Neuseeland: Susi geniesst einen Heli-Rundflug 42. Neiafu auf Tonga: ein schwimmender Händler 43. Überbordende Natur: Überall leuchten Frangipani-Blüten 44/45. An der Südküste Tasmaniens: unberührte Natur. An den Stränden gleisst der Sand wie Schnee 46. Malolo-Lailai: idyllischer Musket Cove Yachtclub 47. Nouméa: Maité fühlt sich wohl an Bord der «Hasta Mañana» 48. Atata Island: am Ziel des Tonga Rally 49. Fidschi: Ankerbucht vor dem Royal Suva Yachtclub 50. Melaleuca auf Tasmanien: Der South Coast Track ist mit Flugzeug erreichbar 51. Port Vila: Am Unabhängigkeitstag findet eine Regatta statt 52. Nouméa: Ukulele in Aktion 53. Vao/Ile des Pins: Wie überall in der Südsee haben die Missionare ihre Spuren in Form vieler Kirchen hinterlassen 54. Von der Ile des Pins nach Port Vila: Die 320-Meilen-Strecke mit ausgebaumter Genua in zweimal 24 Stunden geschafft 55. Port Vila auf Vanuatu: Blick auf die Insel Iririki 56. Apia auf Westsamoa: Aufmarsch der Polizeiband zum allmorgendlichen Fahnenaufzug 57. Galapagos: Boutique in Puerto Ayora 58. Fidschi: die Blue Lagoon in der Yasawa-Gruppe 59. Kai-Tak-Flugplatz in Honkong: meine letzte MD-11 Landung 60. Ile Fareone: Versteckspiel im Sand 61. Port Vila: Die Polizeiband eröffnet das grosse Fest des 17. Unabhängigkeitstages Vanuatus 62. Neukaledonien: Port Moselle in Nouméa 63. Expo 98 Rally: Die «Best of Boingo» nimmt am Rennen um die Welt teil 64. Port Vila: Peter Kägi war auf dem Markt — heute gibt es frischen Salat 65. Port Vila: Zuerst drohte Gefängnis, doch alles verläuft in Minne. Nach der Gerichtsverhandlung kommen Ankläger John (links) und Pflichtverteidiger Reynold zu einem Besäufnis an Bord der «Hasta Mañana» 66. In Port Vila aufgegabelt und für alles zu haben: Loritta (rechts) und Rose 67. Neukaledonien: Port Moselle ist eine moderne und sichere Marina 68/69. Pferderennen von Port Vila: Heather gewinnt den Preis der «bestangezogenen Ni-Vanatu». Rechts von ihr die Gewinnerinnen des Gruppen-Wettbewerbes 70. Samoa: Debbie und Chris hinterlassen einen Talisman zum Abschied 71. Vanuatu: Klein-Robinson hat Durst 72. Cairns: Für Susi ist das Segeln «Fun», aber noch mehr liebt sie das Klettern 73. «Hasta Mañana» ist eine beliebte Unterhaltungsstätte: Eine besondere Attraktion sind die Videos an Bord 74. Australien: Blick auf den Ankerplatz von Horn Island 75. Schöne Erinnerung: sympathische «Waterfront»-Crew in Port Vila 76. Beim Einhandsegeln bleibt keine Zeit zum Rasieren 77. Airlie Beach/Australien: Begegnung mit der neuesten Olympiaklasse-49er-Jolle 78. Hoher Norden Australiens: Thursday Island in Queensland 79. Uréparepara/Vanuatu: Luke feilscht hartnäckig um ein Seil für seine Kuh 80. Australien: Autostopp mit Ziel Alice Springs 81. Vanuatu: In Ranon entstehen Tamtams 82. Papeete: Vehere, Peter Kägi und Otto Schmid versuchen ihr Glück in einer Piroge 83. Australien: Low Islet liegt vor Port Douglas 84. Achtung: Krokodile! 85. Mooloolaba-Yachtclub in Australien 101 102 Tonga – Rally Neuseeland – Tonga 33 Boote segeln am Tonga-Rally 1996 über tausend Seemeilen von Neuseeland nach Atata Island. Der Start erfolgt am 4. Mai unspektakulär um 1000 Uhr vor dem Opua Cruising Club. Kein Knallen wie bei Regatten-Starts sonst üblich, kein Hupen. Lautlos steigen Ballsignale beim Clubhaus, und die Boote gehen auf die Reise. Um so ausgelassener ist die Stimmung an Bord der Boote. Sirenengeheul, Jauchzen oder Brüllen schallen übers Wasser. Das Ziel liegt über tausend Meilen nördlich auf der Atata-Insel, einige Meilen entfernt von Nuku'alofa, dem Hauptort von Tonga. Wir haben herrliches Herbstwetter. Ein Hoch liegt westlich der Nordinsel. Das Hoch dreht auf der Südhalbkugel links herum. Somit können wir mit achterlichen Winden um 15 bis 20 Knoten rechnen. Besser kann es gar nicht sein. Wir tragen die T-Shirts der Island Cruising Association von Auckland. Organisatoren dieses Anlasses sind Joan und Brian Hephurn. Das Startgeld betrug 250 neuseeländische Dollar oder etwa 200 Franken. Dafür wird viel geboten. Ich segle mit einem jungen englischen Paar: Debbie und Chris aus Plymouth. Während Chris viel Hochseeerfahrung hat, befindet sich Debbie auf ihrer ersten Hochseereise. Die beiden haben mich kurz vor der Abreise in Whangarei angequatscht: «Hey mate, do you need a crew?» Dieses Angebot kam mir gerade recht. Ursprünglich wollte ich mit zwei Mädchen segeln. Nun ist das anders, auch egal. Kaum haben wir die offene See erreicht, spielt sich die Bordroutine ein: Wachen im Dreistunden-Rhythmus, Kochen, Schlafen oder Lesen. Debbie hält sich ganz gut. Jedenfalls wird sie nicht 103 seekrank und versprüht eine ansteckend gute Laune. Die beiden Engländer machen einen Video, und es gibt viel zu lachen. Morgens um 0833 und abends um 1833 Uhr geben wir unsere Position an die Regattaleitung via Taupo-Radio durch. 33 Boote sind unterwegs: drei aus den USA, eines aus der Schweiz, fünf australische und 24 neuseeländische. Teilweise starteten sie in Auckland oder nördlich davon in Opua – es handelt sich um eine Cruising Rally, und es wird nicht einmal eine Rangliste erstellt. Es ist gut, wieder auf See zu sein. Ein knappes halbes Jahr ist verstrichen, seit ich – am 10. November 1995 – in Neuseeland angekommen bin. Wie üblich feierte ich Weihnachten in der Schweiz und den achzigsten Geburtstag meiner Mutter am 23. Januar. Von uns Kindern wünschte sie sich eine Reise nach Hongkong, bevor es 1997 an China zurückfiel. Schon im Februar betrat ich zusammen mit ihr wieder einmal den Boden der einstigen Kronkolonie. Mutter genoss es, diese interessante Stadt kennenzulernen. Wir besuchten auch Stefan Müller, den Sohn meines Nachbarn in Hemishofen, der dort zusammen mit Liza, seiner Freundin aus den Philippinen, lebt. Nach einer guten Woche sorgte ich dafür, dass sich meine Mutter am richtigen Schalter der Swissair anstellte – ich flog zwei Stunden vor ihr mit Ziel Neuseeland ab. Aotearoa – das Land der langen weissen Wolke – wie es die Maori nennen, die Ureinwohner Neuseelands, zählt 3,5 Millionen Einwohner, bei einer siebenmal grösseren Fläche als die Schweiz. Etwa eine Million lebt in und um Auckland, «the City of Sails». Die Kiwis sind unglaublich stolz, dass es ihnen 1995 gelang, den America's Cup, das wichtigste Ereignis des Regattasports, zu gewinnen. Unübersehbar sind auch die über siebzig Millionen Schafe, welche die Inseln bevölkern. Ein herrliches Land! Die Natur, vor allem auf der Südinsel, hat mich stark beeindruckt. Die Neu- 104 seeländer sind im allgemeinen freundlich und hilfsbereit – in den Touristikregionen versuchen sie allerdings alles, um einem das Geld aus der Tasche zu locken. Mit verschiedenartigsten Angeboten wie Bungy Jumping – auch vom Helikopter aus –, River-Rafting, Jet-Boating, Kajakfahren. Mit Susi, einer jungen Schweizer Freundin, versuchte ich, noch unberührte Natur zu finden. Wir folgten dem Hollyfordtrack, den man von Te Anau aus erreicht. Er verläuft über 59 Kilometer bis zur Martins Bay. Wir wanderten an die sechs Stunden täglich rauf und runter durch feuchten Regenwald bis zur nächsten Hütte. Wenige Tramper waren unterwegs, und wir waren meist allein. Dazwischen nahmen wir ein erfrischendes Bad im See. Das musste schnell gehen, weil die bissigen Sandfliegen unerbittlich angriffen. Es regnete oft. Die Brücken über reissende Flüsse bestehen aus drei Drahtseilen, eins unten, zwei oben. Es braucht etwas Mut, sich den schwankenden Seilen anzuvertrauen. Die Hütten sind sauber. Gaskocher, Essen und Schlafsack muss man mitbringen. Am fünften Tag liessen wir uns von Russel mit einer Cessna der Air Fjordland an den Ausgangspunkt zurückfliegen – etwas snobistisch, aber praktisch. Als nächstes nahmen wir uns den bekannten Milfordtrack vor: 54 Kilometer in vier Tagen zum Milfordsound. Hier war alles organisiert. Vierzig Wanderer sind pro Tag unterwegs. Man muss den vorgegebenen Marschrhythmus einhalten und darf kaum anhalten, auch bei schlechtem Wetter nicht, denn die nächsten vierzig folgen auf den Fersen. Herrliche Wasserfälle tosen über Felswände. Der höchste Punkt ist der Mackinnon Pass mit 1154 Metern. Nebel, stürmischer Wind. Wir sahen nichts. Schade, leider mussten wir weiter. In den Hütten ging es turbulent zu und her. Es ergaben sich viele persönliche Kontakte und Kartenspiele mit Leuten aus aller Welt. Trotzdem gefiel uns die Einsamkeit des Hollyfordtrack besser. Susi flog viel zu schnell wieder in die Schweiz. Kurz befielen mich Heimwehgefühle. War ich etwa verliebt? 105 Es blieb mir wenig Zeit für Gefühle, denn ich musste die «Hasta Mañana» für die nächste Etappe bereit machen. Mein Schiff stand im Dockland 5 in Whangarei auf dem Trockenen bei Gay und Dave Culham. Die Yachties verlebten dort einige kurzweilige Wochen. Gay war wie eine Mutter zu uns. Es wurde gemalt, über zu teure Ersatzteile geflucht, gefestet, und Stories über die Seglerei machten die Runde. In Neuseeland muss jedes Boot einen Sicherheitscheck über sich ergehen lassen, bevor es das Land verlassen darf. Das ist in einer Stunde erledigt und kostet 75 NZ-Dollar. Die meisten Segler empfinden diesen Check als Schikane. Am 21. April organisierte ich eine «Splash-Party», und darauf wurde die «Hasta Mañana» per Travellift wieder ihrem Element übergeben : No cash – no splash! Ohne Bezahlung kein Einwassern; so einfach ist das auch in der Seefahrt. Einige Tage blieben wir noch in der Whangarei Marina. Bevor wir losfahren konnten, mussten wir auftanken, einkaufen und uns von zahlreichen neuen Freunden verabschieden. Zurück zum Tonga-Rally. Wir verleben herrliche Segeltage mit räumlichen Winden in der Stärke von 20–30 Knoten. Die Etmale vergrössern sich auf über 160 Meilen, aber das Segeln ist nicht nur eitel Sonnenschein. Zuweilen ereignen sich tragische Vorkommnisse. In der Gegend, in der wir uns befinden, wurde im vergangenen November die amerikanische Yacht «Melinda Lee» vom koreanischen 24 000-Tonnen-Frachter «Pan Grace» nachts gerammt und versenkt. An Bord der Yacht war die Familie Sleavin. Ihr sieben Jahre alter Sohn hatte keine Chance und ging mit dem schnell sinkenden Wrack auf Grund. Der Rest der Familie wurde über Bord gespült. Verzweifelt versuchte Vater Michael, die in der stürmischen See wegtreibende kleine Tochter Anna zu retten. Sie überlebten nicht. Beide ertranken. Einzig die Mutter, Judith Sleavin, konnte sich ins Gummiboot retten, wurde später an die neuseeländische Küste angeschwemmt und mit Rückenverletzungen ins Spital gebracht. Da stellt sich die Frage: Wie gut ist nachts auf den Frachtern der Ausguck besetzt? Können Frachter-Besatzungen uns überhaupt auf ihrem Radar sehen? Verhalten sich auch die 106 Yacht-Crews korrekt? Die «Melinda Lee» hatte einen Radar an Bord. War er nicht eingeschaltet, obwohl die Sicht schlecht war? Oder war er allenfalls defekt? Unsere Taktik bei diesem Rally ist, zuerst in Richtung Raoul (Kermadec Islands) zu halten, um möglichst easy mit Hilfe des Hochs in den Südostpassat hineinzusegeln. Unsere Rechnung geht auf. Mit Ausnahme eines Tages mit nur 10–15 Knoten Wind kommen wir zügig voran. Am 8. Mai sehen wir morgens um 0200 Uhr ein Licht. Am nächsten Tag stellt es sich als die amerikanische Yacht «Runaway» aus Boston mit Claire und Dave heraus. Wir machen gegenseitig Fotos, und weiter geht die Fahrt. Nach nur sieben Tagen und acht Stunden segeln wir am Abend des 11. Mai in die Lagune der Atata-Insel. Joan und Brian heissen uns am Funk willkommen: Wir sind die vierte Yacht vor Anker. Einen Schönheitsfehler hat unsere Ankunft am Samstagabend: Wir sind 30 Minuten zu spät. Zoll und Immigration sind schon weg. Für uns heisst das: an Bord bleiben bis Montagmorgen. Unsere Freude trübt das keineswegs. Im Gegenteil. Mit Debbie und Chris feiern wir die schnelle und problemlose Überfahrt, was sich in entsprechender Lärmentwicklung ausdrückt. Nachdem sich noch zwei junge Neuseeländer mit kühlem Bier zu uns gesellen, ist die Techno-Party komplett. Wir tanzen wie verrückt auf dem Deck herum. Mit leidlich schlechtem Gewissen blicke ich am nächsten Morgen in die Runde. Erstaunlich, keine mürrischen Gesichter, sondern fröhliches Winken und sogar eine Einladung zum Frühstück auf die «Runaway». Hier zeigt sich die weltoffene und tolerante Einstellung der amerikanischen oder neuseeländischen Seg- 107 108 ler. Alles, was wir an Kommentaren zu hören bekommen, ist: «Hey, you had a good night.» Kein Wort wie etwa: Zu viel Krach zu später Stunde oder Ähnliches. Nach und nach ankern alle 33 Yachten der «Cruising Association» in der Bucht. Am 16. Mai wird als letzte Yacht «Wandering Willy» aus Neuseeland mit einem Spezialpreis willkommen geheissen. Darauf findet ein Sportstag statt mit Kokosnuss-Boule – Debbie und ich gewinnen – Golf über neun Löcher, Ringwerfen, Tennis auf einem fürchterlichen Rasenplatz und als Abschluss einem Beibootrennen. Es ergeben sich unzählige lustige Kontakte zu anderen Seglern. Die meisten wollen vier Monate im Pazifik bleiben und gegen Oktober nach Neuseeland zurückkehren. Die Preisverteilung findet im Rahmen einer «Fancy Dress Party» mit dem Motto «Piraten und Schiffbrüchige» statt. Alle tragen ausgefallene Kostüme. Die Stimmung schlägt hohe Wellen. Gerade 109 schliesse ich Freundschaft mit Taryn, einer Australierin, die mit mir nach Apia in Western Samoa segeln möchte. Doch das Schicksal löst die Umarmung raschestens: «Where is the skipper of ‹Hasta Mañana›?» schreit ein junger Mann. «Sie driftet im starken Wind und touchiert die ‹Ten Gauge› bei jeder Welle.» Schlagartig bin ich nüchtern. Rein ins Beiboot und Vollgas. Klatschnass erreichen wir mein Boot, das in der «Ten Gauge» hängt. Motor an und neu ankern. Der Schaden: Steuerbordnavleuchte weg, zwei Relingstützen abgebrochen und vorne der Rumpf angekratzt. Zum Glück ist die «Ten Gauge» auch aus Stahl gebaut. Ihre Schäden sind gering. Mit 100 NZ-Dollar und einer Flasche Rum ist der Schaden geregelt. Allerdings muss ich in dieser Nacht Ankerwache halten und damit Taryn und die Party vergessen. Die Australierin kommt ein paar Tage später auf mein Boot, nachdem wir uns nach Nuku'alofa verlegt haben. Hier zeigt sich mal wieder der Vorteil eines Stahlbootes. Gegen zwei Päckchen Zigaretten schweisst ein junger Tonganer die Relingstützen wieder an. Damit ist für uns die Zeit mit der Island Cruising Association zu Ende, deren Programm weitergeht mit Besuchen in Savusavu (Fidschi), Espiritu Santu (Vanuatu) und Nouméa (Neukaledonien), bevor die meisten Boote nach Neuseeland zurückkehren. 110 Samoa – oder im Paradies gefangen Nuku'alofa – Hapai-Gruppe – Neiafu – Apia A ls nächstes zieht es uns nach Norden zur Hapai-Gruppe. Wir hüpfen von Insel zu Insel. Der erste Besuch gilt Nomuku iki, wo wir im klaren Wasser schnorcheln und baden. Am nächsten Tag segeln wir weiter über Haafeva zur unbewohnten Insel Uoleva, auf der wir einige Tage verbringen wollen. «Runaway», «Wandering Willy» und «Sousa» haben sich das gleiche Ziel ausgesucht. Chris und Dale von der «Wandering Willy» haben zwei prächtige Barracudas gefangen, und wir werden spontan zu einer Beachparty eingeladen. Die Fische landen zusammen mit Brotfrüchten in Alufolie auf einem offenen Feuer und schmecken köstlich. Mit Chris schliesse ich Freundschaft. Er ist Pilot und Besitzer einer Wasserflugzeug-Flotte von acht Cessnas im neuseeländischen Queenstown. Warum er im Alter um die fünfzig seine Firma verkaufen will und für längere Zeit segeln geht, erklärt er so: «Ich möchte nicht der reichste Mann auf dem Friedhof sein!» Wir erleben unbeschwerte Tage, doch dann heisst es Abschied nehmen. Ob wir wohl die neu gewonnenen Freunde wiedersehen werden? Wir segeln in einem angenehmen Nachttörn zur Vava'uGruppe. Mit Taryn, unserem neuen Crew-Mitglied, geht es gut. Sie ist begeisterte Seglerin, allerdings scheint sie mit Debbie – mit ihr und Chris bin ich jetzt schon einige Zeit unterwegs – nicht so gut auszukommen. Für mich kein Grund zur Panik. Bis Apia werden die beiden wohl koexistieren. In der Bucht bei der Insel Vaka'eitu (im Mooring Guide Nr. 16) gehen wir vor Anker. Am Abend erkunden wir die Insel und stellen erfreut fest: Es gibt hier ein im traditionellen Stil gebautes Backpacker Resort mit einer kleinen Bäckerei mit Café und eine Bar mit Restaurant. Es wird geführt 111 von Hans, einem Österreicher, zusammen mit seiner Frau Mele aus Tonga. Das Restaurant heisst Po Pao, was soviel wie OutriggerKanu bedeutet. Lustigerweise ist es nur auf dem Wasserweg zu erreichen. Die Anfahrt von Neiafu aus dauert etwa eine Stunde. Wir verbringen einen angeregten Abend und geniessen ein ausgezeichnetes Fischgericht, das auf einem einfachen Herd zubereitet wird. Was in Neiafu sofort auffällt, ist der unglaublich langsame Gang der Einwohner. Sie schlurfen nur so durch die Gegend. Die Wirkung ist verblüffend. Automatisch passt man sich an und geht auch langsamer. Die Versorgung ist von Schiffen abhängig, die kommen oder auch nicht kommen. Wir können zum Beispiel keinen Reis finden, höchstens in 50-Kilo-Säcken. Auch die Telefonleitung scheint Löcher zu haben. Mein Fax in die Schweiz braucht unzählige Versuche des Operateurs – vergeblich. Er verspricht mir, es am nächsten Tag wieder zu versuchen. Und siehe da. Geduld bringt Früchte.Tatsächlich erreicht mein Fax schliesslich sein Ziel. Am 4. Juni 1996 stechen wir mit Ziel Apia in See. Das wird eine schnelle Reise im konstanten Ostpassat, und was besonders zählt: Wir gewinnen einen Tag, weil wir die Datumslinie übersegeln. Die Uhrzeit ändert nicht, sie ist die gleiche wie auf Tonga, nur machen wir «eben» einen Tagessprung nach vorne. Am zweiten Tag auf See stelle ich fest, dass der Alternator des Motors die Batterien nicht mehr auflädt. Kein Problem, die lade ich halt mit meinem kleinen 2KW-Dieselgenerator. Startschalter ein, und der Generator läuft 112 sofort an, aber – zum Teufel! – er gibt keine 220-Volt-Spannung ab. Kontrolle der Sicherungen, alles OK, das muss was Ernsteres sein. Vorerst haben wir zum Glück noch genügend Spannung. Als vorsichtiger Segler habe ich vier Systeme um meine Batterien zu laden: ● einen Alternator des Hauptmotors ● einen 2KW-Dieselgenerator «Zeise», unabhängig eingebaut. Er gibt 220 Volt ans Ladegerät (wie Landstrom). ● einen Windgenerator. Dieser hat sich vor zwei Wochen «verabschiedet», dreht nur noch langsam und scheint ein internes elektrisches Problem zu haben. ● ein Solar-Panel, das ich erst in Neuseeland eingebaut habe. Liefert 3-4 Ampères, wohlverstanden nur bei Sonne. Es funktioniert noch. Ich stehe somit vor der Tatsache, dass drei von vier Systemen ausgestiegen sind. Das ist doch nicht möglich! So etwas gibt es doch gar nicht. Das wichtigste ist die Navigation. Also muss der GPS genügend Spannung haben. Ich mache eine Verbindung bereit, die ich an der Starterbatterie anschliessen kann. Für den Fall eines Falles … Dazu ergreife ich andere Massnahmen, um Strom zu sparen: Das dreifarbige Positionslicht auf dem Masttop schalten wir nur noch ein, wenn wir ein Schiff ausmachen können. Auf den Kühlschrank verzichten wir ebenso wie auf Musik. Dazu schalten wir alle Instrumente ab, die nicht unbedingt nötig sind: Wind, Speed, Log, Echo. Den Autopiloten brauche ich nicht still zu legen, denn er hat schon vor drei Wochen seinen Geist aufgegeben. Ebenfalls defekt, wegen Korrosion, ist der Ruderwinkelsensor. Wir rechnen noch mit 24 Stunden bis zum Ziel. Allerdings werden wir nachts ankommen. Das macht mir nichts aus, denn ich kenne die Gegend – schon im vergangenen September war ich schon mal in Apia. Unerwartet hat Chris Fischerglück. Wir fangen noch einen respektablen Mahi Mahi und beschliessen einstimmig, ihn reinzuholen, obwohl das nicht so einfach ist. Unter dem Winschhebel 113 haucht der arme Fisch sein Leben aus. Er liefert uns zwei Mahlzeiten: eine im Ofen gebackene und eine in Form von Fischsuppe. Die Stimmung auf unserem Boot ist toll. Chris meint nur: «Otto, stay cool!» Kurz bevor wir die Passage zwischen American und Western Samoa erreichen, geraten wir in ein fürchterliches Gewitter. Unheimlich zucken die Blitze am nächtlichen Himmel. Was, wenn uns einer treffen würde? Schliesslich kommt der Wind zur Ruhe, doch dann prasselt unwahrscheinlich viel Wasser vom Himmel. Also raus aus den Kleidern! Die ganze Crew geniesst eine herrliche Dusche. Hoffentlich lässt der Regen nicht nach, bevor alles Shampoo aus den Haaren gewaschen ist. In Anbetracht unserer elektrischen Schwierigkeiten machen wir Zweistundenwachen mit Taryn und mir oder Debbie und Chris. Die Nacht klärt auf, der Mond steigt auf, es wird eine angenehme Fahrt entlang der Küste bei leichtem Ostwind. Um zwei Uhr mache ich die Blinklichter der Hafeneinfahrt Apias aus: Grün unten am Hafen und das weisse Peillicht oben auf dem Mount Vaea. Wir peilen die Linie und starten den Motor. Ich halte genau in die Mitte der Einfahrt. Um 0300 Uhr am 6. Juni fällt der Anker. Wir jubeln und fallen nach einem lauwarmen Bier in die Kojen. Der GPS machte wegen zu tiefer Spannung kurz vor der Hafeneinfahrt nicht mehr mit. Ich hätte ihn an die Starterbatterie angeschlossen oder auf Sextantnavigation umstellen müssen, wäre das Ziel weiter entfernt gewesen. Nun sind wir im Paradies gefangen, denn die Reparatur der Stromerzeuger ist in Westsamoa nicht so einfach. Reynold vom Yachtservice meint: «Bei Joe Fidschi kannst du deinen Alternator reparieren lassen.» Joe heisst in Wirklichkeit Jovesa Kanasulusalu 114 und stammt aus Fidschi, deshalb sein Übername. Er ist schwer, gross und gut genährt. Beim ersten Besuch auf meinem Boot fällt er vom Dinghy ins Wasser. Glücklicherweise hält er sich eisern an der Badeleiter fest und bricht darauf in ein befreiendes Lachen aus. Erlöst stimme ich ein. Der erste Augenschein ist ernüchternd, denn Joe hat diese Art Alternator mit eingebautem Regler noch nie gesehen. Ich habe auf meinem Stahlboot «isolated ground», das heisst, das Minus geht nicht an Masse, sondern ist separat geführt. Zwar stellen wir fest, dass der Regler offensichtlich defekt ist, doch Joe weiss vorerst keine Lösung. Beim Zeise-Generator kann ich mit Hilfe von Klaus, einem südafrikanischen Segler der «Gemini Contender», feststellen, dass der Kondensator zur Felderregung des Generators futsch ist. Das bedeutet, beim Hersteller in Deutschland einen neuen Kondensator bestellen und um die halbe Erde senden lassen. Jetzt ist Geduld angesagt. Woche um Woche verstreicht, ohne dass die Sendung eintrifft … und dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob der Generator nach dessen Einbau wieder Spannung abgeben wird. Mit Joe habe ich mehr Glück. Nach mehreren Versuchen ist er soweit, dass er wenigstens in seinen diversen Lagern mit einem unheimlichen Durcheinander nach einem Modell sucht, das dem meinen gleicht. Und siehe da: Wir haben Erfolg. Er findet einen ähnlichen Regler, der meinem Alternator wieder Leben einhaucht. Herrlich! Es gibt wieder kühles Bier an Bord der «Hasta Mañana». Mit Joe und Kenny – auch er aus Fidschi – machen wir uns auf, den Erfolg gebührend zu feiern. Wir starten zur «Happy Hour» im «Otto's Reef», meinem Riff. Runde um Runde steigt. Zwei Frauen vom Lesina-Reisebüro, Fao und Lou, setzen sich zu uns, dazu die Fa'afafine Maryann, die sich als Transvestit entpuppt. Die Stim- 115 mung ist so ausgelassen, dass wir beschliessen, eine Airline zu gründen: die «Hasta Banana Airways» mit mir als Captain, Fao als Copilotin und Joe als Engineer. Kenny ist für «Food and Beverage» verantwortlich und Lou für die Tickets. Maryann ernennen wir zur Kabinenchefin. Als schwimmendes Office wird mein Boot bestimmt. Tickets kriegt nur, wer schwimmenderweise die «Hasta Mañana» erreicht. Unser Gelächter nimmt kein Ende. Zum Schluss entscheiden wir, dass die Airline während der nächsten 24 Stunden ausser Betrieb sei und kein Abflug stattfinde. Aus einem einfachen Grund: die Crew ist besoffen! Joe hat übrigens zusammen mit seiner Frau acht Kinder. Das ist hier normal, denn eine grosse Familie bedeutet Sicherheit. Als ich um zwölf Uhr zum sonntäglichen Mittagessen in Joes Familie auftauche, bewaffnet mit zehn grossen Flaschen VailimaBier und einer halben Gallone Eiscrème für die Kinder, regt sich vorerst gar nichts. Die Frau eröffnet mir, Joe sei gestern betrunken gewesen. Sie gibt mir den guten Rat, ich solle mich auch auf eine Matte legen und eine Runde schlafen. Das Essen in Form einer Riesenschüssel Curry mit Reis kommt um etwa drei Uhr. Erstaunlicherweise isst die Familie nicht zusammen. Jeder schnappt sich einen Teller, wenn es gerade passt. Dann putzt sich die ganze Familie heraus, und frisch geduscht geht's in die Kirche. Ich verstehe von der Predigt leider nichts, doch die Gesänge sind wunderbar. Mit der Zeit habe ich auch etwas genug vom samoanischen Sonntag. Die Warterei auf Ersatzteile hat auch ihre guten Seiten. Ich habe das Elektroschema meines Bootes bis zum letzten Draht erforscht und neu aufgezeichnet und nebenbei unzählige Bekanntschaften gemacht, hauptsächlich in den Discos «Crystal» und «Mount Vaea». Zum Beispiel Lauren, die indisches Blut und mit neunzehn Jahren eine knapp einjährige Tochter hat. Ihre 41jährige Mutter ist mit dem zwölften Kind schwanger. Ebenfalls lernte ich Andy kennen, einen Schweizer Treuhänder aus Zürich, der für eine israelische Bank etwas aufbauen soll. Etwas Vorsicht 116 ist bei den Samoanerinnen angezeigt: Es soll vorkommen, dass sie die «Palangi» – so nennen sie die Besucher – mit einem Selbstbedienungsladen verwechseln. Besonders beliebt sind T-shirts oder Musikkassetten. Nachts sind die Frauen recht zutraulich, allerdings, discrétion oblige! Eine Deutsche aus Berlin, Isa, die ich im «Rainforest» kennenlerne, begleitet mich nach Villa Vailima zum Robert Louis Stevenson Museum. Dies war der Autor, der «Die Schatzinsel» und diverse andere Bücher geschrieben hatte. Er starb 1894. Wie mag es wohl vor hundert Jahren hier ausgesehen haben? Im nahen Wasserfall lassen wir uns das kühle Nass über den Rücken plätschern, dann steigen wir auf einem schlüpfrigen Weg in etwa einer Stunde hoch auf dem Mount Vaea mit herrlicher Aussicht auf den Hafen. Das Entspannendste kommt anschliessend. Nachden ich mich auf den Grabstein Stevensons gelegt und mir Isa eine Reiki-Massage verpasst hat, schlafe ich prompt ein – meine Nähe zum grossen Schriftsteller ist unübertrefflich. Die Grabsteininschrift hat er selbst verfasst: Under the wide and starry sky, dig the grave and let me lie. Glad did I live and gladly die, and I laid me down with a will. This be the verse you grave for me: Here he lies where he longed to be; Home is the sailor, home from the sea, and the hunter home from the hill. 117 Meine Freunde vom «Rainforest Café», die Berlinerin Barbara und Christian, ein ehemaliger Schauspieler aus Zürich, betreiben ihr Restaurant mit einer grossen Auswahl an gesunder Kost, wie Salaten, Fischgerichten, selbstgemachten Kuchen und Pasteten mit herrlichen Fruchtsäften. Sie wissen viel über das Leben in Samoa und leben in einem schönen Haus oberhalb von Apia, wo das Klima kühler ist. Ich verbringe auch eine Nacht bei ihnen. Christa und Stefan, zwei Deutsche, die das «Apia Inn» und den Schmuckladen «Treasure Box» betreiben, stellen mir Telefon und Fax zur Verfügung. Ihr Sohn Stefan ist in der deutschen Fussballgeschichte bewandert, nervt uns mit Quizfragen und dreht beinahe durch, als die Deutschen in London Europameister werden. Ein Unglück kommt selten allein. Zuerst setzt sich Taryn zu ihrem hier arbeitenden Freund Craig ab. Dann haben Debbie und Chris nach begeisternden Ausflügen um und über die Insel Upolu genug von der Warterei und möchten weiter – ursprünglich wollten wir über Wallis nach Port Vila bei Vanuatu segeln. Schliesslich geben sie auf und wollen nach Australien, zumal Debbie an ihrem 26. Geburtstag in Sydney einen Job in Aussicht gestellt bekommt. Die beiden fliegen über Fidschi nach Sydney ab, blödsinnigerweise ohne sich bei der Immigration abzumelden, was mich armen Skipper fünfzig Tala Busse kostet. Damit hat mir die ganze Crew den Rücken gekehrt. In einigen Tagen läuft mein einmonatiges Visum für Western Samoa ab. Ich werde am nächsten Sonntag auslaufen, hoffentlich mit intaktem Generator und wohl als Einhandsegler. Ich bin gespannt, wie das ausgehen wird und wie es sich anfühlt, alleine unterwegs zu sein. Eigentlich wollte ich es schon lange mal versuchen. Nun ist es soweit. 118 Als Einhandsegler unterwegs Apia – Wallis – Port Vila I ch befinde mich halbwegs zwischen Apia und Wallis, die 260 Meilen auseinanderliegen. Mir macht es nichts aus, am Laptop zu schreiben, auch wenn mein Bötchen etwas schaukelt. Es ist ein herrlicher Tag. Schwacher Passat, um die 15 Knoten. Nur einige Cummuluswolken sind am sonst wolkenlosen Himmel auszumachen. Es ist der 11. Juli 1996, und ich bin jetzt allein an Bord. Zum ersten Mal segle ich ohne Crew über eine längere Strecke. Über Wallis bis nach Port Vila liegen noch 1250 Meilen vor mir. Mit der letzten Crew hatte ich es lustig, aber ich kam mir öfters wie ein Gastgeber vor, denn Debbie und Chris hatten herzlich wenig Ahnung vom Kochen – selbst Spaghetti kamen bei ihnen aus der Büchse. Vor dem Ablegen in Apia war es mir schon etwas mulmig im Magen gewesen. Meiner achtzigjährigen Mutter dürfte ich nicht sagen, dass ich alleine segle, sie würde sich zu grosse Sorgen machen. Immerhin konnte ich mein Boot technisch in Ordnung bringen. Der Kondensator, der kurz vor der Abreise aus Deutschland eintraf, verhalf meinem kleinen Dieselgenerator zu neuer Kraft. Auch der ausgewechselte Ruderwinkelsensor liess den elektrischen Autopiloten wieder arbeiten. Nur auf den Windgenerator muss ich verzichten – ich musste ihn zur Reparatur in die USA senden. Alleine segeln: Macht das Freude? Nun, es gibt mir ein gutes Gefühl, alles alleine zu schaffen, doch alleine kann ich nicht 24 Stunden wach sein, also auch nicht die ganze Zeit am Ausguck verbringen und Wache halten. Sobald ich müde werde, in der Regel nach den Abendnachrichten von Radio Schweiz International für Australien, lege ich mich schlafen, nicht ohne vorher meinen Radar auf «Watchman» zu progammieren. Ich setze eine «Guard»- 119 Zone mit einem 8-NM-Radius um mich herum. Mein Radar schaltet sich alle zwanzig Minuten ein und schaut, ob sich etwas im Warnsektor regt: ein Boot, Land oder Gewitterwolken. Da ich in der Nähe schlafe, erwache ich bei einem Alarmzeichen sofort und schaue, was los ist. Zugegeben, wie ich das bewältige, ist sicher nicht die sicherste Art des Segelns, aber was soll's. Ich will auch vorwärts kommen, wenn ich ohne Crew unterwegs bin. Zudem vertraue ich einem Radar eher als einer Crew, die eingeschlafen ist oder nichts sieht, weil die Sicht eingeschränkt ist. In dieser Gegend bin ich auch abseits von Schifffahrtslinien. Sinnigerweise schliesst meine «Murette»-Kaskoversicherung Einhandsegeln über grössere Distanzen als zu grosses Risiko aus. Mit dem Alleinsein habe ich ansonsten keine Probleme. Ich habe so etwas wie den inneren Frieden gefunden und zudem eine etwas fatalistische Einstellung zur ganzen Angelegenheit. Ich fühle mich auch nur für mich alleine verantwortlich. Im Hafen bin ich ohnehin am liebsten alleine an Bord – da kann ich tun und lassen, was ich will. Auf meiner Reise habe ich schon einige Einhandsegler getroffen, die aus Überzeugung keine Crew anheuern. Diesbezüglich bin ich flexibel und offen für alles, was sich ergibt. Ich bin jedoch froh, dass sich mein Boot gut alleine segeln lässt, speziell mit Hilfe meines Tecnautic-Autopiloten, den ich normalerweise beim Motoren brauche, und meiner Windfahnensteuerung. Einige Vorsichtsmassnahmen muss ich treffen. Bei starkem Seegang trage ich einen Sicherheitsgurt, den ich im Cockpit einklinke. Muss ich dieses verlassen, hänge ich mich an die Sicherheitsleine, die vom Heck zum Bug durchläuft. Aus dem Cockpit muss ich eigentlich nur, falls ich die Genua auszubaumen habe. Mann über Bord darf nicht passieren. Übrigens auch nicht mit 120 Crew. Zum Beispiel nachts, bei ausgebaumter Genua und sieben oder acht Windstärken und starkem Seegang, ist es für die übrigbleibende Crew äusserst schwierig, ein Rettungsmanöver durchzuführen und einen Mann oder eine Frau über Bord zu finden und zu retten. Die Chance wird wesentlich erhöht, wenn nach dem Zuwerfen des Rettungsrings mit Lichtboje am GPS sofort die MOB-Taste gedrückt wird, um die Position festzuhalten. Auch ist es wichtig, dass der Wachhabende ein Strobelight (ein Blitzlicht) am Arm trägt, das er, falls er über Bord geht, einschalten kann. Diesen Fall zu verhüten, ist das Wichtigste. Als weitere Sicherheitsmassnahme habe ich mit meinem Freund «Pirat», der auch im Südpazifik mit seiner «Rory Mhor» unterwegs ist, einen Funkplan abgemacht. Wir rufen uns zweimal wöchentlich auf SSB-Funk. So weiss er jeweils meine letzte Position. Ich war nach über einem Monat in Apia froh, wieder weitersegeln zu können. Speziell in Westsamoa wird man schnell in eine Familie aufgenommen. Für mich ist es besser, Anker zu lichten und loszufahren, bevor häusliche Gedanken aufkommen. Im «Crystal» in Apia traf ich einmal eine Mutter mit zwei Töchtern. Ich führte die jüngere Tochter, sie war 19jährig, auf das Parkett. Nach einigen Tänzen flüsterte sie mir ins Ohr, ob ich sie in die Schweiz mitnehmen wolle. Ich erklärte der jungen Dame, dass ich auf einem Segelboot lebe und nach Australien wolle, was sie etwas ratlos machte. Offenbar hatte ich auch bei der Mutter Gefallen erweckt. Nachdem sie erfahren hatte, dass ich nicht verheiratet bin, sah sie mich bereits als Schwiegersohn und bot mir ihre Tochter an. Um Mitternacht war Schluss mit der Musik. «Darf ich deine Tochter mit auf das Boot nehmen?» fragte ich die «Schwiegermutter» höflich. Doch das wollte sie wiederum nicht zulassen. «Nein!» bestimmte sie streng. «Sie ist noch zu jung. Aber du darfst meine andere Tochter mitnehmen. Sofern sie Lust hat.» Das liess ich mir nicht zweimal sagen. Die zweite Tochter, sie war 26, kam mit auf mein Boot und lud mich am darauffolgenden Sonntag zum Kirchenbesuch und anschliessenden Mittagessen ein. In dieser Riesenfamilie 121 fühlte ich mich pudelwohl. Darauf machte ich mein Gastgeber mit der Tatsache bekannt, dass ich bald weitersegeln wollte. Die Mutter umarmte mich und sagte cool: «Komm bald wieder, und bring Geschenke mit!» Ende 1993 hatte mir Gregor Zurfluh versprochen, ein passendes Boot für mich zu finden. Mitte Januar rief mich dann der Bootswerftinhaber aus Brunnen an: «Ich habe ein Boot für dich: Stahl, 40 Fuss (12.2 m) lang, vier Jahre alt.» Es lag in Oslo. Schon in den nächsten freien Tagen flog ich nach Norwegen. Mein Erkennungszeichen am Flughafen von Oslo war – wie in einem Spionagefilm – eine unter den Arm geklemmte «Yacht»-Zeitschrift. Es klappte. Plötzlich stand Peter Sattrup vor mir. Er war Teileigner des zu verkaufenden Bootes. Ich war gespannt. Alles war tiefverschneit, die Temperaturen um minus 10°C, ein klarer Wintertag. Nach kaum zehn Minuten Fahrt erreichten wir Peters Motorverksted und den kleinen Hafen Blommenholmhavn. Über den schneebedeckten Steg näherten wir uns der «Mañana». Friedlich lag sie im Wasser, die verschneite Persenning etwas zurückgeschlagen. Damit sich um die Boote kein Eis bilden kann, blasen die Norweger Pressluft ins Wasser. Ansonsten konnte man im Hafen auf einer dicken Eisschicht spazierengehen. Kaum war ich den Niedergang hinuntergestiegen und hatte in der Kajüte nebst Stehhöhe einen sauberen Ausbau vorgefunden, war mir sofort klar: «Das ist mein Boot. » Mit Peter verstand ich mich auf Anhieb gut. Er war jedoch traurig, dass sich sein Traum, eine Weltumsegelung mit seinen Freunden, nicht mehr erfüllte. Ich konnte ihn verstehen. Ich schoss ein paar Fotos, und anschliessend brachte mich Peter zum Flughafen zurück. Im Februar flog ich zusammen mit Gregor wieder nach Oslo, gerade als in Lillehammer die Winterolympiade stattfand. Die Anzahlung für den Kauf hatte ich als Bargeld in meiner Jackentasche. Gregor äugte kritisch hinter jede Abdeckung und kroch in alle Ecken. Sein Urteil war: «Ich kann dem Kauf zustimmen, zumal ich den Preis auf 130 000 Franken herunterhandeln konnte.» Das Boot, eine Engholm 40S mit eleganten Linien, ist ein Knud Olson Design. Es wurde 1990 von Lars Pedersen (auch ein Teileigner) in seiner dänischen Werft in Stahl gebaut. Zusammen mit drei Freunden, 122 darunter Peter Sattrup, wollte er später eine Weltreise machen. Die miese Wirtschaftslage anfangs der neunziger Jahre in Dänemark und der plötzliche Tod eines Teileigners zwang sie zum Verkauf. Mir tat‘s leid, aber trotzdem war ich froh, ein geeignetes Boot zu einem vernünftigen Preis gefunden zu haben. Ohne Gregors Hilfe wäre es mir nicht möglich gewesen, das richtige Boot zu kaufen, zumal ich nur knapp über tausend Seemeilen Hochseeerfahrung verfügte, die für den B-Schein verlangt werden, und von Segelbooten herzlich wenig verstand. Den B-Schein zusammen mit dem Radiotelefonistenausweis hatte ich beim «Institut für Hochseenavigation» in Meilen erworben, das einen für mich angenehmen Ferienkurs mit anschliessender Prüfung in Klosters anbot. 750 der benötigten Meilen ersegelte ich zusammen mit sechs Mitseglern auf der Swan 57 «Johanna» von Gibraltar aus (1987). Wir wollten nach den Kanarischen Inseln, gerieten jedoch nach vier Tagen auf See in einen Sturm mit über 50 Knoten Wind (Bf 10). Skipper Walti entschloss sich umzukehren, und wir erreichten nach einigen Tagen, abgesehen von einigen Seekranken an Bord, unversehrt den Hafen von Cádiz in Spanien. Den Rest, um auf tausend Seemeilen zu kommen, ersegelte ich auf der «Eolienne» von Port Camargue aus, zusammen mit fünf Seglern. Wir folgten der französischen Küste bis Hyères, dann führte unser Weg zu unserem Zielhafen Ajaccio auf Korsika. Nach der Motorbootprüfung auf dem Untersee erhielt ich schliesslich am 1.Januar 1990 den Führerausweis für Yachten auf See, wie der B-Schein neuerdings heisst. Da mich das Segeln auf See damals noch nicht sonderlich reizte, sah ich auch davon ab, ein Boot am Meer zu chartern, sondern war eher an Starbootregatten im Inund Ausland anzutreffen. Das war viel spannender. Am 18. März 1994 starteten wir abends mit einer vollbesetzten MD11 zu meiner Letzflug-Rotation nach Hongkong. Den ersten Teil des Fluges übernahm als verantwortlicher Captain mein langjähriger Freund Robes Allgaier, als Copilotin hatte er sich Anna Sundberg, eine Dänin, gewünscht. Den zweiten Teil des fast zwölfstündigen Fluges übernahm ich mit meinem Copiloten Martin Fischer aus Wilchingen. Bei schönstem Wetter und etwas erhöhtem Puls steuerte ich das Flugzeug entlang dem spektakulären Anflug, der damals noch knapp über die Dächer Kowloons 123 führte, zu meiner letzten Landung auf der Piste des «Kai Tak»- Flughafens. Nach einem Fototermin begannen die unvergessenen vier Freitage mit immer neuen Überraschungen unseres Maître de Cabine Guido Lengwiler, unterstützt von Christoph Sali, die beide wie ich aus Stein am Rhein stammen. Zurück in Kloten, gab es einen weiteren Höhepunkt: ein von Martin Fischer organisiertes Fest in der Waldhütte Warpel bei Embrach. Ich lud alle Hostessen, Stewards und Piloten, die mir «Tschau» sagen wollten, zu einer «Bayrischen Brotzeit» ein. Mit über 12 000 Flugstunden auf meinem Buckel verliess ich die Swissair mit einem lachenden und einem weinenden Auge. In dieser Zeit war einiges passiert: Ich erlebte den Übergang vom Propellerflugzeug ins Jetzeitalter, die Schrumpfung der Cockpit-Besatzung von vier auf zwei und den Einzug der Frauen in meinen Beruf. Mit der ersten SwissairPilotin, Gaby Musy-Lüthi – sie wurde inzwischen A320-Captain –, machte ich einige MD-11-Rotationen. Ich war dankbar, dass wir in all den Jahren die Probleme, die manchmal während eines Fluges auftraten, jeweils lösen konnten. Zweimal mussten wir auf einer DC-9 ein Triebwerk abstellen, konnten jedoch die Zielflughäfen mit unseren Passagieren trotzdem erreichen. Ebenfalls auf einer DC-9 löste sich beim Start zu einem Abendflug nach Paris die Lauffläche eines Pneus am Hauptfahrwerk. Diesen Flug mussten wir abbrechen. Die Landeklappen waren auch beschädigt. Die Landung in Kloten gelang uns ohne weitere Probleme. Einen ekligen Zwischenfall erlebten wir auf einem Airbusflug von Genf nach Dakar über Malaga. Die Kabine verlor plötzlich ihren Druck – ein stechender Schmerz durchzuckte unsere Trommelfelle und natürlich auch die der Passagiere. Die Alarmglocke schepperte, und der Bildschirm stellte alles klar: Sauerstoffmasken auf und einen «Emergency descent» einleiten. Mein Copilot war am Steuer und begann mit dem notfallmässigen Abstiegsprozedere. Ich kümmerte mich um die Checkliste und fand 124 den Grund der Panne: Der Druckregler spielte verrückt. Ich schaltete auf den anderen Regler um, und siehe da: Unsere Kabine wurde wieder unter Druck gesetzt. Auch in diesem Fall konnten wir unseren Flug nach unserem Ziel Dakar fortsetzen, auf einer tieferen Flughöhe zwar, aber weil wir genügend Kerosen an Bord hatten, erreichten wir die senegalesische Hauptstadt ohne weitere Probleme. Alle an Bord waren zwar geschockt, und in der bis auf den letzten Platz besetzten Kabine sah es fürchterlich aus. Die Kabinenbesatzung konnte die automatisch heruntergefallenen und auch benützten Sauerstoffmasken nur notdürftig in die Hatracks verstauen. Nach der Zwischenlandung flogen wir sogar noch weiter nach Monrovia. Erst dort gab es ein verdientes Bier. Am nächsten Tag flogen wir via Dakar den ganzen Weg zurück nach Zürich, das Ganze auf einer tieferen Flughöhe, weil das Passagier-Sauerstoffsystem nicht mehr brauchbar war. Ich liebte diesen Beruf, der abwechslungsreich war. Oft ging es locker zu und her. Kaum spuckte das Wetter, wurden wir echt gefordert, auch an den halbjährlichen Checkflügen und «Emergency Refreshern» oder beim jährlichen Route-Check, in einem Umschulungskurs oder eben bei echten Vorfällen. Und nun war ich also frei für neue Taten. Pünktlich traf auch Ende April 1994 ein Teil meiner Pension als Barbetrag ein. Damit konnte ich mein Boot bezahlen.Wir mussten es nur noch von Oslo wegsegeln, sobald das Eis geschmolzen war. Ich war mir auch bewusst, dass ich mich glücklich schätzen konnte, behandelt doch die Swissair ehemalige Piloten überaus grosszügig. Nach genau 48 Stunden seit dem Auslaufen in Apia segle ich mit meiner «Hasta Mañana» durch den Passe Honikulu in die Lagune von Wallis. Ich habe Glück. Es herrscht ruhiges Wasser. Bei Ebbe oder Flut entsteht eine Stromstärke von bis zu sechs Knoten. Der Anker fällt um halb drei vor der Mole des Hauptortes Mata Utu auf der Insel Uvea. Es hängen noch drei weitere Yachten hinter dem Riff. Lustig, hier habe ich wieder einen Tag verloren, obwohl ich den 180. Längengrad noch nicht überquert habe. Es ist Samstag, der 13. Juli. Der Grund: Wallis will mit Neukaledonien den 125 gleichen Tag haben. Ich komme gerade recht zu den Bastille-Feierlichkeiten – dem 14 juillet –, da es sich um eine französische Insel handelt. Sie wurde von Frankreich 1886 unter den Nagel gerissen und hat seit 1959 den Status eines Überseeterritoriums. Noch vor einem Jahr feierte ich genau das gleiche Fest in Papeete. Vom Ufer her ertönt Musik. Ich kann es kaum erwarten, mein Dinghy ins Wasser zu kriegen und den ersten Landgang zu machen. Dort ist schon ein Teil der 9000 Einwohner dieser Insel zum abendlichen Tanz- und Singwettbewerb versammelt. Er spielt sich ähnlich ab wie in Tahiti, aber in kleinerem Rahmen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Am Sonntag stehe ich früh auf, denn schon zur unchristlichen Zeit von sechs Uhr beginnt der Gottesdienst in der trutzigen, aus Lavasteinen gebauten katholischen Kirche. Männiglich ist herausgeputzt. Viele Frauen tragen Hüte und weisse Kleider. Um acht folgen Ansprachen und ein Vorbeimarsch eines Zuges der französischen Armee. In Ermangelung einer Musik singen die Soldaten einheimische Lieder. Sie stammen aus Wallis, von französischen Offizieren in Nouméa ausgebildet. Vor der Mole starten acht Auslegerboote zu einer Segelregatta; sie werden mit einem oder zwei Stechpaddeln gesteuert. Viele Autos neuerer französischer Bauart und unzählige Vespas sind auf der kleinen Insel unterwegs. Den Einheimischen scheint es gut zu gehen. Es gibt kaum Steuern, und die medizinische und zahnärztliche Betreuung ist kostenlos, wie auch die schulische Ausbildung. Hier scheint der französische Staat tief in die Tasche zu greifen. Im Restaurant «Chef Loco» lerne ich den einheimischen Lehrer Sosefo kennen. Er zeigt mir spontan seine Insel, die um die achtzehn Kilometer lang und acht Kilometer breit ist und eine üppige Vegetation hat. Sosefo besitzt auch Schweine und, wie üblich, eine kleine Plantage mit Palmen, Taroplanzen und Bananenstauden. Er freut sich, dass ich mich für die Schweine interessiere, und lädt mich zu einem Erdofenessen ein. Daraus entsteht ein schönes 126 Fest. Das Essen wird ausgebuddelt und auf Bananenblättern angerichtet. Leider musste ein Ferkel dran glauben, das jetzt schön dressiert neben einem gebackenen Fisch und den anderen Köstlichkeiten liegt. Die vielen Gäste, sie sitzen auf Matten und essen mit den Fingern aus geflochtenen Tellern, greifen tüchtig zu. Der befreundete Lehrer Jean-Pierre lässt eine Wasserpfeife kreisen, und alle singen zu Gitarrenbegleitung einheimische Lieder. Die Frauen und Kinder sitzen etwas abseits, scheinen sich aber köstlich zu amüsieren. Die Stimmung ist traumhaft schön. Essend, trinkend und singend unter Palmen eines tropischen Paradieses zu hocken und dabei eine unwahrscheinliche menschliche Freundlichkeit und Wärme zu spüren – ist das nicht das höchste aller Gefühle? Dies sind Momente intensiven Glücks. Nach diesem unvergesslichen Abend setze ich am nächsten Morgen die Segel. Ich verabschiede mich von Lolohea, der sich um meine Gasflaschen gekümmert und mir Frischwasser zur Verfügung gestellt hat. Seine Töchter Vivian, Marie-Louise und Susanne, die das Restaurant führen, wünschen mir eine gute Fahrt: « Tu n'as pas peur tout seul?» fragen sie noch besorgt. Nach dem Auslaufen habe ich schön Zeit, etwas traurig zu sein. Mein neues Ziel ist die Insel Efate auf Vanuatu mit dem Hafen Port Vila und liegt tausend Meilen entfernt. In der ersten Nacht soll mich der Frachter «Moana III» überholen, mit dessen Kapitän ich vor dem Auslaufen gesprochen habe. Ich bin gespannt, ob mich mein Radar wecken wird. Um 2300 Uhr stellt er das Echo fest und gibt Alarm. Ich nehme per Funk kurz Kontakt auf. Die «Mooana III» fährt nach Futuna, der Schwesterinsel von Wallis. Ein Tag gleicht dem anderen. Nachts wölbt sich ein sternenklarer Himmel über mir. Ich fühle mich total wohl. Die Genua habe ich ausgebaumt, und der Passatwind bestimmt den Weg. Wir bewegen uns südlich an Futuna und nördlich den Fidschi-Inseln vorbei. In den Nachrichten höre ich vom Absturz des TWA-Jumbos kurz nach dem Start in New York. Grässlich! Sitzen da, warten auf den ersten Drink – pumm – fallen vom Himmel und sind tot. 127 Kaum habe ich die Hälfte der Distanz hinter mir, da beginnt der Wind Kapriolen zu schlagen. Er dreht bis auf Nord und schläft dann ganz ein. Ich dümple so fünf bis sechs Stunden herum und brauche den Motor nicht, denn ich habe es nicht eilig. Plötzlich verschlechtert sich das Wetter, und es beginnt heftig zu regnen. Wie üblich benütze ich die Gelegenheit für eine Süsswasserdusche. Dann kommt Wind aus Süden mit 25 Knoten auf. Mit sechs bis sieben Knoten sause ich in die Nacht hinein – mein Schiff pflügt durch eine unruhige See und rollt fürchterlich. Es braucht schon etwas Gottvertrauen, sich bei solchen Witterungsverhältnissen schlafen zu legen. In den Tropen sind die Nächte lang. Es beginnt schon um sechs Uhr einzudunkeln. Am 23. Juli sichte ich einen grünen Frachter. Ob er mich wohl bemerkt hat? Abends um 2230 Uhr programmiere ich meinen Radar für die Nacht. Verflucht, er ist defekt. Einen gleichen Defekt hatte ich schon vor einem Jahr und konnte ihn in Papeete reparieren. Also wird es nichts mit einer gepflegten Nachtruhe. Ich gönne mir nur kurz Schlaf, unterbrochen durch Weckerrasseln und genaue Rundblicke in die mondlose Nacht. Mit jedem Tag, den ich allein unterwegs bin, steigt meine Bewunderung all diesen Einhandseglerinnen und -segler gegenüber, die in kleinen Segelbooten unglaubliche Leistungen vollbracht haben. Am 26. Juli 1996 taucht die Insel Efate in der Morgendämmerung auf. Ich bin den achten Tag auf See. Um den Pango Point herum segle ich in die Mele-Bucht. Um zehn Uhr fällt der Anker vor Port Vila in der Nähe der Quarantäneboje. Die gelbe Flagge habe ich gehisst, um anzuzeigen, dass ich Zollabfertigung wünsche. Meine Geduld wird strapaziert. Ich nütze die Zeit, um etwas zu schlafen. Schliesslich tauchen die Zoll- und Quarantänemenschen auf. Es herrschen strenge Sitten. Nebst Eiern werden mir auch einige Kokosnüsse, Zwiebeln, Knoblauch und Kartoffeln abgenommen. Zum Glück habe ich das erwartet und meine Vorräte vorsorglicherweise versteckt. 128 Schnupperlehre in melanesischer Kultur Port Vila – Espiritu Santo - Malakula – Ambrym – Tanna D ie Möglichkeit, auf Vanuatu ein wenig von der faszinierenden melanesischen Kultur zu erleben, führt die meisten Segler in dieses Land. Die ehemaligen neuen Hebriden bestehen aus drei grossen und etwa siebzig kleinen Inseln. Ich komme gerade recht zu den Unabhänigigkeitsfeierlichkeiten vom 30. Juli. Dieser Akt wird mit auffällig viel Militärpräsenz begangen und zieht sich über mehrere Stunden dahin. Vanuatu ist seit 1980 unabhängig und schaffte leicht den Sprung in die Neuzeit. Port Vila ist zu einem Finanzzentrum und Steuerparadies geworden. Der Tourismus bildet eine ernstzunehmende Geldquelle. 98 Prozent der Einwohner sind auf Vanuatu geboren und nennen sich Ni-vanuatu. Sie sprechen eine Art Pidgin-Englisch: Bislama. Das ist die einzige Möglichkeit für die etwa hundert verschiedene Dialekte sprechenden Insulaner, sich zu verständigen. Erstaunlich viele sprechen aber auch englisch oder französisch. Bislama hat nur etwa 2500 Wörter mit ganz lustigen Ausdrücken. Ein paar Beispiele: gud naet: good night (gute Nacht) mi blong pig: pork (Schwein) plis: please (bitte) mi wantem toktok: I want to talk (ich wünsche zu sprechen) tank yu tumas: thank you very much (danke vielmals) namba wan gud ples: number one good place (ein guter Ort) 1:45 – kwota tu tu 1:15 – kwota pas wan rubba blong fak fak: Kondom meresin blong blokem pikinini: Antibabypille 129 Einige Ausdrücke lernt man leicht, zumal die Ni-vanuatu unglaublich freundlich sind. Oft drücken sie einem die Hand und fragen nach dem Woher und Wohin. Mir gefällt es auf Anhieb in Port Vila. Der Vanuatu Cruising Club stellt für 35 Dollar pro Woche Bojen zur Verfügung, und für zehn Dollar werde ich Gastmitglied auf Lebenszeit. Das Dinghy-Dock liegt vor dem «Waterfront Restaurant», das mal im «Newsweek» als beste Bar im Pazifik bezeichnet wurde. Allerdings wurde vor einem halben Jahr der Manager gefeuert, und der riesige zweihundert Jahre alte BanyanBaum, der über das Dach hinweg gewuchert und das Heim vieler Vögel war, ist ein Opfer der Motorsäge geworden. Diese unverständliche Tat führte zu einem Boykott des Restaurants durch die Ni-vanuatu. Der Banyan-Baum ist ein Parasit. Er wächst um einen anderen Baum herum und stranguliert ihn schliesslich. Der Banyan markiert üblicherweise einen Versammlungsplatz. In dessen Schatten werden Schweine geopfert und Hochzeiten gefeiert. Kurzum, ein solcher Baum sollte nie gefällt werden. Trotzdem treffen sich an der Bar Segler aus aller Welt. Ich lerne einige interessante Menschen kennen, wie Matthew, der ein Maule-Wasserflugzeug aus Australien herflog, um hier vor dem Rossi-Hotel seine Flüge anzubieten. Ob er die Bewilligung dafür tatsächlich bekommen wird? Sein Geld machte er in Australien als Sprühflugzeug-Pilot. Dann Dr. Franz Schmöllerl. Er wohnt auf seiner «Big Island», blieb hier hängen, fliegt jetzt für den hiesigen Aeroclub die Chartereinsätze und riskiert sein Leben hobbymässig mit einem fragilen motorgetriebenen Gleitschirm. Er kommt aus Österreich, segelte mit seiner Jongert vor vierzehn Jahren los, nachdem er seine Ohren-, Nasen- und Halspraxis aufgegeben hatte. Coritta – auch Cora genannt – und Stan von der »Ambler» verdienen ihren Lebensunterhalt als Jazz-Musiker. Gegenwärtig treten sie im «Waterfront» auf, begleitet von Peter, einem Trompeter aus Deutschland mit Berufsmusikerausbildung, der mit seiner fidschianischen Frau auf der «Jonathan» lebt. Ein Boot namens «Spitfire» hängt an der Mole. Spitfire? Da muss wohl ein weiterer Pilot an 130 Bord sein. Tatsächlich flog der 75jährige Keith Thiele aus Sydney im Zweiten Weltkrieg für die Alliierten, wurde mit seiner Spitfire über Deutschland abgeschossen und geriet in Gefangenschaft. Helen aus England möchte per Segelboot die Inseln Vanuatus etwas näher kennenlernen. So lautet ihr Anschlag im «Waterfront»-Restaurant. Ihre Pläne entsprechen meinen Plänen. Also segeln wir zusammen los. Kurz vor dem Ablegen springen noch Billy und Simon auf, nachdem sie von Helens Plänen gehört haben. Sie wollen nach Luganville auf Espiritu Santo zum Tauchen. Dort liegt das Wrack der 200 Meter langen «Präsident Coolidge», eines 22 000-Tonnen-Luxuskreuzers, der 1942 auf zwei Minen lief, sank und jetzt als Taucherparadies gilt. Auf dieser 40-Stunden-Reise bin ich gewissermassen medizinisch überversorgt, absolviert doch meine gesamte Crew ein zweimonatiges Medizinstudenten-Praktikum am Port Vila Central Hospital. Russell, ein Farmer und Motelbesitzer, führt uns auf der Insel herum, zeigt uns seine Farm mit 200 Rindern und zwei Dörfer, deren Einwohner im Busch und nahezu isoliert leben. Die Männer sind nur mit einem Penisschutz, genannt namba, bekleidet, die Frauen mit einem Grasbusch oder Grasrock. Sie machen einen scheuen Eindruck, scheinen sich nicht ganz wohl zu fühlen, von uns Fremden begafft zu werden. Nach nur einem Tag Aufenthalt segle ich mit Helen weiter nach Malakula. Wir gehen im Schutze der Insel Vao vor Anker. Sofort werden wir von unzähligen Pirogen umringt. Helen löst die Gastgeberrolle elegant. Sie lädt die ganze Gruppe zu Tee und Bisquits ein. Die Männer sind ziemlich dunkel, haben Kraushaar und sind erfreut, dass wir sie einladen. Am nächsten Morgen zeigen sie uns dann stolz ihr Dorf. Auf Malakula wurde noch 1967 im Dorf Amok der letzte Mensch – ein Franzose – verspiesen. Zum Glück ist dieser deftige 131 Feinschmecker-Brauch abgeschafft, doch sonst leben die Menschen noch immer nach traditionellen Regeln. Das Schwein wird hochverehrt und kommt in der Rangfolge vor der Frau, die als handelbare Ware gilt. Einen Brautpreis zu zahlen, ist immer noch üblich. Junge Mädchen werden auch als »Toyotas» bezeichnet, weil ihr Wert in etwa einem Toyota entspricht. Aber kürzlich legte die Vereinigung der Dorfältesten den maximalen Brautpreis auf 3000 Dollar oder die diesem Wert entsprechende Anzahl Schweine fest. Kriegt die Frau kein Kind, so kann sie umgetauscht werden. Diese Tradition des Brauthandels macht es schwierig für Ni-vanuatu-Frauen, eine gute Ausbildung zu erhalten. Sind sie mal verheiratet, werden sie oft geschlagen, wenn ihre Männer kavaselig nach Hause kommen. Seit der Unabhängigkeit vor sechzehn Jahren zeichnen sich Veränderungen ab, denn gebildete Frauen kämpfen dafür, dass Mädchen die gleiche Ausbildungschancen wie Knaben bekommen. Unser nächstes Ziel heisst Ambrym mit den beiden Vulkanen Benbow und Marum. Den ganzen Tag segeln wir gegen den Südostpassat an. Helen entpuppt sich als gewiefte Seglerin und hält mich mit Segeltrimmen ganz schön auf Trab. Im Dunst können wir im Osten die Umrisse der Insel Pentecost ausmachen. Knaben und junge Männer stürzen sich dort anlässlich des Yams-Festes im Frühling an Lianen gebunden von einem extra aufgebauten Turm in die Tiefe. Sie nennen das «Landdiving». Bungy-Jumping ist also keine neue Erfindung … Am Abend fällt unser Anker in der Craig Cove neben der «Shipibo» mit Frédérique, Vincent und dem zweijährigem Sohn Jocelain aus dem Welschland. Zwei Schweizer Yachten in Ambrym! Nach nur einer Nacht segeln wir zurück nach Port Vila. Helen wird wieder im Spital erwartet. Diese 130 Meilen müssen wir wieder gegenanbolzen. Am Devil's Point kurz vor Port Vila herrscht ein fürchterlicher Seegang mit Kreuzgewell. Wir brauchen länger als vorgesehen und steuern die Stadt erst am Abend um acht Uhr an. 132 Nun verwandle ich mich in einen gewöhnlichen Touristen. Mit einer Twinn Otter der Air Vanuatu fliege ich zusammen mit Helen in einer Stunde nach der Insel Tanna. Sie will das dortige Spital besuchen, während ich mich einer Gruppe anschliesse. Per Pedes führen uns zwei Einheimische durch den Busch. Wir erleben, wie die Ni-vanuatu in ihren Dörfern leben: ohne Strom, ohne Video, so wie schon immer und nach überlieferten Traditionen. Im August findet jeweils das drei- bis fünftägige Nekowiar- Festival statt. Es ist eine Zeit mit mannigfaltigen Höhepunkten: Knaben werden mit einem Bambus-«Skalpell» beschnitten, Hochzeiten gehen über die Bühne, Schweine werden geschlachtet, und alles ist verbunden mit wilden Tänzen. Auf unserem Marsch können wir zwischendurch den 361 Meter hohen rauchenden und donnernden Vulkan Yasur erkennen. Nach vier Stunden sind wir an dessen Fuss angelangt. Dort holt uns ein Bus ab, der uns zur Resolution Bay bringt. Hier landete James Cook 1774 und benannte die Bucht nach dem Namen seines Schiffes. Wir nehmen ein Bad beim Yachtclub und versuchen, die hier lebende Seekuh (dugong) mit Wasserklatschen herbeizulocken. Mir fällt fast die Taucherbrille vom Kopf, als dieses delphinähnliche, zweimetrige Ding tatsächlich angeschwommen kommt. Ein Tourist, der diesem Tier suspekt vorkommt, wird unsanft ans steinige Ufer befördert. Gegen den Abend erklimmen wir den Kraterrand des aktiven Vulkans, nicht ohne vorher zwanzig Dollar Eintritt bezahlt zu haben. Die Erde zittert, ein Höllenlärm erfüllt die Luft – dann geht es los! Die Ausbrüche erfolgen in unregelmässigen Abständen. Faszinierend dieses Schauspiel: Auf der einen Seite speit der Vulkan brodelnde Lava aus, auf der andern fliegen glühende Lavabrocken beängstigend nahe auf den Kraterrand. Wir müssen auf der Hut sein. Vor einigen Jahren wurden zwei Japaner von Lavabrocken erschlagen. Schwefelhaltiger Rauch steigt auf. Je dunkler es wird, desto überwältigender das Schauspiel. Tief beeindruckt machen wir uns auf den Rückweg. 133 John, der an der Bar des »Tanna Beach Resort» arbeitet, lädt mich zum Kavatrinken in sein Dorf ein. Die Männer sitzen um ein Feuer. Drei Knaben kauen Wurzeln von Pfefferpflanzen. Der mit Speichel vermischte matschige Brei wird in ein Tuch gewickelt und im Wasser ausgedrückt. Hygienisch? Wohl kaum. Deshalb dürfen nur gesunde junge Knaben diese Wurzeln kauen. Diese Kavabrühe wird dann mit einer Kokosnussschale geschöpft und macht die Runde. Der Kava ist hier viel stärker als in Fidschi. Nach nur einer Schale fühle ich mich leicht betäubt, aber total entspannt. Zurück in Port Vila herrscht viel «action». Der Vanuatu Cruising Club erwartet 45 Yachten des Yacht-Rennens von Musket Cove nach Port Vila und 15 Boote der Regatta von Nouméa nach Port Vila. Ich treffe viele bekannte Yachten und Freunde. Die Preisverteilung wird am 13. September im Rahmen eines ausgelassenen Festes begangen. Für Port Vila ist dieser Anlass sehr wichtig. Am Sonntag schliesst eine Regatta in der Melebucht diese Woche ab. Vor dem Clubhaus wird noch ein Biertrink-Wettbewerb ausgetragen, auch mit einer Frauenstaffette. Ich habe einschlägige Erfahrungen aus meiner Studentenzeit bei der Fortuna Schaffhausen und schlage mich entsprechend gut. Trotzdem ist gegen das neuseeländische Team nichts auszurichten. Die Frauen drehen etwas durch. Jedenfalls schmeissen sie sich plötzlich das Bier um die Ohren. Die Anführerin, Faye von der »Spitfire», wird vom Clubpräsidenten unter dem Gegröle der Anwesenden zurechtgewiesen. Jedenfalls habe ich abends einen entsprechend schweren Kopf und will von Bier vorerst nichts mehr wissen. Port Vila ist ein Ort, den ich jedem Segler empfehlen kann. Im Club Vanuatu, wo hauptsächlich Ni-vanuatu zu heisser Musik der Band «Vatoro» tanzen, geht es an Freitag- und Samstagnacht hoch zu und her. Es wird viel getrunken, und dementsprechend ist die Stimmung. Auch die Frauen giessen Bier in sich hinein. Die einheimischen Frauen sind recht dunkel, teilweise schwarz wie die Nacht. Der weisse Mann steht hoch im Kurs. Die Frauen kommen gerne für eine Nacht auf das Boot. Zuerst muss dann was zum Es- 134 sen her – hungrig sind sie immer –, dann wird mit harten Getränken nachgespült, bis die Flasche leer ist. Kaum hat sich Helen verabschiedet, mache ich die Bekanntschaft Lorittas aus Pango. Sie fordert mich zum Tanzen auf. Als sie erfährt, dass ich auf einem Segelboot lebe und beim «Waterfront Restaurant» hänge, sagt sie mir klar und ohne Umschweife: «Tonight I go with you. » «What for?» frage ich sie. «Just to have a good time!» ist ihre Antwort, und später, bei einem weiteren Tanz, flüstert sie in mein Ohr: «Tonight, I will give you a real good fuck. » Das tönt immer verheissungsvoller. Später auf meinem Boot ist dann nach einigen RumDrinks, mit ausgepressten Limes sauer gemacht und mit etwas Zucker versüsst, nicht mehr viel von ihren Versprechungen übrig. Erst am nächsten Tag, einem Sonntag, wird Loritta aktiv und löst ihr Versprechen ein. Aber das auch erst, nachdem der Mittag längstens vorüber ist, wir ausgelaufen sind und an einer Boje in der nahen Melé-Bucht zum Baden festgemacht haben. Bevor sie am Montag nach Hause zurückkehrt, bittet sie mich um etwas Geld für den Bus. So um die zehn bis zwanzig Dollar. Damit kann sie wohl einen halben Monat Bus fahren. Leichte Mädchen oder einfach neugierig? Ich habe etwas Mühe, mich loszureissen und die 320 Meilen nach Nouméa weiterzusegeln. Halb so schlimm. Franz von der «Big Island», der zwei Wochen bleiben wollte, ist schliesslich schon vier Jahre hier. 135 136 Ziel Australien Port Vila – Nouméa– Brisbane «L e Caillou» – so nennen die Einheimischen Grand Terre, die Hauptinsel Neukaledoniens – taucht in der Morgendämmerung des 25. Septembers 1996 vor mir auf. Dieser «Stein» hat aus dieser Sicht eine rötlich braune Farbe und nur gegen das Ufer hin Vegetation in Form von Palmen, Kiefern oder Mangroven. Mit der «Hasta Mañana» nähere ich mich dem Havannah-Kanal. Bis Nouméa sind es noch vierzig Meilen. Ich muss mich also sputen, will ich es noch bis zum Eindunkeln schaffen. Die 320-Meilen-Überfahrt von Port Vila war nicht gerade angenehm. Anfangs hatte ich Ostpassat von gegen 25 Knoten und eine grobe See. Mein Boot machte unruhige Sprünge. Ich schluckte sogar zwei Stugeron gegen die Seekrankheit. Dieses Medikament hilft wohl, macht mich jedoch schläfrig. Ich schlief die ganze Nacht durch wie ein Stein. Schliesslich weckte mich das Schlagen der Segel; der Ostpassat war eingeschlafen. Ich startete den Motor. Am Abend liess mich gurgelndes Geräusch die Bodenplatten öffnen. In der Bilge stand viel Wasser. Eine Schlauchverbindung hatte sich gelöst, und die Frischwasserpumpe leerte den 200-Liter-Steuerbordtank in die Bilge. Ich hatte eine alte Regel verletzt: Wenn immer der Motor läuft, ist die Frischwasserpumpe auszuschalten, weil man nicht hören kann, wenn die Pumpe pausenlos läuft. Der Schaden war schnell behoben. Ich musste den Schlauch anbringen und die Bride besser anziehen. Den Grossteil des Wassers zuerst mit der Bilgenpumpe, den Rest mit Schwamm und Eimer bei bockendem Schiff aus der Bilge zu kriegen, war weniger angenehm. Dann kam wieder Südostpassat auf. Ich schaffte es gerade, die östliche Seite der Insel Lifou anzuliegen. Auf dem 137 letzten Stück zum Havannah-Kanal drehte der Wind auf Süd. Ich musste den Motor starten, um die Südspitze von Grand Terre zu erreichen. Jetzt passiere ich den Riffgürtel, der mit nicht weniger als 800 Kilometern Länge die ganze Insel umrundet. Auf dem Weg nach Nouméa bleibt mir nichts anderes übrig, als unter Motor zu fahren, denn der Wind dreht mehr und mehr nach West, was hier eher unüblich ist. Ein Gefühl gespannter Erwartung erfüllt mich. Beeindruckend, kaum ist man ein paar Tage gesegelt, trifft man ein völlig neues Land. Das ist es, was mich am Langstreckensegeln fasziniert. Hier wird auch französisch gesprochen. Zum Glück habe ich in der Schule gut aufgepasst. Grand Terre ist 400 Kilometer lang und 50 Kilometer breit. Die Hälfte der 180 000 Einwohner dieses Landes leben in Nouméa. Die Insel ist reich an Bodenschätzen. Beim Nickelabbau liegt es hinter Kanada und Russland an dritter Stelle. Auch die Land- und Forstwirtschaft spielt eine grosse Rolle. Der Tourismus ist, ähnlich wie in der Schweiz, durch die hohen Preise handikapiert: Es hat kaum Australier oder Neuseeländer unter den Besuchern. Nur die Franzosen und Japaner können es sich leisten, hier Ferien zu verbringen. Beim Einlaufen in die Baie Moselle erscheint mir Nouméa wie eine französische Stadt am Mittelmeer. Auf Kanal 67 rufe ich «Port Moselle», werde sofort eingewiesen und mache am «Visiteur»-Dock kurz vor dem Einnachten fest. Diese ersten Stunden in einem neuen Hafen geniesse ich besonders. «Pirat», mein Schweizerfreund aus Neuseeland, lädt mich zum Nachtessen auf seine «Rory Mhor» ein. Sein Boot ist 17 Meter lang, weshalb «Pirat» auf eine Crew angewiesen ist. Sogar Bruno Müller, genannt «Moritz», ein gemeinsamer Freund aus unserer Zeit am Technikum Winterthur, ist mit seiner Frau Katrin aus der Schweiz eingeflogen, um mit «Pirat» ein Stück mitzusegeln. Vergangene Zeiten werden wach … Nouméa ist eine kosmopolitische Stadt. Was sofort auffällt: der starke Verkehr mit meist neueren Autos, mit vielen teuren Modellen wie BMW, Mercedes, neben französischen und japanischen 138 Wagen. Hoch im Kurs steht der Wassersport. Viele Segel- und Motorboote hängen in den Marinas oder an Bojen und sind am Wochenende in der Lagune anzutreffen. Für das Windsurfen sind die Verhältnisse hier geradezu ideal. Auch zum Tauchen oder Schnorcheln finden sich viele Reviere. Leider ist auch der «Jetski» stark verbreitet. Rücksichtslos sausen diese Motorsportler in der Lagune herum. Schöne Frauen aller Rassen flanieren durch die Einkaufsstrassen oder sind am Place des Cocotiers anzutreffen. Am Abend begegnet man ihnen oft im «Café de Paris» beim Flirten mit jungen, kurzgeschorenen französischen Soldaten. Übrigens ist dies die einzige Insel im Pazifik, wo Frauen oben ohne baden. Es ist auch mal wieder schön, sich als kleiner Voyeur zu betätigen. Speziell vor dem Club Méditerrannée ist die Augenweide gross. Einkaufen kann man europäisch. Sogar Greyerzer und Raclettekäse aus der Schweiz kann man hier finden. Kanaken, wie sich die Melanesier hier nennen, sieht man selten in Nouméa, höchstens beim Busbahnhof. Sie leben ausserhalb der Stadt oder auf anderen Inseln und stellen etwa 45 Prozent der Bevölkerung. Von den Weissen ist etwa die Hälfte hier geboren. Die Kanaken tauen erst auf und werden freundlich, wenn sie merken, dass man kein Franzose ist. Neukaledonien, das seinen Namen – wie so viele pazifische Inseln – vom Entdecker James Cook erhielt, fiel 1853 an die Trikolore. Heute ist die Unabhängigkeitsbewegung sehr stark. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Ausschreitungen und Konflikte. 1998 fand eine Abstimmung über die Unabhängigkeit statt. Die Zukunft wird den Kanaken zunehmende Freiheiten bringen. Man kann sich allerdings schwer vorstellen, wie die Wirtschaft ohne Franzosen florieren kann. Einen Vormittag lang nehme ich mir Zeit, die Austellung «Spirit Blong Bubu I kam back» über die kulturelle Tradition Vanuatus zu besuchen. Viele ausgestellte Gegenstände und Photographien sind im Besitze des Basler Völkerkunde-Museums und stammen vom Anthropologen Felix Speiser, der anfangs dieses Jahrhunderts Vanuatus Kultur erforschte. Im Jahr 1923 erschien sein Buch, das 139 1990 ins Englische übersetzt und den Schulen Vanuatus zur Verfügung gestellt wurde. Im Hafen von Port Moselle liege ich für 18 Dollar pro Tag gut. Es gibt Strom, Wasser und Duschen. Leider ist kein Restaurant in der Nähe zu finden, vorerst wenigstens. Auch wenn ich im Moment allein unterwegs bin, sterbe ich keinesfalls an Einsamkeit. Im Hafen treffe ich all die Yachties, die ich teilweise seit dem Frühjahr kenne. Auch zwei Schweizer Boote sind hier: die «Pura Vida» mit Vreni und Toni aus Schiers und die «Sea Canary» mit Syord. Ferner Koni aus Zürich mit seiner unter italienischer Flagge segelnden «Sciusciutti». Einige Yachten verlegen sich später in den «Cercle Nautique de Calédonie», wo die Bootsplätze nur sechs Dollar pro Tag kosten und es das billigste Bier in Nouméa gibt: eine Stange «pression» für 1.20 Dollar. Abends bin ich natürlich auch unterwegs. Oft starte ich in einem Nakamal (Kava-Bar) in der Nähe des Hafens. Eine Schale Kava kostet einen Dollar. Man hockt um ein Feuer, die Stimmung ist friedlich, und man unterhält sich leise. Allerdings habe ich schon nach zwei Schalen ein taubes Gefühl im Mund und bin einmal mehr völlig entspannt. Kaum habe ich Loritta aus Pango bei Port Vila etwas vergessen, mache ich hier die Bekanntschaft Fabienne Esmeraldas. Ihr Vater war Fischer und stammte aus den Marquesas. Sein Boot hiess «Esmeralda», deshalb Fabiennes zweiter Name – schön nicht wahr? Wir beschliessen, zusammen der «Ile des Pins» einen Besuch abzustatten. Esmeralda ist 29, hat fünf Kinder von 3 bis 12 Jahren und lebt von Alimenten. Die Kinder gibt sie kurzerhand ihrer Mutter in Obhut. Ihr letzter Mann war Bretone, falls sie überhaupt jemals verheiratet war. Ich lebe also wie eine Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt. Andere mögen sagen, dass ich die Frauen wechsle wie mein Hemd. Das ist vielleicht unmoralisch, aber wohl kaum strafbar. Zudem, was bleibt mir anderes übrig, nachdem ich ständig unterwegs bin? Das Aids-Problem ist auch im Pazfik bekannt. Die Bevölkerung wird mit Anschlägen und Zeitungsenberichten dar- 140 auf hingewiesen. Aber was macht man, wenn eine Frau – wie Loritta – ihre Vorstellungen auf so unzweideutige Weise äussert: «I want meat to meat – I am clean»? Nachdem am folgenden Sonntag ein Freund Fabienne bei meinem Boot abgeliefert hat, gehen wir auf dem nahen Markt zum Einkaufen. Sie möchte zwar unterwegs einen Fisch fangen, da ich aber dem Fischerglück nicht vertraue, kaufe ich lieber hier einen kleinen Bonito. Sicher ist sicher. Die erste Tagesetappe führt uns in die Baie de Prony. Das Wetter ist herrlich zu dieser Jahreszeit, so wie ein schöner Sommertag in Europa – nur bläst der Wind zum Segeln immer. Fabi segelt gerne, will aber schon früh mit dem Apéro beginnen und zwar mit Brandy. Pur, nicht etwa verdünnt! Als ich nach ihrem ersten Glas die Flasche verstauen will, protestiert sie: «Lass die Flasche besser hier!» Dass Frauen in der Südsee gerne trinken, ist inzwischen nicht mehr neu für mich. Am Abend vor Anker treffen wir wieder die »Rory Mhor» und kommen zu einem weiteren Apéro. Zurück an Bord, beginnt Fabienne mit dem Kochen. Zuerst rüstet sie den Salat und übergiesst ihn mit einer pikanten Sauce. Dann kommt der Fisch an die Reihe. Sie weiss, wie das geht, und bringt das Öl auf die richtige Temperatur. Dann dreht sie aber plötzlich den Gashahn zu. «Pourquoi?» frage ich erstaunt. «Je veux faire amour avec toi, maintenant!» erklärt sie und beginnt mich anzumachen. Hier fordert offensichtlich die Natur ihren Tribut. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Ich tue, was zu tun ist, und lege sie auf die Steuerbordkoje im Salon. Erst nachdem ihr Sturm der Leidenschaft etwas verebbt ist, kocht sie weiter. Hier in Kaledonien scheinen sie spezielle Küchensitten zu haben! Fabienne entpuppt sich als gute und phantasievolle Köchin, ist ein Kind der Natur und hat ein unverkrampftes Verhältnis zu ihrem Körper. So geht sie auch nie aufs Boots-WC, sondern erledigt ihre Geschäfte, indem sie sich über die Reling hängt und sich an den Wanten sichert. Auch unterwegs. Am nächsten Tag müssen wir früh aufstehen, denn es sind vierzig Meilen gegen den Passat – meist mit Motor – zur »Ile des 141 Pins». Ich blinzle ins Morgenlicht, die »Rory Mhor» ist schon längstens weg. Zwei Stunden nach der Abfahrt spricht der Automatikschalter der Bilgenpumpe an, den ich in Nouméa eingebaut habe, nach der Erfahrung mit dem Süsswasser in der Bilge. Dieses Mal ist es Salzwasser, das fast zehn Zentimeter hoch in der Bilge steht. Woher kommt es? Vielleicht von der Wellendichtung? Aber es tropft auf der Steuerbordseite des Motors. Ich löse die Verschalung – die Seewasserpumpe hat einen Riss. Unter Druck spritzt Seewasser ins Boot. Wir müssen die «Ile des Pins» vergessen. Ich stelle den Motor ab, und wir segeln zurück in die Baie de Prony und verbringen dort drei schöne Tage. Fabi nimmt es gelassen und freut sich am täglichen Kochen. Mit günstigem Wind segeln wir dann in Richtung Nouméa. Die letzte Nacht verbringen wir in einer Bucht, etwa vier Stunden östlich der Hauptstadt. In Nouméa baue ich die Seewasserpumpe meines Motors aus. Christian Caraud aus Ducos bestellt einen Ersatz in Australien. Das kostet mich 700 Dollar. Was mich ärgert: Die Pumpe bekam diesen Schaden, weil Russell vom Marine Service in Whangarei statt des Original-Johnson-Impellers ein Volvo-Produkt einsetzte. Die Differenz hatte er mit einer Scheibe ausgeglichen, welche dann innerhalb von 180 Motorenstunden die Pumpe «killte». Ich schreibe ihm einen Brief. Ob ich wohl je eine Antwort erhalte? Auf jeden Fall hält mich mein Boot auf Trab. Das Segeln ist geradezu die ideale Mischung aus Stress und Erholung für einen Pensionierten. Immer wieder wird man bei Überfahrten oder technischen Problemen gefordert. Was mich bei dieser Art des Reisens am meisten freut, nebst dem Kennenlernen neuer Menschen und Länder: Meine Wohnung ist immer dabei, wohl mit kleinen Zimmern und Küche, jedoch mit meinen Büchern, TV, Video, CDPlayer und Laptop. Mit meinen Söhnen und mit meiner Mutter, die schon über achtzig ist, habe ich guten Kontakt per Telefon oder Fax. Bedrückend ist, dass Mutter gesundheitlich nicht auf der Höhe zu sein scheint. Ich fehle ihr, wie sie so schön sagt, und auch ich ver- 142 misse sie. Immerhin kümmert sich meine Schwester um sie. Weil ich mir etwas Sorgen um meine Mutter mache, werde ich dieses Jahr schon anfangs Dezember in die Schweiz reisen und bis zu ihrem 81. Geburtstag Ende Januar bleiben. Vielleicht kann ich sie auch nochmals nach St.Lucia begleiten, wo sie so gerne Ferien macht. Die letzte Samstagnacht vor dem Auslaufen verbringe ich im Restaurant «L'Hélice» (Propeller) beim Flughafen Magenta. Hier spielt die Band «Te Ava Piti» aus Papeete bis vier Uhr morgens zum Tanz auf, nur mit kurzen Pausen zwischen den Stücken, in denen der Tanzpartner gewechselt wird. Viele Tahitianer leben in Nouméa und profitieren von den guten Verdienstmöglichkeiten. Die teilweise riesigen Männer haben eine Tiare-Blüte hinter das Ohr geklemmt. Ich tue es ihnen gleich. Die Frauen sind herausgeputzt und tragen oft einen Blumenkranz um den Kopf. Das kitzelt beim Tanzen in der Nase. Die Hüften betonen sie mit einem Tuch, einem Band oder einem Perlmuschelgürtel. Ich liebe es, ihren erotischen Bewegungen beim Tanzen zuzuschauen. Inzwischen tanze ich ganz leidlich Tamourée. Die Lebenslust dieser Menschen – sie lieben Musik, Gesang, Essen, Trinken und die Liebe – ist ansteckend. Oft tanzen Frauen zusammen, weil es mehr Frauen als Männer hat. Dieses Fest ist ein würdiger Abschluss meiner Zeit in Nouméa. Am 22. Oktober stosse ich vom Steg ab und setze die Segel zum 800-Meilen-Törn nach Brisbane in Australien. Die Meteo verspricht gute Bedingungen. So ist es dann auch. Der Südostpassat von 20 bis 25 Knoten hält durch und beschert mir angenehme Segeltage. Ich bin immer noch Einhandsegler – unterwegs kann ich gewissermassen Seele und Geist reinigen, habe Zeit zum Lesen, Musik hören oder einfach zum Träumen und die vielen Eindrücke zu verarbeiten, die Menschen und Länder hinterlassen haben. Mit «Pirat» habe ich unterwegs zweimal Radiokontakt. Es tut gut, einen Freund an der Strippe zu haben. An einem Sonntag «treffen» wir uns zu einem gemeinsamen Apéro über Funk: ich 143 sechzig Meilen vor der Küste Australiens, er mit Tochter Yvonne und Pat, Claire und Dick von der «Runaway» in Nouméa. Schön, sich trotz der Distanz verbunden zu fühlen. In der Nacht darauf muss ich um 01.00 Uhr aufstehen. Der Wind ist eingeschlafen. Es herrscht starker Schiffsverkehr ab zwanzig Meilen vor der Küste, hauptsächlich Fischerboote. Ich folge der Küste zum Brisbane River, bis ich schliesslich um 14 Uhr am Quarantäne-Dock anlege. Die Zollbeamten sind ausgesprochen freundlich. Dann tuckere ich entlang des Flusses zur Dockside Marina. Ray Dahlin weist mir einen Platz zu. Und jetzt betrete ich zum ersten Mal in meinem Leben australischen Boden! Es ist Frühling hier, und die Jacaranda-Bäume blühen. Ich geniesse die letzen warmen Sonnenstrahlen dieses Tages. Meine Wohnung, die «Hasta Mañana», liegt mitten in der Stadt. Mein Saisonziel ist erreicht – Skipper und Boot sind wohlauf. 144 Auf Schusters Rappen Trekking in Tasmanien M ein Abstecher im Dezember 1996 in die Schweiz erfolgt gerade zur rechten Zeit. Aus den verschiedensten Gründen: Meine Mutter ist gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe und braucht Zuwendung. Meiner Schwester steht eine Trennung von ihrem Mann Reini – meinem langjährigen Starbootvorschoter – bevor. Mein jüngerer Sohn Ronald hat seine Stelle verloren. In meinem vermieteten Haus steht ein Mieterwechsel bevor, und mein alter Audi 100 ist vorzuführen. Nur bei meinem älteren Sohn, Oliver, scheint zum Glück alles «paletti» zu sein. Also packe ich die Probleme an, so gut ich kann. Schliesslich komme ich doch noch dazu, mich und mein Snowboard an der Bündner Sonne zu bewegen. In Davos treffe ich auch «Pirat», meinen Schweizer Seglerfreund aus Neuseeland. Leider verstarb seine Mutter, und er war zur Beerdigung in der Schweiz. Zufälle gibt es: An einem Samstagabend treffe ich im «Pöschtli» in Davos Roger Bachmann, einen Drachensegler vom YCS, samt Familie: «Die Drachenflotte hat morgen ihr Skirennen am Jakobshorn», lassen sie mich wissen. Also nichts wie hin. Herrlich, mit Thesi und Walti Schröckel, Walo Hauser, Kurt Walder, Dieter Schmid – seine Stimme ist mir auch von Radio Schweiz International vertraut – und weiteren Flottenmitgliedern ein paar Stunden zu verbringen. Schliesslich bleibt mir nur noch Zeit, Freunde zu besuchen. Viel zu schnell steht meine Abreise zurück nach Mooloolaba, östlich von Brisbane, zur «Hasta Mañana» vor der Tür, wo Rolf, ein Schweizer Segler, auf mein Bötchen aufpasst. Kaum angekommen, wird mir vor Augen geführt, wie wichtig es ist, die Zyklonsaison sorgfältig zu planen. Diese sollte man nicht wesentlich nördlich von Brisbane verbringen. Die Zeitun- 145 gen und TV-News sind voll von Berichten über Verwüstungen, die der Zyklon «Justin» anrichtet, der 500 Kilometer östlich von Cairns wütet. Ein kanadisches Paar, das blöderweise per Segelboot in der Nähe war, kann per Helikopter von Cairns aus gerettet werden. Nach zehn Tagen scheint «Justin» seine Kraft zu verlieren. Eine falsche Hoffnung. Er schöpft neue Kraft und bewegt sich ab 24. März Richtung Cairns. Nach dessen Durchzug ist die Marina zerstört, und die Küsteninseln bis hinunter nach Mackay müssen evakuiert werden. Zuckerrohr- und Bananenplantagen wurden zu Boden gewalzt. Die Überschwemmungen sind beträchtlich. Die «Queen Charlotte», ein 50-Fuss-Segelboot aus Neuseeland, wird mit fünf Personen an Bord vermisst. Diese Yachties wollten ans Tallship Race von Hongkong nach Osaka. Später sichtet die Coast Guard das havarierte Boot, jedoch ohne Spuren der Crew. Die Eltern eines 18jährigen Mädchens, das an Bord war, starten zusätzlich zur Coast Guard eine eigene Suchaktion, allerdings ohne Erfolg. Mir scheint es auch in diesem Fall unverständlich, warum überhaupt ein Segelboot während der Zyklonsaison, die in der Südsee von anfangs Dezember bis Ende April dauert, in dieser Gegend unterwegs war, die gewissermassen als Geburtsort dieser Sturmtiefs gilt. Auch hier in Mooloolaba bläst es mit 25 Knoten. Nachdem «Justin» in den Pazifik entschwunden ist, mache ich mich daran, mein Boot zu überholen. Ich liege an der «Sunshine Coast», wie dieser Streifen Queenslands heisst. Hier ist es warm, doch das Vergnügen, im Meer zu schwimmen, leiste ich mir nur am Wochenende, denn ich will doch möglichst bald mein Boot überholt haben. Charly, der Besitzer der Lawries Marina, hebt es elegant mit dem Travellift aus dem Wasser. Nächste Station ist die Sandstrahlbox – denn der backbordseitige Rumpfvorderteil soll neu gespritzt werden. Steve von den «Boatmen» arbeitet speditiv: Sandstrahlen und Grundieren sind erledigt, bevor mein Boot überhaupt im «Cradle» steht. Das Spachteln und Schleifen übernehme ich selber. Anschliessend wird die Fläche neu gespritzt. Schön, wie die 146 neue Farbe glänzt. Per Roller bringe ich noch einen neuen Unterwasseranstrich auf. Nach kaum einer Woche bin ich wieder im Wasser. Die Preise sind vernünftig. Hier fühle ich mich besser bedient als in Neuseeland. Überhaupt macht es mir Spass, mein Boot wieder startklar zu machen, will ich doch anfangs Mai wieder auslaufen. In der Lawries Marina lebt es sich gut. Pro Monat kostet mich ein Wasserplatz inklusive Wasser und elektrischer Strom 270 australische Dollar oder etwa dreihundert Franken. Jeden Freitagabend treffen wir uns zum Barbeque im Hafenareal. Segelmacherei, Bootsbedarfladen, Bootsbauer, Schlosserei, Rigging und ein Einkaufszentrum befinden sich in nächster Nähe. Auch ein Pub, und Spielsalon, mit der Möglichkeit, auf Pferde zu wetten, fehlt nicht. Die grosszügige australische Mentalität gefällt mir auf Anhieb. Steht an einem Restaurant «BYO» angeschrieben, so heisst das «Bring your own» oder bring deinen eigenen Alkohol mit. Der Kühlschrank und Gläser stehen zur Verfügung. Das Bier wird in vorgekühlten Gläsern und eiskalt serviert. Ein paar typisch australische Ausdrücke habe ich aufgeschnappt: no worries: alles klar bloke: Kerl mate: Kumpel (sprich: Mait) good on ya: gut gemacht G‘day: guten Tag I‘ll catch you later: ich seh dich später pissed: betrunken shout: Getränkerunde yummi: lecker, gut Kaum schwimmt mein Boot wieder, mache ich mich daran, Australien zu entdecken – oder wenigstens einen kleinen Teil davon. Australien ist ungefähr so gross wie die USA, ohne Alaska. 85 Prozent der etwa 18 Millionen Einwohner leben in den wenigen 147 grossen Städten. Der riesigen Distanzen wegen wähle ich das für mich günstigste Verkehrsmittel: das Flugzeug. Mit der Qantas fliege ich von Brisbane nach Sydney. Diese herrlich gelegene Stadt beherbergt im Jahr 2000 die Sommerolympiade. Das ist an allen Ecken und Enden zu sehen. Die Harbour Bridge und das Opernhaus stechen sofort ins Auge. Am Karfreitagabend erstehe ich ein Ticket für die «Matthäus-Passion» von Johann Sebastian Bach, sitze tatsächlich in diesem attraktiven Bau und lausche der festlichen Musik. Erstaunlicherweise singen die Solisten und der Chor deutsch. Für einmal sind es die Mehrzahl der Besucher, die mit Hilfe des Programms versuchen, etwas zu verstehen. Lustig, nicht wahr? Am Samstag schiesse ich ein paar Fotos vom Flugzeugträger «USS Independence», der hier einige Tage im Hafen liegt und – unglaublich – 5000 Mann Besatzung hat. Ein Teil davon bewegt sich abends unübersehbar durchs Vergnügungsviertel. Dieses Schiff nahm an den amerikanisch-australischen Manövern »Tandem Thrust» in der Coral Sea teil, welche durch «Justin» arg behindert wurden. Nach einigen Tagen fliege ich weiter nach Melbourne und besuche Freunde aus Stein am Rhein, Susi und Ernst Garbagnati. Diese Stadt ist geschichtsträchtig und sportbegeistert wie ganz Australien. 1956 fand hier die Sommerolympiade statt. Alljährlich treffen sich im Flinders Park, der jetzt Melbourne Park heisst, die besten Tennisspieler zum Australian Open, einem der vier Grand-Slam-Turniere, und auf der Grand-Prix-Strecke die Formel-1-Fahrer. Diesen herrlichen Kurs fahren wir selber einmal ab. Nach Melbourne fliege ich zum eigentlichen Ziel meiner Reise: nach Hobart auf Tasmanien. Dort will ich mich mit Susi treffen, 148 einer Freundin, die gelernte Konditorin und ein hübsches und auch etwas wildes «Frauenzimmer» ist. Ihr Vater ist Schweizer, ihre Mutter Koreanerin. Von ihr hat sie auch ihre Augen, weshalb ich sie «Susi Wong» nenne. Mit ihr will ich mich durch die Wildnis schlagen, das was man hier als «Bushwalking» bezeichnet. Hobart ist das Ziel des alljährlich am «Boxing Day» – am 26. Dezember – gestarteten Telstra-Yachtrennens von Sydney nach Tasmanien, das als einer der härtesten Hochseewettbewerbe der Welt gilt. Am 29. Dezember 1976, morgens um 0307 Uhr, wurde hier am Battery Point der seit 1975 durch Jim Kilroys Yacht «Kialoa» gehaltene Rekord durch die «Morning Glory» um 29 Minuten und 46 Sekunden unterboten. Dieses Boot des deutschen Eigners Hasso Plattner hat ein amerikanisches Design und wurde in Australien gebaut. Der Eigner zeigt sich grosszügig. Er liess seinen Rekord etwas kosten und verteilte kurzerhand das Preisgeld von 300 000 australischen Dollar oder etwa 350 000 Franken an die zwanzigköpfige Crew. Zu dieser Crew gehörte der America-CupSteuermann Russell Coutts aus Neuseeland und der brasilianische Olympiasieger im Starboot Torben Grael. Tasmanien ist ein wildes Land mit nur 400 000 Einwohnern und etwa doppelt so gross wie die Schweiz. Hier ist die Natur intakt und wird durch grosszügig angelegte Nationalparks geschützt. Zu den «Tracks» gelangt man durch einen «Wilderness Travel»-Busbetrieb. Susi trifft an einem Sonntag ein. Trotz des Fluges um die halbe Erde mit Singapore Airline strotzt sie vor Unternehmungslust. Unsere Basis haben wir im «Central City Backpacker»-Hotel. Wir lieben diese Unterkünfte, die in Neuseeland und Australien überall anzutreffen sind. Bin ich in Begleitung, so nehme ich ein «Double», was hier 36 Dollar pro Nacht kostet. Ein Platz im «Dormitorium» wird für 12 Dollar angeboten. Die Küche und der Aufenthaltsraum sind grosszügig angelegt. Hier trifft man Reisende aus der ganzen Welt und hat sofort Kontakt. Allerdings ist gegenseitig etwas Rücksichtsnahme angesagt. Manchmal 149 fehlt ein bisschen von der Milch, die man im Kühlschrank angeschrieben hingestellt hat. Take it easy! Wir fliegen mit einer Cessna 206 in knapp einer Stunde nach Melaleuca. Der junge Pilot schafft die Landung gerade noch, denn das Wetter sieht nicht gerade verheissungsvoll aus. Das ist an der tasmanischen Südküste normal, zudem hat der Herbst gerade begonnen. Der «South Coast Track» führt über achtzig Kilometer: Wir rechnen mit sieben bis acht Tagen bis zum Cokle Creek. Was Anforderungen stellt, sind nicht die Distanzen und die Höhenunterschiede, sondern das rauhe Klima, das sogar im Sommer Schnee bringen kann. Es ist auch das Gewicht – etwa 25 Kilo – des Rucksackes, der Zelt, Kocher, Kleider für kaltes und warmes Wetter, nebst dem Essen für etwa neun Tage enthält. Im Gegensatz zu Neuseeland gibt es hier selten Hütten. Dieser Track bietet immer wieder faszinierende Ausblicke zur wellenumtosten Küste. Die erste Nacht im Zelt werden wir daran erinnert, dass wir nicht allein in der Natur sind. Susi stellt am Morgen erstaunt fest, dass in ihrer neuen Goretex-Jacke zwei Löcher klaffen. Ein «Tasmanischer Teufel»! Kein Witz, den gibt es wirklich. Er hat sich tatsächlich durch die Jacke gefressen, um an darunterliegendes Studentenfutter zu kommen. Das nur hier existierende, etwa puddelgrosse Tier ist nachts aktiv und ein Allesfresser. Die nächste Nacht sind wir schlauer, so denken wir zumindest, und platzieren alle Nahrungsmittel zu unseren Füssen im Zelt, doch am nächsten Morgen entdecken wir verstört ein etwa orangengrosses Loch am Zelt. Nur geruchdichtes Verpacken der Nahrungsmittel hilft gegen diese schlauen Diebe. Es gibt auch drei Arten giftiger Schlangen, die hier heimisch sind. Wir haben unterwegs vier gesehen. Sie verschwinden normalerweise im Busch, wenn sie beim Sonnenbad aufgescheucht werden. Man hüte sich davor, auf eine zu treten. Gegengift kann man nicht mitnehmen, weil es nur im Kühlschrank haltbar ist. Überhaupt sind wir uns der Gefahren bewusst, die in dieser abgelegenen Gegend lauern. Zum Beispiel würde ein Beinbruch sofort zu einer Überlebensübung ausarten. 150 Am zweiten Tag durchqueren wir drei Flüsse. Nasse Füsse haben wir schon lange, nachdem wir einige Schlammpassagen überwinden mussten. Beim ersten hängt ein Seil an einem dünnen Baum über dem Fluss. Ich versuche rüberzukommen – prompt bricht das Bäumchen, und ich hänge mit Sack und Pack über dem reissenden Wasser. Susi weiss nicht, ob sie lachen oder sich Sorgen machen soll. Ich hangle mich mühsam zurück. Meine Gefährtin hat eine bessere Lösung: Sie hockt sich rittlings auf einen im Wasser liegenden Baumstamm und hopst Stücklein um Stücklein auf die andere Seite. Ich folge ihrem Beispiel. Drüben angekommen, brauche ich vorerst eine Verschnaufpause. Der dritte Fluss beschert uns kaltes, hüfthohes Wasser, und das kurz vor dem Zeltplatz. Diese Plätze liegen in der Regel geschützt und in der Nähe einer Wasserstelle. Sie verfügen über ein abseits gelegenes Plumpsklo, ohne Häuschen. Man sitzt in der freien Natur und kann so ungehindert seine Gedanken spazieren führen. Muss man unterwegs mal, sind die Exkremente mit einer kleinen Schaufel einzugraben. Gegen Abend treffen Mitchell aus England und Mark aus Australien am gleichen Zeltplatz ein. Zusammen sitzen wir am Lagerfeuer und fühlen uns total wohl. Mark ist unterwegs, Australien mit dem Fahrrad – das sind immerhin 13 800 Kilometer – zu umrunden und ist total fit. Übrigens ist ein 75jähriger Ultra-Marathonläufer daran, das Gleiche per pedes zu schaffen. Pro Tag läuft er 120 Kilometer und hat schon die Strecke Adelaide – Perth geschafft. Australien scheint eine besondere Anziehungskraft auf Verrückte zu haben! Der dritte Tag bereitet mir etwas Kummer. Es geht steil hinauf auf den Ironbound Range. Susi steigt trotz ihres schweren Rucksackes scheinbar mühelos. Sie ist zäh und liebt diese Steigungen – Kunststück, sie zählt erst 22 Lenze, klettert auch in der Schweiz und macht Bergtouren. Ich komme nur langsam voran und bin um jede Pause dankbar. Die Aussicht auf dem höchsten Punkt (900 Meter) über die Küste ist überwältigend. Der Abstieg folgt einem mit Wurzeln gespickten Weg. Nachdem wir noch 151 eine schlammige Ebene durchquert haben, erreichen wir nach einem siebenstündigen Marsch den idyllisch an der Deadman‘s Bay (so fühle ich mich auch) gelegenen Zeltplatz. Das Flüsschen führt Wasser bester Qualität. Allerdings ist es etwas bräunlich wegen des darin enthaltenen Tannins. Das Geräusch der tosenden Brandung wiegt uns in den wohlverdienten Schlaf. Hier sehen wir am Morgen zum ersten Mal Wallabies (kleine Känguruhs), die vor uns in den Busch fliehen. Die nächsten Tage führen uns entlang der Küste oder durch hügeliges Gelände in stetem Auf und Ab von Zeltplatz zu Zeltplatz. Pro Tag marschieren wir im Schnitt sechs Stunden. Die letzte Nacht bauen wir unser Zelt nicht am vorgesehenen Zeltplatz auf, sondern ungeschützt nahe am Strand und geniessen den herrlichen Sonnenuntergang. Das gute Wetter scheint sich zu halten. Doch plötzlich rüttelt nachts ein starker Wind an unserem Zelt. Also raus und die vorgesehenen Schnüre anbringen, Pflöcke rein und abwarten. Es ist nicht mehr an Schlaf zu denken. Unser Zelt wackelt und vibriert. Ob wohl alles hält? Endlich wird es Tag. Susi öffnet das Zelt und verlässt es. Leichter geworden und geöffnet, wirkt es wie ein Fallschirm und legt sich, von einer Böe gepackt, auf die Seite. Ein saublödes Gefühl beschleicht mich. Glücklicherweise halten die hinteren Pflöcke im Sand. Susi lacht sich halbtot über meine Bemühungen, nicht samt Zelt in den nahe gelegenen Bach zu fliegen. Da strömender Regen einsetzt, sind wir gezwungen, unsere Rucksäcke im Zelt zu packen, dann das glitschig nasse Zelt abzubrechen und in unsere Rucksäcke zu verstauen. Pfui Teufel! Immerhin erreichen wir bald schützendes Unterholz und nach zwei Stunden Cockle Creek, das Ziel unseres Tracks. Übrigens entstanden diese Tracks aus ehemaligen «Firetrails», einem Wegsystem zum Bekämpfen von Bränden. Anschliessend machen wir Autostopp und finden einen Lastwagen, der uns nach Dover bringt. Von dort kehren wir mit einem Tigerline-Bus nach Hobart zurück. Susi und ich entwickeln uns zu einem eingespielten TrekkingTeam. Sie kümmert sich meistens ums Einkaufen, ich eher um 152 Karten, Bustickets und so weiter. Ich betrachte das Ganze als guten Ausgleich zur Langstreckensegelei. Das Trekking macht wirklich Freude, ist man doch inmitten der Natur, hat alles dabei, was man braucht, und trifft auf den schwierigeren Tracks wenig Touristen. Abends, nach einem strengen Tag, braucht es nur etwas zum Essen, einen Schluck Tee und einen warmen Schlafsack, um sich total glücklich zu fühlen. Wir marschieren noch auf weiteren Tracks und legen in zwanzig Tagen an die zweihundert Kilometer zu Fuss zurück. Angaben findet man im Buch «Abenteuer Trekking, Australien» von Donatus Fuchs, herausgegeben von Bruno Baumann (Bruckmann-Verlag, München). Am 2. Mai entschwebt Susi wieder in Richtung Schweiz. Etwas traurig «wurstle» ich wieder alleine weiter und mache mich nach Coff‘s Harbour auf. Das liegt zwischen Sydney und Brisbane. Dort besuche ich Hanspeter Wenger, auch ein ehemaliger Swissair-Pilot, der in Australien geboren wurde und dort ein Segelboot ausbaut. Es macht mir Freude, von vergangenen Zeiten zu plaudern. Doch dann zieht es mich zurück zur «Hasta Mañana» und wieder auf See. 153 154 60 Jahre Otti Bauernsohn – Pilot – Familienvater – Regattasegler – Langstreckensegler 60 Jahre und kein bisschen weise! Immerhin habe ich eine Lebensform erreicht, die zur Zeit für mich stimmt und mich glücklich macht. Etwas weg von Statussymbolen und hin zu einem mir genau entsprechendem Zigeunerleben auf einem Segelboot, mit einer beweglichen Wohnung, die sich um den Erdball bewegen lässt. Es geht mir weniger ums Segeln, sondern vielmehr darum, neue Menschen und andere Kulturen in fernen Ländern kennenzulernen. Ich bin mir aber bewusst, dass ich in der Seglergilde als Luxusexemplar gelte: als einer, der es sich leisten kann, jeweils vor Weihnachten für zwei Monate in die Schweiz zu fliegen, egal, ob die halbe Erdkugel zu umfliegen ist. Das ist nicht zuletzt dank des grosszügigen Freiflugreglementes möglich, das die Swissair auch für Pensionierte anwendet. Geboren wurde ich am 6. Dezember 1938 («es Chläusli») im oberhalb Stein am Rhein gelegenen Bauernhof und Restaurant «Bleichi». Die Grenze zu Deutschland lief mitten durch eine Scheune. Die «Bleichi» wurde sogar Mittelpunkt im von Jon Durschei herausgegebenen Krimi «Mord in Stein am Rhein». Schon in frühester Jugend lernte ich somit die Freuden und Leiden des Lebens auf einem Bauernhof kennen, auch ein intensives Familienleben. Schon früh hiess es mithelfen auf dem Feld oder im Stall und am Sonntag im Restaurant. Dieses war bekannt wegen der Aussicht, dem handbetriebenen Karussell und Mutters Zimtsternen (Gebäck). Weiss- und Rotwein kelterte mein Vater aus den gleich unterhalb dem Sommerhaus gezogenen Trauben. Auch der süsse und saure Most kam aus eigenem Anbau. Hilfskräfte waren 155 damals leicht zu kriegen: Knechte aus Italien und Mägde aus Österreich. Trotz der vielen Arbeit waren meine Eltern keineswegs stur. Ich machte bei den Pfadfindern mit und war jeden Samstagnachmittag weg. Mein Vater wurde erst sauer, als sich abzeichnete, dass ich nicht Bauer werden wollte, wie er es erwartet hatte. Mein Entschluss war vor allem deshalb gefallen, weil – ausser Heinz Tanner – selten ein Mitschüler neben mir sitzen wollte. Das deshalb, weil ich als Stinker bekannt war. Kaum zu verwundern. Jeden Abend musste ich nach der Schule im Stall mithelfen und «roch» deshalb ein bisschen. Baden war nur am Sonntagmorgen in der Badewanne der Waschküche angesagt. Jedenfalls begann ich 1955 eine Lehrzeit als Mechaniker bei der SIG in Neuhausen. Nach einem Unfall meines Vaters – er stürzte von einem Baum und verletzte sich am Rücken – verkauften meine Eltern 1956 die «Bleichi» und betrieben fortan den der Stadt Stein am Rhein gehörenden Hof «zum Rheingüetli». Sie waren weltoffen und schenkten uns spontan eine J-Jolle, die wir auf den Namen «Odysseus» tauften und unterhalb unseres Hofes an eine Boje im Rhein hängten. Mit dieser Segeljolle war ich zusammen mit meinem etwas jüngeren Bruder Hansruedi jeden Sonntag auf dem Untersee unterwegs. Die Segelkunst brachten wir uns selbst bei. Die Aussicht, in der Verpackungsmaschinenabteilung der SIG als Monteur nur Fr 1.80 pro Stunde zu verdienen, veranlasste mich unmittelbar nach dem Lehrabschluss, das Technikum in Winterthur zu besuchen, um Elektrotechniker zu werden. Schon im ersten Semester fiel mir ein Plakat in der Aula auf: «Studentenflugkurse. Die Swissair braucht Piloten. Ihr Arbeitsgebiet ist die grosse, weite Welt.» Eine Steuersäule schwebte über einer Erdkugel. Mein erster Kontakt mit der Swissair erfolgte im Personalbüro. Der Betriebspsychologe, Herr Wittenwiler, eröffnete mir gnadenlos: «Junger Mann, so leicht, wie Sie sich das vorstellen, ist es nicht, Pilot bei der Swissair zu werden.» Er forderte: 1. einen Abschluss des Technikums mit Diplom. 2. Im Militär müsse 156 ich mindestens den Grad eines Unteroffiziers bekleiden. 3. Zumindest etwas Segelflugerfahrung wäre von Vorteil. Über die zweite Bedingung wunderte ich mich schon etwas. Herr Wittenwiler entliess mich mit den Worten: «Sobald Sie diese Voraussetzungen erfüllen, können Sie sich wieder melden.» Ich dachte mir, das sei besser als eine Absage, und machte mich daran, die gestellten Bedingungen zu erfüllen. Im Sommer 1960 begann ich meine Segelflugausbildung bei der Segelfluggruppe Schaffhausen im Schmerlatt. Mit Windenstart eroberte ich an Bord einer Rhönlerche den Schaffhauser Himmel, eingewiesen von meinem Fluglehrer Häberlin, dem Vater Pit Häberlins, dem ehemaligen Regattaleiter des YCS. Ich genoss diese Wochenenden, obwohl ich mangels Geld wenig zum Fliegen kam. Eher war ich damit beschäftigt, dort Hand anzulegen, wo ich gerade gebraucht wurde, beim Führen der Startlisten oder beim Bereitmachen der Flugzeuge. Immerhin kam ich zu meinem ersten Alleinflug und einigen unvergesslichen Flügen im Hangaufwind am Randen. Später konnte ich meine Segelflugausbildung im Belpmoos bei Bern fortsetzen. Im Frühling 1962 schloss ich das Technikum mit Diplom ab. Schon im folgenden Sommer rückte ich in Thun in die Unteroffiziersschule bei den Panzertruppen – bei den legendären G-13 – ein. Ich freute mich sogar darauf, obwohl es nicht ganz leicht gewesen war, nachträglich zu einem Vorschlag zu kommen. Aber auch hier hatte ich Glück. Oberleutnant Fuchser, dem ich in der Rekrutenschule eine Absage erteilt hatte, als er mich für die Unteroffiziersschule vorschlug – ich war damals noch in der Lehre – war jetzt Hauptmann. Er führte in der Felddivision die Kompagnie I/23, in der ich als Soldat eingeteilt war. Er wollte meinem beruflichen Glück nicht im Wege stehen und gab mir den Vorschlag. Inzwischen hatte ich aber etwas erschwerte oder – wie man‘s nimmt – leichtere persönliche Lebensverhältnisse. Seit April 1961 war ich mit Josyann Ruppert aus Beringen verheiratet und – das geht manchmal schnell – drei Monate später Vater un- 157 seres Sohnes Oliver. Meine junge Frau und ihre Eltern unterstützten zwar meinen Wunsch, Pilot zu werden, blieben jedoch skeptisch bezüglich der Familienfreundlichkeit meines Traumberufes. Sobald ich das Diplom als Techniker erhalten hatte, zogen wir als junge Familie nach Thun. Ich fand einen Job als «Tester» bei der Hasler AG in Bern, die auf Telefoniesysteme spezialisiert war. Nach dem Einarbeiten testete ich für achthundert Franken im Monat – die Wohnung kostete zweihundertfünfzig – die von meiner Firma gebauten oder erweiterten Telefonzentralen, um sie anschliessend der PTT zu übergeben. Mir gefiel diese Arbeit an verschiedenen Orten, wie Bern, Fribourg, Interlaken, Adelboden, Kandersteg oder Spiez. Es war nur schade, konnten wir auf dem Thunersee nicht segeln gehen. Immerhin verbrachten wir unsere Freizeit oft am See, der mich magisch anzog. Nach dem Abverdienen des Korporals rückte ich schon anfangs 1963 in die Offiziersschule ein. Damals wurde die militärische Weiterbildung von den grösseren Firmen noch gefördert. Sie zahlten 80 Prozent des Lohnes während dem Militärdienst. Diese OS ging als kälteste des Jahrhunderts in die Geschichte ein. Es war das Jahr der gefrorenen Seen. Den Untersee und den Bodensee konnte man damals zu Fuss oder sogar mit dem Auto überqueren. Bei einem Velorennen hatten wir nachts mal minus 25 °C. Auch diesen Wettbewerb bestanden wir ohne bleibende Schäden. Während der OS meldete ich mich wieder bei der Swissair und wurde nach den Vorprüfungen zum Sommer-Studentenflugkurs auf dem Flugplatz Grenchen zugelassen. Der zweiwöchige Kurs auf Bücker-Jungmann (gelbe Doppeldecker) gehörte zu meinen eindrücklichsten Erlebnissen. Laufend wurden nicht den Anforderungen entsprechende Schüler entlassen, was einen immensen Druck erzeugte. Jedermann fragte sich, wer wohl der nächste sein würde? Ich schloss mit der Benotung «qualified» ab. Das hiess, ich war zur Hauptselektion zugelassen. Nun lief alles perfekt. Nach dem Abverdienen des Offiziersgrades trat ich 1965 in die Schweizerische Luftverkehrsschule ein. 158 Die Swissair zahlte uns tausend Franken pro Monat an die Lebenskosten. Mit meiner jungen Familie, die nach der Geburt unseres Sohnes Ronald am 18.Dezember1964 auf vier angewachsen war, zog ich an die Schützenmattstrasse nach Kloten. Die Ausbildung zum Berufspiloten erfolgte auf Bücker, Piaggio P-149 und – für den Instrumentenflug – auf der legendären DC-3. Mein berufliches Ziel war im Herbst 1966 erreicht: Ich wurde bei der Swissair als Copilot angestellt, mit einem Salär von 1600 Franken pro Monat. Ich war glücklich. Was ich getan hätte, falls ich nicht bestanden hätte? Ich wäre wohl bei der Hasler AG geblieben oder hätte eine Herausforderung im Ausland gesucht. Die Umschulung auf das Propellerflugzeug CV-440 Metropolitan wurde durch eine Tragödie überschattet: Drei Mitschüler – Müller, Manz, Mischler – flogen auf einem Schulflug mit ihrem Fluglehrer Matossi an den Lägern in den Tod. Schon 1967 wurde ich auf den ersten Jet, die Douglas DC-9-32, umgeschult und auf Europastrecken eingesetzt. Es ging im gleichen Tempo weiter. Ab Ende 1969 wechselte ich auf die Langstrecken und das damals grösste Flugzeug der Swissair: die DC-8. Sie wurde noch von vier Mann im Cockpit geflogen. Neben den Piloten gehörte ein Flugingenieur und ein Navigator zur Besatzung, der unsere Position via Sextantablesung berechnete. Mein Arbeitsgebiet wurde die grosse weite Welt, genau so, wie es das Plakat einst versprochen hatte. In meiner gut bemessenen Freizeit konnte ich mich um meine Familie kümmern. Im Sommer verbrachten wir unzählige Tage im Schwimmbad Kloten und hatten ein glückliches Familienleben. Zwischendurch konnte ich meine Segelflugausbildung mit dem amtlichen Ausweis endlich abschliessen. Oft war ich im Schmerlatt oder in Schänis als Schlepp-Pilot im Einsatz und wurde auch Motor- und Instrumentenfluglehrer bei der Motorfluggruppe Zürich. Wenn ein Haus, dann in Stein am Rhein, war meine Meinung. Meine Frau machte mit. Sie sah dieses Vorhaben als Neuanfang, als sich in unserer Ehe nach bald zehn Jahren Abnützungserscheinungen bemerkbar machten. Das unregelmässige Leben 159 und meine leichtlebige Art schienen ihren Tribut zu fordern. 1970 zogen wir nach Stein am Rhein in ein Einfamilienhaus im Niederfeld. Jedoch, anstatt mich geborgen zu fühlen, war eher das Gegenteil der Fall. Meine Zigeunerseele hinderte mich daran, das neue Zuhause zu schätzen. So oft es ging, brach ich aus. Das war leicht. Seit 1971 hatten wir ein Starboot namens «Easy Rider» 2709 (Baujahr 1948) an einer Boje im Eschenzer Hafen hängen. Ich wurde Mitglied der Segelvereinigung Eschenz und verbrachte öfters meine freien Tage allein auf dem Untersee, manchmal begleitet von meinen Söhnen, aber selten von meiner Frau. War ich nicht auf dem See, dann als Fluglehrer für die Motorfluggruppe Zürich unterwegs. Meine Frau fand ihr eigenes Betätigungsfeld und eröffnete 1972 eine «Orient Boutique» am Rathausplatz in Stein am Rhein, dem später noch ein Geschäft in Schaffhausen folgte. Nicht zuletzt belastete auch diese Tätigkeit unser Familienleben. Wir lebten uns zunehmend auseinander. Meine Frau fühlte sich weniger geborgen, auf sich allein gestellt und mit der Erziehung unserer Kinder beschäftigt. Anfangs 1975 wurde ich zum DC-9-Captain befördert, aber diesem Höhepunkt folgte schon am 18. Februar ein Tiefschlag in meinem Leben, der mich für immer prägen sollte. Josyann schied freiwillig aus dem Leben, nachdem am Vorabend ihr geliebter Hund «Arno» bei unserem Haus von einem Auto angefahren worden und gestorben war. An diesem Tag war ich auf einer DC-9-Rotation unterwegs und wurde in Genf durch meinen Chefpiloten, Paul Frei, von diesem Unglück benachrichtigt. Nebst Vorwürfen meiner Schwiegereltern, die in Schaffhausen wohnten, quälte mich die Frage, wie es mit meinen Söhnen Oliver und Ronald, die 14 und 10 Jahre alt waren, weitergehen sollte. Ich fand dann bei meiner Schwester Dor Hilfe. Sie zog in unser Haus und wurde sozusagen Mutterersatz. Daneben kümmerte sie sich um die Boutique in Stein am Rhein. Wie eine richtige Familie machten wir etwa zusammen Reiterferien. Mit meinen Söhnen durchstreifte ich die Tierparks von Ostafrika oder besuchte Bekannte auf einer 160 Pferderanch in Wyoming. Das waren unvergessliche Momente, doch dann erschütterte uns ein neues Unglück. Mein Nachbar Bruno Segmüller brachte seine Frau und Mutter seiner vier Kinder vorsätzlich um und kassierte dafür achtzehn Jahre Gefängnis. Mein vorher so unbeschwertes Leben war durch diese zwei Tragödien nachhaltig überschattet. Auch Selbstvorwürfe quälten mich. Vielleicht hätte ich mit mehr Zuwendung den Tod meiner Frau und Mutter meiner Kinder verhindern können. Ich fand Ablenkung auf dem See und wandte mich mehr und mehr dem Regattasegeln auf dem Starboot zu. Schon im Frühjahr 1976 kaufte ich einen neueren Star 5475 «Inshallah» von Theo Sennhauser, der in Meilen wohnte. Sein Bruder Peter, der ein Flugschüler von mir war, hatte mich auf das Starboot aufmerksam gemacht, und ich war sofort begeistert. Die erste Schweizermeisterschaft im Jahr 1976 in Estavayer war ein lustiges und lehrreiches Erlebnis. Mein Mitsegler Reini – mein späterer Schwager, mit dem ich auch den Atlantik überqueren sollte – und ich waren uns einig: Wir waren schlechte Regattasegler und hatten wenig Ahnung. Ein- oder zweimal lagen wir am Schwanz, aber Reini hatte keine Lust, als Letzter über die Ziellinie zu segeln. Ich schrie ihn an: «Wenn wir schon Letzte sind, dann stehen wir dazu.» Drei überlaut in den Ohren dröhnende Schüsse beendeten unsere Regatta. Die nächsten Jahre investierte ich zunehmend mehr Zeit ins Regattasegeln. Den ersten Distriktmeisterschaften im Mittelmeer folgten jeden Sommer im Juli die Intervela am Gardasee. Wir wohnten jeweils in der «Villa Stella» in Torbole. Es machte Spass. Pünktlich um 1400 Uhr heulte vor Riva bei Beaufort 4–6 eine Sirene zum Start. Segel flogen aus den Lieken, Masten und Grossbäume brachen, Boote stiessen zusammen, Windsurfer, die im Weg waren, wurden angeschrien oder kurzerhand auf den Kopf geschlagen – kurz: Es gab viel Action auf dem Wasser. Im Frühjahr organisierten wir zusammen mit den Drachenseglern – einer Kategorie von Dreimannkielbooten – Trainingswochende am Untersee vor dem Hafen Feldbach bei Steckborn. Fortan startete ich an 161 den Regatten für den Yacht-Club Schaffhausen. In seinem Kreis fühlte ich mich als Regattasegler gut aufgehoben. 1975 wurde mein Vater Otto AHV-Bezüger, und mein jüngster Bruder Ernst sollte den Hof übernehmen, aber zur Bestürzung meines Vaters wollte dieser auf Mastsauen und Schweinezucht umstellen. Kaum war er offizieller Nachfolger meines Vaters, verkaufte er die Kühe bis auf zwei. Diese überliess er meinem Vater, damit er noch etwas zum Melken hatte, und verbannte sie unters Vordach der hinteren Scheune. Meine Eltern genossen die gewonnene Freiheit und machten Auslandreisen in alle Welt. Sie fanden dann ein kleineres Haus im Städtchen. Mein Vater konnte sich vermehrt der Jägerei zuwenden und war oft an Schiessanlässen mit meinem von der Armee geliehenen Sturmgewehr anzutreffen. Fast täglich fuhr er ins «Rheingüetli», oft von meiner Mutter Hanna begleitet. Beide legten Hand an, wo es gerade nötig war. Ernst baute seine Schweinezucht erfolgreich auf. 1980 kaufte ich von Meta und August «Gust» Schmid in Hemishofen ein leer stehendes Bauernhaus mit Obstgarten und Wald. Mein langjähriger Vorschoter Reini Küng heiratete meine Schwester Dor im Dezember, und die beiden wurden in Wagenhausen wohnhaft. 1981 zog ich mit meinen Söhnen ins umgebaute Haus mit allem Drum und Dran. Was fehlte, sah meine Mutter klar: «Otti, du solltest wieder heiraten. In dieses Haus gehört eine Frau. Zudem wirst du auch nicht jünger.» Und es kam, wie es kommen musste. Im März 1983 verheiratete ich mich nach kurzer Bekanntschaft mit der Bauerntochter Heidi Rüegg von Ammenhausen oberhalb Mammern. Mein Glück schien vollkommen, nachdem sie auch ihre sechsjährige Tochter Jasmin, die ich adoptieren wollte, nach Hemishofen brachte. Während Jasmin in Hemishofen die erste Klasse besuchte, hatte mein ältester Sohn, Oliver, seine Lehrzeit als Mechaniker bei der +GF+ abgeschlossen und war daran, in St.Gallen einen Platz an einer Musikschule als Schlagzeuger zu belegen. Sein Bruder Ronald absolvierte eine Automechanikerlehre bei der AMAG in Schaffhausen und war in seiner Freizeit 162 an Motocrossanlässen unterwegs. Mir gefiel das Leben mit Heidi – wir waren wieder eine Familie. Ihr bedeutete Geld wenig. Sie verstand es, in unserem Garten Gemüse und Blumen zu ziehen, und liebte ein einfaches naturbezogenes Leben. Im Frühjahr schwang sie sich nach Bauernart mit der Hacke aufs Fahrrad, um auf den Feldern zu helfen, die Zuckerrüben von Unkraut zu befreien. Schon bald folgte die nächste Hochzeit, nachden sich mein Bruder Ernst in Charlotte verliebt hatte, eine Kindergärtnerin, die gerne auf einem Bauernhof leben wollte. Den beiden wurden zwei Töchter, Eva und Isabelle, und der Sohn Benno geboren. Sie scheinen glücklich zu sein und haben ein intaktes Familienleben. 1990 starb im «Rheingüetli» unser Vater in seinem achtzigsten Altersjahr. Erste Risse bekam meine Ehe mit Heidi schon im Frühjahr 1985, als ich wegen eines A310-Kurses sechs Wochen nach Toulouse musste. Kaum zurück, Ronald war gerade in der Rekrutenschule, eröffnete sie mir klipp und klar, sie fühle sich von mir zu wenig geliebt und von Oliver und Ronald zu wenig geachtet, und ich könne ihr keine Nähe vermitteln. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, denn ich hatte diese Worte während meiner ersten Ehe schon einmal gehört. Anfangs Dezember zog Heidi mit Jasmin in eine Wohnung nach Eschenz. Wieder einmal war ich am Boden zerstört. Schon am 16. Dezember 1985 fand unsere Scheidung in Schaffhausen statt. Wir trennten uns in Frieden. Nach dem Scheidungsakt gingen wir zusammen einen «Halben» trinken. Dann brachte ich Heidi in ihre neue Wohnung nach Eschenz zurück. Noch heute haben wir ein freundschaftliches Verhältnis. Auch mit Jasmin, die inzwischen über zwanzig Jahre alt ist, habe ich einen guten Kontakt. Vorerst wohnte ich mit Ronald zusammen in Hemishofen, später fand er eine Wohnung in Mammern. Oliver war nach dem Abschluss seiner Musikerausbildung nach Zürich gezogen. Noch heute kauen beide Söhne an den Folgen meines unsteten Lebenswandels. Ich war für sie als Ehemann zweifellos kein Vorbild. So leben heute beide allein. 163 Einmal mehr bekämpfte ich meinen Frust auf den Regattafeldern. 1986, im Tschernobyl-Frühling, fand die SM in Altnau statt. Im ersten Lauf passierten Reini Küng und ich die Ziellinie hinter Cyrill Dvorak/Klaus Konzelmann als Zweite vor Willi Kuhweide mit seiner Crew, und das bei 57 Startenden. Willi Kuhweide – Boeing-737-Kapitän bei der Lufthansa – war immerhin Olympiasieger und Weltmeister. Die Schlagzeile in den «Schaffhauser Nachrichten» lautete am nächsten Tag: «Schmid/Küng schlagen Kuhweide». Ein Jahr später nahm ich an den Weltmeisterschaften in Chicago teil. Ich rief Race Officer John Allen an und fragte ihn: «Hast du ein Boot, das nicht qualifiziert ist, und dessen Besitzer mit mir als Steuermann an der WM teilnehmen möchte?» Ein paar Tage später erhielt ich einen Anruf: «My name is David Cornes. I have a boat in Chicago and I will crew for you.» Das war vielleicht ein Erlebnis. Ich steuerte Daves Star vor der Skyline von Chicago über die Regattakurse. Als Gegenleistung überliess ich ihm und seiner Crew im Jahr 1989 mein Boot samt Audi, um an die WM nach Sardinien zu fahren. Ich selbst segelte die Hälfte dieser WM an der Vorschot des Münchners Peter Möckl. Im Costa Smeralda Yacht Club Aga Khans wurden alle Teilnehmer unglaublich grosszügig bewirtet. Zu meinem 50. Geburtstag schenkte ich mir selbst einen neuen Steinmayer-Star. Meine Einladung am 10. Dezember 1988 war simpel: Bootstaufe und Samichlaus-Regatta vor dem Hafen von Steckborn. Nur die Crews, die mitsegeln, werden zum anschliessenden Apéro und Nachtessen im Hotel Feldbach eingeladen. Zehn Boote kamen. Es regnete leicht bei etwa 6°C, als Hans Geuggis, ein Freund aus Wagenhausen, als Samichlaus verkleidet, den Spiegel meines neuen Starbootes 7490 vom Abdeckpapier befreite und Melissa – Dor und Reinis knapp zwei Jahre alte Tochter – mein Boot auf den Namen «Top Gun» taufte. Ab ging‘s ins Wasser! Hafenmeister Ernst Ulmer hatte seinen Kran an diesem denkwürdigen Tag extra in Betrieb genommen, um unsere Boote einund auszuwassern. Herrrlicher Wind aus West mit einer Stärke 164 von 3 bis 4 liess uns eine tolle Regatta mit zwei Premieren segeln: einer reinen Frauencrew mit Dorette und Kibük Hanhart aus Mammern und einer Samichlaus-Crew mit Reto Heilig und Josy Steinmayer. Mit Glühwein wurden die Segler nach dem Lauf wieder aufgewärmt. Christoph Gautschi/Kurt Freuis gewannen, Reini und ich wurden Zweite, jedoch an der Preisverteilung vom Samichlaus disqualifiziert, da wir den vorgeschriebenen «Floating Test» – ein Schwimmtest mit gefülltem Boot – nicht absolviert hatten. Damit erhielt Josy Steinmayer meinen Preis. Es war rührend, von echten Freunden umgeben zu sein. 1990 befand ich mich an einer weiteren «World‘s», diesmal als Vorschoter von Christoph Gautschi auf seiner «Fram» 7167 in Cleveland, Ohio. Er liess sein Boot in einem Container in die USA senden. Beim ersten Lauf brach bei über sechs Beaufort die Pinne unseres Bootes, und wir mussten aufgeben. Bei der Rückkehr in den Hafen dachte die wartende Lokalfernseh-Crew, wir seien die Sieger, und bat uns zum Interview. «How was it?» Christoph antwortete: «We like strong winds, but we had a broken tiller and we had to come back.» Das Fernsehen verlor dann schnell das Interesse an uns und wartete auf den Sieger. Immerhin wurde unser Statement am Abend ausgestrahlt. Nach dieser Regatta-Serie war ich überzeugt von Gautschis Folli-Star, kaufte ihm dieses Boot Ende Saison kurzerhand ab und taufte es auf den Namen «Don‘t panic». Mein «Top Gun» verkaufte ich an Volker Bernicken nach Überlingen. Ich musste dann allerdings feststellen, dass ich mit dem «Folli» auch nicht schneller war als auf meinem «Steini»-Star. Es kommt tatsächlich noch auf die Leistungen der Bootscrew an. Einen absoluten Höhepunkt des Starbootsegelns erlebten Reini und ich mit der Teilnahme an den Weltmeisterschaften 1992 bei der Golden Gate Bridge im San Francis Yachtclub. All die Cracks waren anwesend, wie Bill Buchan, Paul Cayard, John Kosteki, Mark Reinolds, Vince Brun, Torben Grael und wie sie alle heissen. Auf einem gecharterten Boot kämpften wir gegen die Elemente: schwer berechenbare Strömungen, giftige Wellen, einen 165 Wind, der sich im Laufe des Tages auf gegen sieben Beaufort verstärkte, und gegen ein Feld mit sehr starker Konkurrenz. Schliesslich belegten wir den 48. Platz von 53 Gestarteten. Gewonnen wurde diese WM von Carl Buchan/Hugo Schreiner. Carls Vater, Bill Buchan, war dreimaliger Weltmeister und Olympiasieger im Star vor Los Angeles (1984), als am gleichen Anlass sein Sohn Carl die Goldmedaille im FD holte. Noch immer sind Bill und Carl das einzige Vater-Sohn-Paar, die beide im Starboot Weltmeister werden konnten. Meine letzte Regatta auf meinem Star segelte ich mit Doris Fricker an der Vorschot im Juli 1994 am Star-Cup von Wangen am Untersee. Die «Hasta Mañana» stand schon in Brunnen. Kaum war die Regatta zu Ende, ging es nach Hemishofen zum traditionellen Rheinschwimmen und Grillieren in meiner bewährten Schmitte. Ich wurde zu Tränen gerührt. Die versammelten Mitglieder der Starbootflotte Bodensee schenkten mir die Zielboje meiner letzten Starbootregatta – sie hängt noch immer im Dach dieses Häuschens. Mein Starboot fand später in Peter Fürrutter einen Käufer. Hoffentlich bringt der neue Name, «USS Enterprise», der am Spiegel prangt, seinem Eigner viel Glück. Einen guten Monat später setzte ich auf der «Hasta Mañana» die Segel in Gogolin und brach auf zu neuen Ufern. 166 Mehr über das Starboot S ie haben bisher viel über das Starboot gelesen, einen weltweit verbreiteten Typ einer Zweimann-Kielyacht mit einer langen Geschichte. Bereits im Jahre 1908 konstruierte William Gardener den ersten Prototypen «Bug». Ihm folgte 1911 — gebaut durch Francis Sweisguth — der Prototyp «Star». Jährlich werden etwa zweihundert neue Boote hergestellt. Heute gibt es über achttausend Exemplare in fünfzig Ländern auf fünf Kontinenten. Die Starboote zeichneten sich seit jeher durch ein hohes Konstruktionsniveau aus. Technische Daten: Länge: 6,92 m Breite: 1,74 m Tiefgang: 1,02 m Masthöhe: 9,65 m Gewicht: 672 kg Grosssegel: 20,6 m2 Fock: 7,32 m2 Besondere Charakteristika: unsinkbare Kunststoff-Konstruktion durch Auftriebskörper und Abschottung, Aluminium-Rigg, Hiking-Weste und Fussgurten. Das Cockpit ist selbstlenzend mit Boden- und Seitenlenzern. Eine eigene Klassenorganisation aller Starbootsegler besteht sei 1922. Erster Präsident war George Elder. Die Organisation ist heute in 21 Distrikte und 177 Flotten unterteilt und bietet ein vielseitiges Regattaprogramm während des ganzen Jahres an. Innerhalb der Organisation besteht ein reger Informationsfluss durch die Monatszeitschrift «Starlight» und das Jahrbuch «LOG». 167 Ein paar Meilensteine aus der Starboot-Geschichte: 1922: 1929: 1932: 1967: 1968: 1971: 2000: erste Weltmeisterschaft in New York Einführung des Hochriggs Starboot wird erstmals zur Olympiaklasse erhoben Kunststoffboote werden erlaubt Starboot wird durch Vorschrift unsinkbar Aluminium-Rigg Olympiaklasse in Sydney 749 0 168 Die Südsee hält mich gefangen Mooloolaba - Nouméa Ile des Pins - Port Vila E igentlich wollte ich weiter entlang dem Great Barrier Reef durch die Torres-Passage nach Darwin und weiter nach Indonesien, aber die Südsee lässt mich nicht los. Es ist nicht nur die Natur – Koralleninseln, sich im Passat wiegende Palmen, das Leben unter Wasser –, die mich zurückzieht. Ebenso haben mich das Wesen und die Kultur der Menschen gepackt, die diese abgelegenen Inseln bevölkern. Schon James Cook hat Tonga als die «Freundlichen Inseln» bezeichnet. Die Art, wie die Einheimischen auf Fremde zugehen, ist für mich immer wieder aufs Neue faszinierend. Paul Théroux war in den verschiedenen Inselgruppen per Faltboot unterwegs und hat unzählige Bücher geschrieben, Reisebücher und Romane. «Die glücklichen Inseln Ozeaniens» (Hoffmann & Campe-Verlag) gibt einen guten Überblick. Am 15. Mai 1997 melde ich mich in Brisbane bei Neil Clerke im Zoll- und Immigrationbüro ab – innerhalb 48 Stunden habe ich das Land zu verlassen. So steht es wenigstens in den Büchern. Nachdem ich alles erledigt habe, schaue ich beiläufig im nahegelegenen «Botanical Garden», was für Yachten zu Besuch sind. Da hängt doch die «Shipibo», der ich schon oft begegnet bin, zum ersten Mal im November 1994 in Las Palmas. Frédérique und Vincent Falcy sind um die dreissig Jahre alt und wie ich im August 1994 im Mittelmeer losgesegelt. «Shipibo» ist übrigens der Name eines südamerikanischen Kopfjägerstammes. Das Boot ist eine in Stahl gebaute 34 Fuss lange Sloop und segelt unter CCS und Schweizer Flagge. Was mich beeindruckt: Aus der Zweiercrew ist inzwischen eine vierköpfige Familie geworden. «Pas de problèmes» lautet die Ant- 169 wort auf meine Frage nach dem Wohlbefinden. Das will ich gerne glauben, bin aber überzeugt, dass es sicher aufwendig und kompliziert ist, Kinder an Bord grosszuziehen. 1994 hatte Frédérique ihren Skipper verlassen, um in der Schweiz Jocelain, einem Knaben, das Leben zu schenken. Zu dieser Zeit war Vincent zusammen mit seinem Schwager am Überqueren des Atlantiks. Jocelain sah seinen Erzeuger und sein zukünftiges Heim, die «Shipibo», zum ersten Mal in Grenada im Januar 1995. Diese junge Familie hatte ich mehrmals getroffen, auch in Curaçao und am Panamakanal. In Papeete feierten wir zusammen auf der «Hasta Mañana» den ersten August. Dann sah ich sie wieder in Tonga und Whangarei in Neuseeland, wo sie auch die Zyklonsaison verbrachten. Letztes Jahr begegneten wir uns in Vanuatu, und später hingen wir eine Nacht lang in der gleichen Ankerbucht in Ambrym. 1997 gebar Frédérique in Manou ein viertes Crewmitglied. Im Brisbane Hospital kostet ein Tag 450 Dollar. Frédérique wollte die Kosten tief halten und verbrachte nur sechzehn Stunden im Spital. Vincent, der an der Universität Lausanne Biologie studiert hat, versuchte in Brisbane vergeblich Arbeit zu finden. «Was macht ihr nun?» frage ich. «Jetzt segeln wir halt ins Mittelmeer, um in der Schweiz Arbeit zu suchen», lautet die Antwort. So, als läge das Mittelmeer gleich um die Hausecke. Ihre Absicht ist, via Bali, Singapore, Malaysia, Sri Lanka und durch das Rote Meer ins Mittelmeer zu segeln. Sie wollen etwa im Juli 1998 dort sein. Ich möchte dannzumal gerne am Ziel stehen und sie etwas ausfragen unter dem Motto «Segeln mit Kindern». Oder: Wie richtest du die Wachen ein? Oder: Wie reagieren Kinder, Mutter, Vater bei schlechtem Wetter und Sturm? Jedenfalls bewundere ich dieses junge Paar. Weitersegeln heisst auch Abschied nehmen. Zum Beispiel von Glenda, Mike und Howard, die das «Lawries Marina Office» und die Segler ausnehmend freundlich betreuen, oder von Richard, der schon jahrelang an seiner «Spirit» bastelt und vom Wegsegeln träumt, aber vorerst – mit einem Kit aus den USA – für einen 170 Freund ein Flugzeug baut. Er hat ein Privatpiloten-Brevet. Bei nächster Gelegenheit fliegen wir zusammen die «Skyfox», die mit ihrem Heckrad einem Piper-Cup gleicht, allerdings mit nebeneinander eingebauten Sitzen. Oder da wäre noch Per Ericsson, ein Schwede, der auf seiner «Blue Bayou» lebt, per Modem verbunden mit der Börse Australiens und in Übersee. Per «Trading» will er sein bei seiner Scheidung auf die Hälfte geschrumpftes Vermögen wieder auf den alten Stand bringen. Im Moment sind die Chancen günstig, denn die Börse boomt. Die letzte Nacht verbringe ich am Steg des Mooloolaba Yacht Club. Von dort bin ich, unabhängig von den Gezeiten, in zehn Minuten im offenen Meer. Eine Seglerin eines Nachbarbootes hilft mir die Segel anschlagen. Ob ich alleine segle, erkundigt sie sich. «Yes, no worries». Ich habe auch nichts unternommen, um das zu verhindern. Inzwischen geniesse ich es förmlich, alleine zu segeln. Vielleicht bin ich auch ein komischer alter Kauz geworden. Die Meteo ist günstig: Ein Tief, das über der Tasmanischen See liegt – und hier im Uhrzeigersinn dreht –, sollte mir die ersten Tage Rückenwind bescheren. Ich will einen östlichen Kurs halten, um gegen Ende der 850 Meilen langen Reise in den zu erwartenden Südostpassat «einbiegen» zu können. Die erste Nacht kann ich erst spät schlafen gehen, denn ich passiere zuerst einige Fischerboote und später die Schifffahrtslinie. Die dunklen Riesen wirken trotz ihrer Positionslichter bedrohlich. Mein Radar ist mir eine wichtige Hilfe, um deren Kurs und Geschwindigkeit abzuschätzen. Nachts, im «Watchmode», schlägt er auch Alarm, sollte eine Gewitterwolke oder ein Schiff meinen Weg kreuzen. Gehen wir nochmals zurück ins Jahr 1994. Im April war ich stolzer Besitzer der «Mañana» geworden. Noch lag sie in Norwegen. Mit meinem Berater Gregor Zurfluh aus Brunnen kam ich überein, das Boot nach Dänemark zu segeln und anschliessend per Strassentransport zum Vierwaldstättersee zu bringen. 171 Gegen Mittag des 29. April winkte uns Peter Sattrup ein letztes Mal, als wir von Blommenholmhavn ausliefen. Einen GPS Garmin 75 hatten wir vor der Abfahrt provisorisch eingebaut. Wir waren vier Männer an Bord: Gregor, Hans und Peder (auch ein Teileigner) nebst mir als Skipper. Als Skipper kam ich mir etwas deplatziert vor, dachte aber, dass es mit Gregors Hilfe schon gehen würde. Mit dem Wetter hatten wir Glück. Es war zwar saukalt, aber nachdem wir den Oslofjord verlassen hatten, segelten wir immer auf Backbordbug bis eine halbe Meile vor den Hafen von Egå, der etwas nördlich von Århus liegt. Der Wind drehte mit, von anfänglich Südwest bis auf Nord. Für die 279 Meilen brauchten wir genau 45,5 Stunden. Wir waren zufrieden. Das Boot lief wirklich gut. Die nächsten Tage schaute ich mich in Lars Pedersens Werft um und liess Dänemark auf mich einwirken. Dann war ich behilflich, mein Boot auf einen Tieflader zu verladen. Darauf wurde es von der Firma Bøgesvang nach Brunnen gefahren, während ich bequem im Flugzeug nach Kloten flog. In Gregors Werft wollten wir das Boot hochseetüchtig ausrüsten. Um die sechs Wochen lebte ich im Sommer an Bord der vor Gregors Bürocontainer abgestellten und inzwischen beim Schweizerischen Seeschifffahrtsamt Basel unter dem neuen Namen «Hasta Mañana» registrierten Yacht. Der Bootsname «Mañana» war schon weg. Als Radiokennzeichen wurde mir von der PTT HBY 3276 zugewiesen. Es war eine aktive und lustige Zeit. Um den jeweils drei Jahre gültigen schweizerischen Flaggenschein zu erhalten, brauchte es auch die Expertise eines Sachverständigen. Freddy Portier aus Meilen stellte sich zur Verfügung – gegen Bezahlung natürlich –, mein Boot zu inspizieren und den entsprechenden Bericht zu verfassen. Da ich Mitglied beim Cruising Club der Schweiz (CCS) war, schloss ich die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung bei der Murette AG ab. Gregor erwies sich als ausgezeichneter Bootsbauer mit langjähriger Hochseeerfahrung. Ich ging davon aus, dass ich auch als Einhandsegler unterwegs sein würde. Gregor ermahnte mich oft: «Bleib einfach – je mehr du einbaust, desto aufwändiger wird der Unterhalt.» Trotzdem gab es einiges zu tun. Was ich wirklich haben wollte, war ein elektronischer Autopilot, ein fest eingebauter GPS, ein Radar, Kurzwellenfunkgerät, eine 172 elektrische Ankerwinsch, einen Antennenträger am Heck, Cockpittisch, Sprayhood, Ersatzgenua und einen zweiten Fockbaum. Dazu kam eine Rettungsinsel, ein EPIRP (Notsender) und ein faltbares Gummiboot mit Aussenborder. Den einzigen Luxus, den ich mir leistete, war der Einbau eines kleinen Diesel-Generators, um per Knopfdruck 220 Volt an Bord zu haben, und vielleicht der Multisystem-TV-Apparat mit Videoabspielgerät, nebst Autoradio mit MC/CD-Player. Ferner verstaute ich noch ein klappbares Mountainbike. Ende Juli waren wir fertig. Der Tieflader war bestellt. Eine Firma aus Marseille hatte das günstigste Angebot gemacht, die «Hasta Mañana» nach Gogolin – in der Nähe von St.Tropez – an der französischen Riviera zu bringen. Es hiess auch Abschied nehmen von meiner Familie. Dabei war es mir schon etwas eigenartig zumute. Dann tauchte der Tieflader aus Marseille auf – aber oh Schreck! – es war das falsche Gerät. Aus unerfindlichen Gründen war aus meiner Segelyacht mit fixem Kiel ein «bateau de plaisance» (Motorboot) geworden. Wütend schickte Gregor den Chauffeur samt seinem Gefährt nach Marseille zurück. Mir war‘s egal. Ich blieb halt eine Woche länger in Brunnen, wo es mir sehr gut gefiel. Auch hatte ich noch die Möglichkeit, sozusagen am Geburtsort der Schweiz den 1. August zu feiern. Am 3. August klappte es schliesslich. Das passende Gefährt mit einem Schlitz für den Kiel tauchte auf und – schwupp! – war mein Boot per Pneukran verladen und gesichert. Noch am selben Abend ging es mit Gregors Toyota-Landcruiser über den Gotthard und gen Süden via Genua nach St. Maxime. Auf den hinteren Plätzen sassen die beiden Bootsbauer Norbi und Jordi. Nach einer kurzen Nacht in einem Hotel fanden wir morgens um zehn Uhr bei «Laurent Marine» in Gogolin die «Hasta Mañana» wohlbehalten vor, bereit zum Einwassern und Maststellen. Schon am frühen Nachmittag schwamm mein Boot im Mittelmeer, das vorerst meine neue Heimat werden sollte. Ich atmete auf: Ein wichtiges 173 Teilziel war erreicht. Übers das Wochenende machten wir nach einigen Testfahrten sozusagen einen Betriebsausflug der Firma Zurfluh nach St. Raphaël. Alles schien zu funktionieren. Nach dem Nachtessen am Sonntagabend reiste Gregor mit seinen beiden Männern Richtung Schweiz ab. Zum ersten Mal war ich allein. Um die Bootstaufe vorzunehmen, fragte ich zwei Frauen aus Paris, Sandy und Christine, die sich in der Nähe auf einem Motorboot in der Sonne räkelten. Sie erfüllten ihre Aufgabe elegant. Christine tröpfelte nur wenig Sekt auf die «Hasta», den neuen Teil meines Bootsnamens, damit genug für unseren Apéro übrig blieb, derweil Sandy einen Taufspruch zum Besten gab. Anschliessend lud ich die beiden Frauen zum Nachtessen ein. Nach diesem lustigen Abend erwachte ich am nächsten Morgen mit der Gewissheit: Diesen Hafen verlasse ich erst, wenn ich eine Crew gefunden habe. Ich stand nicht unter Zeitdruck und war mir sicher, dass sich schon was ergeben würde. Vorerst wollte ich entlang der Küste nach Port Camargue segeln, um dort Irene Guenkine-Wiese, eine Architektin, zu besuchen. Sie hatte mir 1980 die Baueingabe zum Umbau meines Bauernhauses in Hemishofen fabriziert und lebt jetzt in der Camargue. All das liegt weit zurück. Nach zwei Tagen habe ich mich wieder an das Bordleben gewöhnt. Ich versuche, mich kulinarisch zu verwöhnen. Das in Australien sehr günstig eingekaufte Fleisch habe ich vakuumverpackt. So hält es im Kühlschrank problemlos zehn Tage. Die meisten der australischen und neuseeländischen Boote haben ein Tiefgefrierfach eingebaut. Dafür muss der Motor knapp eine Stunde pro Tag laufen. Das heisst aber auch, dass man das Boot nicht einfach eine Woche lang stehenlassen kann, sonst würden die Vorräte auftauen. Ich koche, wenn immer ich Hunger habe und mehr oder weniger unabhängig von der Zeit. In der Regel bereite ich mir vor dem Auslaufen den vom Militär bekannten «Spatz» zu, ein Pot-au-feu, das ich dann ein paarmal aufwärmen kann. Dann versuche ich auch, eine «Kette» zwischen den Mahlzeiten zu bilden. Also gibt es zum Beispiel in der Bratpfanne geschmolzenen Käse, so etwas wie «Raclette» mit «Gschwellti». Ich 174 koche soviel Kartoffeln, dass es zum Frühstück für Röschti reicht. Bratkartoffeln mit Speck stehen später auf dem Menüplan, das Ganze mit Käse überbacken und als Krönung zwei gebratene Spiegeleier obendrauf. Im Moment experimentiere ich mit «Sensational stir fries». So heisst mein neues Kochbuch, das unzählige Menüs beschreibt, die schnell – «speedy meal making» – im Wok zubereitet werden können. Der Wok eignet sich bestens auf meinem Gasherd. Nachts schlafe ich speziell gut. Ich habe inzwischen meine «Murette»- Kaskoversicherung, die das Risiko des Einhandsegelns ausschloss, auf die «Preuss»-Versicherung (Trans-Ocean, Cuxhaven) umgeschrieben, die dieses Risiko auch versichert. «Ganz einfach, weil es immer mal vorkommt, dass sich zum Beispiel die Frau eines Skippers auf Heimaturlaub befindet und der zurückgebliebene Eigner weitersegeln will». So erklärt es mir Frau Masson, die Geschäftsführerin. Es geht flott voran. Die Strecke von Brisbane nach Nouméa ist gemäss Unterlagen eine schwierige Route, auf der meistens mit Gegenwind zu rechnen ist. Ich habe Glück – oder ist es Können? Wohl kaum. Am fünften Tag erreiche ich den Südostpassat mit 15 Knoten Wind. Ich nehme die Segel dicht und kann gerade Nouméa anliegen. Erst in der Nacht auf den siebten Tag auf See muss ich wenden. Ich segle in zwanzig Meilen Abstand parallel zur Küste, stelle meinen Wecker und lege mich schlafen, denn ich möchte den «Passe de Dumbéa» erst beim Anbruch des neuen Tages passieren. Alles klappt wie vorgesehen. Um 1040 Uhr bin ich fest in «Port Moselle». Mir macht es Freude, an einen Ort zurückzukehren, den ich schon kenne. So weiss ich, wo ich am besten einkaufen kann, wo es das günstigste Bier gibt und wo abends die Hölle los ist. «Pirat» mit seiner «Rory Mhor» liegt in der Baie des pêcheurs im «Club Nautique de Calédonie». Er segelt mit Susanne, einer jungen Dänin. Seine Frau, Nelly, ich hätte sie gerne gesehen, ist leider vor zwei Tagen abgereist. «Pirat» lädt mich zu Schweizer Bratwurst – 175 Vorteil des Gefrierfaches! – mit Kartoffelgratin ein. Ich will gerade an Bord steigen, als das Inferno in Form eines Gewitters mit starken Windböen hereinbricht. Der Teufel will es, dass die Böen aus der falschen, ungeschützten Richtung kommen. Die unter Buganker und mit dem Heck am Steg gesicherten Boote geraten ins Trudeln – es drückt die Boote mit dem Heck förmlich an den Steg. Hektik herrscht an Bord, Holz splittert, die Gangway wird zur Seite gedrückt, und etwas hilflos stehe ich im rauschenden Regen und versuche, das dreissig Tonnen(!) schwere 56-Fuss-Schiff vom Steg abzuhalten. Vergeblich. Am Heck verwandelt sich eine Holzverkleidung in Kleinholz. Komplett durchnässt, geniessen wir zum Nachtessen doch noch Bratwürste. Weitere Gäste sind eingeladen. Chris von der «Wandering Willy» aus Neuseeland kenne ich schon seit dem Tonga-Rally. Er stellt mir seine auffällig attraktive Freundin Lynn vor. Langsam beginne ich zu begreifen, weshalb er letzten Herbst in Port Vila so niedergeschlagen war, als Lynn nicht kommen konnte. Die «Rory Mhor» und die «Wandering Willy» nehmen an der vom CNC organisierten Rally «Découverte du Nord» zusammen mit zwanzig einheimischen Booten teil. Schon in der ersten Nacht nach dem Auslaufen geraten sie in eine Gewitterfront mit über sechzig Knoten Wind (Bf 11). Drei Boote müssen beschädigt zurückkehren, während ich geschützt im Hafen liege und das Nachtleben geniesse. Ich versuche, mein seglerisches Lotterleben wieder fortzuführen. Im «Route 66» spielt die Rockband HTB, die Honky Tonky Boys. Das ist genau die Stimmung, die ich liebe. Prompt mache ich die Bekanntschaft Maités. Wenn sich unterschiedliches Blut vereinigt, entstehen daraus oft wunderbare Mischungen. Maité ist ein Beispiel dafür. Ihre Mutter kam aus Guadeloupe, ihr Vater ist Kanake. Offensichtlich findet sie an mir Gefallen und möchte mit mir ausfliegen, respektive segeln gehen, was wir dann auch tun. Was macht mich für die einheimischen Frauen so attraktiv? Wohl kaum meine jugendliche Schönheit, bin ich doch schon etwas «abgeschossen». Schon eher die Möglichkeiten, die ich bieten 176 kann: Ich bin solo, also können mich die Damen besuchen, wann immer sie wollen. Vielleicht ist es auch ihre Neugier oder nur der Reiz, für ein paar Tage günstig zu leben. Dazu werden sie mich auch ohne Probleme wieder los, denn ich segle bald wieder weiter. Hier in Nouméa profitiere ich auch von der Möglichkeit, im Institut Pasteur einen anonymen und kostenlosen Aidstest machen zu können. Eine Ärztin nimmt sich Zeit, mir mit Skizzen zu erklären, was man tun, respektive nicht tun soll. Ich versuche, ihr auch zu erklären, weshalb es nicht immer einfach ist, in heissen Situationen cool zu bleiben und sich zu schützen. Immerhin ist mein Testresultat negatif. Ich kann also gewissermassen wieder bei «Null» anfangen. Ich nehme mir auch die Zeit, einen neuen Balmar-Alternator mit externem Regler einzubauen, den ich bei West Marine in den USA bestellt habe. Obwohl die Frachtspesen dazukommen, ist es wesentlich günstiger, Komponenten aus Amerika einfliegen zu lassen, denn in Neuseeland oder Australien sind Bootsteile erstaunlich teuer. In Nouméa besuche ich auch eine Aufführung der «Troupe de Wetr» aus Lifou, organisiert von der «Agence de Développement de la Culture Kanak» (ADCK). Die in selbstgemachten Kostümen aus Palmen- oder Pandanusblättern tanzende Truppe begeistert das vorwiegend aus Kanaken bestehende Publikum. Hier erstehe ich auch zwei Bücher über «Les dances kanak» und «Musique et dances kanak». Der Verfasser, Raymond Ammann, ist persönlich anwesend und signiert seine beiden Werke. Der vom ADCK aus Basel eingeladene Doktor der Ethnomusicologie hat in den vergangenen Jahren umfassende Studien angestellt. Wir haben ein kurzweiliges Gespräch im Anschluss an seine Signierstunde. Lustigerweise lebt sein aus den USA stammender Hoffotograf, David Becker, auf einem Segelboot in «Port Moselle». Langsam wird es Zeit, dass ich mich wieder auf die Socken mache. Am 12. Juni löse ich mich vom Steg und motore gegen den Ostpassat die dreissig Meilen in die Baie de Prony. Dort hänge ich 177 mein Boot an eine Boje beim Hotel de Casy. Letzten Herbst war ich zusammen mit Fabienne Esmeralda am genau gleichen Ort, nur mussten wir damals umkehren. Ich sah sie übrigens in Nouméa wieder – sie hat einen neuen Freund, und ihre fünf Kinder sind wohlauf. Freitag der Dreizehnte. Da laufe ich nicht aus! Das ist eine alte Seglerregel. Genau an diesem Tag habe ich auch ein gutes und ein schlechtes Erlebnis. Das gute: Drei Kinder einer benachbarten Yacht schenken mir einen ansehnlichen Bonito (Thunfisch). Ich bedanke mich erfreut mit einer Tafel Schokolade. Damit ist der Menueplan für die nächsten Tage vorgegeben: zuerst gebratener Fisch, dann Fischsuppe. Und jetzt das schlechte Erlebnis: Nachdem ich meinem «Malta»-Aussenborder nach umfassender Reinigung des Vergasers endlich wieder das erlösende Knattern entlocken kann, mache ich mich auf zum Landgang. Nach ein paar Bierchen an der Hotelbar läuft mein «Malta» wieder nicht an. Still vor mich hin fluchend, rudere ich zu meinem Boot zurück. Erstaunt stelle ich am nächsten Morgen fest, dass mir doch tatsächlich jemand das Benzin geklaut hat. Ich buche dieses Erlebnis auf dem Konto direkte Entwicklungshilfe ab. Um die Ile des Pins zu erreichen, muss ich den ganzen Tag gegen den Ostpassat ankämpfen und sogar den Motor benützen. Die Einfahrt zur Baie de Kuto ist durch Leuchtfeuer signalisiert. Es ist schon zwei Stunden dunkel, als mein Anker auf den Sandgrund saust. 1871 wurden auf diese Insel über dreitausend politische Gefangene aus Frankreich abgeschoben und hier gefangen gehalten. Davon zeugen der «Deportees‘ Cementery» (Friedhof) und relativ gut erhaltene Ruinen. Der Club Med wollte hier vor einigen Jahren ein 600-Betten-Hotel bauen, was aber von den vorwiegend aus Kanaken bestehenden Einwohnern verhindert wurde. Hier soll Albert, ein Schweizer, leben. Dem Schild: «Créations Ile des Pins» folge ich aus Neugier und finde eine Boutique. Dort verkauft ein Künstlertyp in meinem Alter selbst entworfene, buntbedruckte T-Shirts und Pareos. Ich erkundige mich nach Albert. 178 «Das bin ich» entgegnet der Mann und und wechselt von Französisch auf Schweizerdeutsch. Er lebt schon seit 1969 hier. Die Ile des Pins, diese Insel der Fichten, ist ein «Rêve de la Nature – where nature dreams». So heisst ein Buch Hillary Roots, genannt Cléo, der Partnerin Alberts. Sie kommt aus Neuseeland und arbeitet als Journalistin. Früher betrieb Albert eine Tauchbasis, heute entstehen in der Boutique seine Kreationen. Spontan werde ich zum Mittagessen eingeladen und fühle mich wie zu Hause. Es ist eben diese Gastfreundschaft, wie sie in der Südsee gelebt wird, die mich immer wieder begeistert. Nachdem ich in Cléo und Albert neue Freunde gefunden habe und diese siebzehn Kilometer lange und vierzehn Kilometer breite Insel, die auch Kunié genannt wird, per Fahrrad ertrampelt habe, setze ich wieder die Segel. Natürlich nicht, ohne mich vorher auf dem Mini marché mit frischen Baguettes und Gemüse eingedeckt zu haben. Die folgende 320 Meilen lange Reise wird vergnüglich. Der Südostpassat bläst mit bis zu 35 Knoten (Bf 8). Ich fliege förmlich nach Port Vila. Nach genau zweimal 24 Stunden fällt mein Anker bei der Quarantäneboje im Hafen. Nach der Mittagspause legen John vom Zoll und der Vertreter der Quarantänebehörde per Boot an der «Hasta Mañana» an. Es ist der 20. Juni 1997. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, welche Schwierigkeiten mich hier erwarten. 179 180 Black Justice Sechs Wochen an einer Mooring vor der Iririki-Insel J ohn vom Zoll setzt sich an meinen Tisch, der Vertreter der Quarantänebehörde auf die Steuerbordkoje. Um John zu beschäftigen, bis ich all die Formulare ausgefüllt habe, gebe ich ihm ein Bier und einige Magazine: «Swiss Boat», «CCS-Bulletin», «Yachting World» … Er blättert herum und schreit plötzlich auf. Triumphierend wedelt er eine Ausgabe des Herrenmagazins «Hustler» in seiner Hand. «You have to declare this!» «Kein Problem, das mache ich,» entgegne ich arglos. Der Zöllner, misstrauisch geworden, nimmt die Kabine noch etwas genauer unter die Lupe und findet noch zwei alte «Penthouse» und drei Porno-Videos. «I have to confiscate this.» Gut, John packt die «Corpus delicti» ein und macht sich mit seinem Kollegen von dannen. «We will contact you later,» ruft er noch zurück. Ich bin schön blöde. Es war mir nicht bewusst, dass ich obszönes Material an Bord hatte, das hier in Vanuatu verboten ist. Abends am 24. Juni klopft es an mein Boot. Ich bin noch nicht einmal angezogen. Es ist John vom Zoll: «Du musst sofort mitkommen.» Beim «Waterfront»-Restaurant warten zwei weitere Zöllner. Unter den erstaunten Blicken anderer Yachties werde ich per Auto zum Ankläger John Timakata gefahren und dort zum Criminal-Case 222/97. Die Anklage lautet: « Schmid Otto Arnold, Swiss, you did import into Vanuatu obscene material, namely 3 video tapes and 3 magazines». Als erstes wird mir der Pass abgenommen. Natürlich darf ich Vanuatu nicht verlassen. Am 25. Juni um 14 Uhr muss ich vor dem Magistrates Court erscheinen. Vorsichtshalber gehe ich mal zum Haarschneiden und kaufe ein neues Hemd. 181 Der Richter heisst Jerry. Zuerst hält er mir eine Standpauke, weil ich nicht automatisch aufstehe, als er hereinkommt. Des weiteren soll ich nur sprechen, wenn er mich etwas fragt. Kaum angefangen, setzt er die Verhandlung für zehn Minuten aus, hat doch mein Ankläger das falsche Buch erwischt und kann die mir vorgeworfenen Penalcode-Artikel nicht finden. Als der Prozess seinen Fortgang nimmt, eröffnet mir der Richter mit ernster Stimme, dass die Maximalstrafe für diese Tat zwei Jahre Gefängnis und bis tausend US-Dollar Busse beträgt. Ich verhalte mich kooperativ und betone, dass ich mein Vergehen bedaure, dieses obszöne Material keinesfalls ins Land importieren wollte und dass es nur meinem eigenen Vergnügen diente. Die Stimmung ist angespannt. Zwei Propeller an der Decke summen leise vor sich hin, bei jedem Windstoss öffnet sich die Türe zum Balkon und fällt wieder zu. Sie lässt sich nicht richtig schliessen. Vor dem Richter liegen die drei Magazine und Videos. Lustigerweise «Black Justice» zuoberst, der einen schwarzen Richter im Talar mit einer blonden Kundin zeigt. Nun verkündet der Richter mit schicksalsschwerer Stimme seinen Schuldspruch: Das obszöne Material wird vernichtet (schade). Zweihundert Dollar Busse. Dazu habe ich dreissig Dollar Anklagegebühren zu bezahlen. Wer weiss, vielleicht wäre ich mit einem guten Anwalt freigekommen, was jedoch sicher teurer ausgefallen wäre. Glücklicherweise bin ich entlassen und nochmals glimpflich davongekommen. Der Pass wird mir nach dem Bezahlen der Busse wieder ausgehändigt. Erstaunlicherweise wollen nach der Verhandlung der Ankläger John und mein Pflichtverteidiger Reynold mein Boot sehen. Wir feiern den Ausgang der Verhandlung mit Rumpunsch. John, ein Ni-vanuatu, ist um die dreissig und mit einer blonden Amerikanerin befreundet. Er will sie abholen, um dann zusammen zum Kavatrinken zu gehen. Kaum bei ihrem Haus angekommen, geht die Hölle los. Weil er zu spät ist – es ist erst 1830 Uhr! – und weil sie feststellt, dass er etwas getrunken hat. Die Amerikanerin hat einen hysterischen Anfall, brüllt uns an, springt in ihr 182 183 Automobil – und weg ist sie! Also gehen wir ohne sie zum Kava. John ist den ganzen Abend etwas «dumb». Der ereignisreiche Tag klingt friedlich aus. John und Reynold ringen mir des Versprechen ab, sie vor dem Wegsegeln anzurufen und unbedingt ihre Inseln zu besuchen. Port Vila. Schön, wieder hier zu sein, obwohl das Wetter verrückt spielt. Jeden Tag regnet es mindestens einmal. Überhaupt ist das Wetter im Pazifik viel schlechter, als man gemeinhin annimmt. Vorerst habe ich nicht viel vor, denn ich habe mir schon letztes Jahr alles angeschaut, was ich sehen wollte. Anfangs August will ich weitersegeln, also habe ich sechs Wochen Zeit. Ich lasse mich treiben und will schauen, was sich ergibt. Viele alte Bekannte grüssen mich und freuen sich, dass ich wieder hier bin. Auch die Buschtrommeln funktionieren. Kaum angekommen, taucht Loritta aus Pango wieder auf, mit der ich mich letztes Jahr angefreundet hatte. Peter, Sonja und Roger aus Turbenthal sind mit der «Paros» hier. Sie haben ihr Boot in Fidschi überholt und sind dabei von zwei Zyklonen überrascht worden. Mit Peter Kägi erlebte ich eine lustige Zeit in Papeete. Er liess sein Boot in Fidschi und segelte, nach einem Arbeitsjahr in der Schweiz, wieder weiter. Sonja will in einigen Tagen nach Australien abfliegen, um Queensland per Fahrrad zu entdecken. Sie und Roger sind zwei Verrückte. Zu Beginn ihrer Reise radelten sie von Turbenthal nach Lissabon und später von Florida nach San Diego in Kalifornien. Die «Blue Troy» mit dem jungen Schweizer Paar Myriam und Patric liegt auch vor Anker. Die beiden Bielersee-Jollensegler kamen zu einem Segelboot, wie die Jungfrau zum Kind. Im vergangenen Oktober reisten sie ferienhalber nach Neuseeland. Dort suchten sie in der Russell Bay of Islands einen Schweizer namens Hanspeter auf. Um sich für die gewährte Gastfreundschaft zu bedanken, arbeiteten sie an seinem Segelschiff. Patric machte Sprüche: «Hey, dein Boot gefällt mir. Ist es zu kaufen?» «Du spinnst wohl, vielleicht später einmal», war Hanspeters Antwort. Myriam und Patric kauften ein Auto und machten sich auf, Neuseeland zu entdecken. 184 Patric gingen die Gedanken an das Boot nicht aus dem Kopf. Nach diversen Telefonen kam es am Silvester 1996 schliesslich zum Kauf. Damit wurden die beiden Westschweizer stolze Besitzer eines 1938 in Holz gebauten 36-Fuss-Bermudan-Kutters mit dem schönen Namen «Blue Troy» (Troy = Goldwägeeinheit). Das Boot hat gefällige, traditionelle Linien, ist schlank, hat einen Langkiel und 1,70 Meter Tiefgang. Myriam und Patric sind die sechsten Besitzer. Die vorherigen Eigner, Hanspeter und Catrina, segelten das Boot vor fünfzehn Jahren von England nach Neuseeland. Ende Mai 1997 starteten die neuen Eigentümer zum 1200 Meilen langen Schlag von der Bay of Island nach Port Vila. Die ersten drei Tage hatten sie eine spiegelglatte See und kaum Wind. An einem Morgen kreuzten – Orginalton Myriam – «megaviele» kleine Wale ihren Weg. Waren sie auf der Flucht vor schlechtem Wetter? Später kam Wind aus Nord auf. Die Windfahnensteuerung hielt das Boot auf Kurs. Plötzlich entstand Schwell, wie sich Patric genau erinnert: «Der Himmel wurde gelb, mit Wolken wie bei einem Atombombenpilz. Das sah schlecht aus. Der Wind nahm zu – fliegendes Wasser raubte uns die Sicht.» Der Zyklon «June» kreuzte ihren Kurs, wie sich herausstellte. Beigedreht unter Sturmfock, Gross eingedreht (Rollreff), ging für achtzehn Stunden die Hölle los. Patric: «Den Elementen ausgeliefert, hockten wir, verstärkt durch einen Farmer aus Neuseeland, am Boden meines Bootes und machten uns auf das Schlimmste gefasst. Den EPIRP und die Rettungsinsel hielten wir bereit. Dann gab es für zehn Minuten Ruhe – wir befanden uns im Auge des Zyklons – starker Regen setzte ein, null Wind. Wir dachten schon, es wäre überstanden, als der Sturm aus Süden einsetzte. Der Regen hielt an, das Boot ächzte fürchterlich, ich hatte Angst um den Mast. Endlich, nach langen weiteren zwölf Stunden, liess der Wind nach.» Schliesslich erreichte die Crew der «Blue Troy» Port Vila, was das Hochseesegeln betrifft, etwas ernüchtert. Sie machte sich sofort daran, das leckende Schiff in der Werft «17° 44‘ South», etwas östlich von Port Vila, zu kalfatern. Das Boot ist ausgesprochen 185 heimelig. Myriam und Patric sind daran, es noch komfortabler zu gestalten. Ihre Zukunft ist offen, die Reiseroute auch. 30. Juni / 1. Juli 1997, ein bedeutungsvolles Datum: Hongkong geht wieder in chinesische Hand. Um auf dem Laufenden zu bleiben, höre ich Nachrichten, meistens Radio Schweiz International, und lese das «Time» Magazine, wenn immer ich eines kriegen kann. Kurz nach diesem historischen Ereignis setze ich mich erstmals neben Matthew in sein Wasserflugzeug, eine «Maule» mit 260 PS starkem Motor. Wir fliegen zum nahe gelegenen Havannah Harbour. Ich übernehme das Steuer. Wir fliegen einige Platzvolten und landen auf dem ruhigen Meer. Dann hüpfen wir über die ganze Länge der Bucht. Wir starten, steigen auf hundert Fuss und landen wieder ohne Konfigurationsänderung – bis zum Ende der Bucht schaffen wir fünf Starts und Landungen. Als aktiver Sprühflugzeugpilot mit pro Jahr zwei Monatseinsätzen in Malaysia demonstriert Matthew mir dann das Fliegen auf tiefster Höhe – auf zwei bis drei Metern – mit Full Speed. Um eine Erfahrung reicher, landen wir in Port Vila neben den ankernden Segelbooten. «Sea-Air: experience the difference» steht auf dem Rumpf, wird doch das Flugzeug zum Boot, sobald man den Motor abstellt. Am Strand oder an einem Steg anzulegen, erscheint mir viel schwieriger als das Starten und Landen. Den Abend verbringe ich im «Le Méridien»- Hotel. Dort findet ein klassisches Konzert mit der erst 16jährigen Ali Wood aus Australien statt. Sie spielt Grieg, Mozart, Chopin und Rachmaninov, alles auswendig, derweil ihr Mentor und zeitweiliger Begleiter auf einem zweiten Flügel dicke Notenbände wälzt. An diesem Wochenende erfahre ich auch von Martina Hingis’ Wimbledon-Sieg. Erstaunlich. 186 In der Nacht auf Sonntag kommt Besuch. Das Klappern der Badeleiter weckt mich. Da steht doch tatsächlich Loritta pudelnass am Heck. «I was missing you…» offenbart sie. Sie ist an die dreihundert Meter geschwommen. «Okay, come in!» heisse ich sie nach dem ersten Schock willkommen und reiche ihr ein Badetuch. «Kannst du noch meine Kleider beim «Waterfront» holen – und zwei Freundinnen?» Ich denke, es wäre auch ohne die zwei Freundinnen gegangen. Am Steg stehen Sylvie und Lorene, beide aus Pango. Bis das Kaffeewasser siedet, ist mein unerwarteter Besuch in Tiefschlaf gefallen. Die drei jungen Frauen sind nicht mehr ansprechbar, also lege ich mich auch wieder schlafen. Nach dem Frühstück tanzen wir zu einheimischer Musik im Boot. Die Stimmung ist fröhlich und gelöst. Um drei am Nachmittag bringe ich meinen Besuch zum «Waterfront» zurück, denn um vier Uhr habe ich ein Rendezvous mit Heather und Florence. Die in Vanuatu geborene Heather hatte ich im «Office Pup» in Port Vila kennengelernt. Sie spielte dort zusammen mit zwei Freunden Pool. Während die Männer Bier tranken, war sie auf dem Trockenen. Ich spendierte ihr einen Drink … Florence ist ihre gleichaltrige Freundin. Diese beiden sind hungrig. Also koche ich in meinem Wok «Stirfried beef» mit Gemüse und Reis. Nach dem Essen sagt mir Heather, die ich erst vor 24 Stunden kennengelernt habe: «Je veux faire amour avec toi.» Wir haben noch nicht einmal das Geschirr abgewaschen … «Et Florence ?» frage ich. «Pas de problème – sie kann draussen warten». Es erstaunt mich immer wieder aufs Neue, wie unkompliziert die Frauen in der Südsee mit der Sexualität umgehen. Am folgenden Samstag ist in Port Vila Race Day. Mit einheimischen Pferden und Jockeys wird auf einer idyllisch gelegenen Bahn in der Nähe des Golfplatzes um Lorbeeren gekämpft. Alles, was in Port Vila Rang und Namen hat, nebst vielen Ni-vanuatu, geniesst diesen herrlichen Tag. Viele Segler sind anwesend, auch «Pirat», mein Schweizer Freund von der «Rory Mohr» aus Neuseeland. Die Wettbüros laufen heiss – das Wetten gebe ich nach eini- 187 gen erlittenen Verlusten wieder auf. Es gibt auch Wettbewerbe, in denen die bestangezogenen Frauen, Männer und Gruppen erkürt werden. Dort sehe ich auch Heather wieder. Sie gewinnt bei den einheimischen Damen. Sie stellt mich ihrer Familie vor. «Il faut rien dire!» ermahnt sie mich. Ihr Vater arbeitet bei der Polizei. Peter, Roger und ich werden am Montag von Reini, einem Schweizer, der hier ansässig ist, zum Laufen mit den Hash House Harriers abgeholt. HHH ist eine Lauforganisation, die in England entstand und sich in unzähligen Ländern ausbreitet. Die Laufdistanz geht über 5 bis 8 Kilometer. Anschliessend bedient man sich aus einem mit Rädern versehenen und liegenden Kühlschrank, der mit Tusker-Bierflaschen und Eiswürfeln gefüllt ist. Nebenan werden Würste gebraten. Auf der Ladebrücke eines Trucks muss, wer immer irgendwie auffällt, einen Bierkübel ex austrinken, wobei die benötigte Zeit gestoppt wird. Nach der Ansage «We are being invaded by the Swiss» werden wir aufrechten Schweizer natürlich auch zum Mug-Austrinken aufgerufen. Peter liefert nochmals einen Grund: Er trägt die schönsten Laufhosen der versammelten Läufer. Das Biertrinken wird anschliessend an der Bar des «Galley» fortgesetzt. Wahrscheinlich ist dieser Alkoholschub verantwortlich dafür, dass ich am folgenden Mittwoch einen Gichtanfall im linken Zehengelenk erleide und kaum mehr gehen kann. Eine Alterserscheinung? Sinnigerweise behandelt mich der Arzt Graham, der auch bei den HHH mitläuft. Er stellt fest, dass sich mein Harnsäurespiegel zwar innerhalb der Toleranz befindet, allerdings im oberen Bereich. Also werde ich wohl etwas vorsichtiger mit Alkoholkonsum sein müssen. Reini Zürrer ist mit der attraktiven und aufgestellten Rosie aus Kiribati verheiratet. Sie haben einen achtjährigen Sohn namens Marcus, der jeweils auch mitläuft. Reini hielt sich als Geschäftsmann an verschiedenen Orten Asiens auf. Er lebte in Thailand und Malaysia und bereiste den ganzen Fernen Osten und die Pazifikregion. Jetzt wohnt er in Port Vila. Ihm erzähle ich meine Video-Geschichte. Prompt bringt er sie am nächsten HHH-Treffen 188 unter die Leute, mit dem Antrag, mir den Hash-Namen «Black Justice» zu geben, was unter dem Gegröle der Anwesenden gutgeheissen wird. Er selbst trägt den Namen «Ski», weil er aus der Schweiz kommt. Auch mein Arzt kriegt einen Hash-Namen: «Goldfinger». Das kam so: Am Vorabend meiner letzten Untersuchung hatten wir im «Waterfront» ein Altmännergespräch. In der Runde einiger älterer Segler unterhielten wir uns über Prostataprobleme, Harnverschluss und halt über Gesundheitsfragen, die auf See, fern von einem Krankenhaus, zu einem lebensbedrohenden Problem werden könnten. Ronald Gabske, der auf seiner Hallberg Rassy 42 «Gabinca» segelt, sagte: «Ich habe sogar einen Katheter dabei und auch gelernt, wie ich ihn benützen müsste.» Am nächsten Morgen, bei meinem Arztbesuch, bat ich Graham, meine Prostata zu checken. Er lachte: «Leg dich auf die Seite, entspann dich!». Sanft nahm er die Rektalanalyse vor und beruhigte mich: «Everything is perfect.» Dummerweise erzählte ich das Ganze meinem Freund Reini. Die Quittung folgt umgehend: Graham wird nach dem Laufen nach vorne gerufen und muss seinen neuen Namen, «Goldfinger», in Empfang nehmen. An Sprüchen fehlt es nicht, in der Art von: «Und mit seinen Fingern hat er heute Abend die Würste auf dem Grill gebraten!» Uns fällt es schwer, dieser fröhlichen Runde «bye, bye» zu sagen. Wir beschliessen, uns mit einem Karton Tusker-Bier für die uns gewährte Gastfreundschaft zu bedanken. Der Kommentar folgt sogleich: «The Swiss contingent provided the Hares Shout (Runde) for their guilt in hording all that gold and money belonging to the Jews.» Wenden wir uns besser dem Segeln zu. Zurzeit findet ein Rally um die Welt statt: das EXPO 98. Am 15. Juni 1997 kreuzen die ersten Yachten die Ziellinie vor Port Vila. 39 Boote hängen an der Hafenmauer, das längste 26,1 Meter («Movesita»), das kleinste mit einer Länge von 11,3 Metern («White Swan»). Drei Schweizer Yachten sind dabei, nebst einer Schweizer Crew auf einem unter englischer Flagge segelndem Boot. Sie starteten im Januar 1997 in Lissabon und werden dort Ende Mai 1998 zur Eröffnung der Expo 189 ihr Rally beenden. Mit der Crew der «Best of Boingo», einer Gib Sea Master 48 des Swiss Ocean Racing Teams mit Skipper Reto Bolliger, habe ich regen Kontakt. Unglücklicherweise brach ihr Mast anfangs der Fahrt, weshalb diese Crew in den ersten vier Etappen ohne Wertung blieb. Beim Start am 25. Juni zum nächsten Teilstück nach Cairns löse ich die Leinen der «Best of Boingo» und hoffe auf gute Resultate in den folgenden Etappen. Auch der «Spirit of Shamrock» mit Freddy und Lucia Gerber an Bord wünsche ich einen guten Trip. Kaum sind diese Yachten gestartet, geht es wieder ruhig und gemächlich zu und her, doch die Ruhe ist nur kurz. Am 30. Juli feiert Vanuatu seine 17jährige Unabhängigkeit. Die Flaggenzeremonie im Independence Park zieht viele Besucher an, obwohl sie früh am Morgen und mit viel Militär begangen wird. Mit Peter und Roger nehmen wir am Nachmittag mit der «Hasta Mañana» an der Independence Day Regatta in der Melebucht teil. Uns packt das Regattafieber. Wir versuchen, alles aus dem Boot herauszuholen, und schaffen es, im herrlichen Passat auf dem Zickzack-Kurs um diverse Bojen herum einen ehrenvollen fünften Platz von neun Booten zu erreichen. Ich geniesse das Glück, überhaupt die Möglichkeit zu haben, hier in der Südsee mit zwei guten Schweizer Freunden eine Regatta zu segeln. Wir beschliessen, die gewonnene Flasche Champagner am 1.August zu köpfen. Die «706 Jahre Schweiz» feiern wir an Bord der «Rory Mhor». Zu Ländlermusik und Schunkelliedern geniessen wir die Köstlichkeiten, die jede Crew mitgebracht hat. Wir sind acht Schweizer. Leider sind Lotti und Marcel Kobler aus dem Toggenburg vor zwei Tagen an Bord der «Bravura» weggesegelt. Unser Fest ist laut, fröhlich und ausgelassen. Wir sind stolz, Schweizer zu sein, was wir auch all den «Kiwis» und «Aussies» zu merken geben. Nachdem die «Rory Mhor» Richtung nördliche Inseln entschwunden ist und auch die «Paros» die Anker gelichtet hat mit dem Ziel Nouméa, scheint es mir an der Zeit, auch wieder ans Weitersegeln zu denken. 190 Vanuatu: Hemi namba wan gud ples Port Vila – Havannah Harbour – Epi – Ambrym – Pentecost – Maewa – Luganville – Hogharbour – Vanua Lava – Uréparapara A m 14. August 1997 verabschiede ich mich von der ausgesprochen netten «Waterfront»-Restaurant-Crew. «Otto, you must come back!» rufen mir die Leute nach. Kaum habe ich die Mooringleine bei der Iririki-Insel ins Wasser geschmissen, kriege ich einen Dämpfer. Mein elektronischer Autopilot will nicht funktionieren. Immerhin habe ich Echolotund Windangaben. Mein erstes Ziel ist der Havannah Harbour, eine ruhige Bucht im nordwestlichen Teil Efates gelegen und in etwa fünf Stunden zu erreichen. Nach dem Passieren des Devil‘s Point verschwindet Port Vila aus meinem Blickfeld. In absehbarer Zeit werde ich wohl kaum hierher zurückkommen. Etwas traurig hänge ich meinen Gedanken nach: Die Frauen werden nicht mehr vom Iririki-Beach «Oho» herüberrufen, weil bei ihnen aus den beiden T meines Namens ein H wurde. Wir werden nicht mehr ausgelassen tanzen können zu Stans KeybordJazzmusik und Corittas Saxophon im «Waterfront». Ich werde das montägliche Laufen mit «Ski» bei den Hash House Harriers vermissen. Auch keinen Whisky mehr trinken können mit Matthew, dem Cropduster-Piloten, der jetzt mit seinem Wasserflugzeug Touristen herumfliegt. Und ich werde Dr. Franz von der «Big Island» mit seiner schönen, dunkelbraunen Freundin Jeanette, deren Mutter aus Togo und deren Vater aus Stuttgart stammt und die deutsch spricht, vermissen. Franz achtet darauf, dass man seiner Freundin nicht zu nahe kommt – er spricht vom Heiraten und Kinderkriegen, was er bis jetzt verpasst hat. Er ist vor kurzem sechzig geworden. Was soll‘s. Jeder macht es so, wie es ihm am besten passt … 191 Ich jedenfalls bin meinem Schicksal dankbar. Meine Söhne Oliver und Ronald sind erwachsen, zu Jasmin, der Tochter meiner zweiten Frau, Heidi, habe ich sozusagen väterliche Gefühle. Vor Jahren wollte ich sie adoptieren – wegen der Scheidung kam es dann allerdings nicht mehr dazu. Alles, was ich in meinem Leben machen wollte, habe ich schon gemacht. Ich bin mir auch bewusst, dass ich ein Riesenglück habe, hier sein zu dürfen und mit meiner beweglichen Wohnung, der «Hasta Mañana», von Insel zu Insel zu segeln. Froh auch darüber, dass sich meine Schwester Dor in meiner Abwesenheit um meine Angelegenheiten in der Schweiz kümmert. Das Freiheits- und Glücksgefühl, das mich zeitweise befällt, kann ich nahezu mit den Händen fassen. Ich befinde mich mit mir und meiner Umgebung im vollkommenen Einklang. Anfangs August 1994, war ich im Hafen von Gogolin zum Auslaufen bereit. Ganz alleine loszusegeln, schien mir allerdings zu riskant. «Wo ein Wille, da ist auch ein Gebüsch.» Nach diesem Motto verbrachte ich den 8. August und war mit dem Einrichten des Bootes beschäftigt. Plötzlich hörte ich ein Klopfen. Draussen stand ein Franzose: «J‘ai aussi un bateau en acier. Je peux vite voir?» fragte er und stellte sich als Bruno vor. Er erklärte mir, er habe ein 30-Fuss-Segelboot aus Stahl, das sich im Ausbau befinde. Als ich erwähnte, dass ich nach Port Camargue segeln wolle, fragte er mich: «Si tu cherches une équipage, je suis libre!» Das war genau das, was ich hören wollte. Wir machten aus, schon am übernächsten Tag nach Porquerolles auszulaufen. Am 11. August waren wir bei Brunos Mutter, Madame Decoune de Nunques – was für ein schöner Name! – , die oberhalb des Hafens «Les Leques» (östlich von La Ciotat) wohnte, zum Déjeuner eingeladen. Vor dem Essen planschten wir im Pool, und dort stellte mir Bruno auch seinen 15jährigen Sohn Edouard vor, der auch mitkommen wollte. Zu dritt mogelten wir uns entlang der Küste Richtung Marseilles voran und verstanden uns glänzend. Tagsüber kreuzten wir gegen einen sich aufbauenden Mistral, am Abend suchten wir Schutz in einer Calanque (fjordähnlicher Einschnitt). Bruno kannte diese Küste wie 192 seinen Hosensack. Die Wetterprognose versprach eine Verstärkung des Mistrals auf sieben Beaufort. Genau so war es, als wir in die Bucht von Marseille hineinkreuzten. Plötzlich durchzuckte ein Gedanke mein Hirn. Lass uns abfallen und die Balearen anlaufen, anstatt gegenanzubolzen! Bruno und Edouard elektrisierte der Gedanke. «Es gibt nur ein Problem. Kannst du etwas an unser Flugticket nach Marseille bezahlen?» fragte Bruno. «Zudem hat Edouard keine Identitätskarte dabei.» Per Handy informierte Bruno seine Familie, während ich Irene anrief, die ich in der Camargue hätte besuchen wollen. Wir hatten genügend Wasser und Diesel an Bord, aber mit dem Essen waren wir etwas knapp dran. Da ich mein Boot mit allem Drum und Dran gekauft hatte, fand ich in den diversen Schapps auch noch Knäckebrot und zahlreiche Konserven, die alle dänisch angeschrieben waren. Wir machten uns nichts draus und liessen uns überraschen. Kurzum, der Entschluss war schnell gefasst, Palma de Mallorca anzulaufen. Wir fielen ab, öffneten die Segel, und die «Hasta Mañana» beschleunigte freudig auf über sieben Knoten Fahrt. Ein bisher ungekanntes Gefühl durchströmte mich: das Gefühl unbegrenzter Freiheit mit der Möglichkeit, gerade das tun zu können, was im Moment richtig schien. Schon nach zweieinhalb Tagen machten wir im «Real Club Nautico» in Palma fest. Edouard schmuggelten wir ins Land. Zwei Tage später sassen wir im Flugzeug nach Marseille. Die Zöllner liessen Edouard ohne Probleme in sein Heimatland einreisen. Mit einem dankbaren Händeschütteln verabschiedete ich mich von den beiden Franzosen. Ich nahm die Eisenbahn nach Nîmes, um Irene Wiese zu besuchen, die durch ihre zweite Heirat zum Namen Guenkine gekommen war. Sie wohnte in Congénies, einem malerischen Dörfchen. Abends sassen wir im Garten, assen ein Fischgericht und hatten viel zu lachen. Das schien aber Michel, Irenes neuem Mann, nicht zu behagen. Er war Psychiater und gerade mit einem Patienten beschäftigt. Er tobte und schrie: «Ich gehe in ein Hotel, um meine Arbeit zu tun.» Und weg war er mit dem Patienten. Auch Irene hatte die Streiterei satt. Am nächsten Tag fuhren wir in Irenes rotem und offenen BMW von dannen und setzten uns ab nach dem nahen Spanien. Irene steuerte, Sabine, ihre Tochter – ich bin ihr Götti und mit ihr auf dem 193 Genfersee Starboot-Regatten gesegelt, sass mit Freund im Fond. Am Nachmittag erreichten wir Irenes Mühle, ein romantisches Haus in Miravet, etwa zwei Autostunden nördlich von Barcelona gelegen. Nach ein paar fröhlichen Tagen flog ich nach Palma de Mallorca zurück. Später segelte ich mit Marianne Kottmann, der ehemaligen Frau Norberts, eines Starbootfreundes, und ihrer vierjährigen Tochter Corina nach Antraitx. Wir besuchten dort Karin und Roger Schellenberg, der einst Steward bei der Swissair gewesen war. Ihre Finca hatten sie selbst umgebaut. Nach Ibiza steuerten wir Denia bei Alicante an. Dort wollte ich vorerst bleiben. Dort hatte ich auch Dorli und Heinz Tanner aus Stein am Rhein als gute Freunde, die schon länger in Denia ansässig waren. Obwohl ich Mitglied des Club Nautico de Denia wurde, entschloss ich mich schon nach kurzer Zeit, anstatt im Mittelmeer zu bleiben schon in jenem Jahr den Sprung über den Atlantik zu wagen und am Atlantic Rally for Cruisers (ARC) teilzunehmen. Der Start war am 20. November vorgesehen. Am 5. Oktober setzten wir in Denia erneut die Segel. Der Montgo, der markante Berg oberhalb Denias, hüllte sich in Wolken. Helen Hossmann, eine ehemalige Airhostess, begleitete mich bis Malaga. Nur während des ersten Tages, einem Törn bis Calpe, waren auch Dorli und Heinz mit ihrem Enkelkind Iris mit dabei. Es war schön, wieder unterwegs zu sein und auf westlichen Kurs zu gehen. Nach zwei Tagen hatte ich mit Helen ein Problem: Sie wollte partout nicht im strömenden Regen von Torrevieja auslaufen. «Dann nimm den Bus nach Cartagena. Ich jedenfalls segle weiter,» gab ich ihr klar und wohl auch etwas barsch zu verstehen. So kam ich zu meinen ersten vierzig Meilen als Einhandsegler, bevor ich am Abend wieder eine friedliche Helen traf. In Benalmadena stieg Gregor Zurfluh aus Brunnen wieder an Bord. Schon am 14. Oktober umrundeten wir den Europa Point und legten in der Marina Bay von Gibraltar an. Wir fragten den Hafenmeister, wann 194 es günstig sei, die Strasse von Gibraltar zu passieren. «In der Nacht auf Sonntag, um vier Uhr, zwei Stunden vor Niedrigwasser», war seine Antwort. OK, das machen wir, lautete unser Entschluss. Ich hatte aber nicht mal eine Karte, die bis zu den Kanarischen Inseln reichte. Den beinahe obligatorischen Ausflug zum Affenfelsen erledigten wir per Seilbahn zwischendurch. Die Kartenläden waren am Samstag und Sonntag geschlossen. Zum Glück konnte uns ein anwesender Schweizer sein Exemplar verkaufen. Nachdem auch noch Urs Wüthrich, ein Freund Gregors, eingetroffen war, begaben wir uns ins «Safeway» zum Einkaufen. Tatsächlich legten wir in der Nacht zum Sonntag um 0415 Uhr von der Pier ab und machten uns daran, die Strasse von Gibraltar zu durchqueren. Der herrschende Wind aus Ost schob uns unter mitlaufendem Strom zügig nach Westen. Unser Radar half uns ungemein, den Schiffsverkehr im Auge zu halten. Unsere Herzen schlugen bis zum Hals, als wir das Mittelmeer verliessen. Die 750 Meilen bis nach Las Palmas waren eine vergnügliche Reise bei wechselhaftem Wind und Wetter. «Ürsel» und «Gregi» entpuppten sich als ausgezeichnete Köche. Schon nach fünf Tagen machten wir in Las Palmas, dem Starthafen für das ARC, fest. Noch blieb ein Monat Zeit bis zum Start. Viel hat sich seither ereignet. Nun befinde ich mich längst im Pazifik. Kein Mensch ist zu sehen, als sich mein Anker kurz vor dem Einnachten gegenüber der Insel Moso in den Sandgrund gräbt. Am nächsten Morgen fahren Kanus vorbei. Perfekt, so kann ich das Kinderkleider-Paket, das mir Frédérique von der «Shipibo» mitgegeben hat, an die Familie Silvias und Kammys abliefern. Sie bedanken sich überrascht über dieses unerwartete Geschenk mit einem Palmenkorb voller Früchte. Am Nachmittag versuche ich, meinem Autopiloten wieder Leben einzuhauchen. Vergeblich, der 195 Log-Compass-Computer scheint ausgestiegen zu sein. Diese Tatsache macht die Seglerei etwas aufwändiger. Zur Insel Epi sind es über sechzig Meilen. Also laufe ich am Abend aus und erreiche nach einer ruppigen Überfahrt gegen acht Uhr früh die Lamen Bay. Zwei bekannte Yachten hängen vor Anker, die «Gemini Contender» und die «Orion» aus Hamburg, auf die ich von Mona und Paul sogleich zum Nachtessen eingeladen werde. Wir verbringen einen angeregten Abend. Paul, der früher zur See gefahren ist, hat viel zu erzählen. Am Sonntagmorgen folge ich Gitarrenklängen und stosse auf Frauen und Kinder, die in einer Hütte sitzen. Es ist ein Gottesdienst der «Apostolic Life Ministry». Sofort willkommen geheissen, versuche ich die einfach tönenden Lieder mitzusingen, was mit Begeisterung quittiert wird. Gegenüber der Bucht liegt ein Grasflugplatz, der von der Air Vanuatu bedient wird. Um nach Ranon auf der «schwarzen» Insel Ambrym zu segeln, brauche ich acht Stunden. Als «schwarz» wird sie wegen des Lavasandes bezeichnet. Die beiden Vulkane hüllen sich leider in Wolken. Am nächsten Morgen klopft es schon früh um sieben an meine Bordwand. Edward verkauft mir frische Früchte und Gemüse. Er lädt mich ein, mit in seinen Garten zu kommen. Über eine Stunde geht es steil hinauf zu seinem Stück Garten, der so abschüssig ist wie der ganze Berghang. Er will einen Sack mit Kopra füllen. Mit der Axt spalte ich die Kokosnüsse. Flink schält er mit einem gebogenen Spachtel das Fruchtfleisch heraus. Nach zwei Stunden Arbeit in der glühenden Sonne ist der Sack voll. Für Edward, den Sack geschultert, ist der Abstieg mühselig. Beim Kopraofen liefert er den Sack ab und kriegt dafür ganze 430 Vatu, etwa vier Dollar. Der Handelspreis für eine Tonne getrockneter Kopra beträgt im Moment 300 Dollar. Douglas führt einen Laden, neben einem kleinen BungalowResort. Seine Hauptbeschäftigung aber ist das Anfertigen von bis zu drei Meter hohen geschnitzten Tamtams, die an Kultstätten aufgestellt werden. Das sind geschlitzte, ausgehöhlte Trommeln 196 aus Brotfruchtbaumstämmen. Douglas lädt mich zum Nachtessen in sein Restaurant ein. Wir sind vier Männer – von den Frauen ist nur das Tuscheln in der Küche zu hören. Sie bedienen uns mit Inselköstlichkeiten: Laplap Yams, Taro, Reis, Huhn, gebratene Bananen, Omeletten. Das Besteigen des Vulkans Benbow lasse ich des schlechten Wetters wegen bleiben und segle weiter zur Insel Pentecost. In der Homo Bay – so heisst sie wirklich, hat aber überhaupt nichts mit Homos zu tun! – gehe ich vor Anker. Hier soll der Landdiving-Turm stehen. Jeweils im April und Mai, anlässlich des Yamsfestes, stürzen sich mutige Männer an Lianen befestigt vom etwa 25 Meter hohen Turm in die Tiefe. Wer weiss, vielleicht sind sie die wirklichen Erfinder des Bungy-Jumping. Stolz zeigen mir drei junge Ni-vanuatu diesen kulturträchtigen Ort, nicht ohne mir vorher 500 Vatu abzuknöpfen. Dort treffe ich auch «Pirat» mit seiner «Rory Mhor» wieder. Für die Nacht wählen wir den gleichen Ankerplatz in der Melsisibucht. Es ist interessant, von Insel zu Insel zu segeln. Die nächsten Tage verbringen wir in der schön gelegenen Bucht bei Asanvari (Maewo). Sogar ein Wasserfall rauscht an der linken Seite der Bucht, ein Ort für ein erfrischendes Bad oder eine Dusche. Während die einen schnorcheln, ist «Pirat» mit Tauchen beschäftigt. Er hat eine Kompressoranlage an Bord. Hier mache ich die Bekanntschaft Edwins. Stolz zeigt er mir sein Haus in einem Dorf oberhalb der Bay. Er ist 23 und war Lehrer in Luganville für ein Salär von 300 Dollar pro Monat. Das Anpflanzen von Kava ist einträglicher, weshalb er in sein Dorf zurückgekehrt ist. Hundert Kilo getrocknete Wurzeln haben einen Wert von 600 Dollar. Über eine Stunde steigen wir auf, um diese Pflanzungen zu besichtigen, die durch Roden mühsam dem Busch abgetrotzt wurden. Anschliessend gehen wir in das Dorf zurück zum Kavatrinken. Die Wurzeln werden gewaschen und mit einem Korallenstein geraspelt. Mit Wasser gemischt entsteht eine wie Abwaschwasser aussehende Brühe, die – kaum genossen – sofort in den Kopf steigt. Edwin erzählt mir von seinem Leben im Dorf, auch davon, dass er nur mit 197 einer Frau zusammenleben darf, wenn er sie heiratet. «Wie machst du es vorher?» möchte ich wissen. «Puspus in the bush – nobody knows» erklärt er lachend. Will er heiraten, so muss er zuerst den Brautpreis von 500 bis 900 US-Dollar zusammenbringen. Ich suche weniger den Kontakt zu Seglern als vielmehr zu den Einheimischen. Chief Nelson gibt zum Abschied ein Fest in einer zu einem Yachtclub umfunktionierten Hütte. Wild bemalte junge Männer führen einige traditionelle Tänze vor, dann kommen im Erdofen gegarte Yams und Tarowurzeln, neben Huhn und Reis auf den Tisch. Anschliessend spielt eine lokale Stringband zum Tanz auf. Die Frauen sind anfangs scheu – es braucht mehrere Aufforderungen, bis sie sich auf die Tanzfläche wagen. Die 51 Meilen Überfahrt nach Luganville auf Santo ist gerade in einem Tag zu schaffen. Ich passiere die Insel Ambae gegen zehn Uhr in knappem Abstand. Da winkt doch ein Mann mit seinem TShirt. Kurz entschlossen gehe ich in der nahegelegenen Bucht vor Anker. John, wie der junge Mann heisst, kommt mit seinem Kanu angerudert und scheint verzweifelt. «Ich brauche Hilfe. Eine Frau im Dorf ist im neunten Monat schwanger und sehr krank. Kannst du sie nach Luganville mitnehmen?» ruft er mir zu. Es bereitet mir Mühe, diesem Wunsche zu entsprechen. Womöglich hätte ich noch eine Geburt an Bord. Ich verspreche dem Mann jedoch, Hilfe anzufordern, und notiere die GPS-Position und den Namen der Frau. Kaum unterwegs, kann ich zufällig einen Helikopter per VHF erwischen und den Piloten orientieren. Damit ist die Sache für mich erledigt. Leider erfahre ich nicht mehr, wie die Geschichte ausgegangen ist. In Luganville gehe ich vor dem «Beachfront Resort» vor Anker. An die neunzehn Yachten hängen in der geschützten Palikulo Bay. Da will ich nicht hin, zumal diese Bucht zwanzig Autominuten vom Zentrum entfernt ist. Im einzigen Café am Ort treffe ich auf Chris von der «Wandering Willy». «Hey, wo ist deine Freundin Lynn?» frage ich. «Wir hatten Differenzen – sie ist abgereist,» erklärt er trocken. Sein Boot hängt beim Aoré-Resort an einer Boje. Ich will ihm in seinem 198 Elend beistehen. Wir kaufen zwei grosse Steaks und eine Flasche Rotwein. Die Fähre über den Segund Channel um 1530 Uhr verpassen wir um einige Minuten. Während der Wartezeit bis zum nächsten Boot erklärt mir Chris, wie alles kam. Als Beruhigung schlürfen wir zwischendurch einen Schluck aus unserer Weinflasche. Im Aoré-Resort artet unsere Diskussion in eine Sauferei mit anderen Seglern aus. Als sich dann noch Chris‘ Dinghy unter dem Steg einklemmt und sich bei steigender Flut nicht mehr bewegen lässt, ist das Elend komplett. Es wird sehr spät, bis die Steaks endlich auf dem Grill landen. Vanuatu ist seit 1980 unabhängig. Vorher stand es unter französischer und englischer Verwaltung. In Espiritu Santo erhielt in den vorhergehenden Jahren die Nagriamel-Partei unter Führung von Jimmy Stevens, die gegen den europäischen Einfluss kämpft, immer grösseren Zulauf. Stevens Traum, aus der Insel Espiritu Santo die unabhängige «Republic of Vemarana» zu bilden, schlug fehl, und er wurde elf Jahre eingekerkert. Hochverehrt und mit über zwanzig Frauen verheiratet, starb er vor zwei Jahren im Alter von über siebzig. Etwas ausserhalb Luganvilles besuchte ich mit Russell, einem Farmer und Motelbesitzer, Jimmy Stevens Grab, das sich in einer Hütte befindet und offen ist. Damit niemand auf ihm herumtrampeln kann, wie man uns erklärt. Noch immer wird rund um die Uhr eine Totenwache gehalten. Erstaunlich. Am Freitagabend ist der einzige Nightclub namens «Ratua» geöffnet. Mit dem Bus erreiche ich die 50 mal 20 Meter grosse, kahle Halle mit eigenem Generator. Kaum bin ich dort, macht er über eine Stunde lang schlapp. Die Musik erstirbt, und die ganze Szene bleibt in diskretes Dunkel gehüllt. Als der Betrieb wieder los geht, bewegen sich um die zweihundert Tänzerinnen und Tänzer zur Discomusik. Als einziger Weisser werde ich von fünf Schwestern in Obhut genommen. Die jungen Männer «killen» sich selbst – bereits nach Mitternacht sind sie blau und liegen überall herum. Die «Action» dauert auch ohne sie bis zum Morgengrauen. Irgendwann mache ich mich im Schlepptau der Schwestern auf 199 der Ladebrücke eines Pickup auf den Heimweg. Was läuft, respektive nicht läuft, bestimmt die älteste Schwester. Als «First born» – wie es hier heisst – ist sie Vertreterin der Mutter. Da ist nichts zu machen. Was soll‘s. Das vorgesehene Weitersegeln verschiebe ich um einen Tag. Am Sonntagnachmittag gegen zwei Uhr biege ich in die Hogharbour-Bucht ein, im Norden von Santos gelegen, und lasse als einziges Boot meinen Anker vor dem Lonnoc Beach Resort fallen. Hinter einem Landvorsprung versteckt sich die bekannte «Champagne»-Beach. Da bin ich gespannt. Dann schmeisse ich das Gummiboot ins Wasser und montiere meinen «Malta»-Aussenborder. Um Korallenstöcke herum kurve ich an Land. Unter einem Baum sitzt eine hübsche dunkelbraune Frau. Etwas abseits schäkert ihre Freundin mit einem jungen Mann. Sie stellt die üblichen Fragen: «Wie ist dein Name? Woher kommst du? Wo ist deine Frau? Hast du Kinder? Bist du ganz alleine auf deinem Boot?» Damares, so heisst sie, spricht französisch. Bevor ihre Freundin zurückkehrt, frage ich die Inselschönheit, ob sie Lust habe, heute Abend auf mein Boot zu kommen. «Gut, ich komme,» entgegnet sie zu meinem Erstaunen. «Aber mach kein Licht, wir treffen uns um acht unter diesem Baum.» Ihre Freundin kommt zurück, und ich mache mich auf zur Champagne Beach. Unterwegs komme ich an einigen Häusern und Hütten vorbei. Am Ufer, unter einem schützenden Dach, sind Frauen und Kinder versammelt und winken mir zu. Sie laden mich ein, an einem langen Tisch, der mit Inselköstlichkeiten aus dem Erdofen bedeckt ist, Platz zu nehmen. Ich bin, ausser einem Priester, der einzige Mann weit und breit. Die Frauen erklären mir, dass sie «After marriage» feiern, denn gestern hatte an dieser Stelle eine Hochzeit stattgefunden. Nachdem der Priester die Mahlzeit gesegnet 200 hat, geht die Mampferei los, natürlich von Hand. Herzhaft verspeise ich unter dem begeisterten Lachen der Frauen und Kinder ein vor Fett triefendes Stück Schweinefleisch. Das ist für mich als Bauernsohn kein Problem. Ich liebe es geradezu, von Zeit zu Zeit ein fettiges Stück Speck zu essen. Nachdem alle ihren Hunger gestillt haben, werden die Resten in Bananenblätter gehüllt und nach Hause getragen. Gerührt von soviel Gastfreundschaft, verteile ich Biskuits an die Kinder, die sich wie Räuber über meinen Rucksack hermachen. Die nahegelegene Champagne Beach trägt diesen Namen zu Recht: Türkisblaues Wasser plätschert an den puderfeinen Sandstrand. Wunderbar, hier als einziger Besucher ein Bad zu nehmen. Allerdings verlangt hier der Landbesitzer 200 Vatu Eintritt, die in eine beschriftete Box zu werfen sind. Abends hocke ich dann gespannt auf dem Rand meines Gummibootes unter dem besagten Baum. Ob Damares wohl kommt? Plötzlich raschelt es, und sie steht vor mir, herausgeputzt und mit einem blauen Kleid. Zurück an Bord hören wir zusammen «Hits of South Africa» und tanzen dazu. Doch Damares steht der Sinn nicht nach langen Vorspielen. «Il faut faire vite, je ne peux pas rester longtemps», drängt sie. Auch gut, wir verschwenden also keine Zeit und kommen gleich zur Sache. Beim Abschied fragt sie, ob sie morgen abend mit einer Freundin vorbeikommen und einen Video anschauen dürfte. «Wir schlafen dann bei dir. Du musst uns aber früh am Morgen zurückbringen, bevor mein Cousin aufsteht.» Gesagt, getan. Ohne Licht zu machen, hole ich sie am folgenden Abend ab. Damares bringt nicht eine, sondern zwei Freundinnen mit: Gladys und Jocelyne. Auf meinem Boot fragt Damares: «Mi tekem swim?» Schwimmen? Gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, dass in Bislama «tekem swim» duschen bedeutet. So können leicht Missverständnisse entstehen. Wir schauen uns den Actionfilm «True lies» mit Arnold Schwarzenegger an. Bei einzelnen Szenen kreischen die jungen Frauen vor Begeisterung. Am frühen Morgen, bevor das Dorf erwacht, fahre ich die drei 201 Besucherinnen zurück. Weil der Tag in den Tropen nur zwölf Stunden dauert und es früh einnachtet, stehen die Menschen hier mit dem ersten Licht auf. Hier verbringe ich herrliche Tage und Nächte. Damares hat es sich zur Gewohnheit gemacht, auf meinem Boot zu schlafen. Tagsüber besuche ich die Frauen, die an einer Quelle waschen, oder steige hinauf zu ihrem Garten. Ich benütze den steilen Fusspfad, um auf die Terrasse zu gelangen, auf der die Gärten liegen. Hier treffe ich auch die frisch gebackene Ehefrau, Ivana. Sie ist 18jährig und kommt von Malakula. Genn, ihr Mann, hatte ein Brautgeld von 850 Dollar zu bezahlen. Die Frauen beseitigen Unkraut im Garten. Als Kavalier mache ich mich gerne nützlich und spucke selber in die Hände. Das Unkraut gleicht dem in der Schweiz. Unterschiedlich ist allerdings die Jättechnik. Die Frauen benützen keine Hacken, sondern die Machete, die auch zum Öffnen der Kokosnüsse oder zum Zubereiten des Gurkensalates dient. Meine Hilfe sorgt für Erstaunen, denn der Gemüsegarten mit Salat, Kabis, Gurken und Spinat ist Frauensache. Abends ist dann auch die frisch verheiratete Ivana mit dabei auf meinem Boot – ihr Mann, Genn, ist zum Kavatrinken verschwunden. Offensichtlich ist die Neugier grösser als die Angst vor einer ehelichen Szene. Damares erzählt mir, dass Ivana schon in der ersten Woche nach der Hochzeit von ihrem Mann geschlagen wurde. Die Frauen halten zusammen wie Pech und Schwefel und versuchen trotz der strengen Regeln, zu ihrem Recht zu kommen. Sie scheinen glücklich zu sein mit ihrem Leben und lachen viel. Als mir dann die Frauen im Lonnoc Beach Resort sagen: «You should marry Damares» weiss ich, dass die Zeit zum Weitersegeln gekommen ist. Am letzten Abend trifft Chris mit der «Wandering Willy» ein. Er informiert mich, dass Lady Diana in Paris tödlich verunglückt sei. Ich lade ihn zu einem Rindssteak mit Salat ein. Dieses Fleisch habe ich im Hogharbour Store für 1.80 US- Dollar das halbe Kilo gekauft. Am späten Abend bringe ich Chris zurück und warte auf das Blinkzeichen vom Ufer, mit dem Damares ihre 202 Anwesenheit signalisiert. Die Geräusche meines Aussenborders treiben Chris ans Deck seines Bootes. Die Blinkzeichen weiss er erst zu deuten, als er das Gelächter der Mädchen hört. «Moonlight gambler» nennt er mich vieldeutig am nächsten Morgen. Die Distanz zur Insel Vanua Lava beträgt 80 Meilen, also will ich am Abend lossegeln. Mit Geschenken bewaffnet mache ich mich auf, mich von Damares zu verabschieden. Während es mir schwer ums Herz ist, scheint sie es leicht zu nehmen. «Bitte sende mir die Fotos. Mi laekem yu.» Das bedeutet: Ich liebe dich. Mit einem «Lukim yu – auf Wiedersehen» – schickt sie mich wieder auf die Reise. Frédéric aus Uréparapara, dessen Insel ich anlaufen werde, gibt mir Briefe für seine Familie mit. Abends um fünf laufe ich unter dem Gekreische meiner Freundinnen aus. Chris hupt mit seinem Nebelhorn. Es regnet, was zu meiner melancholischen Stimmung passt. Vor dem Eindunkeln schaffe ich es gerade, die Insel Lahti an Backbord zu lassen und das offene Meer zu erreichen. Die Wetterprognose stimmt: Wind 15–25 Knoten und gemässigt raue See. Das Timing ist perfekt. Am Morgen erreiche ich die Waterfall Bay. Kaum angekommen, taucht Chief Patrick mit seinem Kanu auf. Ihm kann ich das zweite Paket, das mir die «Shipibo»-Crew mitgegeben hat, abliefern. Er lädt mich zur Farewell Party für die hier liegende «Joanie D» aus Kanada ein. Das ist der Riesenvorteil des Einhandseglers: Überall will man mir helfen, mich bemuttern oder eben einladen. Schöne Erlebnisse wie mit Damares wären mit einer Crew nicht möglich. Ich geniesse das Leben und habe kein schlechtes Gewissen dabei. Was die Frauen betrifft, so mache ich nie unhaltbare Versprechungen, sondern achte diese wunderbaren Geschöpfe der Südsee für ihre unglaublich natürliche Art, sich mit einem Mann abzugeben und ihm zu sagen, was sie wünschen. Selbst Männer möchten mir gerne eine Frau für die Nacht besorgen «Es ist nicht gut, nachts alleine zu sein», meinen sie mitunter. Meine Antwort lautet immer: «Ich schaue selbst, was sich ergibt». Schliesslich bin ich kein Heisssporn mehr wie vor Jahren. 203 Mit Joanie und Jack mache ich mich auf, das hinter dem Doppelwasserfall liegende Dorf aufzusuchen. Nur zwei Familien leben dort und bieten uns – wie hier überall üblich – zuerst Kava an. Die Kinder hängen uns einen Blumenkranz um den Hals. Patrick hält sogar eine kleine Ansprache. Er bedankt sich für die Nahrungsmittel, die wir ihm mitgebracht haben. Ich schenke ihm noch Tabak und einen Liter Wein, den er sorgfältig versteckt. Zum Essen gibt es sogar Lobster und Crevetten. Die Frauen und Kinder hocken abseits am Boden. Als ich am nächsten Morgen erwache, ist die «Joanie D» weg. Sie ist auch unterwegs zu den Salomon-Inseln. Eigentlich dürfte ich nach dem Auschecken nirgends mehr anlegen, aber einen Grund hätte ich im Falle eines Falles schon … Mein Ziel, die Insel Uréparapara, verschwindet hinter einer Regenwand, kurz nachdem ich unter Motor die vierzig Meilen in Angriff genommen habe. Kaum vor Anker, ruft jemand auf Kanal 16. Komisch, ich bin das einzige Boot in dieser Bucht. «Welcome, I am Chief Nicholson», stellt sich der Anrufer vor. Der hat doch tatsächlich ein Funkgerät in dieser abgelegenen Gegend. Später kommt Nicholson herausgerudert. Er ist 32 Jahre alt und steht dem Dorf vor. «Ich habe mein Funkgerät von einem australischen Segler bekommen und kann die Batterien mit einem Solarpanel laden», erklärt mir dieser aufgeweckte junge Mann. «Kann ich deinen SSB benützen?» Dann spricht er in Bislama mit einem Funker auf Mota Lava und möchte wissen, wann endlich das Kopraboot mit wichtigen Gütern wie Salz, Reis, Mehl, Zucker, Seife und Petrol wieder mal kommt. Man warte schon seit fünf Monaten darauf! Resigniert meint der Häuptling: «Sie können nichts versprechen. Für die sind wir zu weit weg und ein zu schlechtes Geschäft.» Vorerst trinken wir ein Bier zusammen, dann möchte Nicholson eine Musikkassette der «Magawirua» Stringband aus Port Vila kopieren. Er holt seinen Recorder, und damit bin ich auch gleich sechs Batterien los. Als Gegenleistung spielen die Leute abends für mich auf. Zwei Gitarren, eine Ukulele und ein Tamtam bilden die Dorf-Stringband. Wir hocken in einer durch eine Stalllaterne erhellten Hütte. Beein- 204 druckend! Ich geniesse diesen Abend und erhalte als Geschenk eine Aufzeichnung dieses «Konzertes». Melody, Nicholsons Frau, ist erst 22 und hat schon vier Kinder. Stolz zeigt sie auf ein Mädchen: «Dieses habe ich mit 16 Jahren geboren, aber nun habe ich genug vom Kinderkriegen. Ich liess mir eine Spirale einsetzen.» Zum Abschied gibt sie mir Gemüse mit. Nicholson wirft gierige Blicke auf meine Heilandsandalen. Barfuss, jedoch mit einigen Kokosnüssen beladen, kehre ich auf mein Boot zurück. Ein Blick zurück nach Uréparapara: eine U-förmige und nach Nordosten geöffnete Insel. Meines Wissens ist dies der einzige Vulkankrater, in den man hineinsegeln kann. Strahlendes Wetter mit Passatwolken am Himmel und ein steter, bis 25 Knoten starker Wind begleiten mich. Diese idealen Verhältnisse erlauben mir, diese Etappe mit Vollbesegelung zu meistern. Am GPS lese ich eine Geschwindigkeit von 7,5 Knoten ab. Auf dem Herd köchelt eine Gemüsesuppe aus Island Cabbage (eine Art Spinat) mit Frühlingszwiebeln, Kochbananen und süssen Kartoffeln. Etwas Weisswein und eine Büchse Kokosnusscrème geben der Suppe das spezielle Flair. Ich bin froh, wieder für ein paar Tage nur Wasser zu sehen. 460 Meilen sind es bis zur östlichen Spitze Guadalcanals in der Salomon-Gruppe. Abends am 10.September 1997 versinken die Torres-Inseln, die nördlichste Gruppe Vanuatus, im Dunst. Zum Abgewöhnen noch etwas Bislama: quick: kwik, kwiktaem (schnell) school: skul (Schule) basket blong titi: Büstenhalter wait a minute: wet smol (nur eine Minute) fix him up: fiksimap (etwas reparieren) big: bigfala (gross) please hurry: hareap plis (schnell bitte) hit him: kilim him (ihn schlagen) number one: nambawan (excellent, ausgezeichnet) 205 206 Salomoninseln und zurück nach Australien Uréparapara - Honiara - Florida Group Russell Island - Marovo Lagoon Munda - Gizo - Bundaberg D er Passat weht genau richtig. Die Etmale liegen bei 150, 157 nautischen Meilen pro 24 Stunden. Die See ist unruhig bei 5–6 Beaufort. Ich bin unachtsam. Meine zum Braten bereitstehenden Teigwaren fliegen auf den nicht gerade sauberen Boden. Doch was würde eine Hausfrau zu einer Küche sagen, die wie bei einem mittelschweren Erdbeben schaukelt, und das 24 Stunden am Tag? Sie würde wohl das Kochen aufgeben. Ich mache mich daran, ein Brot zu backen, mit einem Drittel dunklem und zwei Dritteln weissem Mehl. Das weckt Jugenderinnerungen. Zum Frühstück gibt es Milchreis, mit Zimt bestreut. Zum Mittagessen besagte «Hörnli», die ich am Boden zusammenkehre, etwas wasche, brate und mit gedünstetem Paniermehl garniert anrichte. Dazu öffne ich eine Dose Apfelmus. Für die 460 Meilen lange Überfahrt brauche ich knapp drei Tage. Bei der Einfahrt in den Marau-Sound an der östlichen Spitze Guadalcanals ist es mir etwas unheimlich zumute. Vor der Riffpassage herrscht ruppiger Seegang, links und rechts brechen die Wellen mit lautem Getöse. Also Augen zu und durch. Von den in der Karte eingezeichneten Peilmarkierungen sind nur noch rostige Resten übrig. Dann befinde ich mich in ruhigem Wasser. Kaum fällt der Anker, habe ich schon Besuch. Rafael, ein junger Mann, legt mit einem Kanu an. Sofort auffallend ist, dass hier die Kanus keine Ausleger mehr haben und die Häuser auf Pfählen stehen. Rafael tauscht einige Ananas gegen Honig und alte Konserven. Ich geniesse die Ruhe in dieser Bucht, die aber nur von kurzer Dauer ist. Ein Kanu nähert sich, gesteuert von einer jungen Frau. Was ich so mache, will sie wissen. Ich lade sie an Bord ein, 207 wo sie ein Bier haben möchte und sich mit dem für Melanesien eher ungewöhnlichen Namen Margrit vorstellt. Sie erklärt auch, dass sie auf dem Heimweg von ihrem Garten sei und dass sie mit ihrer Familie in einer am Hang bei der Bucht stehenden Häusergruppe wohne. Ich schiesse ein Foto von ihr und lade sie ein, am Abend vorbeizukommen. Ja, sie kommt tatsächlich, wenn auch etwas spät. «Ich musste warten, bis mein Vater eingeschlafen war», erklärt sie entschuldigend. Das fängt ja gut an! Erst gegen drei Uhr früh rudert sie nach Hause. Am Sonntag früh um sieben Uhr klopft es an der Bordwand. Es ist Margrit: «Kannst du ein Foto machen von uns?» fragt sie strahlend. Sie ist mit drei Kindern im Kanu auf dem Weg zur Kirche. Später taucht Arthur auf. Er ist 62 und tauscht jede Menge selbstgemachte Ohrringe gegen eine Flasche Whisky. «Ich liebe Whisky», frohlockt er. Sein linkes Bein sieht böse aus – er hat Elephantitis. Plötzlich bedeckt sich der Himmel, und es beginnt wie aus Kübeln zu giessen. Ich fange das Wasser mit meinem Sonnensegel auf und leite es in meinen Tank. Das Weitersegeln verschiebe ich um einen Tag, obwohl ich eigentlich baldmöglichst zum Einklarieren nach Honiara sollte. Ich habe einen guten Grund zu bleiben: Das Wetter ist mies. Die Salomonen umfassen 922 (!) Inseln und haben etwa 300 000 Einwohner. Der erste Europäer, der diese Inseln 1568 zu Gesicht bekam, war der spanische Entdecker und Navigator Alvaro de Mendana de Neyra. Die Insel Santa Ysabel benannte er nach seiner Frau. Auch Guadalcanal und San Cristobal erhielten von ihm ihre Namen. Auf den Inseln wird die traditionelle Lebensart noch heute beibehalten. 1893 erklärte Grossbritannien die Salomonen zum Protektorat, mit Tulagi als Hauptstadt. Das friedliche Leben 208 wurde 1942 schlagartig beendet, als die Japaner Guadalcanal besetzten und einen Flugplatz zu bauen begannen. Das rief die Amerikaner auf den Plan. Im Laufe ihres Vorrückens konnten sie hier – allerdings mit fürchterlichen Verlusten – den Japanern eine vernichtende Niederlage beifügen. Kurz darauf erlitt auch die alliierte Flotte eine demütigende Niederlage durch acht japanische Kriegsschiffe, die nachts in der Nähe der Insel Savo nicht weniger als vier Kreuzer und zwei Zerstörer auf den Grund schickten. Seitdem wird diese Meeresgegend Iron Bottom Sound (eiserner Boden) genannt. Ein Kriegsmuseum in der Nähe von Vilu gedenkt der japanischen und amerikanischen Gefallenen. Nach dem Kriege besassen viele der Inseln Flugplätze. Da Tulagi zerstört war, wurde der US-Stützpunkt Honiara zur neuen Hauptstadt erklärt. Seit 1978 sind die Salomonen ein unabhängiger Staat. Die Salomonen werden von den Seglern weniger häufig angelaufen als etwa Vanuatu, nicht zuletzt wegen der akuten Malariagefahr. Allerdings ist man im Boot relativ sicher, bläst doch meistens Wind. Ich nehme Malariaprophylaxe (Chloroquine) und schlafe unter einem Moskitonetz, das ich in meiner Koje montiert habe. Auch muss man, je nach Gegend, mit Diebstählen rechnen. Ich räume jeweils Aussenborder und lose Teile wie Rettungsring oder Tampen in mein Boot und schliesse mich nachts ein. Nach dem siebenjährigen Bürgerkrieg in Bougainville in Papua-Neuguinea, der kürzlich mit einem Waffenstillstand endete, sollen undurchsichtige Elemente nach Süden geflohen sein, was die Gegend nicht sicherer macht. Trotzdem verbringen einige Segler die Zyklonsaison in den Salomonen. Die Einheimischen sind recht aggressiv im Handeln. Sie möchten möglichst alles haben und scheuen sich auch nicht, Geld fürs Ankern zu verlangen. Es kommt sogar vor, dass einer die Hose will, die ich gerade trage. Mit etwas Humor kommt man trotzdem gut zurecht. Gerade die Tatsache, dass hier weniger Segler anzutreffen sind, reizt mich besonders. Auch bin ich gespannt, wie es Elisabeth und Dr. Hermann «Scheik» Oberli geht, der seit 1993 als Chirurg am Central Hospi- 209 tal in Honiara arbeitet. Er war letztes Jahr fürchterlich enttäuscht, als ich nicht mit meinem Boot aufkreuzte, sondern von Port Vila aus mit Solomon Airways zu einem Besuch hereinschwebte. Dieses Jahr soll es klappen. Im angenehm ruhigen Wasser im Lee der Insel erreiche ich nach einem Zwischenstopp Honiara. Naho-ni-ara bedeutet «facing the east and southeast trade winds». Schon der Name lässt keinen natürlichen Hafen erwarten. Der Empfang im Point Cruz Yachtclub (PCYC) ist überwältigend. Das Clubhaus sticht durch seine Südseearchitektur mit einer auffälligen Dachkonstruktion sofort ins Auge. Kaum schreibe ich meinen Bootsnamen ins Gästebuch, greift der Mann, der das Büro hütet und sich als Peter vorstellt, sofort zum Telefon. «Ich muss Dr. Hermann orientieren», erklärt er. Der Angerufene schnipselt gerade an einem Mann herum, der auf einer Santa-CruzInsel in die Schraube seines Aussenborders geraten war und den Kiefer verletzte. Als ich seine Frau, Elisabeth, anrufe, ist auch sie schon informiert. Der Commodore des PCYC, Reg Thomas, stellt mir eine Mooringboje zur Verfügung. «Was kostet sie»? «Zahl mir mal ein Bier». Doch Reginald trinkt kein Bier, nur Mineralwasser. Also leiste ich einen Beitrag in die Sammelbüchse des Junior Sailing Pools. Elisabeth weiss, was Segler nötig haben: «Morgen abend gibt es bei uns ein Nachtessen: Zunge nach Schweizerart. Bring auch deine Wäsche mit. Auch Faxe kannst du mitnehmen.» Am folgenden Samstag steigt bei Oberlis eine Party. Ich solle doch auch kommen. Der British High Commissioner, Brian mit Frau Terry, ist auch eingeladen, nebst dem kürzlich aus Südafrika eingetroffenen Polizeichef Frank Short mit seiner Frau Diana. Ich 210 fühle mich gebauchpinselt, in dieser prominenten Runde von Elisabeths Kochkünsten verwöhnt zu werden. Die Unterhaltung ist gelöst und lustig. Alle drei Paare sind weitgereist und geben unzählige Stories zum Besten. Den Kontakt zur Bevölkerung stelle ich jeweils abends im «Freeway» her. Der Club ist Donnerstag bis Samstag geöffnet. Hier geht es zu und her wie im hölzernen Himmel. Neben der internationalen Kundschaft hat es viele einheimische Frauen, die gerne zu einem Tänzchen bereit sind. Sie sind etwas dunkler als die Menschen in Vanuatu. Schlägereien, im Club angefangen, werden nach Wirtschaftsschluss auf der Strasse zu Ende geführt. Am 24. September habe ich während eines Tagestörns zur Red Beach wieder einmal eine Crew, Elisabeth und neun Gäste: Arcadia, Jenny, Roselyn und Haley aus Australien, Praful aus Fiji, Diana aus Südafrika, Gaby aus Deutschland und Joanne mit Sohn Steve aus Vanuatu. Ich empfange die Damen mit einem Glas Sekt und fühle mich wie der berühmte Hahn im Korb. Am Ufer beim Ankerplatz zeugt eine Kanone von vergangenen Kriegswirren. Mit Schwimmen und Schlemmen vergeht die Zeit viel zu schnell. Kein Wunder, gibt es allerlei Köstlichkeiten zum Essen und Trinken, handelt es sich bei meinen Gästen doch um den «Lunch-Punch-Kochklub.» Dann folgen Gegeneinladungen: Gaby und Peter Lasse servieren deutsche Kost. Peter arbeitet als Braumeister bei der hiesigen Solomon-Bierbrauerei, die von Deutschen erstellt wurde. Bei einem Besuch beeindruckt mich die hier herrschende peinliche Sauberkeit. Peter scheint die sechzig Angestellten mit eiserner Hand 211 zu führen. Sein Hobby ist fliegerischer Natur. Er baut Modellflugzeuge, wie Piper mit einer Spannweite von 2,80 Metern, aber auch Modellhelikopter. Sein Sohn fabriziert das Ultraleichtflugzeug «Faszination» der Firma Dalla beim Flugplatz Heubach in der Nähe Stuttgarts. Das ist ein kurzweiliger Abend. Wir können zur Abwechslung mal wieder deutsch sprechen. Darauf lassen wir uns bei Terry und Brian, dem British High Commissioner und Frau, im herrlich über Honiara gelegenen Anwesen im Swimmingpool den Apéro schmecken. Noch zwei Ärzte sind bei Oberlis zu Besuch und auch eingeladen: Dr. Cameron aus Perth und Dr. Victor. Brian amtet persönlich als Grillmeister. Es ist eine fröhliche Runde. Ich trinke gern mal eins und singe mit diesen erlauchten Gästen im Chor das «Baltimore Shanty», mit Elisabeth als Medium. Meine Damencrew lädt mich zum Abschied in ein Resort zum Lunch ein. Die Frauen sind herausgeputzt und bester Laune. Die Geschenke, die sie mir übergeben, verschwinden in meinem Rucksack. Ich habe das geahnt und vorgesorgt! Im Schatten eines Baumes am Strand hänge ich jeder Frau eine in Honiara erstandene Halskette um. Überrascht und gerührt nehmen sie mein kleines Geschenk in Empfang und bedanken sich artig mit einem Küsschen rechts und links. Und endlich kann ich mich auch revanchieren. Mit Elisabeth und «Scheik» segeln wir an einem Wochenende zur 25 Meilen entfernten Sandfly Passage der Florida-Gruppe, denn dies ist für sie eine willkommene Gelegenheit, wieder einmal ein Boot unter Segeln zu steuern. Im sechs Beaufort starken Passat sausen wir förmlich dahin. Ich hänge die Schlepp- 212 angel aus. Plötzlich schreit Elisabeth: «Wir haben einen Fisch!» Tatsächlich, ein respektabler Barracuda hängt an der Angel. Vorerst lassen wir ihn am Heck hängen, ist doch der Seegang fürs Bergen zu heftig. Unser Ankerplatz liegt im Lee der Insel Mbeki. Das Ankern ist trickreich, fällt doch der Grund steil ab. Als gewiefter Segler hat Hermann die Idee, zu einem am Ufer verankerten australischen Fischerboot eine fünfzig Meter lange Leine zu legen. Gesagt, getan. Ich gebe Hermann die Hälfte des gefangenen Fisches mit, der sogleich auf dem Grill am Ufer landet und von den Aussies lautstark verdankt wird. Unsere Hälfte verschwindet mit frischen Mangoschnitten und Kokosnusscreme garniert im Backofen. Elisabeth stürzt sich in den Badeanzug und behändigt die Schnorchelausrüstung. «Ich gehe den Anker kontrollieren, das hat mir ‹Scheik› beigebracht.» Der Kreis schliesst sich. Scheik traf ich zum ersten Mal im «Tschernobyl-Frühling» an der Starboot-Schweizermeisterschaft 1986 in Altnau. Er nahm mit seinem Boot «Noelani» und mit seinem langjährigen Steuermann Harald Menge aus Thun teil. Die nächste Begegnung fand im «Schwert» in Stammheim statt. Dort führte Hermann seinen Film «Smiling Transat» über eine Atlantiküberquerung vor, die er 1982 als Skipper des CCS-Schiffes «Smiling Swiss» gemacht hatte. Dazu einen Film über einen Segeltörn im Jahr 1985 von San Francisco nach Hawaii, mit Röbi Hunn von den «Shanty Singers Steckborn» als Navigator. Das Boot hiess «Coracle» und gehörte seinem Schwager Andy Eggler, mit Liegeplatz im Sausalito Yachtclub. Sie waren fünf an Bord und brauchten vierzehn Tage. Kaum in Hawaii angekommen, forderte der europäische Stress seinen Tribut. Die Crew musste sofort zur Arbeit zurückfliegen, während das Boot von einer bezahlten Besatzung zurückgebracht wurde. Auf der «Coracle» hatte ich übrigens bei einem Besuch im April 1994 mit Kathy und Andy einen Tag segelnderweise in der San Francisco Bay verbracht. Zusammen geniessen wir den herrlichen Sonnenuntergang in den Salomonen, den Scheik per Video aufzeichnet, und unsere 213 Gedanken wandern zurück. Lassen wir ihn selbst erzählen: «Einen Traum hatte ich noch, und er liess mir keine Ruhe. Als CCS-Skipper auf mehreren Ausbildungstörns lagen mir die Crewmitglieder mit der Idee in den Ohren, einen längeren Pazifiktörn zu organisieren. So entschloss ich mich zu einem Törn mit der «Coracle» (Cal 39): Sausalito – Hawaii – Tahiti – Hawaii – San Francisco. Als es jedoch um die Wurst ging, stand ich plötzlich alleine da. Die im CCS-Bulletin gesuchten Segler meldeten sich nicht. Eine einzige Anmeldung kam, und dieser Segler glaubte, er werde für den Törn bezahlt. Das führte zu einer abgespeckten Version. Von San Francisco nach Hawaii segelte Andy Eggler als Skipper mit Hansueli und Marlies Albrecht als Crew. Ich übernahm als Skipper die Rückfahrt von Hawaii nach San Francisco. Als ich Röbi Hunn fragte, ob er wieder mitmachen wolle, sagte er zu. Es waren noch Doris Füllemann aus St Gallen und Max Hauert von Basel mit dabei.» Eine weitere Begegnung mit Scheik fand im Mai 1993 in einem Stollen der Schweizer Luftwaffe statt, wo er als Arzt seinen letzten Militärdienst absolvierte. Ich war damals nervös und unentschlossen. Was kommt nach meiner bevorstehenden Pensionierung als Pilot auf mich zu? fragte ich mich zu jener Zeit. In tiefgründigen Gesprächen griff Scheik meine vage Idee auf, ein hochseetaugliches Boot zu kaufen und loszusegeln. «Otti, mach es! Der Weg ist das Ziel,» sagte er. «Ich selbst bin auch auf dem Weg zu neuen Ufern. Ich werde meinen Job als Chef der Klinik Meiringen an den Nagel hängen und in Honiara auf den Salomonen eine Stelle als Chirurg antreten.» Zum Glück war seine Frau für ein solches Abenteuer zu haben. «Otti, vielleicht kannst du uns nach Los Angeles fliegen.» Und das tat ich denn auch. Am 4. September 1993 hatte ich Elisabeth und Hermann bei der Landung in Los Angeles im Cockpit meiner MD-11. «Unterwegs hast du den Kurs geändert, damit wir von einem Jumbo der British Airways, der höher flog, eine Aufnahme machen konnten», erinnert sich Elisabeth. «Und in Los Angeles hattet ihr grosse Mühe beim Parkplatzsuchen!» Anstatt ins Hotel fuhren wir sofort zu Oberlis Verwandt- 214 schaft in Santa Barbara. Nach einem Fest und bevor ich wieder in die Schweiz zurückflog, gab ich Hermann meine vierstreifigen Achselpatten mit: zur Erinnerung an unseren Flug. Was hat Hermann bewogen, auf die Salomonen zu ziehen? Die Stelle war international ausgeschrieben. 47 Ärzte meldeten sich aus aller Welt. Schliesslich machte er das Rennen, denn er hatte «Südsee-Erfahrung» vorzuweisen, nach einigen Jahren als Chirurg in Apia auf Westsamoa. «Was mich hier fasziniert: Mit kleinem Aufwand kann ich sehr viel mehr erreichen als in hochtechnisierten Ländern wie der Schweiz, wo mit massivem Aufwand das Kosten/Nutzen-Verhältnis viel schlechter aussieht als in der Dritten Welt,» erklärt er. «Mein Spektrum deckt das ganze Gebiet der Chirurgie ab. Zum Beispiel kam einmal ein 16jähriges Mädchen zu mir, das acht Jahre vorher den Unterschenkel gebrochen und ein um 45 Grad abgewinkeltes Bein hatte. Das Röntgenbild zeigte, dass der Bruch noch nicht geheilt war. Nach der Operation konnte sie das Bein wieder belasten und lachen.» Das operierte Bein wurde extern fixiert, eine Spezialität Dr. Oberlis. Dieses Mädchen habe ich im Spital besucht. Einmal wurde Hermann nach Malaita gerufen. Eine Frau war hochschwanger, mit einem Kind in Querlage. Also war ein Kaiserschnitt angesagt, um das Kind gesund auf die Welt zu bringen. Wir geniessen diesen schönen Abend bei einem Glas Wein, und ich bin froh, in die Salomonen gekommen zu sein. Am nächsten Morgen erkunden wir verschiedene Buchten und machen uns bereit, um nach Honiara zurückzusegeln. Ich bin glücklich, dass es immer noch kräftig weht. Wir müssen sogar Reff 1 einbinden und die Genua auf die Hälfte einrollen. Zeitweise zeigt der Windmesser Beaufort 8. Wir kämpfen gegen ansehnliche Wellen, 215 wobei ich Hermann meine Windfahnenanlage demonstrieren kann. Er selbst scheut keinen Aufwand, die ganze Seglerei per Video aufzuzeichnen. Seine Kamera hat er in einen wasserdichten Container gepackt. Wenn Scheik am Ruder der «Hasta Mañana» steht, ist er in seinem Element und geniesst sichtlich den Moment. «Das ist es, was mir gefehlt hat», ruft er freudig aus. Er ist nicht nur am Spital aktiv. Als Vice Commodore der Sailing Division kümmert er sich um die Jugendausbildung. Zwölf Optimisten umfasst die Flotte des Junior Sailing Programme. Unterrichtet wird in vier Klassen. Scheik vertritt den CCS-Stützpunkt Honiara. Das Race der Royal Queensland Yacht Squadron wird bald nicht mehr Gizo in der Western Province, sondern Honiara als Zielhafen anlaufen. Der PCYC ist schon jetzt daran, diesen wichtigen Anlass vorzubereiten. Sie wollen ein Dinghy Dock und bessere Moorings erstellen. Der Ankerplatz vor dem PCYC ist etwas «rollig». Die meisten Yachten versuchen ihren Aufenthalt möglichst knapp zu halten. Die «Joanie D» mit Joanie und Jack ist hier, neben der «Gemini Contender» mit Klaus und Dietrich und der «Bravura», auf der zusammen mit dem Amerikaner George auch das Toggenburger Paar Lotti und Marcel als Crew segelt. Ich geniesse den Aufenthalt im PCYC, wo viel los ist. Mit seinen über hundert Mitgliedern scheint er mir der beste Yachtclub im Pazifik zu sein. Man braucht nicht Segler zu sein, um sich einschreiben zu können. Hier gibt es auch das günstigste Bier im Ort. Der Mittwochabend – wenn zwei Jackpots unter den Mitgliedern verlost werden – ist immer der Höhepunkt der Woche. An einem Mittwochabend lasse ich auch meine Abschiedsparty steigen. Mir fällt es einmal mehr schwer, weiterzusegeln. In Honiara erhalte ich auch meinen Log/Compass-Computer, den ich sofort einbaue. Und siehe da: Der Autopilot läuft wieder perfekt! Günthers Kundenservice der Tecnautic ist effizient, und ich bin ihm dankbar. Ich baue auch mein Reserveschaltkabel ein, denn nach einem Bruch des Kabels konnte ich nur noch vorwärts 216 fahren. Ein Retourgang ist jedoch in Riffnähe äusserst wichtig. Am 2. Oktober hisse ich die Segel und bewege mich unter AutopilotSteuerung entlang der Küste über den «Iron Botton Sound». Mein Ziel ist das zwanzig Meilen entfernte Tambea Resort. Ich bin bester Stimmung, denn alle Systeme an Bord funktionieren wieder. In Tambea angekommen, gehe ich neben der Yacht «Free Pont» aus Nouméa mit Françoise und Pierre vor Anker. Noch bin ich in Guadalcanal, für Elisabeth und Hermann jedoch bereits am Horizont entschwunden. Wird mein Freund seinen Vertrag verlängern, der bald ausläuft? Ich weiss es nicht. Ist er, wie er sich selbst ausdrückte, ein Gefangener der Insel geworden? Jedenfalls leistet er einen ungemein wichtigen Beitrag als Arzt. Seine Patienten sind ihm dankbar. Wo immer ich seinen Namen auf den Inseln erwähne, leuchten die Augen auf. Alle scheinen ihn zu kennen. Auf dem Weg zur Marovo-Lagune mache ich einen Zwischenhalt in Yandina auf der Russell-Insel. An der Kopra-Pier lege ich mich längsseits für die Nacht an ein Boot. Joakim, der Steuermann eines Koprabootes – er verdient etwa 200 Franken in Monat – warnt mich: «Nimm deinen Aussenborder und alle losen Teile in dein Boot für die Nacht, und pass auf! Es hat Ratten hier.» Ich igle mich ein und schliesse alle Luken. Mein unruhiger Schlaf wird früh morgens schlagartig beendet. Der Besitzer des Bootes, an dem ich hänge, will auslaufen. Also mache ich mich auch zum Weitersegeln auf, obwohl ich an einem Sonntag lieber ausschlafe. Die Marovo-Lagune erreiche ich kurz nach Mittag, eine ideale Zeit, um die Mbili-Riffpassage zu durchqueren, denn zu dieser Zeit sind die Untiefen am besten sichtbar. Dazu erweist sich mein sprechendes Echolot als äusserst nützlich. Gleich hinter der ersten Insel gehe ich in sechs Meter Wassertiefe vor Anker, gegenüber einer Bucht, in der vier Boote liegen. Ich bin kein Herdentier und gehe lieber meine eigenen Wege. Allerdings bleibe ich nicht lange alleine. Kanus tauchen auf. Ein Mann names Willy verkauft mir einen Fisch, und John will mir unzählige Schnitzereien, die er im Kanu 217 mitführt, verkaufen oder gegen etwas Nützliches eintauschen. Sogar meinen Aussenborder möchte er gegen eine grosse Maske eintauschen. Ich winke ab. Diese Schnitzereien sind eine Spezialität dieser Lagune und eine wichtige Einnahmequelle. Erst beim Eindunkeln gelingt es mir, den aufdringlichen John von meinem Boot zu vertreiben. Obwohl er als Seventh Day Adventist eigentlich dem Alkohol und Rauchen entsagen sollte, ist er einem Schluck nicht abgeneigt. «Ich trinke nie im Dorf, sondern nur auf den Segelbooten», stellt er lächelnd klar. Wenn er lacht, schimmern seine Zähne rötlich, das Zeichen, dass auch er Betelnüsse kaut, das «Bier des armen Mannes». In den Salomonen wird kein Kava mehr getrunken, sondern Weiblein und Männlein kauen diese grüne Nuss zusammen mit etwas Kalk, ein Produkt, das an zahlreichen Ständen angeboten wird. Die Marovo-Lagune hat einen Durchmesser von etwa 45 Kilometern. In Mbatuna befindet sich die Missionsstation der Adventisten und ein kleiner Flugplatz. Der Grossteil des Verkehrs findet allerdings auf dem Wasser statt, denn Strassen hat es keine. In Chea verweile ich einige Tage und werde wie ein Freund behandelt. Ich kann einen Einblick ins Dorf- und Familienleben nehmen. Täglich läuten die Glocken um sieben Uhr morgens, worauf die Jugendlichen zum Frühgebet gehen. Alle sind fleissig: Die Frauen arbeiten im Garten, die Männer schnitzen oder fahren zum Uepi-Resort, um ihre Werke zu verkaufen. Nachdem ich dem Dorfchief Derick etwas abgekauft habe, lassen sie mich in Ruhe. Abends duschen zuerst die Frauen gemeinsam unter einer freistehenden Brause am Ufer und haben dabei ein Kleidungsstück an, darauf sind die Männer dran. Silva führt von mir geleihte Videos vor und verlangt einen SalomonDollar pro Zuschauer. Das hat 218 seine Berechtigung, denn für diese Vorführungen muss er seinen kleinen Generator anwerfen. Abends um sieben Uhr pilgern wieder alle zum Gebet – und das jeden Tag. Länger dauert es am Sabbat, wenn grosse Gottesdienste stattfinden. Trotz der dominierenden Kirche geniessen die Leute das Leben. Will jemand rauchen oder Alkohol trinken, so ist das erlaubt, allerdings sollte man dann der Kirche fernbleiben. Roy, der Schwager Dericks, will jedenfalls sofort ein Bier, sobald er an Bord kommt, und möchte gerne einen «Blue movie» sehen. Er schickt mir auch seine jüngere Schwester zu einem abendlichen Besuch vorbei. «She is a free fuck …» erkärt er mir. «Sie hat keinen Freund und ist nicht verheiratet». Sobald sich der Schleier der Nacht übers Dorf senkt, legt sie mit ihrem Kanu an. Wir verstehen uns gut. In diesem Dorf hat der junge Norweger Edvard Hviding umfassende Studien für die Universtät Bergen angestellt und mit zwei Büchern, die an alle Schulen in der MarovoLagune verteilt wurden, seinen Doktorgrad erworben. Über die fünf Meter tiefe Helebar verlasse ich die Lagune. In Tetemara (Viru Harbour) werde ich, kaum an Land, sofort von einer Schar Kinder in Beschlag genommen. Ein Junge von etwa fünf Jahren ergreift meine Hand und lässt sie nicht mehr los. Es ist Sabbat, der Sonntag der Adventisten. Die Kinder begleiten mich zu einer aufgereckten japanischen Kanone, die den Hafeneingang bewacht. Ich möchte ein Foto von den Kindern auf der Kanone machen. «Das ist an einem Sabbat nicht erlaubt,» erklärt Frazer, ein junger Mann. Es sei denn, ich spende einen Beitrag für die Kirche … Ich lege meinen Obolus in ein Couvert und überreiche es abends vor dem Gottesdienst. Vor der versammelten Ge- 219 meinde werde ich – unter Verdankung meiner Spende – willkommen geheissen. Kinder jeden Alters sorgen für eine lockere Stimmung und Geräuschkulisse. Sie singen voller Inbrunst und scheinen diese Stunde zu geniessen. Die Melanesier in der Western Province sind dunkel bis blau-schwarz, schlank und schön, mit ebenmässigen, offenen Gesichtszügen. Nach einigen Stunden Segeln erreiche ich Munda, in einer malerischen Lagune gelegen, und gehe vor der Agnes Lodge vor Anker. Agnes, die Wirtin, ist schon 78, ihr Gatte 89, und sie haben zehn Kinder. Diese sind natürlich auch schon längst verheiratet und haben für Nachwuchs gesorgt. Ob Agnes wohl alle ihre über siebzig Enkel beim Namen kennt? Hier vertreibe ich die Zeit mit Tauchen bei den «Solomon Divers». Letztes Jahr hatte ich in Port Vila meine «Padi»- Prüfung abgelegt, womit sich mir eine neue Welt erschloss. Am Aussenriff treffe ich auf Mantas, Schildkröten und patroullierende Haie. Zum Tauchen braucht es hier keinen Wärmeanzug, denn die Wassertemperatur liegt bei 28° C. Munda hat eine Riesenlandepiste, gebaut von den Japanern im Zweiten Weltkrieg. Die Twinn Otter von Western Pacific Airways rollen mitten ins Dorf und stoppen nur einen Steinwurf von der Agnes-Lodge entfernt. Etwas östlich besuche ich ein verrostetes Kriegsdepot der Amerikaner. Noch heute benutzen Frauen Alu-Tragflächen von abgeschossenen Flugzeugen als Waschbretter. Gizo erreiche ich in einem halben Tag. Bei der Einfahrt passiere ich Kasolo, die Insel, auf die sich John F. Kennedy am 1. August 1943 zusammen mit zehn Besatzungsmitgliedern retten konnte, nachdem sein Patroullienboot PT-109 von den Japanern versenkt worden war. Deshalb wird Kasolo auch oft als «Kennedy-Island» bezeichnet. Mein Besuch beschränkt sich aufs Ausklarieren, Auftanken, Einkaufen und einen Discoabend im Gizo-Hotel. Am 18. Oktober 1997 nehme ich die 1045 Meilen – das sind knapp 2000 Kilometer – nach Bundaberg in Australien in Angriff. Ich bin gespannt, wie das ausgehen wird, könnte es doch schwierig werden, gegen den Passat anzukreuzen. Die andere Variante wäre, in vier bis 220 fünf Tagen nach Cairns zu segeln und mich dann in einem «ewigen Werk» innerhalb des Great Barrier Reefs nach Süden zu mausern. Ich will zur Lawries Marina – östlich Brisbanes – zurück, in der ich letztes Jahr so gut aufgehoben war. Schon bald stelle ich fest, dass ich auf Steuerbordbug Bundaberg gerade anliegen kann. Die ersten paar Tage verlaufen friedlich, doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Plötzlich beginnt mein Windgenerator zu vibrieren. Die gesetzte Backstag ist gebrochen, und der übriggebliebene Teil hat mir ein Propellerblatt beschädigt. Also muss ich den Generator abschalten. Die vierte Nacht hat es dann wirklich in sich. Es beginnt zu regnen, und der Wind legt auf Beaufort 8 zu. Das heisst zwei Reffs einlegen und die Genua um Zweidrittel eindrehen. Der Seegang wird ekelhaft, und dann passiert es. Ein Knall, und der Topbeschlag der Rollfock ist gebrochen! Die ganze Anlage hängt noch am Fockfall, aber wie lange noch? Die Fock kann ich nicht mehr eindrehen. Soll ich das Ganze herunterlassen? Auch das geht schlecht. Ich warte wohl am besten, bis die Fock von selbst runterfällt. Beim Weitersegeln stelle ich mit Schrecken fest, dass das Toplicht nur noch am Kabel hängt. Da müssen die Schrauben ausgerissen sein. Am nächsten Tag liegt das Licht an Deck, mit noch intakten Glühlampen. Der Wind stabilisiert sich auf 20 bis 25 Knoten. Zwei Tage später schreckt mich ein dumpfes Geräusch auf: Die ganze Rollfockeinrichtung liegt im Lee im Wasser. Mit einer Schot, unter Zuhilfenahme der Steuerbordwinsch und einiger Mühe, hieve ich das Ganze an Bord und zurre es an der Reling fest. Am Heck steht das Zeugs fünf Meter hinaus und wippt im Seegang. Dann setze ich die Sturmfock am Kutterstag. Schön. Nach diesem Missgeschick habe ich wieder ein richtiges Segelboot. Ich habe auch etwas gelernt. Es macht Sinn, bei Windstärken über 25 Knoten die Rollfock einzudrehen und die Sturmfock am Kutterstag zu setzen, weil die Belastung des Riggs beim tagelangen Kreuzen extrem gross ist. Der Bruch des Rollfockbeschlages hätte zu einem viel blöderen Zeit- 221 punkt erfolgen können als jetzt, während ich mich sozusagen auf dem Nachhauseweg befinde. Es sind nur noch fünf Tage bis Australien. Langstreckensegler und speziell Einhandsegler müssen leiden können. Ich fühle mich wie ein Velorennfahrer, der den letzten Hügel vor dem Ziel erklimmt. Am zehnten Tag auf See, bei schönstem Wetter, taucht Bundaberg vor mir auf. Mit etwas übersäuerten Beinen erreiche ich am 28. Oktober 1997 Australien. Lustig, am genau gleichen Datum kam ich letztes Jahr in Brisbane an. Hier ist es Frühling, und mein Puls beschleunigt sich. In zwei Tagesetappen erreiche ich via Great Sandy Strait Mooloolaba und die Lawries Marina. Viele Bekannte freuen sich, dass ich wieder hier bin: «Hey mate, wie ist denn das passiert?» ist das erste, was ich in diesem Hafen zu hören bekomme. 222 Korallenküste Mooloolaba – Cairns – Cooktown – Cape York – Torres Strait – Arafura Sea – Darwin «C ruising the Coral Coast», so heisst der Cruising Guide von Alan Lucas, ohne den ein Segler innerhalb des Great Barrier Reef verloren wäre. Aber noch bin ich nicht bereit zur Abfahrt. Anfangs März 1998 wartet ein gerütteltes Mass an Arbeit an der «Hasta Mañana» auf mich. Ich muss mich sputen, denn ich will spätestens Mitte April lossegeln. In der Lawries Marina geniesse ich schon bald Ehrenbürgerrecht. Mein Visum für Australien ist sechs Monate gültig. Vorerst repariere ich die am Masttop gebrochene «Profurl»-Rollfockanlage. Erzetzen muss ich nur eines der Profilrohre, die anderen kann ich wieder in die ursprüngliche Form bringen. Wir ziehen ein neues Fockstag ein. Das acht Millimeter dicke Stag brach unterhalb der oberen Presshülse nach siebenjährigem Betrieb und etwa 20 000 nautischen Meilen. Jock, ein jüngerer australischer Segler der «Sea Cow», ist mir tageweise behilflich. Mit 900 australischen Dollar komme ich vorerst davon, allerdings kostet die Reparatur der eingerissenen Genua noch zusätzliche 400 Dollar. Dazu lasse ich einen Segelsack fürs Sturmsegel anfertigen, damit ich es an Deck immer zum Hissen bereit habe. Zwischendurch bestelle ich die Seekarten für dieses Jahr. Für mich ist es die beste Lösung, bei «Bellingham Chart Printers» in den USA Kopien des amerikanischen Verteidigungsministeriums zu besorgen. Sie können in 2/3-Grösse bestellt werden. Ich melde mich auch für das Darwin-Ambon-Yacht-Rally mit Start am 25. Juli an. Das Meldegeld von 700 Dollar ist hoch, aber es sind etliche Parties und das «Cruising Permit» für Indonesien eingeschlossen, das alleine 400 Dollar kostet. Ich weiss nicht, ob dieses Rally 223 überhaupt durchgeführt wird, ist doch die Lage in Indonesien nach wie vor verworren. Auf meinem Boot baue ich anstelle der analogen Computer die neueste digitale Version des Tecnautic-Autopiloten ein. Ein Teil der Elektronik ist in den Instrumenten enthalten. Damit kann ich drei analoge Blackboxes wegschmeissen. Alles ist jetzt in einer Blackbox mit einem Sprachcomputer für das Echolot und einer Drivebox untergebracht, welche die Steuersignale des Autopiloten für die hydraulische Ruderbetätigung verarbeitet und über ein Buskabel überträgt. Diese technische Aufrüstung kostet mich über 2500 Franken. Anschliessend hebt mich Charly mit dem Travellift aus dem Wasser. Mit Jocks Hilfe sind die zwei Gallonen der aus Vanuatu ins Land geschmuggelten Unterwasserfarbe schnell aufgebraucht. Ich benütze asiatische Anti-FäulnisFarbe, die garantiert jeden Bewuchs verhindert. Nach kaum fünf Tagen ist der Boot wieder im Wasser. Am 12. April löst mir Jock morgens um fünf die Leinen mit den Worten «Keep your banana up!», in Anspielung auf meine neue E-Mail-Adresse: hastabanana@hotmail.com. Die Idee, die- sen Namen zu wählen, kam mir, als ich am Funk öfters mit «Hasta Banana» anstatt «Hasta Mañana» aufgerufen wurde. 224 Von Zeit zu Zeit schaue ich in einem Internetcafé, was in meiner In-Box steckt und prüfe nebenbei im «Blick» (www.blick.ch), was in der Schweiz alles läuft. Zum Beispiel habe ich mit unserem ehemaligen Regattaleiter des YCS, Pit Häberlin, per E-Mail Kontakt. Ich habe ihn in Bangkok kurz gesehen. Wir sassen bei einem Bier auf der Terrasse des «Oriental» und liessen vergangene Zeiten aufleben. Pit fliegt nach seiner Pensionierung bei der Swissair als Captain für die Thai Airways. Heute bin ich auf der «Hasta Mañana» früh unterwegs, weil ich unbedingt die sechzig Meilen entfernte Wide Bay passieren will, die wegen ihrer Untiefen nur bei ruhigem Meer überquert werden kann. Es klappt bestens. Kurz vor dem Eindunkeln hänge ich in der Tin Can Bay in der Great Sandy Strait im Schutze von Fraser Island, der grössten Sandinsel der Welt. So steht es zumindest im Reiseführer. Die angesagte Schlechtwetterfront erwischt mich erst in der Hervey Bay. Ich rette mich in die Burnett Head Marina bei Bundaberg. Bundaberg ist eine schöne Stadt, bekannt durch den Zuckerrohranbau und den «Bundi»Rum. Auch wird hier das Ultralight-Flugzeug «Jabiru» gebaut. Nach einem Tag Pause fahre ich weiter Richtung Norden. Etwas nördlich von Bundaberg beginnt das Great Barrier Reef, an dessen Innenseite ich mich von Ankerplatz zu Ankerplatz «hangle», in Tagestörns von 40–60 Meilen. Mal liege ich nachts in einer Bucht am Festland oder bei einer Insel. Von See her sieht die Küste eintönig aus. Die Inseln sind meist unbewohnt. Nur einige verfügen über – teure – Resorts, Hotels oder Zeltplätze. Abends vor Anker bin ich meistens alleine. Nicht mal andere Segelboote sind zu dieser frühen Jahreszeit unterwegs. Es läuft nichts, aber auch gar nichts, und es herrscht im wahrsten Sinne des Wortes tote Hose. Wehmütig denke ich an das vergangene 225 Jahr in der Südsee zurück, an Neukaledonien, Vanuatu und die Salomonen. Dort hätte ich schon längstens einige Kanus zu Besuch. Wenigstens ist das Wetter gut, zwar wechselhaft, aber durchwegs mit Südostpassat mit Beaufort 5-6. Dann tauchen die Whitsundays am Horizont auf. Auf Hamilton Island stehen sogar Hochhäuser und auf der Lindeman-Insel ein hässlicher Club Med, wenigstens vom Schiff aus gesehen. Beide Inseln verfügen über einen eigenen Flugplatz, damit es wirklich schön bequem geht. Es ist ein schönes Segelrevier, mit der Möglichkeit, Boote in der Abel Point Marina bei Airlie Beach zu chartern. In dieser Marina verbringe ich einige Tage. Airlie Beach ist ein quirliger Touristenort mit unzähligen Unterkünften für Backpackers, wie «Magnums», «Beaches» oder «Koalas» und damit voll von hauptsächlich jungen Reisenden, welche die vielfältigen Wassersportmöglichkeiten nutzen. Allerdings ist Vorsicht geboten. Von November bis April, je nach Wetterlage, begegnet man an den Stränden oft den Boxjelly-Fischen, einer giftigen Quallenart. Wesentlich ungefährlicher «schwimmt» es sich abends in den Discos. Weiter führt mein Weg durch die Glouchester-Passage, mit nur einem Meter Wasser unter dem Kiel. Allgemein kann man entlang der Küste leicht ankern. Es ist nie tief, auch einige Meilen ausserhalb der Küste selten über 25 Meter, und hat durchwegs sandigen Grund. Ende April liege ich ruhig in der «Horseshoe»Bay beim Magnetic Island östlich von Townsville. Es ist erfrischend, hier zu schwimmen und ausgedehnte Wanderungen zu abgelegenen Buchten zu unternehmen. Ich habe aber auch einen «Absteller». Salzwasser ist in die Bilge eingedrungen – und sogar ziemlich viel. Schliesslich finde 226 ich die Ursache: Der mit Kühlwasser durchströmte Auspufftopf hat zwei Lecks. Das bedeutet, dass ich jeden Abend die Bilge lenzen muss. Die Einfahrt in den Hinchinbrook-Kanal ist mit Einweisungslichtern markiert. Bei Einbruch der Dunkelheit lege ich mich in der Nähe des Haycock Island vor Anker. Das Wasser ist ruhig wie in einem Teich, aber plötzlich überzieht sich der Himmel, und es beginnt wie aus Kübeln zu giessen. Kein Wunder, ich befinde mich etwas südlich von Tully, Australiens feuchtestem Ort mit über vier Metern Niederschlag pro Jahr. Auf der Hinchinbrook-Insel liegt der 32 Kilometer lange Thorsborne Trail, den ich später mit Susi «bezwingen» will. Der 3. Mai wird zu einem Fernsehsonntag. Ich segle entlang der Küste und empfange schon Channel 9 mit Sport aus aller Welt. Von Zeit zu Zeit löse ich mich vom TV-Set und werfe einen Blick in die Runde, um zu prüfen, ob mich ein Boot kreuzt. Die letzte Nacht vor Cairns verbringe ich im Lee der Insel Fitzroy. Schliesslich erreiche ich Cairns am 4. Mai mit 807 Meilen am Log. Ich bekomme einen Platz in der gerade wieder geöffneten Marlin Marina, nachdem sie letztes Jahr ein Opfer des Zyklons «Justin» wurde. Cairns, die Hauptstadt des «Far North», ist total auf Tourismus ausgerichtet, mit unzähligen Hotels aller Kategorien, Restaurants und Discos. Hier vermischen sich Gruppenreisende mit Individualisten und Backpackers. Nebst Tauchen und Schnorcheln am Riff werden Aktivitäten wie Whitewater Rafting, Kanufahren, Bungy-Jumping und Fallschirmspringen angeboten. Cairns ist für mich aber auch der letzte Ort, wo sich auf dem Weg nach Darwin ein Boot reparieren lässt. Ich mache mich umgehend daran, den Auspufftopf schweissen zu lassen und die «Hasta Mañana» wieder fit zu machen. Im Yachtclub von Cairns trifft sich die Seglergilde: Klaus und Dietrich mit der «Gemini Contender» aus Südafrika sind hier, neben Mona und Paul mit der «Orion» aus Hamburg. Ich mache auch die Bekanntschaft des jungen Paares Susi und Gianni der 227 «Isola» aus dem Puschlav. Im CYC hänge ich eine Anzeige auf: «Female Crew to Darwin wanted: one or two girl(s). Sorry, no boys». Mal schauen, was sich ergibt. Aber vorerst erwarte ich Susi, die sich wieder Singapore Airlines anvertraut, um von Zürich nach Cairns zu fliegen. Ich bin guter Dinge und freue mich auf die kommenden drei aktiven Wochen mit meiner Freundin aus der Schweiz. Zuerst fahren wir mit einem Bus südwärts nach Cardwell, dem Ausgangspunkt des Thorsborne Trail auf der Insel Hinchinbrooks. Es regnet, als wir mit anderen Backpackern per Fähre zur Insel übersetzen. Der Track geht oft durch Regenwald, also muss es hier wohl öfters regnen. Drei Nächte verbringen wir im Zelt auf dieser Insel, einmal am Strand, zweimal in der Nähe von Wasserfällen, mit herrlichen Pools zum Baden. Wir durchqueren viele Flüsse, was eine Annehmlichkeit mit sich bringt: Ist man durstig, braucht man sich nur zu bücken, um glasklares Wasser schlürfen zu können. Aber es ist auch Vorsicht geboten. Bei einem Fluss, den wir durchqueren müssen, steht ein Schild: «Be careful! Estuarine crocodiles may be here». Es könnte also Salzwasserkrokodile («Salties») haben, und die sind gefährlich. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen suchen wir eine uns sicher scheinende Stelle, um den Fluss zu passieren. Anschliessend fliegen wir nach Alice Springs ins «rote Zentrum» Australiens. Seit ich vor über dreissig Jahren die zu Tränen rührende Liebesgeschichte von Nevil Shute – «Eine Stadt wie Alice» – gelesen hatte, wollte ich schon immer diesen Flecken sehen. Nach einer Nacht im «Elke‘s»-Backpacker starten wir am westlichen Ende des «Larapinta Trails» in den West MacDonnell Ranges. Ist der Trail mal vollständig fertiggestellt, kann man von hier eine 200 Kilometer lange Strecke bis nach Alice Springs wandern – natürlich auch in umgekehrter Richtung. Im wahrsten Sinne des Wortes erschwerend ist, dass man nur jeden zweiten Tag auf Wasser trifft: in Wasserbehältern auf den Zeltplätzen. Also schleppen Susi und ich jeden zweiten Tag je acht Liter Wasser mit 228 uns. Das erhöht das Rucksackgewicht auf über 25 Kilo. Dieser Trail ist unglaublich schön. Das Wetter auch. Tagsüber ist es heiss, nachts kann es recht kalt werden, und die Wüste lebt! Rotbraune Erde schimmert zwischen Spinifex, stacheligem Gras, zwischendurch marschieren wir im Schatten verschiedener Arten von Eukalyptusbäumen. Wir sind eins mit der Natur und treffen nicht einen einzigen Wanderer auf diesem Trail, höchstens Touristen, dort, wo Wasserstellen per Auto erreichbar sind, zum Beispiel Glenn Helen Gorge oder der Ormiston Gorge. Die Flüsse sind ausgetrocknet – nur von Zeit zu Zeit säumt ein Wasserloch unseren Weg. Dieser Trail wurde durch Insassen des Gefängnisses von Alice Springs vorbereitet und markiert. Die «Campsites» bestehen aus einer Feuerstelle und sonst nichts. Holz finden wir reichlich. An der Serpentine-Schlucht ist am Abend des sechsten Tages der westliche Teil des Trails zu Ende – schade, wir wären gerne weitermarschiert. Am nächsten Tag machen wir uns per Autostopp auf den Rückweg nach «Alice». Den in der Nähe liegenden Ayer‘s Rock und den Kings‘ Canyon lassen wir aus – nicht mal das in Susis Ticket für drei Tage inbegriffene Auto holen wir ab. Statt dessen erkunden wir Alice Springs per Fahrrad. Zurück in Cairns, will ich Susi die Seglerei etwas näher bringen. Wir laufen an einem regnerischen und windigen Tag zur drei Stunden entfernten Green Island aus. Susi gefällt es, obwohl das Meer am Tag und auch in der Nacht vor Anker ausgesprochen unruhig ist. Sie scheint seefest zu sein. Am nächsten Tag segeln wir zurück. Den letzten Tag vor ihrer Abreise möchte Susi an Bord der «Passion of Paradise» verbringen. Auf diesem Schiff bekommen wir eine lustige, aber seriöse Einführung ins Tauchen und verbringen drei Stunden am Riff. Es hat auf diesem Boot um die fünfzig, hauptsächlich junge Touristen. Susi steigt nach dem ersten Tauchgang begeistert aus den Fluten und macht sogar einen zweiten mit. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Schon bald fliegt Susi wieder Richtung Schweiz ab. Zwischendurch kommt eine Frau vorbei, die meine Anzeige im Yachtclub gelesen hat und mit mir segeln möchte: Geralda aus 229 Holland. Und sie will gleich noch zwei Freundinnen mitnehmen. So habe ich schliesslich drei Frauen an Bord und dazu einen Mann, der ebenfalls mitfahren möchte: Markus, ein junger Schweizer aus Opfershofen bei Weinfelden. Warum ich lieber mit Frauen segle? Frauen sind vielseitiger als Männer. Sie können meistens einkaufen und kochen und wissen, wie man das Boot reinigt. Dazu herrscht mit Frauen einfach eine bessere Stimmung an Bord. Das ist es vor allem. Und ehrlich: Ich denke nicht an Sex. Was das Segeln betrifft, lernen Frauen auch schnell genug, um eine Wache übernehmen zu können. Diesmal geht der Schuss allerdings hinten raus. Als Markus und ich unsere Begleiterinnen zum Einkaufen treffen wollen, tauchen sie zur vereinbarten Zeit nicht auf. Wir stehen beim «Woolworth» wie bestellt und nicht abgeholt. Das beginnt ja gut, denke ich. Wir sind sauer. Erst an Bord finden wir eine magere Mitteilung, dass ein Mädchen eine Stelle gefunden hat. Von den andern beiden hören wir nichts mehr. Am 7. Juni laufen wir zum 450-Meilen-Stück zur Torres-Strasse aus, nachdem wir den Dieseltank zu 60 Cents pro Liter gefüllt haben. Auch auf diesem Törn ist es üblich, in Tagesetappen zu segeln, innerhalb des Great Barrier Reefs und entlang der Schifffahrtsroute mit mehr oder weniger Verkehr. Obwohl Markus wenig Segelerfahrung hat, werden wir schnell zu einem guten Team. Vielleicht komme ich auch noch soweit, um zu wünschen: Keine Frauen an Bord, das gibt weniger Probleme. Wer weiss? Wir segeln auch am Cape Tribulation vorbei – James Cook gab ihm den Namen «Kap des Kummers». Dort begann alles Unheil, wie er 1770 notierte, nachdem seine «Endeavour» auf das heute «Endeavour» genannte Riff auflief und leckschlug. Mit seinen 94 Män- 230 nern an Bord schaffte er es, nachdem das Schiff um die Kanonen erleichtert und notdürftig abgedichtet worden war, sich zum heutigen Cooktown beim Cook-Inlet am Endeavour-Fluss zu verholen. Dort gründete er die erste europäische Siedlung Australiens. Joseph Banks, ein Naturforscher an Bord, sammelte unzählige Pflanzen und beschrieb als erster Europäer das Känguruh. Nachdem das Schiff nach 48 Tagen repariert war, wartete James Cook günstige Winde ab, um einen Ausweg aus dem Riff zu suchen. Wir statten Cooktown und dem dortigen Cook-Museum einen Besuch ab. Weiter nördlich beeindruckt uns Lizard Island am meisten. Eine Nacht verbringen wir in der östlich gelegenen Lagune, dann zwei in der Watson Bay. Auf dem Cook-Lookout (358 ü.M.) ist der Ausblick atemberaubend. Von hier aus hatte James Cook eine Passage durchs Barrier Reef gefunden. Am Ankerplatz zählen wir zwölf Segelboote. Je weiter wir nördlich vorankommen, desto näher rückt der Riffgürtel ans Festland. Wir folgen der Schifffahrtslinie und zählen, je nach Tag, bis zu acht Containerschiffe oder Tanker. Mit dem Wetter haben wir unglaubliches Glück. Kein Tag, der nicht noch schöner als der vorangegangene ist, und stets bläst der Wind mit 15 bis 20 Knoten. Besser kann es gar nicht sein. Als wir dann noch einen ansehnlichen Bonito fangen, ist unser Glück vollkommen. Einige Segler, die wir unterwegs treffen, wollen auch ans Ambon-Rally. Die Lage in Indonesien scheint sich zu stabilisieren, nachdem Präsident Soeharto am 21. Mai zurückgetreten «worden» ist. Ich nehme an, dass der Regattaleiter uns nur starten lassen wird, wenn die politische Lage einigermassen sicher ist. Ich möchte dieses Jahr über Indonesien, Singapore und Malaysia nach Phuket in Thailand segeln. Andere Segler wollen Indonesien an Steuerbord liegen lassen und via Christmas Island und um Sumatra herum Thailand direkt ansteuern. Irgendwann überfliegt uns tief ein mit «Customs» angeschriebenes Flugzeug. «Sailing vessel, this is Coast Watch 252, please give your details!» ertönt eine Stimme auf Channel 16. Ich gebe 231 Namen und Woher und Wohin durch, worauf das Flugzeug abdreht, nicht ohne uns vor einem Krokodil zu warnen, das in der Margaret Bay sein soll. Auf unserem nördlichen Kurs liegen die Ankerplätze weit auseinander. Deshalb segeln wir immer schon um vier Uhr morgens ab. Der bis Beaufort 8 starke Wind treibt uns locker zum 65 Meilen entfernten Escape River. Die Einfahrt ist untief, und zeitweise verhindern Regenschauer den Blick zur Küste. Vor einer Perlenfarm gehen wir vor Anker und liegen erstaunlich ruhig. Am 20. Juni erreichen wir nach einem weiteren stürmischen Tag und nach dem Durchqueren der Albany-Passage – eines natürlichen Kanals – den nördlichsten Punkt Australiens. Mit zwei Büchsen Bier bewaffnet «stürmen» wir das unspektakulär wirkende Cape York zu Fuss. Zu den Thursday Islands sind es noch knapp zwanzig Meilen. Hier in der Torres Strait sind die Strömungen unglaublich stark: bis acht Knoten. Wir müssen vorsichtig sein. Auf die Strömungstabellen in meinen Gezeitentabellen ist wenig Verlass. Der «Anflug» zum Ankerplatz vor Horn Island ist mit Bojen markiert. Wir haben Glück: Ein Frachter, der vor uns einläuft, zeigt uns den Weg. Den Sonntagnachmittag verbringen wir auf Thursday Island, die wir mit einer kleinen Fähre erreichen. Wir sind glücklich, denn wir haben ein wichtiges Zwischenziel erreicht, pendeln von Pub zu Pub und trinken mit den Aborigines um die Wette. Nach kurzem Einkaufen binden wir unser Dinghy auf‘s Deck, schrauben den «Malta» fest und los geht es mit Ziel Darwin, das 650 Meilen entfernt im Westen liegt. Gegen Abend erreichen wir die offene See, und ein Rückenstrom von vier Knoten spült uns in die Arafurasee. Damit ist ein Wendepunkt meiner Reise erreicht, bei der es kein Zurück mehr gibt. Hat man nämlich mit einem Segelboot erst einmal die Nordspitze Australiens umrundet, ist es schwierig, gegen den meist starken Südostpassat wieder in östliche Richtung zu segeln. Meine Fahrt führt nun zwangsläufig westwärts und im- 232 mer weiter weg von der Südsee, in die ich einmal wollte und wo sich bei mir so viele Träume erfüllten. Ob ich je wieder dorthin zurückkehren werde? Wehmut vermischt sich mit Genugtuung. Ich bin traurig, diese Welt mit zahllosen traumhaften Eilanden hinter mir zu lassen, in der ich mich glücklich fühlte, und zugleich zufrieden und bereichert von der Fülle und Intensität der Erlebnisse im Laufe der letzten vier Jahre. Unbeschwert bin ich 1994 im Mittelmeer losgefahren, und seither liegen 23 000 nautische Meilen oder über vierzigtausend Kilometer hinter mir. Skipper und Boot sind unbeschadet. Zwar bin ich ein geselliger Typ, der gerne Menschen um sich weiss, doch habe ich die Weiten des Pazifiks auch als Einhandsegler erlebt, habe diese Herausforderung bestanden und es sogar genossen, alleine unterwegs zu sein. Unvergesslich 233 bleiben mir stets die unglaubliche Gastfreundschaft, Fröhlichkeit und spontane Hilfsbereitschaft, die mir von den Bewohnern der polynesischen und melanesischen Inseln immer wieder und überall zuteil wurden. Missen werde ich vor allem eines ganz besonders: die vielen Menschen, die ich näher kennenlernte. Vor mir weitet sich erneut der Horizont. Still nehme ich Abschied von einer Phase meines Lebens, die wohl einmalig war. Ich fühle mich ruhig und gelassen und weiss, dass dort vorne, hinter dem Horizont, neue Länder und neue Menschen auf mich warten. Der Wind füllt die Segel. Die Reise geht weiter – zunächst nach Darwin … 234 ARC-Rally 94 Absolutely Aila Aliza Aquis Grana Alskada Angaro Arche Argo Arkangelos Bavaria III Belle de Vienne Beryll Big D Billy Jean Boandaro Boisterous Bullwinkle Capriciosa Carioca Catalina Catalouf C'est si bon Chapina Cirrus Clarissa Cloud Nine Coco de Mer Concubine Contessa Cordia Culnor Damara Danna De Makareel III Diamond of Malta Dilemma Dizzie Z Eagle Edel Lady Enduro Feeling Blue Heliotrope Highland Daughter Final Approach Firecracker Flydi Gradiva Happy Joss Hasta Mañana Helios II Hissar Hulie Impulse Isaura Jacqueline Jambia IV Janetta Emily Jan Plezier Jason Jonathan Seagull Kaat Mossel Kassandra Kavanga Kekama II Kelly's Eye of Hamble Kemmuna Kilrush Nomad Klenkes Koepenik La Belle Mo La Licorne Liberte Little Women Lord Portal Madrigal of Mylor Oyster49 Sciarelli Roberts 53G Mikado Aphrodite33 Sun Odyssey 51 Gib'Sea 44 Trinidad 48 Moody 376 Amel Maramu First 38 S&S Jeanneau Sun Odyssey 42 Rival Bowman 48 Oyster 55 Sigma 38 Hallberg Rassy Westerly Oceanlord Scorpion III Jeantot 47 Scorpion Klingenberg Malo 42 Hallberg Rassy Beneteau First Jeantot 40 Hallberg Rassy Gib'Sea 126 Hallberg Rassy Bowman 36 Westerly Hallberg Rassy Hallberg Rassy Sonate Ovni Santarelli Oyster 435 Jeanneau Lagoon Bavaria Endurance 37 Jeantot 48 First 42s7 Bavaria 390 Lidgard sloop Swan 46 Sonate Ovni Amel Mango Royal Huisman Engholm 40 Jongert 18 Swan 68 Moody 47 Dynamique 62 Schooner Assmann sloop Oyster 435 Moody Grenadier Faurby Llorente Fisher 30 Philips 43 Skipper 53 Amel Santorin Starlight 39 Tak Jachtbouw Jongert 20T Oyster 48 Hallberg Rassy 49 Dehler 37 Sun Magic 44 Amel Sonate Ovni 455 Trintella 45 Nicholson 55 Rustler 36 48,7 47,5 57,8 51,2 33,9 50,3 44,0 49,7 37,8 46,1 40,1 47,5 43,0 42,0 48,1 55,0 38,0 37,9 40,5 47,5 47,0 43,3 41,0 42,0 37,9 37,8 39,3 35,0 44,6 46,3 38,0 35,0 39,0 38,7 43,0 44,2 43,5 55,0 34,1 37,0 48,2 41,6 39,8 59,7 47,2 42,7 51,8 75,4 40,0 56,0 70,5 46,5 62,3 65,0 45,1 43,4 44,0 36,4 45,9 30,0 43,0 52,4 45,9 40,4 36,0 77,0 48,0 49,0 36,7 43,7 45,7 47,4 44,9 55,0 35,3 Philip Lever Guido Piva Moshe Schwartz Klaus Rosendahl John Argall Rolf Schonleb Harald Meyer Gunter Bartoschek Andrew Saunders Wilfred Pacher Wolfgang Koniger Hans-Otto Saling H. D.Wordsworth Curt-Jurgen Dieterle J.W.Gordon Philip Hulme Peter Whiteley Anton Ronneberg Anthony Doyle C-D.Wenzel Jörg Knockel Herman Kreuscher Sven Klingenberg Reiner Laufer Wilhelm Leimkuhler M.H. Thomas Leopold Semner TorJo Meyer Hermut Hafner John Marsh J. Robertson John de Candole Ray Bralsford Steffen Voss U. Jasperbrinkman Marcello Bergami Robert Zannetti Sal Aguilera Manfred Bucher John Davies Gerhard Degenfeld W. Heimgartner Melvyn Percy Don Johnson Ole Poulsen Hans Marcus Vacano Marc Arav Rudolf Hart Otto Schmid Jorg Schwartze Edgar Cato Keith Herbert Richard Petty Terry Rowe Cornelius Hofmann Tony Cameron Mike Stanfield Franz Teutenberg Marc Hoffmann Peter Maier Cees Wolzak Robert Tassy Wolfgang Kluh Martin James Adrian Kelly S. Wilkens John Dennehy G. Puchberger Verona Ehlen Edwin Shazell Fred Zimmer Harry Glab Paul Black Jeremy Swetenham Peter Bishton UK Italy Israel Germany UK Germany Germany Greece UK Germany Austria Germany UK Germany UK UK UK Norway UK Germany Germany Germany Germany Germany Germany UK Austria Norway Germany UK UK UK UK Germany Italy UK USA Germany UK Austria SwitzeHand UK USA UK Austria France Germany Switzerland Germany USA UK UK UK Germany UK UK Germany Luxemburg Switzerland Netherlands France Germany UK UK UK UK Germany Germany UK France Germany UK UK UK 235 Magic Lady Magique Noire Marco Polo Mephisto Mon Amante Monsoon II Moonbeam Morangie Morning Flight Mor-Ula Najede Nanja Navigo Nelly Mathilde Nicoline Niinamari Olline Oosthaven Ostrika Otzelott Parfait Paros von Basel Patrice of Howth P.v. Seestermuhe Pinocchio III Raffles Rainbow Rider Red Jack Regina del Mare Petticoat Breeze Red Hunter Reflections of Hayling Revolution Rhumb Runner Rockin Billy Rospico Russe Noir Saida Salamanda of Hamble Samantha Nova Schiroko IV Scirocco Sciusciutti Sea Cloud Seannine Sebastien Serendipity Sestina Shaka Shedir Silver Sirius Skorpious Solent Falcon II Sparkling Spirit Spirit of Shamrock Sunico Tacoma Tai-Tai Teokita Tere Moana Theta Volantis Tiburon II Timari Tobago Clipper Triton Veldana Viva Wiki Wiki Wild at Heart Wind of Change Windfall With Integrity Zoo & Hero 236 Sun Magic 44 Golden Wave 48 Soland ketch Nimbus 42 CT 48 Salthouse Sadler Starlight Contest S&S 34 Rival Bowman 40 Amphora Najed 37 Contrast 400 Jac lverson Hallberg Rassy Baltic 43 Sigma 41 Amphora Oyster 55 Skye 51 Swan 46 Van der Stadt Van der Stadt Gruber yawl Endurance 35 Jeanneau Jeanneau Voyage Schooner Beneteau 45f5 Oyster 435 North Wind Hallberg Rassy 42 Jeanneau Sunshine Oyster 485 Moody 40 Westerly Hallberg Rassy 53 Sun Odyssey 42 Swan 38 Reinke 15 m Hallberg Rassy Norlin Gib'Sea 38 Dixon sloop AIberg Frers sloop Oyster 68 Oyster Heritage Moody Helmsman 49 C&C 43 Westerly Swan 46 Westerly Oceanlord Oceanis 400 Trinidad Belliure Ostmann/Norlin Sigma 41 Endurance 44 RH43 Sundeer 64 Alpha Laurent Giles 44 Formosa 51 Outborn 42L Hartwig ketch Victor 40 Hinckley SW 51 Swan 40 Gulfstar 41 Swan 61 Maxi Harle 43,7 47,6 47,8 41,3 48,0 71,4 34,4 37,2 34,0 40,0 37,2 38,0 40,0 52,0 38,8 43,2 41,0 37,2 55,2 51,0 47,2 33,4 48,0 62,3 36,7 45,0 34,7 64,6 44,9 43,4 40,4 42,4 38,2 48,5 39,2 38,0 52,4 42,0 38,2 48,0 34,5 38,7 39,3 34,4 36,0 62,1 67,5 37,0 39,4 49,0 43,3 32,4 47,2 41,0 39,2 47,6 56,5 34,0 41,3 49,0 42,7 64,4 31,9 44,5 59,0 41,3 66,7 39,8 51,2 40,2 41,7 60,5 75,0 39,0 Johannes Vietgen Merlin Schaefer Adolf Wunderlin Alan Yardley Dimi Letica Jim Wallace Stewart Oliver Mark Basham Dave Beane Guy Morgan W. Kwak Mikko Vesa Björn Larsen Richard Ganly Sven Sandström Orso Bremer Rolf Ersinger Ron Roelofs Elliott Godfrey Jan Nielson Bjarne Weng Peter Kägi John Watson C. von Reibnitz Caesar Puschel Philip van Zwam Donald Gutenstein Gordon Brown Raisaro Luciano Brian Ashenden Douglas Siefers David Fosh Michaei Gavaghan Bernard Larsen Rod Andrews David Girling Peter Harrison Rainer Lahmer D. Slatter Jurgen Pehlgrimm M-A. Hoch Ralf Jersby P. Konrad Holger Wendt Cyril O'Leary Arno Kronenberg J.P. Christiansen Charles Hill Alan Statham Markus Suremann David Scanlan Siegfried Weller Ronald Brandt Steven Hardwick Robert Dornauf Alfred Gerber Axel Unterregger Johan Stening Konrad Ringler lan Staples Vincent Bossley Brian Savage P. Scheiblbrander Mary Reid Roger Horner Menno Wolters Holger Lucas Jack Boyle John Treanor Frederick Kreuger T. Westerbeck Jeff Yorke Andy Coghill Hero Kosho Germany USA Switzerland New Zealand UK Australia UK UK UK UK Netherlands Finland Netherlands UK Sweden Finland Germany Netherlands UK Germany Denmark Switzerland Ireland Germany Austria Netherlands UK UK Italy UK USA UK UK USA UK UK UK Germany UK UK Switzerland Sweden Switzerland Finland USA UK Denmark UK UK Switzerland UK Switzerland Germany UK Australia Switzerland Austria Sweden Germany UK New Zealand UK Austria UK UK Germany Germany UK USA Netherlands Germany UK UK Japan New Zealand to Tonga Rally Ann Marie Bara Calma Caprice of Huon Carrie Chianti II Elyse Flambouyant Freedom Hasta Mañana Huia Imagination Jubilant Kuriman Love Life IV Mai Tai Mariposa Mehitabel Midnight Sun Overproof Qua vadis Roulette II Runaway Scot Free Simplicity Sounder Sousa Tallahassee Tanamera Ten Gauge Tigger Wandering Willy Wirruna Taylor Dalton/Manuel Phipps Eltringham Coates Breeuwer MacMillan Hunt/Fowlie McKean/Ower Schmid Otti Perano Huggett Perry Martin Smart Finley Walker Hollingworth/McArthur Taylor Betts Palmer/Newnham Stubbs Kanter Carey/Fausett Gentry Stout Bullock Davies/Carroll Mahoney McMillan Ragle Willett Thompson 10,25m 13.5m 40’`8” 45’ 11.24m 44’ 11,6m 39’ 13,85m 40’ 11,81m 10,9m 12,97m 42’6” 42’9” 37’6” 42’11” 11,8m 12,2m 13,1m 13,5m 42’ 45‘ 9,4m 10,69m 43’ 36’ 45’ 12,19m 11,89m 37’ 44’ 13,43m David & Nicola Mark & Yvonne Nigel Robert & Lesley Rob & Marg Robert & Catherine Ronald Dennis & Katryn Donald & Jane Debbie & Chris Peter & Robin Clyff & Anna Frank & 3 Crew Jan & Nick Robin Lane Richard & Dorothy Peter & Denise John & Wendy Peter & Judy Neville & Mark David Richard & Claire Wendy & Warren Janet & John John & Anne-Maree Tony & Angela John & Madeline Richard Rob & Jenny Sharon & Dave Chris Ray & Jill New Zealand Australia New Zealand Australia New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand Switzerland New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand U.S.A. New Zealand Australia Australia Australia New Zealand New Zealand U.S.A. New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand New Zealand U.S.A. New Zealand New Zealand 237 Einige nautische Erläuterungen abfallen: vom Winde wegdrehen Crew: Besatzung achtern: hinten Dingi (Dinghy): kleines Beiboot Achterstag: hintere Mastabstützung Dünung: nach einem Sturm entstehende Welle Ankerwinsch: Winde zum Hochholen oder Fallenlassen des Ankers Ebbe: infolge Gezeiten sinkender Wasserstand anluven: höher an den Wind gehen Etmal: Strecke, die das Schiff von Mittag bis zum nächsten Mittag zurücklegt anschlagen: Segel an Spiere oder Stag befestigen ausbaumen: die Fock oder Genua mit einem Fockbaum setzen Autopilot: elektronische (analoge oder digitale) Steuerhilfe Fall: Leine zum Setzen und Bergen eines Segels Fender: Schutzpolster beim Anlegen am Steg Flaute: Windstille Backbord: linke Seite des Schiffes in der Fahrtrichtung Flut: infolge Gezeiten steigender Wasserstand Backstag: flexible Abstützung des Mastes nach hinten Fock: kleines Vorsegel Foot/Fuss: 30,5 cm Baumniederholer: Flaschenzug, um den Grossbaum niederzuhalten Genset: kleiner Diesel-Generator zur Stromerzeugung und zum Batterieladen an Bord Beaufort: Skala von 1 bis 12 zum Bestimmen der Windgeschwindigkeit Genua: grosses Vorsegel belegen: Boot an einem Steg anbinden bergen: Segel herunternehmen Bilge: tiefster Raum im Schiff Böe: plötzlicher Windstoss Boje: Festmacher Bug: vorderer Teil eines Schiffes 238 GPS: Global Positioning System. Satelliten-gestütztes Navigationsinstrument Grossbaum: die untere Spiere am Grosssegel Grossfall: Leinen zum Hissen des Grosssegels Grossschott: Leine, um über einen Flaschenzug das Grosssegel dichtzunehmen halsen: mit dem Heck durch den Wind gehen Sextant: Winkelmessinstrument zur Astronavigation Heck: hinterer Teil des Schiffes Sloop: einmastige Yacht Jolle: kleines Segelboot mit Mittelschwert Spiegel: Heck des Bootes Kajüte: Bootskabine Katamaran: Doppelrumpfboot Knoten/Knots: Wind- und Schiffgeschwindigkeit – 1,852 Kilometer pro Stunde Spiere: Holz- oder Aluminiumbaum Spinnaker: leichtes Ballon-Vorsegel SSB: Sprechfunkgerät für lange Distanzen Koje: Schlafplatz an Bord Stag: Drahtseil kreuzen: gegen den Wind zickzacken Steuerbord: rechte Seite des Schiffes in der Fahrtrichtung Lee: vom Wind abgekehrte Seite Talje: Flaschenzug mit Rollen Leine: Tau oder Ähnliches, um Schiff festzubinden Törn: Segelreise Liek: verstärkte Seite des Segels Log: Instrument, das die Fahrt des Bootes anzeigt Luk: verschliessbare Öffnung im Deck trimmen: das Segel so einstellen, dass es den Wind bestmöglichst ausnutzt VHF: Sprechfunkgerät für kurze Distanzen Vorstag: vordere Mastabstützung Mooring: Festmacherboje in einem Hafen Wanten: seitliche Mastabstützung Nautische Meile: 1852 m wenden: mit dem Bug durch den Wind gehen Niedergang: Treppe vom Cockpit in die Kabine Pantry: Küche an Bord reffen: Segelfläche verkleinern Reling: «Geländer» am Boot Rigg: Takelage Saling: am Mast querschiffs angebrachte Stützen. Schott: Leinen, um die Segel zu führen Wetterfax: Via SSB und Faxprogramm kann eine Wetterkarte auf dem Laptop empfangen und dargestellt werden. Winsch: Winde mit waagrechter oder senkrechter Achse Windfahnensteuerung: Mit der Kraft des Windes wird das Boot via Ruder automatisch gesteuert. 239 N o t e b o o k 240 N o t e b o o k 241 N o t e b o o k 242 N o t e b o o k 243 N o t e b o o k 244 N o t e b o o k 245 N o t e b o o k 246 N o t e b o o k 247 Haben Sie Wünsche oder Anregungen an den Verlag? Möchten Sie Otti Schmid kennenlernen? Noch mehr Bücher bestellen? Hier unsere Anschriften: T.O.P. Books GmbH Rosenfluh Publikationen Schaffhauserstrasse 13 CH-8212 Neuhausen/Rheinfall Tel. ++41-(0)52-675 50 60 Fax ++41-(0)52-675 50 61 E-Mails: info@rosenfluh.ch Otti Schmid: hastabanana@hotmail.com www.hastabananas.ch Schweiz: Französisch Polynesien: Cook Island: American Samoa: Western Samoa: Tonga: Fidschi: Salomonen: Vanuatu: 248 CHF CFP NZ $ US $ Tala T$ F$ SI $ Vatu 33.1716.28.21.66.33.26.115.3300.-