Rückblick - Nordwestschweiz

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Rückblick - Nordwestschweiz
Z’Basel isch Mäss!
Rückblick: 38. Basler Fortbildungskurs der Sektion Nordwestschweiz
Und wie immer während dieser Zeit lädt die Sektion Nordwestschweiz alle 2 Jahre zum traditionellen
Basler Fortbildungskurs (BKF) ein. Viele neugierige BMA und interessierte Zuhörer wollten mehr zum
Thema «Realität oder Sciencefiction» in der Medizin und Labortechnologie erfahren und trafen sich
im Hörsaal des ZLF im Unispital Basel um die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erfahren.
Wo steuern wir zukünftig hin? Braucht es uns BMA noch und wenn ja, in welcher Funktion? Oder
wird uns ein Roboter gar ersetzen?
Vera Basler, Präsidentin der Sektion NWCH durfte erfreut in einem gut besetzen Hörsaal fast 200
Teilnehmende begrüssen und in das Thema der Tagung einführen. Wer hat schon damals an die
abenteuerlichen und verrückten Geschichten von Jules Verne in seinen Romanen geglaubt, dass
einmal ein Mensch mit der Kanone zum Mond geschossen wird? Wohl die wenigsten Leser. Und doch
100 Jahre später war es tatsächlich soweit: 1969 wurde es Realität, der erste Mensch hinterliess
seinen Fussabdruck auf der Mondoberfläche.
Der volle
Hörsaal mit
gespannten
Zuhörenden
Die Zukunft hat begonnen! HighTech im Operationssaal. Schon der Titel verursachte bei mir eine Gänsehaut und die Neugierde war
geweckt. Mit dieser sehr spannenden Präsentation eröffnete Herr PD Dr.Wyler die Expertenrunde
und entführte uns in die eindrückliche Welt der verschiedenen Operationsmethoden, vorgestellt
anhand Urologieoperationen. Begonnen mit der modernen Chirurgie, wie Schlüsselloch-Chirurgie,
über Single Port (nur noch ein «Loch» für alle Instrumente) bis zur Roboter-Chirurgie. Und hier
durften wir die Bekanntschaft mit «Da Vinci», einem Operationsroboter machen. Wussten Sie, dass
dabei der Chirurge nicht mehr wie früher direkt am Operationstisch beim Patienten steht und
mitoperiert? Nein, er sitzt in einer Ecke an der Konsole, schaut auf einen speziellen Bildschirm und
bedient von dort mit viel Fingerspitzengefühl die Instrumente im Bauch des Patienten. Unglaublich,
jedoch wahr. Und gleich dazu ein wichtiger Tipp von Herrn Wyler an alle Eltern: Lasst Eure Kinder an
der Spielkonsole spielen, es ist das beste Training für den zukünftigen modernen Chirurgen!
Frau Dr. Stieber aus München lernte uns die Sprache des Blutes bei Tumorerkrankungen zu
verstehen. Sie unterstrich dabei, wie wichtig es ist, dass der Arzt die Resultate der Tumormarker
richtig interpretiert. Es ist nicht alles schwarz-weiss, krank oder gesund, nein es gibt in der Realität
der Laborresultate eine grosse Grauzone, welche verstanden werden muss. Wir alle haben jeden
Marker im Blut, auch sogenannte Tumormarker, und nicht nur Tumorzellen setzen Tumormarker
frei! Und das Wichtigste bei deren Interpretation von einem potentiell kranken Menschen ist zu
wissen, wie die onkologischen Biomarker im gesunden Zustand jenes einzelnen Menschen waren.
Nur so kann ein persönlicher Referenzwert festgelegt und die gemessenen Werte bei eventueller
Krankheit erst richtig interpretiert werden. Und denkt daran, ein Karzinom setzt verschiedene
Tumormarker frei, es handelt sich um ein Freisetzungsmuster.
Wenn wir schon beim besonderen Saft Blut waren, klärte uns anschliessend Herr Dr. Savoca gleich
über die Wichtigkeit der Präanalytik auf. Welcher Anteil von falschen Resultaten sind effektiv
Laborfehler? 1–2%, 10–15%, 20–40% oder 60–80%? Na, was glauben Sie? Die Abstimmung unter den
Teilnehmenden im Saal war nicht einstimmig. Doch wir im Labor sind erfreulicherweise besser als wir
denken: (nur) 10–15% sind effektive Laborfehler. Die restlichen Prozente gehen auf Kosten der
präanalytischen Phase, welche meistens nicht im Labor stattfindet, wie ein zu langes, unkorrektes
Aufbewahren der Proben, ungenügend gefüllte Röhrchen, Patient war nicht nüchtern,
Patientenverwechslung, Interferenzen in der Probe oder falsche Patientenlagerung bei der
Entnahme. Herr Savoca zeigte uns anhand eindrücklicher Beispiele von Laborergebnissen, wie ein
Patient kränker als krank anhand seiner Blutwerte gemacht werden könnte, wenn solche
präanalytische Faktoren nicht korrekt eingehalten oder bedacht werden. Daher die Message an alle:
Haben Sie Mut und sprechen Sie die Abteilungen/Stationen oder Einsender auf die Problematik der
Präanalytik an, oftmals haben die KollegInnen keine oder nur wenig Ahnung, welche Auswirkungen
solche präanalytische Falschhandlungen auf die Laborergebnisse haben können.
Als letzter Vortrag vor der Mittagspause präsentierte uns Frau Professor Rentsch vom Unispital Basel
einen Einblick in die Rolle der Massenspektrometrie im modernen klinischen Labor. Kurz erklärte uns
Frau Rentsch das Prinzip und den Aufbau eines Massenspektrometers und bei welchen Analysen
diese Methoden zum Tragen kommen. Sehr spannend und auch ein bisschen erschreckend, wie viele
Analysen heute innert kürzester Zeit durchgeführt werden können und wie die heute einfachere und
automatisierte Probenvorbereitung die manuelle und aufwändige Probenaufbereitung der BMA
übernimmt. Und das Zukunftsrad dreht weiter, Frau Rentsch verriet uns ihren Traum vom
hochautomatisierten klinischen Labor…
Nun war Mittagessen angesagt, denn ein leerer Bauch, der denkt bekanntlich nicht gern. Und ein
kleiner Tratsch mit einer lange nicht gesehenen Kollegin war auch längst fällig. Somit nutzen einige
die Chance, einen kurzen Bummel über den Häfelimärt zu machen, das wunderschöne Herbstwetter
zu geniessen und sich an einem der zahlreichen Ess-Stände zu verköstigen oder gemütlich mit
KollegInnen die Kantine des USB aufzusuchen.
Cool im weissen Kittel erwartete uns Herr PD Dr. Buser nach der
Mittagspause, um uns die News aus den Blutspendezentren
überzubringen. Es war doch sehr beruhigend zu hören, dass wir
in der Schweiz eine der sichersten Blutversorgung der Welt
haben; in Sachen Sicherheit haben wir eine internationale
Vorreiterrolle. Seit 2012 werden alle Thrombozytenkonzentrate
pathogen inaktiviert, weltweit einzigartig in der Schweiz und
überhaupt revolutionär in der Transfusionsmedizin. Und seit
2011 gab es in der Schweiz dank Intercept keine einzige
septische Transfusionsreaktion mehr. Als zweites Thema
widmete sich Herr Buser der molekularen
Blutgruppendiagnostik. Diese wird v.a. bei Rhesus negativen
Blutspendern angewandt um zu eruieren, ob nicht doch eine
Rhesus-Variante vorhanden ist. Und damit erhöht sich die
Die Mittagspause, zur Erfrischung
Sicherheit bei einer Transfusion zusätzlich. Kurz erwähnte Herr
und für aktives Networking
Buser auch die ab 1. Januar 2014 geltenden neuen
Empfehlungen und einige drohende Schwierigkeiten in deren Umsetzung. Es wird spannend, wie die
Blutspendezentren ab nächstem Jahr diese Empfehlungen umsetzen werden. Die
Zukunftsperspektive in der Blutspende: Wann gibt es künstliches Blut? Seit 30 Jahren sind die
Forscher dran, jedoch ohne signifikante Erfolge. Die Stammzellenforschung wird wahrscheinlich die
Zukunft sein, ev. könnte es 2020 so weit sein, mal schauen…
«Die Gefährlichkeit von Krebs ertasten»!?! Und dies Mithilfe eines Rasterkraftmikroskops (RKM) als
Nano-Diagnosetool im klinischen Umfeld. Mit dieser gewagten Aussage konfrontierte uns Herr
Oertle. Das Prinzip: Nach der Gewebeentnahme berührt eine ultradünne Nadelspitze die
molekularen Strukturen des Gewebes und misst deren Steifigkeit. Das RKM sieht nicht – es fühlt. Die
Auswertung der Messung wird anhand eines Histogrammes dargestellt: Anzahl Messungen versus
Steifigkeit des Gewebes. Anhand einer Forschungsarbeit an Mammatumoren konnte Herr Oertle
zeigen, dass ein maligner Tumor weicher ist als Normalgewebe oder ein benigner Tumor. Dieser
futuristische nanomechanische Fingerabdruck des Tumors soll in Zukunft als Ergänzung zur
Untersuchungsmethode in der Pathologie dienen. Wir sind gespannt!
Mit Herrn Dr. Schucht, Neurochirurge am Inselspital Bern durften wir anschliessend in die
faszinierende Welt des Hybrid-Operationssaals eintauchen. Nach einer Einführung in die
verschiedenen Hirntumore, welche Behandlungsmethode (Radio-Chirurgie, Operation oder
Bestrahlung) bei welchem Tumor sinnvoll ist, stellten wir uns den Herausforderungen der
Hirntumorchirurgie. Das Ziel ist klar: der Tumor muss möglichst radikal entfernt werden, unter
Schonung alle wichtigen Funktionen des Gehirns. In einem kurzen Film durften wir eine für uns
Zuschauer spannende Sequenz während der Hirn-OP miterleben: Nicht alle Funktionen können am
schlafenden Patienten getestet werden, das Sprachzentrum muss beim Patienten während der
Operation am offenen Schädel (Wach-OP) geortet werden. Dazu wird der Patient während der
Operation geweckt und mit Bildern zum Sprechen angeregt, das Sprachzentrum kann so
gekennzeichnet werden. Im Film kam dies für uns Zuschauer als lustige Episode rüber, für den
Patienten ist dieser spezielle, selber aktive Teil während seiner eigenen Hirnoperation bestimmt ein
eingreifender Moment in seinem Leben, der vorgängig mit einem Neuropsychologen gut geübt
werden muss. Faszinierend!
«Diagnostische Verfahren in der Mikrobiologie» – Frau Dr. Hinic erläuterte in ihrem erfrischenden
Referat, weshalb die Automatisierung in der Mikrobiologie so lange gedauert hat und welche Vorteile
und auch Nachteile daraus entstanden sind. Vorteile, wie schnellere Diagnostik, hoher
Probendurchsatz, Wirtschaftlichkeit, etc. stehen sicher im Vordergrund und machen Sinn. Und
trotzdem, für mich als nicht in der Mikrobiologie tätige BMA, eine erschütternde Erkenntnis und ein
Wehmutstropfen: die BMA riecht nicht mehr den verräterisch nach Karamell riechenden Käfer, setzt
keine bunten Reihen mehr an, sticht nicht mehr versehentlich in den Agar beim Ausstreichen der
Platten… tja, meine Ausbildung zur BMA ist schon einige Jahre her, was damals noch Sciencefiction
war, ist heute zur Realität geworden!
Den Abschluss unserer Expertenrunde machte Herr Dr. Scherer von der EMPA. Wussten Sie, dass die
EMPA nicht nur Materialien prüft, sondern auch neue Materialien erforscht, sprich Materialien mit
neuen Funktionen erfindet? Ich wusste dies nicht und war dementsprechend neugierig, was uns Herr
Scherer zum Thema «Textilien der Zukunft» zu berichten hatte. Anhand eines Beispiels seiner
Forschergruppe zeigte er uns, auf welche Kriterien eingegangen werden muss, wenn z.B. ein
medizinisches Leintuch zur Dekubitusprävention entwickelt wird. Zeit/Druck –
Temperatur/Feuchtigkeit - Reibung/Scherkräfte müssen in Einklang gebracht werden, damit die
Dekubitusprävention auch gelingen kann. Keine einfache Herausforderung.
Ein weiteres Projekt der Forschergruppe: Unter anderem hat die EMPA auch den Auftrag, ein
Kleidungsstück für Bertrand Piccard zu entwickeln, welches die extremen Temperaturschwankungen
während seines für 2015 geplanten Fluges um die Erde mit seinem Solarflugzeug ausgleichen soll.
Mit diesem Vortrag fand ein mit vielen Leckerbissen gespickter, interessanter und lehrreicher Basler
Fortbildungskurs sein Ende. Dank den hochkarätigen Referierenden, welche alle mit Herzblut hinter
ihren Präsentationen standen und diese Freude auch aufs Publikum übertragen konnten, war die
Tagung einmal mehr ein voller Erfolg. Viele spontane Reaktionen und Danksagungen waren für uns
vom Vorstand der Sektion NWCH ein Lob und eine Motivation, 2015 wieder einen spannenden BFK
für Sie, liebe Teilnehmende zu organisieren. Die Präsentationen der Tagung finden Sie auf
http://nordwestschweiz.labmed.ch als PDF.
Bilder und Text:
Andrea Carlen, Vorstand Sektion Nordwestschweiz labmed
Und schon bald die
nächste Veranstaltung:
Am 5. April 2014
Ambassadorentagung und
50 Jahre BMA Ausbildung
BZG