Grün macht Glücklich

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Grün macht Glücklich
21
NXild
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Weil wir lieber mehr Sonne als Heizöl tanken.
Ausgabe 1 März 2009
grad
DAS VAILLANT MAGAZIN
AUSGABE 1
märz 2009
5,00 Euro
Sonnige Aussichten für niedrige Heizkosten. Für einen bestmöglichen
solaren Ertrag bieten wir vom Kollektor bis zum Solarspeicher alles aus
einer Hand und perfekt aufeinander abgestimmt. Wie zum Beispiel das
auroTHERM Solarsystem. Damit senken Sie Ihre Energiekosten um bis
zu 25%. Und durch die staatliche Förderung wird Ihr Geldbeutel sogar
doppelt entlastet.
Weitere Details bei Ihrem Vaillant Fachhandwerker, unter www.vaillant.de
oder Infoline 0180 5 757414 (14 Cent/Minute aus dem deutschen Festnetz, ggf. abweichende Mobilfunkgebühren)
21 grad Das Vaillant Magazin
Der erste Schritt in Richtung Unabhängigkeit:
die Solarsysteme von Vaillant.
titelthema
Grün macht glücklich
Begehbare traumwelten Ein Blick in Wohnräume, die Mensch und Natur gut stehen.
Kleine Entdecker kommen groSS raus Wo Kinder experimentieren lernen.
diese stadt kannst du nicht erobern Krimi-Autorin Hülya Özkan spricht über Istanbul.
der ewige gärtner Bruder Hilarius kultiviert im Kloster Maria Laach besondere Pflanzen.
NXild
MX`ccXek
Weil in unserem Garten ein Schatz vergraben ist.
Nutzen Sie Ihre eigene Energiequelle:
mit der Erdwärmepumpe geoTHERM plus.
Nicht nur in der Erde, auch im Grundwasser und der Luft ist natürliche
Energie gespeichert. Egal, für welche dieser Energiequellen Sie sich
entscheiden, Vaillant hat immer die passende Wärmepumpe. So schonen Sie
nicht nur die Umwelt, sondern auch Ihren Geldbeutel. Und der wird durch
die staatliche Förderung gleich doppelt entlastet.
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Eine Brücke nach Europa
Auf dem Bild sehen Sie die Lieblingsmoschee der Krimi-Autorin Hülya Özkan in Istanbul.
Wir suchen den Namen der Brücke im Hintergrund. Tragen Sie das Lösungswort auf der Postkarte
ein und senden Sie sie uns. Alternativ können Sie auf www.21-grad.de online mitmachen.
1. Preis: ein langes Wochenende für zwei Personen in Istanbul inklusive Flüge und zwei Übernachtungen
2. Preis: drei Kriminalromane von Hülya Özkan
3. Preis: das Gesellschaftsspiel Suleika
Mitarbeiter der Vaillant Group dürfen am Preisausschreiben nicht teilnehmen.
Einsendeschluss ist der 31. Mai 2009.
Die Gewinner werden bis zum 30. Juni 2009 persönlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sie halten das neue Vaillant Magazin 21 grad in den Händen. Es richtet sich an Menschen, die sich für
die Zukunft der Gesellschaft interessieren. Menschen, die umweltverträglich und dennoch schön
wohnen möchten. Menschen, die mehr wissen und besser leben wollen. Kurzum: Es ist ein Magazin für
Menschen, die weiterdenken. Das tun auch wir bei Vaillant.
Als erfolgreiches Familienunternehmen mit einer 135-jährigen Tradition zählen wir nachhaltiges,
langfristiges Denken und Handeln zu unseren wesentlichen Erfolgsfaktoren. Wir bieten ausschließlich energieeffiziente Produkte an. Dank intensiver Forschung und Entwicklung gehören wir heute
auch zu den führenden Anbietern von Heiztechnik-Produkten, die mit regenerativen Energiequellen
betrieben werden. Dazu gehören zum Beispiel Solarthermieanlagen, Wärmepumpen und Holzpelletkessel. Umwelt- und Ressourcenschutz sind selbstverständlich auch in unsere Produktionsprozesse
integriert. Wir möchten die Zukunft verantwortungsvoll mitgestalten. Dabei haben wir stets die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden im Blick, für die sich ein sparsamer Umgang mit Ressourcen
und eine hohe Lebensqualität keineswegs ausschließen. Genau diesem Anspruch folgt auch unser
neues Magazin 21 grad.
21 Grad ist die Temperatur, bei der sich Menschen besonders wohlfühlen. Auch die Themen in diesem
Heft haben einen Wohlfühlfaktor: Sie inspirieren, informieren, amüsieren und regen zum Nachdenken an. Erfahren Sie in unserer Titelgeschichte „Grün macht glücklich“ (Seite 10) beispielsweise mehr
über das Konzept der Nachhaltigkeit: Wir erläutern Hintergründe und stellen Ihnen ungewöhnliche
Projekte vor. In „Bauen für die nächste Generation“ (Seite 24) erzählt eine Familie, wie sie ihr neues
energieeffizientes Traumhaus geplant hat und nun umsetzt. Und wenn Sie noch ein geeignetes Ziel
für den nächsten Urlaub suchen, haben wir einen Tipp (Seite 52): Reise lieber ungewöhnlich!
Unter www.21-grad.de finden Sie weiterführende Informationen. Dort haben Sie auch die Möglichkeit,
das Magazin zu abonnieren. So verpassen Sie keine Ausgabe. Natürlich interessiert uns auch Ihre Meinung zum aktuellen Heft. Senden Sie Anregungen und Kritik an die E-Mail-Adresse leserservice@21grad.de. Warum? Weil Vaillant weiterdenkt. Denken Sie mit.
Dr. Marc Andree Groos
Leiter Marketing Deutschland
Andreas Epple
Leiter Fachpartner Vertrieb
3
10
GRÜN MACHT
GLÜCKLICH
Wer bewusst konsumiert, hilft Ressourcen
zu schonen. Immer mehr Menschen entscheiden
sich für den nachhaltigen Lebensstil.
4
18
KLEINE ENTDECKER
KOMMEN GROSS RAUS
30
GLÜCKSMOMENTE
IN BILDERN
6 DIESE TEMPERATUREN BESTIMMEN
UNSER LEBEN
BEGEHBARE
TRAUMWELTEN
TITELTHEMA
10 GRÜN MACHT GLÜCKLICH
WEITER DENKEN
GRÜNER WOHNEN
MEHR WISSEN
18 KLEINE ENTDECKER KOMMEN
GROSS RAUS
24 BAUEN FÜR DIE NÄCHSTE
GENERATION
38 DIESE STADT KANNST DU NICHT
EROBERN. SIE EROBERT DICH.
Kinder gehen gerne Dingen auf den Grund –
Eltern und Erzieher können diese Lust am
Entdecken schon früh fördern.
Energiesparen leicht gemacht:
Rainer Feldmann erfüllt sich
den Traum vom Zukunftshaus.
Die Krimi-Autorin Hülya Özkan erzählt,
was den Charme Instanbuls ausmacht.
21 FORUM FÜR UTOPISTEN
30 BEGEHBARE TRAUMWELTEN
Grüner einkaufen: Die Website utopia.de
ermutigt Verbraucher zum strategischen
Konsum.
Wohnen mal anders: Das Leben in
Baumkronen, auf dem Wasser und
unter Erdhügeln.
22 GEIZ TUT GUTES
Einkaufen, reisen, tanzen gehen – wer die
Umwelt schonen will, muss darauf nicht
verzichten.
42 STERNKUNDE FÜR
FORTGESCHRITTENE
Von Huitzilopochtli bis zur solaren Klimaanlage – wir sind der Sonne untertan.
44 CD: DER JAHRMARKT
DER HASEN
CD einlegen und träumen – Die Hasen
vom Silberwald verzaubern Kinder und
Freunde alternativer Energie.
INHALT
38
„DIESE STADT KANNST DU NICHT
EROBERN. SIE EROBERT DICH.“
46
DER EWIGE GÄRTNER
58
DEM FRÜHLING
AUF DER SPUR
BESSER LEBEN
46 DER EWIGE GÄRTNER
Bruder Hilarius kann es nicht lassen. Schon
länger als ein halbes Jahrhundert kultiviert
er Pflanzen im Kloster Maria Laach.
51 GRADWANDERUNGEN
Kleine Rätsel, große Zahlen: Energie in neuen
Dimensionen.
52 REISE LIEBER UNGEWÖHNLICH
Vier außergewöhnliche Reiseziele für
Entdecker, Abenteurer und Genießer.
54 AUS DER MITTE ENTSPRINGT
EIN SCHUSS
Beim meditativen Bogenschießen lernt
man viel – vor allem über sich selbst.
58 DEM FRÜHLING AUF DER SPUR
Öko ist sexy. Sechs hinreißende Begleiter
beweisen es.
HASENPOST
60 TRENNUNGSSCHMERZ
Korrekte Mülltrennung ist eine
Wissenschaft für sich. Erst recht,
wenn man ein Hase ist!
5
NESTWÄRME
37
°
Mit einer Körpertemperatur von 37 Grad erzeugt allein diese kleine Familie
400 Watt Wärme. Noch molliger hat sie es, wenn sie sich aneinanderkuschelt.
SONNENWÄRME
6.100
°
Einfach die Augen schließen und die wärmenden Sonnenstrahlen genießen.
Der Stern erzeugt Unmengen an Energie – und das noch fünf Milliarden Jahre lang.
MAGENWÄRME
40
°
Abwarten und Tee trinken – aber bitte nicht zu lange. Teekenner schwören auf 40 bis 70 Grad
Trinktemperatur. Erst dann entfaltet das Getränk seine feine Note.
WOHLFÜHLWÄRME
21
°
Für den perfekten Sonntagnachmittag braucht der Mensch nicht viel zum Glück.
Mit einem guten Buch und bei 21 Grad wird’s behaglich.
TITELTHEMA
10
TITELTHEMA
11
GRÜN MACHT
GLÜCKLICH
Das Konzept der Nachhaltigkeit ist nicht nur Vision. Es ist
im Hier und Jetzt angekommen, bei den Konsumenten, in der
Wirtschaft und in der Politik. Es geht dabei nicht um bloßen
Verzicht, sondern um umweltschonendes und sozial verantwortliches Handeln. Das klingt abgehoben, ist es aber nicht.
TEXT SILKE BUTKE
FOTOGRAFIE OLIVER WOLFF
TITELTHEMA
E
ine Hinterhofwerkstatt in Berlin-Neukölln. Es riecht nach Holz und Öl.
Bizarre Baumscheiben und wuchtige
Stammstücke stapeln sich überall im Raum.
Der Boden ist von Spänen und Holzresten
bedeckt. Eine junge Frau mit Kopfhörern
bearbeitet eine geschwungene Liege aus
Kastanienholz mit einem Schleifgerät. Der
Lärm ist ohrenbetäubend, feiner Holzstaub
wirbelt durch die Luft. Für Christian Friedrich und Jörn Neubauer gehört dieses kreative Chaos zum Arbeitsalltag. Die beiden
Holzdesigner haben ein ungewöhnliches
Unternehmen aufgebaut: Seit drei Jahren
fertigen sie unter dem Label SawadeeDesign
Möbelunikate und Kunstobjekte aus einem
ganz besonderen Werkstoff: aus altersschwachen, kranken oder vom Sturm umgeknickten Berliner Stadtbäumen.
12
Die Idee, Wegwerf-Holz als Rohstoff für Möbel, Einrichtungsgegenstände und Kunstobjekte zu nutzen, kam Christian Friedrich
schon vor mehr als 15 Jahren. „Ich habe lange
in Amsterdam gelebt und dort riesige Planken aus alten Packhäusern an den Grachten
zu Tischplatten und Tafeln verarbeitet“,
erzählt der gebürtige Berliner. Als er 1995 in
die Hauptstadt zurückkam, entdeckte er
den städtischen Baumbestand als Rohmaterial für seine Arbeit. Aus recycelten Parkund Straßenbäumen entstanden die ersten
Möbelstücke: Tischplatten, Sideboards,
Beistelltische. Dabei stand für den Autodidakten der Nachhaltigkeitsgedanke zunächst nicht im Vordergrund. Antrieb war
vielmehr seine Faszination für altes Holz.
RESPEKT VOR DER NATUR
„Ich bin kein Öko“, betont der 46-Jährige –
und hat dabei wohl den SchlabberpulliTräger mit Jutebeutel und Biolatschen aus
den 1970er- und 1980er-Jahren vor Augen.
Nein, so einer ist Christian Friedrich wirklich nicht. Und genauso wenig ist der Betrieb, den er mit seinem Partner Jörn Neubauer aufgezogen hat, am Reißbrett der
nachhaltigen Unternehmensplanung entstanden. Nicht aus strategischem Kalkül,
sondern vielmehr aus Begeisterung für die
natürliche Ressource Holz machen die beiden Männer ganz intuitiv vieles richtig –
und nachhaltig. Das fängt bei der Materialwahl an. „Wir kooperieren mit den Berliner
Fällunternehmen. Die rufen uns an, wenn
„Bei allen Objekten,
die wir in den vergangenen Jahren
gefertigt haben,
haben wir noch nie
vergessen, woher
das Holz stammt.“
Jörn Neubauer
sie wieder einen Baum für uns haben. Alle
sechs Wochen rücken wir mit unseren Sägen aus, um das Material direkt vor Ort zu
zerlegen“, sagt Christian Friedrich.
Makelloses Holz finden die Designer langweilig. Und auch Zuchtholz, das auf Plantagen gewachsen ist, kommt für sie
grundsätzlich nicht infrage. Stattdessen
verarbeiten sie Stämme, Äste und Wurzeln,
an denen Krankheiten, Chemikalien, eingeschlagene Nägel oder Granatsplitter aus
dem Zweiten Weltkrieg ihre Spuren hinterlassen haben. Was für den Laien wie Holzabfall aussieht und Tischler nie vor die Säge
spannen würden, ist für Christian Friedrich und Jörn Neubauer kostbares Rohmaterial. Mit viel Liebe zum Detail verwandeln
sie unscheinbare Holzstücke in individuelle
Designmöbel. So wird eine altersschwache
Zehlendorfer Eibe zum Sideboard und eine
ahornblättrige Platane aus dem Treptower
Park zu einem bequemen Sessel. Mit jedem
Stück verbinden die Designer eine eigene
Geschichte. „Bei allen Objekten, die wir in
den vergangenen Jahren gefertigt haben,
haben wir noch nie vergessen, woher das
Holz stammt“, sagt Jörn Neubauer.
Mit ihren Möbeln aus recyceltem Stadtholz
treffen die Berliner den Nerv der Zeit. „Unsere
Kunden kommen aus ganz Deutschland
und mittlerweile sogar aus dem europäischen Ausland. Wir arbeiten zum Beispiel
für Auftraggeber in Italien oder Irland“,
sagt Christian Friedrich. Dass die Produkte
komplett aus recyceltem Material entstanden sind, ist für die Klientel zwar nicht das
einzige, aber ein wichtiges Kaufargument.
Entscheidend ist aber vor allem eins: Bei den
stylishen Möbeln aus Berlin muss sich kein
Käufer zwischen Design oder Umweltorientierung entscheiden – er bekommt beides
in einem Stück.
GENUSS MIT GUTEM GEWISSEN
Produkte, die diesen Anspruch erfüllen,
stehen derzeit nicht nur in der Neuköllner Hinterhofwerkstatt hoch im Kurs. Sie
sind in nahezu allen Bereichen gefragt.
Ob Bio-Lebensmittel, fair gehandelter Tee
oder nachhaltige Mode – für immer mehr
Menschen spielen ökologische, ethische und
soziale Kriterien beim Einkauf eine wichtige
Rolle. Etwa ein Drittel der Verbraucher in
NACHHALTIGKEIT – WAS IST DAS?
Ob Lebensmittel, Geldanlagen oder Kleidung – es gibt heute kaum einen Bereich, der keine nachhaltigen Produkte
zu bieten hat. Aber was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Eine Begriffsklärung.
GRÜNE WURZELN
Das Konzept der Nachhaltigkeit entstand vor fast 200 Jahren im sächsischen Tharandt – und zwar in der Forstwirtschaft. Für den Silberbergbau wurden in der Region ganze Wälder gerodet. Das rief Kritiker auf den Plan.
Einer von ihnen war Oberberghauptmann von Carlowitz. Er forderte, nur so viel Holz zu schlagen, wie nachwachsen
kann. So sollte ein ausreichender Holzbestand für nachfolgende Generationen gesichert werden. Die Grundidee
der Nachhaltigkeit war geboren.
STABILE ÄSTE
Nach der heute allgemein akzeptierten Definition ist eine Entwicklung nachhaltig, „die die Bedürfnisse der heutigen
Generation befriedigt, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu
befriedigen.“ So heißt es im Bericht der sogenannten Brundtland-Kommission von 1987. Konkret geht es darum,
unsere Ressourcen nicht auf Kosten nachfolgender Generationen zu beanspruchen. Oder noch einfacher ausgedrückt: so zu leben und zu wirtschaften, dass wir nicht an dem Ast sägen, auf dem wir und unsere Kinder sitzen.
GESUNDES WACHSTUM
Zu einem Leitprinzip für die Politik wurde das Konzept der Nachhaltigkeit 1992. Auf der UN-Konferenz für Umwelt
und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossen rund 10.000 Delegierte ein Aktionsprogramm für eine globale
nachhaltige Entwicklung, die Agenda 21. Seither haben alle EU-Mitgliedsstaaten Nachhaltigkeitsstrategien ins
Leben gerufen, die ökologische, soziale und ökonomische Politikfelder einbeziehen. Auch die Bundesregierung
hat 2002 eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung vorgelegt. Inhaltlich setzt sie auf drei Schwerpunkte: Klimaeffizienz, nachhaltige Rohstoffwirtschaft und Demografischer Wandel.
TITELTHEMA
Deutschland – so schätzen die Experten vom
Zukunftsinstitut in Kelkheim bei Frankfurt – gehört zu dieser Konsumentengeneration. Der Anspruch der neuen Öko-Avantgarde: Sie wollen verantwortungsbewusst
leben und die Natur bewahren, gleichzeitig
aber keine Abstriche bei der Lebensqualität
machen. Die Trendforschung hat für diese
Konsumenten bereits einen Namen gefunden: die LOHAS. So nennen die Experten die
Anhänger des sogenannten „Lifestyle of
Health and Sustainability“. Gemeint ist
damit ein Lebensentwurf, der verantwortungsbewusstes Konsumieren und Genuss
zusammenbringt.
Auch wenn der mittlerweile überstrapazierte Begriff Nachhaltigkeit anderes vermuten lässt: Der grüne Lebensstil ist kein
oberflächlicher Trend, sondern ein Zukunftsthema mit wachsender wirtschaftlicher und politischer Relevanz. Dafür gibt es
handfeste Indizien. So verzeichnet etwa der
Markt für Biolebensmittel seit Jahren kontinuierliche Zuwächse. Im vergangenen Jahr
stieg der Umsatz um mehr als 40 Prozent
auf insgesamt gut 450 Millionen Euro. Gegenüber 2005 hat er sich sogar verdoppelt.
Das geht aus einer Analyse des MarketingInformationsunternehmens AC Nielsen
hervor. Auch Naturkosmetik, fair gehandelte Produkte und Ökotextilien sind zunehmend gefragt. Die grüne Mode, bei der
die Verarbeitung von Bio-Baumwolle und
die Einhaltung sozialer Produktionsstandards im Mittelpunkt stehen, gilt als
Wachstumsmarkt.
GRÜNE GELDANLAGEN GEFRAGT
Die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit
zeigt sich auch im Finanzsektor. Immer
mehr Anleger entdecken ethisch vertretbare und transparente Produkte als attraktives Investment. Vor allem die Debatte um
den Klimawandel hat dem Thema Auftrieb
gegeben. Allein in Deutschland gibt es
nach Angaben des Sustainable Business
Institute (SBI) rund 223 Fonds, die ihre
Gelder nach sozialen, ökologischen und
ethischen Kriterien anlegen – Tendenz
steigend. Gut 30 Milliarden Euro haben
Sparer in Deutschland, Österreich und
der Schweiz in nachhaltige Produkte wie
Waldfonds oder Windkraftfinanzierer investiert. Moralische Gründe müssen dafür
nicht allein ausschlaggebend sein: Schließlich lassen sich mit sogenannten grünen
Investments einer aktuellen Studie des
Schweizer Bankhauses Sarasin zufolge
durchaus respektable Renditen erzielen.
Geschäft und Moral in Einklang zu bringen,
ist das Ziel aller Akteure am nachhaltigen
Markt. Wie das gelingen kann, haben ÖkoVorzeigeunternehmer wie Alfred T. Ritter
oder Michael Otto vorgemacht. Der mittelständische Schokoladenfabrikant Ritter war
1996 der erste Süßwarenhersteller in Deutschland, der den betrieblichen Umweltschutz im
Rahmen eines umfassenden Managementsystems organisierte. Auch Michael Otto, der
Chef des gleichnamigen Hamburger Versandhandelshauses, macht sich seit Jahren für
ökologische und soziale Ziele stark und richtet
sein Unternehmen konsequent an den Prinzipien der Nachhaltigkeit aus. 1986 erklärte er
den Umweltschutz zum Unternehmensziel.
Seither setzt der Versandhändler unter anderem auf Recyclingpapier, Mehrwegverpackungen, Bio-Baumwolle und moderne
Umwelttechnik. Die 2005 von Michael Otto
gegründete Stiftung „Foundation for Sustainable Agriculture and Forestry” (FSAF) leistet
einen Beitrag zur Armutsbekämpfung und
zum Umweltschutz speziell in Afrika. Auch
Vaillant setzt auf ausgewogenes Wachstum.
Um eine nachhaltige Unternehmensentwicklung sicherzustellen, hat der Konzern ein
umfassendes Nachhaltigkeits-Managementsystem entwickelt. Dieses System umfasst
die drei Bereiche ökologische, ökonomische
und soziale Nachhaltigkeit.
IM KLEINEN BEGINNEN
Die Idee der nachhaltigen Entwicklung ist
aber nicht nur ein Konzept für Großkonzerne. Das zeigt das Beispiel der Holzdesigner
Christian Friedrich und Jörn Neubauer. Am
Anfang sind vor allem Visionen, Fantasie
und Kreativität gefragt – daraus kann sich
Größeres entwickeln. Auch die beiden Berliner sehen das so: „Natürlich wollen wir
wachsen“, sagt Christian Friedrich – und
meint damit sowohl seinen Mitarbeiterstamm als auch den Umsatz. Die Zeichen
stehen gut: Die Auftragsbücher sind voll,
Kooperationen mit einer Galeristin und einer Innenarchitektin sind geknüpft, und
auch auf Messen in Deutschland und Italien
zeigen die Holzdesigner Präsenz. Das alles
sind wichtige Schritte hin zu ihrem großen
Ziel: einen weltweiten Vertrieb für ihre
nachhaltigen Produkte aufzubauen.
„Wir kooperieren mit den Berliner Fällunternehmen. Die rufen uns an, wenn
sie wieder einen Baum für uns haben.“
Christian Friedrich
15
TITELTHEMA
DIE ANDERS-MACHER
Nachhaltigkeit braucht kreative Köpfe, die Ideen haben und sie auch umsetzen.
Vier Querdenker und ihre Konzepte.
16
Tuchfühler
Erdkunder
Rechnerlehrer
Dass lässige Mode und ein nachhaltiges
Geschäftsprinzip kein Widerspruch sein
muss, stellen Anton Jurina und Martin
Höfeler mit ihrem Label Armed Angels unter Beweis. Die beiden Kölner gründeten
2006 die Social Fashion Company. Ihr Ziel:
ein profitables Geschäftsmodell mit ethischen und sozialen Kriterien zu verbinden.
Was mit ersten Entwürfen in der Küche
einer Wohngemeinschaft begann, hat sich
mittlerweile zu einem erfolgreichen Unternehmen entwickelt. Seit September 2007
vermarkten Jurina und Höfeler Streetwear
aus fair gehandelten biologischen Materialien. Die gesamte Produktionskette vom
Baumwollanbau in Indien über die Fertigung auf Mauritius und in Portugal bis in
die Zentrale nach Köln ist transparent und
nach internationalen Fair-Trade-Standards
zertifiziert. Auch wirtschaftlich scheint
das Konzept der beiden Betriebswirte aufzugehen: Das Büro in Köln ist für das expandierende Unternehmen längst zu klein
geworden. Die nachhaltigen Textilien gibt
es mittlerweile in 30 Läden und das Label
hat bereits prominente Markenbotschafter
wie Thomas D. und Jürgen Vogel. Anton
Jurina und Martin Höfeler haben ambitionierte Ziele. Sie wollen nicht nur ihre
Kollektion vergrößern, sondern vor allem
eins: die restliche Modeindustrie zum
Mitmachen bewegen.
Reinhard Schaake verfolgt ein visionäres
Projekt. Der Bürgermeister von Wolfhagen
will den Energiebedarf der hessischen
Stadt komplett aus erneuerbaren Ressourcen abdecken. Sein Ziel ist eine Energieversorgung, die sowohl klimafreundlich
als auch bürgernah ist. Etwa die Hälfte
der benötigten Energie soll aus einem
Windpark stammen, an dem sich die
Bürger finanziell beteiligen können.
„Der Strom aus ihrer Anlage wird ihnen
dann anteilig auf der Abrechnung gutgeschrieben“, erklärt Reinhard Schaake.
Ergänzt wird das lokale Versorgungskonzept durch Photovoltaikanlagen und
Biomassekraftwerke. Im ersten Schritt
haben die Stadtwerke von Wolfhagen das
Stromnetz vom Netzbetreiber zurückgekauft. Jetzt beginnt der Ausbau der
Anlagen. Wenn alles nach Plan verläuft,
wird Wolfhagen 2015 erstmals eine ausgeglichene CO2-Bilanz vorweisen.
Für viele Kinder in der nepalesischen Himalaya-Region ist es ein Privileg, mit Computern zu lernen. Um ihre Bildungschancen zu
verbessern, gründete die in Hamburg lebende Französin Maylis Chevalier 2003 den Verein E-Malaya. Die Verlagsmanagerin hatte
ihren Job gekündigt, um Erfahrungen in
Sozialprojekten zu sammeln. „Ich wollte
mein betriebswirtschaftliches Wissen mit
gemeinnützigem Engagement verbinden“,
sagt sie. „In Nepal kann ich etwas für die
Zukunft der Kinder tun.“ Unterstützt von
Stiftungen, karitativen Organisationen und
Unternehmen wie Microsoft Deutschland,
MasterSolution und Nokia, errichtete ihr
Verein ein Computerlabor: In der Mount Kailash School im Ort Hyangja lernen Kinder
seit 2005 mithilfe von PCs die Grundlagen
von Mathematik, Geschichte, Geografie und
Naturwissenschaften. 20 Geräte und die zugehörige Software sind Spenden der Sponsoren. Die Partner stellen außerdem ihr Knowhow zur Verfügung. Maylis Chevalier wurde
in Deutschland geschult, die Lehrer vor Ort
für den computergestützten Unterricht fit zu
machen. Etwa 100 Schüler der Klassen sechs
und sieben nehmen jährlich an den PC-Kursen teil. In diesem Jahr wird das Projekt auch
jüngere Kinder im Alter von sieben bis neun
Jahren an den Rechner heranführen: Der Verlag Gruner + Jahr stellt 30 Laptops für Grundschulen in entlegenen Bergdörfern bereit.
TITELTHEMA
„NUR WER IM WETTBEWERB BESTEHT,
KANN ETWAS BEWEGEN.“
INTERVIEW THOMAS FISCHER
Ralf-Otto Limbach ist seit November 2007 Geschäftsführer der Vaillant Group. Im Interview beschreibt er das Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Unternehmertum.
Box-Promoter
Nicht reden – handeln! Das ist die Devise
von Rupert Voß. Vor allem, wenn es um
die Belange von jungen Menschen geht.
Der Vorstandsvorsitzende der Voss AG
ist Unternehmer und Ausbilder aus Überzeugung. Auch für junge Menschen, die
keinen Schulabschluss und keinen Rückhalt in der Familie haben oder straffällig
geworden sind, hat Rupert Voß ein offenes
Ohr. Um sie beim Start ins Berufsleben zu
unterstützen, hat der Unternehmer lange
nach einer begleitenden Betreuung gesucht – und sie schließlich selber gegründet. 2003 rief er gemeinsam mit seinem
Partner Werner Makella das Jugendhilfeprojekt „Work and Box Company“ in Taufkirchen ins Leben. Ziel der Initiative ist es,
junge Erwachsene wieder in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen einen Job
zu vermitteln. Dazu organisiert Work and
Box für die Teilnehmer beispielsweise
Berufspraktika, denen in der Regel ein
Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag folgt.
Für dieses ambitionierte Projekt ist die
Voss AG bereits mehrfach ausgezeichnet
worden – zuletzt von der Initiative „Freiheit und Verantwortung“ der deutschen
Wirtschaft.
Herr Limbach, viele Unternehmen brüsten sich zurzeit mit dem Thema
Nachhaltigkeit. Folgt Vaillant einem neuen Trend? Nein, darum geht es
nicht. Nachhaltigkeit ist seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil unseres Geschäfts. Als einer der weltweit führenden Hersteller von effizienter, umweltfreundlicher Heiztechnik unterstützen wir Verbraucher dabei, wertvolle Ressourcen einzusparen. Immerhin entfallen 35 Prozent des gesamten Primärenergieverbrauchs
auf Heizung und Warmwasserbereitung. Moderne Heiztechnik trägt also weit mehr
zu Klima- und Ressourcenschutz bei als alle anderen Maßnahmen. Dabei können
wir – anders als zum Beispiel die Automobilindustrie – unseren Kunden schon heute
absolut energieeffiziente und umweltschonende Lösungen anbieten. Wir sind Teil
der Lösung und nicht des Problems.
Sie lassen sich also in erster Linie von geschäftlichen Interessen
leiten … Für uns steht die nachhaltige, langfristige Entwicklung des Unternehmens
im Vordergrund. Dabei stehen ökologische Interessen und soziales Engagement
keineswegs im Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg. Dazu nur ein Beispiel: In
deutschen Haushalten arbeiten rund 17 Millionen veraltete Heizgeräte, die alles
andere als sparsam im Verbrauch sind und eigentlich ausgetauscht werden müssten. Für uns ist das ein attraktiver Markt. Im Übrigen sehe ich nichts Ehrenrühriges
darin, nachhaltiges Engagement mit geschäftlichen Interessen zu verzahnen. Nur
wer im Wettbewerb besteht, kann in der Gesellschaft etwas bewegen.
Können Sie nachhaltig wirtschaften und gleichzeitig wachsen? Ich
sehe darin kein Dilemma. Wir verbessern kontinuierlich unsere Prozesse. Dadurch reduzieren wir unsere Kosten und können noch umweltgerechter arbeiten.
An unserem Standort in Remscheid ist es uns etwa gelungen, den Verbrauch
von Wasser und Energie spürbar zu senken – bei steigender Produktionsleistung.
In Großbritannien und Frankreich haben einige unserer Fertigungsstätten bereits
die Zertifizierung nach ISO 14001 erhalten, einem begehrten Umweltstandard.
Bis Ende 2009 werden weitere Standorte folgen.
Beschränkt sich Ihr Engagement auf die Umwelt? Nein, wir verfolgen einen
Ansatz, der ökologische, ökonomische und soziale Aspekte miteinander verbindet.
Wirtschaftlicher Erfolg bildet dabei die Basis für nachhaltiges Engagement. Er
ermöglicht es uns unter anderem, in die Forschung und Entwicklung innovativer
Produkte zu investieren und die Zukunft unseres Unternehmens abzusichern.
Besonders wichtig sind uns natürlich unsere Mitarbeiter, die ihre Ideen einbringen
und gemeinsame Werte teilen und leben. Für sie haben wir ein attraktives Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie sich weiterentwickeln können. Dazu gehört, dass
wir einen gesunden Lebensstil fördern. Denn schließlich wollen wir, dass die gut
qualifizierten Fachkräfte unserem Unternehmen noch lange erhalten bleiben. Auch
das ist für mich nachhaltiges Wirtschaften.
17
WEITER DENKEN
KLEINE ENTDECKER
KOMMEN GROSS RAUS
In Deutschland studieren viel zu wenige junge Menschen Naturwissenschaften
und Technik. Zu trocken und kompliziert erscheinen ihnen Fächer wie Physik,
Chemie, Umwelt- oder Verfahrenstechnik. Die Initiative „Haus der kleinen Forscher“ will hier frühzeitig für die vermeintlich langweiligen Themen interessieren.
Ihr Ziel: Kindergartenkinder sollen die Lust am Experimentieren entdecken.
TEXT VERA BÜTTNER
18
FOTOGRAFIE OLIVER WOLFF
S
ie reichen sich Tüten mit Mehl, Zucker, Backpulver, Zitronensäurepulver und Natron über den Tisch, stecken ihre bunten
Plastiklöffel hinein und befördern damit kleine Pulverhäufchen auf die vor ihnen liegenden Tabletts. Max, Enzo, Beatrice,
Leonie und Julie aus der Kids Company sind hoch konzentriert.
Heute ist „Forschen“ angesagt. Birgit Bey, die Leiterin des kleinen
privaten Kindergartens im Berliner Stadtteil Schöneberg, hat die
fünf Kinder zwischen vier und fünfeinhalb Jahren nach dem Frühstück zusammengetrommelt, um mit ihnen spielerisch die Welt der
weißen Pulver zu erkunden. „Was seht ihr?“, fragt sie, als endlich vor
jedem Kind etwas Backpulver auf einem schwarzen Blatt Papier
liegt. „Das Häufchen wird größer“, sagt Enzo, der eine Lupe in der
Hand hält. „Ich seh Körner“, ruft seine kleine Schwester Julie.
Eine gute Stunde lang beschäftigen sich die Kinder mit den fünf
Pulvern und entdecken – durch Gucken, Tasten und Schmecken – die
Unterschiede. Sie merken, dass Mehl dunkler ist als Backpulver und
sich „wie Puder“ anfühlt. Sie stecken ihre angefeuchteten Finger in
die Pulver und anschließend in den Mund. „Uhh, ist das sauer!“, sagt
Beatrice, die sich gerade Zitronensäure vom Finger leckt. Sie mischen jedes Pulver in kleinen Gläsern mit Wasser. „Lecker schmeckt
das, ganz süß“, sagt Leonie, die mit Begeisterung ihr Zuckerwasser
löffelt. Und Max, der auf den Tipp von Birgit Bey hin zwei Flüssigkeiten zusammengekippt hat, schreit ganz aufgeregt: „Es schäumt!“
Der Grund: Wenn Natron mit Zitronensäure und Wasser in Kontakt
kommt, entsteht das Sprudelgas Kohlenstoffdioxid. Birgit Bey lässt
den Kindern Zeit, erklärt in einfachen Worten Zusammenhänge und
stellt gezielt Fragen. „Es gibt beim Forschen keine falschen Antworten und die Kinder müssen hinterher auch nicht jeden neuen Begriff
kennen“, sagt Bey. „Sie sollen vor allem merken, dass es Spaß macht
und sich lohnt, genau hinzusehen, an etwas dranzubleiben und Dinge
zu hinterfragen.“
Auf die Idee, naturwissenschaftliche Phänomene mit ihren Kindern zu erkunden, ist die Gründerin der Kids Company durch das
„Haus der kleinen Forscher“ gekommen. Die bundesweite Initiative
von Helmholtz-Gemeinschaft, McKinsey, Siemens AG und Dietmar Hopp Stiftung will den Innovations- und Forschungsstandort
Deutschland langfristig stärken, indem sie Kindergärten dabei unterstützt, Naturwissenschaften und Technik für Drei- bis Sechsjährige erlebbar zu machen. Auch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung fördert das Projekt. Rund sechs Millionen
Euro stehen bis Ende 2010 für die Arbeit der Initiative zur Verfügung. 15 Mitarbeiter – darunter Pädagogen, Chemiker, Physiker
und Ingenieure – treiben das Projekt von Berlin aus voran: Sie
überlegen sich kindgerechte Experimente zu Themenfeldern wie
Wasser, Pulver oder Luft, schnüren Informationspakete für Kindergärten und bilden Trainer aus, die vor Ort Erzieherinnen in Workshops unterrichten. Außerdem führen sie Aktionstage durch und
ermutigen Vertreter von Bildungseinrichtungen, Kommunen, Unternehmen und Verbänden, lokale Netzwerke zu gründen. Schließlich soll die Idee der Initiative nachhaltig in den Regionen verankert
werden. Ein wissenschaftlicher Beirat, dem der bekannte Bildungsforscher Wassilios E. Fthenakis vorsteht, ist zuständig für das übergeordnete pädagogische Konzept.
FRÜH ANFANGEN
Das Interesse ist enorm: „Wir sind im Winter 2006/2007 mit 50 Pilotkindergärten in Berlin gestartet. Mittlerweile sind bundesweit
schon 3.000 Kindergärten und 68 Netzwerke dabei und täglich werden es mehr“, freut sich Mirko Poltier. Der Pressesprecher der Initiative und ehemalige Kinderfunkredakteur ist zuversichtlich, dass
bis Ende 2010 mindestens 15.000 und damit ein Drittel aller Kindergärten in Deutschland beim „Haus der kleinen Forscher“ mitmachen. „Bund und Länder haben naturwissenschaftliche Erziehung
Ein Häufchen aus kleinen
Körnern – Beatrice nimmt
Backpulver unter die Lupe.
WEITER DENKEN
Welches Pulver ist wasserlöslich, welches
nicht? Enzo will es ganz genau wissen.
20
„Neugierig sein und Dingen auf den Grund gehen macht Spaß
und hilft Kindern, die Welt zu verstehen.“ Mirko Poltier
mit in die Bildungspläne des vorschulischen Bereichs aufgenommen“, erklärt Poltier. „Aber sie leisten keinerlei Hilfestellung, wie
dieses Ziel im Alltag umgesetzt werden kann.“ Das „Haus der kleinen Forscher“ setzt hier an – mit Workshops, pädagogisch aufbereiteten Experimentierkarten und der Aufforderung, eigene
Akzente zu setzen.
SPIELEND SCHLAU WERDEN
Impulse, die Birgit Bey gerne aufgegriffen hat. Die Leiterin der Kids
Company hat durch die Initiative nicht nur ihre Scheu vor komplizierten und komplexen naturwissenschaftlichen und technischen
Themen verloren. Sie hat auch das Forschen über die vorgeschlagenen Experimentierstunden hinaus in den Alltag ihrer Schützlinge
integriert. Die Kinder dürfen je nach Lust und Laune in der Forscherecke mit ungefährlichen Zutaten wie Zucker, Mehl oder Wasserfarben auch alleine weiterexperimentieren. „Insbesondere ruhigere
Kinder lieben das, weil sie die Erfahrung machen, dass Beharrlichkeit zu schönen Erfolgserlebnissen führt“, hat Birgit Bey beobachtet.
Außerdem greifen die Erzieherinnen auch Alltagspannen auf, zum
Beispiel wenn ein Möbelstück kaputtgeht oder das Mittagessen
anbrennt, um gemeinsam mit den Kindern nach den Ursachen zu
suchen. Dazu kommt: Das spielerische Experimentieren schult auch
Konzentrationsfähigkeit, Sozialverhalten und Sprachvermögen.
Ein Nebeneffekt, der Birgit Bey besonders wichtig ist. Inwieweit das
Forschen im Kindergarten später die Zahl der Naturwissenschaftler und Ingenieure signifikant erhöht, wagen weder Birgit Bey noch
Mirko Poltier vorauszusagen. Aber dass der frühe Kontakt mit
Naturwissenschaften Berührungsängste nimmt und den Kindern
im weiteren Bildungsverlauf nützt, davon sind beide überzeugt.
„Neugierig sein und Dingen auf den Grund gehen macht Spaß
und hilft Kindern, die Welt zu verstehen“, sagt Mirko Poltier. Max,
Enzo, Julie, Leonie, Beatrice und die anderen Kinder der Kids
Company sind dafür der beste Beweis.
LINKS ZUM THEMA:
HAUS-DER-KLEINEN-FORSCHER.DE
Experimentierkarten zum Download
WEITER DENKEN
FORUM FÜR UTOPISTEN
Mal angenommen, alle Menschen würden bewusster einkaufen. Dann gäbe es
schon bald bessere Produkte und fairere Arbeitsbedingungen. Genau diese Ziele
verfolgt Utopia, das erste Internetportal für strategischen Konsum.
INTERVIEW KATJA BOBBERT
Seit dem Start im Januar 2008 hat sich die
Website von Utopia zum bekanntesten Online-Treffpunkt für Weltverbesserer entwickelt. Schauspieler Axel Milberg berichtet
dort von den Nachhaltigkeitsinseln in seinem
Leben. Und Moderatorin Sandra Maischberger macht im Auftrag von Utopia den
Ökowindeltest. Warum das so ist, erzählt
Gründerin Claudia Langer.
Frau Langer, glauben Sie wirklich, dass wir
beim Shoppen die Welt verändern können?
Ja, aber es ist natürlich nur einer von vielen
Beiträgen. Jeder Konsument hat die Macht zu
entscheiden, was er kauft. Oder eben nicht
kauft. Und die Industrie registriert sehr genau, welche Ansprüche wir Verbraucher an
Produkte stellen. Wir müssen nur die entsprechenden Signale senden.
Welche Rolle spielt Utopia dabei?
Utopia spricht eine Generation an, die sagt:
„Eigentlich müsste man mal den Stromanbieter wechseln, weniger fliegen und öfter
mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.“
Diesen Menschen bieten wir Orientierung.
Auf unserem Portal finden sie Gleichgesinnte, mit denen sie sich austauschen
können. Das ist den meisten viel lieber, als
sich durch einen Dschungel an unübersichtlichen Informationen zu kämpfen.
Auch Vertrauen spielt dabei natürlich eine
große Rolle: Niemand kann dir besser sagen, ob ein Produkt gut ist oder nicht, als
jemand, der es selbst probiert hat.
Ist ein Internetforum geeignet, Vertrauen
zu schaffen?
Viele können sich politisch korrekten
Konsum nicht leisten.
Das stimmt nur zum Teil. Natürlich wird
der Hartz-IV-Empfänger eher einen 199-EuroKühlschrank mit Energieklasse B kaufen.
Aber der kostet ihn im Laufe des Lebenszyklus wahrscheinlich viermal so viel wie das
Energiesparmodell für 399 Euro.
Ist es nicht utopisch, dass sich strategischer
Konsum zur Massenbewegung ausweitet?
Ich denke, strategischer Konsum ist nur ein
Teil des ganzen Konzerts. Wir brauchen
auch Leute, die strategisch investieren,
eine Elterninitiative gründen oder politisch
aktiv sind. Es sollten möglichst viele Menschen das Bewusstsein teilen, dass sich
Engagement lohnt.
Utopia ist keine anonyme Website, sondern
eine Initiative. Unsere Nutzer wissen, wer
wir sind und wofür wir stehen. Viele registrierte Mitglieder treten daher ebenfalls
mit Foto, kurzem Profil und Echtnamen
auf. Wenn Sie also einen Rat suchen, erhalten Sie den in der Regel nicht von muschikatz77, sondern von Sandra Müller. Bei unseren Events stellen wir fest, dass es viele
Utopia-Mitglieder gibt, die sich im realen
Leben untereinander austauschen und sich
gemeinsam engagieren. Jede Woche gibt es
irgendwo einen Utopia-Stammtisch.
Wer trifft sich eigentlich auf Utopia.de?
Die meisten Nutzer sind zwischen 35 und
45 Jahren, haben einen akademischen Abschluss und stehen mitten im Leben. Ein
Portal für Öko-Yuppies sind wir aber nicht.
Wir sprechen Menschen an, die Verantwortung übernehmen wollen.
Und wie steht es um das Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen?
Utopia-Gründerin Claudia Langer
Ausgesprochen gut. Viele Firmen treten
mit uns in Kontakt. Das macht mir Mut.
Schließlich wollen wir der Industrie zeigen, dass es sich rentiert, auf die Wünsche
von Verbrauchern einzugehen.
Daryl Hannah bei der Verleihung der
Utopia Awards
NACHHALTIGKEIT LEBEN
Zur ersten Utopia Konferenz am 15. November
2008 lud Claudia Langer nach Berlin ein. Rund
500 Experten aus Wirtschaft, Medien und Kultur
diskutierten über Lösungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt. Am Abend
präsentierte Vaillant als Hauptsponsor die Verleihung der ersten Utopia Awards. Sie zeichnen
Unternehmen, Initiativen und Organisationen
aus, die sich für Natur- und Ressourcenschutz
sowie soziale Gerechtigkeit einsetzen.
21
WEITER DENKEN
GEIZ TUT GUTES
Wer Kosten senken will, achtet beim
Hausgerätekauf längst auf den
Energieverbrauch, lässt Sparlampen
leuchten und schaltet in Arbeitspausen
am Computer den Bildschirm ab.
Was entlastet Geldbeutel und Umwelt?
TEXT ANEMONE SCHLICH
22
KLUGE IDEEN
GEGEN KÄLTE
Den größten Anteil am Energieverbrauch
deutscher Haushalte hat nach wie vor die
Heizung. Wer kann, sollte deshalb in modernste Heizsysteme und eine optimale
Wärmedämmung investieren. Doch auch
schon kleinere Schutzmaßnahmen lohnen
sich. Wie sich Fenster und Türen wirkungsvoll gegen Zugluft abdichten lassen, verrät der Fachhandwerker. Dort finden Kälteempfindliche zudem dünne, flexible Dämmmatten mit Aluminiumbeschichtung. In
den meisten Wohnungen lassen die sich
recht einfach an der Wand hinter dem
Heizkörper anbringen – und schon wärmt
die Heizung nicht mehr die Außenmauer,
sondern den Raum.
WÄRME NATÜRLICH
Preiswert Energie gewinnen, unbegrenzt und
ohne Emissionen vor Ort – dank moderner
Wärmepumpensysteme wird diese Vision
Wirklichkeit. Die Anlagen nutzen natürliche
Umweltwärme zur Beheizung und Warmwasserversorgung des Gebäudes. Mittelfristig ist das ökonomisch sinnvoll und zudem
deutlich umweltfreundlicher als Heizen mit
fossilen Brennstoffen. Das Prinzip: In Erdreich, Wasser und Luft ist grundsätzlich
Wärme gespeichert. Über eine Erdsonde bzw.
einen Erdkollektor, einen Brunnen oder ein
Ventilationssystem wird diese Wärme aufgenommen und an den Heiz- bzw. Warmwasserkreislauf weitergegeben. Welche Energiequelle am besten geeignet ist, lässt sich
nicht pauschal beantworten. Daher ist eine
sorgfältige Beratung und Planung durch den
Heizungsfachmann unerlässlich. Eine gute
erste Entscheidungshilfe bietet auch Stiftung Warentest: Testsieger war zuletzt die
geoTHERM plus VWS 102/2 von Vaillant.
WEITER DENKEN
ÖKO-DISCO IN
ROTTERDAM
NETZ-PAUSE
Immer wieder empfehlen Experten, auf Stand-by-Funktionen zu verzichten. Denn auch im vermeintlichen RuheModus verbrauchen die Elektrogeräte Strom. Wären sie
komplett vom Netz getrennt, würde der Energiespareffekt in Deutschland zwei bis drei Atomkraftwerke überflüssig machen. Aber selbst die modernste automatische
Kaffeemaschine schaltet sich nicht vollständig aus, wenn
niemand mehr Latte macchiato will. Umweltbewusste
koppeln deshalb sämtliche Elektrogeräte an Steckerleisten
mit Schaltern, die sie abends händisch auf „Aus“ stellen.
Wie praktisch wäre es, könnten die Stromfresser ihre
Energie-Pause selbst einläuten! Ein neuartiges Produkt
namens Espressi bringt das zumindest Kaffeeautomaten
bei. Der kleine Helfer schaltet sie nach Gebrauch aus – und
dank Bewegungssensor wieder ein, sobald ein CappuccinoDurstiger sich nähert. Steckerleiste ade.
KRAFTWERK ZUM
AUFKLEBEN
2015 ist das Jahr der Sonne: Denn dann entsteht Strom,
sobald Tageslicht durch unsere Fenster fällt. Hautdünner
Kunststoff auf der Glasscheibe macht das möglich. Mit
Unterstützung der Bundesregierung arbeiten namhafte
Großunternehmen gemeinsam mit Start-ups wie die
Dresdner Heliatek GmbH daran, den Wirkungsgrad
solcher Photovoltaik-Folien zu steigern. Das organische
Material ist leicht und biegsam wie eine Klarsichthülle. Damit lässt es sich ganz flexibel
verwenden – zum Beispiel könnten sich
unsere elektronischen Geräte dank Solarschicht selbst aufladen. Das größte
Potenzial sehen die Entwickler beim
Hausbau. Auf Dächern, Fenstern und
Fassaden erzeugt die Folie künftig
benötigte Energie.
Im Club Watt gilt wörtlich, was viele Partygänger ohnehin wissen: Tanzen produziert Energie. Der Club, in dem
Feiern Strom erzeugt, eröffnete Anfang September 2008
in Rotterdam. Sein Energiezentrum ist ein gefederter
Boden, der beim Tanzen um wenige Millimeter nachgibt.
Nach dem Dynamo-Prinzip entsteht dabei Strom – zwei
bis zwanzig Watt pro Clubgänger, je nach tänzerischem
Einsatz. Macht insgesamt fast ein Drittel der benötigten
Energie für die Lichteffekte und Musikanlage. In dem
nach ökologischen Prinzipien gestalteten Club sind
nicht nur Technik, Licht und Lüftung besonders ressourcenschonend. Die Getränke an der Bar gibt es in
modernen Hartplastikbechern, Regenwasser spült die
Toiletten. Um Müll zu vermeiden, verzichtet der Club
Watt sogar auf Werbezettel. Mundpropaganda dürfte
ausreichend sein für die erste Öko-Disco der Welt.
23
GRÜNER WOHNEN
BAUEN FÜR
DIE NÄCHSTE
GENERATION
Erdwärme und Sonnenstrahlen sollen im neuen Eigenheim
von Familie Feldmann für wohlige Temperaturen sorgen.
Ein Modell für Öko-Idealisten oder Energieversorgung der
Zukunft? Ein Besuch im Darmstädter Energiesparhaus.
TEXT KATJA BOBBERT
FOTOGRAFIE MICHAEL NEUHAUS
25
GRÜNER WOHNEN
R
ainer Feldmann ist gerade dabei, die
neue Lüftungsanlage auszupacken,
als es an der Haustür klingelt. Ein Mitarbeiter von den Stadtwerken schaut wie verabredet vorbei, um abzustimmen, wann der
Strom- und Wasseranschluss verlegt werden
soll. Frühester Termin: in fünf Wochen. „So
spät?“ – Damit hätte der Bauherr nicht gerechnet. Hoffentlich wird sich der Umzugstermin nicht ein weiteres Mal verzögern.
„Das ist einer dieser Momente, in denen ich
es bereue, keinen professionellen Bauleiter
engagiert zu haben“, gesteht der 40-Jährige.
26
Die Solarthermieanlage
sammelt kostenlose
Sonnenenergie.
Seltene Momente. Denn eigentlich erfüllt
sich Rainer Feldmann gerade einen lang gehegten Traum: Er baut ein Energiesparhaus.
Wie man ein solches Projekt angeht, weiß der
selbstständige Diplom-Ingenieur genau. Vor
fünf Jahren hat er gemeinsam mit einem
Kollegen ein Ingenieurbüro gegründet, das
Bauherren bei der energiesparenden Modernisierung und beim Neubau von Wohngebäuden unterstützt. „Das Thema hat mich
schon im Studium interessiert. Und ich
freue mich darauf, mein ganzes Fachwissen
in dieses Haus zu stecken. Denn ich möchte
anderen Bauherren zeigen, dass sich energiesparendes Bauen auszahlt.“
Die Grundidee: Das Haus soll selbst sparen –
damit die kleinen Nachlässigkeiten seiner
künftigen Bewohner nicht so schwer ins Gewicht fallen. Denn wenn es ums Energiesparen geht, sind die Feldmanns eine ganz
normale Familie. „Wir versuchen, energiebewusst zu leben. Aber manchmal siegt
eben doch die Bequemlichkeit“, sagt Barbara
Feldmann. Sich in den eigenen vier Wänden
wohlzufühlen, das ist der zierlichen Fitnesstrainerin wichtig. „Ich würde zum Beispiel nicht auf die vielen kleinen Lampen
verzichten, die in unserem Wohnzimmer
für gemütliches Licht sorgen.“ Ebenso wenig wie auf eine angenehme Raumtemperatur. Die Frage nach einem zuverlässigen
und gleichzeitig energieeffizienten Heizsystem stand deshalb beim Bau des Energiesparhauses im Vordergrund.
WÄRME AUS DER TIEFE
Statt der klassischen Heizkörper haben sich
die Hausbesitzer für eine Flächenheizung
entschieden, die im Boden verlegt wird. Auf
diese Weise kann sich die Wärme schnell
„Ich freue mich darauf, mein ganzes
Fachwissen in dieses Haus zu stecken.
Denn ich möchte anderen Bauherren
zeigen, dass sich energiesparendes
Bauen auszahlt.“ Rainer Feldmann
GRÜNER WOHNEN
und gleichmäßig verteilen. „Das Raumklima
ist angenehm und man hat auch auf einem
Steinfußboden immer warme Füße“, freut
sich Barbara Feldmann. Wirtschaftlich ist
die Flächenheizung obendrein. Denn das
warme Wasser, das direkt unter dem Fußboden in den Rohrleitungen zirkuliert, hat im
Vergleich zu konventionellen Heizsystemen
eine niedrigere Temperatur. Hinzu kommt,
dass die Heizanlage einen Teil der benötigten Wärmeenergie direkt aus der Natur abzapft. Rainer Feldmann erklärt: „Das Herzstück der Energieversorgung ist eine Wärmepumpe. Sie nutzt die im Erdreich gespeicherte Wärme und bringt sie mit vergleichsweise geringem Aufwand auf ein höheres
Temperaturniveau. Die Wärme wird dann
in den Heizkreislauf überführt.“
DIREKTER DRAHT ZUR SONNE
Auf dem Dach sammelt eine Solarthermieanlage Sonnenenergie, die Rainer Feldmann in
einem selbst entwickelten Erd-Solar-Wärmespeicher zwischenlagert (siehe Infokasten).
Im Winter wird die Wärmepumpe dann nicht
nur mit Erdwärme versorgt, sondern kann
auch auf den gut gefüllten Speicher zurückgreifen. Rainer Feldmann kann es kaum erwarten, sein neuartiges Speichersystem in
Betrieb zu nehmen. „Wenn es so funktioniert,
wie ich es mir vorstelle, verbraucht die Wärmepumpe 80 Prozent weniger Strom als in
einem Neubau üblich. Bei den aktuellen Energiepreisen sparen wir dann richtig viel Geld.“
In zehn Jahren ließe sich mit dem Ersparten
bereits ein Mittelklassewagen finanzieren.
Tochter Anna, die dann alt genug für ihr erstes Auto wäre, würde davon profitieren.
Damit die kostbare Wärme auch wirklich
im Haus bleibt, hat Rainer Feldmann sein
Zukunftshaus gut verpackt. „Eine ordentliche Dämmung macht sich in jedem Fall bezahlt“, weiß der Energiefachmann. Denn ein
Großteil der eingesetzten Wärme entweicht
durch Decken, Wände und Fenster. Diesem
Energieverlust wirkt Rainer Feldmann von
vornherein entgegen. Dass er dabei hauptsächlich umweltfreundliche Materialien
wie Hanf, Zellulose oder Glasschaumschotter einsetzt, war für den zukunftsorientierten Bauherrn selbstverständlich. Außerdem
engagiert er nur Handwerker aus der Region.
Schließlich sollen vermeidbare Transporte
oder unökologisch produzierte Baustoffe
DIE TECHNIK IM ZUKUNFTSHAUS
DER ERD-SOLAR-WÄRMESPEICHER
So funktioniert’s: Unter dem Keller wurde vor Baubeginn ein Becken von drei mal
elf Metern ausgehoben, gedämmt und mit Wasser, Sand und Schotter aufgefüllt.
Ein Rohrsystem leitet die über Solarkollektoren auf dem Dach geerntete Sonnenwärme an den Speicher weiter. Die überschüssige Energie aus dem Sommer wird an
kalten Tagen im Winter über die Wärmepumpe in den Heizkreislauf überführt.
Das bringt’s: Der Wärmespeicher erhöht die Leistungsfähigkeit der Wärmepumpe
um bis zu 50 Prozent. Diese benötigt dadurch deutlich weniger Strom.
Kosten: rund 4.000 Euro
DIE SOLARTHERMIEANLAGE
So funktioniert’s: Die bläulich schimmernden, meist flachen Solarkollektoren
absorbieren die Sonnenstrahlen und erzeugen so Wärme für die Heizungs- und
Warmwasseranlage.
Das bringt’s: In Kombination mit dem Wärmespeicher unter dem Keller des
Hauses lässt sich die Solarwärme auch dann nutzen, wenn die Sonne nicht scheint.
Da die Sonne ihre Energie kostenlos zur Verfügung stellt, rechnet Rainer Feldmann
mit einer Heizkostenersparnis von mehr als 80 Prozent.
Kosten: rund 12.000 Euro
DIE WÄRMEPUMPE MIT ERDWÄRMESONDEN
So funktioniert’s: Über eine Tiefenbohrung werden mit einem Gemisch aus
Wasser und Frostschutzmittel (Sole) gefüllte Erdsonden bis zu 100 Meter tief im
Boden versenkt. Die Sole nimmt Wärme aus dem umliegenden Erdreich auf und
führt sie der angeschlossenen Wärmepumpe zu. Diese erhöht das rund 10 Grad
warme Wasser mit geringem Energieaufwand auf Zimmertemperatur.
Das bringt’s: Moderne Wärmepumpen in Kombination mit Erdwärmesonden
stellen über das Jahr viermal so viel Heizwärme bereit, als sie Strom zu deren
Gewinnung benötigen. Da Rainer Feldmann sein energiesparendes Heizsystem
zudem an den Solarwärmespeicher koppelt, wird der Betrieb nochmals deutlich
günstiger. Um 240 Quadratmeter Wohnfläche zu beheizen, rechnet der Energieexperte mit jährlich 120 Euro Stromkosten für den Betrieb der Wärmepumpe.
Kosten: rund 22.000 Euro inklusive Tiefenbohrung
SPEZIALDÄMMUNG FÜR DEN KELLER
So funktioniert’s: Unter der Bodenplatte befindet sich eine dreißig Zentimeter
dicke Schicht aus Glasschaumschotter. Diese sorgt dafür, dass die Wärme nicht
über den Kellerboden entweicht. Den positiven Energiespareffekt verstärkt Rainer
Feldmann, indem er für die Kellerwände einen speziellen Dämmstein verwendet.
Dieser ist an der Außenseite mit einer zusätzlichen Wärmedämmplatte versehen.
Das bringt’s: Die gedämmte Bodenplatte hält nicht nur die Wärme im Haus,
sondern verhindert auch kalte Füße. Der Diplom-Ingenieur kann sich in seinem
künftigen Souterrain-Büro auf ein angenehmes Raumklima freuen.
Kosten: rund 5.000 Euro
FAZIT: Im Vergleich zu einem Neubau, der den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) entspricht, hat Rainer Feldmann abzüglich Fördergeldern rund
28.000 Euro mehr investiert. Zugleich spart der Hausbesitzer jährlich 1.800 Euro
Heizkosten – Tendenz steigend. Denn die Strom- und Heizungskosten werden sich
weiter erhöhen und dazu beitragen, dass sich Investitionen in energiesparende
Maßnahmen schnell bezahlt machen.
27
GRÜNER WOHNEN
BELOHNUNG FÜR ENERGIESPARER
Um den Strom- und Wärmeverbrauch in privaten Haushalten zu senken, stellen Bund,
Länder und Kommunen diverse Förderprogramme zur Verfügung. Die wichtigsten
Fakten im Überblick:
WAS WIRD GEFÖRDERT?
š :[h8WkledFWii_l#eZ[h;d[h]_[ifWh^ki[hd
š :_[?dijWbbWj_edledh[][d[hWj_l[d>[_pkd]iWdbW][dm_[X[_if_[bim[_i[>ebpf[bb[j#
Kessel, Wärmepumpen oder Solarthermie
š :_[Mhc[Zcckd]led:Y^[hd"7kœ[dmdZ[dkdZPm_iY^[d][iY^eiiZ[Ya[d
š :_[;hh_Y^jkd]ledIebWhijhecWdbW][d
WIE FUNKTIONIERT DIE FÖRDERUNG?
Privatpersonen beantragen bei der Förderinstitution einen Zuschuss zu den Investitionskosten. Das Geld erhalten sie in der Regel nach der Fertigstellung. Zusätzlich
können Verbraucher auch ein zinsgünstiges Darlehen bei der KfW Förderbank beantragen. Wichtig ist, dass sie den Antrag vor Beginn der Bau- oder Modernisierungsmaßnahme stellen. Erste Anlaufstelle ist dabei die Hausbank.
WO KANN ICH MICH INFORMIEREN?
28
Einen guten Überblick bieten die Broschüren, die das Bundesumweltministerium
(BMU) herausgibt. Diese lassen sich unter www.bmu.de kostenlos bestellen oder als
PDF-Datei herunterladen.
Weitere Informationen zu Fördermitteln für Privatpersonen finden Sie unter
www.vaillant.de
„Bereits in zehn
Jahren lässt sich
mit dem Ersparten
ein Mittelklassewagen finanzieren.“
Rainer Feldmann
die positive Energiebilanz nicht im Vorfeld
zunichte machen. Auch deshalb hat sich der
gelernte Zimmermann dafür entschieden,
sein Haus aus heimischem Fichtenholz zu
bauen. „Bei Steinhäusern werden im Rohbau Unmengen von Wasser verbraucht. Das
ist der Grund für die sogenannte Neubaufeuchte, die erst nach einigen Monaten verschwindet“, erklärt der Fachmann. Familie
Feldmann braucht sich dagegen keine Sorgen
über feuchte Wände zu machen. Spätestens
im Mai will die Familie aus der Vierzimmerwohnung ins großzügige Eigenheim am
Stadtrand ziehen.
INVESTITION IN DIE ZUKUNFT
Dass sich der Traum von den eigenen vier
Wänden so schnell erfüllt, hätte das Paar
nicht gedacht. „Wir waren unsicher, ob uns
die Banken bei der Finanzierung unterstützen. Da ich nach der Geburt von Jan zu Hause
geblieben bin, ist mein Mann quasi Alleinverdiener und noch dazu erst seit fünf
Jahren selbstständig“, erzählt Barbara Feldmann. Tatsächlich erwies sich die Überzeugungsarbeit, die ihr Mann bei den Kreditvergebern leisten musste, im Rückblick als
die größte Herausforderung. „Es hat ein
bisschen gedauert. Aber letztlich habe ich
doch einen Berater gefunden, den ich für
mein Energiesparhaus begeistern konnte“,
erinnert sich der Energieexperte. Die enorme Heizkostenersparnis war darin ein wesentlicher Bestandteil. Durch sie steht den
Feldmanns jeden Monat mehr Geld für die
Rückzahlung des Kredits zur Verfügung.
ZURÜCK ZUR NATUR
Bis es ans Kistenpacken geht, bleibt den
Feldmanns noch eine ganze Menge zu tun.
Während Rainer Feldmann auf der Baustelle mit Heizungsbauern, Fliesenlegern
und Monteuren verhandelt, wird Ehefrau
Barbara Kataloge wälzen und die Einrichtung planen. Zeit für gemeinsame Unternehmungen bleibt dabei kaum. Auch das
soll ab Mai endlich wieder anders werden.
Rainer Feldmann: „Ich freue mich riesig
auf die Natur. Direkt hinter unserem Haus
beginnt der Wald. Ich habe mir fest vorgenommen, künftig wieder mehr Sport zu
treiben und mit dem Hund spazieren zu
gehen.“ Und so kommt am Ende selbst
Husky Tahvo im neuen Haus voll auf seine
Kosten.
LESETIPP: GRÜNE ZEITEN
Am 1. Januar 2009 trat in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in Kraft. Es verpflichtet Eigentümer
neuer Gebäude dazu, einen bestimmten Anteil der benötigten Heizwärme über regenerative Energien abzudecken. Wie die Anforderungen im Detail aussehen, erklärt der „Ratgeber zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz“. Er informiert Bauherren über die
wichtigsten Änderungen und zeigt, wie sich die Energie aus Sonne, Erde und Biomasse zuverlässig und effizient einsetzen lässt.
Zu bestellen ist die kostenlose Broschüre per Mail an leserservice@21-grad.de oder über die Vaillant Infohotline 0180 5 999 270
(14 Cent/ Minute aus dem deutschen Festnetz, abweichende Preise für Mobilfunkteilnehmer)
GRÜNER WOHNEN
BEGEHBARE
TRAUMWELTEN
Es muss nicht unbedingt ein Designer-Loft oder eine stuckverzierte
Altbauwohnung sein. Auch nachhaltig angelegte Neubauten können
einen ganz eigenen Charme besitzen. Warum nicht einfach in Baumkronen ziehen, auf Wasser wohnen oder unter Graswurzeln leben?
TEXT LEONIE TESSMER
30
GRÜNER WOHNEN
Sieht aus wie eine schuppige Urechse: das
Wochenendhaus von Familie Zeisser im
schwedischen Naturreservat Glaskogen.
Mit seinem Panzer aus Zedernholzschindeln
verschmilzt das ungewöhnliche Gebäude
mit der Natur. Eine weitere Besonderheit:
Die Wohnhöhle lässt sich erweitern und
verkleinern. Die Wohnfläche kann so den
Bedürfnissen und dem Wechsel der Jahreszeiten angepasst werden. Entworfen wurde
das wundersame Objekt vom niederländischen Architekturbüro 24H Architecture.
GRÜNER WOHNEN
GRÜNER WOHNEN
Der Schutz der mächtigen Bäume ist es, den der Düsseldorfer
Wolfgang Engelhardt gesucht hat. Er hat sich im Garten sein
eigenes Nest gebaut – ein neun Quadratmeter großes Baumhaus. Dank Architekt Andreas Wenning ist es alles andere
als windschief: Verschalt, verglast, auf stabilen Stelzen und
mit Seilen schonend am Walnussbaum verankert, kann Engelhardt hier auf hohem Niveau entspannen.
GRÜNER WOHNEN
GRÜNER WOHNEN
Das „Floating Home“ der Architekten Martin Förster und Karsten Trabitzsch im
Hamburger City-Sporthafen verwirklicht urbane Wohnträume auf dem Wasser.
Durchgestylte 225 Quadratmeter Wohnfläche – Sonnendeck und luxuriöse Terrasse nicht mitgerechnet. Der Designer-Doppeldecker aus Glas und Zedernholz
ruht auf mit Styropor gefüllten Stahlbetonpontons.
GRÜNER WOHNEN
GRÜNER WOHNEN
So ein Erdhaus erinnert an die Lebenswelt der kleinen
Hobbits in „Der Herr der Ringe“ von Tolkien. Aber dieses
hier liegt nicht im sagenhaften Auenland, sondern in der
Schweiz. Wie eine wärmende Decke legt sich die Erde
über die runden Bauten des Architekten Peter Vetsch. Sie
schützt das Haus optimal gegen Kälte, Regen und Wind –
und die Bewohner sparen bis zu 50 Prozent Energie.
HÜLYA ÖZKAN Jahrgang 1956, lebt in Mainz und Istanbul. Als Kind kam sie mit ihren
Eltern nach Deutschland. Sie studierte Politische Wissenschaften und Journalistik
in München. Beim ZDF absolvierte sie ihr Volontariat und arbeitet seitdem dort als
Redakteurin und Moderatorin. Zurzeit führt sie durch das Europa-Magazin im ZDF.
Ihr zweiter Roman „Istanbul sehen und sterben“ wurde mit Erol Sander in der Rolle
des Kommissars Özakin verfilmt und kürzlich in der ARD gezeigt. Die Ausstrahlung war
so erfolgreich, dass daraus eine Serie werden soll. Özkans drittes Buch „In deiner Hand“
ist im Diana Verlag erschienen.
MEHR WISSEN
„DIESE STADT KANNST DU NICHT
EROBERN. SIE EROBERT DICH.“
Istanbul ist gerade en vogue. Die Stadt am Bosporus ist die Megacity des
Kontinents, nicht Moskau oder Berlin. In ihr sollen – die Außenbezirke mitgezählt –
mittlerweile rund 20 Millionen Menschen leben. Pro Monat ziehen im Durchschnitt 25.000 weitere hinzu. Das verändert das Gesicht der Metropole.
Hülya Özkan, ZDF-Redakteurin, Moderatorin und Krimi-Autorin, porträtiert
sie mit leichter Feder in ihren Büchern.
INTERVIEW SEPIDEH HONARBACHT
39
Frau Özkan, für Ihre Krimis haben Sie
Istanbul als Kulisse gewählt. Mal abgesehen
davon, dass Ihre Herkunft es nahelegt – was
fasziniert Sie an dieser Stadt?
Istanbul gehört zu den wenigen Städten auf
der Welt, die so eine kulturelle Vielfalt bieten. Man kann auf Schritt und Tritt etwas
Neues entdecken. Alles ist bunt, schillernd,
einfach aufregend. Das Gegensätzliche reizt
mich sehr: modern und traditionell, orientalisch und westlich, dörflich und urban.
Ich liebe das.
Lassen Sie sich für Ihre Geschichten von
tatsächlichen Ereignissen inspirieren?
Ja, klar. Manche sagen, dass Istanbul mittlerweile eine riesige Blase sei, in der rund 20 Millionen Menschen leben. Die Landflucht und
der Bauboom verändern die Stadt und ihre
Bewohner. Zwischen armen und schicken
Ausgeh- und Einkaufsvierteln liegt häufig
nur eine einzige Straße. Das gibt genügend
Stoff für Krimis. Dazu kommt: Die Motive, ein
Verbrechen zu begehen, sind hier wie anderswo immer die gleichen. Es geht meistens um
Habgier, Rache und Eifersucht.
Sie skizzieren in Ihren Krimis auch die
Gesellschaft: Kommissar Özakin kocht
gern für seine Frau, die wiederum gar nicht
kochen kann; sein Kompagnon lebt noch im
Hotel Mama. Tradition und Moderne existieren wie selbstverständlich nebeneinander. Wollen Sie ein authentisches Bild Istanbuls zeichnen und so Vorurteile abbauen?
Ich habe kein pädagogisches Ziel, ich erzähle
einfach Geschichten. Dass die Leser dabei
auf spielerische Art mehr über Land und
Leute erfahren, ist ein schöner Nebeneffekt.
In Ihrem jüngsten Roman lassen Sie einen
der Protagonisten einen EU-Witz erzählen.
Gehen die jungen Türken tatsächlich so
lässig mit dem Thema um?
Aus der Entfernung scheint es den Deutschen
so, als ob die Türken nur darauf brennen, in die
EU aufgenommen zu werden. Dabei sehen die
Menschen dort das mittlerweile kritischer.
Sie sagen, wir haben schon so viel getan, so
viele Reformen verabschiedet. Und immer
noch findet der Westen ein Haar in der Suppe.
Das können viele nicht nachvollziehen. Also
ironisieren sie, machen sich lustig.
Sie sind in zwei Welten aufgewachsen,
leben in Mainz und Istanbul. Ist es
schwierig, mit den unterschiedlichen
Werten klarzukommen?
Ich empfinde Pluralität als bereichernd.
Die Zukunft der Gesellschaften ist multikulturell. Alle Gesellschaften, die homogen sind, sind meiner Meinung nach
zum Scheitern verurteilt. Vielfalt eröffnet
Chancen, um sich weiterzuentwickeln.
Auch in Deutschland geht die Entwicklung
in diese Richtung.
Worauf muss man sich als Besucher
Istanbuls tatsächlich einstellen? Was
ist anders als in Deutschland?
Also, wenn Sie mit Türken verabredet sind,
müssen sie Tee trinken. Sehr viel Tee. Und
alle haben Visitenkarten und tauschen sie
auch bei privaten Treffen aus. Außerdem
ist es wichtig zu wissen: Wenn ein Türke
sagt, ich bin in fünf Minuten da, sind es
eher 15 Minuten. Ich sage dann immer „fünf
türkische Minuten“ dazu. Habe ich auf
meinen Recherchereisen eine Verabredung
und jemand kommt 50 Minuten zu spät,
MEHR WISSEN
„Die Zukunft der Gesellschaften ist
multikulturell.“ Hülya Özkan
40
DEN TÜRKISCHEN
MARKT IM VISIER
Im Oktober 2007 hat die Vaillant
Group die Mehrheitsanteile an
Demir Döküm, dem führenden
osteuropäischen Hersteller im
Bereich Heiz- und Klimatechnik
mit Sitz in Bozüyük, übernommen. Gemeinsam erschließen
die Unternehmen die Wachstumspotenziale in der Türkei und den
Nachbarländern. Nach Umsatz ist
die Türkei zusammen mit Großbritannien heute der größte Markt
der Vaillant Group.
werde ich unruhig. Für die Türken sind
solche Wartezeiten nicht ungewöhnlich.
Sie kennen diese Mentalität und stellen
sich darauf ein.
Hat er auch etwas von Ihnen?
Und wie überbrücken sie die Wartezeit?
Sie schwärmen von den Vorzügen Istanbuls. Aber schnelles Wachstum bringt
auch Probleme mit sich. Was sind die
größten Baustellen?
Sie trinken Tee. Und sie schließen neue Bekanntschaften. Es ist sehr leicht in Istanbul, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Wir Türken sind sehr kommunikativ.
Wer hat Sie für die Figur des Kommissars
Özakin inspiriert?
Unterschiedliche Personen. Beispielsweise
hat Özakin Züge meines Vaters, der auch so
gern kocht. Aber ich habe ihm auch Charaktereigenschaften anderer Menschen gegeben, denen ich begegnet bin. Und ich
habe mich gefragt, wen ich selbst als Sympathieträger, als Kommissar akzeptieren
würde: jemanden der Humor hat, der gegen
die Bürokratie, den Schlendrian und die
Vetternwirtschaft kämpft. Der rechtschaffen ist, aber auch eine gewisse Leichtigkeit
des Seins versprüht.
Ja, ich glaube schon. Ich mag Heuchelei
nicht und Özakin reagiert auch sehr allergisch darauf.
Zum einen sind es tatsächlich die Baustellen.
Die Städteplaner haben es wirklich schwer,
weil sehr viel wild gebaut wird. Das ist kein
schöner Anblick. Zum anderen ist die Umweltverschmutzung ein Problem, das die
Türken nicht im Griff haben.
Woran liegt das?
Unter anderem daran, dass der türkische
Mann kein kleines Auto fährt. Das Auto ist
ein Statussymbol. Je größer und schneller,
desto besser. Das war ja hier in Deutschland bis vor Kurzem auch noch so. Außerdem sind die meisten Unternehmen in der
Türkei noch weit davon entfernt, ihre CO2Emissionen zu senken oder Nachhaltigkeit
MEHR WISSEN
WESTÖSTLICHER DIWAN
Kaum eine Metropole ist so widersprüchlich wie Istanbul. Die Stadt am Bosporus
ist ein Schmelztiegel der Kulturen, eine Integrationsmaschine. Hier leben Muslime,
Christen und Juden. Seit den 1950er-Jahren ächzt die Stadt unter dem Ansturm
mittelloser Zuwanderer aus Anatolien. Experten schätzen, dass 60 Prozent des
Stadtgebietes auf zunächst illegal errichtete Siedlungen zurückgehen. Zugleich
entstehen jedes Jahr neue supermoderne Hochhäuser und Shopping-Center.
Auch deutsche Investoren setzen auf Bevölkerungszuwachs und steigende Kaufkraft der Bewohner. Denn Istanbul hat Beirut schon lange den Rang als führendes Handels- und Finanzzentrum der Region abgelaufen.
2010 wird Istanbul Europäische Kulturhauptstadt sein. Ein Besuch lohnt sich bereits heute. Die Krimi-Autorin Hülya Özkan stellt einige ihrer Lieblingsplätze in der
2.600 Jahre alten Stadt vor – und wandelt dabei zwischen Tradition und Moderne.
BERAUSCHEND
Leb-i derya: In dieser Szene-Bar in einem älteren Jahrhundertwendehaus im
5. Stock und mit Blick über Istanbul treffen sich die Schönen und Reichen Istanbuls.
Kumbaracı Yokuşu, www.lebiderya.com
Sunset Grill & Bar: Klingt touristisch, ist es aber nicht. Hier wird asiatisch-türkische Küche serviert. Der schöne Blick über den Bosporus ist inklusive und hat
seinen Preis. Adnan Saygun Caddesi, www.sunsetgrillbar.com
BESINNLICH
als Teil ihrer Unternehmensphilosophie
zu sehen. Aber das Umweltbewusstsein erwacht langsam. Dazu tragen auch die internationalen Umweltschutzorganisationen
bei, die in der Türkei aktiv sind.
Die Luft in Mainz ist sicher besser. Würden
Sie dennoch lieber in Istanbul leben?
Perfekt wäre, wenn ich Auslandskorrespondentin für das ZDF in Istanbul werden
könnte. Das war immer schon mein Traum.
Aber ich werde in Mainz bleiben. Mein
Mann hat hier einen interessanten Job. In
Istanbul wäre es schwierig für ihn, etwas
Passendes zu finden.
Schreiben Sie an einem neuen Roman?
Ich recherchiere noch.
Ortaköy Moschee: Kleine, aber feine Moschee direkt am Ufer des Bosporus.
Von hier aus blickt man auf die Bosporus-Brücke und kann sich nach dem Besuch
unter das junge Publikum in den umliegenden Cafés mischen. Stadtteil: Ortaköy.
Christliche Kirchen: Die über 100 christlichen Kirchen versetzen die Besucher
zurück in das alte Byzanz. Auf ihrem Spaziergang durch die Altstadt können Interessierte bei einigen klingeln und um Einlass bitten. Die Hausmeister erzählen
gern mehr über Historie und Bauwerk.
BESCHAULICH
Junge Kunst im Cihangir-Viertel: In diesem Stadtteil eröffnen immer wieder
neue Galerien. Rund um die Siraselviler Caddesi lassen sich Kunstliebhaber einfach
treiben und entdecken vielleicht die großen Meister von morgen.
Fischmarkt von Beşiktaş: Balik Pazari Hier gibt es fangfrischen Fisch –
zum Beispiel Sardellen, Blaufisch und Bonito. In den umliegenden Restaurants
speisen vor allem Einheimische. Ein Indiz für das gute Preis-Leistungs-Verhältnis.
BETUCHT
Çemberlitaş Hamami: In diesem vom Architekten Sinan 1548 erbauten
türkischen Hamam können Besucher beim zeremoniellen Baden entspannen.
Vezirhan Caddesi, www.cemberlitashamami.com.tr
Wäre Umweltkriminalität nicht ein
geeignetes Thema?
(Lacht.) Ja, warum eigentlich nicht? Nach
dem Motto: Giftmüll versenkt im Bosporus. Özakin kämpft gegen eine mafiöse
Gruppierung.
Beantworten Sie eine Frage zu Istanbul und gewinnen Sie ein langes
Wochenende in der Megacity. Mehr erfahren Sie auf der letzten Seite
des Magazins.
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MEHR WISSEN
STERNKUNDE FÜR
FORTGESCHRITTENE
Die Sonne ist das Zentrum unseres Planetensystems. Das ist nichts
Besonderes, denn das Weltall ist voll von solchen Systemen und
Zentren. Was also gibt es noch über den Himmelskörper zu sagen?
TEXT HENDRIK WERNER
ILLUSTRATION ANTJE KAHL
EINE VERHÄNGNISVOLLE LIEBE
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„Ich brauche Sonne“, stöhnt der Mitteleuropäer an düsteren Wintertagen. Verglichen mit der Bartagame ist das ein Jammern auf hohem Niveau. Denn diese
australische Echsenart braucht die Sonne bedeutend dringender. Ohne die
wärmenden Strahlen könnte das Tier noch so viele Grashüpfer vertilgen – es
würde dennoch hungers sterben. Die Bartagame muss ihren Verdauungstrakt
auf mindestens 45 Grad erwärmen. Liegt die Temperatur darunter, spielen die
Spaltenzyme nicht mit und die Nahrung bleibt unverdaut. Das Schlummern und
Verdauen der Bartagame in der brütenden Sonne ist allerdings nicht ganz ungefährlich: Zu ihren beliebtesten Sonnenplätzen gehören teerschwarze Autobahnen.
Dort richtet sich das Reptil auf verdauliche und ungestörte Stunden ein, indem
es den Körper flach auf die Straße presst und seine Haut schwarz färbt.
MORGENRÖTE EOS UND
MONDGÖTTIN SELENE
Die meisten alten Völker hatten Sonnenkulte. Ein Tempel für den Aztekengott Huitzilopochtli
hier, ein paar Hinkelsteine für den keltischen Lichtgott Lugh dort. Schon früh gab es allerdings
Menschen, denen solche Riten auf die Nerven gingen, zum Beispiel Xenophanes und Anaxagoras. Das waren Griechen, die ungefähr 500 Jahre vor Christus lebten. Übellaunig hörten
sie ihre Landsleute folgende Geschichte erzählen: Jeden Morgen steigt der Gott Helios in
seinen Sonnenwagen, schaltet das Licht ein und juckelt über die Himmelsstraße. Dadurch wird
es auf der Erde hell. Bevor Helios sich auf den Weg macht, sagt er der Morgenröte Eos Bescheid,
sie solle vorneweg fahren. Das macht schöne Sonnenaufgänge. Außerdem wird die Mondgöttin Selene angewiesen, hinter dem Sonnenwagen genügend Sicherheitsabstand zu halten,
damit es nachts ein bisschen Mondenschein gibt. Ganz großes Kino, dachten Xenophanes
und Anaxagoras, aber irgendwann reicht’s. Der Jüngere von beiden, Anaxagoras, erklärte die
Sonne zu einem heißen Stein, während Xenophanes für eine riesige Feuerwolke votierte. Der
Unterschied zwischen diesen Thesen ist aber weniger bedeutsam als ihre Gemeinsamkeit:
Der Gedanke, dass die Sonne nichts Übernatürliches sei, sondern ein erklärbares Phänomen,
revolutionierte das menschliche Denken.
MEHR WISSEN
EINE FRAGE DER ZEIT
Einer der Nachfolger von Xenophanes war Hermann von Helmholtz. Der deutsche
Physiker widmete sich Mitte des 19. Jahrhunderts der Frage, wie lange die Sonne
wohl noch leuchten könne, wenn ihr Feuer sich aus Gas speise. Helmholtz rechnete
kühl und kam auf 3021 Jahre. Während seine Zeitgenossen um ihre Urenkel
bangten, beschwichtigte der Wissenschaftler: Die Sonne versorge die Erde schon
so lange, dass mehr dahinterstecken müsse als ein gewöhnlicher Verbrennungsprozess. Was genau sich in der Sonne abspielt, das fand 1938 der deutsch-amerikanische Physiker und spätere Nobelpreisträger Hans Bethe heraus: Im Inneren
der Sonne kommt es zu einer Kernschmelze von Wasserstoffkernen zu Heliumkernen. Damit das gelingt, ist außer hohen Temperaturen ein enormer Druck nötig.
Den erreicht die Sonne spielend: Das Gas in ihrem Inneren wird derart zusammengequetscht, dass ein damit gefüllter Würfel so viel wiegen würde wie 20 gleich
große Eisenwürfel auf der Erde.
DER SCHIEFE TURM VON PARIS
Gustave Eiffel ist der Erbauer des womöglich sinnlosesten aller berühmten Gebäude der Welt. Experten
loben den nach ihm benannten Turm in Paris jedoch als Meisterwerk der Ingenieurskunst. Anders als von
Eiffels Zeitgenossen befürchtet, ist die Stahlkonstruktion nicht beim ersten Sturm eingeknickt. Im Gegenteil:
Ihre Spitze schwankt auch beim stärksten Lüftchen höchstens sieben bis acht Zentimeter. Es gibt jedoch
eine Kraft, die das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt etwas deutlicher bewegt: das sanfte Kitzeln
der Sonnenstrahlen. Schon 1899 meldete die Zeitschrift „Stein der Weisen“, dass der Eiffelturm zwischen
Sonnenaufgang und Sonnenuntergang „die ansehnliche Länge von 20 Centimetern“ zurücklege. „Die Veranlassung dieser pendelnden Bewegung der Thurmspitze liegt in der durch Temperaturänderungen veranlassten Contraction und Expansion der ungeheuren Eisenmassen.“ Der Münchner Physik-Professor Rainer
Müller bestätigt diese Vermutung: „Die Sonne geht im Osten auf und scheint auf die Ostseite des Eiffelturms. Diese erwärmt sich und dehnt sich aus.“ Die Westseite dagegen bleibe kühl, wodurch die Ostseite
länger werde und der Turm sich nach Westen neige. Am Abend ist es umgekehrt: „Nun ist die Westseite
des Turms wärmer als die Ostseite, sodass sich der Turm nach Osten neigt.“
ALLES NUR HEISSE LUFT
Klingt unlogisch, geht aber trotzdem: mit Wärme kühlen. Dazu leite man die Luft eines tropischen
Sommertags zunächst durch Siliziumdioxidgranulat. Dieses auch als „Silicagel“ bekannte Material
liegt – abgefüllt in kleinen Tütchen – zum Beispiel Elektrogeräten oder Textilien bei, um sie vor
Nässe zu schützen. Das Granulat nimmt zuverlässig Wasser auf, das in der Luft enthalten ist.
Und was ist daran kühlend? Noch nichts. Man muss der getrockneten Luft erst wieder Feuchtigkeit zuführen. Klingt ebenfalls unlogisch, ist aber schlau. Zur Aufnahme von Wassermolekülen
benötigt die Luft Energie. Über diese Energie verfügt sie in Form von Wärme, also gibt sie die ab:
Der Kühleffekt entsteht. Und nun kommt die Sonne ins Spiel. Ihre Strahlen – eingefangen mit
Solarzellen – trocknen das Granulat. Jetzt kann der Prozess von vorn beginnen. Klingt einfach, ist
aber komplex: Bis alle Bürotürme mit Klimaanlagen auf Solarbasis ausgestattet sind, geht die
Sonne noch das ein oder andere Mal auf und unter.
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ALARM IM
SILBERWALD
Ein Märchen für Kinder und Freunde
alternativer Energie
Der Jahrmarkt der Hasen droht, ins Wasser
zu fallen. Schuld daran sind die Hasen, die in
die Pedale treten sollen, um die notwendige
Energie zu erzeugen. Sie haben zu viel gegessen
und schlafen nun tief und fest. Oberlangohr
Lampe und sein Assistent Möhrchen suchen
verzweifelt nach einer Lösung. Da schaltet sich
die Sonne in das Geschehen ein …
Falls die Märchen-CD in Ihrer Ausgabe des Vaillant Magazins fehlt, senden wir
Ihnen gern ein Exemplar zu. Schreiben Sie eine Mail an leserservice@21-grad.de
Der Jahrmarkt der Hasen
Ein Märchen aus dem Silberwald
BESSER LEBEN
DER EWIGE
GÄRTNER
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Die Mönche der Benediktinerabtei Maria Laach
wissen, was freier Wettbewerb ist. Dumpingpreise
vieler Super- und Baumärkte haben sie gezwungen,
den Eigenanbau deutlich zu reduzieren. Das enttäuschte so manchen Stammkunden. Nun heißt
es: zurück zu den Wurzeln. Denn die Produkte aus
den Klostergärten sind begehrt.
TEXT SEPIDEH HONARBACHT
FOTOGRAFIE MICHAEL NEUHAUS
E
in milder, sonniger Herbsttag in der
Vulkaneifel bei Andernach. Das Laub
schillert in Orange- und Rottönen, ruhig glitzert die Oberfläche des Laacher Sees.
Ein dezenter, angenehm süßlicher Duft liegt
in der Luft. Es riecht irgendwie weihnachtlich. Nach Honigkuchen? Vielleicht ist heute
Backtag im Kloster. Majestätisch erhebt sich
der sechstürmige romanische Bau der Benediktinerabtei Maria Laach. Es heißt, dies sei
eine der schönsten Anlagen aus jener Zeit
überhaupt. Davon haben sich jedenfalls auch
die vielen Touristen, die am Freitagnachmittag Richtung Klosteranlage strömen, anlocken lassen.
Hinter den Klausurmauern geht es still und
bedächtig zu. Hier leben rund 50 Mönche,
die ihre Talente ganz in den Dienst des Herrn
stellen.
Und damit
auch zum wirtschaftliBruder Hilarius
und sein
chen
beitragen. Sie beten,
Team Erfolg
achtender
auf Abtei
die hohe
Qualitätlobpreisen.
der Produkte.
singen,
Dem Credo des heiligen
Benedikt folgend – ora et labora – arbeiten sie
aber auch. Als Gelehrte, Handwerker oder
Gärtner. Einer von ihnen ist Bruder Hilarius.
Der fröhliche Mönch macht seinem Namen
alle Ehre (Hilarius bedeutet Heiterkeit und
Freude). Er lebt seit mehr als 50 Jahren in der
Gemeinschaft der Benediktiner. Seine Ortsgebundenheit empfindet er als Segen. „Mein
Los ist mir gefallen auf liebliches Land“, intoniert er Psalm 16, ein Miktam Davids aus dem
Alten Testament. „Schauen Sie sich um. Wo
könnte es schöner sein?“ Es ist leicht zu
erraten, was den weltlich wirkenden Geistlichen am klösterlichen Leben so begeistert:
„Die Liturgie und die Gemeinschaft.“ Entflammt hat ihn der Zauber der Rituale im
Kloster in der Osternacht. Also ließ er – damals Anfang 20 – sein Mädchen und die Aussicht auf einen Gärtnereibetrieb schweren
Herzens zurück und trat zunächst als Angestellter der Klostergärtnerei in den Dienst der
Mönche. Zwei Jahre später wurde er einer von
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BESSER LEBEN
„Die ungewöhnlicheren
Pflanzen und Kräuter
sind bei unseren Kunden
sehr beliebt. Das bindet
sie auch an uns. Sie
wissen, dass sie hier
Arten bekommen, die
in den Gartencentern
nicht zu finden sind.“
48
Bruder Hilarius
ihnen. Und ist bis heute der ewige Gärtner
geblieben. Mit Leib und Seele kümmert sich
der 74-Jährige immer noch um die Pflanzen
und die Menschen. Dabei unterstützt ihn
Gärtnermeister Reinhard Schmitt, der 2004
die Geschäftsführung der Klostergärtnerei
übernommen hat.
DER MARKT HAT SEINE
EIGENEN REGELN
Für die Männer des Glaubens ist es gar nicht
so leicht, sich an den knallharten Wettbewerb zu gewöhnen, Businesspläne zu machen und Marketingstrategien zu entwickeln. Deshalb gibt es seit 2007 einen Beirat,
der die Geschicke der Benediktinerabtei gemeinsam mit der Bruderschaft in wirtschaftlicher Hinsicht lenkt. Viele Ideen für
neue Geschäftsfelder kommen von den
Mönchen, der Rat jedoch entscheidet, in
welche Projekte investiert wird und in welche nicht. Vorher muss die Idee allerdings
noch vom Konvent genehmigt werden. Das
ist das wichtigste Gremium der Gemeinschaft. Nach altem Brauch erhält jeder der
anwesenden Mönche bei einer Abstimmung
eine schwarze Bohne für „Nein“ und eine
weiße Bohne für „Ja“. Die Mehrheit entscheidet. Bruder Hilarius schlug dem Konvent
Anfang 1995 den Bau eines neuen Verkaufsgewächshauses vor. Oberstes Ziel war es
nicht, den Umsatz zu steigern. Der Mönch
wollte den Kunden mehr Raum geben, um
in der Pflanzenwelt zu flanieren. Einer der
Brüder fragte: „Bis du verrückt, in einer solchen Zeit mit dieser Idee zu kommen?“ Und
der verschmitzte Hilarius antwortete ihm:
„Ein wenig Verrücktsein ist die Grundvoraussetzung, um ins Kloster zu gehen.“
Seine Idee hat die Gemeinschaft damals
überzeugt. In besagtem Gewächshaus blüht
heute ein Meer von Weihnachtssternen.
„Die Kunden kommen deswegen von weit
her“, sagt Bruder Hilarius. Vor fünf Jahren
hatte sich die Gärtnerei entschieden, Weihnachtssterne nicht mehr selbst zu ziehen,
weil die Kosten zu hoch und die Preise nicht
mehr marktfähig schienen. Im preisaggressiven Gartencenter acht Kilometer entfernt
waren die winterlichen Pflanzen zeitweise
halb so teuer. Also bezog die Klostergärtne-
rei die Weihnachtssterne aus anderen Gewächshäusern und bot sie zum Verkauf an.
„Aber die Qualität war nicht verlässlich.
Eine Lieferung war gut, die nächste schlecht.
Wir haben damals einige unserer Stammkunden verloren“, weiß Matthias Alter, der
kräuterkundige Mitarbeiter der Klostergärtnerei, der von allen nur Mätthes genannt wird. Seit drei Jahren kultiviert die
Klostergärtnerei die Weihnachtssterne nun
wieder selbst, in Tontöpfen. „Das ist natürlich 20 bis 30 Cent teurer. Dafür können die
Pflanzen aber auch besser Wurzeln treiben.
Sie halten deshalb länger“, so Alter.
Abgesehen von Zierpflanzen wie Weihnachtssternen und Duftpelargonien, bietet
die Klostergärtnerei auch Kräuter der besonderen Art an. Ermutigt durch Bruder
Hilarius, zieht Matthias Alter seltene Sorten. Beispielsweise das Basilikum „African
Blue“: Die Spitzen der Blätter färben sich
lila, duften herber und schmecken intensiver als die hierzulande handelsübliche
Variante. Ein überraschendes Geschmackserlebnis verschafft auch das Stevia-Kraut.
BESSER LEBEN
Für den kleinen Hunger
bestreicht Bruder
Jakobus herzhaftes
Graubrot mit seiner
selbstgemachten
Erdbeermarmelade
Zerkaut man das Blatt, entwickelt sich eine
reichhaltige, leicht bittere Süße. Der hierfür
verantwortliche Stoff heißt Steviosid. Extrahiert ist er 250-mal süßer als Zucker. Alter
nutzt Stevia zum Süßen von Tee. „Fünf Blätter reichen für eine Kanne“, sagt der Kräuterliebhaber, der vor 26 Jahren in der Klostergärtnerei seine Lehre absolvierte und
seither – mit einer kleinen Unterbrechung –
dort arbeitet. Und Bruder Hilarius steckt
sich zum Beweis für die Ungefährlichkeit
gleich ein Blatt in den Mund. „Die ungewöhnlicheren Pflanzen und Kräuter sind
bei unseren Kunden sehr beliebt. Das bindet
sie auch an uns. Sie wissen, dass sie hier Arten bekommen, die in den meisten Gartencentern nicht zu finden sind.“
EIN MÖNCH GEHT ANS
EINGEMACHTE
Bruder Hilarius ist auch bei der Geschäftsentwicklung ganz Gärtner. Er sät Mut und
Enthusiasmus und erntet Ideen von Mitarbeitern und Brüdern. Seinem Impuls ist es
auch zu verdanken, dass Maria Laach seit
einigen Jahren selbst gemachte Marmeladen
im Sortiment hat. Sein Klosterbruder Jakobus, von ihm liebevoll Jacomo genannt, erinnert sich: „2004 kam Hilarius in die Küche
reingewatschelt und fragte, ob wir nicht mal
was machen können, was typisch für Maria
Laach ist. Da habe ich angeboten, Marmelade
zu kochen.“ Gesagt, getan. Zu Beginn startete er mit vier Sorten und rund 300 Gläsern
Marmelade. Heute sind es 30 Sorten und
mehr als 8.000 Gläser. Viele Kunden kommen
vor allem der Marmelade wegen. Darunter
gibt es viele ungewöhnliche Rezepturen:
etwa Johannisbeer/Banane, Erdbeer/Weiße
Schokolade, Apfelwein-Gelee mit Amaretto
oder Pflaume/Nuss mit Orangensaft. Danach
gefragt, wie er auf seine Rezepte kommt, antwortet Bruder Jakobus: „Während der Vesper
guckt man halt hoch zum Heiland und hat
eine Eingebung.“ Viele Zutaten wie Johannisbeeren, Mirabellen und Pflaumen stammen
aus dem eigenen Obstgarten, andere wie
Schlehen, Holunder oder Hagebutten sammelt der Mönch selbst im Wald.
Der Erfolg der Marmeladen inspiriert die
Mönche für weitere Produktentwicklun-
49
gen: Mit selbst gemachtem Senf hätten sie
erst im September angefangen, rund 300
Gläser sind schon verkauft, sagt Bruder Jakobus. Er träumt von einer moderneren Küche für die Marmeladen-Produktion, darin
soll es auch eine Imker-Ecke geben. Man
könne sogar Met machen, die Zutaten seien
vorhanden: Äpfel und Honig. „Und wer
weiß, vielleicht haben wir eines Tages auch
einen Online-Versandhandel“, meint Bruder Jakobus. Dann entschuldigt er sich beim
älteren Bruder und den Gästen, verlässt den
Gemeinschaftssaal im oberen Stockwerk.
Er muss noch Marmelade abfüllen. „Der Jacomo ist ein echter Tüftler, er macht nicht
nur Marmelade. Seine Orgel hat er sich
selbst gebaut“, sagt Bruder Hilarius mit
Stolz. „Es gibt schon sehr spezielle Modelle
unter uns. Das macht das Leben hier so besonders.“
PARADIESISCHE FRÜCHTE
LOCKEN NEUE KUNDEN AN
Spezielle Modelle gibt es auch unten im
Laden der Gärtnerei – wie zum Beispiel die
25 Apfelsorten aus eigenem Anbau. Beson-
GESEGNETE
MAHLZEIT
APFELKONFITÜRE
Zutaten: 1kg Äpfel – vorzugsweise
Boskoop; 0,4 l Laacher Apfelsaft;
1kg Gelierzucker; 1TL Zimt; Saft
einer Zitrone; 2 EL Laacher Honig
Äpfel schälen und in kleine Würfel
schneiden. Alle Zutaten – bis auf
den Honig – in einem großen Topf
zirka 4 1/2 Minuten kochen. Den
Honig erst nach dem Kochen hinzugeben. Das Rezept reicht für ca.
8 Gläser à 200 Gramm.
APFELAUFLAUF
Zutaten: 350g Äpfel – vorzugsweise Boskoop; 1 Ei; 2 alte Brötchen; 125g Quark; 250 ml Milch;
4–5 EL saure Sahne; 40g Butter;
80g Zucker; 40g Semmelmehl;
Backpulver; Salz
25 Apfelsorten
bauen die Mönche
im eigenen Obstgarten an.
ders stolz ist Bruder Hilarius auch hier auf
eine neue Sorte, die Maria Laach im Angebot
hat: Topaz. Die Züchtung aus Tschechien soll
für Bio-Anbau gut geeignet sein, da sie nicht
besonders anfällig für Schädlinge ist. „Hier,
kosten Sie mal. Ganz wunderbar.“ Der rötliche Apfel hat festes, säuerlich-süßes Fruchtfleisch. Äpfel und Apfelerzeugnisse sind
nach Angaben des Mönches Verkaufsschlager im kleinen Laden der Gärtnerei. Insgesamt werden im klösterlichen sechs Hektar
großen Obstgarten nicht nur Äpfel, sondern
unter anderem auch Birnen, Kirschen, Pflaumen und Brombeeren angebaut. „Bis 1999
haben wir unsere Ländereien noch selbst bewirtschaftet, Obst und Gemüse für unseren
eigenen Bedarf produziert. Aber das war irgendwann wirtschaftlich einfach nicht
mehr tragbar. Deswegen haben wir 166 Hektar Land an die Familie Ullenbruch verpachtet, die in der Nähe der Klosteranlage ihren
eigenen Laden betreibt“, so Bruder Hilarius.
Plötzlich wird der Geistliche unruhig. Vor
lauter Gastfreundschaft hätte er beinah
die Vesper verpasst. Dabei singt er so gern.
Zeit also, sich rasch von den Besuchern zu
verabschieden. Draußen auf dem Klosterplatz: wieder dieses Aroma. Was ist das
nur? Bruder Hilarius kennt die Antwort:
„Es riecht nach Honigkuchen, ich weiß.
Wir backen aber nicht. Das ist der Duft
dieses Baums hier. Cercidiphyllum. Ist es
nicht herrlich?“ Und er hebt die gut ausgebildete Stimme wieder zum Gesang an.
Diesmal ist es kein Psalm, sondern ein
Volkslied von Johann Friedrich Kind:
„Durch die Wälder, durch die Auen, zog ich
leichten Sinns dahin …“
LINKS ZUM THEMA:
Matthias Alter ist Pflanzendoktor an der Gartenakademie Rheinland-Pfalz. Sie können ihn
unter MARIA-LAACH.DE kontaktieren.
Die Brötchen in dünne Scheiben
schneiden und in Milch einweichen. Äpfel schälen, entkernen
und ebenfalls in Scheiben schneiden. Butter mit dem Eigelb schaumig rühren. Eine Prise Salz, 50g
Zucker, zuletzt die saure Sahne,
Quark und Backpulver zugeben.
Eiweiß zu sehr steifem Schnee
schlagen. Eingeweichte Brötchen
in die gefettete Auflaufform
legen. Quarkmasse mit Äpfeln
mischen, Eischnee unterziehen
und in die Form füllen. Mit Semmelmehl, restlichem Zucker und
Butterflöckchen bestreuen. Zirka
eine Stunde bei mittlerer Hitze
im Ofen backen.
SALBEITEE
Eine Handvoll Salbeiblätter mit
kochendem Wasser übergießen
und 5 Minuten ziehen lassen.
Nach Belieben mit Honig und
Stevia-Blättern süßen. Tipp: Salbei-Tinktur gegen Halsschmerzen. Salbeiaufguss 10 Minuten
ziehen lassen, abseihen. Mehrmals täglich mit dem Kräuterwasser gurgeln. Wenn sich der
Halsschmerz länger als 2 Tage
hält, den Arzt aufsuchen.
BESSER LEBEN
GRADWANDERUNGEN
Wenn das Quecksilber steigt, hebt das unsere Laune. Wir spüren Energie.
Sie ist überall. Ein spannendes Thema zum Rätseln und Stöbern …
TEXT NORA KRAFT
HEISSER KERN
Unter der Erdkruste glüht das Gestein. Wie heiß ist es eigentlich genau
im Inneren unseres Planeten?
A Etwa 5.300° C – und damit nur wenig „kühler“ als auf der Sonne
B Rund 4.000° C, doppelt so heiß wie in einem Hochofen
C Zirka 2.900° C unter den Ozeanen und 3.200° C unter Land
Sie kennen die Lösung? Prüfen Sie auf www.21-grad.de, ob Sie richtig liegen.
NICHTS ALS DIE WAHRHEIT
Schon gewusst?
Autos mit einem Bar Unterdruck an allen Reifen schlucken bis zu 0,3 Liter mehr Sprit pro 100 Kilometer. Bei einem Verbrauch von 8 Litern auf
dieser Strecke und 10.000 Kilometer Fahrleistung im Jahr gehen so zum Beispiel 30 Liter Benzin flöten – das hätte für 375 Kilometer gereicht.
Kühlschränke fressen 8 Prozent zu viel Strom, wenn sie ein Grad Celsius zu kalt eingestellt sind. 7 Grad reichen.
Fahrräder sind gefragt: In Deutschland sind 68 Millionen Mountainbikes, Stadt- und Sporträder unterwegs.
81 Prozent aller privaten Haushalte besitzen ein Fahrrad, das sind 10 Prozent mehr als noch im Jahr 2000.
KÖRPERWÄRME
Warum …
… können Igel, Fledermäuse, Siebenschläfer und Murmeltiere eigentlich Winterschlaf halten, ohne zu sterben? Weil sie perfekt mit ihrer Energie haushalten. Sie legen sich
vorher ein dickes Fettpolster zu. Und senken dann ihre Körpertemperatur stark ab: Murmeltiere
zum Beispiel von 39 auf bis zu 7 Grad Celsius. Ihr Herz schlägt dabei statt 100-mal nur noch 2- bis
3-mal pro Minute. Damit sie nicht doch ungeplant Reserven verbrauchen, dürfen Tiere auf keinen
Fall aus dem Winterschlaf geweckt werden – das kann tödlich enden. Übrigens dauert diese Auszeit
unterschiedlich lang: Hamster schlafen zwei bis drei, Siebenschläfer bis zu sieben Monate lang.
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REISE LIEBER UNGEWÖHNLICH
Karibik, Seychellen, Acapulco – Orte, an denen Urlauber traumhaft
ausspannen und genießen können. Doch für das Urlaubserlebnis
der besonderen Art muss man nicht immer weit verreisen. Auch
in der näheren Umgebung verstecken sich wahre Paradiese, die
nur darauf warten, entdeckt zu werden. Vier Reiseziele zum
Träumen und Entspannen: für Familien, Paare und Individualisten.
TEXT DIRK SCHEWE
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Kunstvoll schwitzen
In Bäumen träumen
Mitten in die Schweizer Bergwelt eingebettet, wirkt
die THERME VALS wie ein großer, durchlöcherter
Steinblock. Von Star-Architekt Peter Zumthor erbaut,
wurde sie 1996 eröffnet. So wie der Ort Vals seit Urzeiten von Felsen und Wasser geprägt ist, bestimmt das
Zusammenspiel der beiden Elemente auch die Konstruktion der Therme. Alles dort dient den Sinnen. Ein
Thermalbad, das nicht durch prächtige Architektur,
sondern durch die Eleganz der Kargheit, durch eine
geheimnisvolle Atmosphäre und wenig erlesene Farben
und Materialien besticht. Das ganze Jahr geöffnet, ist
im Winter der Panoramablick auf die verschneiten
Alpen vom 36 Grad warmen Außenbad besonders reizvoll. Viele weitere Becken sowie spezielle Trink- und
Badehöhlen im Inneren der Therme schließen sich an.
So gibt es beispielsweise ein rotes Heiß-, ein türkisfarbenes Kalt- und ein Blumenduftbad. Erfrischen
können sich die Besucher am magisch beleuchteten
Trinkstein mit Quellwasser, das direkt aus dem Berg
kommt. Bei meditativer, von Klangsteinen erzeugter
Musik klingt das sinnliche Badeerlebnis schließlich
aus. Ein Ort, dessen Atmosphäre verzaubert.
Elfen, Trolle und Waldgeister waren vollkommen aus
dem Häuschen, als im Juni 2005 das erste deutsche
BAUMHAUS-HOTEL in ihrem Wald eröffnete. Insgesamt acht Häuser hängen seitdem in acht bis zehn
Metern Höhe im Wald des Grüngeringelten Abenteuerfreizeitparks bei Görlitz an der Neiße. Bevölkert von den
friedlichen Inselgeistern, hat jedes Baumhaus seine
eigene Geschichte und ist individuell nach dem Geschmack eines der Fabelwesen gestaltet. So findet man
in Fionas Luftschloss Blümchentapete kombiniert mit
www.therme-vals.ch
BESSER LEBEN
Wand- und Deckenmalereien. Judka hat ihr Trollhaus
mit Fellen und dicken Teppichen geschmückt und in
Bodelmutzens Geisterschloss erwarten Besucher mystische Überraschungen. Verbunden sind die luftigen
Domizile durch verschlungene Stege, die zum Zentrum
der Anlage führen. Dort können Gäste zusammensitzen,
feiern und spielen. Jedes Baumhaus ist mit einer Sitzecke, einer Schlafnische und einer Minitoilette ausgestattet. Drei Baumhäuser besitzen außerdem Bad
und Dusche und sind für je sechs Personen geeignet.
Und da im „grüngeringelten“ Abenteuerland alles ganz
anders ist, verspricht auch der Freizeitpark viele Überraschungen wie Piratenschiffe, Zauberschlösser, Zeitmaschinen und geheimnisvolle Labyrinthe.
www.kulturinsel.de
Abtauchen im Blütenbad
Am Ufer des Schwielowsees gelegen und eingebettet in
die Mark Brandenburg, fügt sich das RESORT SCHWIELOWSEE perfekt in die Havellandschaft ein. Mit ihren
drei Domizilen ist die Anlage wie geschaffen, um fernab von Stress und Hektik traumhaft schöne Ferien zu
verbringen. Gäste genießen im Hotel Seaside Garden
ein exquisites Ambiente oder verleben in Luxus-Apartments im Stil der amerikanischen Strandvillen auf
Key West unbeschwerte Tage. Acht romantische Pfahlhäuser im karibischen Stil laden auf der eigenen Holzbohlenterrasse mit Seeblick zum Träumen ein. Ein
asiatisch inspiriertes Wellnesscenter und verschiedene
Entspannungs-Zeremonien entführen Urlauber in eine
erholsame Welt aus Düften, Ölen und aromatischen Essenzen. Von der finnischen Sauna über Hamam bis hin
zu asiatischen Blütenbädern und einem Innen- und Außenpool bietet die Anlage alles, um Seele und Sinne zu
verwöhnen. Das Herzstück des Wellnesscenters ist die
asiatische Pagode. Dort wenden professionelle Trainer
die Methoden der traditionellen chinesischen Medizin
an, um den Körper zu reinigen und neue Energien zu
wecken. Etwa zehn Kilometer entfernt liegt für inspirierende Abwechslung Potsdam mit seinen prachtvollen
Schlössern, bezaubernden Gärten und seinem regen
kulturellen Leben in direkter Nachbarschaft.
www.resort-schwielowsee.de
Entspannen im Kunstkloster
Früher als Militärstützpunkt genutzt, wurde Ende der
1990er-Jahre die ehemalige Raketenstation HOMBROICH
zum Kunstmekka der besonderen Art. Auf dem Gelände in Neuss-Holzheim eröffnete ein Museum, erbaut
vom berühmten Architekten Tadao Ando – der erste
Museumsbau des Japaners in Europa. Das Kunsthaus
wirkt wie eine Skulptur, umgeben von einer verwilderten Fauna. Auch hier gibt es Kunstwerke, die zum Entdecken einladen: ein Amphitheater, in dem die Akustik
mit der eigenen Stimme spielt; eine riesige Schüssel aus
Stahl, in die man hineinklettern kann; ein Haus mit
goldenem Innenraum; ein Labyrinth aus weißen Kieselsteinen … Die ehemalige Raketenstation ist ein ungewöhnlicher Ort, an dem Kinder wie Erwachsene auf
eine sinnliche Entdeckungsreise gehen können. Zu dem
Gelände gehört auch die nahe gelegene Parklandschaft
der Stiftung Insel Hombroich. Angesiedelt in einer romantischen Auenlandschaft, gibt es auch hier begehbare Skulpturen und moderne Kunst. In den kubischen
Bauten des Künstlers Erwin Heerich sieht man Werke
bekannter Künstler wie Henri Matisse, Hans Arp, Paul
Cézanne oder Yves Klein.
www.inselhombroich.de
Weitere Reiseziele haben wir für Sie unter
www.21-grad.de zusammengestellt.
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AUS DER
MITTE
ENTSPRINGT
EIN SCHUSS
So beruhigend es auch klingt:
Meditatives Bogenschießen ist
keine leichte Sache.
TEXT ANETTE FRISCH
FOTOGRAFIE MARTIN MORITZ
BESSER LEBEN
„Das Bogenschießen ist keine rein körperliche Übung, sondern eine innere Haltung,
die man nicht mit dem Kopf erreicht.“
Christoph Gerling
D
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as Ziel liegt noch sehr fern an diesem
Morgen. Genauer gesagt: drei Stunden.
Denn so lange dauern die meditativen
Übungen, bis endlich Pfeil und Bogen gespannt werden können. Wir und die vier weiteren Teilnehmer, die das meditative Bogenschießen erlernen möchten, hocken gespannt
und etwas unruhig auf den schwarzen Yogamatten, während Kursleiter Christoph Gerling erklärt, um was es im Seminar eigentlich
geht. Da fallen Formulierungen wie: zur inneren Haltung finden; das Leben ist Beziehung;
Loslassen lernen und Leiden managen. Es
geht also um weitaus mehr als nur zu meditieren, den Bogen zu spannen und den Pfeil zu
schießen. Und dieses Mehr ist ein bisschen
viel – ein bisschen zu viel für einen Morgen,
der so richtig noch gar nicht begonnen hat.
Frühes Aufstehen, die rund 70 Kilometer
lange Fahrt nach Kleve, an den Ort, wo das
Seminar stattfindet, der morgendliche Verkehrsstau in der Stadt, die Suche nach einem
Parkplatz – und dann ankommen in einer
Atmosphäre, in der es auf einmal um vieles
von Bedeutung geht und die eine Nähe zu
Teilnehmern erfordert, die man nicht kennt.
Das alles gelingt uns noch nicht so richtig.
MEDITIEREN GEHT NICHT
Christoph Gerling weiß das. Deshalb lacht
er viel und erzählt mit ruhiger Stimme von
sich. Der Diplom-Psychologe hat sich schon
früh für das zeremonielle japanische Bogenschießen Kyodu interessiert. Damals, in
den 1980er-Jahren, gab es keine Möglichkeit,
diese Sportart zu praktizieren. Also hat er
sich selbst auf die Suche begeben, hat das
Bogenschießen im Verein erlernt und es
sukzessive mit der Meditation verbunden.
Sein Prinzip fand zahlreiche Anhänger und
so hat er es weiterentwickelt.
Jetzt aber sind wir dran. Was bewegt uns,
hier zu sein? Wie geht es uns gerade? Wenn
Christoph Gerling solche Fragen stellt, dann
ist das kein gruppendynamisches Kennenlern-Vehikel, sondern schon die erste Bewusstseinsübung. Wir sollen unserer inneren Motivation nachgehen und uns bewusst
darüber werden, warum wir hier sind. Einige
haben Meditationserfahrung und möchten
wissen, wie diese in Kombination mit dem
Bogenschießen funktioniert; andere finden
die Sportart interessanter als den kontemplativen Aspekt und sind neugierig.
folgt erneut der Moment der Stille. Tatsächlich verliert der imaginäre Einkaufszettel
an Bedeutung – die Entspannung ist jetzt
tiefer, die Wahrnehmung sensibilisiert. Ich
schaue hinaus in den japanisch angelegten
Garten; ganz leise ist ein Klangspiel aus
Holz zu hören. Schlafen wäre jetzt schön,
geht aber nicht, denn jetzt kommen Pfeil
und Bogen ins Spiel.
Nach der Vorstellungsrunde folgt der Moment der Stille. Stille: Sie wird uns nun den
ganzen Kurs über begleiten. Fünf bis zehn
Minuten schweigen und dem nachspüren,
was ist. Diesem „was ist“ misst Christoph
Gerling viel Bedeutung zu. Nicht das Warum steht im Mittelpunkt, sondern das
Nichts. Die von ihm beschriebene Auflösung
im Hier und Jetzt will noch nicht so recht
gelingen; die Gedanken sind schon in der
Zukunft, mit der Tagesplanung beschäftigt
und verschwören sich gegen das Nichts, das
irgendwo zwischen den Atemzügen liegen
soll. Unausgeglichenheit zwischen Besinnlichkeits-Yin und Bewegungs-Yang.
Wie man einen Bogen hält und spannt,
müsste schnell gelernt sein: Die Knie leicht
gebeugt und locker; man greift den Bogen,
bringt ihn in einen 90-Grad-Winkel und
spannt mit dem Ausatmen die Sehne. Jetzt
wird der Zeigefinger im Mundwinkel „geankert“, der Daumen berührt die Wange.
Ruhig weiteratmen, die Spannung halten,
den Moment der Entspannung spüren und
im Ausatmen die Sehne ruhig zurückbringen. Die Übung mit dem Bogen ist schön;
die Konzentration ist hoch und auch die
Körperspannung scheint optimal. Das Ziel
ist endlich erreicht – und genau das ist
falsch. Denn zusätzlich zur inneren Haltung ist die Absichtslosigkeit ein zentraler
Aspekt des meditativen Bogenschießens.
„Nur wenn ich absichtslos agiere“, so
Christoph Gerling, „kann ich das Kraftfeld
positiv nutzen.“ Deshalb sei nicht das Ziel
beim Bogenschießen wichtig, sondern die
gesamte Situation. Ach so …
„Das Bogenschießen ist keine rein körperliche Übung, sondern eine innere Haltung,
die man nicht mit dem Kopf erreicht“, sagt
Gerling. „Man muss sich seiner Körpermitte bewusst sein“ – und diese befindet sich
unterhalb des Bauchnabels, im Zen-Buddhismus das Hara genannt. Darauf legen
wir eine Hand. Gerling geht durch die Runde
und bringt jeden erst durch einen leichten,
dann einen kräftigeren Schubs ins Wanken.
Wie Kegel taumeln wir, kommen aber nicht
zu Fall, finden schnell in den festen Stand
zurück. Nun die Hand vom Bauch lösen und
Konzentration auf den Scheitel, also den
Kopf. Ein leichter Stoß genügt jetzt und jeder verliert das Gleichgewicht. Nach zwei
weiteren Übungen für die Körperspannung
DIE SACHE MIT DER
EIGENEN POSITION
Das Spannen des Bogens ohne Pfeil ist der
erste wichtige Vorgang beim meditativen
Bogenschießen. Die eigene Kraft zu spüren
und sie zuzulassen, ohne zu verkrampfen.
Deshalb dauert es auch: Rund 30 Minuten
üben wir das Spannen und Entspannen
der Sehne; gehen in den Garten, visieren
den Stamm einer alten Eiche an, den Ast eines üppigen Bambusstrauches oder einfach
einen Punkt am Himmel. Während wir
BESSER LEBEN
Im Garten proben die Teilnehmer
das meditative Bogenschießen,
drinnen im Raum das Zielen. Mit
einer Klangschale läutet Christoph
Gerling den Moment der Stille ein.
durch den Garten schreiten, ist es ruhig, niemand spricht. Alle konzentrieren sich auf
diesen Prozess und halten den geschwungenen Holzbogen in ihren Händen.
DIE WUCHT DES PFEILS
Die erste Aufregung entsteht, als der Pfeil
ins Spiel kommt. Mit ihm wird der Bogen
zur Waffe. Der Moment des Abschusses irritiert. Die Finger wollen die Sehne nicht
wirklich loslassen. Irgendwo krabbelt die
Angst, etwas Unvorhergesehenes könnte
passieren. Seltsam. Dann aber doch, der
Moment, in dem der Pfeil kräftig und laut
auf die Zielscheibe trifft. Alle sind erschrocken. Die friedliche Stille, die den Kurs die
ganze Zeit begleitete, ist durch die Wucht
des Pfeils zerstört. Christoph Gerling erklärt das so: „Mit dem Abschuss gebe ich die
Kontrolle auf. Und Kontrollverlust macht
erst einmal Angst, aber nur dann, wenn ich
mir nicht vertraue.“
Meditatives Bogenschießen, das ist für
Gerling eine Art Lebensschule – wie andere
asiatische Sportarten auch. Die Zielscheibe
ist nebensächlich. Auf die Entwicklung der
inneren Haltung kommt es an – und das
kann Jahre dauern, ein Prozess, der womöglich kein irdisches Ende besitzt. „Das
Wichtigste beim Bogenschießen ist es, Vertrauen zu sich selbst und ein positives Verhältnis zur eigenen Kraft zu entwickeln.“
Selbst wenn der Pfeil danebengeht – das eigene Ziel war dabei vielleicht noch nie
so nah wie zuvor.
LINKS ZUM THEMA:
BENEDIKTSHOF.DE
Christoph Gerling, Benediktshof e. V.,
Münster, Telefon: 02504 73400
MEISTER-ECKHART-HAUS.DE
Meister Eckhart Haus, Kleve
Telefon: 02827 922843
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BESSER LEBEN
DEM FRÜHLING AUF DER SPUR
Sechs Begleiter, die das Herz wärmen und die – ökologisch bewusst –
den Alltag auffrischen.
TEXT DIANE SELLENMERTEN
METER UM METER
FAHRRAD „CRUISER ESCOBAR“
Hersteller: PG-Bikes
Preis: 700 Euro
58
Radeln rockt. Mit Chromlenker, tiefem
Sitz und Breitreifen spielt das Design der
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mit der Ästhetik von Harley Davidson
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des Herstellers sorgen lärm- und abgasfrei für Aufsehen. Entspanntes Rollen
durch die City wird zum ökologischen
Bekenntnis. PG-Bikes bieten individuellen Stil: Kunden können sich aus zahlreichen Modellen und Accessoires ihr
Traumrad zusammenstellen. Die lässigen Cruiser gibt es für einige Hundert
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einem Herz im Rahmen. Und wer in der
Luxusklasse fahren will, kann sich ein
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das muskelbetriebene Statussymbol
endgültig mit seinen motorisierten Verwandten konkurrieren kann.
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SCHRITT FÜR SCHRITT
SCHUHMODELL JUNIPER
Hersteller: Terra Plana
Preis: 150 englische Pfund
Der Sommer ist zwar noch in weiter
Ferne, doch das Gefühl, barfuß über eine
Wiese zu laufen, können Naturliebhaber
schon jetzt genießen. Terra Plana, einer
der angesagtesten grünen SchuhdesignTempel aus London, macht’s möglich.
Die Macher des neuen Labels sind keine
Unbekannten: 2003 gründeten Ajoy Sahu
von Prada und Chie Nomura von Bally
Terra Plana. Ihre Idee: superbequeme und
modische Schuhe aus recycelten und
recycelbaren Materialien herzustellen. Die
Designer verwenden gebrauchte Quilts,
Fallschirmreste und ultraleichtes Kevlar.
Das Leder wird ausschließlich mit pflanzlichen Extrakten gegerbt und vernäht – das
spart Klebstoff und schützt die Produktionsmitarbeiter vor gesundheitsgefährdenden
Stoffen. Wer es also bis zum Sommer nicht
mehr abwarten kann, muss nur die richtigen
Schuhe tragen.
www.terraplana.com
KERN FÜR KERN
VAILLANT KIRSCHKERNHASE
Hersteller: Käthe Kruse
Preis: auf Anfrage
Der ideale Trost- und Wärmespender für kühle Frühlingsabende:
der Vaillant Kirschkernhase von Käthe Kruse. Er sieht nicht nur
einfach zum Liebhaben aus, sondern wirkt auch Wunder bei
mancherlei Wehwehchen und Zipperlein. Im Ofen, in der Mikrowelle oder auf der Heizung erwärmt, gibt das Kirschkernkissen die gespeicherte Hitze besonders langsam ab und
lindert so auf ganz natürliche Weise Nackenverspannungen, Zahnschmerzen & Co. Schon Großmutter schwor
auf die heilende Wirkung von Kirschkernen. Als reines
Naturprodukt bieten sie eine sehr gute Alternative zu
Wärmflaschen aus Kunststoff oder elektrischen Heizdecken.
www.21-grad.de
BESSER LEBEN
ZUG UM ZUG
SULEIKA GESELLSCHAFTSSPIEL (2–4 Spieler, ab 8 Jahren)
Hersteller: Zoch Spiele
Preis: 30 Euro
Einen Nachmittag in eine ferne Welt eintauchen. Mit dem liebevoll gestalteten Gesellschaftsspiel „Suleika“ gelingt das ganz
leicht. Der Familienausflug geht in das bunte Treiben eines orientalischen Basars. Wie
es sich für eine Geschichte aus 1001 Nacht
gehört, ist es die Hand der Sultanstochter
Suleika, um die gespielt wird. Diener Omar
muss im Basar den klügsten Teppichhändler
finden. Jeder Kandidat versucht, Omar möglichst oft auf die eigenen Teppiche zu locken.
Während er dort verweilt, zahlen die Verschmähten eine Standmiete. Gewonnen hat,
wer den Basar mit Teppichen seiner Farbe
ausgelegt hat. Gewonnen hat auch das Spiel:
den Preis der Wiener Spiele-Akademie 2008.
FRACK UM FRACK
JEAN-LUC FROMENTAL/
JOËLLE JOLIVET: 365 PINGUINE
(ab 5 Jahren)
Hersteller: Carlsen Verlag
Preis: 16 Euro
www.zoch-verlag.com
Es muss nicht immer das Schlammbad sein. Echte Naturkosmetik darf Glamour haben.
Die Serie „Natural Pastels“ von Dr. Hauschka in zarten Tönen bringt einen Hauch Frühling
auf die Haut. Ihre Inhaltsstoffe stammen aus der Natur. Rosenblüten, Wundklee, Mandelöl
oder Zaubernuss sind nur einige ihrer wohlklingenden Zutaten. Auf synthetische Stoffe
verzichtet Dr. Hauschka. Seit mehr als 50 Jahren werden die Heilpflanzen nach den Regeln
des Anthroposophen Rudolf Steiner gänzlich ohne Chemie angebaut und verarbeitet. Fällt
die Ernte einer Pflanze schlecht aus, drosselt Dr. Hauschka die Produktion und bringt
weniger Artikel auf den Markt. Der Mix aus Esoterik, deutscher Bodenständigkeit und Umweltbewusstsein kommt gut an: Hollywoodstars wie Uma Thurman und Keira Knightley
schwören auf den Beauty-Import aus Deutschland.
Klimaschutz ist ein ernstes Thema.
Umso befreiender, wenn einmal
heitere Töne angeschlagen werden –
wie in dem bezaubernden Bilderbuch
„365 Pinguine“. Die Geschichte:
Eine Familie aus Paris erhält am
Neujahrsmorgen überraschend ein
Päckchen. Darin steckt ein Pinguin.
Im Deckel findet sich keine Erklärung der Sendung, nur der Hinweis:
„Ich bin Nummer 1. Bitte füttert
mich.“ So weit, so gut. Doch dem
ersten Frackträger folgt jeden Tag
ein weiterer. Schon bald bevölkern
die Pinguine das ganze Haus. Von
Jean-Luc Fromental und von Joëlle
Jolivet hinreißend erzählt und gezeichnet, fesselt das Buch nicht
nur Kinder. Warum und von wem
die Pinguine verschickt werden und
was das alles mit dem Klimawandel
zu tun hat? Lesen Sie selbst!
www.dr.hauschka.de
www.carlsen.de
BLÜTE UM BLÜTE
NATURAL PASTELS KOSMETIKSERIE
Hersteller: Dr. Hauschka Kosmetik
Preis: ab 12 Euro
59
HASENPOST
TRENNUNGSSCHMERZ
Über die Schwierigkeit, den Müll loszuwerden
TEXT NORA KRAFT
Manchmal finde ich, die Menschen übertreiben es ein bisschen mit den Vorschriften. Nicht,
dass ich mich nicht anpassen könnte. Ich weiß, was Ruhezeiten sind, vermeide lautes Herumgehoppel in der Wohnung und stelle mein Mofa nie ohne Parkschein ab. Aber Mülltrennung?
Dahinter steckt doch ein eigenwilliges Regelwerk. Wenn die Unterscheidung wenigstens so
einfach wäre, wie sie klingt: Papier-, Plastik-, Glas-, Bio-, Reste- und Sonder- (das heißt zum
Beispiel: Elektro-, Garten-, Bau- und Sperr-)müll. Aber nein! Ich scheitere schon an Lebensmittel-Papphüllen. Während die Verpackung einer Pizza noch einfach zu sortieren ist, hat
mir der Schutzumschlag meiner Gefriermöhrchen neulich ein Schnippchen geschlagen. Tiefkühlkostschachteln mit beschichteter Pappe sind nämlich nicht nur Pappe, sondern auch
Plastik. Wegen der Schicht. Wie der Name schon sagt. Soll ich die nun in meiner Badewanne
fein säuberlich voneinander lösen, so wie früher die Sondermarken für meine Briefmarkensammlung von alten Umschlägen? Das kann doch nicht Aufgabe des Durchschnittshasen sein.
Ist es auch nicht: Ich habe mich erkundigt. Beschichtete Tiefkühlkostschachteln gehören in
den Plastikmüll. Das heißt aber noch längst nicht, dass die gelbe Tonne offen für jeden Kunststoff ist! Nur Verpackungsmaterialien sind zugelassen. Tupperdosen zum Beispiel sind sonstiger Kunststoffabfall. Ab in den Restmüll damit – genauso wie kaputte Klarsichthüllen, Salatbestecke oder Schnuller. Ist das normal? Beim Glascontainer stieß ich neulich auf das gleiche
Phänomen! Dabei hatte ich mich extra schlaugemacht, wohin denn rotes Glas gehört. Ganz
einfach: Alles, was nicht weiß oder braun ist, kommt in den grünen Behälter. Als ich dann versuchte, die Riesenscherbe meiner Schüssel in den Container zu schieben, hörte ich ärgerliches
Gebrummel hinter mir. Ich drehte meine Ohren um 180 Grad nach hinten. „In den Glascontainer
gehören nur Flaschen und Gläser, die durch die runde Öffnung passen! Schüsseln und anderes
Glas haben hier nichts zu suchen!“ Ich trommelte verärgert mit den Hinterpfoten, steckte die
Riesenscherbe wieder in meinen Rucksack und hoppelte nach Hause. Dort habe ich das große
Glasstück in der stinkenden Restmülltonne entsorgt. Spaß gemacht hat das nicht! Ich bin ja
sehr geruchsempfindlich. Also habe ich bei den Stadtwerken angerufen. Dort gibt es jetzt den
Mülltonnen-Wasch-Service. Für nur 11,50 Euro pro Tonne – auf Wunsch sogar im Abo. Wenn’s
mit der Mülltrennung schon nicht richtig klappt, soll es wenigstens gut riechen.
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IMPRESSUM Herausgeber (V. i. S. d. P.) Vaillant Deutschland GmbH & Co. KG, Marcus Scherf, Julia Narwark, Berghauser Straße 40, 42859 Remscheid Konzeption und Realisation Pleon GmbH, Düsseldorf Chefredaktion Sepideh Honarbacht
Chefin vom Dienst Anette Frisch Gestaltung Pleon GmbH, Düsseldorf Projektmanagement Julia Fettweis Autoren dieser Ausgabe Katja Bobbert, Silke Butke, Vera Büttner, Thomas Fischer, Nora Kraft, Dirk Schewe, Anemone Schlich,
Sabine Schrör, Diane Sellenmerten, Leonie Teßmer, Hendrik Werner Fotos Lars Langemeier (S. 3), Martin Moritz (S. 5-7, S. 56-57, S. 59), Michael Neuhaus (S. 24-29, S. 46-50), Tomas Riehle (S. 52, S. 53), Edgar R. Schoepal (S. 32-33), Philippe Stalla
(S. 21), Oliver Wolff (S. 12-13, S. 15, S. 18-20), Boris Zorn (S. 38) Illustrationen Olaf Hajek (S. 44-45), Antje Kahl (S. 42-43) Produktionsüberwachung Stefanie Strieker Lithografie Digibox, Düsseldorf Druck Bernhard Druck & Medien,
Wermelskirchen Bildnachweis Armed Angels (S. 16); Artur (S. 30-31, S. 34-35, S. 52); Corbis (S. 6); Club WATT Rotterdam (S. 23); Fotolia (Titel, S. 23, S. 51, S. 60); Fraunhofer ISE, Freiburg (S. 23); Gruner & Jahr AG & Co. KG (S. 16); hand in – Work
an Box Company (S. 17); Kulturinsel Einsiedel (S. 52); Laif (S. 16, S. 54-55); masterfile (S. 40-41); PG Bikes (S. 58); plainpicture (S. 61); Resort Schwielowsee (S. 53); SawadeeDesign (S. 10); Stiftung Insel Hombroich (S. 53); Terra Plana (S. 58); Therme
Vals (S. 52); Utopia (S. 21); Vaillant (S. 17, S. 21, S. 22, S. 58); Vetsch Architektur (S. 36-37); WALA Heilmittel GmbH (S. 59); Zoch Verlag (S. 59)
Der Herausgeber hat sich bis Produktionsschluss intensiv bemüht, alle Inhaber von Abbildungsrechten ausfindig zu machen. Personen und Unternehmen, die möglicherweise nicht erreicht wurden und Rechte an verwendeten Abbildungen beanspruchen, mögen sich nachträglich mit dem Herausgeber in Verbindung setzen.
Eine Verwertung des urheberrechtlich geschützten Magazins und aller in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Vaillant Deutschland GmbH
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Gedruckt auf EU-Blume und FSC-zertifiziertem Papier.
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