+Reisebericht Kochin 1014
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Radreise Kerala 2014 1 Radreise Südindien, 1. - 14. Nov 2014 Ulrich Roeder Reiseteilnehmer: Kai, Cornelia, Jürgen, Bernd, Fritz,Uli 1 Flug HAM - DUB - KOC Treffen zum Einchecken bei Emirates in Abflughalle 1 . Alles verläuft schnell und problemlos. Unserer Gepäck samt Radkartons wird zusammen genommen und die Kontrollnummern unter einem Namen ausgestellt. Uns bleibt viel Zeit zum ersten gemeinsamen "Lunch", stilecht bei Mac Donalds. Wir sitzen auf der Aussichtsterrasse im Freien und genießen die warme Novembersonne. Ob es in Südindien viel wärmer sein wird? Zwischenlandung in Dubai mit großer Verspätung (hohes Verkehrsaufkommen). Wir müssen im Laufschritt durch das riesige Hallensystem hetzen - andauernd Zwischenkontrollen - und erreichen im allerletzten Moment den Flieger nach Kochi. 2 Landung KOC. Hoteltransfer, Räder fertig, erste Radtour Morgens um 8 Uhr Ortszeit am Flughafen Kochi. Abholung durch "Mr. Martin", der uns mit dem Bus der indischen Partnerfirma gleich zum Flora Airport Hotel bringt. Es ist überraschend schwül-heiß (32° C). Normalerweise bestehen in der Nachmonsunzeit eher angenehme Temperaturen. Ja, ja, die Klimaerwärmung... Schweißüberströmt bauen wir auf der Rasenfläche des Hotels unsere Räder zusammen. Dann gönnen wir uns eine zweistündige Dusch- und Kurzschlaf-Erholungspause in den klimatisierten Komfortzimmern. Fritz und Kai springen sofort in den großen Freiluftpool im dritten Stock. Das Flora Airport Hotel hat echtes Viersterne-Niveau! Nachdem sich nachmittags endlich das kräftige Gewitter verzogen hat, machen wir eine erste kurze Probetour in die nähere Umgebung. Wir müssen uns an den Linksverkehr und die speziellen Überholmanöver indischer Fahrer gewöhnen. Schnell erkennen wir, dass im Radreise Kerala 2014 2 scheinbaren Chaos durch vorausschauendes Mitdenken der Verkehrsteilnehmer auch System ist. Für uns heißt es, genügend eigenes Selbstbewusstsein zu entwickeln, um sich auch als Radfahrer durchzusetzen. Und es klappt überraschend gut, die indischen Fahrer nehmen auf uns Rücksicht (zumindest hier in Südindien). Überall werden wir lautstark von allen Seiten her gegrüßt. Nach der zweistündigen Radtour sind wir sehr zufrieden und freuen uns auf den morgigen Start. Als Begleitfahrzeug steht uns während der ganzen Zeit der Traveller-Kleinbus mit Fahrer zur Verfügung. Bei dem 17-Sitzer sind bis auf die vorderen drei Sitzreihen die anderen heraus genommen. Es gibt viel Platz für uns, die Räder und sämtliches Gepäck. Das Ergebnis: Radeln ohne Ballast, zwischenzeitliche Versorgung mit Wasser und Bananen, die Möglichkeit, zwischendurch "Geschwächte" eine Etappe mitzunehmen, Hilfe bei größerer Radpanne. Zu unserem Fahrer Martin (Christ, spricht gutes Englisch) besteht jederzeit Handykontakt. Er ist äußerst freundlich und hilfsbereit, wir empfinden ihn bald als Teil unserer Gruppe. 3 Rad Kochi - Thattekad 50 km. Treck im " Thattekad Bird Sanctuary Zunächst auf dem Schleichweg längs der Flughafenmauer (Tipp: umgefallene Plakatwand) bis Kalady und weiter im überraschend weniger regen Verkehr der NH 1 über den Periyar. Nach 15 Km die Abzweigung östlich zur N16 nach Munnar. Der Verkehr wird deutlich weniger, dafür ist die Straße auch weniger breit. Dennoch gibt es keine Probleme, wir kommen gut zurecht und haben Spaß an der Fahrt. In Kothamangalam biegen wir nordöstlich ab. Leicht bergan durch zunehmend einsames Waldgelände bis nach Thattekad. Wieder über dem Periyar. Auf der Brücke versorgt uns Martin mit Bananen und Wasser. Jenseits rechts in den Nebenweg mit dem Schild "Thattekad Bird Sanctuary". Gleich dahinter das Jungle Bird home stay. Eine einfache, doch saubere Unterkunft. Räume eher spartanisch, doch mit eigenem Balkon und freiem Blick in die Natur. Durchaus reizvoll für eine Nacht - trotz der harten Matratze und der Kaltwasserdusche. "Homestay" bedeutet so etwas wie Vollpension mitten im Familienleben. Von der Hausfrau selbst gekochte Mahlzeiten, einfach aber schmackhaft werden gemeinsam am großen Tisch eingenommen. Am Nachmittags gehen wir mit dem Hausherrn als Führer in den Nationalpark. "Bird Sanctuary" ist in Indien wohl eher eine Bezeichnung für jede halbwegs ursprünglich gebliebene Naturlandschaft ohne spektakuläres Großwild. Immerhin lassen sich auf diese Weise viele Besucher anlocken, die das wahre Naturerlebnis suchen. Unser Guide hat offensichtlich keine rechte Lust zu einer längeren Wanderung. Vielleicht, weil er sonst nur verwöhnte indische Touristen führt, die selbst noch einen Spaziergang zu Radreise Kerala 2014 3 anstrengend finden. Er versucht es bei uns mit faulen Ausreden: ... ein schweres Gewitter nähere sich ... über den Bach käme man nicht rüber ... es würde bald dunkel ... Schließlich rede ich dem Mann energisch ins Gewissen und mache ich ihm deutlich, was Europäer unter "Treck" verstehen, zumal wenn sie Radfahrer sind. Auch meinen Bericht an das Reiseunternehmen erwähne ich. So dauert unsere Wanderung schließlich länger als drei Stunden. Bis auf einen Damhisch, einen Riesentausenfüßler und eine aufgescheuchte Rinderherde haben wir nur ein paar auffliegende Vögel gesehen, doch irgendwie sind wir zufrieden und angenehm müde. 4 Rad Thattekad - Adimali Rad 60 km Zunächst flach über eine wunderschöne einsame Nebenstrecke parallel zum Ufer der Periyar. Hinter Neriamamgalam über die große Brücke. Jenseits wird es richtig steil. Bei der Hitze wird es richtig anstrengend. An der Gebirgsflanke entlang weiter in östlicher Richtung, viel bergauf und weniger bergab. Immer wieder kleine Pausen, eine größere Rast beim riesigen Wasserfall Cheeyappara und eine kleinere am Wasserfall Valara. Martin hält neben uns und verabredet den nächsten Treffpunkt ("nur 15 km weiter"). Diese "kurze" gebirgige Strecke kommt uns viel länger vor als erwartet. Um so mehr genießen wir jetzt die aktive Erholungspause mit Bildungsprogramm: Geführte Besichtigungstour durch einen Gewürzgarten. Die Weiterfahrt mit Fahrrad wird für Bernd unmöglich. Die Achse des Vorderrades ist ausgeschlagen. Sofort bietet sich Martin mit dem Bus an. Er fährt mit Bernd und Rad nach Adimali los, um dort einen Fahrradladen zu suchen. Wir anderen "müssen" (wollen?) per Rad weiter. Die Stadt Adimali streckt sich, es geht weiterhin bergauf, oft steil. Wann taucht endlich das erwartete Hotel auf? Geistreicherweise hatte ich mein Handy mit dem Hauptgepäck im Bus gelassen (als Martin mich anrufen will, klingelt es nur hinten in seinem Bus). Der Radeltag wird immer länger, es ist schon recht spät. Nach einem langen Steilstück hinter Adimali erst einmal eine Kaffeepause. Wir versuchen, uns in der anwesenden Männerrunde nach dem Hotel durchzufragen. Schließlich hilft uns ein runzliger alter Mann, der zu meiner Überraschung ein eigenes Handy dabei hat. Er telefoniert und teilt uns dann in mühsamen Englisch mit, dass wir noch etwa 17 km Gebirgsstrecke vor uns hätten. Wir haben starke Zweifel, ob es so auch stimmt. Doch was bleibt uns jetzt anderes übrig, als ihm zu vertrauen? Dann also weiter. Unterwegs Hunderte-, eher Tausende von Schulkindern und Collegestudenten, die auf die Schulbusse warten und uns überaus begeistert zujubeln. Das ersehnte Hotel Emerald Wyte Mist liegt natürlich weit jenseits von Adimali, eher schon näher an Munnar. Die Zeitplanung muss für diese Etappe nächstes Mal unbedingt besser angepasst werden (gemeinsam mit dem indischen Partnerunternehmen). Radreise Kerala 2014 4 Doch das Hotel und seine traumhafte Lage in den Bergen, umgeben von Natur, sind für uns ein nicht mehr erwartetes Geschenk. Sogar die Küche ist spitzenhaft. 5 Rad Adimali - Munnar 30 km Die heutige Radtour ist kurz, aber knackig! Insgesamt recht steil, mit zunehmender Höhe kommen die Teefelder. Rast im Restaurant Viewpoint. Schöner Blick trotz Nebelschwaden, guter Kaffee, nette skurrile Atmosphäre. Weiter empor. Lange Rast am Rande der Teefelder. Die Pflückerinnen stehen mit ihren Säcken an der Waage. Diese Teeblätter haben sie mit der Hand gepflückt (besonders ausgewählte obere junge zarte Blätter für den Spitzentee). Tee wird während der gesamten Wachstumsperiode alle 6 bis 14 Tage geerntet. Die besten Qualitäten werden nach wie vor fast ausschließlich von Hand geerntet. Bei Spitzentees wird jeweils nur die Knospe jedes Triebes mit zwei Blättern geerntet (two leaves and a bud). Dabei müssen für 1 kg fertigen Schwarztee ca. 8 kg an frischen Teeblättern gepflückt werden. First Flush wird im Frühling von März bis Mitte April gepflückt und ist frisch und spritzig, geprägt von jungen Triebspitzen. Diese Tees sind qualitativ meist hochwertig, verlieren aber nach einigen Monaten von ihrem frischen Aroma und sollten daher nicht lange gelagert werden. Second Flush wird im Sommer von Mai bis Juni gepflückt und ist ein kräftiger aromatischer Tee mit würzigem Aroma. Second Flush Tees gehören zu den qualitativ hochwertigsten Tees, sie behalten bei der Lagerung lange ihr Aroma. Autumnal wird im Herbst im Oktober und November geerntet. Er gehört nicht mehr unbedingt zu den hochklassigen Tees, hat jedoch einen ausgeprägten, vollmundigen Charakter. Seine Weichheit verdankt er dem reduzierten Gerbstoffgehalt. Vor uns sieht man im Hochgebirge einen tiefen Einschnitt. Da oben müssen wir noch hin. Schließlich schaffen wir es, mittags die durchschnittlich 1400 m hohe Talebene von Munnar zu erreichen. Am Ortsanfang rechts abbiegen und über das kleine Stauwerk und einen holprigen Weg durch Teefelder bis zum High Range Club. Das romantisch altertümliche Gebäude wirkt wie die Imitation eines britischen Herrenhauses und steht mitten in einer ausgedehnten Parkanlage zwischen Bäumen und Teefeldern. Ehemals war es ein Club britischer Kolonialoffiziere. Der traditionsreiche High Range Club war 1899 gegründet worden und war bis zur indischen Unabhängigkeit 1947 fest in britischer Hand. Seitdem gehört es Clubmitgliedern der indischen Oberklasse, die auch weiterhin den Kontakt zu britischen Militärs zu pflegen scheinen. Die Wände der im dunklen Holz getäfelten Gesellschaftsräume hängen voll mit alten Schwarzweißfotos aus der britischen Kolonialzeit. Meist sind Jäger mit Gewehren zu sehen, den getöteten Tiger im Vordergrund und dem Diener (lebendig) im Hintergrund. Über den Bildern hängen völlig verstaubte Jagdtrophäen. Der ausgestopfte Tigerkopf wirkt wie ein traurig verfallendes uraltes Erinnerungsstück. 2004 hatte der Clubseketär Peter und mich ausnahmsweise als zeitliche "club members" akzeptiert, wohl weil wir als spleenige Radler recht "british" wirkten. Auch 2013 hatte man Martin und mich wieder "ausnahmsweise" aufgenommen. Radreise Kerala 2014 5 Doch seitdem in diesem Jahr ein indisches Reiseunternehmen in meinem Auftrag gleich eine ganze Gruppe angemeldet hatte, muss sich eine wesentliche gedankliche Entwicklung in den Köpfen der Clubleitung vollzogen haben. Ob modernes Gedankengut eingeflossen ist oder ob es Finanzprobleme durch Mitgliederschwund sind, bleibt offen. Zumindest ist man jetzt zur Erkenntnis gelangt, dass es vorteilhaft ist, den Club für eine bestimmte Gästezahl auch als Hotel einzusetzen. Wir bekommen im ersten Stock des Hauses drei große, etwas altertümliche, aber modernisierte und gut gepflegte Zimmer. Davor ein großer Aufenthaltsraum mit Sesselgarnitur und Zugang zum großen Balkon. "Man kommt sich vor wie in einem Museum." Martins Vorschlag, uns mit dem Bus zum Lunchen in die Stadt zu fahren, nehmen wir begeistert an. Kai, Jürgen, Bernd genießen anschließend eine Ayurveda-Massage. Nach einer Stunde kommen sie mit völlig verölten Haaren - aber glücklich - heraus. Dinner im Speisesaal des High Range Clubs. Leckeres Essen, am Tisch serviert von Dienern, die gekleidet sind, wie indische Butler aus der Kolonialzeit, stilecht im weißen Livree mit weißer Khadi auf dem Kopf. 6 Aktiver Ruhetag in Munnar (30 km Abfahrt mit Rad) Frühstück schön südindisch mit Idlis und Soßen. Dazu Omelettes und viel Kaffe. Martin fährt uns im Bus samt Rädern hoch in die Berge. Unter dem riesigen Granitklotz des Anamudi, der mit 2695 m der höchste Berg Indiens außerhalb des Himalaja ist, weiter zur Passhöhe, 1850 m. Von hier aus eine lange tolle Abfahrt auf den Rädern! In vielen Kurven bei wenig Verkehr durch die Teefelder. Hier setzen die Pflückerinnen für die Teeernte ausnahmslos eine Art Heckenschere mit Auffangbehältern ein. Die abgeschnittenen Blätter sind entsprechend groß und durchsetzt von Stielen. Der daraus entstehende Tee ist herbe, von minderer Qualität und mehr für den lokalen Verbrauch bestimmt. Das Schnittern und fröhliche Schnattern der Frauen ist weit hörbar. Sobald wir eine der streng bewachten Teefabriken passieren, riecht es intensiv nach gekochtem Tee. Der Eravikulam-Nationalpark ist berühmt für seine großen Bergziegen, den Nilgiri Thars. Doch die unendlich lange Warteschlange schreckt uns ab. Dann lieber gleich weiter nach Munnar und lunchen im tollen Restaurant von gestern Mittag. 7 Rad Munnar - Nedumkandam 70 km Anfangs lange und teilweise steil bergauf, tolle Passroute auf 1700 m. Bergpanorama, Teefelder. Imposanter Tiefblick nach Süden. Luftige, herrliche Abfahrt. Wir küren sie spontan zur "Traumstraße der Welt". Unendliche Weitsicht über imposante Bergkämme, viele Radreise Kerala 2014 6 Wasserfälle, gut gefüllte große Stauseen. Im Wechsel durch Wälder und Teefelder. Weiter unten wird es deutlich wärmer. Zwischen den Bäumen tauchen Kaffeefelder, Gewürzplantagen und Sisalfelder auf. Und dazwischen immer wieder das Schnittern und Schnattern in den Teefeldern. Hügelig mit vielen Zwischensteigungen weiter über Udumbanchola nach Nedumkandam (Provinz Idduki). Lange Suche nach dem gebuchten Hotel Hilda (vormals hieß es Hotel Elegance). Das Hotel ist ein absolut neues Gebäude, modern und zweckmäßig eingerichtet mit Flair. Zimmer, Betten und Sanitärbereich sind perfekt. Als wir im hoteleigenen Restaurant sitzen, erhalten wir auch eine entsprechend perfekte ausführliche Speisekarte. Die schmuddeligen Tischdecken hätten uns gleich misstrauisch machen müssen. Vom sehr schlecht englisch sprechenden Personal erfahren wir, dass es nur ein paar lokale Einfachgerichte gäbe. Offensichtlich befindet sich die Küche noch im absoluten Entwicklungsstadium. Auf das angebotene einfache Reisgericht müssen wir über eine Stunde warten... Das Hotel Hilda ist gut und modern eingerichtet und liegt in touristisch günstiger Lage. Eigentlich benötigt es nur besser ausgebildetes Personal. 8 Rad Nedumkandam - Thekkadi - Perriyar 50 km Als wir relativ spät um 8 Uhr zum Frühstück erscheinen, steht zwar die Bedienung da, doch das Küchenpersonal fehlt noch. Immerhin gibt es nach einer halben Stunde auf nachdrücklichen Wunsch für jeden ein Omelette und ein paar Toast-Scheiben. Doch der Kaffee dauert und dauert ... Wir müssen heute noch eine Strecke schaffen! Hügelig mit vielen Zwischensteigungen durch schöne, grüne Tropenlandschaft. Im Wechsel intensiv genutztes Kulturland und dann wieder einsam durch dichte üppige Waldgebiete, in denen man Tiger und Elefanten vermuten könnte. Am frühen Nachmittag erreichen wir die kleine Stadt Thekkadi, die wegen des angrenzenden Nationalparks immer mit Peryar in Zusammenhang gebracht wird. Thekkady liegt auf 1200 m Höhe und ist in Südindien ein wichtiger Durchgangsort für die Hauptroute NH 220 von der Westküste zur Ostküste, die hier den Gebirgskamm der Westghats überquert. In Thekkadi pulsiert das Leben. Am Busstand decken wir uns ein mit Getränken, Bananen und Keksen. Nicht viel Zeit für eine lange Pause. Nach der erzwungenen kulinarischen Enthaltsamkeit im Hotel Hilda knurren uns die Mägen. Wir passieren verlockende Restaurants (u.a. mehrere chinesische und eine richtige Pizzeria), doch um 17 Uhr wird der Park geschlossen! Mit den Rädern passieren wir die Schranke und fahren auf der Forststraße in den riesigen Nationalpark ein (die 450 RS Eintrittsgebühr werden wir später zurück erhalten). Hinweisschilder warnen vor Tigern und Elefanten. Doch zumindest um Radreise Kerala 2014 7 diese Tageszeit wirken diese Warntafeln eher wie ein Touristengag. Auf der Forststraße sind tagsüber zu viele Autos und Busse zum zentralen Parkplatz unterwegs. Das Hotel Aranya Niwas liegt mitten im Periyar NP. Nach meinem letzten Besuch 2004 hat sich in diesem Haus viel getan. Aus der damals etwas schmuddeligen Touristenunterkunft ist ein richtiges, schönes Hotel geworden! Zwar wird tagsüber weiter gebaut, doch alles ist ausgesprochen sauber und gepflegt. Die Küche mit einer Vielfalt südindischer Gerichte ist absolut hervorragend (zumal die Halbpension im Preis eingeschlossen ist). Wir sind geradezu begeistert. Und es gibt draußen einen großen Pool, in dem man richtig seine Bahnen schwimmen kann - und das mitten im Dschungel. Vogelschreie, über uns kreisen Greifvögel und Affen turnen auf der Mauerbrüstung. Leider bekamen wir dabei nicht mit, dass draußen zeitgleich ein Elefant aus dem Wald heraus am Hoteleingang vorbei geschritten ist. Erstaunlicherweise werden wir während unserer ganzen Reise keinen einzigen Elefanten gesehen haben, obwohl sie in Kerala sehr zahlreich sind. Wir können derzeit auch keine der bisher angebotenen Attraktionen nutzen, wie Besuche von Elefantencamps und Elefantenritte. Sie sind nämlich derzeit offiziell verboten worden. In der Nähe von Munnar war vor einer Woche eine Touristin von einem Arbeitselefanten tot getrampelt worden, als sie das Tier aus kurzer Entfernung mit Blitz fotografieren wollte. 9 Periyar-Nationalpark, Bootstour + Dschungeltreck Um 7 Uhr wartet draußen am Anleger das Ausflugsboot für den riesigen Periyar-Stausee. Unsere Gruppe bekommt auf dem Oberdeck Superplätze in der ersten Reihe. Die zweistündige Bootsfahrt im Morgenlicht wird wunderschön und geradezu romantisch. Die steilen Uferhänge und Hügelketten sind dicht bewaldet. Zwischen dem intensiven Grün heben sich die Farben blühender Laubbäume hervor. Leider bleibt das Wild zu dieser Jahreszeit weitgehend im Wald verborgen. Nach den Monsunniederschlägen gibt es überall genug Wasser und die Tiere sind nicht gezwungen, sich ans offene Ufer zu wagen. Immerhin sehen wir neben vielen Wasservögeln auch etwas Rotwild. In Erinnerung bleibt vor allem das Erlebnis wunderschöner ursprünglicher Urwaldlandschaft. Am Nachmittag bringt uns Martin im Bus zur anderen Seite des Nationalparks. Von hier aus unternehmen wir mit zwei Rangern der Forstverwaltung einen fast vierstündigen Dschungeltreck. Zunächst erhalten wir jeder ein paar spezielle Fußsäcke aus derbem Baumwollgewebe. Der Sinn wird uns erst später klar. Es geht auf und ab, im Wechsel durch hohen, lichten Laubwald, über sumpfige Flächen, Buschland, Bambusdickicht. Wie schon erwartet begegnen uns außer Vögeln und Affen keine der ersehnten Großtiere, Elefanten, Tiger oder Leoparden. Immerhin findet sich im Matsch eine etwa zwei Tage alte Tigerspur. Diesem Tier werden wir natürlich nicht mehr begegnen (vielleicht auch besser so). Als wir Radreise Kerala 2014 8 dann auch auf eine sehr frische Spur eines Gaur stoßen, steigt die Erwartung schlagartig. Zufällig habe ich meinen Camcorder genau in der richtigen Schussposition. Über uns bricht etwas krachend durch die Büsche den Hang hinauf - glücklicherweise nicht direkt auf uns zu. Über Angriffe von aggressiven Gaurs gibt es in Indien wilde Gerüchte. Nach Lexikon erreicht ein Gaurbulle eine Kopfrumpflänge von 3,30 m, eine Körperhöhe von 2,20 m und ein Gewicht von über einer Tonne. Wir werden zwar vom Gaur verschont, doch wir werden von ganz anderen Tieren angegriffen. Es sind kleine wurmähnliche Wesen von nicht einmal 2 cm Länge. Jetzt verstehen wir schlagartig den Sinn unserer Fußsäcke. Sie sind nämlich ein wirkungsvoller Schutz gegen Blutegel! Diese widerlichen Würmer kriechen schnell und unbemerkt die Wade hinauf und suchen sich den Zugang zu freiliegender Hautfläche. Dadurch hat ein E(k)gel bei mir oberhalb der Wade Erfolg. Ich bemerke es erst, als das Blut zu fließen beginnt. 10 Rad 60 km Periyar - Mundakajam. Busfahrt nach Kottayam - Kumarakom (Backwaters) Vor uns liegt die längste Etappe unserer Radreise: 120 km bis Kottayam. Zunächst befahren wir mit der NH 220 eine ausgesprochene Gebirgsstrecke, bei der mehrere tief eingeschnitten Flusstäler und lange Gegenanstiege überwunden werden müssen. Fahrtabschnitte durch Tee- und Kaffeefelder, durch dichtes Waldgebiet, zwischendurch imposante Weit- und Tiefblicke über freies Gelände. Es ist anstrengend aber sehr befriedigend, in landschaftlicher wie in sportlicher Hinsicht. Die letzten Kilometer geht es lange und steil hinab aus dem Gebirge der Westghats tief hinab in die Küstenebene. Als wir die lange Brücke über den Fluss Manimala passieren, radeln wir unter der tiefroten Flaggenparade der kommunistischen Partei India (CPI) entlang. Wir haben die Stadt Mundakajam erreicht. Sinnvollerweise hatte Martin gestern Abend noch vorgeschlagen, dass wir von hier aus das letzte flache, aber sehr verkehrsreiche Teilstück über Kottayam mit ihm im Bus zurücklegen. Nach einem ausgedehnten Lunch (mit der zwanzigsten Fresh-Lime-Soda). sitzen wir entspannt im Bus und lassen uns von Martin durch die Großstadt Kottayam kutschieren. Am späten Nachmittag liegt die große Wasserfläche der Backwaters vor uns. Vor dem Ort Kumarakom liegt das Hotel The Grove. Es ist das absolute Luxusquartier, mit eher 5 statt 4 Sternen. Die übrigen Gäste sind meist Inder der Oberklasse. Die Anlage ist perfekt und wunderbar, auch der große Pool, dessen Wasserfläche in den Horizont überzugehen scheint. Doch irgendwie fühle ich mich in dieser Atmosphäre von Luxus und Arroganz etwas fehl am Platz. 11 Bootsfahrt durch die Backwaters nach Alleppey. Rad 60 km nach Fort Cochin Radreise Kerala 2014 9 Am Morgen fährt uns Martin zur Anlegestelle von Kottayam. Im gecharterten Boot geht es durch die Backwaters nach Alleppey. Wir sitzen hingefläzt im Schatten eines Sonnesegel auf dem Deck eines gemütlichen, gut erhaltenen alten Holzkahns und genießen pure Romantik. Nach der Ankunft in Alleppey bringt uns Martin zum Beginn der malerischen, nur sehr wenig befahrenen Küstenstraße, die bis nach Cochin führt. Sie hat hier "bezeichnenderweise" die Bezeichnung "Route 66" (könnte vom indischen Touristenbüro stammen). Die ebene, ruhige schmale Straße strahlt Beschaulichkeit aus. Doch gleichzeitig fordert sie irgendwie dazu heraus, endlich einmal richtig Tempo zu machen ... Erst an einer malerischen Sandbucht mit hochgezogenen Fischerbooten findet sich unsere Gruppe wieder zusammen. Am Nachmittag erreichen wir den Stadtteil Fort Cochin. Nach längerem Durchfragen finden wir das Hotel Fort Abode. Dieses Quartier ist wieder einmal ein echter Knüller. Jeweils zwei Doppelzimmer sind um einen gemeinsamen Aufenthaltsraum mit Sitzgruppe, Esstisch und Küche gruppiert. Auf dem Dach die Frühstücksterrasse und ein Pool zum Schwimmen. Nach Einbruch der Dunkelheit suchen wir draußen eines der vielen schönen Restaurants längs der ruhigen Straßen auf. Wegen eines heftiges Tropengewitter in Verbindung mit dem hier "üblichen" Kurzschluss sitzen wir den größten Teil des Abends bei schwachen, aber gemütlichen Petroleumlicht. 12 Fort Cochin, Bustour zur Cheray Beach Morgens gemeinsames Frühstück auf der Dachterrasse. Danach Aufbruch zum langen Erkundungsmarsch entlang der Mole und durch die Gassen der alten Handels- und früheren Kolonialstadt Fort Cochin. Nachmittags mit unserem Bus außen über Brücken und durch teilweise dichten Verkehr der Geschäfts- und Bürostraßen Ernakulums hinüber zur langgestreckten Insel Vypin und weiter nördlich zur Cheray Beach, einer der sauberen Badebuchten bei Kochi. Sehr warmes Wasser, schöne Wellen. Der lange Sandstrand und die Promenade voller einheimischer Besucher. 13 Fort Cochin, nachmittags Bustransport zum Flora Airport Hotel Morgens ein erfrischendes Bad und anschließend langes Frühstück auf der Dachterrasse. Entspannte Radtour durch Gassenleben. Nachmittags mit Martin im Bus zurück zum Flora Airport Hotel. Der Kreis hat sich geschlossen. Wir sind wieder dort, wo alles begonnen hatte. 14 Morgens zum Flughafen, Einchecken - Rückflug - abends an HAM Radreise Kerala 2014 10