Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette
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Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette
Angewandte Wissenschaft · Heft 524 · Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 524 www.bmelv.de Herausgeber Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Referat 324 Rochusstraße 1 53123 Bonn Stand Dezember 2012 Text Referat 324 Gestaltung BMELV Druck BMELV Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.bmelv.de Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 524 „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette“ Workshop des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Friedrich-Loeffler-Institutes am 27. und 28. Oktober 2011 in Braunschweig Alle Rechte, auch die der fotomechanischen Vervielfältigung und des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten durch Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Die inhaltliche Verantwortung liegt bei den Autoren, deren Meinung nicht notwendigerweise mit der des BMELV identisch sein muss. 1 Vorwort Die Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELV) hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierernährung des Friedrich-Loeffler–Instituts (FLI) am 27. und 28. Oktober 2011 in Braunschweig einen Workshop zum Thema „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette“ durchgeführt. Ziel des Workshops war es, die aktuellen Erkenntnisse der Carry over Forschung und die Empfehlungen der Carry over - Arbeitsgruppe zu unerwünschten Stoffen in Futtermitteln und Produktionsverfahren in der Futtermittelwirtschaft vorzustellen, zu bewerten und hierüber mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zu diskutieren und den weiteren Forschungs- und Handlungsbedarf herauszuarbeiten. Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen dabei die Eintragswege, der Carry over und die Exposition bei Dioxinen und anderen halogenierten Kohlenwasserstoffen, die Wirkungen von Mykotoxinen in Futtermitteln und Ansatzpunkte für Präventivmaßnahmen, die Bodenbelastungen und die Exposition von Mensch und Tier durch Cadmium sowie Fallstudien zu Nitrit in Futtermitteln, Antibiotika in Pflanzen sowie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und Radionukliden in Futtermitteln. Ferner wurden die Risiken, die mit bestimmten Herstellungsverfahren von Futtermitteln verbunden sind, insbesondere dabei verwendete Materialien, die mit Futtermitteln in Berührung kommen, sowie die Risiken aus der Nanotechnologie betrachtet. Die Carry over - Arbeitsgruppe ist multidisziplinär zusammengesetzt. Die Experten aus wissenschaftlichen Einrichtungen von Bund und Ländern sowie Universitäten und Untersuchungsanstalten befassen sich seit nunmehr 38 Jahren mit Fragen des Übergangs unerwünschter Stoffe aus Futtermitteln in Lebensmittel tierischen Ursprungs. Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, das BMELV bezüglich erforderlicher oder geeigneter Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebens- und Futtermittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Umweltschutzes zu beraten. Zu diesem Zweck verfolgt die Carry over - Arbeitsgruppe den Stand der Wissenschaft, führt selbst zielgerichtete Forschungsprojekte durch oder initiiert solche Projekte. Die Beratung des BMELV erfolgt in Form von Stellungnahmen, die seit einigen Jahren auf der Homepage des BMELV veröffentlicht werden. Die Veröffentlichungen der Carry over - Arbeitsgruppe, z.B. zum Carry over von Blei 1981, zu Cadmium 1986 und zu PCB 1993 sind zu „Klassikern“ geworden und bis heute aktuell. Große Beachtung fanden auch die Ergebnisse einer Informationsveranstaltung im Oktober 2 1998 zur Thematik „Kreisläufe unerwünschter und erwünschter Stoffe - ihre Bedeutung in der Nahrungskette“, die in der Schriftenreihe des BMELV - Angewandte Wissenschaft Heft 483 veröffentlicht worden sind. Im Jahr 2007 veröffentlichte die Carry over - Arbeitsgruppe die Ergebnisse einer mehrjährigen Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futtermitteln und in vom Tier stammenden Lebensmitteln. Anhand dieser Erhebungen konnte belegt werden, dass die von der Carry over – Arbeitsgruppe empfohlenen und in verschiedenen Bereichen umgesetzten Maßnahmen bereits nach kurzer Zeit einen beachtlichen Rückgang des Eintrags an Dioxinen in die Nahrungskette und in der Folge einen Rückgang der Belastung der Menschen mit Dioxinen über Lebensmittel tierischen Ursprungs bewirkt haben. Die Ergebnisse dieser Statuserhebung sind in der Schriftenreihe des BMELV – Angewandte Wissenschaft als Heft 522 veröffentlicht. Mit der vorliegenden Veröffentlichung sollen die Ergebnisse des Workshops vom 27. und 28. Oktober 2011 zum Thema „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette“ der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das BMELV dankt den Mitgliedern der Carry over-Arbeitsgruppe und insbesondere ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Hans Schenkel für ihr langjähriges Engagement auf dem Forschungsgebiet der unerwünschten Stoffe in der Futtermittel- und Lebensmittelkette. Die Arbeitsgruppe leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, aber auch zum Schutz der Tiergesundheit und der Umwelt. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 3 INHALTSVERZEICHNIS: SEITE VORWORT 1 ANSCHRIFTEN DER AUTOREN 5 H. SCHENKEL Carry over-Forschung – ein wichtiger Baustein in der Risikobewertung 11 S. DÄNICKE Unerwünschte Stoffe in der Wiederkäuerernährung: Die Rolle des Pansens für die Tiergesundheit und das Carry over-Geschehen 15 M. LAHRSSEN-WIEDERHOLT Risikobewertung in der Futtermittelkette 40 H. KARL, U. RUOFF, W. JIRA, K.-H. SCHWIND Dioxine in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft – Aktueller Stand und Trends 44 K.-H. SCHWIND, H. KARL, U. RUOFF, W. JIRA Carry over von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bei Nutztieren 56 O. LINDTNER, K. BLUME, G. HEINEMEYER Exposition der Verbraucher mit Dioxinen und PCB über Lebensmittel 68 T. STAHL UND S. GÄTH Statuserhebung des Gehaltes an PFT (Perfluorierte organische Tenside) in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft zur Abschätzung der Belastung 80 J. KOWALCZYK, S. EHLERS, P. FÜRST, H. SCHAFFT, M. LAHRSSEN-WIEDERHOLT Carry over von perfluorierten Tensiden bei Nutztieren 94 W. JIRA UND K.-H. SCHWIND Carry over von Polybromierten Diphenylethern (PBDE) 98 S. DÄNICKE Mykotoxine in Futtermitteln – Vorkommen und Bewertung 107 4 E. OLDENBURG UND B. RODEMANN C. SCHWAKE-ANDUSCHUS UND K. MÜNZING Minimierungsstrategien für Mykotoxine bei Anbau, Ernte und Verarbeitung 119 D. JULICH UND S. GÄTH Cadmium im System Boden-Pflanze und Prognose des Cadmiumhaushaltes von Landschaften 131 H. SCHAFFT Cadmium in der Lebensmittelkette 143 H. SCHENKEL Bewertung von Nitrat und Nitrit in Futtermitteln 147 C. SCHWAKE-ANDUSCHUS, G. LANGENKÄMPER, M.G. LINDHAUER Antibiotika inGetreide 154 K. HOHGARDT Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln 157 R. SCHEU Radionuklide in der Nahrungskette 173 H. SCHENKEL Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterial in und auf Futtermittel 183 L. DEHNE, R. SCHUMANN, A. LAMPEN Nanopartikel in der Nahrungskette – Potentiale und Risiken 186 S. KRUSE 190 Schlusswort 5 ANSCHRIFTEN DER AUTOREN BLUME, K. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin PROF. DR. DR. DÄNICKE, S. Friedrich-Loeffler-Institut Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit Institut für Tierernährung Bundesallee 50 38116 Braunschweig DR. DEHNE, L. Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. EHLERS, S. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL) Joseph-König-Str. 40 48147 Münster PROF. DR. FÜRST, P. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe (CVUA-MEL) Joseph-König-Str. 40 48147 Münster 6 PROF. DR. GÄTH, S. Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement Justus-Liebig-Universität Gießen Heinrich-Buff-Ring 26C 35392 Gießen PD DR. HEINEMEYER, G. Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. HOHGARDT, K. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Messeweg 11/12 38104 Braunschweig DR. JIRA, W. Max Rubner-Institut (MRI) Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel E.-C.-Baumann-Str. 20 95326 Kulmbach DR. JULICH, D. Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement Justus-Liebig-Universität Gießen Heinrich-Buff-Ring 26C 35392 Gießen DR. KARL, H. Max Rubner-Institut (MRI) Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Palmaille 9 22767 Hamburg 7 KOWALCZYK, J. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. KRUSE, S. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Rochusstraße 1 53123 Bonn DR. LAHRSSEN-WIEDERHOLT, M. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Max-Dohrn-Str. 8 – 10 10589 Berlin PROF. DR. LAMPEN, A. Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. LANGENKÄMPER, G. Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide Schützenberg 12 32756 Detmold PROF. DR. LINDHAUER, M.G. Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide Schützenberg 12 32756 Detmold 8 LINDTNER, O. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. MÜNZING, K. Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide Schützenberg 12 32756 Detmold DR. OLDENBURG, E. Julius Kühn-Institut Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland Messeweg 11-12 38104 Braunschweig DR. RODEMANN, B. Julius Kühn-Institut Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland Messeweg 11-12 38104 Braunschweig DR. RUOFF, U. Max Rubner-Institut (MRI) Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Hermann-Weigmann-Straße 1 24103 Kiel 9 PD DR. SCHAFFT, H. Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin PROF. DR. SCHENKEL, H. Landesanstalt für landwirtschaftliche Chemie an der Universität Hohenheim Institut Nr. 710 Emil-Wolff-Str. 12 70599 Stuttgart DR. SCHEU, R. Feigenhof 10 a 26180 Rastede DR. SCHUMANN, R. Bundesinstitut für Risikobewertung Max-Dohrn-Str. 8 - 10 10589 Berlin DR. SCHWAKE-ANDUSCHUS, C. Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide Schützenberg 12 32756 Detmold DR. SCHWIND, K.-H. Max Rubner-Institut (MRI) Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel E.-C.-Baumann-Str. 20 95326 Kulmbach 10 DR. STAHL, T. Professur für Abfall- und Ressourcenmanagement Justus-Liebig-Universität Gießen Heinrich-Buff-Ring 26C 35392 Gießen 11 Carry over - Forschung – ein wichtiger Baustein in der Risikobewertung H. Schenkel Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart-Hohenheim Der Carry-Over Prozess beschreibt den Übergang eines Stoffes zwischen den Kompartimenten in der Nahrungskette. Betrachtet man die Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung werden die Stoffe über Luft, Wasser, Boden eingetragen und können über diese Medien direkt vom Tier aufgenommen werden. Stärker verbreitet ist aber der „klassische Pfad“: Boden – Pflanze – Tier. Darüber hinaus gibt es aber bekanntlich eine Vielzahl weiterer Kombinationen. Es ist unter anderem Aufgabe der Carry over Forschung diese Expositionspfade zu erfassen, die Stoffübergänge und die sie beeinflussenden Faktoren zu beschreiben und zu bewerten. Solche Daten sind zum Beispiel wichtig, um die Kontamination von Lebensmitteln abzuschätzen, toxikologisch relevante Konzentrationen zu erfassen, Prioritäten hinsichtlich der Bedeutung von Stoffen oder Stoffgruppen festzulegen, aber auch im Hinblick auf Überlegungen zur Minderung des Übergangs. Der Dosis-Zeit abhängige Stoffübergang, insbesondere aus dem Futter in das Tier, kann in Abhängigkeit vom Stoff bzw. den Stoffeigenschaften und dem Tier bzw. dem Kompartiment, aus dem das Lebensmittel gewonnen wird, durch unterschiedliche zum Teil sehr komplexe Modelle beschrieben werden (Tabelle 1) (van Raamsdonk et al., 2009). Tabelle 1: Carry over von Kontaminanten in verschiedene tierische Produkte – verschiedene Modelle einer niederländischen Expertengruppe (nach van Raamsdonk et al., 2009) Modell Physiologisch-kinetisches Modell Expotentielles Modell Steady state Modell Lineares Modell Transfer Datenbasis Kontaminate Dioxine, chlorierte Pestizide Cadmium Aflatoxin Aflatoxin Cadmium Nickel Sulfamethoxazol Target-Produkt/-Organ Milchfett, Körperfett, Dotterfett Niere Milch Milch Niere Organe Organe, Körperfett, Eier Wie bereits erwähnt spielt neben der Konzentration und der physiko-chemischen Zustandsform des Stoffes die Expositionsdauer eine sehr wesentliche Rolle. Dies zeigen zum Beispiel sehr eindrucksvoll Akkumulationskurven von Cadmium in verschiedenen Organen landwirtschaftlicher Nutztiere (Leeman et al., 2007, van der Fels-Klerx et al., 2011). Van der Fels- 12 Klerk et al. (2011) zeigen am Beispiel der Cadmiumanreicherung in Leber und Niere von Rindern den Unterschied von einfachen linearen Modellen und einem kurvilinearen Ansatz zur Beschreibung der Kumulationskinetik in die zusätzlich zu den Biotransferfaktoren Faktoren wie die Sättigungskonstante sowie die Eliminationsrate eingehen. In der Literatur liegen zahlreiche Ansätze vor, insbesondere für organische Verbindungen, anhand physiko-chemischer Kennwerte, zum Beispiel dem Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten das Transferverhalten abzuschätzen (Leeman et al., 2007). Bedingt durch Neueinschätzungen der für den Menschen tolerablen Aufnahme an verschiedenen Kontaminanten ist gegebenenfalls auch eine Überarbeitung von bestehenden Grenzwerten in Zwischenstufen der Nahrungskette erforderlich. Beispielhaft sei auf die jüngsten Stellungnahmen der EFSA zur tolerierbaren Aufnahme an Cadmium (EFSA, 2009a), Blei (EFSA 2010) und anorganischem Arsen (EFSA, 2009 b) verwiesen, die sich allesamt für eine striktere Begrenzung der Aufnahme an diesen Elementen aussprechen. Die Neubeschreibung toxischer Endpunkte ist in der Regel verknüpft mit neuen Studien zur Exposition und falls erforderlich mit speziellen Verzehrempfehlungen. Resultieren daraus neue Höchstwerte in Futtermitteln hat dies auch Konsequenzen für nachgelagerte Kompartimente im Bereich der Nahrungsmittelerzeugung (Abbildung 1). Abbildung 1: Konsequenzen aus der Neufassung toxikologisch relevanter Endpunkte Expositionsstudien Höchstwerte Lebensmittel Futtermittel Wasserschutz Bodenschutz Verzehrempfehlungen Düngemittel Immissionsschutz Abfall - / Kreislaufwirtschaft Eine Problematik dieser verschiedenen Bereiche liegt darin, dass in den einzelnen Rechtsbereichen unterschiedliche Verbindungen oder Stoffe geregelt sind und verschiedene Schutzziele für die Ableitung von Höchst – oder Grenzwerten herangezogen werden. Ferner liegen unterschiedliche Geltungsbereiche bzw. Verbindlichkeiten der verschiedenen Werte vor. Tabelle 2 zeigt anhand der Futtermittelrechtlichen Regelungen für einige Stoffe, dass sich im Laufe der letzten Jahre hinsichtlich der Höchstgehalte in Alleinfuttermitteln wenig geändert hat, die Regulierung von Einzelfuttermitteln und Futtermittelzusatzstoffen stark erweitert wurden. 13 In der Carry-Over Forschung stehen eine Reihe weiterer Fragestellungen an, die einer experimentellen Klärung bedürfen. Bei den Elementen betrifft dies die Frage nach der Differenzierung nach Bindungsform bzw. der Zustandsform als Nanopartikel. Unter den organischen Verbindungen ist es die Frage nach dem Übergang pharmakologisch wirksamer Stoffe einschließlich sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe (Isoflavone, Pyrrolizidinalkaloide) sowie Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen. Unklar ist zum Teil welche Bedeutung Folgeprodukten technologischer Behandlung und Resten technologischer Hilfsstoffe zukommt. Beispiele wie das Acrylamid zeigen, dass die Bedeutung teilweise nur gering ist. Tabelle 2: Höchstwertregelungen für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln und Futterzusatzstoffen Unerwünschter Stoff Höchstgehalt im Alleinfutter mg/kg RL 2002/32 Höchstgehalt im Alleinfutter mg/kg VO 574/2011 Arsen Blei Fluor Quecksilber Cadmium Nitrit Aflatoxin B1 Melamin Dioxin 2 (außer Fische) 5 30 /350 0,1 0,5/1,0 15 0,005/0,1 2 (außer Fische) 5 30 /350 0,1 0,5/1,0 15 0,005/0,1 (2,5) 0,75 bzw 1,5 ng/ WHO-TEQ (Dioxin bzw Dioxin plus dlPCB) 500 pg I-TEQ/kg Zitrustrester Zunahme Regelung für Einzelfuttermittel und Futterzusatzstoffe 5 auf 13 6 auf 13 5 auf 10 3 auf 4 5 auf 12 1 auf 2 auf 11 Carry over Versuche erfordern einen hohen experimentellen Aufwand (Personal, Versuchsdurchführung). Das Versuchsdesign muss sehr sorgfältig geplant werden (Art der Kontamination, Dauer und Art der Exposition). Je nach Art der Exposition und der Kontaminanten können auch Probleme hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Entsorgung der Exkremente und der Tiere auftreten. Daher basieren zunehmend Untersuchungen an Tieren die nahe der Hintergrundbelastung exponiert sind. Carry over Studien sind ein wichtiger Beitrag zur Risikobewertung, aber auch zum Risikomanagement (Abklingphasen etc.). Im Hinblick auf den enormen experimentellen Aufwand ist eine Kombination mit Feldstudien anzustreben. Die Ergebnisse letzterer sind aber nur nutzbar wenn ausreichende Informationen zur Herkunft der Proben vorliegen und die Ergebnisse mit einer sorgfältig validierten, geeigneten Analytik erfasst werden. Um Ressourcen einzusparen, wäre eine Intensivierung von Plattformen zum Austausch von Daten und Erkenntnissen anzustreben. 14 Literatur: EFSA (2009a): Scientific opinion of the panel on contaminants in the food chain. Cadmium in food. EFSA Journal 980, 1-139 EFSA (2009b):Scientific opinion on arsenic in food. EFSA Panel on contaminants in the food chain. EFSA Journal 7(19), 1351 (199pp) EFSA (2010): Scientific opinion on lead in food. EFSA Panel on contaminats in the food chain. EFSA Journal 8 $), 1570 (147 pp) Leeman, W.R., van den Berg, K.J., Houben, G.F. (2007): Transfer of chemicals from feed to animal products: the use of transfer factors in risk assessment. Food Addit. Contam. 24, 1 -13 Van der Fels-Klerx, I., Römkens, P., Franz, E., van Raamsdonk, L. (2011): Modelling cadmium in the feed chain and cattle organs. Biotechnol. Agron. Soc. Environ. 15, 53 – 59 Van Raamsdonk, L.W.D., van Eijkeren, J.C.H., Meijer, G.A.L., Rennen, M., Zeilmaker, M.J., Hoogenboom, L.A.P., Mengelers, M. (2009): Compliance of feed limits, does not mean compliance of food limits. Biotechnol. Agron. Soc.Environ. 13 (S), 51 – 57 15 Unerwünschte Stoffe in der Wiederkäuerernährung: Die Rolle des Pansens für die Tiergesundheit und das Carry over-Geschehen S. Dänicke Institut für Tierernährung, Friedrich-Loeffler-Institut, Braunschweig 1 Einleitung Nach § 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) sind unerwünschte Stoffe alle Stoffe - außer Tierseuchenerreger -, die in oder auf Futtermitteln enthalten sind und a) als Rückstände in von Nutztieren gewonnenen Lebensmitteln oder sonstigen Produkten eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, b) eine Gefahr für die tierische Gesundheit darstellen, c) vom Tier ausgeschieden werden und als solche eine Gefahr für den Naturhaushalt darstellen oder d) die Leistung von Nutztieren oder als Rückstände in von Nutztieren gewonnenen Lebensmitteln oder sonstigen Produkten die Qualität dieser Lebensmittel oder Produkte nachteilig beeinflussen können. Diese Begriffsbestimmung schließt alle unerwünschten Stoffe ein; unabhängig davon, ob sie futtermittelrechtlich mit Höchstgehalten belegt sind oder nicht. Bei einigen dieser unerwünschten Stoffe, für die teilweise futtermittelrechtlich Höchstwerte festgelegt wurden, steht die Beeinträchtigung der Gesundheit im Vordergrund (z.B. Fluorid, Nitrat), bei anderen Stoffen erfolgte eine Festlegung der Höchstwerte primär, um einer Kontamination der vom Tier erzeugten Lebensmittel vorzubeugen (z.B. Polyhalogenierte Kohlenwasserstoffe, Aflatoxin B1). Für andere unerwünschte Stoffe sind keine Höchstgehalte festgelegt, sondern Orientierungswerte für kritische Futterkonzentrationen, die nicht überschritten werden sollen (z.B. Mykotoxine wie Deoxynivalenol und Zearalenon). Für eine Reihe weiterer unerwünschter Stoffe existieren bisher keine gesetzlich verankerten Werte zum Schutz des Nutztiers oder des Verbrauchers (z.B. Alkaloide pilzlicher oder pflanzlicher Herkunft). Unabhängig von der Existenz regulativer Gehalte ist bei der Beurteilung spezifischer unerwünschter Stoffe deren Metabolismus während der Passage durch den Verdauungstrakt und/oder im Organismus zu beachten. So berücksichtigen beispielsweise die Höchstgehalte von Aflatoxin B1 in Futtermitteln für Milchkühe, dass die Höchstgehalte des Metaboliten Aflatoxin M1 in der Milch nicht überschritten werden. 16 Insbesondere im Hinblick auf Metabolisierungsprozesse während der Passage des unerwünschten Stoffes durch den Verdauungstrakt sind tierartspezifische Unterschiede zu berücksichtigen. Der Pansen des Wiederkäuers stellt einen kapazitiven prä-systemischen Metabolisierungsraum dar, der in vergleichsweise weitaus geringerer Form im Dickdarmbereich des Monogastriden zu finden ist. Dies bedeutet, dass ruminale Metaboliten mit höherer Wahrscheinlichkeit das Pfortaderblut erreichen als in den distalen Teilen des Verdauungstraktes entstehende Metaboliten. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der proximale Teil des Dünndarms den Hauptort der Resorption für viele unerwünschte Stoffe darstellt, die dann über das Pfordaderblut zunächst in die Leber gelangen, dort in unveränderter oder in metabolisierter Form entweder direkt im first pass über die Galle wieder ausgeschieden oder in den systemischen Kreislauf entlassen werden. Das bedeutet auch, dass beim Monogastriden die entsprechenden Stoffe überwiegend in nichtmetabolisierter Form in der Leber anfluten (Abb. 1). Insofern können sich die Konsequenzen der oralen Aufnahme unerwünschter Stoffe für die Tiergesundheit und den Transfer in Lebensmittel tierischen Ursprungs als wesentliche Elemente der Futtermittelsicherheit zwischen Wiederkäuern und Monogastriden deutlich unterscheiden. Ob sich dabei der ruminale Metabolismus günstig oder ungünstig auf die Futtermittelsicherheit auswirkt, hängt u.a. davon ab, ob die potenzielle Schadwirkung des unerwünschten Stoffes verringert oder erhöht wird. 17 Zum systemischen Kreislauf (V. cava caudalis) V. hepatica Toxin, Toxin-K Monogastrier „First pass“ V. portae Toxin Toxin-M, Toxin, Toxin-K Einhöhliger Magen Dünndarm Dickdarm M = Metabolit K = Konjugat Zum systemischen Kreislauf (V. cava caudalis) V. hepatica Toxin-M, Toxin-M-K Toxin, Toxin-K Wiederkäuer „First pass“ V. portae Toxin →Toxin-M Vormägen Toxin-M, Toxin-M-K, Toxin, Toxin-K Dünndarm Dickdarm Abb. 1. Schematische Darstellung der Unterschiede zwischen Monogastriern und Wiederkäuern im Hinblick auf die Metabolisierung von Toxinen bzw. unerwünschten Stoffen Der Grad der ruminalen Umsetzungen von Toxinen bzw. unerwünschten Stoffen wird u.a. bestimmt durch das Pansenmilieu (insbesondere Mikrobenpopulationen und pH-Wert) und die für mikrobielle Metabolisierungsreaktionen zur Verfügung stehende Zeit (Kontaktzeit). Letztere sinkt mit steigender Futteraufnahme und damit einhergehender erhöhter ruminaler Chymus-Passagerate. Die Bedeutung dieser generellen pansenphysiologischen Rahmenbedingungen ist jedoch vom betrachteten unerwünschten Stoff abhängig. Bei der Beurteilung der Rolle des Pansens ist weiterhin zu berücksichtigen, dass flüssige und leicht aus der Futtermatrix lösliche Nahrungsbestandteile über die Magenrinne den Pansen umgehen können, so dass eine mikrobielle Metabolisierung der in dieser Phase beförderten unerwünschten Stoffe praktisch nicht stattfinden kann. Die Bedeutung dieses Passagewegs sowie des Anteils des Pansens an den gesamten Nährstoff- und Toxinumsetzungen ist für Wildwiederkäuer anders zu beurteilen als für das Rind als dem wichtigsten Vertreter der Hauswiederkäuer. Entsprechend ihrer Verdauungsphysiologie werden drei Grundtypen von Wiederkäuern unterschieden (Hofmann, 1995): Konzentrat-Selektierer (z.B. Reh) Intermediär-Typ (z.B. Damwild) Raufutter-Fresser (z.B. Rind) 18 Danach sind Konzentrat-Selektierer gegenüber den Raufutter-Fressern u.a. durch vergleichsweise große Öffnungen zwischen den Magenabteilungen (Begünstigung der Umgehung des Pansens), einen höheren Anteil von Ingesta, die ohne Pansenaufenthalt die distalen Abschnitte des Verdauungstraktes erreicht sowie einen höheren Anteil des Dickdarms an der Nährstofffermentation charakterisiert. Tab. 1. Konsequenzen des ruminalen Metabolismus ausgewählter unerwünschter Stoffe für deren biologische Aktivität und die Carry over-Rate (COR) (nach verschiedenen Quellen*) Unerwünschter Stoff Haupt-Pansenmetaboliten1 Biol. COR (%) Bezug COR, Aktivität Bemerkungen Deoxynivalenol (DON) De-epoxy-DON 0 – 0,1 Formononetin Equol 0,01 – 0,05 ∑ Isoflavone Biochanin A p-Ethylphenol Zearalenon (ZON) α-zearalenol (ZOL), β-ZOL Pyrrolizidinalkaloide Methylierte Derivative Ergovalin Lysergsäure (LS) 0 Ergovalin (i.v.) Ergotamin Ergotaminin, LS (?) 0 ∑ Alkaloide PCDD/PCDF2 ~ <1– 67 Cl ↑ → COR ↓ 0 – 0,7 ( ) de-epoxy-DON ∑ Metaboliten 0,04 – 0,08 ∑ Alkaloide - Verringerung; - Erhöhung; - unbekannt; - unverändert Umsetzungen sind häufig unvollständig, so dass variable Anteile der Ausgangssubstanz und ggfls. weitere Metaboliten nachgewiesen werden können 2 Polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine/Polychlorierte Dibenzofurane Beachte: Die Adaptation an die entsprechenden Substrate sowie das umgebende Pansenmilieu (welches stark durch die Fütterung beeinflussbar ist) können zum Gesamteffekt beitragen. * Quellen: (EFSA, 2005, 2007, 2011, Flachowsky et al., 2011, Schumann et al., 2009, Seeling et al., 2005, Seeling et al., 2006, Keese et al., 2009, Fries et al., 2002, McLachlan and Richter, 1998) 1 Dieser Sachverhalt beinhaltet, dass mit einem höheren Anteil von unerwünschten Stoffen zu rechnen ist, der in nicht metabolisierter Form den Ort der Absorption, nämlich die proximalen Abschnitte des Dünndarms, erreicht. Für unerwünschte Stoffe, die im Pansen detoxifiziert werden, kann dies eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Raufutter-Fressern bedeuten, wohingegen bei Stoffen, deren Toxizität durch ruminale Umsetzungen unter Umständen erhöht sein kann, das Gegenteil eintreten kann. Aus der Fülle von unerwünschten Stoffen werden im Folgenden nur ausgewählte Vertreter von Substanzgruppen betrachtet (Tab. 1); aus der Gruppe der Mykotoxine das Deoxynivalenol (DON), aus der Gruppe der Phytestrogene das Formononetin und das Biochanin A, aus der Gruppe der Mycestrogene das Zearalenon (ZON), aus der Gruppe der Alkaloide die Pyrrolizidinalkaloide, die pflanzlichen Ursprungs sind, sowie einige Ergot-Alkaloide, die durch verschiedene Mikromyceten gebildet werden. 19 2 Deoxynivalenol (DON) Ein markantes Beispiel für die Unterschiede zwischen Monogastrieren und Wiederkäuern ist die Metabolisierung von DON zu seinem Metaboliten de-epoxy-DON. Während diese, als Entgiftung einzustufende Metabolisierung in den Vormägen des Wiederkäuers abläuft, findet diese beim Monogastrier überwiegend in den distalen Darmabschnitten statt. Da aber die Absorption überwiegend in den proximalen Darmabschnitten erfolgt, ist im systemischen Blut sowie in den Lebensmitteln tierischer Herkunft beim Wiederkäuer vorwiegend de-epoxyDON (>90 %) nachweisbar, während beim Schwein vorrangig das nicht entgiftete Deoxynivalenol (>90 %) nachweisbar ist. 100 Duodenum De-epoxy DON 80 Milch 60 40 Milch DON 20 0 Duodenum 20 30 40 50 60 Aufnahme an DON (mg/d) 70 80 Abb. 2. Aufnahme an Deoxynivalenol (DON) und Metabolitenprofil von DON und de-epoxy DON am Duodenum und in der Milch von Kühen Duodenum: DON ( ), de-epoxy DON ( ) Milch: DON ( ), de-epoxy DON ( ) Einleitend wurde bereits erwähnt, dass die Futteraufnahme und damit die Passagerate der Ingesta durch den Pansen auch die für die Metabolisierung zur Verfügung stehende Zeit beeinflusst. Für DON konnte jedoch gezeigt werden, dass eine steigende Futteraufnahme (höhere ruminale Passagerate verbunden mit einer geringeren ruminalen Verweildauer) bei gleicher DON-Konzentration im Futter (3,4 mg/kg T) zu einer steigenden täglichen DONAufnahme, nicht jedoch zu einer Verringerung der ruminalen DON-Reduktion zu de-epoxyDON führte (Seeling und Dänicke, 2005, Seeling et al., 2006). Der Anteil von de-epoxy-DON an der Summe aus DON plus de-epoxy-DON (=Metabolitenprofil) war nicht von der Höhe der DON-Aufnahme abhängig und betrug am proximalen Duodenum nahezu 100 % und variierte in der Milch zwischen etwa 60 und 80 % (Abb. 2). 20 Die bisherigen Überlegungen zur Rolle des Pansens für den Metabolismus und die Toxizität setzten voraus, dass eine unmittelbare postingestive Absorption von nicht-metabolisiertem Toxin durch die intakte Pansenschleimhaut nicht in nennenswertem Maße stattfindet. Acidotisch oder anderweitig geschädigte Pansenschleimhaut ist durch eine verringerte Integrität und eine korrespondierende erhöhte Durchlässigkeit für Mikroorgansimen und Substanzen gekennzeichnet, für die sonst keine Passierbarkeit besteht. Unter diesen Bedingungen ist auch ein erhöhter Übertritt von unerwünschten Stoffen über die Pansenschleimhaut nicht auszuschließen. Untersuchungen zum Transferverhalten von DON in die Milch haben gezeigt, dass höhere Konzentratanteile in der Ration zwar einen Carry over Rate von DON als de-epoxy-DON (% der DON-Aufnahme) verringerten pH-Wert im Pansen induzierten, jedoch nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder zu einer verringerten Futteraufnahme oder Milchleistung der Kühe führte, und auch nicht zu einem forcierten Übergang von nicht metabolisiertem DON in die Milch (Keese et al., 2008a, b, Keese et al., 2009). Unabhängig vom Konzentratanteil war in der Milch nur de-epoxy-DON zu detektieren (Abb. 3). Die Carry over-Rate war dabei schwach positiv mit der Milchleistung korreliert; ein Zusammenhang, der zuvor für Aflatoxin B1 - auf insgesamt höherem Niveau und deutlich stärker ausgeprägt - gezeigt wurde (Veldman et al., 1992). 0,12 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 12 16 20 24 28 32 36 40 Milchleistung (kg/d) Abb. 3. Carry over-Rate von DON als de-epoxy-DON in die Milch von Kühen in Abhängigkeit von der Milchleistung und dem Konzentratanteil an der Futtertrockensubstanz (Keese et al., 2009) - 60 % Konzentrat - 30 % Konzentrat 21 3 Phyt- und Mycestrogene Diese Substanzen weisen strukturelle Ähnlichkeiten zu körpereigenen Estrogenen auf und können daher zu einer sogenannten endokrinen Disruption führen, deren Wesen in einer Störung der physiologischen endokrinen Regulationsmechanismen besteht. Im Falle von endokrinen Disruptoren mit Estrogen-ähnlicher Wirkung kommt es beispielsweise zur Besetzung von Estrogenrezeptoren mit der Folge von agonistischen, aber auch antagonistischen Wirkungen, die beim weiblichen Tier letztlich zu Störungen des Reproduktionsgeschehens führen können. 3.1 Phytestrogene Viele Vertreter der Phytestrogene sind der Gruppe der Isoflavone zuzuordnen, die in verschiedenen Kleearten und im Soja vorkommen. Hier liegen sie überwiegend in gycosidisch gebundener Form vor, wobei der Zuckerrest im Pansen leicht abgespalten wird, wodurch das biologisch aktive Aglycon freigesetzt wird (Tab. 2, Abb. 4). Biochanin A und Genistein sind Phytestrogene mit uterotropem Potenzial (Abb. 5). Es konnte gezeigt werden, dass beide Verbindungen ca. 20-fach geringer aktiv sind, wenn sie intraruminal appliziert wurden im Vergleich zu einer intramuskulären Injektion. Dies weist auf eine effiziente ruminale deaktivierende Metabolisierung der Ausgangssubstanzen hin. Formononetin, ein anderes Phytestrogen, wird hingegen in den Vormägen zu Daidzein, eine Verbindung mit höherem estrogenen Potenzial als die Ausgangssubstanz, metabolisiert (Abb. 6). Tab. 2. Mittlere Isoflavongehalte von Sojaschroten verschiedener Herkunft (mg/kg DM, n=6) (Flachowsky et al., 2011) Herkunft Daidzin Genistin Daidzein Genistein Gesamt Argentinien 596a 1066a 172a 82a 3075a Brasilien 298b 607b 122b 81a 1570b USA 326b 535b 53c 24b 1944b Werte mit unterschiedlichen Hochbuchstaben sind innerhalb der Spalten signifikant verschieden (p<0.05) 22 Abb. 4. Schematische Darstellung eines Isoflavons in seiner pflanzlichen Speicherform (Glucosid) sowie als Aglycon (z. B. durch ruminale Abspaltung des Zuckerrestes) uterotrop uterotrop nicht uterotrop Abb. 5. Metabolismus von Biochanin A beim Schaf (Price and Fenwick, 1985) 0.03% 0.05% 0.01% 0.1% 0.4% Abb. 6. Metabolismus von Formononetin beim Schaf (Price and Fenwick, 1985). Die Prozente geben die relative Bindungsaffinität am ovinen zytosolischen Uterusrezeptor an. Die dicken Pfeile markieren die bedeutsameren Umsetzungen. 23 3.2 Mycestrogene Unter den Produktionsbedingungen in Deutschland kommt dem Zearalenon (ZON) die größte Bedeutung, insbesondere beim Schwein, zu, wobei Estrogen-ähnliche Wirkungen auch für Mykotoxine beschrieben wurden, die von Schwärzepilzen (Alternaria spp.) gebildet werden. Allerdings scheint deren biologische Aktivität im Vergleich zum ZON und seinen Metaboliten deutlich geringer zu sein, wobei neben der Interaktion mit dem EstrogenRezeptor weitere Mechanismen der estrogenen Disruption, insbesondere für das Schwein, diskutiert werden (Lehmann et al., 2006, Tiemann et al., 2009). Beim Wiederkäuer findet im Pansen eine intensive Metabolisierung von ZON statt (Abb. 7), wobei zu berücksichtigen ist, dass die hierbei gebildeten Metaboliten ein unterschiedliches estrogenes Potenzial aufweisen. Kallela and Vasenius (1982) untersuchten den in vitro ZON-Abbau durch Pansenmikroben in Abhängigkeit von der ZON-Konzentration, vom Fütterungsstatus und vom Rationstyp. Der zeitabhängige Rückgang in der ZON-Konzentration war bei niedrigeren ZONKonzentrationen sowie im Pansensaft, der kurz nach der Fütterung entnommen wurde, stärker ausgeprägt. Die rationsbedingten Unterschiede (konzentratreich bzw. Heufütterung) waren gering und ungerichtet. Nach diesen Untersuchungen hängt die Fähigkeit zum ZON-Abbau von der ZON-Konzentration und vom Fütterungsstatus ab. Auch die in vitro Untersuchungen von Miettinen and Oranen (1994) bestätigen, dass der ZON-Abbau um so schneller verläuft, je geringer die ZON-Ausgangskonzentration ist. Zudem konnten Valenta und Vemmer (1996) keinen gerichteten Einfluss des Rationstypes auf den in vitro ZON-Metabolismus feststellen. Bei diesen Untersuchungen wurde ZON zu α-Zearalenol und ß-Zearalenol (2:1 bis 3:1) metabolisiert, wobei die Umsetzungen innerhalb von 24 h nicht vollständig verliefen (50% ZON nach 24 h Inkubation). Weiterhin wurde festgestellt, dass nach Inkubation von αZearalenol und ß-Zearalenol wieder ZON (2 bis 6 h Inkubation) und im weiteren Verlauf auch das jeweilige andere Zearalenol gebildet wurde (24 bis 48 h). Die Autoren schlussfolgerten, dass zwischen ZON und den genannten Metaboliten ein Redoxgleichgewicht besteht und dass eine vollständige Umsetzung von ZON im Pansen fraglich erscheint. Kiessling et al. (1984) untersuchten den Metabolismus von ZON durch Pansenflüssigkeit, isolierte Pansenprotozoen oder Pansenbakterien. Dabei waren die Protozoen durch eine größere Metabolisierungsfähigkeit gekennzeichnet. ZON wurde zum überwiegenden Anteil zu α-Zearalenol und zu einem geringeren Anteil in ß-Zearalenol reduziert. Als Metaboliten des ZON-Abbaus wiesen Mirocha et al. (1981) α-Zearalenol und ßZearalenol, unkonjugiert oder konjugiert mit Glucuronsäure oder Sulfat, im Harn nach. Dabei wurden über 50 % der verabreichten ZON-Dosis als ß-Zearalenol ausgeschieden. Bei diesen Untersuchungen ist zu berücksichtigen, dass hier sowohl der Metabolismus im Pansen als auch der Intermediärstoffwechsel erfasst wurde. Auch in der Leber findet eine 24 Metabolisierung zu α-Zearalenol statt, wie aus Untersuchungen von Olsen und Kiessling (1983, zit. bei Olsen, 1989) an Leberhomogenaten hervorgeht. Danach werden bei der Kuh 73 – 100 % des ZON in der Leber in α-Zearalenol überführt. Im Zusammenhang mit dem Metabolismus von ZON ist das Verbot der Europäischen Union (Council Directive 88/146) über die Verwendung hormonaler Substanzen als Leistungsförderer zu diskutieren. Zeranol (α-Zearalanol), das aus ZON hergestellt und als Wachstumsförderer verwendet wurde, fiel auch unter dieses Verbot. Als ein Problem bei der Kontrolle des Verbotes stellte sich heraus, dass Zeranol bei Rindern und Schafen auf natürlichem Weg aus Zearalenon gebildet werden kann (Erasmuson et al., 1994, Kennedy et al., 1998). Kennedy et al. (1998) berichteten, dass in 6,6 % der untersuchten Proben Zeranol detektiert wurde. Es wurde jedoch auch festgestellt, dass die α- und ß-ZearalenolKonzentrationen der Zeranol-positiven Galleproben 12 bzw. 9 mal höher waren als in den Zeranol-negativen Proben. Das Verhältnis zwischen α-Zearalenol und Zeranol war mindestens 5:1. Die Autoren schlugen vor, dieses Verhältnis zur Kontrolle des ZeranolVerbotes zu nutzen. HO O CH3 O HO O CH3 HO HO 12 11 O O 7 CH3 O O HO HO Zearalenon 12 11 12 11 7 α-Zearalenol OH 7 β-Zearalenol OH ? HO O HO CH3 O HO 12 11 HO ? O ? O α-Zearalanol (Zeranol) HO 12 11 Zearalanon CH3 O CH3 7 OH O HO 12 11 7 OH 7 O β-Zearalanol Abb. 7. Metaboliten von Zearalenon (Erasmuson et al., 1994, Kleinova et al., 2002, Zöllner et al., 2002) 25 100 ZON bzw. -ZOL ·100 ZON+-ZOL+-ZOL 80 60 40 20 0 200 400 600 800 1000 Zearalenon-Aufnahme (µg/d) 1200 Abb. 8. Metabolisierungsprofil von Zearalenon am proximalen Duodenum von Kühen in Abhängigkeit von der Zearalenon-Aufnahme (Seeling et al., 2005) - Zearalenon (ZON) - β-Zearalenol (β-ZOL) Steigende Futteraufnahme (= höhere ruminale Passagerate) führte bei gleicher Zearalenon (ZON)-Konzentration im Futter (0.06 mg/kg T) zu einer Verringerung der ruminalen ZONReduktion zu β-ZOL (Abb.8) (Seeling et al., 2005). Anders als beim Deoxynivalenol scheint es hier so zu sein, dass mit höherer ruminaler Passagerate und damit einhergehender verringerter mikrobieller Kontaktzeit ein sinkender Anteil an ZON zu β-ZOL umgesetzt wird. Obwohl das estrogene Potential hierbei kaum verändert wird, so macht die verringerte ZON-Metabolisierung deutlich, dass der Höhe der Futteraufnahme und damit der Passagerate bzw. der Verweildauer der Ingesta im Pansen eine Bedeutung bei der Metabolisierung von unerwünschten Stoffen zukommen kann. 4 Alkaloide Alkaloide sind Substanzen, die Stickstoff im Molekül enthalten, wobei dieser in der Regel in einen heterozyklischen Ring eingebaut ist. Weil ihr pH-Wert im alkalischen Bereich liegt, werden sie als Alkaloid-ähnliche Substanzen, oder einfach als Alkaloide bezeichnet. Darüber hinaus teilen sie ihren bitteren Geschmack und pharmakologische Aktivität als gemeinsame Merkmale. Alkaloide können durch Pflanzen (z.B. Pyrrolizidin-Alkaloide, PA, durch das Jakobskreuzkraut, Senecio jacobea) oder durch andere Organismen, wie Mikromyceten (z.B. Ergot-Alkaloide durch den Mutterkornpilz, Claviceps purpurea) oder durch Epichloe (anamorph Neotyphodium, früher als Acremonium bezeichnet) coenophialum oder N. lolii, die im Gegensatz zum Mutterkornpilz endophytisch wachsen, gebildet werden. 26 4.1 Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) PA enthalten einen Pyrrolizidin-Kern und machen eine große Gruppe von heterozyklischen Alkaloiden mit ungefähr 350 verschiedenen Substanzen aus, die sich hauptsächlich aus den 4 Necin-Basen Platynecin, Retronecin, Heliotridin und Otonecin ableiten lassen. Sie werden von mehr als 6000 verschiedenen Pflanzenarten gebildet, die im Wesentlichen den Familien Boraginaceae, Compositae (Asteraceae) und Leguminosae (Fabaceae) angehören. PA sind hepatotoxisch, wenn sie eine 1,2-Doppelbindung sowie eine veresterte Seitenkette tragen; was eine strukturelle Voraussetzung für deren hepatische Aktivierung ist (EFSA, 2007). In den vergangenen Jahren erlangte das Jakobskreuzkraut erneut eine Bedeutung als Quelle eines auf der Weide gebildeten pflanzlichen Alkaloids mit starker toxischer Potenz, da Weidewirtschaft mit ökologischer Bewirtschaftung zu einer Erhöhung der Biodiversität, verbunden mit einer stärkeren Ausbreitung dieser Pflanze, führte. So wurde über Fälle einer Jakobskreuzkrautvergiftung, die auch als Seneciose bezeichnet wird, berichtet (Walsh und Dingwell, 2007). Die PA in S. jacobaea sind makrocyklische Diester der Necin-Base Retronecin, wobei Jacobin und Seneciphyllin die 2 häufigsten PA darstellen (Abb. 9) (Hovermale und Craig, 2002). Der Gesamtalkaloidgehalt variiert dabei zwischen 200-3200 mg/kg Trockensubstanz (Macel et al., 2004). 27 Abb. 9. Senecio jacobaea (tansy ragwort) Pyrrolizidin-Alkaloide (Hovermale und Craig, 2002) Rinder gelten als besonders sensibel gegenüber S. jacobaea PA. Sie entwickeln eine hepatische Fibrose nach einer Aufnahme von Jakobskreuzkraut, die etwa 5 % ihres Körpergewichts beträgt, während weitaus größere Mengen bei Schafen und Ziegen erforderlich sind, um ähnliche toxische Effekte hervorzurufen. Basierend auf vergleichenden in vitro-Studien mit Lebermikrosomen konnte gezeigt werden, dass die in vitro-PyrrolBildung gut mit der tierartspezifischen Sensitivität gegenüber S. jacobaea PA korreliert (Shull et al., 1976). Obwohl auch diese PA teilweise durch Pansenmikroorganismen metabolisiert werden, so scheint doch das Ausmaß dieser Metabolisierung ungenügend zu sein, um Rinder vor einer Vergiftung zu schützen. Heliotrin, ein nicht-makrozyklisches PA, gebildet u.a. von der Europäischen Sonnenwende (Heliotropium europaeum), wird durch ovinen Pansensaft zu einem Methyl-Derivat umgesetzt (Lanigan, 1970, 1971, Cheeke, 1988). Diese Metabolisierung kann als Entgiftung angesehen werden, da die strukturellen Voraussetzungen für eine hepatische Aktivierung nicht mehr gegeben sind (Abb. 10). 28 Abb. 10. Metabolismus des Pyrrolizidin-Alkaloids Heliotrin im Pansen des Schafes (Cheeke, 1988) 4.2 Ergot-Alkaloide Diese Alkaloide stammen aus Pilzen, die verschiedene Pflanzen infizieren, und der Familie Clavicipitaceae angehören. Während Alkaloide von C. purpurea (Mutterkornpilz) in dem als Sklerotium bezeichneten verhärteten Myzel des Pilzes hauptsächlich auf Roggen, Triticale und Weizen vorkommen, auf denen sich die Sklerotien anstelle von Körnern auf der Ähre entwickeln, sind die Alkaloide von N. coenophialum aufgrund des endophytischen Lebenszyklus innerhalb von pflanzlichem Material zu finden (Porter und Thompson, 1992). Während N. lolii haupsächlich auf ausdauerndem Weidelgras (Lolium perenne), aber auch auf dem Taumellolch (L. temulentum) vorkommt, ist N. coenophialum als Symbiont des Rohrschwingels (Festuca arundinacea) bekannt. Bei der Beurteilung der Effekte dieser Alkaloide muss berücksichtigt werden, dass eine endophytische Infektion nicht nur eine Ergot-Alkaloid-Bildung zur Folge haben kann, sondern auch mit der Synthese einer Reihe weiterer Alkaloide verbunden sein kann, was die Einschätzung des toxischen Potenzials erschwert. 4.2.1 Endophytisch assoziierte Ergot-Alkaloide Als toxische Inhaltsstoffe von L. temulentum wurden unter anderem 2 Alkaloidklassen nachgewiesen. Dabei handelt es sich einerseits um Diazaphenanthren-Alkaloide (z.B. Loline) und andererseits um die von endophytischen Pilzen gebildeten Ergopeptide (Abb. 11). Letztere sind zum Teil mit den durch die Gattung Claviceps spp. gebildeten Ergot-Alkaloiden 29 identisch (siehe dort). In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass LoliumArten diese Alkaloide nur enthalten, wenn gleichzeitig eine endophytische Infektion vorliegt (Dannhardt und Steindl, 1985, Tor-Agbidye et al., 1994, Miles et al., 1998). Es konnte auch gezeigt werden, dass Neotyphodium uncinatum auch in Abwesenheit von pflanzlichem Material Loline bildet, was die frühere Vermutung, dass die Pflanze als Reaktion auf die endophytische Infektion Loline bildet, zumindest in Frage stellt. Die endophytisch bedingte Toxinbildung erhöht die Resistenz der infizierten Gräser gegenüber herbivoren Insekten, kann sich aber andererseits nachteilig auf die weidenden Rinder oder Schafe auswirken (Cheeke, 1995). Als häufig auftretende Toxine von N. coenophialum und N. lolii sind Ergovalin und Lolitrem B bei infizierten Lolium- und Festuca-Arten beschrieben worden (Foot et al., 1994, Tor-Agbidye et al., 1994). Die bei den Tieren beobachteten Intoxikationserscheinungen gleichen denen, wie sie nach einer Mutterkorn (Claviceps purpurea)-Vergiftung beobachtet werden (Bryden, 1994). In diesem Zusammenhang stellte Bourke (1994a) im Ergebnis einer Literaturübersicht fest, dass sich konvulsiver Ergotismus bei Wiederkäuern nicht mit von Claviceps purpurea synthetisierten Ergot-Alkaloiden auslösen lässt. Vielmehr werden die krampfartigen Erscheinungen nach Aufnahme von kontaminierten Gräsern auf die Anwesenheit von Tunicamycinen (Streptovirudine, Corynetoxine) zurückgeführt. Dabei handelt es sich um Nucleosid-Antibiotika aus Streptomyces-Arten, die u.a. auch von Bakterien wie Clavibacter spp. gebildet werden. Letztere wiederum parasitieren in bestimmten Nematoden-Arten, welche insbesondere Lolium-Arten befallen (Bryden et al., 1994, Edgar et al., 1994, Bourke, 1994b). Corynetoxine bewirken mikrovaskuläre Schädigungen im Gehirn, die mit einer erhöhten Gefäßpermeabilität einhergehen, was in der Konsequenz zu Gefäßverstopfungen und inadäquater Perfusion führt. Die resultierende Ischämie verursacht durch Hypoxie neuronale Schädigungen und fokale parenchymatöse Nekrosen (Finnie, 1994). Klinisch äußern sich diese pathologischen Veränderungen in zentraler Depression und Muskellähmungen (CliniTox, 2004). Größere wirtschaftliche Bedeutung hat die Endophyten-Problematik in Neuseeland und in den USA erlangt (Bacon, 1995, Joost, 1995, Porter, 1995, Paterson et al., 1995), wobei sich die Symbiosen zwischen L. perenne und N. lolii sowie zwischen F. arundinacea und N. coenophialum im Hinblick auf das Vorkommen von Ergopeptiden und Lolitrem B sowie damit assoziierten Erkrankungen weidender Schafe und Rinder als besonders bedeutsam herausgestellt haben. Auch für gravide Pferde erwies sich mit endophytischen Pilzen infizierter Schwingel als hoch toxisch (Cross et al., 1995). Untersuchungen zur Bedeutung der Infektion von Gräsern mit pilzlichen Endophyten liegen für Deutschland kaum vor. Oldenburg (1997) untersuchte verschiedene Populationen von L. perenne, die auf 4 verschiedenen weitläufigen Standorten Deutschlands gewonnen wurden. In 33 von 38 untersuchten Populationen wurde Neotyphodium nachgewiesen, wobei die Infektionsrate zwischen 1 und 30 % schwankte. Die höchsten Lolitrem B-Konzentrationen in den infizierten Pflanzen wurden während der Monate Juli und August beobachtet und 30 variierten zwischen 0,8 und 1,5 mg/kg Trockensubstanz. Es wurde geschlussfolgert, dass diese Konzentration nicht ausreicht, um die in Neuseeland beobachteten neurologischen Erkrankungen weidender Tiere auszulösen. Abb. 11. Typische Alkaloide, die in endophytisch befallenem Rohrschwingel nachgewiesen werden können (Yates et al., 1990) Einige Ergot-Alkaloide (Dihydroergotamin, Ergonovin und Ergotamine) sind in der Lage, Populationen von Escherichia coli O157:H7 in gemischten Pansensaft-Kulturen zu beeinflussen (Looper et al., 2008). In dieser Fähigkeit kann ein prinzipielles Potenzial von Ergot-Alkaloiden für die Beeinflussung von ruminalen Prozessen, wie den Nährstoffumsetzungen, aber auch dem Alkaloidmetabolismus selbst, gesehen werden. Ergovalin unterlag einem deutlichen Rückgang, wenn es in vitro mit Pansensaft inkubiert wurde (Moyer et al., 1993). Wenn jedoch endophytisch-infiziertes Gras inkubiert wurde, blieb der Rückgang im Ergovalingehalt aus. Gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Anstieg an Lysergsäure, das gleichfalls in infizierten Pflanzen vorkommt und aus dem sich Ergovalin und andere Alkaloide ableiten (Ayers et al., 2009). Mittels der Ussing-Kammer in vitroTechnik konnte gezeigt werden, dass nur Lysergsäure die Pansenmukosa zu passieren in der Lage ist, während dies für Ergovalin nicht der Fall ist. Die Untersuchung des Urins von Bullen, die endophytisch-infiziertes Gras gefressen hatten, ergab ausschließlich Lysergsäure, was die Ergebnisse der in vitro-Untersuchungen bestätigte und die Autoren zu der Schlussfolgerung führte, dass Lysergsäure eine Rolle bei der sogenannten Fescue-Toxikose zukommt. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Lysergsäure durch Seitenkettenabspaltung aus Ergovalin durch Pansenmikroorganismen entsteht (Ayers et al., 2009, De Lorme et al., 2007). 31 4.2.2 Mutterkornpilz-assoziierte Ergot-Alkaloide Ergot-Alkaloide von C. purpurea werden üblicherweise entsprechend ihrer Struktur in 3 Gruppen eingeteilt, die Alkaloide vom Clavin-Typ, einfache Amide der Lysergsäure und Alkaloide vom Peptin-Typ (Abb. 12). Letztere enthalten die Ergotamine (ergotamin, ergosin, ergosecalin und weitere), Ergotoxine (ergocryptin, ergocornin, ergocristin und weitere) sowie Ergoxine (z.B. Ergostin). Bei der Diskussion von Metabolisierungsreaktionen ist weiterhin zu berücksichtigen, dass diese Substanzen extrem leicht an der C-8-Position epimerisieren. Diese Epimerisierung ist abhängig vom pH-Wert und kann daher bei der Probenaufarbeitung für die Analytik aber auch während der Passage durch den Pansen und den restlichen Verdauungstrakt eine Rolle spielen. Die Bezeichnungen der C-8-Epimere werden durch den Suffix –inin (z.B. Ergotamin und Ergotaminin) kenntlich gemacht (Porter, 1995). Abb. 12. Ausgewählte Endprodukte der Ergot-Alkaloidsynthese durch Clavicipitaceae (Panaccione, 2005) Nur wenige Studien widmeten sich dem Pansenmetabolismus von Alkaloiden, die von C. purpurea gebildet werden. Ungefähr 70% der gesamten aufgenommenen Alkaloide wurden am proximalen Duodenum von Kühen wiedergefunden (Abb. 13) (Schumann et al., 2009), was auf einen ruminalen Abbau der fehlenden 30 %, oder auf eine Absorption von Lysergsäure, die aus verschiedenen Alkaloiden freigesetzt wird (siehe Diskussion zu den endophytisch abgeleiteten Alkaloiden), hinweisen könnte. Darüber hinaus wurden im Kot der Kühe lediglich 35% der Alkaloide, die am Duodenum anfluteten, wiedergefunden, was darauf hinweist, dass die Alkaloide weiter metabolisiert und/oder absorbiert wurden. Betrachtet man einzelne Alkaloide, dann wird deutlich, dass pH-Wert-Änderungen im Verdauungstrakt für 32 die unterschiedlichen Relationen von Ergotamin und Ergotaminin zueinander auf der Ebene des duodenalen Chymus (pH ~ 2 - 4) bzw. des Kotes (pH ~ 7) verantwortlich sind (Abb. 14). Die physiologische Bedeutung dieser Prozesse für das Tier können aus diesen Untersuchungen jedoch nicht abgeleitet werden. 8500 5 7500 6500 2 93 6 5500 4 1 12 4500 8 3500 10 7 1 2500 4000 6000 y = 74 + 0.35x, r²=0.44 Faecal alkaloid excretion [µg/d] Alkaloid flow at the duodenum [µg/d] y = -213 + 0.70x, r²=0.69 3600 3 2800 2400 9 8 2000 1 1600 1200 5 6 4 10 12 1 800 8000 10000 7 2500 Alkaloid intake [µg/d] 2 3200 4500 6500 8500 Alkaloid flow at the duodenum [µg/d] y = 277 + 0.35x, r²=0.33 y = 168 + 0.22x, r²=0.39 2600 12 2200 1800 5 9 1400 8 1 1000 600 7 7 1 1600 11 10 4 3 2 3 6 4 12 2 9 8 6 5 10 2800 4000 Ergotamine and ergotaminine intake [µg/d] y = 9 + 0.14x, r²=0.26 y = 144 + 0.17x, r²=0.50 Faecal ergotamine or ergotaminine excretion [µg/d] Ergotamine or ergotaminine flow at the duodenum [µg/d] Abb. 13. Alkaloid-Fluss am Duodenum in Abhängigkeit von der Alkaloidaufnahme (links) sowie faecale Alkaloid-Excretion in Abhängigkeit vom Alkaloid-Fluss am Duodenum (rechts) (Die Zahlen über den Symbolen kennzeichnen die individuellen Kühe) (Schumann et al., 2009) 1000 2 3 800 8 600 10 400 200 0 7 10 1 7 1 1200 1 5 6 1 8 6 3 2 4 9 5 4 9 2000 12 12 2800 3600 Ergotamine and ergotaminine flow at the duodenum [µg/d] Abb. 14. Ergotamin- (ausgefüllte Dreiecke) und Ergotaminin- (unausgefüllte Dreiecke) Fluss am Duodenum in Abhängigkeit von deren Aufnahme (links) sowie faecale Ergotamin- und Ergotaminin-Excretion in Abhängigkeit von deren Fluss am Duodenum (rechts) (Die Zahlen über den Symbolen kennzeichnen die individuellen Kühe) (Schumann et al., 2009) 33 5 Polychlorierte Dibenzo-para-Dioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) PCDD/PCDF, häufig einfach als Dioxine bezeichnet, sind lipohile Substanzen, die sehr widerstandsfähig gegenüber chemischen und biologischen Abbauprozessen sind und daher in der Umwelt persistieren, sich in der Nahrungskette anreichern und daher letztlich im Fettgewebe von Mensch und Tier akkumulieren (Larsen, 2006). Inwiefern diese generelle Widerstandsfähigkeit dieser Kontaminanten auch auf die anaeroben mikrobiellen Bedingungen im Pansen zutrifft, wurde bisher in nur wenigen Studien untersucht. Die Frage nach einem möglichen Metabolismus im Organismus der Kuh resultierte aus der Beobachtung, dass die Wiederfindungsraten einiger PCDD/PCDFKongenere aus Bilanzstudien mit Pentachlorphenol(PCP)-behandeltem Holz (Fries et al., 2002), das neben PCP auch Dioxine als Verunreinigung enthielt, 100 % deutlich überstiegen, während für andere eine unvollständige Wiederfindung vorlag (Abb. 15). So betrug die gesamte Wiederfindung von 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD in Kot, Milch und Körperfett mehr als 180 % der aufgenommenen Menge dieses Kongeners, wobei dies nahezu vollständig aus der Wiederfindung mit den Faeces resultierte. Nicht nur aus dieser Studie lässt sich ableiten, dass die Wiederfindung im Körperfett sowie mit der Milch (entspricht der Carry over-Rate) mit steigendem Chlorierungsgrad sowohl der PCDD als auch der PCDF abnimmt. Die Ausscheidungsverhältnisse mit dem Kot sind weniger systematisch mit dem Chlorierungsgrad assoziiert. Die veränderten Wiederfindungsraten insbesondere des 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD waren Anlass, das an die Kühe verfütterte Holz in vitro mit Pansensaft zu inkubieren, um Anhaltspunkte für eine mögliche Rolle des Pansens zu erhalten. Im Ergebnis dieser Experimente wurde jedoch festgestellt, dass gerade dieses Kongener durch die Inkubation nicht beeinflusst wurde, da die Wiederfindung nahezu 100 % betrug (Abb. 16). Inwiefern die niedrigeren Wiederfindungsraten einzelner anderer Kongenere tatsächlich auf einen Metabolismus im Pansen zurückzuführen sind, ließ sich aus der Studie nicht abschließend beurteilen. Bei den höher chlorierten Kongeneren ist zudem zu berücksichtigen, dass deren Widerstandsfähigkeit gegenüber Metabolisierungsreaktionen des Organismus stärker ausgeprägt ist als bei den niedriger chlorierten Kongeneren (Larsen et al., 1996, Larsen, 2006). Eine wichtige Voraussetzung für einen Metabolismus sind 2 benachbarte unsubstituierte C-Atome in lateraler Position des Kongeners (Larsen, 2006). Bei Ratten konnte gezeigt werden, dass Dioxin-ähnliche Verbindungen durch induziertes Cytochrom P4501A2 sequestriert werden können (DeVito et al., 1998). Kongener-abhängige Anreicherungsprozesse in der Leber wurden auch in einer Studie an Kühen festgestellt. Nach Verfütterung eines Dioxin-kontaminierten Mineralfuttermittels, das auch dioxin-ähnliche polychlorierte Biphenyle (dlPCB) enthielt, variierten die Quotienten der Konzentrationen der dlPCB-Kongenere 126 und 169 zwischen Leber- und Körperfett zwischen 2.7 und 7.2 bzw. 34 0.5 und 1.5 (Huwe und Smith, 2005) bei Futterkonzentrationen von 0.8 bzw. 0.5 pg/g. Die mitgeteilten entsprechenden Quotienten für die verschiedenen PCDD und PCDF-Kongenere waren deutlich höher und erreichten Werte bis etwa 91 (Huwe und Smith, 2005). Offenbar besteht hier ein Zusammenhang zum Chlorierungsgrad, wie aus einem 120-tägigen Versuch mit Bullenkälbern mit einem Anfangsgewicht zwischen 220 und 262 kg hervorgeht (Feil et al., 2000). So stieg der Leberfett-Körperfettquotient von 2 (TCDD, TCDF) auf 10 für die Penta-, auf 20 für die Hexa-, auf 50-100 für die Hepta- und auf >300 für die Octa-Kongenere. Für die Beurteilung der Gewebs- und Kongener-spezifischen Anreicherungsprozesse ist darüber hinaus zu berücksichtigen, ob steady state-Bedingungen erreicht werden oder nicht. Wiederfindung (%) Während bei einer Langzeitexposition mit Dioxinen über 120 Tage (Feil et al., 2000) steady state-Bedingungen für Rückenfett, perirenales Fett und Rückenmuskel für Tetra- und HexaPCDD/PCDF erreicht wurden, war dieses für die höher chlorierten Dioxin-Kongenere im Serum, in der Rückenmuskulatur und im Leberfett nicht der Fall, wie aus den höheren und noch ansteigenden Konzentrationen abgeleitet wurde. 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Körperfett Milch Faeces Gesamt Abb 15. Wiederfindung von PCDD und PCDF bei 2 Kühen, denen Pentachlorophenolbehandeltes Holz über 28 Tage verabreicht wurde (Fries et al., 2002) 35 Wiederfindung (%) 120.0 100.0 80.0 60.0 40.0 20.0 0.0 Abb 16. Wiederfindung verschiedener Dioxin-Kongenere nach 48-stündiger Inkubation von Pansensaft mit Pentachlorphenol-behandeltem Holz (Fries et al., 2002) Inwiefern die hohe selektive hepatische Anreicherung der 1,2,3,4,6,7,8,9-OCDD zusammen mit ihrem differenten kinetischen Verhalten im Organismus die 100 % übersteigende Wiederfindung im Kot erklären können, ist fraglich. Eine in vivo-Synthese von OCDD aus Nonachlor-2-Phenoxyphenol, einem sogenannten Pre-Dioxin konnte für Ratten demonstriert werden (Huwe et al., 2000). Ob dies eine Erklärung für die Befunde an der Milchkuh darstellt, bedarf einer experimentellen Überprüfung. Insgesamt ist festzustellen, dass Dioxine offensichtlich kaum durch gastrointestinale Mikroorganismen metabolisiert werden, so dass deren Transfer in Lebensmittel wesentlich durch ihre chemischen Eigenschaften sowie mögliche extragastrointestinale Metabolisierungsreaktionen bestimmt wird. 6 Schlussfolgerungen Eine Reihe unerwünschter Substanzen werden in den Vormägen des Wiederkäuers inaktiviert, während andere einen Aktivitätsanstieg erfahren oder diesen Bereich unverändert passieren. Da diese Prozesse vor der Absorption stattfinden, können Pansenumsetzungen das Metabolitenprofil in der Milch beeinflussen. Daher kann der Pansen nicht generell als präsystemischer Detoxifikationsraum angesehen werden, sondern als Metabolisierungsraum, der den Einfluss spezifischer unerwünschter Stoffe auf die Tiergesundheit und das Transferverhalten maßgeblich bestimmen kann. 7 Literatur Ayers AW, Hill NS, Rottinghaus GE, Stuedemann JA, Thompson FN, Purinton PT, Seman DH, Dawe DL, Parks AH, Ensley D (2009) Ruminal Metabolism and Transport of Tall Fescue Ergot Alkaloids. Crop Science 49: 2309-2316 36 Bacon CW (1995) Toxic endophyte-infected tall fescue and range grasses: historic perspectives. Journal of Animal Science 73: 861-870 Bourke CA (1994a) The evidence against the existence of so-called convulsive ergotism in ruminants.In: Plant-associated toxins: Agricultural, phytochemical and ecological aspects; 4th International Symposium on Poisonous Plants (ISOPP4), Fremantle, Western Australia, Australia, September 26-October 1, 1993. 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Lahrssen-Wiederholt Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin Die Futtermittelkette ist Teil der gesamten Nahrungskette. Während die Nahrungskette von der Futtermittelherstellung bis zum verzehrsfähigen Lebensmittel reicht, endet die Futtermittelkette spätestens bei der Schlachtung des landwirtschaftlichen Nutztieres. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich in seinem „Leitfaden für gesundheitliche Bewertungen“ eine Vorgabe für seine wissenschaftlichen Stellungnahmen gegeben. Die Stellungnahmen sollen als Entscheidungshilfen dienen. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der getroffenen Aussagen. Es sollen Empfehlungen im Interesse der Sicherheit in der gesamten Nahrungskette (Tiergesundheit, Sicherheit des Verbrauchers) sowie Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Die Risikobewertung ist die Abschätzung eines Risikos mittels wissenschaftlicher Methoden und beginnt mit der Darstellung der möglichen Gefahrenquelle. Hierzu wird das Agens bzw. der unerwünschte Stoff im Futtermittel identifiziert und charakterisiert sowie dessen qualitative und quantitative Verbreitung (Umwelt/Tierbestand) beschrieben. Die Grundlage einer Risikobewertung in der Futtermittelkette ist das Wissen, mit welchen „unerwünschten Stoffen“ in dem jeweiligen Einzelfuttermittel zu rechnen ist (z.B. Cadmium, Dioxine, PCBs, perfluorierte Tenside, Mykotoxine, Unkrautsamen, Rückstände pharmakologischer Substanzen, Rückstände von Kokzidiostatika aus Verschleppungen). Ein wertvolles Instrument aus dem Blickwinkel der Sicherheitsbewertung stellt dabei die Positivliste für Einzelfuttermittel dar. Im Vergleich zum sog. Gemeinschaftskatalog der Einzelfuttermittel nach EGVerordnung Nr. 767/2009 liefert die Positivliste ausführliche, für die Sicherheit relevante und unverzichtbare Informationen zu Einzelfuttermitteln. Neben Informationen zu Herkunft, Eigenschaft und kritischen Inhaltsstoffen der Einzelfuttermittel, sind auch Hinweise zu technologischen Spezifitäten bei Herstellungsprozessen sowie die Verwendung von Verarbeitungshilfsstoffen oder Beistoffen Basis für eine erste Sicherheitseinschätzung. Im Wissen der sich im ständigen Fluss von Neuerungen bewegenden Herstellungsprozesse insbesondere von Futtermitteln, die als Nebenerzeugnisse bei der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmittel bzw. als Nebenprodukte aus Energiegewinnungsprozessen anfallen und somit in die Futtermittelkette gelangen - machen den Bedarf einer „Offenlegung“ sicherheitsrelevanter Informationen aus dem Datenblatt offensichtlich. 41 Es folgt die Ermittlung des Gefährdungspotentials mittels qualitativer bzw. quantitativer Beurteilung der gesundheitsschädlichen Wirkung unter Berücksichtigung der toxikologischen Kenngrößen (NOAEL, ALARA,…) sowie unter Heranziehen von Bewertungen anderer wissenschaftlicher Gremien (z.B. EFSA, FAO/WHO). Grundsätzlich müssen auch spezielle Empfindlichkeiten einzelner Tierarten gegenüber bestimmten Inhaltsstoffen bekannt sein. Die Abschätzung der Exposition beinhaltet Informationen zum Vorkommen im Futtermittel sowie die Futteraufnahme durch die Tiere. Die Vorgaben der Rationsgestaltung insbesondere bei der Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere erleichtert die Expositionsabschätzung für die unterschiedlichen Tierarten und deren Nutzungsrichtungen. Die Expositionshäufigkeit (Hintergrundbelastung, Belastungsdauer) wird dabei ebenso berücksichtigt wie mögliche weitere zusätzliche Eintragsquellen (Emissionen, Kontaktmaterialien, Futterzusatzstoffe, Tierarzneimittel). Für die Abschätzung der Exposition stehen Daten zum Vorkommen eines unerwünschten Stoffes in Futtermitteln meist aus Literaturanalysen und einschlägigen Werken zur Futtermittelkunde zur Verfügung. Darüber hinaus sind häufig Analysenergebnisse zum Vorkommen von unerwünschten Stoffen in Futtermitteln von Forschungsinstitutionen und Untersuchungslaboratorien des Bundes und der Ländern sowie Projektberichte aus Jahresberichten der Bundesländer verfügbar. Wesentliche Fragestellungen bei der Auswertung des Datenmaterials betreffen die mögliche Verwertbarkeit der Daten sowie die Anforderungen, die von Seiten der Risikobewertung an diese gestellt werden. Die Beurteilung der Datenqualität, welche in den Stellungnahmen genau beschrieben wird, umfasst dabei die Herkunft und Beschreibung der Proben (z.B. national/international, ökologisch/konventionell, Einzel-/Mischfuttermittel), die Angabe statistischer Kennzahlen (Probenzahl, Mittelwert, Median, Minimum, Maximum, Perzentile) sowie der Nachweis-/Bestimmungsgrenzen. Dennoch können Risikobewertungen in der Futtermittelkette mit gewissen Unsicherheiten behaftet sein, da sie häufig kurzfristig erstellt werden müssen und daher auf die Verwendung von potentiell vorhandenen Daten eingeschränkt sind. Oft ist das zur Verfügung stehende Datenmaterial kaum nutzbar, da es an Angaben zur genauen Herkunft der Daten (RoutineÜberwachung, anlassbezogene Untersuchung, Monitoring) fehlt. Um diesen häufig auftretenden Schwierigkeiten entgegen zu wirken, hat das BfR die Problematik am Beispiel Dioxine und PCB in Lebensmittel und Futtermitteln thematisiert. Als Fazit wurden daraus die Anforderungen an die „Geburtsurkunde der Probe“ abgeleitet: „Nach Diskussion mit Sachverständigen wurden die notwendigen Parameter identifiziert, die für die Charakterisierung, Interpretation und Bewertung von Dioxinen und PCB in der Lebensmittelkette (Lebensmittel, Futtermittel), z. B. bei Überwachungs- und Monitoringprogrammen oder bei speziellen Untersuchungsprogrammen (wie z. B. Statuserhebungen) unerlässlich sind. Diese Parameter sollten bei der Probenahme erhoben und bei der Aufnahme von Daten in die Dioxin-Datenbank des Bundes und der Länder berücksichtigt werden.“ Die 42 Anforderungen an die Geburtsurkunde der Probe wurden den zuständigen Bundesministerien sowie den Bund-Länder Arbeitsgruppen übermittelt. Zum Abschluss erfolgt die Charakterisierung des Risikos d.h. die Bewertung der Häufigkeit und Schwere einer schädlichen Auswirkung für die Gesundheit der Tiere und die Bewertung des Übergangs in Lebensmittel tierischer Herkunft. Komplizierter stellt sich die Risikocharakterisierung dar, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Stoffwechsel der einzelnen Tierarten zu berücksichtigen. Als Beispiel für eine aktuelle Risikobewertung von Futtermitteln am BfR sei die Verwendung von Nebenerzeugnissen aus der Bioethanolproduktion (Schlempe) als Futtermittel genannt, wenn im Herstellungsprozess Antibiotika eingesetzt werden. Schlempe und Schlempefutter sind in der Positivliste für Einzelfuttermittel (9. Auflage) als Nebenerzeugnisse der fermentativen Alkoholgewinnung für Bioenergiezwecke gelistet. Sie sind in ihrer Zusammensetzung und Qualität erheblichen Schwankungen unterworfen, daher sind Angaben zu den Inhaltsstoffen und dem Herstellungsprozess erforderlich. Bei importierten Schlempen ist bekannt, dass bei der Herstellung antibiotisch wirksame Substanzen wie Penicillin, Ampicillin, Tylosin, Streptomycin, Monensin-Natrium, Virginiamycin eingesetzt werden. Einige dieser Wirkstoffe werden als Therapeutika bei verschiedenen lebensmittelliefernden Tieren eingesetzt. Dagegen ist der Wirkstoff Monensin-Natrium in Deutschland nicht verfügbar, Virginiamycin ist zur therapeutischen Anwendung nicht zugelassen. Nach Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 sind Antibiotika als Leistungsförderer, verabreicht als Futtermittelzusatzstoffe in der Tierernährung nicht mehr zugelassen. Ausgenommen ist Monensin-Natrium, welches als Histomonostatikum und Kokzidiostatikum für Masthühner und Masttruthühner (Verordnung (EG) Nr. 109/2007) zugelassen ist. Zur Risikobewertung für die landwirtschaftlichen Nutztiere, denen diese Schlempen als Futtermittel angeboten werden sollen, muss demnach die Summe aller Eintrittspfade sowie die Unverträglichkeiten für einzelne Tierarten betrachtet werden. Unter Einbeziehung aller Expositionsquellen werden die Gesamtrückstände im Lebensmittel berechnet, um so zu einer Einschätzung für die Sicherheit des tierischen Lebensmittels zubekommen. Zukünftige Herausforderungen bei der Risikobewertung der Futtermittelkette werden in den Konsequenzen aus dem Klimawandel (zunehmende Trockenheit, Futtermittelverunreinigungen durch Staubpartikel bei Starkregen, Ertrags- und Qualitätsschwankungen) gesehen. Eine neue Herausforderung für die Futtermittelsicherheit birgt auch die Wende hin zu den erneuerbaren Energien. Die Produktion neuer regional verfügbarer Koppelprodukte aus der Bioenergiegewinnung (Variation in der Nährstoffzusammensetzung und dem energetischen Futterwert) bedingt den Bedarf an kurzfristig zur Verfügung stehender Infor- 43 mation zu Inhaltsstoffen und Nährstoffgehalten und somit zur Sicherheit dieser Futtermittel als Basis für eine Risikobewertung in der Futtermittelkette. Literatur: Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/74/EWG des Rates, 93/113/EG des Rates und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission, Amtsblatt der Europäischen Union L 229, 1-28. Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über Zusatzstoffe zur Verwendung in der Tierernährung, Amtsblatt der Europäischen Union L 268, 29-43. Verordnung (EG) Nr. 109/2007 der Kommission vom 5. Februar 2007 zur Zulassung von Monensin-Natrium (Coxidin) als Futtermittelzusatzstoff, Amtsblatt der Europäischen Union L 31, 6-8. Zentralausschuss der deutschen Landwirtschaft, ZDL (2011): Positivliste für Einzelfuttermittel (9. Auflage), 68 Seiten. 44 Dioxine in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft - Aktueller Stand und Trends H. Karl 1)*, U. Ruoff 2), W. Jira 3), K.-H. Schwind 3) Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel Hamburg 1), Kiel 2), Kulmbach 3) 1. Einleitung Unter dem Begriff „Dioxine“ werden die Substanzklassen der Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF) und die der dioxinähnlichen polychlorierten Biphenyle (dl-PCB) zusammengefasst. Dioxine (einschließlich der dl-PCB) sind toxisch und können über das Futter, über den Boden oder über partikuläre Bestandteile im Wasser von Tieren aufgenommen werden und reichern sich im Fettgewebe an (Schulz et al. 2005). Über 80 % der Belastung der Menschen mit Dioxinen gehen von Lebensmitteln tierischen Ursprungs aus (Commission of the European Communities, 2006a). Dioxine und dioxinähnliche PCB rufen schon in sehr geringen Mengen Entwicklungsstörungen beim Fötus und Kleinkind hervor, zeigen immunsuppressive Effekte und gelten ab einer bestimmten Menge als humankanzerogen (WHO 2010). Im Zentrum des vorbeugenden Verbraucherschutzes steht deshalb die Forderung, Dioxine und dl-PCB in der Umwelt und damit ihren Eintrag in die Lebensmittel so weit wie möglich zu minimieren. Seit den 90er Jahren konnten durch die Einführung entsprechender Maßnahmen und Regelungen des Gesetzgebers die Einträge sehr deutlich reduziert werden und eine erhebliche Zahl von Dioxin- und PCB-Quellen so weit wie möglich „verstopft“ werden (Anon. 2001; BImSchV 1990). So sind die Dioxineinträge durch die thermische Abfallbehandlung und die metallurgische Industrie zwischen 1990 und 2004 von 400 bzw. 773 g I-TEQ auf 2 bzw. 55 g I-TEQ gesunken (UBA 2011). Um die Auswirkungen der emissionsmindernden Maßnahmen auf die Dioxinbelastung von Lebensmitteln zu erfassen, wurden auf Initiative des BMELV am Max Rubner–Institut bzw. in den Vorgängerorganisationen bislang zwei Statuserhebungen zur Belastung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs auf die Gehalte an PCDD/F (1995-1999) und PCDD/F und dl-PCB, sowie der sog. Indikator-PCB (ndl-PCB) im Zeitraum von 2004-2008 durchgeführt. Die aktuelle Untersuchung hatte zum Ziel, eine flächendeckende repräsentative Beurteilung der Dioxin- und PCB-Belastung durch die vom Tier stammenden Lebensmittel Milch, Fleisch, Fisch und Eier - inklusive tierartspezifischer Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere - zu erhalten. 45 Die Untersuchungen wurden vom Max Rubner-Institut in der Arbeitsgruppe Analytik am Standort Kulmbach und am Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch an den Standorten Hamburg und Kiel in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tierernährung des Friedrich-Löffler-Instituts in Braunschweig durchgeführt und von Kulmbach koordiniert. Für eine korrekte und zuverlässige Beschreibung der aktuellen Belastungssituation war eine möglichst repräsentative Probenahme unerlässlich. Die Auswahl des jeweiligen Probenmaterials erfolgte mit hoher Sorgfalt an den für das jeweilige Lebensmittel/Futtermittel zuständigen Instituten und Einrichtungen. Bestimmt wurden 7 Dibenzodioxin- und 10 Dibenzofuran - Kongenere, 4 non-ortho PCBund 8 mono-ortho-PCB – Verbindungen, für die von der WHO Toxizitäts-Äquivalenzfaktoren (TEF) festgelegt wurden. Zusätzlich wurden die Gehalte der gesetzlich geregelten di-ortho PCB-Kongenere 28, 52, 101, 138, 153 und 180 (Indikator-PCB) ermittelt. In der aktuellen Statuserhebung von 2004–2008 wurden insgesamt etwa 1060 Proben analysiert, aufgeteilt in Fleisch und Fleischerzeugnisse, Milcherzeugnisse, Eier, Fische und deren Erzeugnisse sowie Futtermittel. In der vorliegenden Arbeit werden die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie zusammenfassend dargestellt. Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse findet man in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 522, Verlagsgesellschaft W.E. Weinmann, Filderstadt (2009). 2. Ergebnisse 2.1 Aktuelle Belastungssituation Vergleicht man die aktuelle Belastungssituation mit den innerhalb der EU geltenden Höchstmengen für Futter- und Lebensmittel (Commission of the European Communities 2006), so ist insgesamt eine positive Tendenz zu verzeichnen. Futtermittel Insgesamt wurden 231 Futtermittel untersucht (Abb. 1). Die Futtermittel teilten sich auf in Mischfuttermittel für die Schweine-, Rinder- und Geflügelmast, für Legehennen und für Milchkühe. Weiterhin wurden typische Rau- und Saftfutter wie Gras, Gras- und Maissilage und Heu untersucht und verschiedene Futtermittel für die Forellenzucht. 46 Abb. 1: Zusammenstellung der untersuchten Futtermittel Futtermittel N = 116 Mischfutter: N = 91 Rau- und Saftfutter: N = 24 Fischfutter: Schwein (Endmast) Gras Forellenfutter Rind (Mastleistungs- und Milchleistungsergänzungsfutter) Legehennenalleinfutter Mastgeflügel (Endmast) Grassilage Maissilage Heu Sonstiges Die Höchstmengen für Dioxine und für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB sind unterschiedlich und in Tabelle 1 zusammengestellt (Commission Directive 2006). Tab. 1: Höchstmengen für Futtermittel (WHO-TEQ (1998)) ng/kg WHO-TEQ (1998) PCDD/F PCDD/F-dl-PCB Mischfuttermittel Fischfutter Rau- + Saftfutter 0,75 2,25 0,75 1,5 7,0 1,25 Bezug 88 % TM 88 % TM 88 % TM In Abbildung 2 sind die mittlere und die maximale prozentuale Ausschöpfung der gültigen Höchstmengen für Dioxine und für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB dargestellt, ausgedrückt in WHO-TEQ (TEF 1998) (Van den Berg, M. et al. 1998). Die erlaubten Höchstmengen wurden im Mittel nur zu 5 – 20 % ausgeschöpft und keines der untersuchten Futtermittel überschritt die Höchstmengen. Damit ist die Belastung von Futtermitteln in Deutschland erfreulich niedrig (Schwind et al. 2010). 47 Abb. 2: Mittlere und maximale prozentuale Ausschöpfung der Höchstmengen für Futtermittel (WHO-TEQ 1998) % Ausschöpfung WHO-PCDD/F-TEQ WHO-PCDD/F-PCB-TEQ 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Rau- und Saftfutter Mischfuttermittel Forellenfutter Lebensmittel tierischen Ursprungs In der Statuserhebung wurden insgesamt 828 Lebensmittelproben tierischen Ursprungs untersucht. Eine Aufstellung der Produktgruppen ist in Abbildung 3 zusammengefasst. Es wurden 296 Fleischproben und Fleischerzeugnisse, 140 Milcherzeugnisse, 207 Eier und 185 Fische und Fischerzeugnisse analysiert. 48 Abb. 3: Untersuchte Lebensmittel tierischen Ursprungs Lebensmittel tierischen Ursprungs N =296 N = 140 N = 207 N = 185 Fleisch: Milch- Eier: Fische: Rind Schwein Geflügel Erzeugnisse: Brühwurst erzeugnisse: Butter Käse Quark Freiland Käfig Boden Bio Privat 32 Fischarten Garnelen Muscheln Tintenfische Erzeugnisse: Rohwaren Kochwurst Rohwurst Tiefkühlware Konserven Marinaden Salzfisch Die ca. 300 untersuchten Fleischproben und Fleischerzeugnisse teilten sich auf in Rindfleisch (Teilstück Hochrippe), Schweinefleisch (Teilstück Kamm bzw. Nacken) und Geflügelfleisch (Teilstück Keule mit Haut). Bei den Fleischerzeugnissen wurden Brühwurst (Fleischwurst, fein zerkleinert), Rohwaren (Schinkenspeck), Kochwurst (Leberwurst) und Rohwurst (Salami) beprobt. Die Gehalte an dioxinähnlichen PCB in Fleisch lagen für Rindfleisch im Median bei etwa 0,9 ng/kg Fett WHO-PCB-TEQ und damit im Bereich des Auslösewertes von 1,0 ng/kg Fett. Bei Geflügel blieben die WHO-PCB-TEQ-Gehalte mehr als eine Größenordung unter dem PCB-TEQ-Auslösewert von 1,5 ng/kg Fett. In Fleischerzeugnissen schwankte der WHOPCB-TEQ im Median über den Bereich von 0,06 ng/kg Fett für Rohwaren bis hin zu 0,13 ng/kg Fett für Rohwurst. Die Dioxingehalte in Fleisch bewegten sich mit einem WHO-PCDD/F-TEQ von im Median 0,2 ng/kg Fett für Rindfleisch und 0,09 ng/kg Fett für Schweine- und Geflügelfleisch deutlich unter den jeweiligen Höchstmengen. In allen vier untersuchten Arten von Fleischerzeugnissen lag der Median für den WHO-PCDD/F-TEQ unter 0,1 ng/kg Fett. Für Rind, Schwein und Geflügel sind unterschiedliche Höchstmengen festgelegt. Zum besseren Vergleich sind in Abbildung 4 die mittleren prozentualen Ausschöpfungen der Höchstmengen dargestellt. Wie bereits bei den Futtermitteln blieben die mittleren Gehalte 49 weit unter den Grenzwerten. Bei Rindfleisch schwankten die Gehalte allerdings erheblich und es gab vereinzelt auch Grenzwertüberschreitungen. Abb.4: Mittlere prozentuale Ausschöpfung Fleischerzeugnisse (WHO-TEQ 1998) WHO-PCDD/F-TEQ der Höchstmengen für Fleisch und WHO-PCDD/F-PCB-TEQ 100% % Ausschöpfung 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Rind Geflügel Schwein Wurstwaren Weiterhin wurden 207 Eier aus den Haltungsformen Käfighaltung, Biohaltung, Freilandhaltung und Bodenhaltung untersucht. Die Gehalte an dioxinähnlichen PCB in Eiern lagen für alle vier untersuchten Haltungsformen im Median bei etwa 0,1 bis 0,2 ng/kg Fett WHO-PCB-TEQ und damit mehr als um den Faktor 10 unter dem Auslösewert von 2,0 ng/kg Fett. Die Dioxingehalte in Eiern bewegten sich mit einem Median des WHO-PCDD/F-TEQ im Bereich von 0,1 bis 0,2 ng/kg Fett deutlich unter der Höchstmenge von 3 ng/kg Fett. Einzelne hohe PCB- und Dioxingehalte in Eiern aus Freilandhaltung resultierten überwiegend aus Betrieben mit kleinen Herdengrößen (Abb. 5). Nur 3 der 207 untersuchten Eier überschritten die Höchstmenge von 6 ng WHO-TEQ/kg Fett. 50 Abb. 5: WHO-PCDD/F-PCB- TEQ in Eiern [ng/kg Fett, WHO-TEQ 1998] Die 140 untersuchten Milcherzeugnisse (Butter, Quark und Käse) stammten aus 4 Regionen Deutschlands: Nord-Ost, Süd-Ost, Nord-West und Süd-West. Die Ergebnisse zeigen, dass das Kontaminationsniveau von PCDD/F in Milchfett in den letzten Jahren auf rund 0,2 ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Fett gesunken ist. Für die dioxinähnlichen PCB ergab sich ein Median von ca. 0,54 ng WHO-TEQ/kg Fett. Alle Proben blieben unter den Auslösewerten von 2,0 ng /kg Fett für PCDD/F und dl-PCB. Mit einem Median von nur 0,74 ng WHO- PCDD/F-PCB -TEQ/kg Fett lagen die aktuellen Gehalte in Milchprodukten aus Deutschland weit unter dem Höchstmenge von 6 ng WHOPCDD/F-PCB-TEQ/kg Fett (Abb.6). Abb. 6: PCDD/F+dl-PCB-Gehalte in Milchprodukten aus Deutschland WHO-TEQ [ng/kg Fett] (Median, 90 % Perzentil; WHO-TEQ 1998) dl-PCB 7 6 Dioxine Höchstmenge ∑WHO-TEQ 5 4 3 2 Höchstmenge Dioxin Dioxin 1 0 Butter (n=23) Käse (n=66) Quark (n=52) 51 Bei Fischen und Fischereierzeugnissen konzentrierte sich die Probennahme auf Fische mit einem Marktanteil von > 1% und einem höheren Fettgehalt. Untersucht wurden 32 Fischarten, 5 Krebs- und Weichtierarten und verschiedene Erzeugnisse. Die Gehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen PCB in Fischen und Fischereierzeugnissen blieben im Allgemeinen weit unter den gültigen EU- Höchstwerten von 4 ng WHO-PCDD/FTEQ/kg FS und 8 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ /kg FS. Fische mit niedrigen Fettgehalten wie Alaska Pollack, Kabeljau oder Seelachs lagen unter 0,5 ng/kg FS, gleiches gilt für Krebs- und Weichtiere. Fische mit Fettgehalten bis 5 % (z.B. Sardelle, Forelle, Rotbarsch) blieben meist unter 1 ng/kg FS, Fische mit höheren Fettgehalten (> 10 %, z.B. Lachs, Hering, Makrele) lagen bei 1 – 3 ng/kg FS (Abb. 7) (Karl and Ruoff 2008). Bei einigen Fischarten konnte eine fangplatzspezifische Abhängigkeit der Gehalte nachgewiesen werden. Höhere Gehalte wurden vor allem bei fettreichen Fischen aus der östlichen Ostsee nachgewiesen. Einige Heringsproben aus dieser Fangregion überschritten die festgelegten Höchstmengen (Karl and Ruoff 2007). Abb. 7: PCDD/F+dl-PCB-Gehalte in Fischen (Median, 90% Perzentil; WHO-TEF 1998) Dioxin dl-PCB WHO-TEQ ng/kg FS 12 10 Höchstmenge 8 6 4 2 0 Magerfische Mittelfette Fische Fettfische Fazit der 2. Statuserhebung: Bei allen Lebensmitteln tierischer Herkunft blieben die Gehalte im Mittel deutlich unter den EU-Höchstmengen, so dass die aktuelle Belastung von tierischen Lebensmitteln in Deutschland mit Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bis auf wenige Ausnahmen als niedrig angesehen werden kann. 52 Insbesondere Milcherzeugnisse sind nur noch sehr niedrig belastet. In einzelnen Fällen gab es bei Rindfleisch, Freilandeiern und Fettfischen aus der östlichen Ostsee noch Überschreitungen der Höchstmengen. 2.2 Zeittrends Vergleich der Dioxingehalte in Lebensmitteln 1995-98 2005-2008 Für die PCDD/F-Gehalte erlaubt die vorliegende Studie einen Vergleich mit Daten in den Lebensmitteln Milch, Fleisch und Fisch, die im Zeitraum von 1995-1999 in der ersten Statuserhebung des BMELV erhoben wurden. Daten über dioxinähnliche PCB lagen bisher nicht vor. Danach ist bei den Milchprodukten, bei den verschiedenen Fleischarten und deren Erzeugnissen sowie bei Zuchtfischen seit 1995/96 aufgrund der emissionsmindernden Maßnahmen des Gesetzgebers ein deutlicher Rückgang der Dioxinbelastung zu verzeichnen. Bei wild lebenden Fischen geht die Belastung mit Dioxinen dagegen nur sehr langsam zurück. Bei Rindfleisch und Geflügel betrug der Rückgang ca. 50 %, bei Schweinefleisch war ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen, allerdings lagen die Dioxingehalte bereits 1996 an der Bestimmungsgrenze, so dass der Rückgang in der Abbildung 8 nicht dargestellt werden kann. Der Vergleich der Dioxingehalte in Milchprodukten aus Schleswig-Holstein zwischen 1998 und 2010 zeigt eindrucksvoll die Erfolge der emissionsmindernden Maßnahmen im terrestrischen Bereich. Der Dioxingehalt sank um ca. 60 % und hat nun ein sehr niedriges Hintergrundniveau erreicht (Abb. 9). Abb. 8: Vergleich der Dioxingehalte in Fleisch 1995/6 und 2006/7 1995/1996 2006/2007 WHO-PCDD/F-TEQ [ng/kg Fett] 0,5 0,45 0,4 0,35 0,3 0,25 0,2 0,15 0,1 0,05 0 Rind Geflügel Schwein 53 Abb. 9: Vergleich der Dioxingehalte im Butter und Käse aus Schleswig-Holstein 1998 und 2010 Bei Forellen und Lachsen aus der Aquakultur ist ebenfalls ein deutlicher Rückgang der Dioxinbelastung zu verzeichnen, der auf eine Reduzierung der Höchstmengen an Dioxinen im Fischfutter zurückzuführen ist. Bei Heringen aus der Ostsee und Rotbarsch aus der Barentssee konnte dagegen in den letzten 10 Jahren nur eine sehr geringe bzw. keine signifikante Abnahme festgestellt werden (Abb. 10). 54 Abb. 10: Vergleich der Dioxingehalte in Fischen 1995/6 und 2005/6 50 1995/6 2005/6 WHO-TEQ ng/kg Fett 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Hering Ostsee Rotbarsch* Barentssee Forelle Zuchtlachs * Rotbarsch: Vergleich 1996 und 2010 Die Schließung von Eintragsquellen und Minimierung von Dioxin-Emissionen durch gesetzgeberische Maßnahmen zeigen deutliche Erfolge und führen zu einer nachhaltigen Reduzierung der Dioxin-Belastung von Lebensmitteln auf dem deutschen Markt. Um auch für die unerwünschten Stoffgruppen der dl-PCB und der Indikator-PCB diesen Trend belegen zu können, die in der ersten Stauserhebung nicht erfasst wurden, sollte in etwa einer Dekade erneut eine entsprechend angelegte Datenerhebung durchgeführt werden. 3. Literatur: Anon. (2001): Community strategy for dioxins, furans and polychlorinated biphenyls. Official Journal of the European Communities C 322/2, 17.11.2001. BImSchV (1990): Siebzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe – 17. BImSchV) vom 23. November 1990. BGBl. I S. 2545. Commission of the European Communities (2006): Commission regulation (EC) No 1881/2006 of 19 December 2006 setting maximum levels for certain contaminants in foodstuffs. Official Journal of the European Union L 364/5, 20.12.2006. Commission of the European Communities (2006a): Commission recommendation of 6. February 2006 on the reduction of the presence of dioxins, furans and PCBs in feedingstuffs and foodstuffs. Official Journal of the European Union L 42/26, 14.02.2006. Commission Directive (2006): Commission Directive 2006/13/EC of 3. February 2006 amending Annexes I and II to Directive 2002/32/EC of the European Parliament and of the Council on undesirable substances in animal feed as regards dioxins and dioxinlike PCBs. Official Journal of the European Union L 32/44, 04.02.2006. Karl, H.; Ruoff, U. (2008): Dioxins and dioxin-like PCBs in fish and fishery products on the German market. J. Verbr. Lebensm. 3, 19-27. 55 Karl, H. and Ruoff, U. (2007): Dioxins, dioxin-like PCBs and chloroorganic contaminants in herring, Clupea harengus, from different fishing grounds of the Baltic Sea. Chemosphere 67, S90-S95. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2009): Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln. Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 522, Verlagsgesellschaft W.E. Weinmann, Filderstadt. Schulz, A.J.; Wiesmüller, T.; Appuhn, H.; Stehr, D.; Severin, K.; Landmann, D.; Kamphues, J. (2005): Dioxin concentration in milk and tissues of cows and sheep related to feed and soil contamination. Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition 89, 72-78. Schwind, K.-H.; Dänicke, S.; Jira, W. (2010): Survey of dioxins, dioxin-like PCBs and marker PCBs in German feeds of plant origin. J. Verbr. Lebensm. 5, 413-420. UBA 2011: http://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/dioxine.htm Van den Berg, M. et al. (23 authors) (1998): Toxic equivalency factors (TEFs) for PCBs, PCDDs, PCDFs for humans and wildlife. Environmental Health Perspectives 106, 775-792. WHO 2010: Dioxins and their effects on human health. Fact sheet N° 225, May 2010. http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs225/en/ 56 Carry over von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB bei Nutztieren K.-H. Schwind 1), H. Karl 2), U. Ruoff 3) und W. Jira 1) Max Rubner-Institut (MRI), Kulmbach 1), Hamburg 2), Kiel 3) 1. Einführung Der Übergang eines (meist unerwünschten) Stoffes aus dem Futtermittel in landwirtschaftliche Nutztiere und damit auch in die von ihnen erzeugten Lebensmittel stellt in aller Regel den zentralen Hintergrund für die Carry over-Forschung dar. In entsprechend angelegten Experimenten mit Nutztieren liefern Dosis-Wirkungsversuche die entscheidenden Aussagen. Sehr wichtig - im Blick auf die spätere Aussagefähigkeit - solcher Experimente sind beispielsweise Größen wie die Applikationsform und -weise in der der unerwünschte Stoff dem Nutztierorganismus zur Verfügung gestellt wird und die entsprechende Versuchsdauer. Gerade von der gewählten Versuchsdauer hängt es oft entscheidend mit ab, ob sich zwischen der Konzentration des unerwünschten Stoffes im Futter und der Konzentration im beobachteten Zielgewebe ein Gleichgewichtszustand mit einem „steadystate“-Status einstellt oder ob eine fortwährende Anreicherung zu beobachten ist, was im Blick auf die Messgröße des Carry over-Faktors eine kontinuierliche Veränderung zur Folge hätte. Während die Carry over-Forschung in früheren Zeiten oft auf den Transfer anorganischer Stoffe fokussiert war, stehen in den letzten Jahren vermehrt organische Verbindungen im Vordergrund. 2. Kontaminationsfälle Zu Beginn des Jahres 2011 waren in den Medien Berichte wie beispielsweise „DioxinSkandal: Verbraucherschützer raten zum Eierverzicht“ (http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,737647,00.html) zu lesen oder zu hören, die beim Verbraucher und auch in der Lebensmittelindustrie ein erhebliches Gefühl von Unsicherheit erzeugten. Der Konsument steht solchen Schlagzeilen verständlicherweise mit großer Sorge, begleitet von einem - meist beträchtlichen - Unsicherheitsgefühl gegenüber, das zum großen Teil auf Unkenntnis der zugrunde liegenden Transportvorgänge beruht. Der vorliegende Beitrag möchte einige der als wichtig erkannten Zusammenhänge und Verkettungen - wie „Dioxin“ beispielsweise über die Nahrungskette bis hin zum Menschen gelangen kann - ein Stück näher beleuchten. 57 3. „Dioxin“ – Was ist das ? Um die vorliegende Problematik eingehender verstehen zu können, sollten zunächst ein paar essentielle Fakten etwas näher beleuchtet werden. Mit dem Begriff „Dioxin“ werden gemeinhin drei unterschiedliche Substanzklassen zusammengefasst. Zwei davon - die polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und die polychlorierten Dibenzofurane (PCDF) sind chlorierte tricyclische Ether. Bei der dritten, den polychlorierten Biphenylen (PCB) handelt es sich - chemisch gesehen - um chlorierte Aromaten mit Biphenyl-Grundstruktur (Abb. 1). Allen drei Stoffklassen ist eine hohe Langlebigkeit in der Umwelt sowie ein ausgeprägter lipophiler Charakter gemein. Die Zahlen in Abb.1 markieren die Positionen am jeweiligen Molekülgrundgrüst, die jeweils von Wasserstoff- und Chloratomen besetzt sind. Aus den statistisch möglichen Anordnungen für die Wasserstoff- und Chloratome resultiert eine Vielzahl möglicher Einzelverbindungen oder Kongenere. Bei den PCDD sind 75, in der Stoffklasse der PCDF 135 und bei den PCB 209 unterschiedliche Einzelverbindungen (Kongenere) möglich. Immer dann, wenn am Dibenzo-p-dioxin- oder Dibenzofurangrundkörper die Positionen 2,3,7 und 8 chloriert sind, bzw. am PCB-Molekülgrundkörper die Positionen 2, 2’, 6 ,6’ nicht (non-ortho-PCB) oder nur einfach (mono-ortho-PCB) chloriert sind, besitzen die resultierenden Kongenere toxische Eigenschaften. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Analytik, aus diesen insgesamt 419 Einzelverbindungen 29 Kongenere mit toxikologischer Relevanz quantitativ zu erfassen. Um bei dieser Vielzahl von Verbindungen das toxische Gesamt-Wirkpotential beschreiben zu können, wurde das Konzept der Toxizitätsäquivalente (TEQ) entwickelt (Van den Berg et.al., WHO 1998). Es ermöglicht die Angabe des toxischen Potentials in Form eines einzigen Zahlenwertes. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den zugrundeliegenden 29 Einzelverbindungen aufgrund der unterschiedlichen chemischen Strukturen mit daraus resultierenden unterschiedlich starken toxikologischen Eigenschaften - die durch Tierversuche belegt sind - teilweise sehr breit variierende Toxizitäten zugeschrieben werden müssen. Dies wird im TEQ-Modell durch sogenannte Toxizitätsäquivalentfaktoren (TEF) berücksichtigt. Der jeweilige TEF drückt die relative Toxizität eines Kongeners im Vergleich zu der des 2,3,7,8-TCDD – besser bekannt unter dem Begriff „Seveso-Dioxin“ aus, dem ein TEF von 1 zugewiesen wird. Zur Berechnung des TEQ, werden die analytisch bestimmten Kongenerengehalte mit ihrem zugehörigen TEF multipliziert und daraus dann der TEQ durch Addition aller so berechneten Produkte bestimmt (Abb. 2). 4. Der Eintrag von PCDD/F und dioxinähnlichen PCB (dl-PCB) in die Umwelt Da die Stoffgruppen der PCDD/F und der dl-PCB unterschiedliche Entstehungsquellen haben, macht es Sinn, die beiden Stoffgruppen getrennt zu betrachten. 58 Den meisten PCDD/F-Quellen liegen Verbrennungsprozesse zugrunde. So entstehen die PCDD/F bei der Verbrennung von Haus-, Sonder- oder Krankenhausmüll ebenso wie bei der Verbrennung von Klärschlamm oder auch in Krematorien. Einen weiteren Beitrag liefern Verbrennungsprozesse, die im Zusammenhang mit der Energiegewinnung stehen. Dabei kann es sich beispielsweise um Heizungssysteme zur Wärmeenergiegewinnung, um Kraftwerke, die mit festen, flüssigen und gasförmigen Brennstoffen betrieben werden, aber auch um Abgase aus Verbrennungsmotoren handeln. Die Liste der dioxinliefernden Verbrennungsprozesse ließe sich noch fortsetzen. Nicht zuletzt tragen aber auch Brandereignisse ganz allgemein - egal ob es sich um Brände im Zusammenhang mit Unglücksfällen oder beispielsweise um Brände verursacht durch Blitzschlag handelt - ebenfalls zu PCDD/FEmissionen bei. Weitere PCDD/F-Quellen liegen in einer Vielzahl von industriellen Produktionsprozessen. So werden die PCDD/F bei der thermischen Verhüttung von Erzen ebenso gebildet wie bei Recyclingprozessen zur Metallwiedergewinnung. Auch die Herstellung vieler Chlorchemikalien erzeugt PCDD/F im Spurenbereich. Seit Bekanntwerden dieser Zusammenhänge wurde mittlerweile viel getan. Produktionsprozessse und –verfahren wurden in vielen Fällen modifiziert bzw. optimiert, um die PCDD/F-Bildung zu vermeiden oder wenn das nicht möglich ist, sie zumindest auf ein Minimum abzusenken. Während die Stoffklassen der PCDD/F zumindest nie absichtlich synthetisiert wurden, verhält es sich im Fall der Stoffklasse der PCB etwas anders. Die Stoffklasse der PCB umfasst insgesamt 209 Einzelverbindungen (Kongenere), die mittlerweile ubiquitär in der Umwelt verteilt sind. Die PCB wurden aufgrund einer Reihe von anwendungstechnisch vorteilhaften Eigenschaften (beispielsweise sind sie chemisch stabil, hitzebeständig, nicht brennbar, gut elektrisch isolierend und nicht korrosiv) bis zum Beginn der 1980er Jahre in den USA, Japan und vielen europäischen Ländern großtechnisch produziert. Infolge der genannten und weiterer vorteilhafter Eigenschaften kamen sie großflächig zum Einsatz als Transformatorenöle, Dielektrika von Kondensatoren, Hydraulikflüssigkeiten, Weichmacher von Kunststoffen und Lacken oder auch als Zusatz in Anstrichen, Farben und plastischen Dichtmassen (UNEP, 1999; EPA, 2003). Die weltweite PCB-Produktion wird auf insgesamt 1,3 Mio. Tonnen geschätzt, wobei etwa 97% dieser Menge in der nördlichen Hemisphäre angewendet wurden (Breivik et. al., 2002). Aufgrund ihrer großen Stabilität in der Umwelt gelangten sie über Luft, Gewässer und Böden in und auf Pflanzen und reichern sich infolge ihrer hohen Fettlöslichkeit über die Nahrungskette auch in tierischen Geweben an. Zwölf Einzelverbindungen aus der Reihe der insgesamt 209 PCBKongenere können toxische Wirkungen hervorrufen, die denen des 2,3,7,8-Dibenzo-p-dioxins (2,3,7,8-TCDD oder „Seveso-Dioxin“) ähneln und werden deshalb auch unter dem Kürzel dlPCB („dioxin-like polychlorinated biphenyls“) zusammengefasst. 59 5. Das Carry over-Geschehen Nach Richtlinie 2006/13/EG (European Commission, 2006a) ist „die Belastung von Tieren mit Dioxinen und dioxinähnlichen PCB vor allem auf Futtermittel zurückzuführen. Daher gilt es, Futtermittel - und in einigen Fällen die Böden - als mögliche Quellen von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB zu beachten.“ Futtermittel sind für Stoffübergänge im Sinne der Carry over-Forschung also von zentraler Bedeutung. Der sogenannte Carry over-Vorgang oder Transfer eines Stoffes vom Futter in ein vom Tier stammendes Lebensmittel, hängt beispielsweise davon ab, wie hoch die Aufnahmerate des Stoffs über den Darm ist, ob der Stoff hydrophiles oder lipophiles Verhalten zeigt, was dann im Zusammenwirken mit den weiteren Stoffwechselvorgängen im Nutztiergewebe zu Anoder Abreicherungen führt und ob und wie ein Stoff über Ausscheidungsvorgänge (Metabolisierung) wieder aus dem Tierorganismus eliminiert werden kann. Dieses Übergangsverhalten eines Stoffes aus dem Futter in ein Nutztiergewebe bzw. -organ lässt sich anschaulich mit der Größe des Carry over-Faktors (CoF) beschreiben. Der CoF ist definiert als der Quotient der festgestellten Stoff-Konzentration im jeweils untersuchten Tiergewebe und der Konzentration dieses Stoffes im aufgenommenen Futtermittel. Als einfache Relation ist er dimensionslos und zur Beschreibung des An- oder Abreicherungsverhaltens gut verwertbar. Ein Zahlenwert größer als 1 zeigt an, dass eine Einlagerung des Stoffs im untersuchten Gewebe stattfindet, bei einem Zahlenwert kleiner als 1 liegt eine Abnahme vor. Für Dioxine, dioxinähnliche PCB und viele andere Organochlorverbindungen ist der resultierende CoF in den allermeisten Fällen >1. Das bedeutet also, dass diese Verbindungen sich im Tiergewebe anreichern und zwar besonders im Fettgewebe und im Fett der Organe. Aufgrund unterschiedlich stark ausgeprägter lipophiler Eigenschaften zeigen aber nicht alle PCDD/F- und dl-PCB- Kongenere gleich hohe CoF-Zahlenwerte, sondern variieren in einer gewissen Bandbreite, woraus wiederum ein teilweise stark unterschiedliches Anreicherungsverhalten resultiert. 6. Lebensmittelkontamination 6.1 Der „Dioxin-Übergang“ vom Futter ins Fleisch von Mastschweinen Wie schon erwähnt, ist es in der Carry over-Forschung wesentlich, den Aufnahmepfad und den Weg, den die unerwünschten Stoffe PCDD/F und dl-PCB in landwirtschaftliche Nutztiere sowie deren Gewebe und Organe nehmen, möglichst genau zu kennen, um dann Maßnahmen ergreifen zu können, dass diese Stoffe im Lebensmittel erst gar nicht nicht anwesend sind oder falls das nicht möglich ist, sie zumindest auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Ein erstes wichtiges Glied in der langen Kette bis hin zum Verbraucher stellen die Futtermittel für lebensmittelliefernde Tiere dar. Vor diesem Hintergrund wurde jüngst der 60 Tierversuch einer Forschergruppe aus UK publiziert, in dem u.a. der Übergang dieser Stoffe in Mastschweine und deren Fleisch untersucht wurde (Fernandes et. al, 2011). Im Rahmen eines Feldversuchs in einem Schweinemastbetrieb wurde ein Muttertier mit 8 Ferkeln ab deren Geburt in dem Mastbetrieb aufgestallt. Sofort nach dem Absetzen der Saugferkel wurden die Sau und 2 Ferkel (ca. 25 Tage alt) geschlachtet. Etwa 90 Tage später erfolgte die Schlachtung von 2 weiteren Tieren. Die verbleibenden 4 Schweine wurden nach insgesamt 179 Tagen geschlachtet und von allen Tieren wurden Muskelfleisch, Leber- und Nierengewebe auf PCDD/F und dl-PCB untersucht. Neben diesen Proben wurden auch Einstreuund Futtermittelproben auf die unerwünschten Stoffe hin untersucht. Zur Abschätzung des Carry overs ins Muskelfleisch bzw. die Lebern und Nieren der Tiere wurde der BiotransferFaktor (BTF) herangezogen. Der BTF schätzt den Transfer der unerwünschten Stoffe aus den von den Schweinen aufgenommenen Futtermitteln ins jeweilige Tiergewebe ab und ist beispielsweise für das Muskelfleisch definiert als Quotient der Konzentration des jeweiligen Kongeners im Fleisch und der täglichen Stoffaufnahme dieses Kongeners. Der Zahlenwert des BTF zeigt die Höhe des Transfers an und beschreibt damit die PCDD/F- bzw. die dl-PCB Konzentration im jeweiligen Tiergewebe in Relation zur täglich mit dem Futter aufgenommenen Stoffmenge. Die Analyse und Auswertung der zwei eingesetzten EndmastFuttermittelproben ergab WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalte von 0,17 bzw. 0,18 ng/kg Frischmasse (FM). Der WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalt im Schweinefleisch nach 179 Tagen Mastdauer lag in einem Versuchstier bei 0,56 ng/kg Fett bei einem anderen Tier bei 0,72 ng/kg Fett. Der Mittelwert des BTF - unter Betrachtung aller analysierten PCDD/F- und PCB-Einzelverbindungen - wurde für den Übergang vom Futter ins Fleisch der Tiere zu 3,2 errechnet. Im Vergleich dazu lag der ermittelte BTF in Schweineleber bei 102,6, während er in den Nieren mit 3,2 in einem sehr ähnlichen Bereich wie im Fleisch der Tiere lag. Die nach einer Mastdauer von 179 Tagen erreichten WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Gehalte von 0,56 bzw. 0,72 ng/kg Fett lagen damit relativ klar unter dem derzeitig gültigen Höchstgehalt für Schweinefleisch von 1,5 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Fett. (European Commission, 2006b) Die Untersuchung von deutschem Schweinefleisch im Rahmen der „Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und von Tier stammenden Lebensmitteln“ hat im Median einen Gehalt von 0,16 ng WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Fett aus 53 repräsentativ erfassten Schweinefleischproben ergeben (Schwind et al., 2009), bei denen der gegebene Höchstgehalt noch deutlicher unterschritten wurde. Im Rahmen des umfangreich angelegten englischen Carry over-Experiments konnte auch gezeigt werden, dass die Haltungsbedingungen von Nutztieren großen Einfluss auf die PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte im lebensmittelliefernden Tier und dessen Geweben und Organen besitzen. 61 6.2 Der „Dioxin“-Übergang aus Futter und Boden in Hühnereier Verschiedene Kontaminationsfälle mit PCDD/F- und dl-PCB-Kongeneren zeigten, dass besonders Legehennen sehr sensitiv auf die Anwesenheit dieser unerwünschten Stoffe reagieren. Vor diesem Hintergrund wurde in den Niederlanden ein Carry over-Versuch (Hoogenboom et al., 2006) durchgeführt, der klären sollte, welchen Einfluss die genannten Komponenten im Futter bzw. im Boden auf die resultierenden PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte im Hühnerei haben. In Teilstudie 1 (zum Einfluss des Futters auf den Gehalt im Ei) erhielten insgesamt 88 Legehennen in Käfigen, die in verschiedene Versuchgruppen - inklusive einer Kontrollgruppe - eingeteilt waren Legehennenalleinfutter mit jeweils unterschiedlichen Gehalten an PCDD/F, dl-PCB und Indikator-PCB. In der 56-tägigen Anfütterungsphase erhielten die Tiere pelletierte Futtermittel im Bereich der Hintergrundbelastung (WHOPCDD/F-PCB-TEQ: 0,04 ng/kg 88%TM) bis etwa zum 5-fachen des PCDD/F-Höchstgehalts (European Commission, 2006a). Im Anschluss daran bekamen 26 Tiere aus der höchstdotierten Guppe weitere 56 Tage nur noch (unkontaminiertes) Legehennenalleinfutter im Bereich der Hintergrundbelastung, um so im Rahmen einer Zeitreihe die Abnahme der PCDD/F-, dl-PCB- und Indikator PCB-Gehalte in den Eiern verfolgen zu können. Durch Umrechnung der in der niederländischen Publikation aufgelisteten Carry over–Raten (CoR) in Carry over Faktoren (CoF) lässt sich zeigen, dass die von der Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ in einem ausschließlich mit Indikator PCB durchführten Carry over-Tierversuch in den 1990er Jahren gute Übereinstimmung aufweisen. Sowohl die im niederländischen Versuch ermittelten CoR als auch die nachträglich aus den Versuchsdaten errechneten CoF machen deutlich, dass viele dl-PCB-Kongenere offensichtlich stärker in den Eiern akkumulieren als die meisten PCDD/F-Kongenere. In Teilstudie 2 (zum Einfluss des Bodens auf den Gehalt im Ei) wurden dem unkontaminiertem Legehennenfutter zwei unterschiedliche Böden in Anteilen von jeweils 10% zugemischt, um sicherzustellen, dass die Aufnahme der unerwünschten Stoffe hauptsächlich aus den zugefügten Bodenanteilen stammte. Dieser Versuchsteil wurde mit insgesamt 35 Legehennen in Käfighaltung durchgeführt. Im Futter mit Bodenanteil A betrug der WHO-PCDD/F-TEQ 0,44 ng/kg, im Futter mit Bodenanteil B 0,35 ng/kg. In den Eiern der Tiere, die unkontaminiertes Futter mit 10% Bodenanteil B erhielten, lag der WHOPCDD/F-TEQ zwischen 1,2 und 1,6 ng/kg Fett. Die Fütterung mit 10%igem Bodenanteil A führte zu Ei-Gehalten von 2,5 – 3 ng WHO-PCDD/F -TEQ/kg Fett. Damit wurde der Höchstgehalt für die Stoffklasse der PCDD/F in Hühnereiern bereits erreicht. Mit diesem Versuch konnte bezüglich des Übergangs von PCDD/F und dl-PCB aus dem Futter in Hühnereier dokumentiert werden, dass der gegenwärtige Futtermittelhöchstgehalt von 0,75 ng WHO-PCDD/F-TEQ nicht sicherstellen kann, dass im Lebensmittel Ei Gehalte von 3 ng WHO-PCDD/F-TEQ (European Commission, 2006b) nicht überschritten werden. Die niederländische Forschergruppe schlägt daher vor, den PCDD/F-TEQ-Höchstgehalt im 62 Legehennenfutter um einen Faktor von 4 zu erniedrigen, damit der Höchstgehalt im Ei nicht mehr überschritten werden kann. In der „Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln“ wurden in insgesamt 54 Eiproben aus der Freilandhaltung untersucht. Der Mediangehalt des WHO-PCDD/F-Gehalt lag bei 0,18 ng/kg Fett. Die Streubreite der gemessenen Werte ist hier von allen untersuchten Haltungsformen am größten. Der Höchstgehalt von 3 ng WHO-PCDD/F-TEQ wurde von einer Probe (Bestandsgröße ca. 30 Tiere) überschritten. 6.3 Der Carry over von „Dioxin“ aus dem Futter in die Milch Als Größe für den Übergang von PCDD/F, dl-PCB, und Indikator PCB aus dem Futter in die Milch wird in der Literatur oft die Carry over-Rate (CoR) verwendet. Diese Größe schließt alle Vorgänge mit ein, die den Übergang von Inhaltsstoffen aus allen von der Kuh aufgenommenen Substraten in ausgeschiedene Substrate abbilden, beispielsweise aus allen Futterbestandteilen (inklusive Tränkewasser) in die Milch. Die CoR ist definiert als Quotient von „Stoffausscheidung über die Milch“ und der „Stoffaufnahme mit dem Futter“ und wird in Prozenten angegeben. Sie gibt den Anteil des aufgenommenen Stoffes (z.B. PCDD/F-, dlPCB-, Indikator-PCB-Kongener) pro Zeiteinheit an, der mit der Milch wieder ausgeschieden wird (Körner et al., 2007). Carry over-Raten von lipophilen chlororganischen Stoffen wurden in verschiedenen Arbeiten ermittelt (SCAN, 2000). Die Dauer einiger Tierversuche in der Literatur war aber nicht immer lang genug, um das notwendige Fließgleichgewicht zu erreichen. Ein Fließgleichgewicht stellt sich immer dann ein, wenn sowohl die Speicherkapazität des Systems (hier die Milchkuh) als auch jeder Fluss in das System hinein und aus dem System heraus zeitlich konstant bleiben. Je nach Kongener wird dieser Zustand nach 50 bis 70 Tagen erreicht (McLachlan, 1992). Mit den experimentell ermittelten CoR ist es möglich, die Konzentration der unerwünschten Stoffe unter Berücksichtigung der aufgenommenen Futtermenge und der abgegebenen Milchmenge zu berechnen. Voraussetzung ist dabei jedoch das schon angesprochene Vorliegen des Fließgleichgewichts im Tier. In Abbildung 3 sind die erhaltenen Carry over-Raten aus Experimenten mit Milchkühen aufgelistet, die diesen Vorgaben gehorchten. Während für das Kongener 2,3,7,8-TCDD im Mittelwert in den experimentellen Untersuchungen eine CoR von 35% festgestellt wurde, nahm diese mit zunehmendem Chlorierungsgrad ab und betrug betrug für Oktachlor-dibenzop-dioxin (OCDD) nur noch 4%. Für die untersuchten Indikator-PCB-Verbindungen 138, 153 und 180 ergeben sich im Mittel mit 57, 52 und 51 Prozent höhere CoR als für die PCDDKongenere. 63 Aus Gründen der Gesundheitsvorsorge wird in Deutschland eine tolerierbare tägliche Aufnahme von 1 pg WHO-PCDD/F-TEQ je kg Körpergewicht angestrebt. Dieser Wert wird auch von der WHO als Zielwert angestrebt. Für einen 70 kg schweren Menschen, der täglich 50g Milchfett verzehrt, würde das eine erlaubte Aufnahme von 700 pg WHO-PCDD/FTEQ/kg Milchfett bedeuten. Unter den Annahmen, dass eine Kuh etwa 1 kg Milchfett pro Tag mit der vorgebenen erlaubten PCDD/F-Ausscheidung produziert, die gemittelte Carry overRate 35% beträgt und das Tier 17,5 kg pro Tag Futtertrockenmasse aufnimmt, errechnet sich für die dann zulässige PCDD/F-Zielkonzentration im Futter einer Milchkuh ein Wert von 0,1 ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Trockenmasse (TM). Die Einhaltung dieses Werts in der Tagesration einer Milchkuh lässt erwarten, dass unter Berücksichtigung der tolerierbaren Aufnahme für die Belastung des Menschen und des daraus ableitbaren PCDD/F-Gehalts im Milchfett von Milchkühen die duldbaren täglichen Aufnahmemengen für die Stoffklasse der PCDD/F nicht überschritten werden (Richtlinie VDI 2310 Blatt 46). 7. Ausblick Carry over-Vorgänge mit PCDD, PCDF und dioxinähnlichen PCB sind sehr komplex. Zur Vermeidung von Lebensmittelkontaminationen ist daher eine möglichst umfassende Kenntnis der Carry over-Vorgänge dieser Substanzklassen unumgänglich. Bei den Dioxinen und PCB lässt sich – wie bei den meisten anderen ubiquitär durch Luftströmungen verteilten Stoffen – in den Lebensmitteln keine schlagartige Abnahme, sondern nur eine allmähliche erreichen. Um diese Abnahme zu erreichen, sind Maßnahmen zur Vermeidung oder Minimierung der Emissionen aus den Eintragsquellen nötig. Denn nur ein Rückgang der Emissionen führt zu einer Verringerung des Eintrags in die Futtermittel, was dann zu einem Kontaminationsrückgang in Nutztieren und den von ihnen stammenden Lebensmitteln führt. Unabhängig davon ist weiterhin alles Erdenkliche zur Schließung erkannter Sekundärkontaminations-Eintragsquellen zu unternehmen, damit dem Verbraucher Schlagzeilen wie die eingangs zitierte in Zukunft möglichst erspart bleiben. 8. Literatur Van den Berg et.al., WHO 1998. Toxic Equivalency Factors (TEFs) for PCBs, PCDDs, PCDFs for Humans and Wildlife. Environmental Health Perspectives 106 (1998) 12, pp. 775-791 Breivik K., Sweetman A., Pacyna J.M., Jones K.C, 2002. Towards a global historical emission inventory for selcted PCB congeners – a mass balance approach 1. Global production and consumption. The Science of the Total Environment 290, pp. 181-198 EPA (US Environmental Protection Agency), 2003. Non-dioxin-like PCBs: effects and consideration in ecological risk assessment. http://www.epa.gov/oswer/riskassessment/pdf/1340-erasc-003.pdf European Commission, 2006a. EU Directive 2006/13/EC of 3 February 2006 amending Annexes I and II to Directive 2002/32/EC of the European Parliament and of the Council on undesirable substances in animal feed as regards dioxin and dioxin-like PCBs. 64 European Commission, 2006b. EU Commission Regulation (EC) No 1881/2006 of 19 December setting maximum levels for certain contaminants in foodstuffs. Fernandes, A.R., Foxall C., Lovett A., Rose M., Dowding A., 2011. The assimilation of dioxins and PCBs in conventionally reared farm anuimals: Occurrence and biotransfer factors. Chemosphere 83 (2011), pp. 815-822 Hoogenboom L.A.P., Kan C.A., Zeilmaker M.J., van Eijkeren, J., Traag, W.A., 2006. Carryover of dioxins and PCBs from feed and soil to eggs at low contamination levels – influence of mycotoxin binders on the carry-over from fee to eggs. Food Additives and Contaminants 23 (2006), pp. 518-527 McLachlan M.S., 1992. Das Verhalten hydrophober chlororganischer verbindungen in laktierenden Rindern. Dissertation an der Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften, Universität Bayreuth (1992). Körner W., Kerst M., Waller U., Köhler J., van de Graaff, Schädel S.; 2007. Untersuchung und Bewertung von Proben aus verschiedenen Umweltkompartimenten auf PCDD/PCDF sowie PCB unter Berücksichtigung der neuen WHOToxizitätsäquivalentfaktoren. Abschlussbericht zum FuE-Projekt Nr.7000. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg (2007). Ruoff U., 1995. Untersuchungen zum Übergang ausgewählter polychlorierter Dibenzo-pdioxine und -Furane nach oraler Supplementierung in die Milch laktierender Kühe. Dissertation an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät, Universität Kiel (1995). SCAN, 2000. Scientific Committee on Animal Nutrition: Dioxin contamination of feedingstuffs and their contribution to the contamination of food of animal origin. http://ec.europa.eu/food/committees/scientific/out55_en.pdf Schwind, K.-H., Jira, W., Karl, H. Ruoff, U., Dänicke, S. (2009). Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Reihe A: Angewandte Wissenschaft Heft 522. UNEP (United Nations Environment Programme) 1993. Guidelines for the identification of PCBs and materials containing PCBs. Prepared by UNEP Chemicals. http://www.chem.unep.ch/pops/pdf/PCBident/pcbid1.pdf VDI 2310 Blatt46: Maximale Immissions-Werte für Dioxine zum Schutz der landwirtschaftlichen Nutztiere. Berlin Beuth Verlag (2005). 65 Strukturen und Eigenschaften der drei Stoffklassen des „Dioxins“ Abb.1 1 9 8 Zahl der Einzelverbindungen 3 O 6 4 Cl Dibenzo-p-dioxine 7 Kongenere 135 Kongenere 10 Kongenere 2 7 3 O 6 4 Cl Dibenzofurane 3 75 Kongenere 1 9 8 2’ 2 3’ 6 Cl 6’ 29 Kongenere (von 419) 4’ 4 5 Analytisch zu erfassen: 2 O 7 davon sind toxisch 5’ Polychlorierte Biphenyle 209 Kongenere dioxinähnliche PCB 12 Kongenere 66 Abb.2: Formel zur Berechnung des Toxizitätsäquivalents (TEQ) TEQ = Toxizitätsaquivalentkonzentration (z. B. in ng/kg) TEQ = Σi (TEF)i * ci TEF = Toxizitätsäquivalentfaktor des Kongeners i Ci = Konzentration des Kongeners i Alle Kongenerenkonzentrationen werden mit ihrem TEF multipliziert und die Gesamttoxizität durch Addition aller Produkte bestimmt. 67 Abb.3 Carry over-Raten (CoR) für PCDD- und PCB-Kongenere aus dem Futter in die Milch (entnommen aus Ruoff, 1995 und McLachlan, 1992) Quelle Verbindung 2,3,7,8-TCDD 1,2,3,7,8-PCDD zunehmender Chlorierungsgrad Olling Stevens (1991) 30 28 27 OCDD (1988) (1995) (1992) 40 35 36 14 32 (1991) (1993) 14 8 1,2,3,7,8,9-HxCDD 1,2,3,4,6,7,8-HpCDD McLachlan Tuinstra Heeschen 9 1,2,3,4,7,8-HxCDD 1,2,3,6,7,8-HxCDD Ruoff 2 3 4 PCB 138 78 23 71 PCB 153 63 18 75 PCB 180 63 21 68 68 Exposition der Verbraucher mit Dioxinen und PCB über Lebensmittel O. Lindtner, K. Blume, G. Heinemeyer Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin Einleitung Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat 2010 die Ergebnisse des Projektes „Lebensmittelbedingte Exposition gegenüber Umweltkontaminanten“ (LExUKon) veröffentlicht (Blume 2010). In diesem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) finanzierten Projekt wurden in Kooperation mit dem Forschungsund Beratungsinstitut für Gefahrstoffe GmbH (FoBiG) in Freiburg sowie dem Institut für Statistik der Universität Bremen standardisierte Methoden zur Auswertung von Verzehrsmengen sowie zur Kontamination von Lebensmitteln mit Umweltkontaminanten entwickelt und angewendet. Im Projekt wurden die Umweltkontaminanten Blei, Quecksilber, Cadmium, polychlorierte Dibenzo-(p-)dioxine und -furane (im folgenden „Dioxine“), dioxin-ähnliche polychlorierte Biphenyle (dl-PCB) und nicht-dioxin-ähnliche polychlorierte Biphenyle (ndlPCB), sowie die Lösungsmittel Trichlorethen, Tetrachlorethen und Trichlormethan betrachtet. Ziel des Projektes war es, die aktuelle Aufnahme von Umweltkontaminanten zu ermitteln. Dabei sollten die unterschiedlichen Präferenzen der Verbraucher bei der Auswahl von Lebensmitteln aufgrund individueller Lebensstile der Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigt werden. Insbesondere stand auch die Aufnahme der Lebensmittel im Fokus, für die ein Höchstgehalt festgesetzt ist. So war es aus methodischen Gesichtspunkten ein Ziel, ein Kategorisierungssystem für die Lebensmittel zu entwickeln, so dass eine Abbildung der Höchstgehaltskategorien und eine Extrapolation bei fehlenden Konzentrationsdaten möglich wird. Zudem sollte das Kategorisierungssystem flexibel genug sein für eine zukünftige Anpassung an die Höchstgehaltsverordnungen. Die im Projekt gewonnenen Ergebnisse zu Dioxinen und PCB sind aufgrund verschiedener Unsicherheiten als vorläufig zu bezeichnen. Diese Unsicherheiten sollen im Folgenden an Beispielen dargestellt und diskutiert werden. Datengrundlagen und Methodik Für die Ermittlung der durchschnittlichen Gehalte von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln wurden zunächst Daten des Lebensmittel-Monitoring (LM-M) verwendet, da diese innerhalb der Daten der systematischen amtlichen Lebensmittelüberwachung am ehesten die tat- 69 sächliche Variation des deutschen Marktes darstellen. Mit Hilfe des LM-M können Gefährdungen rechtzeitig erkannt und so früh wie möglich Maßnahmen zum Schutze des Verbrauchers eingeleitet werden (Schroeter et al. 1999). Es liegen im LM-M jedoch nicht genug Daten vor, um Dioxin- und PCB-Gehalte für die Fülle der verzehrten Lebensmittel abzuleiten. Ergänzend wurden deshalb Daten aus der nationalen Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs (BVL 2006) und Daten einer von 2001 bis 2006 durchgeführten Untersuchung des MRI zu Fischen und Fischereierzeugnissen(Karl et al. 2007) herangezogen. Des Weiteren wurden Daten aus der Dioxin-Datenbank (UBA 2007, http://www.pop-dioxindb.de) des Bundes und der Länder für im Zeitraum Januar 2000 bis April 2010 untersuchte Lebensmittel verwendet. Darüber hinaus wurden zur Schließung von verbleibenden Datenlücken Konzentrationsdaten für die Kontaminanten aus weiteren Literaturquellen genutzt. Trotzdem bleiben darüber hinaus Datenlücken zur Kontamination von Lebensmitteln mit Dioxinen und PCB bestehen. Das im Projekt entwickelte mehrstufige Kategorisierungssystem wurde genutzt, um fehlende Kontaminationswerte unter Nutzung botanischer bzw. zoologischer Ähnlichkeiten analog zum Core-Food-Prinzip (Pennington et al. 2002) zu übertragen. Zur Ermittlung der Verzehrshäufigkeiten und -mengen wurden die Daten der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II) verwendet (MRI 2008). Die NVS II wurde 2005/2006 vom Max Rubner-Institut durchgeführt und liefert Informationen zum Ernährungsverhalten von Jugendlichen und Erwachsenen (ca. 20.000) der deutsch sprechenden Bevölkerung in der Altersgruppe von 14-80 Jahren. Im Rahmen der NVS II wurden die drei Erhebungsmethoden „Dietary History“-Interview, 24-Stunden-Recall und Wiegeprotokolle angewendet. Zu Beginn des LExUKon-Projektes lagen bereits die Daten der „Dietary History“-Interviews vor und wurden demzufolge im Projekt verwendet. Die Daten wurden mit der Software DISHES (Diet Interview Software for Health Examination Studies, Mensink et al. 2001) erhoben und erfassen ausgehend vom Befragungszeitpunkt den üblichen durchschnittlichen Verzehr der letzten vier Wochen. Die Methode des „dietary history“ ist gut geeignet, die Exposition zur Bewertung chronischer Risiken von Umweltkontaminanten zu ermitteln. Die in der NVS II erfassten Lebensmittel wurden unter Verwendung des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) so erfasst und kodiert, wie sie üblicherweise verzehrt werden. Die meisten der verzehrten Lebensmittel sind dabei nicht als unverarbeitete aufgeschlüsselte Lebensmittel, sondern häufig als verarbeitete Einzellebensmittel bestehend aus mehreren Komponenten erfasst. Im Gegensatz dazu werden Höchstgehalte in den meisten Fällen für unverarbeitete Lebensmittel festgesetzt. Aus diesem Grund liegen auch die Messungen von Gehalten von Umweltkontaminanten nur in Einzelfällen für verzehrsfertige Lebensmittel vor. Deshalb wurden alle Lebensmittel der Verzehrsstudie unter Nutzung von Rezepturen und Ausbeutefaktoren auf Ihre unverarbeiteten Ausgangsprodukte 70 zurückgerechnet. Diese wurden dann mit den Gehaltsdaten multipliziert und für die Expositionsschätzung genutzt. Ergebnisse und Diskussion Tabelle 1 zeigt die im Projekt berechnete wöchentliche Exposition mit Dioxinen und PCB. Die angegebenen Spannen gelten jeweils für Durchschnittsverzehrer und geben den Bereich zwischen dem lower-bound (alle Werte unter der Bestimmungsgrenze werden null gesetzt) und upper-bound-Ansatz (alle Werte unter der Bestimmungsgrenze werden gleich der Bestimmungsgrenze gesetzt) an. Tabelle 1: Vorläufige Schätzung der Dioxin-Aufnahme der deutschen erwachsenen Bevölkerung nach Blume et al. 2010 WHO-PCDD/F- WHO-PCDD/F- Ausschöpfung des TWI von 14 pg/kg TEQ 1998 PCB-TEQ 1998 KG/ Woche (SCF, 2001) 2,7-5,1 12,7-16,9 90-121 % Aufnahme pro Woche [pg/kg KG] (lower bound – upper bound) Abbildung 1 zeigt die Unterschiede der Exposition in verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Bei den Altersgruppen sind nur die Altersgruppe mit der höchsten (14-18 Jahre) und mit der niedrigsten Aufnahme (65-80 Jahre) dargestellt. Abbildung 1: Durchschnittliche Dioxin-Aufnahme nach Geschlecht, für ausgewählte Altersgruppen und Vegetarier (entnommen Blume et al. 2010) Wie in Abbildung 2 dargestellt, leisten die Lebensmittelgruppen Milchprodukte, Fleisch und Fisch den größten Beitrag zur Exposition. 71 Abbildung 2: Beitrag verschiedener Lebensmittelgruppen zur durchschnittlichen Dioxin-Aufnahme (entnommen Blume et al. 2010) * Der Beitrag von „Ei“ ist mit höherer Unsicherheit verbunden und stellt vermutlich eine Überschätzung dar Zum Vergleich der im LExUKon-Projekt durchgeführten Aufnahmeschätzungen wurden diese mit Schätzungen anderer Länder bzw. in Deutschland aus dem Jahr 2003 verglichen (siehe Tabelle 2). Demnach ergibt sich, dass die in Deutschland geschätzten Aufnahmen für PCDD/F und die Summe aus PCDD/F und dl-PCB TEQ WHO 1998 im Bereich anderer Studien liegen. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass alle vergleichbaren Aufnahmeschätzungen mit Gehaltsdaten vor 2004 erfolgten und ein abnehmender Trend zu erwarten gewesen wäre, der sich insbesondere im Vergleich zu den 2003 in Deutschland ermittelten Schätzungen nicht erkennen lässt. Tabelle 2: Vergleich der Schätzung der PCDD/F bzw. PCDD/F+dl-PCB-Aufnahme der Durchschnittsverzehrer mit Abschätzungen anderer Länder (entnommen Schwarz et al. 2010). Soweit nicht anders vermerkt, sind die upper bound-Werte angegeben. Die Jahreszahlen beziehen sich auf die zugrunde gelegten Belastungswerte. D D BfR LExUKon UK Katalonien, (2000(2000-2009) Lower-Bound – Finnland Spanien TDS 2003, Niederlande Frank- (1998-1999) reich 40-Jährige (2001- Lower-Bound 2004) 0,6 0,5 1,1 1,8 Tarragona, Spanien (2000) Spanien (2002) (1997-1999) (2000-2003) (2001) Medium-Bound Medium-Bound medium Upper-Bound bound) PCDD/F TEQ WHO 1998 [pg/kg KG pro Tag] 0,4 - 0,7 0,7 0,4 0,8 1,4 1,5 1,0 PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 [pg/kg KG pro Tag] 1,8 - 2,4 2,0 0,9 1,5 3,2 -- -- In der zweiten französischen Total Diet Study (TDS) liegen die Werte für Erwachsene bei bis zu 0,6 pg PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 pro kg KG und Tag für den Durchschnittsverzehrer. Für Kinder ergibt sich eine durchschnittliche Aufnahme von bis zu 0,9 pg PCDD/F+dl-PCB TEQ WHO 1998 pro kg KG und Tag (Sirot 2011). Dabei ist einschränkend 72 anzumerken, dass es sich hier um medium-bound-Schätzungen handelt und die Gruppe Obst/ Gemüse nicht in die Schätzung einbezogen wurde. Dennoch liegen die Werte deutlich unter denen für Deutschland ermittelten Werten. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Unterschiede zu einem nicht unerheblichen Teil auf methodische Unterschiede zwischen Verwendung von TDS-Daten und Überwachungsdaten zurückzuführen sind. Aufgrund dessen, dass die am höchsten exponierten Erwachsenen und Kinder teilweise in Höhe oder über dem TWI liegen, wird von den Koordinatoren der zweiten französischen TDS geschlussfolgert, dass Risiken nicht ausgeschlossen werden können und Anstrengungen nötig sind, die Exposition zu reduzieren (ANSES 2011). Wie bereits Tabelle 1 zu entnehmen ist, ergibt sich eine erhebliche Unsicherheit aus den nicht bestimmbaren bzw. nicht nachweisbaren Werten. So liegt die Upper Bound-Schätzung der Aufnahme von PCDD/F+dlPCB 33% über der Lower Bound-Schätzung, für PCDD/F sogar 89% darüber. Insbesondere Lebensmittel nicht-tierischen Ursprungs werden bei der UpperBound-Methode voraussichtlich stark überschätzt. Zudem ist festzustellen, dass es starke Unterschiede in Bestimmungsgrenzen einzelner Labors gibt und die berichteten Bestimmungsgrenzen teilweise relativ hoch und gleich mit den mindest einzuhaltenden Bestimmungsgrenzen im Lebensmittel-Monitoring sind. Neben den in der Bereichsschätzung bereits berücksichtigten Unsicherheiten bei nicht bestimmbaren Werten ergeben sich die Unsicherheiten im Wesentlichen aufgrund einer als unzureichend einzustufenden Datenlage bei den Gehaltsdaten. Eine Unsicherheit erwächst daraus, einen geeigneten Kompromiss zwischen der Aktualität der einbezogenen Gehaltsdaten und der mit Gehaltsdaten belegten Lebensmittelgruppen zu finden. Da es generell weniger aktuelle Daten gibt, als zu Projektbeginn erwartet wurde, würde eine zu enge zeitliche Eingrenzung dazu führen, dass für zu viele LM-Gruppen, keine Belastung angegeben werden kann. Darüber hinaus wurde bei der Entscheidung, Daten ab 2000 einzubeziehen berücksichtigt, dass es eine klare Abnahme der Dioxin-Gehalte bis 2000 gab, danach jedoch kein einheitliches Bild in den Trends zu erkennen ist oder die Abnahme zumindest wesentlich weniger rapide erfolgte (CVUA 2007, LAVES 2006). Basierend auf der 3. Auswertung der Dioxindatenbank des BVL vom 16.12.2010 (BVL 2010) wurden alle Lebensmittelgruppen auf Trends untersucht, für die mindestens 10 Proben in 2 Beobachtungszeiträumen nach 2000 verfügbar waren. Die Beobachtungszeiträume sind gruppiert in 1990-1994, 1995-1999, 2000-2004, 2005-2009 und 2010. Die Analyse der Trends erfolgte auf Basis der Mittelwertvergleiche unter der Berücksichtigung der 95%Konfidenzintervalle getrennt für die Summe PCDD/F und die Summe dlPCB jeweils nach WHO TEQ 1998. Beispielhaft sind in Abbildung 3 und Abbildung 4 die Ergebnisse dargestellt. Demnach ergibt sich bei den Dioxinen und Furanen ein signifikanter Trend nach 73 2000 lediglich für Flussaal. Für alle anderen Lebensmittel ergibt sich ein Kurvenverlauf in der Art von Milch und Butter, bei dem ein zum Teil deutlicher Rückgang der Konzentrationen bis 2000 ersichtlich ist, danach jedoch der Rückgang wesentlich geringer ausfällt (Butter) oder sogar ein Anstieg zu verzeichnen ist (Milch), der aber nicht mehr signifikant ist. Zu den nicht dargestellten Lebensmitteln mit einem leichten Anstieg nach 2000 gehören neben Milch „Fleisch und Fleischerzeugnisse von Geflügel“, „Hühnereier aus Käfighaltung“, „Hühnereier erzeugt nach Ökoverordnung“ und „Wildschweinfett“. Zu den Lebensmitteln mit einem leichten nicht signifikanten Rückgang der Gehalte nach 2000 gehören neben Butter „Fleisch und Fleischerzeugnisse vom Schwein“, „Hühnereier aus Freilandhaltung“ und „Fett von Rind und Schaf“. Für „Fleisch und Fleischerzeugnisse vom Rind“ zeigt sich kein einheitliches Bild. Nach einem nicht signifikanten Rückgang bis 1995, erfolgte ein leichter Anstieg bis 2000 mit einem erneuten Abfall auf das Niveau von 1995. Keiner der Unterschiede in den Mittelwerten ist auf dem 95%-Niveau signifikant. „Eier aus Bodenhaltung“ wiesen ein konstantes Niveau vor 2000 mit einem leichten nicht signifikanten Rückgang nach 2000 aus. Alle anderen Lebensmittelgruppen konnten entweder aufgrund der zu geringen Probenzahlen nicht berücksichtigt werden, oder weil die Lebensmittelgruppe zu unspezifisch war (z.B. „Obst und Gemüse“, „Seefische“). Bei unspezifischen Lebensmittelgruppen kann ein möglicherweise sichtbarer Trend nicht eindeutig interpretiert und auf sinkende Gehalte zurückgeschlossen werden, da die Ursache für Mittelwertunterschiede auch über die Jahre verschieden beprobte Spezies sein können. 74 Fleisch, Rind PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] Flussaal PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Frischgewicht] 9,0 8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 1990-1994 1995-1999 2000-2004 2005-2009 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1990-1994 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1990-1994 1995-1995 2000-2004 2005-2009 2000-2004 2005-2009 Butter PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] PCDD/F WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] Milch 1995-1999 2000-2004 2005-2009 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 1990-1994 1995-1999 Abbildung 3: Veränderung der Mittelwerte der Summe der PCDD/F Gehalte (nach WHO-TEQ 1998) und zugehörigen 95%-Konfidenzintervalle über verschiedene Zeiträume für ausgewählte Lebensmittel Butter 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 2000-2004 2005-2009 2010-2010 dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] Milch 1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 2000-2004 Wildschweinfett 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 2000-2004 2005-2009 dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] dlPCB WHO-TEQ 1998 [pg/g Fett] Hühnereier, Käfighaltung 2005-2009 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 2000-2004 2005-2009 Abbildung 4: Veränderung der Mittelwerte der Summe der dlPCB Gehalte (nach WHO-TEQ 1998) und zugehörigen 95%-Konfidenzintervalle über verschiedene Zeiträume für ausgewählte Lebensmittel 75 Die Vorläufigkeit der Schätzung ist auch damit begründet, dass nicht alle verfügbaren Daten einfließen konnten, da insbesondere Daten der Nationalen Statuserhebung (BMEL 2009) außer für Fisch nicht als Einzeldaten zur weiteren Analyse vorlagen, aber nach Einschätzung eine wesentliche Verbesserung der Schätzung ermöglichen würden. Eine weitere Unsicherheit konnte darin identifiziert werden, dass aufgrund der hohen Variabilität der Dioxingehalte in einigen Lebensmitteln (z. B. Eiern) die Anzahl verfügbarer Proben oft nicht genügt, eine robuste Schätzung der Gehalte im Lebensmittel abzuleiten. In diesem Zusammenhang ist eine weitere Quelle für Unsicherheiten darin zu sehen, dass für einige Lebensmittel nicht nach Untergruppen unterteilt werden konnte, die offensichtlich abweichende Belastungen aufweisen (Bsp. Betriebsgröße und Haltungsform der Legebetriebe). Resultierend aus dieser Unsicherheitsanalyse ist festzustellen, dass weitere Daten über das Vorkommen von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln es ermöglichen würden, einige der wichtigen Unsicherheiten deutlich zu reduzieren. Abbildung 5 stellt beispielhaft die Verteilung der im Lebensmittel-Monitoring vorliegenden Werte von Eiern dar. Diese empirische Verteilung deutet darauf hin, dass es sich nicht um eine unimodale homogene Verteilung handelt, sondern dass von übereinanderliegenden Verteilungen mit unterschiedlichen Mittelwerten und Varianzen ausgegangen werden muss. Dies wird durch die oben durchgeführten Auswertungen der Dioxindatenbank, sowie durch Auswertungen des BVL und der Nationalen Statuserhebung untermauert, nach denen es Hinweise darauf gibt, dass Eier aus Freilandhaltung und kleineren Betrieben höhere Gehalt an PCDD/F bzw. dlPCB aufweisen, als Eier aus größeren Betrieben und Bodenhaltung (BVL 2009, BMELV 2009). Insgesamt lagen im LM-M zwei von 34 Proben oberhalb des Höchstgehaltes und mussten beanstandet werden. Das Problem der hohen Variabilität zeigt sich auch darin, dass abgesehen von diesen beiden Überschreitungen ca. 70% der Proben unterhalb des halben Höchstgehaltes liegen, allerdings liegen auch deutlich mehr Proben als beispielsweise bei Milch in der Nähe des Höchstgehaltes. Eine der beiden Proben, die den Höchstgehalt überschreiten lag mit 7 pg/g Fett nur leicht über dem Höchstgehalt, die andere Probe mit 262 pg/g Fett um ein Vielfaches darüber. Entsprechend des Berichtes des BVL (2009) stammt diese Probe aus Freilandhaltung und deutet auf eine auf diesen Einzelfall beschränkte besonders hohe Kontamination mit dl-PCB hin. Dieser Wert ist auch in der Dioxindatenbank enthalten, dort aber nur einer von 598 erfassten Gehalte für Eier, so dass dessen Einfluss auf die Mittelwertschätzung stark relativiert wird. Durch Verwendung des mittleren Gehaltes aus der Dioxindatenbank anstelle des LM-M wird aus dem abgeschätzten Bereich von 12,7-16,9 der Bereich 10,8–14,9 pg/kg Körpergewicht pro Woche für die Gesamtaufnahme PCDD/F-dlPCB nach WHO TEQ von 1998. Allerdings ist unklar, inwieweit die in der Dioxindatenbank enthaltenen Lebensmittel repräsentativ für den deutschen Markt sind und dort marktäquivalente Anteile der verschiedenen Haltungsformen (Boden- oder Freilandhaltung 76 bzw. ökologische oder konventionellen Tierhaltung), Betriebsgrößen, Anteil Import, Export im Verhältnis zu deutscher Produktion abgebildet sind. Die Ergebnisse verdeutlichen jedoch, dass die diskutierten Einflussfaktoren bei der zukünftigen Datenerhebung berücksichtigt werden sollten. Höchstgehalt 35% 30% Anteil 25% 20% 15% 10% 5% 0% 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 größer Abbildung 5: Gehalte in Eiern im Lebensmittel-Monitoring 2007/ 2008 berechnet als WHO-PCDD/F+dl-PCB-TEQ nach upper-bound-Methode in pg/g Fett (n=34) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorläufigkeit der im LExUKon-Projekt für die Dioxin- und PCB-Aufnahme präsentierten Ergebnisse dadurch begründet ist, dass: die Datenlage schlechter ist als erwartet und nicht alle verfügbaren Datenquellen einfließen konnten, die Unsicherheiten durch die nicht analytisch bestimmbaren/ nachweisbaren Werte relativ hoch ist, die Variabilität der Gehalte aufgrund unzureichender Daten nicht immer adäquat in der Schätzung berücksichtigt werden konnte und vermutete Einflussfaktoren für die Gehalte bei der Datengewinnung nicht ausreichend berücksichtigt werden konnten. Sowohl die Anzahl untersuchter Lebensmittel-Gruppen muss zukünftig erweitert werden, als auch die Anzahl Proben pro Lebensmittelgruppe. Ziel muss es sein, für einen Zeitraum in dem keine relevanten Trends ersichtlich sind, ein breites Spektrum der Lebensmittelpalette mit ausreichender Probenzahl zu untersuchen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Ansatz einer 77 TDS, wie beispielsweise in Frankreich durchgeführt, eine kostengünstigere Alternative dar, um die mittlere Hintergrundbelastung zu ermitteln. Es hat sich gezeigt, dass die Dioxindatenbank eine wichtige Datengrundlage für Expositionsschätzungen darstellt. Allerdings ist die Information je untersuchte Probe in vielen Fällen lückenhaft dokumentiert und nicht über das Internetportal abrufbar. Auch wenn eine Verringerung der Unsicherheiten durch Werte unter der Nachweis-/ Bestimmungsgrenze unbedingt anzustreben ist, lässt sich im Ergebnis sagen, dass sich auch unter Berücksichtigung der Unsicherheiten durch Werte unter der Nachweisgrenze, unzureichende Fallzahlen und Ausreißern in den Gehaltsdaten für Deutschland eine analoge Schlussfolgerung ziehen lässt, wie aus der zweiten französischen TDS. Risiken können für einige Verbrauchergruppen nicht ausgeschlossen werden und es sind weitere Anstrengungen nötig, um die Dioxin- und PCB-Aufnahme zu reduzieren. Die im Vergleich zu früheren Schätzungen erwartete Abnahme der Dioxin- und PCBAufnahme konnte nicht bestätigt werden. Allerdings ließen sich auch nicht die erwarteten Trends bei den Gehalten an Dioxinen und PCB in Lebensmitteln nachweisen. Die untersuchten Trends weisen nicht in eine eindeutige Richtung. Bei den Lebensmitteln, für die ein Abwärtstrend zu erkennen ist, verläuft dieser seit 2000 deutlich flacher als zuvor, so dass fraglich ist, ob die erwartete signifikante Abnahme der Dioxin- und PCB-Aufnahme realistisch ist. Eine Überschätzung, die aus dem Einbeziehen von Gehaltsmessungen im Zeitraum 2000-2009 resultieren könnte, ist somit als gering anzusehen und kann akzeptiert werden, wenn man berücksichtigt, dass bei Beschränkung auf kleinere Zeitspannen die Gefahr einer Unterschätzung bestehen würde. Darüber hinaus hat sich im Projekt gezeigt, dass Lebensmittel mit geringen Belastungen aber hohem Verzehr einen hohen Einfluss auf die Gesamtexposition haben, so dass zur Verringerung der Unsicherheiten der Expositionsschätzung gerade hier eine Verbesserung der Datenlage anzustreben ist, auch wenn nicht mit Höchstgehaltsüberschreitungen zu rechnen ist. Derzeit fehlen analoge Expositionsschätzungen für Kinder in Deutschland, die jedoch unter Beachtung der höheren Aufnahme in der zweiten französischen TDS unbedingt noch ermittelt werden sollte. Um die Unsicherheiten zu reduzieren und von einer vorläufigen Schätzung zu einer verfeinerten Abschätzung zu gelangen, sollten in einem nächsten Schritt die Daten aus der Statuserhebung für Fleisch, Milch und Ei eingebunden werden. Langfristig wäre die Durchführung einer TDS in Deutschland wünschenswert, die auch für Dioxine und PCB in 78 einem zeitlich eng umrissenen Rahmen Hintergrundkonzentrationen für eine breite Lebensmittelpalette zur Verfügung stellt. Referenzen ANSES (2011): Total Diet Study 2 (TDS 2) - Opinion of the French Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety. ANSES Request no. 2006-SA0361. 21. Juni 2011. online: http://www.anses.fr/Documents/PASER2006sa0361EN.pdf Blume K., Lindtner O., Schneider K., Schwarz M., Heinemeyer G. (2010) Aufnahme von Umweltkontaminanten über Lebensmittel: Cadmium, Blei, Quecksilber, Dioxine und PCB; Informationsbroschüre des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (Download unter: http://www.bfr.bund.de/cm/350/aufnahme_von_umweltkontaminanten_ueber_lebens mittel.pdf) BMELV, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2009): Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter-und vom Tier stammenden Lebensmitteln. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Reihe A: Angewandte Wissenschaft, Heft 522. Verlagsgesellschaft W.E. Weinmann e.K., Filderstadt BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2006): Nationale Statuserhebung von Dioxinen und PCB in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs 2004/2005. BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2009): Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2008. Lebensmittel-Monitoring. Gemeinsamer Bericht des Bundes und der Länder. Birkhäuser Verlag Basel - Boston – Berlin BVL, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2010): 3. Auswertung zu Dioxinen und PCB in Lebensmitteln. Interner Report vom 16.10.2010. CVUA, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (2007). Jahresbericht 2007. Freiburg online: http://www.ua-bw.de/uploaddoc/cvuafr/fr_jb_2007.pdf Karl, H.; Ruoff, U. (2007) Polychlorierte Dibenzodioxine und – furane, dioxinähnliche PCB und Indikator-PCB in Fischen und Fischereierzeugnissen auf dem deutschen Markt. Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, BFEL, 2007. Online: http://www.mri.bund.de/de/veroeffentlichungen/archiv/2007.html, Druckdatum April 2010 LAVES, Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2006) Tätigkeiten und Untersuchungsergebnisse des LAVES. Oldenburg. Online http://www.laves.niedersachsen.de/portal/live.php?&article_id=73532&navigation_id =20150&_psmand=23 Max Rubner-Institut (MRI) 2008, Nationale Verzehrsstudie II (NVS II), Ergebnisbericht 1, 2. online: http://www.was-esse-ich.de Mensink GBM, Haftenberger M, Thamm M (2001): Validity of DISHES 98, a computerized dietary history interview: energy and macronutrient intake, European Journal of Clinical Nutrition 55: 409-417. UBA (2007): Dioxine. Daten aus Deutschland. Dioxin-Referenzmessprogramm. 5. Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgruppe DIOXINE. online: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3328.pdf Dessau -Rosslau Pennington JA, Hernandez TB (2002): Core foods of the US food supply, Food Additives and Contaminants, 2002, Vol. 19, No. 3: 246-271, Taylor&Francis. 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Gäth, Justus-Liebig-Universität Gießen 1. Einleitung Die Aufmerksamkeit gegenüber Perfluorierten Tensiden (PFT)1 und deren Verhalten in der Umwelt hat in den letzten Jahren durch neue und verbesserte Nachweismethoden sowie gravierende Umweltskandale zugenommen. Mittlerweile konnten PFT in verschiedenen, stichprobenartig gewonnenen Tier- und Pflanzenproben nachgewiesen werden. Eine systematische Deutung des Verhaltens der PFT in der Umwelt ist daraus allerdings nur eingeschränkt möglich. Die einzelnen Nachweise von PFT in Umweltproben und das zunehmende Interesse an dieser Stoffgruppe in der Gesellschaft erinnern an die Entwicklungen des Kenntnisstandes über Dioxine und (dioxinähnlichen) PCB. Auch bei diesen umweltrelevanten Stoffgruppen wurde durch verschiedene systematische Untersuchungsprogramme der Erkenntnisstand schrittweise vorangetrieben. Im Jahr 2009 wurde der Abschlussbericht „Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln“ vorgelegt, dessen Untersuchungen den Zeitraum 2004-2008 umfassen. Die in diesem, vom BMELV geförderten Verbundvorhaben gewonnenen Proben sind dahingehend wertvoll, da sie zum einen ein breites Spektrum unterschiedlicher Herkünfte und Produktionsbedingungen abbilden, zum anderen ausreichend dokumentiert und archiviert sind. Vor diesem Hintergrund war es das Ziel des abgeschlossenen BMELV-Vorhabens, die im Dioxin- bzw. PCB-Untersuchungsprogramm gewonnenen und untersuchten Proben auf die (neue) Stoffgruppe der PFT zu untersuchen. Mit diesen Proben soll die Belastung der Futter- und vom Tier stammenden Lebensmittel mit PFT besser abgeschätzt und der hierzu bisher nur in geringem Maße vorhandene Datensatz 1 Im vorliegenden Abschlußbericht wird für diese Stoffgruppe das Kürzel PFT verwendet. Im internationalen Sprachgebrauch lautet das Kürzel PFC (Perfluorinated Compounds). 81 ergänzt werden. Außerdem soll geprüft werden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Dioxin- bzw. PCB-Status und der PFT-Belastung gibt. 1.2 Stand der Forschung Organische Fluorverbindungen finden seit mehr als 50 Jahren in allen Lebensbereichen unserer Zivilisationsgesellschaft und insbesondere in den letzten 25 Jahren zunehmende Anwendung (Houde et al., 2006, Paul et al., 2009). Neben dem Gebrauch als Feuerlöschmittel, dem vielfältigen Einsatz in der Industrie oder als Bestandteil von pharmazeutischen Wirkstoffen ist der weitreichende Einsatz der mehrfach fluorierten Tenside (Perfluorierte Tenside – PFT) von großer Bedeutung. Sie sind Bestandteil von Chemikalien, die zur Verpackung von Lebensmitteln, zur Imprägnierung von Möbeln, Teppichen und Bekleidung einschließlich Schuhen eingesetzt werden. Der fluorierte Kunststoff PTFE (Polytetrafluorethylen; Handelsname Teflon®) ist als Pfannen- oder Topfbeschichtung in privaten Haushalten weit verbreitet. Bei der Produktion von Teflon® werden PFT eingesetzt; ob diese ggf. bei regelmäßiger Verwendung Teflon®-beschichteter Haushaltsgeräte teilweise wieder freigesetzt werden können, wird zurzeit diskutiert. PFT sind chemisch sehr stabil und biologisch kaum abbaubar, was ihnen die Eigenschaft einer persistenten Substanzklasse verleiht. Durch ihren niedrigen Dampfdruck (geringe Flüchtigkeit) und ihren amphiphilen Charakter können die PFT zudem bioakkumulieren und unterliegen auch der Biomagnifikation (Fromme et al., 2007). PFT wurden in Gewässern, tierischen Organismen, Trinkwasser, Lebensmitteln sowie in menschlichem Blut und in Frauenmilch nachgewiesen und können als allgegenwärtige - ubiquitäre - Schadstoffe bezeichnet werden (Fricke und Lahl, 2005). Aus Untersuchungen bestimmter Lebensmittel und Futtermittel geht hervor, dass sich PFT in Organen von Wildtieren (Leber) anreichert. Untersuchungen an Tieren haben gezeigt, dass perfluorierte Tenside (PFT) in hohen Dosen Gesundheitsschäden, z. B. Leberkrebs bei Ratten, hervorrufen können (Stahl et al., 2007; Fricke und Lahl, 2006). Perfluoroctansäure (PFOA –perfluorooctanic acid) und die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS – perfluorooctanic sulfonate) werden als Leitparameter der PFT betrachtet. Die Strukturformeln einiger wichtiger perfluorierter Substanzen sind in Abbildung 1 skizziert. PFOS kann im Blutserum von Menschen mit und ohne berufsbedingte Exposition bis in den Bereich von wenigen mg L-1 nachgewiesen werden (Umweltbundesamt, 2004). Zu Konzen- 82 trationen von PFOA im Menschen gibt es bis heute weniger Daten verglichen mit PFOS. Über die Umweltprobenbank des Bundes konnten Belastungen im Blutplasma junger, nicht spezifisch exponierter Probanden in Form von PFOS-Konzentrationen von 5,5−104 ng mL-1 und PFOA-Konzentrationen von 1,4−57,7 ng mL-1 ermittelt werden (Umweltbundesamt, 2004). Aus jüngsten Untersuchungen liegen mittlerweile Daten aus Deutschland und verschiedenen anderen Ländern zur inneren PFT-Belastung der Allgemeinbevölkerung vor. Diese Daten erlauben die Ableitung von Referenzwerten für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) in Humanblut. Die Belastungssituation in Europa stellt sich recht homogen dar. In Deutschland, Belgien und Schweden liegen die mittleren PFOS-Konzentrationen zwischen etwa 10 und 34 μg/L. Die niedrigsten Werte wurden in Italien in einem regional sehr begrenzten Gebiet registriert (um 4 μg/L). Die höchsten mittleren PFOSKonzentrationen wurden in Blutproben eines polnischen Kollektivs gemessen. Ein ähnliches Bild auf etwas niedrigerem Niveau ergibt sich für die Belastungssituation mit PFOA. Die höchsten Konzentrationen werden in Industrienationen registriert (Umweltbundesamt, 2009). Entgegen vieler anderer so genannter „Neuer Schadstoffe“, die häufig in Umweltproben, jedoch seltener in Humanproben festgestellt werden, liegt bezüglich der vorgenannten verschiedenen fluorierten Tenside eine hohe Exposition des Menschen vor. Da auch nicht unmittelbar exponierte Personen eine Hintergrundbelastung mit diesen Stoffen aufweisen, gilt es, deren Aufnahme über die verschiedenen Pfade abzuschätzen. 83 Abbildung 1: Strukturformeln einiger perfluorierter Substanzen. (A): Perfluorooctansulfonate (PFOS) (B): Perfluorooctanoat (PFOA) (C): 1-Hydroxyethan-2-perfluoroctanol (8:2 FTOH) (D): N-Ethyl Perfluoroctan sulfonamidothanol (NEtFOSE) (E): N-Ethyl Perfluoroctan sulfonamid (NEtFOSA). (aus Fromme et al., 2009). PFOA und PFOS bioakkumulieren sowohl in aquatischen als auch in terrestrischen Lebewesen: Sie werden nach oraler Aufnahme schnell resorbiert, werden langsam und in geringen Mengen ausgeschieden und reichern sich im Organismus an. Für den menschlichen Körper wird von einer Halbwertzeit für PFOS und PFOA von etwa 4,5 Jahren ausgegangen. Im Rahmen des Humanbiomonitorings konnten die Substanzen im menschlichen Vollblut sowie in Serum, Plasma und in Frauenmilch nachgewiesen werden (Stahl und Brunn, 2009). Da die inhalative und die dermale Aufnahme von PFOA und PFOS nach derzeitigem Kenntnisstand von untergeordneter Bedeutung sind, geht man davon aus, dass deren Aufnahme über Nahrungsmittel einschließlich des Trinkwassers der Hauptaufnahmepfad ist (Fromme et al., 2009). Bestätigt wird diese Annahme durch die Untersuchung von Tittlemeier et al. (2007), die eine gesamte Tagesaufnahme von 410 ng für perfluorierte Carboxylsäuren und PFOS abschätzen, wobei hierbei 250 ng auf den Nahrungsmittelverzehr zurückzuführen sind (Tittlemeier et al., 2007). Ericson et al. (2008) konstatierten aufgrund einer Studie in 84 Katalonien, Spanien, dass Trinkwasser in manchen Fällen eine ähnlich hohe Bedeutung als Expositionspfad wie die Nahrungsmittelaufnahme haben kann. 2. Material und Methoden 2.1 Bestimmung von PFT in Lebensmitteln Die PFT werden durch Extraktion mit einem Acetonitril-Wasser-Gemisch aus der Probe gelöst und über Festphasenextraktion isoliert. Die Bestimmung erfolgt anschließend nach der Methode des internen Standards durch HPLC –Tandem - Massenspektrometrie. Flüssig-Extraktion Ca. 1,0 g der homogenisierten Probe wird genau in ein 20 ml Kunststoff-Zentrifugenröhrchen eingewogen und mit 2.0 ml dest. Wasser, 2.0 ml Acetonitril sowie 40 µL ISTD-Lösung (Interner-Standard-Lösung) versetzt. Das Röhrchen wird verschlossen, 1 min kräftig von Hand, und anschließend weitere 30 min auf der Maschine geschüttelt. Nach Zugabe einer Mischung aus 0.8 g Magnesiumsulfat, 0.2 g Natriumchlorid, 0.10 g Dinatriumhydrogencitrat Sesquihydrat und 0.2 g Trinatriumcitrat Dihydrat wird erneut kräftig von Hand geschüttelt. Anschließend wird das Gemisch 5 min bei 4000g zentrifugiert. Festphasenextraktion Eine OASIS-WAX-Säule (60 mg, 3 ml) wird mit 2 ml Ameisensäure 0.1% und anschließend mit 2 ml Methanol konditioniert. Die gesamte erhaltene organische Phase wird mit 2.0 ml dest Wasser gemischt und über die Säule gegeben. Anschließend wird die Säule mit 1 ml Ameisensäure 2 %ig, gefolgt von 1 ml Methanol gewaschen und trocken gesaugt. Die PFT werden anschließend mit 750 µL Ammoniak 1%ig in Methanol/TBME (Tertiärbuthyl Methylether) (1:3 v/v) in ein Kunststoffröhrchen eluiert und mit Methanol auf 1.0 ml aufgefüllt. Auswertung, Berechnung und Angabe der Ergebnisse Die Berechnung der einzelnen Substanzgehalte erfolgt über verschiedene interne Standards. In der folgenden Tabelle ist den einzelnen PFT der jeweilige ISTD zugeordnet. 85 Tabelle 1: Analysierte Substanzen und der zugeordnete interne Standard Substanz ISTD PFPeA PFHxA PFHpA PFOA PFNA PFDA PFDoDA PFBS PFHxS PFOS PFHxA-13C PFHxA-13C PFHxA-13C PFOA-13C PFNA-13C PFDA-13C PFDA-13C PFOA-13C PFOA-13C PFOS-13C Die Bestimmungsgrenzen für die untersuchten Proben sind in der folgenden Tabelle angegeben. Tabelle 2: Bestimmungsgrenzen der Einzelsubstanzen in den unterschiedlichen Matrizes Matrix Bestimmungsgrenze (BG) Raufutter Rindfleisch Milch Eier Fische 2.2 1 µg/kg TS 1 µg/kg TS 1 µg/L 0,4 µg/kg 1 µg/kg TS Herkunft und Auswahl der Proben Für die Untersuchungen wurde auf einen maßgeblichen Teil der im Rahmen des Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Max Rubner-Instituts zur Durchführung einer nationalen Statuserhebung von Dioxin- und dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln erhobenen und dokumentierten Proben zurückgegriffen. Im Rahmen des geförderten Vorhabens sollten ca. 120 Proben aus dem Probenpool herangezogen werden. Tatsächlich wurden 111 Proben aus dem Probenpool des Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und des Max Rubner-Instituts zur Durchführung einer nationalen Statuserhebung von Dioxin- und dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln (BMELV 2009) herangezogen. Daneben wurden 31 Fischproben in das Untersuchungsprogramm einbezogen, die vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor stammen. 86 Raufutter Die Probenahme der Futtermittelproben erfolgte durch die Futtermittelkontrollbehörden in den jeweiligen Bundesländern. Die Auswahl der 30 untersuchten Raufutterproben wurde vom Max Rubner-Institut (Standort Kulmbach) getroffen. Rindfleisch Die Probenahme der Fleischproben erfolgte in Metzgereifachgeschäften im gesamten Bundesgebiet. Die Auswahl der 48 Rindfleischproben wurde vom Max Rubner-Institut (Standort Kulmbach) getroffen. Milch Die Kühe wurden zufällig aus dem Bestand der Milchviehherde der Versuchsstation für Nutztierbiologie und Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim ausgewählt. Sie wurden beim Abendgemelk für die Probenziehung zunächst von Hand und dann mit der Maschine gemolken. Eier Die Probenahme der Ei-Proben erfolgte verbraucherorientiert durch den Einkauf im Einzelhandel und auf regionalen Märkten. Die 21 Ei-Proben (10 mal Eiklar, 11 mal Dotter) wurden vom Max Rubner-Institut (Standort Kulmbach) bereitgestellt, für die Analysen wurden zwei Einkaufschargen unterschiedlicher Dioxinbelastung ausgewählt. 3. Ergebnisse 3.1 Untersuchungsergebnisse 3.1.1 Raufutterproben Die in Abbildung 2 dargestellten Analysenergebnisse auf PFT in verschiedenen Futtermitteln zeigen deutliche Schwankungen und Verteilungsunterschiede der unterschiedlichen PFT in Gras, Grassilage, Heu und Maissilage, wobei kein deutlicher Trend abgeleitet werden kann. 87 Abbildung 2: Untersuchungsergebnisse der Raufutterproben (BG: 1µg/kg TS) Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass Raufutterproben – je nach Herkunft und Produktionsbedingungen – deutliche PFT-Konzentrationen haben können. Neben PFOA und PFOS sind in einigen Proben auch PFHxA nachweisbar. Die Verteilung von PFOA:PFOS schwanken zwischen 38:62 und 75:25. Wie Abbildung 3 zeigt, besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der PFTKonzentration und der PCB- bzw. TEQ-Belastung der Raufutterproben. Abbildung 3: Darstellung der Summe PFT über den Gesamt TEQ der untersuchten Futtermittelproben 88 3.1.2 Rindfleischproben Abbildung 4 zeigt die analysierten PFT-Gehalte in Rindfleischproben bezogen auf die Trockenmasse. Für eine grobe Umrechnung in die Frischmasse sind die Ergebnisse mit 0,36 zu multiplizieren (TS-Gehalt von 35-38%). Für PFOS liegt ein Wert oberhalb der Bestimmungsgrenze vor, PFOA wird in 25% der untersuchten Proben oberhalb der Bestimmungsgrenze gefunden. Ob ökologisch erzeugte Proben geringer belastet sind als konventionelle Ware, kann anhand der Ergebnisse nicht ausgesagt werden, da der Stichprobenumfang zu gering ist. Abbildung 4: Analysenergebnisse auf PFT in gefriergetrockneten Rindfleischproben (BG: 1µg/kg TS) Inwieweit der hohe gemessene Wert der Einzelprobe 44805 auf eine Kontamination durch die Nutzung teflonhaltiger Schneidbretter etc. zurückzuführen ist, konnte nachträglich nicht geklärt werden. Die folgende Abbildung zeigt, dass wie bei den Raufutterproben auch bei den Rindfleischproben kein systematischer Zusammenhang zwischen den beiden Stoffgruppen Dioxine/PCB und PFT besteht. 89 Abbildung 5: Zusammenhang zwischen der PFT-Konzentration und der TEQ-Konzentration von 46 Rindfleischproben Im Rahmen des Untersuchungsprogramms wurden keine Innereien untersucht. Inwieweit PFOS - wie beim Wildschwein - auch beim Rind in der Leber angereichert wird, kann somit nicht ausgesagt werden. Dies sollte aber durch weitere Untersuchungen geklärt werden. 3.1.3 Milch Die in Abbildung 6 dargestellten Analysenergebnisse auf PFT in Milch zeigen bei drei Proben Gehalte an PFOS im Bereich der Bestimmungsgrenze. In einem Fall wird PFOA gefunden. Das Melken fand zunächst per Hand (Kürzel H) und nachfolgend mit der Melkmaschine (Kürzel M) statt. Entsprechend handelt es sich bei dem PFOA-Fund in Probe 26H augenscheinlich um eine Verunreinigung. Ob eine Verunreinigung durch die Melkmaschinen zu den PFOS-Funden in den Proben 42M und 64M geführt hat, oder ob die Gehalte der restlichen Proben nur knapp unter der Bestimmungsgrenze liegen, kann hier nicht sicher gesagt werden. Da die Tiere das gleiche Futter erhalten haben, sollten sich die PFT-Gehalte in der gleichen Größenordnung bewegen. 90 Abbildung 6: Analysenergebnisse auf PFT in Milchproben (H: Hand; M: Maschine) (BG: 1µg/L) Für die Milchproben, die erst im Januar 2009 gewonnen wurden, liegen keine vergleichbaren Dioxin-/PCB-Messungen vor. Aufgrund der geringen PFT-Befunde wäre ein statistischer Vergleich auch unmöglich. 3.1.4 Eier In Abbildung 7 sind die Analysenergebnisse auf PFT in den verschiedenen Ei-Proben – getrennt nach Dotter D und Eiklar K - dargestellt. Abbildung 7: Analysenergebnisse auf PFT in Ei-Proben (D= Dotter; K= Eiklar) (BG: 0,4µg/kg) 91 Wie die Ergebnisse zeigen, tritt PFOS ausschließlich in den Eidotterproben oberhalb der Bestimmungsgrenze auf. Innerhalb der Einkaufschargen 181/07 und 51/07 schwanken die Gehalte an PFOS zwischen unterhalb der Bestimmungsgrenze und 0,7 µg/kg. Die Ergebnisse für den Gesamt TEQ und den Ind-PCB sind in Tabelle 3 angegeben. Tabelle 3: Ergebnisse für TEQ und Ind-PCB für die Probencharge Probencharge 181/07 Gesamt-TEQ [ng/kg Fett] 0,50 Ind-PCB [µg/kg Fett] 6,14 81/07 4,12 16,04 Gesamt TEQ und Ind-PCB wurden ebenfalls ausschließlich in den Eidotter-Proben gefunden. 4. Fazit Proben aus der Statuserhebung von Dioxin- und dioxinähnlichen PCB-Verbindungen in Futter- und Lebensmitteln wurden auf ihre PFT-Belastung analysiert. Mittels 30 Raufutter-, 48 Rindfleisch- und 21 Ei-Proben aus der PCB-Erhebung und 12 Milchproben von einer Versuchsstation der Universität Hohenheim wurde die Verbraucherbelastung mit PFT über die Nahrung abgeschätzt. Die Ergebnisse zeigen deutliche Schwankungen der unterschiedlichen PFT in Gras, Grassilage, Heu und Maissilage. Die Mittelwerte über alle Raufutterproben lagen für PFOA bei 3,2 µg/kg TS, für PFOS bei 1,7 µg/kg TS. Bei Rindfleischproben lag für PFOS ein Wert oberhalb der Bestimmungsgrenze vor, PFOA wurde in 25% der Proben oberhalb der Bestimmungsgrenze gefunden (Mittelwerte: 1,1 und 0,7 µg/kg TS für PFOA bzw. PFOS). In Milch waren 3 von 12 Proben bei PFOS im Bereich von 1 µg/L. PFOS lag in 6 von 11 Eidotterproben über (Mittelwerte: 0,2 µg/kg und 0,3 µg/kg für PFOA bzw. PFOS), in allen Eiklarproben unter der Bestimmungsgrenze. Ein Zusammenhang zwischen der Dioxin-/dioxinähnlichen PCB-Belastung und den PFTKonzentrationen konnte in keinem Fall nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass die PFTBelastung von Futter- bzw. Lebensmitteln im Regelfall andere Wirkungsketten und Prozessschritte haben muss, als für Dioxine/PCB erforscht. In diesem Sinne ist weiterer Forschungsbedarf notwendig! 92 Mit der vorliegenden Untersuchung wird ein kleiner Teil des Nahrungsmittelspektrums abgedeckt. Ein großer Teil der Proben weist Befunde unterhalb der Bestimmungsgrenze auf. Da die langfristige Wirkung einer kontinuierlichen PFT-Aufnahme nicht geklärt ist und häufig Werte unterhalb der Bestimmungsgrenze ermittelt werden, sollte die Weiterentwicklung der Analytik forciert werden. Nur mit empfindlicherer Analytik und flächendeckender Untersuchung der Nahrungsmittel können eine realistische Belastungs- und Gefährdungsbeurteilung realisiert und Ansatzpunkte für eine Reduktion gefunden werden. 5. Literaturverzeichnis Bekanntmachung des Umweltbundesamtes (2009): Referenzwerte für Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) im Blutplasma. Bundesgesundheitsblatt, 52:878–875. BfR 2008: U. Pabel, D. Wölfle, M. Lahrssen-Wiederholt, A. Lampen (2008). Toxikologie der Perlfuoroctansäure (PFOA) und der Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). J. Verbr. Lebensmittel 3(3),252-258. BMELV-Teil1: Nationale Verzehrsstudie II: Ergebnisbericht Teil 1. Max Rubner-Institut Karlsruhe, 2008. 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Ericson, I., Nadal, M., Van Bavel, B., Lindström, G., Domingo, J.L. (2008): Levels of perfluorochemicals in water samples from Catalonia, Spain: is drinking water a significant contribution to human exposure? Environmental Science and Pollution Research, 15:614–619. Food Standards Agency (2009): Survey of fluorinated chemicals in food. Food Survey, Information Sheet, Number 05/09. Fricke, M., U. Lahl (2005): Risikobewertung von Perfluortensiden als Beitrag zur aktuellen Diskussion zum REACH-Dossier der EU-Kommission. UWSF – Z Umweltchem Ökotox, 17, 36 – 49. Fromme H, Midasch O, Twardella D et al. (2007): Occurrence of perfluorinated substances in an adult German population in southern Bavaria. Int Internat Arch Occup Environ Health, 80, 313-319. Fromme, H., Tittlemier, S.A., Völkel, W., Wilhelm, M., Twardella, D. (2009): Perfluorinated compounds – Exposure assessment for the general population in western countries. Int. J. Hyg. Environ. Health, 212, 239–270. 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Die Kohlenstoff-Fluor-Verbindungen bedingen eine hohe biologische, chemische und thermische Stabilität der Verbindungen (Fricke und Lahl 2005). PFAA widerstehen dem Abbau durch Säuren, Basen, Oxidations- und Reduktionsmitteln. Des Weiteren sind sie inert gegenüber photolytischen Prozessen, mikrobiellem Abbau und werden nicht metabolisiert (Parson et al. 2008). Perfluorierte Tenside sind rein industriellen Ursprungs und werden aufgrund ihrer besonderen technologischen Eigenschaften sowie ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften in einer Vielzahl von industriellen Prozessen und verbrauchernahen Produkten (z.B. Textil- und Papierindustrie, Photoindustrie, Luftfahrt, Galvanik, Herstellung von Fluorpolymeren) verwendet (Fricke und Lahl 2005). Die toxikologisch am besten untersuchten Verbindungen sind Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). Beide Verbindungen besitzen eine lange Halbwertszeit im menschlichen Organismus (4 bis 5 Jahre, Lau et al. 2007), reichern sich bevorzugt in der Leber an und erwiesen sich in subchronischen und chronischen Studien als kanzerogen und reproduktionstoxisch. Ihre strukturbegründete Persistenz und Bioakkumulation sowie das breite Anwendungsspektrum führten zu einer ubiquitären Verbreitung in der Umwelt, die sich in den PFAA-Gehalten verschiedenster Wildtiere (z.B. Eisbär, Karibu, Robben, Tiger, Löwen) widerspiegelt (Giesy und Kannan 2001, Kannan et al. 2005, Li et al. 2008). Untersuchungen zu PFAA-Konzentrationen im Blut zeigen, dass für den Menschen von einer geringen Hintergrundbelastung gegenüber PFOA und PFOS auszugehen ist. Vestergren and Cousin (2006) ermittelten für die Menschen in Industrieländern eine mittlere PFOAKonzentration von 2 bis 8 µg/L Blut. Die mittlere Konzentration für PFOS im Blut ist höher und liegt in den europäischen Ländern im Mittel zwischen 4 und 53 µg/L bzw. in den USA zwischen 18 und 37 µg/L (Fromme et al. 2008). Die menschliche PFAA-Aufnahme erfolgt vermutlich im Wesentlichen über Lebensmittel tierischer Herkunft (Trudel et al. 2008). 95 Seit 2006 sind PFAA ein für den Verbraucherschutz relevantes Umweltthema in der Bundesrepublik, nachdem bekannt wurde, dass durch illegales Ausbringen PFAAverunreinigter Düngemittel tausende Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen kontaminiert wurden (LANUV 2011). Im Zuge dessen wurde das INTERREG Projekt „SafeGuard“ initialisiert, in dem das BfR gemeinsam mit dem CVUA-MEL den Übergang von perfluorierten Verbindungen aus natürlich-kontaminierten Futtermitteln in die landwirtschaftlichen Nutztiere und die von ihnen stammenden Produkte tierischen Ursprungs untersucht. Eigene Untersuchungen Für den Fütterungsversuch wurden Futtermittel verwendet, die auf PFAA-kontaminierten Böden aufwuchsen und geerntet wurden. Die mittleren Gehalte an PFOA (Heu: 330 µg/ kg TS, Grassilage: 79 µg/kg TS, Gerste: 1 µg/kg TS) und PFOS (Heu: 1920 µg/kg TS, Grassilage: 200 µg/kg TS, Gerste: 3 µg/kg TS) lagen auf einem hohen Niveau. Die Fütterungsversuche gliederten sich in zwei Teilversuche. Im ersten Versuch wurden 6 Milchkühe der Rasse Dt. Holstein über vier Wochen mit Grassilage und Heu gefüttert, über die die Tiere täglich in der Summe 115 µg PFOA und 434 µg PFOS pro kg Futter (TS) aufnahmen. Anschließend wurden drei Milchkühe geschlachtet, die übrigen Tiere erhielten für weitere drei Wochen PFAA-freie Grassilage und Heu. Über den gesamten Versuchszeitraum wurden regelmäßig Proben von Futter, Plasma und Milch sowie bei der Schlachtung von Leber, Niere und Muskelgewebe gewonnen. Im zweiten Versuch wurden 24 Mastschweine der Rasse Dt. Landrasse über drei Wochen ebenfalls mit einer PFAA-haltigen Ration gefüttert, die bis zu 17% Heu enthielt und mit der die Mastschweine täglich 20 µg PFOA und 120 µg PFOS pro kg Futter (TS) erhielten. Auch bei den Mastschweinen wurden kontinuierlich Proben von Futter und Plasma sowie bei der Schlachtung von Leber, Niere und Muskelgewebe von jedem Tier gewonnen. Alle Proben wurden am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-EmscherLippe (CVUA-MEL) mittels HPLC-MS/MS auf ihren PFAA-Gehalt untersucht. Die Ergebnisse der PFOA- und PFOS-Konzentration im Plasma der Milchkühe zeigen neben einer nahezu konstant bleibenden PFOA-Konzentration (8,5±5,7 µg/L), einen stetigen Anstieg der PFOS-Konzentration (0,5 – 1500 µg/L), die innerhalb der ersten 10 Tage der Auswaschphase weiter zunimmt (2500 µg/L). Die PFOS-Konzentration in der Milch ist wesentlich geringer, weist aber einen ähnlichen Verlauf auf (Max: 36 µg/L, Tag 35). PFOS akkumuliert in hohem Maße in Leber (3000 µg/kg FS) und Niere (1000 µg/kg FS) der Milchkühe, zudem wurden hohe Konzentrationen an Perfluorhexasulfonsäure (PFHxS, 60 – 100 µg/kg FS) detektiert. Dagegen wurde PFOA im Plasma, Organ- und Muskelgewebe der Milchkühe nur in geringen Konzentrationen nachgewiesen. 96 Im Plasma der Mastschweine war während der PFAA-Fütterungsphase ein kontinuierlicher Konzentrationsanstieg aller im Futtermittel relevanten perfluorierten Verbindungen zu beobachten, die höchsten Konzentrationen wiesen dabei Perfluorbutansulfonsäure (PFBS, 470 µg/L) und PFHxS (400 µg/L) auf. In Leber und Niere wurden neben PFOS (300 – 1200 µg/kg FS) auch hohe Gehalte an PFBS (70 – 220 µg/kg FS) detektiert. Im Vergleich dazu akkumulierten perfluorierte Verbindungen im Muskelgewebe in geringerem Maße. PFBS (23 µg/kg FS), PFHxS (17 µg/kg FS) und PFOS (23 µg/kg FS) weisen die höchsten Konzentrationen im Muskelgewebe der Mastschweine auf. Es ist festzustellen, dass die Aufnahme und Akkumulation der PFAA zwischen den Nutztierarten verschieden ist. Insbesondere bei den Mastschweinen scheinen neben PFOA und PFOS auch PFBS und PFHxS eine bedeutende Rolle zu spielen. Fazit Ziel der Fütterungsstudien an landwirtschaftlichen Nutztieren war es, erste aussagefähige Daten zu generieren, mit dessen Hilfe das gesundheitliche Risiko der Verbraucher durch PFAA in Lebensmittel tierischen Ursprungs abgeschätzt werden kann. Eine Abschätzung der Aufnahme von PFAA ist vor allem für die hoch belasteten Lebensmittel des Rindes (PFOS: Milch, Rindfleisch) und des Schweins (PFBS und PFHxS: Leber, Niere, Schweinefleisch) interessant und wird im nachfolgenden näher betrachtet. Der durchschnittliche Verzehr von Milch/Mischgetränken pro Tag beträgt laut Nationaler Verzehrsstudie II (NVS II, MRI 2008) 96 – 128 ml/Tag (Frauen und Männer). Durch die vierwöchige Fütterung der Milchkühe mit natürlich-kontaminierten, PFAA-haltigen Futtermitteln wurde eine maximale Konzentration an PFOS von 36 µg/L in der Milch erreicht. Bei einem durchschnittlichen Verzehr an Kuhmilch, wäre der vorläufige Wert für die duldbare tägliche Aufnahme des Menschen (TDI) von 0,15 µg PFOS pro kg Körpergewicht und Tag (EFSA 2008) zu 40 - 53% erreicht. Die durchschnittliche Aufnahme von Fleisch liegt bei 23 bis 42 g pro Tag (NVS II). Würde bei der Bewertung des gesundheitlichen Risikos lediglich davon ausgegangen werden, dass nur Rindfleisch verzehrt wird, dass im Mittel 145 µg PFOS pro kg Frischfleisch enthält, wäre der TDI für PFOS zu 37 bis 67% ausgeschöpft. Eine Abschätzung des gesundheitlichen Risikos für den Verbraucher auf Grundlage des TDI ist für die im Gewebe des Mastschweins stark akkumulierenden perfluorierten Verbindungen PFHxS und PFBS nicht möglich, da aufgrund fehlender toxikologischer Daten bislang eine Ableitung des TDI nicht erfolgte. Bei der Abschätzung des gesundheitlichen Risikos für den Verbraucher handelt es sich um eine risikoorientierte Bewertung, basierend auf Daten, die anlässlich des Düngemittelskandals 2006 durch Fütterungsversuche an Milchkühen und Mastschweinen am BfR erhoben wurden. 97 Sie spiegelt nicht repräsentativ die PFAA-Exposition des Verbrauchers durch den Verzehr tierischer Lebensmittel wider. Quellen: Barkowski, D, Günther, P, Raecke, F, Wind, (2007): Pilotuntersuchungen zu Vorkommen und Auswirkungen von perfluorierten Tensiden (PFT) in Abfällen, die der BioAbfV unterliegen – Abschlussbericht. Institut für Umweltanalyse Projekt GmbH (IFUA) EFSA (2008): Opinion of the Scientific Panel on Contaminants in the Food chain. Perfluorooctane sulfonate (PFOS), perfluorooctanoic acid (PFOA) and their salts. The EFSA Journal (2008) 653, 1-131 Fricke M, Lahl U (2005) Risikobewertung von Perfluortensiden als Beitrag zur aktuellen Diskussion zum REACH-Dossier der EU-Kommission. UWSF – Z Umweltchem Ökotox 17 (1):36–49 Fromme, H., Roscher, E., Twardella D. (2008): Umweltmedizinische Bedeutung perfluorierter Kohlenwasserstoffe. Umweltmed Forsch Prax 13 (2), 97 – 124 Giesy, J.P., and Kannan, K. (2001): Global Distribution of Perfluorooctane Sulfonate in Wildlife. Environ. Sci. TEchnol. 2001, 35, 1339 – 1342 Kannan, K., Yun, S.H., Evans, T.J. (2005): Chlorinated, Brominated, and Perfluorinated Contaminants in Livers of Polar Bears from Alaska. Environ. Sci. Technol. 2005, 39, 9057 – 9063 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2011): Verbreitung von PFT in der Umwelt. Ursachen – Untersuchungsstrategie – Ergebnisse – Maßnahmen. LANUV-Fachbericht 34 Lau, C., Anitole, K., Hodes, C., Lai D., Pfahles-Hutchens, A., Seed, A. (2007): Perfluoroalkyl Acids: A review of monitoring and toxicological findings. Toxicological Sciences 99(2), 366-394 Li, X., Yeung, L.W.Y., Taniyasu, S., Lam, P.K.S., Yamashita, N., Xu, M., Dai, J. (2008): Accumulation of perfluorinated compounds in captive Bengal tigers (Panthera tigris tigris) and African lions (Panthera lei Linnaeus) in China. Chemosphere 73, 1649 – 1653 Nationale Verzehrsstudie II (NVS II), Ergebnisbericht Teil 2. Max Rubner-Institut, 2008 http://www.was-esse-ich.de/uploads/media/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf (verfügbar am 03.01.2012) Parson, JR., Sáez, M., Dolfing, J., de Voogt, P. (2008): Biodegradation of Perfluorinated Compounds. D.M. Whitacre (ed.) Reviews of Environmental Contamination and Toxicology, Vol 196, 53-71 Trudel, D., Horowitz, L., Wormuth, M., Scheringer, M., Cousin I.T., Hungerbühler, K. (2008): Estimating Consumer Exposure to PFOS and PFOA. Risk Analysis, Vol. 28, No. 2, 251 – 269 Vestergren, R. and Cousin, I.T. (2009): Tracking the Pathway of Human Exposure to Perfluorocarboxylates. Environmental Science & Technology, Vol. 43, No. 15, 2009, 5565 – 5575 98 Carry over von Polybromierten Diphenylethern (PBDE) W. Jira und K.-H. Schwind Max Rubner-Institut (MRI), Arbeitsgruppe Analytik, Kulmbach Einführung Polybromierte Diphenylether (PBDE) sind organische Verbindungen, die als Flammschutzmittel in einer Vielzahl von Produkten des täglichen Gebrauchs (z.B. in Kunststoffgehäusen von elektronischen Geräten, Fernsehgeräten, Polstermöbeln oder Textilien) mit Gewichtsanteilen bis zu 30% eingesetzt werden (Hale et al., 2002). PBDE stellen somit neben Tetrabrombisphenol A die bedeutendste Gruppe der bromierten Flammschutzmittel dar. PBDE entfalten ihre Wirkung, indem sie im Brandfall Bromradikale freisetzen, die in die Radikalkettenreaktion der Verbrennung eingreifen. Der Einsatz von PBDE ist von 1970 ausgehend bis in die Gegenwart kontinuierlich angestiegen. So lag im Jahr 2001 der weltweite Verbrauch bei etwa 70000 Tonnen (Arias, 2001). In der Industrie wurden in der Vergangenheit drei verschiedene technische PBDE-Gemische verwendet, die sich hinsichtlich ihres Bromierungsgrades unterscheiden. Das Penta-Produkt besteht im Wesentlichen aus BDE 47, 99, 100, 153 und 154 (Hale et al., 2001; Sjödin et al., 1998), das Octa-Produkt aus verschiedenen hexa- bis nonabromierten Einzelverbindungen (Kongeneren) und das DekaProdukt nahezu ausschließlich aus Dekabromdiphenylether (BDE 209) (Alaee et al., 2003). Gemäß EU-Richtlinie 76/769/EEC (24. Novelle/2003/11/EC) vom 6. Februar 2003 (Europäische Kommission, 2003) ist in Europa die Verwendung und der Handel mit dem Penta- und Octa-Gemisch wie auch mit Produkten, die diese Stoffe enthalten, verboten. Zudem ist seit 2008 der Einsatz von Dekabromdiphenylether in Elektrogeräten verboten (UBA, 2008). PBDE sind lipophil und persistent. Auf der vierten Vertragsstaatenkonferenz der Mitgliedsstaaten der Stockholm Konvention im Mai 2009 wurden TetraBDE und PentaBDE in kommerziell gehandeltem PentaBDE sowie HexaBDE und HeptaBDE in kommerziell gehandeltem OctaBDE in die Liste der „Persistent Organic Pollutants“ aufgenommen und mit einem Totalverbot für Produktion und Anwendung belegt (UBA, 2010). PBDE zeigen bei Aufnahme neurotoxische Wirkungen, welche beispielsweise mit Hyperaktivität oder mit Defiziten im Lernverhalten einhergehen (Eriksson et al., 2001; Eriksson, Viberg, Fischer et al., 2002; Eriksson, Viberg, Jakobsson et al., 2002). Zudem konnte eine Interaktion mit dem Schilddrüsenhormonsystem nachgewiesen werden (McDonald, 2002; Zhou et al., 2001). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kommt in einer aktuellen Stellungnahme zu dem Schluss (EFSA, 2011), dass PBDE zwar keine Genmutationen auslösen, jedoch die DNA durch Induzierung von reaktiven Sauerstoffspezies schädigen können. Die höchste Toxizität innerhalb der Gruppe der PBDE 99 weisen die niederbromierten Kongenere (TetraBDE, PentaBDE und HexaBDE) auf. Aufgrund des unzureichenden toxikologischen Datenmaterials konnte das Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives bislang keinen Provisional tolerable weekly intake (PTWI) für PBDE ableiten (JECFA, 2006). PBDE können sich in der Umwelt und in der Nahrungskette anreichern. Die Kontamination des Menschen erfolgt vorwiegend über die Nahrung. Eine inhalative Aufnahme spielt nur eine untergeordnete Rolle und ist lediglich bei Kleinkindern oder bei Vertretern spezieller Menschengruppen mit berufsbedingtem intensiven Kontakt mit PBDE-haltigen Kunststoffen von Bedeutung (EFSA, 2011). Bei den Lebensmitteln weisen Lebensmittel tierischen Ursprungs die höchsten Gehalte auf, jedoch konnten auch in pflanzlichen Lebensmitteln PBDE nachgewiesen werden. Wie bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) existieren insgesamt 209 PBDE-Kongenere, die zur Unterschiedung entsprechend der Anzahl an Bromatomen fortlaufend nummeriert werden. Die EFSA empfiehlt zur Untersuchung in Lebensmitteln die Erfassung von folgenden acht Kongeneren, die als relevant bezüglich Toxizität und Vorkommen in der Umwelt bzw. Nahrungskette eingestuft werden: BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154, 183 und 209. PBDE in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischen Ursprungs Zur Untersuchung der Gehalte dieser PBDE-Verbindungen in Futter- und Lebensmitteln tierischer Herkunft wurden in einer Screening-Untersuchung stichprobenartig Proben aus dem repräsentativen Probenkollektiv des Forschungsprojektes „Statuserhebung zu Dioxinen und PCB in Futter- und vom Tier stammenden Lebensmitteln“ (Schwind et al., 2009) ausgewählt. Dabei wurden am MRI Kulmbach insgesamt 24 Proben Futtermittel, 30 Proben Fleisch und Fleischerzeugnisse, 24 Proben Fisch, 24 Proben Eier und 25 Proben Milch- und Milcherzeugnisse hinsichtlich ihrer Gehalte an BDE 28, 47, 100, 153, 154 und 183 untersucht. Eine Untersuchung von BDE 209 war aufgrund analytischer Schwierigkeiten nicht möglich. Die Bestimmung der PBDE-Gehalte erfolgte nach Lyophilisation der Proben, anschließender beschleunigter Lösungsmittelextraktion, chromatographischer Aufreinigung mittels Gelpermeationschromatographie und Florisilsäule mit Hilfe einer Kombination von Gaschromatographie und hochauflösender Massenspektrometrie, wobei eine Quantifizierung der untersuchten Kongenere mit Hilfe der Isotopenverdünnungsanalyse erfolgte (Gensler et al., 2009). Der Medianwert für den Gesamt-PBDE-Gehalt – Summenparameter aus den Gehalten von BDE 28, 47, 99, 100, 153, 154 und 183 – lag für Fisch bei 0,77 µg/kg Frischmasse, für Fleisch bei 0,30 µg/kg Fett, für Ei bei 0,33 µg/kg Fett und für Milchprodukte bei 0,30 µg/kg Fett. Fisch wies neben dem höchsten mittleren Kontaminationsniveau auch die größte Streubreite beim Gesamt-PBDE-Gehalt auf. Die Ergebnisse zeigen, dass Fisch erheblich stärker mit PBDE kontaminiert war - im Mittel um den Faktor 20 gegenüber nicht aquatischen tierischen Fleischarten und um den Faktor 3 bis 15 gegenüber nicht aquatischen tierischen 100 Sekundärprodukten - als die übrigen untersuchten Lebensmittelgruppen. Die verschiedenen Tierarten Rind, Geflügel und Schwein wiesen nur sehr geringe Unterschiede im PBDEKontaminationsniveau auf. Damit stellt sich eine andere Situation als bei den PCB dar, für die eine deutlich höhere Belastung für Wiederkäuer (Rind und Schaf) im Vergleich zu Schwein und Geflügel festgestellt werden konnte (Schwind et al., 2009). Ein Vergleich der vom MRI Kulmbach erhobenen PBDE-Daten mit den PBDE-Gehalten einer EFSA-Datensammlung (EFSA, 2011) ergab ähnliche Kontaminationsniveaus. Die Mittelwerte der Gesamt-PBDEGehalte der EFSA-Datensammlung lagen für Fleisch, Eier und Milch im Bereich von 0,36 bis 0,87 µg/kg Fett. Auch diese Daten wiesen für Wiederkäuer keine höhere PBDE-Belastung im Vergleich zu Schwein und Geflügel auf. Für pflanzliche Lebensmittel wie z.B. Pflanzenöle waren nur wenige Analysenergebnisse vorhanden, die zudem aufgrund des großen Unterschiedes zwischen lower-bound-Mittelwert (0,05 µg/kg Fett) und upper-boundMittelwert (0,97 µg/kg Fett) nur wenig aussagekräftig sind. Im Rahmen der PBDE-Screeninguntersuchung am MRI Kulmbach wurden auch die PBDEKongenerenverteilungen der untersuchten Lebensmittelgruppen ermittelt. Vergleicht man die Kongenerenmuster der verschiedenen Produktgruppen, so stellt man fest, dass sich das Muster von Fisch gravierend von denen der anderen tierischen Lebensmittel unterscheidet. Hauptkongener bei Fisch war BDE 47, während die Anteile der übrigen Kongenere unter 40% relativ zu diesem lagen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass BDE 99 in Fisch sehr leicht abbaubar ist. Bei Fleisch, Eier und Butter hingegen lagen BDE 47 und BDE 99 etwa in gleicher Menge vor. Carry over von PBDE Als PBDE-Hauptkontaminationsquelle des Menschen gelten Lebensmittel tierischen Ursprungs. Daher stellt sich die Frage, wie PBDE in tierische Lebensmittel gelangen können. Einerseits besteht die Möglichkeit des Übergangs vom Futtermittel in den tierischen Organismus und damit in das Lebensmittel tierischer Herkunft. Andererseits könnten tierische Lebensmittel auch während des Verarbeitungsprozesses mit PBDE kontaminiert werden. Im Folgenden soll jedoch nur die Kontamination über das Futtermittel („Carry over“) näher betrachtet werden. Voraussetzung für diesen Eintragspfad ist eine Kontamination des Futtermittels, die auf verschiedene Art und Weise erfolgen kann. Eine Möglichkeit besteht in einer Deposition aus der Luft. Dieses Szenario ist möglich, da PBDE eine hohe Persistenz in der Luft aufweisen. Untersuchungen von PBDE in der Luft an insgesamt elf Standorten in England und Norwegen von 2000 bis 2008 zeigen jedoch, dass in diesem Zeitraum die PBDE-Gehalte in der Luft abgenommen haben (Schuster et al., 2010). Andere Untersuchungen zeigen, dass Luft in Ballungszentren bzw. Stadtnähe höhere PBDE-Gehalte als Luft ländlicher Gebiete aufweist. Eine weitere PBDE-Kontaminationsquelle für Futtermittel kann die Verwendung von Düngemitteln (z. B. Klärschlamm) in der 101 Landwirtschaft darstellen (BMELV, 2010). Untersuchungen (Knoth et al., 2007) gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 150 kg non-DekaBDE und 350 kg DekaBDE auf landwirtschaftliche Nutzflächen aufgebracht werden. Die EFSA hält es für möglich, dass die Klärschlammdüngung eine PBDE-Kontaminationsquelle für Pflanzen - und damit auch für Futtermittelpflanzen - darstellen könnte. Zudem geht die EFSA davon aus, dass Pflanzen PBDE aus dem Boden aufnehmen können, wenn auch mit sehr geringen Biokonzentrationsfaktoren im Bereich von 0,01 bis 0,1. Liegt nun eine PBDE-Belastung des Futtermittels vor, so stellt sich die Frage, ob ein Übergang vom Futtermittel in das Lebensmittel tierischer Herkunft stattfindet. Im Hinblick auf diese Fragestellung muss zunächst festgestellt werden, dass bislang nur sehr wenige Untersuchungen zum Carry over vom Futtermittel in das tierische Lebensmittel existieren, insbesondere bei landwirtschaftlichen Nutztieren. Eine grobe Abschätzung des Carry over durch Vergleich der Medianwerte von Rau- und Saftfutter und Rindfleisch ergibt für den PBDE-Summengehalt (Futter: 0,3 µg/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,3 µg/kg Fett) einen geschätzten Biokonzentrationsfaktor von etwa 1, für den WHO-PCDD/F-TEQ (Futter: 0,035 ng/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,24 ng/kg Fett) von 7 und für den WHO-PCB-TEQ (Futter: 0,06 ng/kg Trockenmasse; Rindfleisch: 0,9 ng/kg Fett) von 15. Demzufolge scheinen PBDE einen geringeren Carry over zu besitzen als Dioxine oder PCB. Untersuchungen zum Carry over von PBDE vom Futtermittel in Fische wurden mit Karpfen durchgeführt (Stapleton et al., 2004). Im Rahmen dieser Studie wurde Karpfen für 60 Tage ein mit BDE 28, 47, 99 und 153 dotiertes Futter verabreicht, anschließend wurde mittels einer Fütterung mit unkontaminiertem Futter das Abklingverhalten der untersuchten PBDE-Kongenere untersucht. Zusätzlich zur Dotierung des Futtermittels mit den vier genannten PBDEKongeneren erfolgte eine Beimischung von drei PCB-Kongeneren mit ähnlichen log KowWerten (PCB 52, 153 und 180). Untersucht wurden das Muskelfleisch und die Leber der Karpfen. Es zeigte sich, dass die drei PCB-Kongenere (PCB 52, 153 und 180) ein sehr ähnliches Anreichungsverhalten aufweisen. Anhand der Abklingphase konnten folgende biologische Halbwertszeiten errechnet werden: PCB 52: 46 Tage, PCB 153: 46 Tage und PCB 180: 33 Tage. Im Gegensatz zu den PCB wiesen die untersuchten PBDE-Kongenere ein sehr unterschiedliches Anreicherungsverhalten auf. Auffällig war, dass für BDE 99 keine Anreicherung festgestellt werden konnte. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Beobachtung, dass die PBDE-Kongenerenverteilung bei Fischen eine klare Dominanz von BDE 47 im Vergleich zu BDE 99 aufweist, was wiederum auf eine rasche Metabolisierung von BDE 99 bei Fischen hindeutet. Die stärkste Anreicherung wurde bei BDE 47 beobachtet. Die biologischen Halbwertszeiten lagen für BDE 28 bei 37 Tagen, für BDE 47 bei 30 Tagen und für BDE 153 bei 14 Tagen. Vergleicht man die strukturell analogen Verbindungen PCB 153 und BDE 153, so lässt sich feststellen, dass BDE 153 bei gleichem Halogenierungsgrad und -muster eine deutlich geringere biologische Halbwertszeit aufweist als PCB 153. 102 Untersuchungen zur biologischen Halbwertszeit bei Nagetieren ergaben bei Mäusen eine Halbwertszeit für BDE 47 im Bereich von etwa eineinhalb bis 23 Tagen (Staskal et al., 2005, 2006), bei Ratten konnten für BDE 209 Halbwertszeiten im Bereich von zwei bis drei Tagen (Sandholm et al., 2003) bzw. im Bereich von acht bis neun Tagen (Huwe und Smith, 2007) ermittelt werden. Untersuchungen beim Menschen ergaben eine starke Abhängigkeit der biologischen Halbwertszeit vom Bromierungsgrad der PBDE: Je geringer der Bromierungsgrad, desto höher die Halbwertszeit. So konnte anhand von Untersuchungen von Arbeitern mit beruflicher PBDE-Exposition für BDE 209 eine Halbwertszeit von etwa 15 Tagen ermittelt werden (Thuresson et al., 2006). Die biologischen Halbwertszeiten von BDE 47, 99, 100, 153 und 154 wurden im Rahmen von zwei verschiedenen Studien bei nicht beruflich exponierten Menschen anhand der täglichen PBDE-Aufnahme und der Körperlast abgeschätzt (Geyer et al., 2004; Bakker et al., 2008). Dabei ergaben sich Halbwertszeiten im Bereich von 1,6 Jahren (BDE 100) bis 6,5 Jahren (BDE 153). PBDE-Fütterungsversuch mit Milchkühen In einem Fütterungsversuch mit Milchkühen (Kierkegaard et al., 2007) wurden die Gehalte an höher bromierten PBDE (7 bis 10 Bromatome) in Futtermitteln, Faeces, Milch und Fettgewebe untersucht. Im Südwesten von England wurde auf einer Versuchsfarm in Devon ein Fütterungsversuch mit fünf Milchkühen durchgeführt, die jeweils am Beginn der dritten bis fünften Laktationsperiode standen. Die Versuchsdauer betrug insgesamt 109 Tage. Als Futtermittel wurde Silofutter eingesetzt, welches den Tieren unlimitiert zur Verfügung stand, wobei die tägliche Futteraufnahme statistisch erfasst wurde. Die Kühe wurden zweimal täglich gemolken und die tägliche Milchproduktion gemessen. Für die Analytik wurden über einen Zeitraum von insgesamt 13 Wochen einmal wöchentlich Milch- und Faecesproben gezogen, die zu jeweils 5 Poolproben, von denen 3 Proben eine dreiwöchige Periode und zwei Proben eine zweiwöchige Periode repräsentieren, vereint wurden. Für die PBDEUntersuchungen wurden die Proben von zwei Kühen untersucht, von denen eine nach dem Fütterungsversuch geschlachtet wurde. Untersucht wurden die PBDE-Gehalte in Futtermitteln, Faeces, Milchfett sowie in Organen und Fettgeweben, wobei folgende PBDEKongenere untersucht wurden: BDE 173, 182, 183, 184, 191 (HeptaBDE), BDE 196, 197, 203 (OctaBDE), BDE 206, 207, 208 (NonaBDE) und BDE 209 (DekaBDE). Deca-, Nonaund OctaBDE konnten in allen Proben nachgewiesen werden, die Gehalte der HeptaBDE dagegen lagen mit Ausnahme von Fettgewebe in allen Proben unterhalb der Bestimmungsgrenze. Prinzipiell war in allen Matrizes mit Ausnahme der Milch BDE 209 das dominierende Kongener. Die sechs unterschiedlichen Fettgewebe wiesen ähnliche PBDE-Gehalte und Profile auf. Die in Herz, Niere, Leber und Muskel nachgewiesenen PBDE-Gehalte waren generell niedriger. Es konnte gezeigt werden, dass ein Ausscheiden der PBDE über die Milch nur sehr langsam stattfindet. Bei einem Vergleich der PBDE-Gehalte in Fettgewebe und 103 Milchfett konnten im Fettgewebe 9-80fach höhere Gehalte als im Milchfett festgestellt werden, wobei diese Unterschiede in den Gehalten bei PBDE mit höherem Bromierungsgrad stärker ausgeprägt waren. Hierfür könnte einerseits der durch steigende Molekülgröße erschwerte Transfer durch Membranen verantwortlich sein, andererseits könnte dies auch auf die bei den höher bromierten PBDE stärker ausgeprägte Wasserunlöslichkeit zurückzuführen sein. Futtermittel und Fettgewebe wiesen deutliche Unterschiede im PBDE-Profil auf. Das PBDE-Mengenverhältnis von Fettgewebe zu Futtermittel war für die einzelnen PBDEKongenere sehr unterschiedlich und variierte über mehr als zwei Größenordnungen von 0,9 für BDE 209 über 99 für BDE 197 bis hin zu ca. 300 für BDE 182, wobei die Gehalte an BDE 182 in den Futtermittelproben unterhalb der Bestimmungsgrenze lagen. Für die Kongenere BDE 207, BDE 196, BDE 197 und möglicherweise auch BDE 182 konnte gezeigt werden, dass diese Kongenere im Fettgewebe akkumulieren. Als Ursache für die Anreicherung dieser Kongenere wird eine metabolische Debromierung von BDE 209 im tierischen Organismus vermutet. Für die Auswertung der tri- bis hexabromierten PBDE desselben Fütterungsversuchs (Kierkegaard et al., 2009) wurden die Kongenere BDE 28, 47, 49, 66, 85, 99, 100, 153 und 154 untersucht. Der Summengehalt der genannten PBDE lag für alle drei Arten von Futtermitteln (Silage, Konzentrat und Mineralfuttermittel) im Bereich von 0,29 bis 0,51 µg/kg Trockenmasse. Dominierende Kongenere im Futtermittel waren BDE 47 und BDE 99. Das PBDE-Muster der Silage war dem Muster von Luftproben, die in geographischer Nähe des Versuchsortes gezogen wurden, sehr ähnlich. Dies lässt eine Kontamination des Futtermittels über Deposition aus der Luft vermuten. Es konnte im Rahmen der Untersuchungen festgestellt werden, dass nur etwa ein Prozent der Körperlast in der Leber nachzuweisen war, die Hauptmenge der niederbromierten PBDE wurde in fettreichen Geweben abgelagert. Die auf Fett bezogenen PBDE-Gehalte in der Milch lagen für die meisten Kongenere in einer ähnlichen Größenordnung wie die Konzentrationen in den Fettgeweben. Die nachgewiesenen Summengehalte der untersuchten PBDE lagen dabei im Bereich von 1,1 bis 2,6 µg/kg Fett. Dies weist auf das Vorliegen eines Verteilungsgleichgewichts zwischen Gewebe und Milch hin. Für die beiden BDE mit den am stärksten ausgeprägten hydrophoben Eigenschaften (BDE 153 und 154) wurden in der Milch etwa 50% niedrigere Gehalte als im Fettgewebe nachgewiesen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass für hydrophobere BDE kein Gleichgewicht in der Milch erreicht werden kann. Noch deutlich stärker ausgeprägt ist dieser Effekt bei den hepta- bis dekabromierten BDE. Im Gegensatz zu höher bromierten BDE konnte für tri- bis hexabromierte BDE eine Anreicherung in der Milch nachgewiesen werden. Die Carryover-Raten in der Milch lagen im Bereich von 0,15 bis 0,35, wobei für BDE 28 noch deutlich geringere Raten ermittelt wurden. Damit liegen die Carry-over-Raten deutlich niedriger als bei PCB (PCB 118: 1,09) und in vergleichbarer Höhe wie bei den tetra- bis hexachlorierten PCDD/F (0,1 bis 0,65). 104 PBDE-Fütterungsversuch mit Legehennen Von einer belgischen Arbeitsgruppe wurde ein PBDE-Fütterungsversuch mit Legehennen durchgeführt (Pirard und DePauw, 2007). Der Fütterungsversuch erfolgte mit insgesamt 16 Legehennen in zwei Versuchsgruppen. In Versuchsgruppe 1 (9 Tiere) wurden die Legehennen mit unkontaminiertem kommerziellen Futter und zusätzlich mit einem Dioxin-kontaminiertem Öl aus der Metallverarbeitung gefüttert. Die Tiere der Versuchsgruppe 2 (7 Tiere) erhielten das gleiche Futter wie Gruppe 1 und zusätzlich eine PentaBDE-Formulierung. Dies resultierte in einer PBDE-Summenkonzentration (Summe aus BDE 47, 99, 100, 153, 154 und 183) des Futtermittels von 3,4 mg/kg Frischmasse. Die Fütterung erfolgte über einen Zeitraum von insgesamt 14 Wochen. Eine Abklingphase wurde nicht an den Fütterungsversuch angeschlossen. Die Versuche zeigen, dass in den Eiern bei Dioxinen nach etwa vier bis sechs Wochen ein Steady-State erreicht wurde. Bei PBDE erfolgte in den ersten fünf Wochen ein starker Anstieg der Gehalte in den Eiern (bis 24 mg/kg Fett). Im späteren Versuchsverlauf (Versuchswochen 10 bis 12) erfolgte eine Abnahme des PBDE-Summengehaltes auf etwa 3 mg/kg Fett. Als Ursache für diese Abnahme der Gehalte wird eine Aktivierung von metabolisierenden Enzymen vermutet. Die Aussagekraft des Fütterungsversuchs leidet jedoch unter der Tatsache, dass die Legehennen der zweiten Versuchsgruppe in den Wochen 7 bis 9 keine Eier legten. Zudem wurden sehr hohe PBDE-Konzentrationen eingesetzt, nur eine Konzentration gefüttert und auf eine Abklingphase verzichtet. Die in diesem Fütterungsversuch ermittelten Biokonzentrationsfaktoren, ermittelt aus dem Quotienten aus Konzentration im Abdominalfett [µg/kg Fett] und Konzentration im Futter [µg/kg Frischmasse], lagen im Bereich von 0,6 (für BDE 99) bis 2,2 (für BDE 154). Schlussfolgerungen Bislang existieren nur sehr wenige Untersuchungen zum Carry over von PBDE von Futtermitteln in Lebensmittel tierischer Herkunft. Die Carry over Gruppe kommt daher in ihrem Votum vom April 2010 (BMELV, 2010) zu dem Schluss, dass gezielte Fütterungsversuche zum Übergang von PBDE aus Futtermitteln in vom Tier stammende Lebensmittel durchgeführt werden sollten, um verlässlichere Aussagen zum Carry over dieser unerwünschten Stoffe zum erhalten. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Eigenschaften der einzelnen PBDE-Kongenere je nach Bromierungsgrad sollten dabei verschiedene PBDEFormulierungen zum Einsatz kommen. Es existieren jedoch Hinweise, dass PBDE sich weniger stark im Fettgewebe von landwirtschaftlichen Nutztieren anreichern als PCB und Dioxine. 105 Literatur: Alaee, M., Arias, P., Sjödin, A., Bergman, A. (2003). An overview of commercially used brominated flame retardants, their applications, their use patterns in different countries/regions and possible modes of release. Environ. Int. 29, 683-689. Arias, P. (2001). Brominated Flame Retardants – An overview. The Second International Workshop on Brominated Flame Retardants, 14.-16. Mai 2001, Stockholm. Bakker, M., de Winter-Sorkina, R., de Mul A., Boon, P., van Donkersgoed, G., van Klaveren, J., Baumann, B., Hijman, W., van Leeuwen, S., de Boer, J., Zeilmaker, M. (2008). Dietary intake and risk evaluation of polybrominated diphenyl ethers in The Netherlands. Mol. Nutr. 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Meist führt nur eine übermäßige Schimmelbildung zum Futtermittelverderb, wobei dieser Verderb durch Nährstoffabbau, aber auch durch Bildung von sekundären Stoffwechselprodukten der Pilze charakterisiert sein kann. Wirken sich diese sekundären Stoffwechselprodukte nachteilig auf Tiergesundheit und Leistung aus, so sind sie als Mykotoxine anzusprechen. Pilze der Gattung Fusarium werden klassisch den so genannten Feldpilzen zugeordnet, da sie überwiegend auf lebenden Pflanzen wachsen und ihre Toxine (z.B. Deoxynivalenol [DON], Zearalenon [ZEN]; Tab. 1) bilden. Demgegenüber sind viele Arten der Gattungen Penicillium und Aspergillus durch eine saprophytische Lebensweise charakterisiert, d.h., sie wachsen hauptsächlich auf abgestorbenem Pflanzenmaterial. Daher bilden diese Pilze ihre Toxine im Futtermittellager (hauptsächlich Silagen und Konzentratfuttermittel bei unsachgemäßer Lagerung; z.B. Ochratoxin A, Mycophenolsäure, Citrinin; Tab. 1), während die Toxinbildung durch Feldpilze zum Zeitpunkt der Ernte im Wesentlichen abgeschlossen ist. Da ein großer Teil der bereits auf dem Feld gebildeten Mykotoxine den Silierungsprozess unbeschadet übersteht, sind in Silagen neben typischen Vertretern der Lagerpilze auch Toxine der Feldpilze anzutreffen. Bewertung Entsprechend der Unterschiede in den chemischen Strukturen sind auch die Wirkmechanismen und Angriffspunkte der einzelnen Mykotoxine im tierischen Organismus recht verschieden (siehe Tab. 1). Dies erschwert die Abschätzung des toxischen Potentials eines Futtermittels oder einer Ration, das sich ohnehin schon aus der Anwesenheit einer Reihe von verschiedenen Mykotoxinen ergibt, zusätzlich. Hinzu kommen auch mögliche Wechselwirkungen zwischen den Mykotoxinen, welche summarisch den gesamten Effekt beim Tier bewirken und denen prinzipiell additiver, synergistischer aber auch antagonistischer Charakter zukommen kann. Von den mehreren hundert gegenwärtig bekannten Mykotoxinen kommt aber nur einigen eine praktische Bedeutung zu, da sie in Konzentrationen vorkommen können, die toxikologisch bedeutsam sind. Dazu zählen insbesondere die Mykotoxine DON und ZEN, die durch verschiedene Fusarium-Arten gebildet werden (Tab. 1) und in Konzentrationen vorkommen können, die eine nachgewiesene nachteilige Wirkung beim Tier haben. 108 Tab. 1. Wirkmechanismen und pathophysiologische Effekte von einigen Mykotoxinen sowie deren Bedeutung in der Fütterung (nach verschiedenen Quellen) Mykotoxine Wirkmechanismen und pathophysiologische Effekte Prädisponierte Futtermittel Zearalenon (ZEN) Östrogen-ähnlich, Störungen im Reproduktionsgeschehen Proteinsynthese-hemmend; immunmodulierend, verzehrsdepressiv, zytotoxisch, dermatotoxisch, hepatotoxisch Proteinsynthese-hemmend; immunmodulierend, verzehrsdepressiv Störungen im SphingolipidStoffwechsel; hauptsächlich in Leber, Lungen (porcines pulmonales Ödemsyndrom) und Gehirn (equine Leukoencephalomalazie) DNA- und Proteinadduktbildung, carcinogen, cytototoxisch, hepatotoxisch Mais, Weizen T-2 Toxin Deoxynivalenol (DON) Fumonisine (FUM) Aflatoxin B1 Lolitrem B Ochratoxin A (OTA) Citrinin Roquefortin C Mycophenolsäure Monacoline Betroffene landwirtschaftliche Nutztiere1 Schwein > Wdk. > Huhn Schwein > Wdk. ~ Huhn Relevanz 2 Mais, Weizen Schwein > Wdk. ~ Huhn ++ Mais Pferd ~ Schwein > Wdk. ~ Huhn - (?) Wdk., Schwein, Geflügel - (weltweit: ++) Wdk., Pferd Schwein > Geflügel > Wdk. -(?) + Schwein, Wdk. ? Wdk. ? Wdk. ? Wdk. ? Hafer, Gerste, Mais, Weizen Erdnüsse, Baumwollsaat, Mais, Sonnenblumenkerne, Sojabohnen Neurotoxisch Weidegräser Proteinsynthese-hemmend, Förderung Mais, Roggen, der Lipid-Peroxidation; Weizen, Triticale, immunmodulierend, Nieren und Leber Gerste; häufig mit als primäre Zielorgane Citrinin cokontaminiert Verminderung der selektiven Mais, Roggen, Membranpermeabilität, Nieren und Weizen, Triticale, Leber als primäre Zielorgane, Gerste; Mais- und Polydipsie, Polyurie Grassilagen Hemmung von P450-Cytochromen; Mais- und antibiotisch, neurotoxisch Grassilagen Hemmung der Mais- und Lymphozytenproliferation, Grassilagen immunsuppressiv, antibiotisch Hemmung der Sterolsynthese Mais- und Grassilagen ++ + 1 Nicht aufgeführte Tierarten sind weniger empfindlich oder es liegen nur ungenügende experimentelle Daten zur Toxizität vor; 2 Relevanz unter praktischen Fütterungsbedingungen der BRD:"++ "große Bedeutung, "+" bedeutungsvoll," -" geringe Bedeutung, "?" Bedeutung noch nicht hinreichend geklärt. Wdk. - Wiederkäuer Dabei hängt die nachteilige Wirkung wiederum von der tierartspezifischen Empfindlichkeit ab. Es ist auffällig, dass insbesondere das Schwein gegenüber ZEN und DON sehr empfindlich mit den in Tab. 1 genannten Symptomen reagiert, was sich in den niedrigsten Orientierungswerten für kritische Konzentrationen dieser Toxine in Ergänzungs- und Alleinfuttermitteln äußert (Tab. 2). Die Einhaltung dieser Werte soll sicherstellen, dass es unter üblichen Produktionsbedingungen nicht zu nachteiligen Wirkungen bei den berücksichtigten Tierarten kommt. Darüber hinaus wurden Orientierungswerte für Ochratoxin A (OTA) und Fumonisine (FUM) empfohlen (Tab. 2). Neben Orientierungswerten für 109 Alleinfuttermittel, die für die tatsächliche Exposition der Tiere von besonderer Bedeutung sind, wurden auch Orientierungswerte für Futtermittelausgangserzeugnisse herausgegeben. Tab. 2. Empfehlung der Kommission der Europäischen Union für Richtwerte (Orientierungswerte) von Mykotoxinen in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen Mykotoxin Zur Fütterung bestimmte Erzeugnisse Futtermittelausgangserzeugnisse (*) Getreide und Getreideerzeugnisse (**) außer Maisnebenprodukte Maisnebenprodukte Ergänzungs- und Alleinfuttermittel außer: Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Schweine Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Kälber (< 4 Monate), Lämmer und Ziegenlämmer Zearalenon Futtermittelausgangserzeugnisse (*) Getreide und Getreideerzeugnisse (**) außer Maisnebenprodukte Maisnebenprodukte Ergänzungs- und Mischfuttermittel Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Ferkel und Jungsauen Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Sauen und Mastschweine Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Kälber, Milchkühe, Schafe (einschließlich Lämmer) und Ziegen (einschließlich Ziegenlämmer) Ochratoxin A Futtermittelausgangserzeugnisse (*) Getreide und Getreideerzeugnisse (**) Ergänzungs- und Alleinfuttermittel Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Schweine Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für Geflügel Fumonisin B1 + B2 Futtermittelausgangserzeugnisse (*) Mais und Maiserzeugnisse (***) Ergänzungs- und Alleinfuttermittel für: Schweine, Pferde (Equidae), Kaninchen und Heimtiere Fische Geflügel, Kälber (< 4 Monate), Lämmer und Ziegenlämmer Wiederkäuer (> 4 Monate) und Nerze Richtwert in mg/kg (ppm) für ein Futtermittel mit einem Feuchtegehalt von 12 % Deoxynivalenol 8 12 5 0,9 2 2 3 0,1 0,25 0,5 0,25 0,05 0,1 60 5 10 20 50 (*) Bei Getreide und Getreideerzeugnissen, die unmittelbar an Tiere verfüttert werden, ist auf Folgendes zu achten: Ihre Verwendung in einer Tagesration sollte nicht dazu führen, dass das Tier einer höheren Menge an diesen Mykotoxinen ausgesetzt ist als bei einer entsprechenden Exposition, wenn in einer Tagesration nur die Alleinfuttermittel verwendet werden. (**) Der Begriff „Getreide und Getreideerzeugnisse“ umfasst nicht nur die unter der Überschrift 1 „Getreidekörner, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse“ des nicht ausschließlichen Verzeichnisses der wichtigsten Futtermittel-Ausgangserzeugnisse in Teil B des Anhangs zur Richtlinie 96/25/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Verkehr mit Futtermittelausgangserzeugnissen (ABl. L 125 vom 23.5.1996, S. 35) aufgeführten Futtermittelausgangserzeugnisse, sondern auch andere aus Getreide gewonnene Futtermittelausgangserzeugnisse, vor allem Getreidegrünfutter und -raufutter. (***) Der Begriff „Mais und Maiserzeugnisse“ umfasst nicht nur die aus Mais gewonnenen Futtermittelausgangserzeugnisse, die unter der Überschrift 1 „Getreidekörner, deren Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse“ des nicht ausschließlichen Verzeichnisses der wichtigsten Futtermittelausgangserzeugnisse in Teil B des Anhangs zur Richtlinie 96/25/EG aufgeführt sind, sondern auch andere aus Mais gewonnene Futtermittelausgangserzeugnisse, vor allem Maisgrünfutter und -raufutter. Quelle: Empfehlung der Kommission vom 17. August 2006 betreffend das Vorhandensein von Deoxynivalenol, Zearalenon, Ochratroxin A, T-2- und HT-2-Toxin sowie von Fumonisinen in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen (Text von Bedeutung für den EWR) (2006/576/EG) Amtsblatt der Europäischen Union L 229/7 (23.8.2006) 110 Während sich die Festlegung der Orientierungswerte für Ergänzungs- und Alleinfuttermittel nach der tierartspezifischen Empfindlichkeit bzw. der Bedeutung des Toxins am Carry overGeschehen richtete, fand bei der Etablierung der Orientierungswerte für Futtermittelausgangserzeugnisse das Getreide sowie Mais als bedeutende Eintragsquellen von DON, ZEN und Fumonisinen besondere Berücksichtigung. Die in Tab. 2 mitgeteilten Orientierungswerte wurden von der Kommission der Europäischen Union auf der Grundlage der Abschätzung des Risikos, das von verschiedenen Mykotoxinen für landwirtschaftliche Nutztiere sowie den Verbraucher ausgeht, durch den KontaminantenAusschuss der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem ersten Schritt des Risikomanagements für Mykotoxine auf Europäischer Ebene im Jahre 2006 etabliert. Zu den Mykotoxinen, für die noch zu wenige Daten zum Vorkommen in Futtermitteln vorlagen, um eine adäquate Risikoabschätzung vornehmen zu können, zählten insbesondere das T-2 und das HT-2 Toxin. Zwischenzeitlich hat sich die EFSA auch zum Risiko, das von Futtermitteln, die mit T-2 und HT-2 Toxin kontaminiert sind, ausgeht, geäußert, so dass mit einer Etablierung von Orientierungswerten auch für diese Toxine zu rechnen ist. Vorkommen in Getreide und Mischfuttermitteln für Schweine Ausgehend von der Empfehlung der Kommission der Europäischen Union im Jahr 2006 zu den Orientierungswerten für kritische Konzentrationen von DON, ZEN, OTA und FUM für Futtermittelausgangserzeugnisse sowie Ergänzungs- und Alleinfuttermitteln wurden die EUMitgliedsstaaten aufgefordert, Futtermittel auf das gleichzeitige Vorkommen dieser, sowie weiterer Mykotoxine zu untersuchen. Entsprechend dieser Forderung wurde das Nationale Kontrollprogramm bezüglich des Vorkommens von Mykotoxinen in Futtermitteln ausgerichtet (Abb. 1 und 2). Betrachtet man aus dem Spektrum der untersuchten Futtermittel risikoorientiert die Futtermittelausgangserzeugnisse sowie die Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine, dann fällt auf, dass insbesondere Mais einen vergleichsweise höheren Anteil von Proben aufweist, die positiv für DON, ZEN und FUM detektiert wurden. Ergänzungs- und Mischfuttermittel hingegen wiesen einen deutlich geringeren Anteil positiver Befunde auf (Abb. 1), der für DON und ZEN etwa zwischen 20 und 40 % und für FUM sogar noch deutlich unter 15 % lag. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass ein direkter Vergleich zwischen den Toxinen aufgrund unterschiedlicher analytischer Bestimmungsgrenzen nur bedingt möglich ist. Vergleicht man nun die absolut gemessenen Konzentrationen dieser Mykotoxine der Futtermittelausgangserzeugnisse (Mais und Getreide) mit den entsprechenden Orientierungswerten in Tab. 2, dann wird deutlich, dass selbst die maximal gemessenen Konzentrationen in keinem Fall die entsprechenden Orientierungswerte erreichten (Abb. 2), wenngleich der "Ausschöpfungsgrad" für DON und ZEN höher war als bei OTA und den FUM. Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass die Orientierungswerte für Futtermittelaus- 111 gangserzeugnisse offensichtlich zu hoch bemessen sind, als dass durch dieses Instrument eine Prävention der Toxinbildung im Sinne einer Risikominimierung erreicht werden könnte. Betrachtet man hingegen die Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine, dann wurden die jeweiligen Orientierungswerte durch die maximal detektierten Konzentrationen teilweise überschritten, wohingegen Konzentrationen, die durch das 90. Perzentil eingeschlossen sind, in keinem Fall die Orientierungswerte erreichten. Dies macht deutlich, dass Überschreitungen des Orientierungswertes im Einzelfall auftreten können, aber für die Grundgesamtheit der Ergänzungs- und Mischfuttermittel für Schweine kein Risiko besteht. Einschränkend gilt diese Aussage nur für das betreffende Untersuchungsjahr 2008. (a) 159 23 19 37 Getreide Ferkel Sauen Mastschweine 351 83 379 43 33 85 26 18 41 Sauen 47 32 Ferkel 24 36 Getreide Mais 120 Deoxynivalenol Mastschweine 71 72 Mais 100% 80% 60% 40% 20% 0% Zearalenon 6 23 5 9 14 Getreide Ferkel Sauen Mastschweine Ochratoxin A 107 37 231 44 32 85 4 5 1 7 Mastschweine 102 Sauen 34 Ferkel 55 Getreide 441 Mais 81 Mais (b) 100% 80% 60% 40% 20% 0% Fumonisine B1 + B2 Abb. 1. Ergebnisse des Nationalen Kontrollprogramms bezüglich des Vorkommens von Deoxynivalenol und Zearalenon (a) sowie Ochratoxin A und Fumonisin B1 + B2 (b) in Getreidekörnern und Mischfuttermitteln für Schweine für das Jahr 2008, dargestellt als Häufigkeit und Zahl von Proben mit Konzentrationen, die geringer (█)oder höher ( ) als die Bestimmungsgrenzen waren (BVL, 2008) Deoxynivalenol [mg/kg] 112 12.0 12 (a) 10 8.0 8 6 4 2 5.2 4.4 3.7 2.4 0.5 0 Mais 0.0 Getreide 0.9 0.2 Ferkel 0.9 0.0 0.4 0.2 0.5 0.9 0.0 Sauen Mastschweine 3.0 3.0 Zearalenon [mg/kg] 0.9 0.5 0.0 (b) 2.5 2.0 2.0 1.5 1.1 1.0 0.5 0.5 0.4 0.3 0.0 0.0 0.0 0.0 Mais Getreide 0.25 0.0 0.1 0.0 0.1 0.0 0.1 0.0 0.1 Ferkel Sauen 0.0 0.0 0.3 Mastschweine 0.25 Ochratoxin A [mg/kg] 0.25 (c) 0.20 0.15 0.09 0.10 0.05 0.05 0.00 0.01 0.00 0.0 0.00 Mais 0.0 Getreide 0.05 0.000.01 0.0 0.02 0.0 0.00 Ferkel Sauen 0.05 0.00 0.05 0.0 Mastschweine 60.0 Fumonisine [mg/kg] 60 (d) 50 40 30 20 6.2 10 0 0.0 1.2 Mais 0.0 3.2 0.0 Getreide 0.0 0.9 0.1 Ferkel 5.0 5.0 0.0 0.1 0.0 Sauen 0.0 0.9 0.0 5.0 Mastschweine Abb. 2. Ergebnisse des Nationalen Kontrollprogramms bezüglich des Vorkommens von Deoxynivalenol (a), Zearalenon (b), Ochratoxin A (c) und Fumonisin B1+B2 (d) in Getreidekörnern und Mischfuttermitteln für Schweine für das Jahr 2008, dargestellt als Konzentrationen: Maximum (█ ); Median ( ); 90th Perzentil ( ); Orientierungswert (siehe Tab. 2, ) (BVL, 2008). 113 Vorkommen in Stroh und Bedeutung von Stroh als Expositionsquelle für das Schwein Stroh kommt als Einstreumaterial sowie als Strukturkomponente in Futterrationen zum Einsatz. Vor allem für Schweine, die besonders empfindlich auf eine Reihe von Mykotoxinen reagieren (Tab. 1) und die mehr als 10 % der täglichen Gesamtration als Stroh aus der Einstreu aufnehmen können, wird Stroh als zusätzliche orale Mykotoxin-Expositionsquelle vermutet. Eine quantitative Expositionsabschätzung fehlte ebenso wie Angaben zur Bioverfügbarkeit der mit dem Stroh aufgenommenen Mykotoxine. Ziel eines bundesweiten Screenings auf der Grundlage des Strohaufkommens der Bundesländer von insgesamt 201 Strohproben der Erntejahre 2007 und 2008 (Abb. 3) war es, das Vorkommen und die Variation von DON und anderen Trichothecenen, ZEN und OTA besser abschätzen zu können sowie die Bioverfügbarkeit von DON aus Weizenstroh im Vergleich zu der aus zellwandärmeren Weizenkörnern beim Schwein zu bestimmen. Abb. 3. Strohaufkommen und Probenverteilung des bundesweiten Screenings von Stroh auf verschiedene Mykotoxine der Erntejahre 2007 und 2008 Tab. 3. Mittlere Konzentration von DON, weiteren Trichothecenen sowie von ZEN in Strohproben aus dem bundesweiten Screening in Abhängigkeit vom Erntejahr (Sondermann, 2011) Mittelwert (µg/kg)* Maximum (µg/kg) Toxin 2007 2008 2007 2008 Nivalenol 80 a 149 b 2486 2473 1163 a 873 a 23269 9035 15-Acetyl-DON 79 b 35 a 2437 1834 HT-2 Toxin 28 a 49 b 413 674 T-2 Toxin 11 a 22 a 110 214 ZEN 56 b 29 a 524 767 DON (a, b = kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05) * Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze) Mittelwert (µg/kg)* Toxin Weizen Gerste DON 1446 b 789 a Nivalenol 80 149 2486 2473 1163 a 873 a 23269 9035 15-Acetyl-DON 79 b 35 a 2437 1834 HT-2 Toxin 28 a 49 b 413 674 T-2 Toxin 11 a 22 a 110 214 DON 114 Tab. von DON,29weiteren Trichothecenen sowie von ZEN in a 524 767 ZEN 4. Mittlere Konzentration 56 b Strohproben aus dem bundesweiten Screening in Abhängigkeit von der Strohart (Sondermann, ( , = kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05) 2011) * Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze) a b Mittelwert (µg/kg)* Toxin Weizen Gerste DON 1446 b 789 a 15-Acetyl-DON 122 b 18 a HT-2 Toxin 23a 61 b T-2 Toxin 11 a 26 b ZEN 52 b 19 a (a, b = kennzeichen signifikante Unterschiede (p < 0,05) * Proben unterhalb der Nachweisgrenzen = halbe Nachweisgrenze) Die DON-Konzentrationen der Screening-Proben (83 % positive Proben) variierten in Abhängigkeit von Erntejahr (Tab. 3) und Strohart (Tab. 4) zwischen 0,016 und 23,27 mg/kg, wobei die mittlere Konzentration 1,23 mg/kg betrug [Diese Konzentrationsangaben, wie auch alle folgenden, beziehen sich auf den futtermittelrechtlich üblichen Basis-Trockenmassegehalt von 88 %]. ZEN war in 46 % der 201 Proben nachweisbar, wobei eine mittlere Konzentration von 0,089 mg/kg bei einem Schwankungsbereich von 0,007 bis 0,767 mg/kg gemessen wurde. OTA wurde lediglich in einer einzelnen Probe im Spurenbereich von 0,0015 mg/kg festgestellt. Neben DON wurden weitere Typ B-Trichothecene, wie Nivalenol sowie 3- und 15-Acetyl-DON als auch die Typ A-Trichothecene Scirpentriol, 15-Monoacetoxyscirpenol, 4,15-Diacetoxyscirpenol, T-2-Toxin, HT-2-Toxin, T-2-Tetraol, T-2-Triol und Fusarenon-X in unterschiedlichen Konzentrationen und Häufigkeiten detektiert . Die Strohproben enthielten im Mittel 3 Toxine; allerdings wurde auch das gleichzeitige Vorkommen von bis zu 10 Toxinen festgestellt. Unterschiedliche Gehalte und Vorkommen der einzelnen Mykotoxine sind dabei insbesondere bedingt durch Strohart, Erntejahr, Anbauregion, Vorfrucht und Bodenbearbeitung. Die Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von DON aus Weizenstroh zeigten keine Unterschiede zur DON-Verfügbarkeit aus Weizenkörnern (Abb. 4). Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil des Strohs an der DON-Exposition von Schweinen allein vom Grad der DON-Gehalte im Stroh sowie der tatsächlichen Menge an aufgenommenem Stroh abhängt. Dosis korrigierte DON-PlasmaKonzentration [(ng/ml)/(µg/kg)] 115 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 00 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Zeit (h) Abb. 4. 8 Mittlere Verläufe der um die Dosis korrigierten DON-Plasma-Konzentrationen nach oraler Exposition mit DON-kontaminiertem Weizenstroh ( ), -körnern ( ) und kaff ( ) über 24 Stunden (Rohweder et. al., 2012) 20 Strohaufnahme (% der Futteraufnahme) 18 Strohaufnahme (Barneveld 2005) 16 14 12 Maximalwert vom bundesweiten Screening (23,27 mg/kg) 10 Mittelwert vom bundesweiten Screening (1,23 mg/kg) 8 6 DON-Gehalt der GesamtAufnahme (mg/kg) 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 DON-Gehalt im Stroh (mg/kg) 20 22 24 > 0,9 < 0,9 Abb. 5. Kombinationen von Strohaufnahme und DON-Kontaminationsniveau, die zu einer Überschreitung des Orientierungswertes von DON für Alleinfuttermittel für Schweine (Tab. 2) führen (Rohweder, 2012) Wird für eine Risikoabschätzung eine mittlere DON-Konzentration von 1,23 mg/kg Stroh sowie eine maximale Strohaufnahme von 14 % der Gesamttagesration für das Schwein unterstellt (van Barnevelt, 2005), so ergibt sich durch den Anteil des Strohverzehrs eine DONKonzentration von 0,17 mg/kg an der gesamten Tagesration. Bei Zugrundelegung der maximal ermittelten DON-Konzentration von 23,27 mg/kg errechnet sich eine entsprechende DON-Konzentration von 3,28 mg/kg. Daher wäre im Maximalfall ein Überschreiten des Richtwertes für die DON-Konzentration in der täglichen Ration für Schweine von 0,9 mg/kg (Tab. 2) einzig durch den Verzehr von Stroh gegeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass im Mittel deutlich weniger Stroh von Schweinen freiwillig aufgenommen wird. Ferner ist zu 116 beachten, dass der Richtwert für Stroh als Einzelfuttermittel 8 mg/kg beträgt (Tab. 2). Über die unterschiedlichen Kombinationen zwischen Strohkontamination und Strohaufnahme im Hinblick auf den Richtwert von 0,9 mg/kg in der Tagesration gibt Abb. 5 Aufschluss. Für ZEN lassen sich ähnliche Risikoabschätzungen vornehmen. Die ZEN-Gehalte in der täglichen Ration für Schweine überschreiten bei mittleren Gehalten (ermittelter Mittelwert von 0,089 mg/kg) und der genannten maximalen Strohaufnahme die Richtwerte von 0,1 mg/kg für Jungsauen bzw. von 0,25 mg/kg für Zuchtsauen und Mastschweine (Tab. 2) nicht. Unter Berücksichtigung der maximal ermittelten ZEN-Konzentration von 0,767 mg/kg Stroh erreicht die Tagesration eine Konzentration von 0,11 mg/kg; damit würde der Richtwert Deoxynivalenol (mg/kg T) für Jungsauen allein durch den Strohanteil überschritten. 120 100 Spelzen 80 Stroh 60 Korn 40 20 0 0 Zearalenon (µg/kg T) (a) Spindeln 2 9 16 23 30 37 44 51 58 700 600 500 400 300 200 100 0 (b) 16 23 30 37 44 51 58 Tage nach Inokulation Abb. 6. Entwicklung der DON (a) sowie ZEN (b) -Konzentrationen in verschiedenen Fraktionen von Weizenpflanzen nach künstlicher Inokulation des Weizens mit Fusarium culmorum in die Blüte (Matthäus et al. 2004; Brinkmeyer et al., 2006) Insgesamt kann geschlussfolgert werden, dass Stroh im Vergleich zu anderen Getreidefuttermitteln nicht als eine besonders prädisponierte Quelle für die untersuchten Mykotoxine anzusehen ist. Dies stimmt auch mit den Ergebnissen eines Feldversuches überein, nach dem die Fraktionen "Körner" und "Stroh" eine vergleichbare DON-Kontaminationsdynamik im Verlauf der Getreideentwicklung aufwiesen, während Spelzen und Spindeln deutlich höher 117 kontaminiert waren. Im Vergleich dazu ist die ZEN-Konzentration im Stroh höher als in den Körnern, wenngleich auch hier die Spelzen und Spindeln durch deutlich erhöhte Konzentrationen auffallen. Das potenzielle Risiko für landwirtschaftliche Nutztiere, insbesondere für das Schwein, hängt neben den Gehalten im Stroh auch von der tatsächlichen Strohaufnahme aus der Ration bzw. aus der Einstreu ab. Die Mykotoxin-Exposition über die tägliche Gesamtration sollte daher unter Berücksichtigung des Strohs als Rationsbestandteil oder als Einstreu bewertet und durch geeignete Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden. Darüber hinaus trägt die Verwendung von hygienisch einwandfreiem Stroh mit geringen Mykotoxinkonzentrationen auch zu einer Verringerung einer potenziellen und schwer abschätzbaren zusätzlichen inhalativen Exposition über oberflächlich dem Stroh anhaftende kontaminierte Stäube bei. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Unter den Produktionsbedingungen der BRD kommt insbesondere den Mykotoxinen DON und ZEN eine herausragende Bedeutung zu, da sie in Konzentrationen vorkommen können, die vor allem beim Schwein zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit und der Leistung führen. Diese tierartspezifische Empfindlichkeit kommt auch in den niedrigsten Orientierungswerten für kritische Konzentrationen dieser Mykotoxine in Alleinfuttermitteln zum Ausdruck (Tab. 2). Aus dem Vorkommen dieser Toxine in Ergänzungs- und Alleinfuttermitteln für Schweine geht hervor, dass diese Orientierungswerte gelegentlich überschritten werden. Zusätzlich aus der Einstreu aufgenommene Mykotoxine sind in ihrem Beitrag zur gesamten Exposition des Schweins ähnlich einzuschätzen wie Getreidekörner, da ihr Kontaminationsniveau in etwa dem der Körner entspricht. Das Nationale Kontrollprogramm zum Vorkommen von Mykotoxinen in Futtermittelausgangserzeugnissen zeigt, dass Mais häufiger mit DON und ZEN kontaminiert ist, so dass präventive Maßnahmen insbesondere diese Futterpflanze im Fokus haben sollten (siehe auch Oldenburg und Rodemann in diesem Band). Literatur Brinkmeyer U, Dänicke S, Lehmann M, Valenta H, Lebzien P, Schollenberger M, Südekum K-H, Weinert J, Flachowsky G. (2006). Influence of a Fusarium culmorum inoculation of wheat on the progression of mycotoxin accumulation, ingredient concentrations and ruminal in sacco dry matter degradation of wheat residues. Arch Anim Nutr. 60:141-157. Matthäus K, Dänicke S, Vahjen W, Simon O, Wang J, Valenta H, Meyer K, Strumpf A, Zieseniß H, Flachowsky G. (2004). Progression of mycotoxin and nutrient concentrations in wheat after inoculation with Fusarium culmorum. Arch Anim Nutr. 58:19-35. Rohweder, D. (2012). Persönliche Mitteilung. 118 Rohweder D., Kersten S., Valenta H., Sondermann S., Schollenberger M., Drochner W., Dänicke S. (2012). Bioavailability of the Fusarium toxin deoxynivalenol (DON) from wheat straw and chaff in pigs. Submitted. Sondermann, S. (2011). Untersuchungen zur Belastung von Getreidestroh mit FusariumToxinen und Ochratoxin A in Deutschland mit Verfügbarkeitsstudien. Dissertation, Universität Hohenheim. Van Barneveld, R. (2005). Accurate assessment of diet intake and composition in various pig housing systems; Pig Research Report (APL Project 1754) 119 Minimierungsstrategien für Mykotoxine bei Anbau, Ernte und Verarbeitung E. Oldenburg und B. Rodemann Julius Kühn-Institut, Braunschweig C. Schwake-Anduschus und K. Münzing Max Rubner-Institut, Detmold Einleitung Ein Befall von Kulturpflanzen mit pilzlichen Schaderregern kann bereits während des Aufwuchses im Feld zur Bildung von Mykotoxinen im infizierten Gewebe führen und die Qualität von Ernteprodukten beeinträchtigen. Im Getreide- und Maisanbau sind Pilze der Gattung Fusarium aufgrund der häufig gebildeten Fusariumtoxine, insbesondere Deoxynivalenol (DON), Zearalenon und Fumonisine, von großer Bedeutung (Placinta et al. 1999, Logrieco et al. 2002). Da diese Toxine aufgrund ihrer Toxikologie die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Tier und Mensch beeinträchtigen können (Bennett und Klich 2003), wurden in der EU für diese Stoffe Richtwerte für den Futtermittelbereich (Empfehlung der Kommission 2006/576/EG) sowie Höchstmengen für den Lebensmittelbereich (Verordnungen der Kommission 2006/1881/EG und 2007/1126/EG) im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes erlassen. Um eine nachhaltige Produktion von einwandfreien und gesunden Futter- und Lebensmitteln sicherzustellen, sind Strategien zur Minimierung von Mykotoxinen in allen Bereichen der Futter- und Lebensmittelkette anzuwenden (Empfehlung der Kommission 2006/583/EG). Während des Anbaus im Feld bestimmen eine Vielzahl von witterungsspezifischen, pflanzenbaulichen und anbautechnischen Faktoren das Fusarium-Infektionsrisiko und damit auch das Toxin-Kontaminationsrisiko von Getreide und Mais (Abb.1) 120 Abb. 1: Einfluss und Zusammenwirken verschiedener Faktoren auf den Fusarium- Befall von Getreide und Mais (modifiziert nach Bartels und Rodemann, 2003) Für einen Fusarienbefall der Pflanzen ist zunächst das vom Boden ausgehende Infektionspotential oder Ausgangsinokulum von Bedeutung. Der Infektionsdruck geht insbesondere von Pflanzenresten von Getreide und Mais aus, die mit Fusarien bereits infiziert wurden und damit potentielle Infektionsquellen für die nachfolgenden Kulturpflanzen darstellen. Das Zusammenspiel zwischen Ausgangsinokulum und Witterung entscheidet in der Folge über die Stärke des Infektionsrisikos für die Pflanze. Frühjahrsbedingungen, die die Entwicklung der Schaderreger auf den Pflanzenresten fördern, erhöhen das Befallsrisiko während des Aufwuchses der Pflanzen. Zum Zeitpunkt der Blüte von Weizen gelten Witterungsbedingungen mit Temperaturen > 18 °C und täglichen Niederschlägen von mindestens 3-5 mm Regen als besonders infektionsbegünstigend. Beim Weizen führt die Infektion zunächst zum Befall einzelner Ährchen, die nachfolgend ausbleichen. Je nach Infektionszeitpunkt und Infektionsintensität wächst der Pilz bis zur Spindel und in die unterhalb der Infektionsstelle liegenden Kornanlagen. So entsteht dann das typische Schadbild der Partiellen Taubährigkeit. Beim Mais erfolgt die Primärinfektion der weiblichen Blüte meist über die Narbenfäden an der Kolbenspitze. Danach wächst der Pilz zunächst durch die Spindel in Richtung auf die Kolbenbasis und infiziert nachfolgend die sich entwickelnden Körner (Oldenburg und Ellner, 2010). Da in das Witterungsgeschehen nicht steuernd eingegriffen werden kann, kommt pflanzenbaulichen, anbau- und erntetechnischen sowie konservierungs- und lagerungstechnischen Maßnahmen, die risikomindernd wirken und in der Entscheidungskompetenz der Landwirtschaft liegen, eine wesentliche Bedeutung zu. Diese Maßnahmen sollten situationsbedingt und standortgerecht aufeinander abgestimmt werden, um ein Zusammentreffen von mehreren infektions- und kontaminationsbegünstigenden Faktoren so weit wie möglich zu vermeiden. 121 Fruchtfolge Aufgrund der Bedeutung des Fusarium-Inokulumpotentials für das Infektionsrisiko kommt der Fruchtfolgegestaltung eine wichtige Stellung zu. In engen Fruchtfolgen mit hohem Anteil an Getreide und Mais folgen Feldfrüchte unmittelbar aufeinander, die bevorzugt von Fusarien befallen werden. Als besonders infektionsfördernd gilt der Mais als Vorfrucht vor Weizen aufgrund des hohen Infektionsdrucks, der von den Stoppeln ausgehen kann (Bartels und Rodemann, 2003). Risikomindernd wirken daher erweiterte Fruchtfolgen, in denen der Maisanteil reduziert und/oder der Anteil an Sommerungen und Blattfrüchten erhöht ist. Sortenresistenz Im Rahmen einer integrierten Bekämpfungsstrategie kommt der Sortenresistenz gegenüber Fusarium-Krankheiten und damit auch der Minimierung von Mykotoxinen eine besondere Bedeutung zu. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde sowohl beim Weizen (Abb. 2) als auch beim Mais (Abb. 3) ein enger positiver Zusammenhang zwischen dem Fusariumbefall der betroffenen pflanzlichen Organe und den DON-Gehalten in den Körnern festgestellt. Somit ist die Befallsbonitur bzw. der Befallsgrad des Weizens mit Fusarium in der Ähre bzw. des Maises mit Fusarium am Kolben ein Gradmesser für die Belastung mit Mykotoxinen. Abb. 2: Korrelation zwischen dem Fusarium-Ährenbefall (visuelle Befallsbonitur) und dem Deoxynivalenol-Gehalt in Winterweizen-Körnern (Rodemann und Bartels, 2007) 122 Abb. 3: Korrelation zwischen dem Fusarium-Kolbenbefall (visuelle Befallsbonitur) und dem Deoxynivalenol-Gehalt in Maiskörnern (Oldenburg und Ellner, 2011) Vollständig resistente Genotypen sind bisher weder bei Getreide noch beim Mais verfügbar. Umfangreiche Bewertungen der Resistenz von Weizensorten ergaben deutliche Unterschiede in der Anfälligkeit gegenüber Fusarien (Abb. 4) und führten zur Klassifizierung der Sorten in unterschiedliche Befallseinstufungen durch das Bundessortenamt (BSA). Abb. 4: Zusammenhang zwischen der BSA-Sorteneinstufung und dem Fusarium-Ährenbefall sowie dem DON-Gehalt in Weizenkörnern (Rodemann und Mielke, 2007) Als mittel bis hoch anfällig gelten Weizensorten der BSA-Einstufung ≥ 5. Als wenig anfällig werden Weizensorten mit BSA-Einstufung 2-3 bewertet, die ca. 20% des derzeit zugelassenen Sortimentes stellen, darunter auch ertragreiche Sorten. Weizensorten mit guter Widerstands- 123 fähigkeit gegenüber Fusarium sollten insbesondere an Standorten mit hoher Niederschlagsneigung zum Zeitpunkt der Getreideblüte, bei Anwendung von konservierender Bodenbearbeitung, bei Mais als Vorfrucht von Getreide sowie bei engen Getreidefruchtfolgen gewählt werden. Beim Mais wurden bisher nur Sortencharakterisierungen bezüglich der Anfälligkeit gegenüber der Stängelfäule, die auch von Fusarien verursacht wird, vom Bundessortenamt vorgenommen. Ein Zusammenhang zwischen der Fusarium-Stängelfäule und der Kolbenfusariose besteht jedoch aufgrund der unterschiedlichen Infektionswege nicht. Daher wären SortenBewertungen bezüglich der Kolbenfusariose-Anfälligkeit im Hinblick auf eine erweiterte Einschätzung des Mykotoxinrisikos beim Mais wünschenswert. Bodenbearbeitung Die Überdauerung der Erreger erfolgt in der vegetationsfreien Zeit an Ernterückständen auf der Bodenoberfläche. Während des Aufwuchses der Folgefrucht stellen verbliebene Ernterückstände der Vorfrucht eine ständige potentielle Infektionsquelle dar. Je mehr infektiöses Pflanzenmaterial auf der Oberfläche verbleibt, desto höher ist die Infektionsgefahr. Deshalb geht von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren ein potentiell höheres Risiko aus als von wendender Bodenbearbeitung (Weinert et al., 2008, Oldenburg et al., 2008). Die Beseitigung von Ernterückständen von der Bodenoberfläche gelingt am sichersten durch eine saubere Pflugfurche. Jedoch kann auch nach der Pflugbearbeitung in Folgejahren unverottetes Pflanzenmaterial wieder an die Bodenoberfläche gelangen und das Infektionsgeschehen erneut in Gang setzen. Deshalb wird rotteförderndes Häckseln und gleichmäßiges Verteilen von Mais- und Getreiderückständen generell vor wendender und nicht wendender Bodenbearbeitung empfohlen. Bei Anwendung von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren sollte auf ein gleichmäßiges Einarbeiten von Mais- und Getreideresten in die Krume geachtet werden, um Verottungsvorgänge zu beschleunigen. Mit der Wahl von Weizen- (Oldenburg et al., 2007) als auch Maissorten mit geringer Anfälligkeit gegenüber Fusarium kann der erhöhten Infektionsgefahr bei Anwendung von konservierenden Bodenbearbeitungsverfahren effizient entgegengewirkt werden (Abb. 5 und 6). Auf eine Direktsaat sollte bei engen Getreide-Fruchtfolgen incl. Mais grundsätzlich verzichtet werden. 124 Abb. 5: Einfluss der Fusarium-Anfälligkeit von Weizensorten und der Bodenbearbeitung auf den Deoxynivalenol-Gehalt von Weizenkörnern (Oldenburg, 2009) Abb. 6: Einfluss der Stängelfäule-Anfälligkeit von Maissorten und der Bodenbearbeitung auf den Deoxynivalenol-Gehalt von Silomais (Oldenburg et al., 2009) Chemischer Pflanzenschutz Da chemische Pflanzenschutzmaßnahmen nicht voll wirksam sind, sollten Pflanzenschutzstrategien im Rahmen integrierter Konzepte nachhaltig sowie unter Berücksichtigung von standortspezifischen Riskofaktoren und wetterspezifischen Prognosemodellen angewandt und auf das notwendige Maß entsprechend der Richtlinie 2009/128/EG begrenzt werden. Im Getreideanbau sind in Deutschland Fungizide gegen Ährenfusarium zugelassen. Wichtig ist die zeitnahe Applikation der Pflanzenschutzmittel zum Infektionszeitpunkt in der Blüte, um 125 Befallsreduzierungen von 60-70% zu erreichen (Bartels und Rodemann, 2003). Im Maisanbau sind fungizide Beizmittel zur Bekämpfung von samenbürtigem Fusarium-Befall sowie Auflaufkrankheiten und Insektizide gegen den Maiszünsler zugelassen, der mit seinen Fraßschäden Eintrittspforten für Fusarien in pflanzliches Gewebe eröffnet und somit infektionsfördernd wirkt. Ernte, Trocknung, Lagerung Die Ernte sollte im Getreide- und Maisanbau zum optimalen nutzungsspezifischen Reifezeitpunkt durchgeführt werden, da Ernteverzögerungen zu einem Fortschreiten des Befalls sowie der Mykotoxinanreicherung führen können. Nach der Getreideernte müssen eventuell notwendige Trocknungsmaßnahmen ohne Zeitverzögerung erfolgen, um Feuchtegehalte des Erntegutes unter 14% sicherzustellen. Zur Vermeidung einer Rückbefeuchtung des Ernteguts sollte während der Lagerung mittels Kühlung und Belüftung die relative Luftfeuchtigkeit < 75% und Temperaturen unter 20°C gehalten werden. Bei der Feuchtkonservierung von Mais zur Erzeugung von Maissilagen oder Corn-Cob-Mix ist auf eine konsequente Minimierung des Lufteinflusses bei der Silobefüllung, der SilageLagerung sowie der Futter-Entnahme zu achten. Dies wird insbesondere sichergestellt durch eine optimale Verdichtung des Erntegutes bei der Silofüllung, eine luftdichte Abdeckung der Silos sowie eine zügige Silage-Entnahme bei Verfütterung. Vor der Getreideverarbeitung Nach Anbau und Ernte folgen weitere Behandlungen, um das Getreide in den Status der Lager-, Vermarktungs- und Verarbeitungsfähigkeit zu überführen. Dazu zählen auch die Maßnahmen zur Minimierung von Mykotoxinen. Im Bereich der futter- und lebensmittelverantwortlichen Unternehmen beginnen die Minimierungsstrategien mit der Festlegung der Rohstoffanforderungen, der Rohstoffbewertung und der hierauf basierenden betrieblichen Maßnahmen und Entscheidungsprozesse für den Kauf und die Qualitätslenkung (Abb. 7). Die Schwierigkeit für die Betriebe liegt darin, Problempartien rechtzeitig zu erkennen und nur solche Ware zu akzeptieren, die mit dem vorhandenen Reinigungsdiagramm in den Zustand der gesundheitlichen Unbedenklichkeit gebracht werden können. Dazu muss in der Getreideannahme gutes, technischorganisatorisches Potenzial und vor allem Erfahrungswissen vorhanden sein. 126 • Informationsvernetzung nutzen: Pflanzenschutzdienst, Züchter und Wissenschaft: woerst – case-Anbau: befallslagen- und vorfruchtorientiert, Informationen zur Befallslage: 14 Tage vor der Ernte, • techn.-organisatorische Maßnahmen im Betrieb einleiten: Erstentscheidung: Sichtkontrolle vor Getreideannahme, Probenahme: handelsüblich und problem-orientiert, Mykotoxin-Schnelltest anwenden (z.B. Dip stick-screening Teststreifen), Indikatoren für Pilzschädigungen beachten: optisch, sensorisch, hL- und TK-Gewicht, Leichtgut, Kleinkorn, Laborsiebe auf 2,5 mm umstellen, Basishygiene und Qualitätslenkung in der Getreideannahme durchführen (HACCP-Prinzip), Getreide-Reinigungsdiagramm ist dem Schwarzbesatzaufkommen anzupassen, Unterschreitung gesetzlicher Toleranzwerte: Freigabe bei Handelsüblichkeit, Überschreitung der Grenzwerte: Rückgabe der Ware oder Schwarzbesatz herausreinigen, Rückstellmuster zur Absicherung: nur bei sachgerechter Beprobung und Aufbewahrung. Abb. 7: Handlungsempfehlungen zur Mykotoxinminimierung: Wahrscheinlichkeiten und Schadensumfang prüfen, problemorientiert handeln Insbesondere die mechanische Reinigung des Getreides ist ein wichtiger Schritt zur Dekontamination des Getreides von Mykotoxinen (Münzing, 2010). Mittels Staub- und Leichtgutabscheider werden z. B. pilz- und fusarienbelastete Körner aufgrund ihrer gegenüber gesunden Körnern geringeren Dichte effektiv abgetrennt (Abb. 8). So finden sich im Reinigungsabgang in dem sogenannten Schwarzbesatz unerwünschte Stoffe, die bis zu 80 % der Mykotoxine aufweisen können. Durch die Abreinigung enthält das Grundgetreide nur noch 20 % der unerwünschten Stoffe. 127 Abb.8: Mechanische Reinigung des Rohgetreides (Quelle: Münzing, MRI) Neben der Leichtgutabtrennung setzen Handel und Mühlen verbreitet Auslesesysteme ein, die zusätzlich verfärbte Körner (z.B. Mutterkorn) auf Grund ihrer Kontraste oder Farbe aussortieren. Leichtgutausleser, Rundkorn- und Langkorn-Trieure und Luftabscheidesysteme sorgen dann für eine weitere Reduzierung von unerwünschten Stoffen. Da bei hoch belasteten Problempartien die Reinigungsabgänge übermäßig hohe Gehalte an Mykotoxinen aufweisen, sollten diese nicht der Futtermittelherstellung zugeführt werden. Aber auch für die Zweckbestimmung Lebensmittel können Körner, deren Erscheinungsbilder einwandfrei sind, oft noch Gehalte an Mykotoxinen aufweisen. Während der Verarbeitung zu Mahlprodukten Weitere Ansätze für die Qualitätssicherung in Verarbeitungsbetrieben ergeben sich aus dem Verteilungsprofil der Mykotoxine innerhalb des Getreidekornes. So sind beispielsweise Fusarium-Toxine in Getreidekörnern in höheren Konzentrationen in den äußeren Schichten zu finden als im Korninnern. Aus diesem Grund kann z.B. bei Hafer durch das Entspelzen eine Abreicherung der T-2/HT-2-Gehalte um über 90 % erreicht werden (SchwakeAnduschus et al., 2010). Durch eine Abtrennung der Schale bei Weizen und Roggen können ebenfalls Reduktionen von Deoxynivalenol (DON)-Gehalten von 20 bis zu 40 % erzielt werden, je nach Partie und Ausgangswert an DON (Abb. 9). Zusätzlich können durch Scheuern und Schälen (sogenanntes Peelen) Mykotoxin-Gehalte weiter reduziert werden (Münzing und Schwake-Anduschus, 2010). 128 Abb. 9: Schälung des Grundgetreides (Quelle: Münzing, MRI) Die Minderung der Mykotoxinrisiken für Brotgetreide führt jedoch gleichzeitig zur Mykotoxinanreicherung in der Kleie. So sind in der Schälkleie höhere Toxin-Gehalte zu finden als in den entsprechenden Einzelkörnern. Kleie sollte somit vor der Verwendung als Speise- oder Futtermittel auf die angegebenen Mykotoxin-Höchstmengen (Verordnung der Kommission 2006/1881/EG) bzw. Mykotoxin-Richtwerte (Empfehlung der Kommission 2006/576/EG) und Orientierungswerte (im Rahmen des § 3 des Futtermittelgesetzbuches) geprüft werden. Dem Markt stehen schnelle, einfache und auch kostenüberschaubare Systeme zur quantitativen Mykotoxinbestimmung zur Verfügung, die auch von ungeschultem Personal sicher angewendet werden können (Schwake-Anduschus und Zimmer, 2011). Gegebenenfalls ist belastete Kleie nur noch als Rohstoff für die Energiegewinnung (Verbrennung, Biogas) geeignet oder ordnungsgemäß zu entsorgen (z.B. kommunale Müllverbrennung). Da die Getreidekörner während des Mahlprozesses in einzelne Fraktionen zerlegt werden, erhält man spezielle Mahlpassagen mit sehr unterschiedlicher Mykotoxinbelastung (Franzmann et al., 2011). Hieraus ergeben sich weitere Lenkungsinstrumente zur Reduzierung des Mykotoxingehaltes der Mehle. Orientierende Mahlversuche mit Weizen und Roggen zeigen, dass nach dem Separieren der Mahlfraktionen durch Dichteunterschiede die feineren und helleren Schrot- und Grießpassagen geringere Mykotoxin-Gehalte aufweisen, als die gröberen und mineralstoffreichen dunkleren Produkte (Kleie und Nachmehle). Auch hier ist je nach Kontaminationsgrad vor einem sorglosen Umgang mit den mykotoxinangereicherten Fraktionen für Futterzecke zu warnen. 129 Folgerung Mit den aufgezeigten Maßnahmen in der pflanzlichen Produktion, bei der Ernte, der Konservierung und Lagerung sowie den technischen Möglichkeiten der Nacherntebehandlung, Ausleseverfahren und Verarbeitungsprozesse stehen vielfältige Handlungsoptionen zur Verfügung, um Mykotoxinkontaminationen in der Futter- und Lebensmittelkette nachhaltig zu minimieren und somit den Schutz des Verbrauchers vor Mykotoxinen zu gewährleisten. Literatur Bartels G. und Rodemann B. (2003): Strategien zur Vermeidung von Mykotoxinen im Getreide. Gesunde Pflanzen, 55. Jahrgang, Heft 5, 125-135. Bennett J.W. and Klich M. (2003): Mycotoxins. Clin. Microbiol. Rev. 16, 497-516. Franzmann C., Schröder J., Münzing K., Wolf K., Lindhauer M.G. und Humpf H.U. (2011): Distribution of ergot alkaloids and ricinoleic acid in different milling fractions. 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Deutsche Pflanzenschutztagung in Kiel, 22.-25. September 2008, Mitteilungen aus dem Julius Kühn-Institut 417, 68-69. Oldenburg E. (2009): Effect of the growth regulator Cycocel on the deoxynivalenol contamination of wheat. Conference Abstracts 31. Mykotoxin-Workshop 15.-17. Juni 2009, Münster, 87. Oldenburg E., Brunotte J. and Weinert J. (2009): Influence of soil tillage and plant resistance on the contamination of maize with deoxynivalenol. Abstracts ISM Conference 2009 “Worldwide Mycotoxin Reduction in Food and Feed Chains”, 9.-11. September 2009, Tulln, Austria, p 53, www.ism2009.at. Oldenburg E. and Ellner F. (2010): Infection process and mycotoxin production in Fusarium culmorum-infected maize ears. 11th European Fusarium Seminar ‘Fusarium – Mycotoxins, Taxonomy, Pathogenicity and Host Resistance’, 20.-23. September 2010, Radzikow, Poland, Book of Abstracts, 55-56. Oldenburg E. und Ellner F. (2011): Prüfmethode zur Bewertung der Kolbenfusariose. Kurzfassungen der DMK-Pflanzenschutztagung, 19./20. Juli 2011, Rendsburg, 7-8. Placinta C.M., D’Mello J.P.F. and MacDonald A.M.C. (1999): A review of worldwide contamination of cereal grains and animal feed with Fusarium mycotoxins. Anim. Feed Sci. Technol. 78, 21-37. Schwake-Anduschus C., Langenkämper G., Unbehend G., Dietrich R., Märtlbauer E. und Münzing K. (2010): Occurrence of Fusarium T-2 and HT-2 toxins in oats from cultivar studies in Germany and degradation of the toxins during grain cleaning treatment and food processing. Food Additives and Contaminants Part A-Chemistry Analysis Control Exposure & Risk Assessment, 27 (9), 1253-1260. 130 Schwake-Anduschus C. und Zimmer M. (2011): Vergleich zweier Schnellsysteme zur quantitativen Deoxynivalenol-Bestimmung. Mühle und Mischfutter. 148 (15), 495497. Rodemann B. und Mielke H. (2007): Anfälligkeit verschiedener Winterweizensorten gegenüber Ährenfusarium (Zulassungsjahre 2001-2006). Mitt. Biol. Bundesanst. Land- Forstwirtsch. 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Bei Pflanzen zeigt sich die toxische Wirkung von Cd durch verringertes Wachstum sowie unspezifische Chlorosen und Nekrosen, die durch verminderte Aufnahme an essentiellen Kationen bedingt sein können. Beim Mensch kann Cadmium die sogenannte Itai-ItaiKrankheit hervorrufen, außerdem Funktionsstörungen der Nieren, Bluthochdruck und Lungenemphyseme (Aufnahme über Atemwege). Eine cancerogene Wirkung wird vermutet (SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002). Unter natürlichen Bedingungen sorbiert Cadmium in der Regel stark an die Bodenmatrix. Dadurch liegen die mittleren Cd-Gehalte in unbelasteten Böden in der Regel unter 0,5 mg kg-1 und damit im Bereich der Gehalte der kontinentalen Erdkruste (SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002). Unterschiedliche geologische Ausgangsmaterialien können jedoch auch höhere Cd-Gehalte im Boden zur Folge haben. Anthropogen bedingte Anreicherungen der Gehalte im Boden sind beispielsweise in der näheren Umgebung von Cd-emittierenden Betrieben, verkehrsreichen Straßen sowie in Auenböden und Flusssedimenten zu finden. Auch landwirtschaftlich genutzte Böden können erhöhte Cd-Gehalte aufweisen. Haupteintragspfade stellen hier neben der atmosphärischen Deposition eingebrachte Düngemittel, insbesondere Phosphatdünger, dar (DE MEEÛS et al. 2002, DE TEMMERMANN et al. 2003, REINER et al. 1996). Klärschlämme und Wirtschaftsdünger enthalten meist vergleichsweise geringe Cd-Gehalte (UBA 2007), wobei bei allen Düngemitteln große Schwankungsbreiten auftreten können. 1.1 Verfügbarkeit von Cadmium im Boden Die Verfügbarkeit von Schwermetallen für Pflanzen und Tiere im Boden ist von verschiedenen Bodeneigenschaften sowie von den Organismen selbst abhängig. Eine saure Bodenreaktion, geringe Kationenaustauschkapazitäten (z.B. durch geringe Ton-, Corg- und Sesquioxidgehalte) und hohe Schwermetallgesamtgehalte im Boden erhöhen die Schwer- 132 metallverfügbarkeit. Sie hängt des Weiteren von der Ionenstärke der Begleitionen in der Bodenlösung, dem Gehalt an gelösten Komplexbildnern sowie vom Redoxpotenzial der Bodenlösung ab (SCHUG 2000). Cadmium wird im neutralen bis alkalischen pH-Bereich vorwiegend spezifisch adsorbiert, während mit sinkendem pH-Wert (ab pH 6,5) die unspezifische Adsorption zunimmt. Unspezifisch adsorbiertes Cadmium ist leicht austauschbar durch Erdalkaliionen und wird somit pflanzenverfügbar. Die Bindung von Cadmium an die organische Substanz des Bodens und die Bildung löslicher metallorganischer Komplexe nimmt bei landwirtschaftlich genutzten Böden in der Regel eine untergeordnete Rolle ein (SCHEFFER & SCHACHTSCHABEL 2002). Einen bedeutenden Einfluss auf die CdLöslichkeit haben Alkali- und Erdalkali-Ionen in der Bodenlösung, die mit zunehmender Konzentration die Cd-Desorption erhöhen. Im Boden vorliegende Chlorid- und SulfatAnionen beeinflussen außerdem die Verfügbarkeit von Cadmium durch Bildung löslicher Komplexe, was die Cd-Adsorption im Boden herabsetzt. In Ackerböden kann eine Düngung mit Cl-haltigen Salzen (KCl) demnach eine Mobilisierung von Cadmium zur Folge haben. Die Bindungsfähigkeit von Schwermetallen im Boden lässt sich über Sorptionsversuche darstellen. Dabei wird die sich in einem Gleichgewichts-ähnlichen Zustand einstellende Bodenlösungskonzentration für verschiedene Zugabemengen eines Schwermetalls ermittelt und der Konzentration in der Festphase gegenübergestellt. Der Verlauf der Sorption bei steigenden Lösungskonzentrationen kann über Funktionen, wie die Isotherme nach Freundlich, beschrieben werden. Über solche Transferfunktionen wird die quantitative Beschreibung der Sorptionskapazität eines Bodens bezüglich eines Schwermetalls sowie der Verfügbarkeit bei bekannter Festphasenkonzentration möglich. Die zusätzliche Anwendung von Extraktionsverfahren erlaubt die Abschätzung unterschiedlich gebundener Schwermetallfraktionen vom Gesamtgehalt bis hin zur leicht löslichen Fraktion durch die Anwendung verschiedener Extraktionsmittel. 1.2 Cadmium in Pflanzen Die Aufnahme von Cadmium in Pflanzen erfolgt vorwiegend aus dem Boden und ist neben der Cd-Verfügbarkeit im Boden stark von der Pflanzenart abhängig. Die Cd-Gehalte in Pflanzen liegen meist unter 0,5 mg kg-1 TS, können aber beispielsweise bei Spinat, Grünkohl und Sellerieknollen deutlich höher sein. Die Höchstgehalte von Cadmium in Lebensmitteln werden durch die EG-Verordnung 466/2001 festgesetzt. Für Weizengetreide, Reis und Wurzelgemüse gilt beispielweise ein Höchstgehalt von 0,2 mg kg-1; für andere Getreidearten, Sojabohnen und Blattgemüse wurden 0,1 mg kg-1 festgelegt. Die Cd-Aufnahme durch Pflanzen kann durch die Festlegung der gelösten Bodenkonzentrationen, z.B. durch Aufkalkung (Bildung von CdCO3) oder hohe Phosphatgaben, reduziert werden. Eine ausreichende Versorgung mit Mangan, Zink und Kupfer bewirkt ebenso eine verminderte 133 Aufnahme von Cadmium durch Pflanzen (HORAK & PUSCHENREITER 1999, LAUGHLIN & SINGH 1999). 2 Prognose des Cadmiumhaushaltes von Oberböden 2.1 Schwermetallbilanzierung von Oberböden Die Bilanzierung des Schwermetallhaushaltes von Standorten und Landschaften verfolgt das Ziel, die Entwicklung von Schwermetallgehalten und -flüssen in Abhängigkeit der natürlichen Gegebenheiten sowie anthropogener Einflüsse zu prognostizieren. Bilanzierungsansätze für verschiedene Skalenebenen wurden unter anderem von KÜHNEN UND GOLDBACH (2004), REINER et al. (1996), MALBURG-GRAF (2003) und FREIERMUTH (2006) vorgestellt. Diejenigen Bilanzansätze, die über eine bloße Darstellung der Schwermetallein- und -austräge eines Systems hinausgehen und damit den Anspruch der Prognose des Schwermetallstatus von Standorten oder Regionen haben, basieren in der Regel auf Pedotransferfunktionen. Über solche Transferfunktionen lassen sich die Elementgehalte einer Schwermetallfraktion aus den Gehalten einer anderen bekannten Fraktion (z.B. Gesamtgehalte) berechnen. SCHÜTZE et al. (2003) verwendeten Pedotransferfunktionen zur Risikoabschätzung der Cadmium-Belastung für Mensch und Umwelt infolge der Anwendung Cd-haltiger Düngemittel. Die erweiterten Freundlich-Isothermen, welche die sorptionsbestimmenden Bodeneigenschaften in die Berechnungen einbeziehen, sind ein weit verbreiteter Ansatz zur Beschreibung der Verteilung sorbierter und gelöster Schwermetallkonzentrationen im Boden und wurden in zahlreichen Studien als geeignet bewertet (FILIUS 1993, STRECK 1993, INGWERSEN 2001, TIKTAK et al. 1998, KELLER UND SCHULIN 2003). Das im Rahmen des SFB 299 („Landnutzungskonzepte für periphere Regionen“) entwickelte Schwermetallbilanzmodell ATOMIS (Assessment Tool for Metals in Soils, REIHER 2008) basiert ebenfalls auf Pedotransferfunktionen und prognostiziert den Schwermetallhaushalt von Oberböden in Abhängigkeit der Landnutzung und des Bewirtschaftungssystems. Zum derzeitigen Entwicklungsstand ist das Modell für die Elemente Nickel, Kupfer, Zink und Cadmium parametrisiert. Auf der Eintragsseite berücksichtigt ATOMIS die Schwermetallzufuhr über organische und mineralische Düngemittel sowie die atmosphärische Deposition. Prinzipiell können auch Schwermetalleinträge über Pflanzenschutzmittel (PSM) berücksichtigt werden. Da Cd-haltige PSM in Deutschland jedoch verboten sind, tritt das Element allenfalls als Verunreinigung auf und ist für eine Bilanzierung der Gesamtein- und austräge vernachlässigbar (UBA 2007). Der Schwermetallaustrag erfolgt im Modell über Auswaschung der in der Bodenlösung vorliegenden Schwermetallfraktion mit dem Sickerwasser und deren Entzug durch Pflanzen (Transpirationssog). Dabei werden die Bodenlösungskonzentrationen standortspezifisch über zwei Pedotransferfunktionen aus den Gesamtgehalten abgeleitet. In einem ersten Schritt wird über einen Regressionsansatz die 134 potenziell austauschbare Schwermetallfraktion aus den Gesamtkonzentrationen im Boden ermittelt (Gl. 1). Mit der zweiten Gleichung (Gl. 2), der erweiterten Freundlich-Isotherme, werden aus den potenziell austauschbaren Schwermetallgehalten die Bodenlösungsgehalte bestimmt. log Csorb = a + b log H+ + c log Corg + d log Ton + e log Ctot (Gl. 1) log Clsg = (log Csorb - β0 - βH+ log [H+] - βKAK * log [KAKpot])* m-1 (Gl. 2) mit: Csorb Ctot Clsg a b c d e H+ Corg Ton β0 βH+ βKAK m KAKpot – organisch sorbierter Schwermetallgehalt [mg kg-1] – Schwermetallgesamtgehalt [mg kg-1] – Schwermetallkonzentration in Bodenlösung [µg L-1] – intrinsischer Parameter – Regressionskoeffizient für H+-Konzentration – Regressionskoeffizient für Corg-Gehalt – Regressionskoeffizient für Tongehalt – Regressionskoeffizient für Schwermetallgesamtgehalt – Protonenkonzentration [mol H+ L-1] – organischer Kohlenstoffgehalt [Gew.-%] – Tongehalt [Gew.-%] – intrinsischer Parameter – Regressionskoeffizient für H+-Konzentration – Regressionskoeffizient für Kationenaustauschkapazität – Regressionskoeffizient für Schwermetall-Lösungskonzentration – potenzielle Kationenaustauschkapazität [cmolc kg-1] Gleichung 1 wurde im Rahmen der Arbeiten im SFB 299 über Regressionsanalysen aus den gemessenen Gesamtgehalten (Königswasser-extrahierbar) und potenziell pflanzenverfügbaren Schwermetallgehalten (EDTA-extrahierbar) abgeleitet und parametrisiert (HORN 2003, REIHER 2008). Die erweiterte Freundlich-Sorptionsisotherme (Gl. 2) zur Berechnung der Bodenlösungskonzentrationen basiert auf Sorptionsversuchen. Die Koeffizienten dieser Gleichung wurden ebenfalls durch Regressionsanalysen bestimmt. 135 Tab. 1: Parameter der Transferfunktion (Gl. 1 und 2) zur Ableitung der Lösungskonzentrationen auf Basis von Extraktions- und Sorptionsversuchen (*** p ≤ 0,001 d.h. höchst signifikant bei = 0,1 %) a -0,639*** 0 2,138E-04*** b -0,044*** H+ -0,634*** c 0,220*** CECp 1,265*** m 0,886*** 0,945*** d e 0,995*** R²adj 0,848*** R²adj n 582 n 2687 Die Datengrundlage zur Ableitung der in ATOMIS integrierten Pedotransferfunktionen für Cadmium soll im Folgenden dargestellt werden. 2.2 Datengrundlage SFB 299 Die Bodenprobendatenbank des SFB 299 enthält 1132 Einzelproben, für die sorptionsspezifische Bodeneigenschaften sowie die Schwermetallgehalte aus Sorptions- und Extraktionsversuchen untersucht wurden. Aufgrund der historischen Entwicklung des Probenkollektivs wurden die genannten Versuche nicht an jeder einzelnen vorhandenen Probe durchgeführt, was die jeweils eingehenden Probensätze zur Ableitung von Transferfunktionen reduzierte. Bodeneigenschaften Insgesamt umfasst die Bodenprobendatenbank eine Vielzahl an Proben unterschiedlicher Standorte und damit unterschiedliche Bodeneigenschaften sowie Landnutzungen. Des Weiteren führt die Einbeziehung von Ober- und Unterböden zu einer hohen Variabilität der Bodeneigenschaften. Die Standorte unterlagen vor allem den Landnutzungen Acker, Wald und Grünland (Abb. 1). Nur je 2 % der Proben stammen von Siedlungs- oder Brachflächen. Die unterschiedlichen Landnutzungen der einzelnen Standorte beeinflussen wesentliche sorptionsbestimmenden Bodeneigenschaften wie den pH-Wert, den Corg- Gehalt und die Kationenaustauschkapazität. 136 Siedlung 2% Grünland 23% Wald 34% Brache 2% Acker 39% n = 1132 Abb. 1: Landnutzungsverteilung der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank In Abb. 2 sind die Verteilungen wichtiger sorptionsbestimmender Bodeneigenschaften dargestellt. Die pH-Werte decken mit Werten von 2,8 bis 8,0 ein weites Spektrum typischer Boden-pH-Werte Mitteleuropas ab, ebenso die potenziellen Kationenaustauschkapazität (KAKp). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Werte für KAKp über eine Transferfunktion nach Krogh et al. (2000) aus dem Corg- und dem Tongehalt berechnet wurden. Die Tongehalte der Standorte erreichen bis 70 %, wobei der Median bei 21 % liegt. Abb. 2: Verteilung der pH-Werte (CaCl2), der Corg-Gehalte, der Tongehalte und der potenziellen Austauschkapazität (berechnet nach Krogh et al. 2000) der Böden der SFBBodenprobendatenbank Die Korngrößenverteilung wurde für 1035 der insgesamt 1132 Proben ermittelt. Entsprechend der Einteilung nach AG BODEN (2005) wurden 138 Böden der Hauptbodenart Sand, 352 Böden dem Schluff, Böden dem 400 Lehm und Proben dem 145 Ton zugeordnet (Abb. 3). 137 Abb. 3: Korngrößenverteilung der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank (n = 1035) Cadmium-Gehalte verschiedener Fraktionen im Boden Zur Untersuchung der einzelnen Cadmium-Fraktionen im Boden wurden die Cd-Gehalte im Königswasseraufschluss (Gesamtgehalte), im EDTA-Extrakt (potenziell pflanzenverfügbare Gehalte) sowie im Ca(NO3)2- und NH4NO3-Extrakt (leicht lösliche Konzentrationen) bestimmt. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse der Cd-Messungen mittels ICP-MS. Bei allen Fraktionen traten infolge der Heterogenität der Proben der Bodendatenbank sehr große Wertebereiche auf. Die Gesamtgehalte lagen von wenigen Ausnahmen abgesehen im Bereich der Vorsorgewerte der BBodSchV (1999) und darunter. 72 % der beprobten Böden wiesen sogar Werte unterhalb des geringsten Vorsorgewertes für Cadmium (0,4 mg kg-1) auf. Die EDTA-extrahierbaren Cd-Gehalte schöpfen die Gesamtgehalte (bezogen auf den Median) zu ca. 53 % aus, dass heißt ein hoher Anteil von Cadmium liegt in potenziell pflanzenverfügbarer Form im Boden vor. Bei Betrachtung ausschließlich der Ackerstandorte liegt dieser Anteil mit etwa 67 % noch höher (Wald: 44 %, Grünland: 42 %, Siedlung: 31 %). 138 Abb. 4: Cd-Gehalte im Königswasseraufschluss, EDTA-Extrakt (0,025 M), Ca(NO3)2Extrakt (0,01 M) und NH4NO3-Extrakt (1 M) der Böden der SFBBodenprobendatenbank Die Cd-Gehalte der leicht löslichen Fraktion waren deutlich geringer als die Gesamt- und EDTA-Gehalte. Die mit Ca(NO3)2 extrahierbaren Konzentrationen haben im Median einen Anteil von etwa 6 % an den Gesamtgehalten; die mit NH4NO3 extrahierbaren Gehalte schöpfen die Gesamtgehalte zu 7 % aus. Werden die Ergebnisse der löslichen Fraktion auf die EDTA-extrahierbaren Gehalte bezogen ergeben sich etwas höhere Anteile von 16 % bei Ca(NO3)2 und 14 % bei NH4NO3. Die Löslichkeit von Cadmium im Boden hängt stark vom pH-Wert ab. Abb. 5 zeigt diese Abhängigkeit für die Böden der Bodenprobendatenbank für die NH4NO3-extrahierbaren Konzentrationen. Ab pH-Werten < 6 nimmt der unspezifisch adsorbierte Cd-Anteil am Gesamtgehalt exponentiell zu (rechtes Diagramm). 139 Abb. 5: Cd-Bodenlösungskonzentrationen (NH4NO3-extrahierbar) Clsg (links) und Anteil der NH4NO3-extrahierbaren Cd-Gehalte am Cd-Gesamtgehalt Clsg/Ctot (rechts) in Abhängigkeit vom pH-Wert der Böden der SFB-Bodenprobendatenbank 2.3 Validierung von ATOMIS Das Modell ATOMIS wurde anhand von Messdaten aus einer intensiv ackerbaulich genutzten Region (Wetterau/Hessen) validiert und die Unsicherheit der Modellergebnisse abgeschätzt. Es wurden 24 Ackerstandorte untersucht, die durch hohe Schwermetalleinträge über Klärschlämme und weitere Düngemittel wie Schweine-Wirtschaftsdünger und verschiedene Mineraldünger geprägt sind. Die auf den Standorten gemessenen Cadmiumgehalte im Oberboden (siehe Abschnitt 2.2) wurden mit den durch ATOMIS simulierten Werten verglichen, um die Modelleffizient festzustellen. Die Gegenüberstellung der gemessenen mit den prognostizierten Schwermetallgehalten zeigte, dass ATOMIS die verschiedenen Cadmium-Fraktionen im Boden gut prognostizieren kann. Die Unsicherheiten bei der Berechnung der Gesamtgehalte von Cadmium waren mit Variationskoeffizienten von < 15 % gering. Die eingetragenen Cd-Frachten in den Boden der untersuchten Ackerstandorte betrugen zwischen 1,6 und 3,4 g ha-1 a-1. Die berechneten Cd-Austräge mit dem Sickerwasser und über Pflanzenentzug lagen im Bereich von 0,2 bis 6,0 g ha-1 a-1 und waren damit vergleichbar mit Ergebnissen anderer Untersuchungen zum Schwermetallaustrag aus dem Boden (z.B. UBA 2001, KTBL 2005). Die zulässigen zusätzlichen Frachten nach BBodSchV (1999) wurden demnach nicht überschritten. Der durchschnittliche Cd-Bilanzüberschuss (Eintrag – Austrag) des Oberbodens war deutlich geringer als das von SCHÜTZE et al. (2003) festgestellte Saldo von 7 g ha-1 a-1 für Acker- und Grünlandflächen in Deutschland (bei pflanzenbedarfsgerechter Düngung). Ursachen für die vergleichsweise geringen CdBilanzüberschüsse der im Rahmen der Modellvalidierung untersuchten Standorte liegen zum 140 einen auf der Eintragsseite in den Cd-Gehalten der eingesetzten Düngemittel. Der Anteil cadmiumhaltiger Mineraldünger (NP, NPK) war deutlich geringer als der Anteil organischer (Wirtschaftsdünger, Klärschlamm) sowie überwiegend Stickstoff-haltiger Mineraldünger (Kalkammonsalpeter), welche vergleichsweise geringe Cd-Gehalte aufweisen. Weiterhin konnte durch die Simulationen mit ATOMIS festgestellt werden, dass der pH-Wert eine sehr sensitive Größe bei der Berechnung löslicher Cd-Gehalte im Boden ist. Bei Ackerflächen mit schwach saurer Bodenreaktion (pH < 6,5) berechnete das Modell erhöhte Cd-Lösungskonzentration und daraufhin einen erhöhten Cd-Austrag aus dem Boden, was in einer ausgeglichenen, auf einigen Standorten einer leicht negativen, Cd-Bilanz resultierte. 2.4 Prognose des Cadmiumhaushaltes von Landschaften Szenarienrechnungen sowohl für einzelne Standorte als auch auf regionaler Ebene haben gezeigt, dass das Schwermetallbilanzmodells ATOMIS ein geeignetes Modell zur Prognose der Cadmiumgehalte und -flüsse von Oberböden ist. In Abhängigkeit der Standortbedingungen und des Bewirtschaftungssystems kann die Nachhaltigkeit von verschiedenen Landnutzungsoptionen hinsichtlich des Risikos von Cadmiumanreicherungen bewertet werden. Insbesondere die Effekte unterschiedlicher Düngestrategien (Wirtschaftsdünger, Klärschlamm, Mineraldünger, etc.) auf den Schwermetallhaushalt lassen sich gut durch das Modell abbilden. Beispielsweise konnten Szenarienanalysen zeigen, dass Cadmium auf solchen Flächen angereichert wird, die überwiegend mit mineralischen Phosphordüngern gedüngt werden. In Abhängigkeit sorptionsbestimmender Eigenschaften (s.o.) können erhöhte Cd-Gesamtgehalte im Boden wiederum zu erhöhten Konzentrationen in der Bodenlösung führen, was eine Verlagerung mit dem Sickerwasser oder die Aufnahme in Pflanzen und damit eine Anreicherung in der Nahrungskette wahrscheinlich macht. Des Weiteren können die berechneten Schwermetallgehalte und -frachten im Modell mit Nachhaltigkeitskriterien (z.B. Vorsorgewerte der BBodSchV) verglichen werden, was die Prognose von Grenzwertüberschreitungen bzw. der Dauer bis eine Überschreitung eintritt, erlaubt. 3. Literatur AG BODEN (2005): Bodenkundliche Kartieranleitung. Herausgegeben von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe und den Geologischen Landesämtern der BRD, 5. Auflage, Schweizerbart, Stuttgart. 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KÖRDEL, W. und neun weitere Autoren, UBA-Texte 30/07, Umweltbundesamt, Dessau. 142 143 Cadmium in der Lebensmittelkette H.Schafft Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin Cadmium (Cd) ist ein Schwermetall, das sowohl aus natürlichen Quellen – durch vulkanische Emissionen und durch die Verwitterung von Gestein – als auch aus der Industrie sowie beim Einsatz von Düngemittel in der Landwirtschaft in die Umwelt gelangt. Cd findet sich in der Luft, im Boden und im Wasser. Die Konzentrationen sind regional sehr unterschiedlich. Cd kann sich in Pflanzen und Tieren anreichern und wird so vom Menschen über verschiedene Lebensmittel aufgenommen. Der Weg des Cadmiums spiegelt die Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette wider: Vom Boden und durch Düngemittel in die Pflanzen, die zu Lebens- oder Futtermitteln verarbeitet werden, vom Futtermittel zum Tier, das wiederum zu Lebensmitteln verarbeitet wird, und schließlich über das Lebensmittel bis zum Menschen. Cadmium wirkt in erster Linie toxisch auf die Nieren, kann aber auch eine Demineralisierung der Knochen verursachen und ist als krebserregend für den Menschen eingestuft worden. Dabei ist unstrittig, dass die Effekte an der Niere die Basis zur Ableitung von gesundheitsbezogenen Grenzwerten darstellen und dass Beta-2-Mikroglobulin ein brauchbarer Parameter ist, um die Nierentoxizität zu beschreiben. Am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde im Jahr 2009 ein Forschungsvorhaben zur gesundheitlichen Bewertung der lebensmittelbedingten Belastung des Verbrauchers in Deutschland durch die umweltbedingte Kontamination von Lebensmitteln abgeschlossen. Diese nationale Risikobewertung erfolgte i) auf der Grundlage eines neuen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleiteten toxikologischen Grenzwertes für Cadmium, ii) den im Lebensmittel-Monitoring über Jahre erhobenen Analyseergebnissen über die Cadmiumbelastung von Lebensmitteln sowie iii) den aktuell für Erwachsene erhobenen Ernährungsgewohnheiten, bei denen bundesweit rund 20.000 Personen zwischen 14 und 80 Jahren zu ihrem Lebensmittelverzehr befragt wurden (Nationale Verzehrsstudie, NVS II, des Max-Rubner-Institutes, MRI). Hauptquelle für die Exposition der nicht rauchenden Bevölkerung gegenüber Cadmium sind Lebensmittel. Getreide und Getreideprodukte, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte sowie Fleischprodukte tragen am meisten zur menschlichen Exposition bei, während auf der anderen Seite Innereien, Meeresfrüchte, Wildpilze und Ölsaaten, aber auch dunkle Schokolade die höchsten Cadmiumgehalte aufweisen. Fleisch, Eier und Milch sind vergleichsweise gering 144 belastet. Die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher sind somit ausschlaggebend für die Exposition gegenüber Cadmium. Bei durchschnittlichem Konsum aller Lebensmittel schöpft der Verbraucher die von der EFSA abgeleitete tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge für Cadmium zu 58 % aus. Bestimmte Gruppen wie Jugendliche und Verbraucher mit besonderen Ernährungsgewohnheiten, wie hohem Konsum von Gemüse und Getreide liegen darüber. Diese sogenannten Vielverzehrer schöpfen die tolerierbare Aufnahmemenge zu 94 % durch den Lebensmittelverzehr aus. Grundsätzlich gilt: Nicht die hoch belasteten Lebensmittel tragen hauptsächlich zur Exposition des Verbrauchers bei, sondern die hoch verzehrten bzw. häufig in großen Mengen verzehrten Lebensmittel. Im Falle von Cadmium sind dies insbesondere Getreide, Getreideerzeugnisse sowie Gemüse. Die Neubewertung der Cadmiumaufnahme über Lebensmittel durch das BfR berücksichtigte eine jüngst vorgenommene Neubewertung der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge (TWI) von Cadmium durch die EFSA. Diese hat im Jahr 2009 den bisher für eine gesundheitliche Bewertung herangezogenen Grenzwert für die tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI, Tolerable Weekly Intake) in Höhe von 7 Mikrogramm (µg) pro kg Körpergewicht (KG) unter Berücksichtigung neuer Daten überprüft und als Ergebnis den TWI auf einen Wert von 2,5 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht gesenkt. Eine periodisch vorgenommene Neubewertung gesundheitsbezogener Grenzwerte ist üblich und spiegelt Fortschritte in der Toxikologie wider. Allerdings sehen sich sowohl Risikobewerter als auch Risikomanager im Falle des Cadmiums gegenwärtig einer völlig neuen Situation gegenüber. Kurze Zeit nach der Festlegung des neuen Wertes für den TWI durch die EFSA veröffentlichte der Gemeinsame FAO/WHO-Sachverständigenausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe (JECFA; Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives) ebenfalls Ergebnisse einer Neubewertung des bisher für die gesundheitliche Bewertung herangezogenen Grenzwertes (TWI) für Cd in Höhe von 7 µg/kg KG und Woche. Die Kalkulationen des JECFA resultierten in einem Wert für die tolerierbare wöchentliche Aufnahme von 5,8 µg/kg KG. Bemerkenswert bei diesem Vorgang ist, dass die Neubewertung des TWI durch die EFSA - mit Ausnahme einer wissenschaftlichen Studie - auf der gleichen Datenbasis beruhte, die auch für die Ableitung der Bewertung des JECFA herangezogen worden war. Ursächlich lässt sich die Diskrepanz zwischen dem Wert der EFSA und demjenigen des JECFA darauf zurückführen, dass die einzelnen Studien im Rahmen der jeweils vorgenommenen Metaanalyse unterschiedlich gewichtet worden sind. Darüber hinaus wurde von der EFSA ein anderes (neueres, moderneres) mathematisch-statistisches Modell zur Kalkulation des TWI 145 angewendet. Im Ergebnis sind insbesondere die Risikomanager jetzt mit einer Situation konfrontiert, dass für das Schwermetall Cadmium zwei unterschiedliche gesundheitsbezogene Grenzwerte existieren: 2,5 µg/kg KG pro Woche (EFSA) und 5,8 µg/kg KG und Woche (JECFA). Gesundheitsbezogene Grenzwerte sind keine Höchstgehalte im rechtlichen Sinne und werden folglich nicht in Gesetzen oder Verordnungen niedergelegt. Es handelt sich vielmehr um toxikologisch begründete Expositionsgrenzwerte, die von internationalen wissenschaftlichen Gremien abgeleitet werden. Damit 95 % der Bevölkerung mit Erreichen des 50. Lebensjahres unterhalb eines als kritisch eingeschätzten Wertes von 1 Mikrogramm Cadmium pro Gramm Creatinin (im Urin) bleiben, sollte nach Auffassung der EFSA die tägliche Cadmiumaufnahme nicht über 0,36 µg/kg Körpergewicht liegen, was einer wöchentlichen Aufnahme von Cd mit der Nahrung von 2,52 µg/kg Körpergewicht entspricht. Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist die Tatsache von Bedeutung, dass weder aus den neuen Bewertungen der EFSA noch aus der Neubewertung des TWI durch den JECFA für den Verbraucher in Deutschland eine Veränderung seiner gesundheitlichen Risikolage resultiert. Weder hat sich die Exposition des Verbrauchers gegenüber Cadmium erhöht, noch wurden die neuen Werte für den TWI auf Grund bisher unbekannter toxischer Wirkungen abgeleitet. Somit ergibt sich auch kein Anlass für die Vermutung, dass sich das gesundheitliche Risiko für den Verbraucher geändert haben könnte. Weder hat sich die Schwermetallkonzentration auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen geändert, noch haben sich die Konzentrationen an Cadmium in den Futter- und Lebensmitteln drastisch verändert; geändert hat sich aber die gesundheitliche Bewertung des Schwermetalls Cadmiums. Die wissenschaftliche Herangehensweise bei der Bewertung gesundheitliche Risiken hat sich geändert; die angewandte Methodik ist verfeinert worden und die Bewertung adverser Effekte ist strenger geworden. Allerdings ist zu erwarten, dass die Existenz von zwei sich in ihrer Höhe deutlich unterscheidenden TWI-Werten für Cadmium zukünftig zu ernsthaften Konflikten bei den Diskussionen über die Festlegung von Höchstgehalten in Lebensmitteln (und Futtermitteln) führen wird. Gegenwärtig werden vor allem Möglichkeiten diskutiert, die Cadmiumgehalte in Lebensmitteln generell zu reduzieren, um auf diese Weise die Exposition des Verbrauchers gegenüber Cd zu verringern. Hier bietet sich zum Beispiel ein verstärkter Einsatz cadmiumarmer Düngemittel an oder die Züchtung von Pflanzensorten, die weniger Cadmium anreichern. Allerdings können auf Grund des verbreiteten natürlichen Vorkommens von Cadmium im Boden und der jahrelangen Einträge durch Industrie und Bergbau, aber auch durch Unzulänglichkeiten in der Landnutzung, solche Minimierungsstrategien nur langfristig erfolgreich sein. 146 Literatur: EFSA (European Food Safty Authority, 2009). Scientific Opinion: Cadmium in food, Scientific Opinion of the Panel on Contaminants in the Food Chain. http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753812_1211902396126.htm, abgerufen am 08.04.2009. JECFA (Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives, 2001). Evaluation of certain food additives and contaminants - Seventy-third report of the Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives. 5. Contaminants; WHO Technical Report Series 960, Genf, 2010: 149-162. 147 Bewertung von Nitrat und Nitrit in Futtermitteln H. Schenkel Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart - Hohenheim Nitrat und Nitrit sind zwei wichtige Verbindungen im Stickstoffkreislauf und spielen bei der Stickstoffernährung der Pflanze eine wichtige Rolle (Knittel et al., 2012). Nitrit und Nitrat wird in unterschiedlichen Konzentrationen und auf unterschiedlichen Wegen über Futter und Tränkwasser von den landwirtschaftlichen Nutztieren aufgenommen. Während der Passage durch den Verdauungstrakt wird es zum Teil umgewandelt und weist im Intermediärstoffwechsel ein unterschiedliches Verhalten auf (Cockburn et al., 2010). Hintergrund ist eine unterschiedliche Bedeutung der Methämoglobin-Reduktase bei den verschiedenen Tierarten bzw. die bakterielle Reduktase im Pansen der Wiederkäuer. Beim Wiederkäuer wird in der Regel das Nitrat über Nitrit zu Ammoniak reduziert, welches bei ausreichender Energieversorgung zur bakteriellen Proteinsynthese herangezogen werden kann. Ist dieser Prozess durch sehr hohe Nitratanflutung limitiert, kann es vermehrt zur Nitritabsorption kommen. Beim Schwein ist die Nitratreduktion zu Nitrit nur schwach ausgeprägt und v. a. auf den Enddarmbereich beschränkt. Ob es bei E.coli Infektionen zu erhöhten Umwandlungsraten bereits im Dünndarm kommt ist unklar. Unklar ist weiterhin, ob eine Nitrosaminbildung in nennenswertem Umfang stattfindet Nitrit weist bekanntermaßen eine höhere Toxizität als Nitrat auf (El Bahri et al., 1997). Erste Kenntnisse einer NitratIntoxikation liegen bereits seit 1895 vor (Mayo, 1895). Gehalte in Futtermitteln Informationen über Nitritgehalte in Futtermitteln liegen bislang in der Literatur nur in begrenztem Umfang vor. Der erwähnten Stellungnahme der EFSA (2009) liegen lediglich 94 Ergebnisse zugrunde, von denen sich alleine 60 auf Fischmehl und Fischfutter beziehen. In Grünland- und Ackerfutterbeständen weisen einzelne Nutzpflanzen und vor allem Unkräuter ein sehr unterschiedliches Nitratakkumulationsvermögen auf, wobei z. T. ausgeprägte Einflüsse vom Vegetationsstadium sowie vom Pflanzenteil bestehen (Schmid, 1977; Wiesner, 1985 Spolders, 2006). Bekannt ist der mögliche Nitrat-/Nitriteintrag in die Ration durch Zwischenfrüchte (Kemp et al., 1977, Gruber, 2006). Die Werte von Zimmermann und Lengerken (1979) für Mais, Ölrettich und Raps liegen deutlich über den geregelten Einzelfutterwerten. Überdüngung und ungünstige Standortfaktoren können zu einer erheblichen 148 Nitratakkumulation führen (Schmidt, 1977; Roth-Maier, 1984; Wiesner, 1985, Spolders, 2006). Im Kolbenanteil von Maispflanzen und in Gräsern besteht ein inverses Verhältnis zwischen Stärke- und Nitratgehalt (Wiesner, 1985). Im Allgemeinen wird das durch die Pflanzen aufgenommene Nitrat durch eine Nitratreduktase, die durch Nitrat induziert wird, relativ rasch in Nitrit und anschließend über Stickoxid und Hydroxylamin zu Ammonium umgewandelt. Dieses kann dann zur Aminosäuresynthese herangezogen werden (assimilatorische Nitratreduktion). Ist diese Aminosäuresynthese limitiert, erfolgt im Allgemeinen eine Anreicherung von Nitrat und nicht von Nitrit in der Pflanze (Wiesner, 1985). Ähnliche Prozesse laufen im Pansen ab. Das aufgenommene Nitrat wird zu Nitrit und weiter zu Ammonium reduziert, welches zur mikrobiellen Proteinsynthese herangezogen werden kann (Roth-Maier, 1984). Im Grünfutter kann es zu erheblichen Veränderungen der Nitritgehalte kommen. Zwischenlagerung und insbesondere Erwärmung des Grüngutes kann zu einem starken Anstieg der Nitritkonzentration führen (Weissbach und Ohff, 1978) Nitrit kann aber auch in verschiedenen Nebenerzeugnissen, die als Futtermittel eingesetzt werden, auftreten. In wie weit hier mikrobielle Umsetzungen beteilig sind bzw. Nitrit bei der Behandlung des Ausgangserzeugnisses zugesetzt wird, bedarf häufig noch einer detaillierten Klärung (Waterlander et al., 2011). Ein Beispiel für letzteren Prozess ist die Zugabe von Nitrat bei der Käseherstellung (Luf, 2002) und dem Übergang von Nitrat in Molkeprodukte, die zur Verfütterung anstehen, wobei eine Reduktion zu Nitrit möglich ist (Schnitzmeier, 2003). Im Allgemeinen enthalten Milch und Milchprodukte sehr niedrige Nitritgehalte. Eine Ausnahme stellen aus den o. g. Gründen einige Käsesorten dar (Luf, 2002). In einigen Chargen von Hüttenkäse lagen die Gehalte über dem futtermittelrechtlich geregelten Höchstwert (Luf, 2002). Nitrit als Futtermittelzusatzstoff Natriumnitrit ist in einer Reihe von Siliermitteln, meist in Kombination mit organischen Säuren (Benzoat, Sorbat u.a.), enthalten und hemmt v. a. die Entwicklung von Clostridien (Weißbach, 2011; Bundesarbeitskreis, 2012). Das zugesetzte Nitrit wird in Feuchtsilagen mehr oder weniger vollständig während des Silierprozesses abgebaut (Knicky und Spörndy, 2009). Trockene Silagen zeigen insbesondere für Nitrat einen anderen Verlauf. Trotzdem kann noch ein bestimmter Restgehalt vorhanden sein. Dies dürfte die Ursache sein warum in der Verordnung (EU) Nr. 575/2011 Silagen von einer Höchstwertsetzung ausgenommen sind. 149 Ein anderer Aspekt, der in letzter Zeit häufiger diskutiert wird, ist der Einsatz relativ hoher Mengen von Nitrat zur Reduktion der Methanemission bei Wiederkäuern (van Zijederveld et al., 2011; Hulshof et al., 2012). Andere Nitritquellen Eine sehr wesentliche Quelle für eine zusätzliche Nitritaufnahme kann das Tränkwasser sein. In den Modellrechnungen zu Nitritaufnahme der EFSA (2009, Cockburn et al., 2010) werden die EU-Vorgaben für Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch unterstellt (NN, 1998). In Tränkwasser aus eigenen Brunnen oder Oberflächenwasser kann der Nitritgehalt jedoch wesentlich höher liegen (Birnbreier und Hilliger, 1993). Da Rinder etwa das Drei- bis Vierfache der Trockenmasseaufnahme an Wasser zu sich nehmen, sollte nach Vorschlag der EPA (1972) die tolerierte Nitrat-Konzentration im Wasser etwa ein Viertel von der im Futter sein (Birnbreier und Hilliger, 1993). Berichte über verschiedene Intoxikationen zeigen, dass eine Nitritbelastung auch auf zusätzliche Quellen wie die Aufnahme von Mineraldünger oder nitrit-/nitrathaltigem Abwasser zurückzuführen ist. Ein Beispiel ist hier die Intoxikation durch Tropfwasser aus einem Luftwäscher im Stall (Große Beilage et al, 2002) oder aus verschmutztem oder stark veralgtem Wasser bei Schweinen (Hoorens und Thonen, 1961). Diese Quellen werden verständlicherweise nicht durch die futtermittelrechtlichen Regelungen erfasst. Einige Eintragspfade sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. Tabelle 1: Eintragspfade für Nitrat/Nitrit für die Aufnahme durch landwirtschaftliche Nutztiere - Pflanze (Aufnahme aus dem Boden): Düngung, Standortfaktoren, Pflanzenfaktoren - Mikrobielle Umsetzungen während der Behandlung/Herstellung - Zusatzstoffe / Verarbeitungshilfsstoffe z. B. zum Ausgangsprodukt (Milch) z. B. zum Futtermittel (Siliermittel) - Tränkwasser Zusätzliche Eintragsquellen: Düngemittel, Sickersaft, Kondenswasser Luftwäscher 150 Das Verhältnis von Nitrat zu Nitrit in Futtermitteln ist nicht konstant und die Umwandlungsrate hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so dass eine alleinige futtermittelrechtliche Regelung von Nitrit wie noch darzustellen ist nicht unproblematisch ist. Rechtliche Regelungen Mit der Verordnung (EU) Nr. 574/2011 (NN, 2011 a) wurden für Nitrit in Futtermitteln die folgenden Höchstmengen festgelegt (Tabelle 2). Grundlage hierfür war insbesondere eine umfangreiche Stellungnahme der EFSA (2009). Tabelle 2: Höchstgehalte für Nitrit (berechnet als Natriumnitrit) gemäß Verordnung (EU) Nr. 574/2011 Zur Tierernährung bestimmte Erzeugnisse Futtermittelausgangserzeugnisse Ausgenommen - Fischmehl - Silagefutter - Erzeugnisse und Nebenerzeugnisse aus Zuckerrüben und Zuckerrohr sowie der Stärkeerzeugung Alleinfuttermittel Ausgenommen - Alleinfutter für Hunde und Katzen mit einem Feuchtegehalt über 20 % Höchstgehalt in mg/kg, bezogen auf ein Futtermittel mit einem Feuchtegehalt von 12 % 15 30 - 15 - Diese Regelungen werfen eine Reihe von Fragen auf, die an dieser Stelle nicht detailliert besprochen werden können. Hier sei auf eine weitere Publikation verwiesen (Schenkel, 2013 in Vorbereitung). Außer der Ausnahmeregelung für Feuchtfutter für Hunde und Katzen finden sich keine tierspezifischen Regelungen obwohl bekannt ist, dass ausgeprägte tierartliche und altersbedingte Unterschiede in der Empfindlichkeit bestehen. Es ist ein Alleinfutterwert vorgegeben, andererseits besteht eine Reihe von Ausnahmen für verschiedene Einzelfuttermittel. Dies bringt für den Tierhalter das Problem mit sich, dass er sich um Analysenwerte für solche Futtermittel bemühen muss, um gegebenenfalls die Höchstwerte für die Tagesration einzuhalten. Es ist offen in wieweit hier zusätzlich die Nitritwerte im Tränkwasser einzurechnen sind, die nicht unerheblich sein können. Wie bereits erwähnt sind die Nitrat- und Nitritkonzentrationen im Futter eng mit einander verbunden. In den meisten Fällen in der Praxis sind Nitratintoxikationen beschrieben ohne Informationen zum Nitritgehalt. Es stellt sich die Frage, ob hier nicht eine kombinierte Regelung ähnlich der Höchstwertregelung im Trinkwasser möglich gewesen wäre (NN, 2011b). Insgesamt ergibt sich jetzt eine Situation, dass die futtermittelrechtlichen Regelungen auf Nitrit ausgerichtet 151 sind, die lebensmittelrechtlichen Regelungen, mit Ausnahme der Regelungen für Nitrit als Zusatzstoff, das Nitrat fokussieren (Spinat, Salat, Beikost für Säuglinge), während die Trinkwasserregelungen Nitrit und Nitrat einbeziehen, ähnlich wie die Empfehlungen für das Tränkwasser. Grundlage dieser Regelungen waren Literaturauswertungen zur toxischen Wirkung des Nitrits, insbesondere die Bildung von Methämoglobin (Tab 3). Tabelle 3: Abgeleitete LOAL- und geschätzte NOAL – Dosen aus einer Literaturauswertung zur Toxizität von Nitrit und Nitrat bei Landwirtschaftlichen Nutztieren (EFSA ,2009) Eine kritische Durchsicht (Schenkel, 2013) dieser Werte zeigt, dass eine Reihe von Werten aus Nitratbelastungsversuchen abgeleitet wurden, einige Versuche nicht als Dosis-Wirkungsversuche angelegt waren, die eine sichere Ableitung der „Grenzdosen“ ermöglichen. Ferner fällt auf, dass zwischen den abgeleiteten NOAL-Dosen und den in der Verordnung geregelten Höchstwerten eine sehr hohe Sicherheitsspanne eingerechnet ist. Insgesamt lässt sich die Situation folgendermaßen zusammenfassen: Nitrit ist in unterschiedlichen Gehalten in den meisten Futtermitteln vorhanden, sowie im Lebensmittel – als auch im Futtermittelbereich als Konservierungsmittel bzw. als Silierzusatz unter definierten Bedingungen zugelassen. Die bislang publizierten Methoden zur Nitritbestimmung reichen offenbar nicht aus um in allen Futtermittelmatrices Nitrit mit ausreichender Sicherheit zu bestimmen. 152 Die derzeit vorliegenden Regelungen über Höchstgehalte - - basieren auf einem sehr begrenzten Datenmaterial sind in Relation zu den NOEL-Dosen sehr niedrig angesetzt und dürften in grundfutterbetonten Rationen überschritten werden, wenn der Alleinfutterwert zugrunde gelegt wird sind durch die Ausnahmeregelungen für eine Reihe von Futtermittel hinsichtlich des Alleinfutterwertes schwer zu vollziehen viele Futtermittelbedingte Intoxikationen gehen von einem erhöhten Nitratgehalt aus. Da das Verhältnis Nitrat/Nitrit nicht konstant ist, ist eine alleinige Regelung des Nitritgehaltes problematisch Literatur: Birnbreier, E., Hilliger, H.G. (1993): Toleranzkonzentrationen für Nitrat und Nitrit im Tränkwasser von Rindern und Schafen. 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Zentrales Ziel der gemeinsamen Strategie ist die Reduzierung und Verminderung von Antibiotika-Resistenzen in Deutschland. Als wichtige Risikomanagementmaßnahme zur Bewertung der Antibiotikaresistenz-Situation wurde für Tierärzte die Erfassung und Mitteilungspflicht der Abgabemengen an antimikrobiellen Tierarzneimitteln eingeführt (elektr. Bundesanzeiger vom 22.11.2010). Zukünftig werden Abgabemengen über das Internetportal des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittel zum 1. November eines jeden Jahres veröffentlicht. Antibiotika gehören zu einer therapeutisch sehr wertvollen und vielverwendeten Gruppe von Arzneimitteln, die Bakterien entweder zerstören oder sie an der Vermehrung hindern, und damit zur Genesung des Patienten beitragen. Es gibt Hinweise darauf, dass der Verbrauch von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin jährlich stetig ansteigt. Mit vermehrter Verwendung antimikrobieller Stoffe nimmt aber auch die Wahrscheinlichkeit der Resistenzbildung grundsätzlich zu. In der Tiermedizin werden nur eine geringe Anzahl an Stoffen und Stoffmischungen zur Behandlung von Infektionen eingesetzt und es sind in diesem Bereich auch nur wenige Neuentwicklungen zu erwarten (Germap 2008; Germap 2010). Umso entscheidender ist es, dass die Wirkstoffe nicht durch zunehmende Resistenzentwicklungen unwirksam werden. Zu der am häufigsten angewendeten Gruppe gehören die Tetracycline mit den Wirkstoffen: Chlortetracyclin, Doxycyclin, Oxytetracyclin und Tetracyclin. Nach Schätzungen des Veterinärpanel der Gesellschaft für Konsumforschung machen die Tetracycline bis zu 50% der gesamten Verbrauchsmenge in der Tiermedizin in Deutschland aus (Schneidereit 2005). Diese Angaben wurden inzwischen durch die erfassten Abgabemengen von Antibiotika bestätigt (DIMDI 2012). Im Jahr 2011 sind in Deutschland insgesamt 1.734 Tonnen Antibiotika von Unternehmen an Tierärzte abgegeben worden. Darunter bilden Tetracycline mit insgesamt 576 Tonnen die größte Gruppe gefolgt von Aminopenicillinen mit 505 Tonnen. Antibiotika werden im Organismus nicht vollständig abgebaut. Vielmehr gelangen bis zu 80% der verabreichten Wirkstoffe und ihre Abbauprodukte (Metabolite) über Ausscheidungen wieder in die Umwelt (Sedlak 2001). Mit den Ausscheidungen von Mensch und Tier gelangen die antibiotisch wirksamen Substanzen sowie deren Abbauprodukte in Kläranlagen, Biogasanlagen oder in Wirtschaftsdünger. Durch die Verwendung von Gülle, Klärschlamm 155 oder Rückstände aus Fermentern als Wirtschaftsdünger wird ein Eintrag der Arzneimittel in oder auf den Boden wahrscheinlich. In verschiedenen Gülleuntersuchungen wurden beispielsweise Gehalte von 1 bis 200 mg/kg Tetracycline festgestellt. Auch in Rückständen aus der Biogasproduktion konnten Tetracyclin-Gehalte in Konzentrationen von 0,1 bis 1,4 mg/kg nachgewiesen werden (Eberhardt und Scheffknecht, 2007). Untersuchungen von Bodenproben zeigen ebenfalls deutliche Gehalte an antibiotisch wirksamen Rückständen. Zu dem wird auf deren langjährige Persistenz im Boden und ihre geringe Verlagerungsneigung hingewiesen (Umweltbundesamt 2004). Damit gelangen die Antibiotika prinzipiell auch in den Wurzelraum von Nutzpflanzen. Verschiedene Studien belegen, dass Arzneimittel prinzipiell durch Pflanzen aufgenommen werden und unterschiedliche Wirkungen hervorrufen (Boxall et al. 2006, Kumar et al. 2007, Schwake-Anduschus 2009). In einzelnen Untersuchungen wurden auch im Getreidekorn Arzneimittelgehalte festgestellt (Freitag et al. 2008). Um den Weg der Antibiotika bis in das Getreidekorn weiter untersuchen zu können, wurden am MRI Experimente mit Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Getreide wurde in einer Wachstumskammer bis zur Kornreife kultiviert und dabei während einer definierten Entwicklungsperiode der Nährlösung Chlortetracyclin in zwei verschiedenen Konzentrationsstufen zugesetzt. Die geernteten Körner, sowie ausgewählte Proben aus der nationalen Weizen- und Roggenernte der Jahre 2008 bis 2010, wurden mit Hilfe der LC-MS/MS analysiert. Die Ergebnisse der Aufnahmeexperimente in der Wachstumskammer zeigen, dass Chlortetracyclin (und seine Metabolite) bis in das Getreidekorn transportiert wird. Je höher die Konzentration an Chlortetracyclin in der Nährlösung war, umso höhere Gehalte wurden in den Getreidekörnern festgestellt. Sowohl in dem Getreide aus den WachstumskammerVersuchen als auch in realen Ernteproben wurden bis zu ~ 5 µg/kg Tetracycline festgestellt. In 31 (48%) Weizen und Roggen Proben von insgesamt 64 Proben der Ernten 2009 und 2010 aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden Konzentrationen von 0,1 bis 5 µg/kg analysiert. Nach fünfzehn Monaten Lagerung war eine Reduktion der Gehalte um 95 % feststellbar. Ob und gegebenenfalls welche Relevanz diese Befunde für den Verbraucherschutz haben, kann erst beantwortet werden, wenn die vorhandene Datenbasis durch weitere Untersuchungen ausgebaut wird. Wissenschaftlich bewiesen ist allerdings eine zunehmende Resistenzbildung auch bei geringen Antibiotika-Gehalten. 156 Literatur: Boxall A.B.A., Johnson P., Smith E.J., Sinclair C.J., Stutt E., Levy L.S. (2006) Uptake of veterinary medicines from soils into plants. J. Agric. Food Chem.: 54, 2288-2297. DIMDI 2012: Abgabemengen unter http://www.bvl.bund.de/DE/08_PresseInfothek/01_FuerJournalisten/01_Presse_und_ Hintergrundinformationen/01_PI_und_HGI/TAM/2012/2012_09_11_pi_abgabemenge nregister.html?nn=1401276 (2.11.2012). Eberhardt W. und Scheffknecht C. (2007) Biogasgülle Nähr- und Schadstoffgehalte in Gärrückständen, Bericht UI/VIe-7/2007, Institut für Umwelt und Lebensmittelsicherheit des Landes Vorarlberg, Bregenz. Freitag M., Yolcu D.Y., Michel R., Hayen H., Grote M. (2008) Screening zum AntibiotikaTransfer aus dem Boden in Getreide in Regionen Nordrhein-Westfalens mit großen Viehbeständen. Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 3, 174-184. Germap (2008) Antibiotika-Resistenz und Verbrauch, Herausgeber Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V., Infektiologie Freiburg, Verlag Antiinfectives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation mbH, Rheinbach, ISBN 978-3-00-025097-2 Germap (2010) Antibiotika-Resistenz und -Verbrauch, Herausgeber Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V., Infektiologie Freiburg, Verlag Antiinfectives Intelligence Gesellschaft für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation mbH, Rheinbach, ISBN 978-3-00-031622-7. Kumar K., Gupta S.C., Baidoo S.K., Chander Y., Rosen C.J. (2005) Antibiotic uptake by plants from soil fertilized with animal manure. J. Environ. Qual. 34, 2082 – 2085. Schneidereit, M. (2005) Antibiotika-Einasatz in der Veterinärmedizin: Situation in Deutschland und anderen europäischen Veredlungsregionen. 20.Jahrestagung RE Ges. Symposium II. Schwake-Anduschus C. (2009) Untersuchungen zur Aufnahme von Antibiotika durch Nutzpflanzen, Dissertation, Universität Paderborn. Sedlak D. L.; Pinkston, K. E. (2001) Factors affecting the concentrations of pharmaceuticals released to the aquatic environment. J. Contemp. Water Res. Educ. 1, 56-65. Winckler C., Engels H., Hund-Rinke K., Luckow T., Simon M. und Steffens G. (2004) Verhalten von Tetrazyklinen und anderen Veterinärantibiotika in Wirtschaftsdünger und Boden, Forschungsbericht 200 73 248, Uweltbundesamt. 157 Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln K. Hohgardt Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Braunschweig 1. Einleitung Das Carry over Geschehen stellt einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Risikobewertung sowohl für den Verbraucher als auch für das Lebensmittel liefernde Tier dar. Bei dem Thema "Pflanzenschutzmittelrückstände in Futtermitteln" drängen sich mehrere Fragen auf: Wie kommen Rückstände von Wirkstoffen aus Pflanzenschutzmitteln in die Futtermittel? Sind diese Rückstände von Interesse? Kenne ich die Höhe der Rückstände? Reicht das Wissen aus? Die erste Frage ist noch relativ einfach zu beantworten. Der Schutz der Kulturpflanzen ist ein im Pflanzenschutzgesetz festgelegtes Ziel. Das Gesetz sieht die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel vor, soweit diese auf das notwendige Maß beschränkt wird. Da es keinen Wirkstoff gibt, der nach der Anwendung und Entfaltung seiner Wirkung in Kohlendioxid und Wasser zerfällt, sind Rückstände in den behandelten Pflanzen, unabhängig von ihrer Verwendung als Lebens- und/oder Futtermittel, unvermeidlich. Die übrigen Fragen bedürfen jedoch einer vertieften Betrachtung. Neben dem bereits genannten Pflanzenschutzgesetz spielen in diesem Zusammenhang auch die Verordnungen (EG) Nr. 396/2005 und 1107/2009 sowie die Verordnungen (EU) Nr. 544/2011 und 545/2011 eine Rolle. Das bestehende Recht sah bisher nur Untersuchungen zu Wirkstoffen vor. Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 stellt diesen Wirkstoffen die bisher als Beistoffe betrachteten Safener2 und Synergisten3 gleich, allerdings erst, nachdem sich die Mitgliedstaaten auf die Datenanforderungen geeinigt haben. In Deutschland wurden bisher beide Stoffgruppen wie Wirkstoffe behandelt. Für die übrigen Beistoffe existieren nur rudimentäre 2 Stoffe oder Zubereitungen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die phytotoxische Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu unterdrücken oder zu verringern, werden Safener genannt. 3 Stoffe oder Zubereitungen, die keine oder nur eine schwache Wirkung als Pflanzenschutzmittel aufweisen, aber die Wirkung des Wirkstoffs/der Wirkstoffe in einem Pflanzenschutzmittel verstärken, werden Synergisten genannt. 158 Datenanforderungen. Darüber hinaus gehende Daten können nur im begründeten Einzelfall angefordert werden. An dieser Stelle sei auch vermerkt, das der Begriff Futtermittel hier nicht der Definition des Futtermittelrechts folgt. Die Regelungen, die hier betrachtet werden, umfassen landwirtschaftliche Rohprodukte, die in der Form, in der sie geerntet werden, als Alleinfuttermittel oder in Form eines Mischfuttermittels in den Handel kommen. Die in vielen Fällen verwendeten verarbeiteten Erzeugnisse werden ebenfalls betrachtet. 2 Ziele Untersuchungen zu Rückständen von Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln verfolgen bei Futtermitteln mehrere Ziele. Hier sind zu nennen Aufzählung Vergiftungen bei den Lebensmittel liefernden Tieren (Tiergesundheit) Leistung der Lebensmittel liefernden Tiere (Tiergesundheit) Schutz der Verbraucher (Verbraucherschutz) 2.1 Tiergesundheit Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Futtermitteln können einerseits zu Vergiftungen bei den landwirtschaftlichen Nutztieren führen. Andererseits können sie auch die Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Nutztiere beeinträchtigen. Beides ist unerwünscht. Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 stellt aus diesem Grund die Tiergesundheit dem Schutz der Verbraucher gleich. Die Frage der Vergiftungen baut auf den an tierexperimentellen Studien zur (Human-) Toxikologie gewonnenen Erkenntnissen der Antragsteller auf. Hier liegt eine breite Palette an Tierstudien vor, die sowohl akute Wirkungen als auch Langzeitwirkungen abdecken. Im Wesentlichen werden diese Versuche mit Nagetieren durchgeführt. Hinzu kommen in Einzelfällen Untersuchungen an Vögeln, Hunden und anderen Tierarten. Das Ziel dieser Untersuchungen ist die Feststellung von Dosierungen, bei denen Effekte auftreten. Soweit für Futtermittel relevant, werden Untersuchungen an Wiederkäuern und Hühnern durchgeführt. Hierbei kann festgehalten werden, dass die Toxikologie sehr gut in der Lage ist, die Dosierungen in diesen Versuchen so abzuschätzen, dass es zu keinen Vergiftungen der Tiere kommt. So ist aus der langjährigen Erfahrung nicht bekannt, dass eine Studie zum Metabolismus abgebrochen werden musste. Fütterungsstudien zeigten in sehr seltenen Fällen Effekte in der höchsten Dosierung. Dass daraufhin eine Fütterungsstudie abgebrochen werden muss – zumindest in der höchsten Dosierung – ist äußerst selten der Fall. 159 Zu bedenken ist auch, dass die Antragsteller bei allen Tierversuchen nicht nur pflanzenschutzrechtliche Bestimmungen sondern auch tierschutzrechtliche Vorgaben beachten müssen. Ob es bei landwirtschaftlichen Nutztieren in der Praxis jemals zu Vergiftungen gekommen ist, ist nicht bekannt. Während Vergiftungen beim Menschen nach § 16e Chemikaliengesetz an das Bundesinstitut für Risikobewertung und Schäden an Bienen an das Julius-Kühn-Institut (§ 33 Pflanzenschutzgesetz) zu melden sind, gibt es eine analoge bundeseinheitliche Meldepflicht bei landwirtschaftlichen Nutztieren bzw. bei Wirbeltieren nicht. Schadensfälle bei Haus- und Wirbeltieren werden von den amtlichen Dienststellen für Pflanzenschutz der Länder bearbeitet, oder, wenn es sich um vorsätzliche Vergiftungen handelt, von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sammelt entsprechende Informationen und wertet sie aus4. Da keine Meldepflicht für Wirbeltiervergiftungen, die in Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln (PSM) gebracht werden, besteht, erhält das BVL von vielen Fällen keine Kenntnis und die berichteten Daten sind nicht repräsentativ. 2.2 Leistung der Tiere Hierzu kann festgestellt werden, dass diese Frage bisher nicht ausreichend berücksichtigt wird, obwohl die Frage, wenn auch vielleicht nicht vollständig, so doch in Ansätzen beantwortet werden könnte. Voraussetzung wäre, dass die hierfür notwendigen Parameter benannt werden und in der Versuchsphase erhoben werden. Derzeit können jedoch nur Milchund Legeleistung der Kontrollgruppe und der dosierten Gruppen verglichen werden. Weitere Parameter könnten dann während der Akklimationsphase und im Verlauf der Durchführung der Fütterungsstudie erfasst werden. Ein Vergleich dieser Daten könnte die gewünschten Informationen liefern. Im Einzelfall wäre über die Erfassung von Daten einer historischen Kontrollgruppe nachzudenken, wie dies bei Studien zur (Human-)Toxkologie im Einzelfall auch erfolgt. Zu diskutieren sind die Fragen, ob die Erfassung der zu benennenden Parameter auch über das Versuchsende erfolgen muss, um die Reversibilität der beobachteten Effekte zu dokumentieren und ob längerfristige Kontrolldaten benötigt werden. 4 http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/09_GesundheitNaturhaushalt/03_HausWildtier vergiftungen/psm_HausWildtiervergiftungen_node.html 160 2.3 Verbraucherschutz In der Vergangenheit lag das Hauptaugenmerk bei der Frage von Rückständen in Futtermitteln auf der Frage der Rückstände in Lebensmittel tierischer Herkunft. Dies ist auch heute natürlich eine wichtige Fragestellung. Die Rückstände können durch Carry-over-Prozesse aus Futtermitteln in Lebensmittel tierischer Herkunft gelangen. Diese Rückstände tragen dann neben Rückständen aus pflanzlichen Lebensmitteln und ggf. anderen Quellen zur Aufnahme von Rückständen mit der Nahrung der Verbraucher bei. Rückstände in einzelnen Erzeugnissen könnten akut toxische Wirkungen beim Verbraucher entfalten und die Summe der Rückstände in der Nahrung könnte langfristig zu unerwünschten Effekten beim Verbraucher führen. Diese Fragen werden durch die vorzulegenden Versuche abgeklärt. 3 Rückstandsverhalten Neben einem vollständigen Datensatz an tierexperimentellen Studien zur (Human-) Toxikologie sind Rückstandsanalysenmethoden und Angaben zum Rückstandsverhalten vorzulegen. Auf die beiden letztgenannten Punkte soll im Folgenden näher eingegangen werden. Um den Umfang der vorzulegenden Ergebnisse nicht zu groß werden zu lassen, werden manche Parameter nur modellhaft untersucht, z. B. durch Zusammenfassen von Erzeugnissen zu Gruppen oder Extrapolation von Ergebnissen. Die Datenanforderungen für Wirkstoff und Mittel sind in den Verordnungen (EU) Nr. 544/2011 und 545/2011 aufgeführt. Diese werden durch eine Reihe von Leitlinien untersetzt, von denen einige benannt werden. 3.1 Rückstandsanalysenmethoden Die Rückstandsanalysenmethoden müssen die Bestimmung des reinen Wirkstoffs und/oder der relevanten Metabolite ermöglichen. Bei den Rückstandsanalysenmethoden für Überwachungszwecke handelt es sich in der Regel um Multimethoden, die mit allgemein gebräuchlichen Geräten durchgeführt werden können. Für die Zulassung muss die Rückstandsanalysenmethode für die Überwachung in der Regel durch eine zweite Methode abgesichert werden. Außerdem ist eine unabhängige Methodenvalidierung durch den Antragsteller durchzuführen. Allerdings bleibt diese Validierung hinter den Erfordernissen der Lebens- und Futtermittelüberwachung zurück. 161 Eine Rückstandsanalysenmethode für die Überwachung muss nicht für jedes Erzeugnis validiert werden. Vielmehr reicht es aus, diese Methoden für verschiedene Matrixgruppen zu validieren. Diese sind: Trockene Erzeugnisse (hoher Protein-/Stärkegehalt, z. B. Getreide, Hülsenfrüchte) Erzeugnisse mit hohem Wassergehalt (z. B. Äpfel, Tomaten, Kopfkohl) Erzeugnisse mit hohem Ölgehalt (z. B. Avocadofrüchte, Oliven, Rapssamen) Erzeugnisse mit hohem Säuregehalt (z. B. Orangen, Trauben) Erzeugnisse, die schwierig zu analysieren sind (z. B. Gewürze, Hopfen, Tee) Sofern für Lebensmittel tierischer Herkunft Rückstandshöchstgehalte über dem Standardwert der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 von 0,01 mg/kg festgelegt werden sollen, sind Rückstandsanalysenmethoden für die Matrices Milch, Eier, Fleisch (Rind oder Geflügel), Fett und Leber/Niere vorzulegen. Weitere Einzelheiten können dem Dokument SANCO/825/00, derzeit rev. 8.1 entnommen werden. Die Rückstandsanalysenmethoden müssen die Bestimmung des reinen Wirkstoffs und/oder der relevanten Metabolite ermöglichen. Worauf im Einzelfall zu analysieren ist, hängt von den Ergebnissen der durchzuführenden Metabolismusuntersuchungen ab. 3.2 Rückstandsverhalten Bei der Prüfung des Rückstandsverhaltens gilt grundsätzlich, dass die vorzulegenden Daten sich nach dem Umfang der beantragten Anwendungen richten. Es sind Daten sowohl zur Art der Rückstände (Metabolismus) als auch zur Höhe der Rückstände vorzulegen. Betroffen sind die behandelten Pflanze, nachgebaute Kulturen, verarbeitete Erzeugnisse und landwirtschaftliche Nutztiere. Untersuchungen zum Metabolismus sind mit radioaktiv markierten Substanzen (in der Regel 14C-Markierung) durchzuführen. 3.2.1 Metabolismus Der Metabolismus wird an Pflanzen, nachgebauten Pflanzen, verarbeiteten Erzeugnissen und an landwirtschaftlichen Nutztieren untersucht. Metabolismus in behandelten Pflanzen Soweit möglich sollen Untersuchungen zum Metabolismus auch Aussagen zur Aufnahme über Blattoberflächen, Früchte oder Wurzeln, sowie über die Verteilung innerhalb der Pflanze 162 ermöglichen. Neben der im Vordergrund stehenden Aussage zu Abbauprozessen und der Bildung von Metaboliten müssen auch nicht-extrahierbare Rückstände bestimmt werden. Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln werden in mehrstufigen Prozessen metabolisiert. Freie primäre Metabolite werden im weiteren Verlauf an Pflanzeninhaltsstoffe konjugiert oder können kovalent an unlösliche Bestandteile gebunden werden, so dass nicht-extrahierbare Rückstände entstehen. Die wasserlöslichen Konjugate werden innerhalb der Pflanzen gespeichert. Ein Totalabbau der Wirkstoffe zu CO2 und Wasser ist in Pflanzen nur von untergeordneter Bedeutung. Um eine Bilanzierung und die Identifikation unbekannter Substanzen zu ermöglichen, müssen Tests mit geeignet radioaktiv markierten Wirkstoffen (14C, 35S, 32P o. a.) in einer Position, die eine weitestgehend vollständige Verfolgung des Abbaus erlaubt, durchgeführt werden. Umfassende Daten werden vorzugsweise in einem Testsystem mit vollständigen Pflanzen im Labor, in der Klimakammer oder im Freiland ermittelt. Diese Versuche stellen den überwiegenden Teil der Versuche dar, da aus ihnen die gewünschten Ergebnisse vollständig ableitbar sind. Daneben können weitere Versuche durchgeführt werden. Zur schnellen qualitativen Aufklärung primärer Metabolisierungsschritte eignen sich Versuche mit Pflanzenteilen oder Pflanzengewebe. Durch eine sterile Kultivierung der Testpflanzen können externe Einflüsse auf die Metabolisierung ausgeschlossen werden. Versuche mit Zellkulturen sind geeignet, qualitative Aussagen zu Abbaureaktionen abzuleiten und sie können für die Produktion größerer Mengen von Metaboliten eingesetzt werden. Durch den Einsatz isolierter Enzymsysteme können Basisdaten für ein verbessertes Verständnis der Metabolisierungsvorgänge erarbeitet werden. Je nach beabsichtigtem Anwendungsgebiet sind Metabolismusstudien für Pflanzen an bis zu drei von fünf in einer Leitlinie definierten Kategorien vorzulegen. Diese sind R Wurzelkulturen (z. B. Kartoffeln, Rüben) L Blattkulturen (z. B. Blattgemüse, Hopfen) P/O Hülsenfrüchte und Ölsaaten F Fruchtkulturen (z. B. Trauben, Kernobst) C Getreidekulturen (neben Getreide auch Gräser und andere Futterpflanzen) Wenn bei entsprechend großem Anwendungsumfang der Metabolismus in den gewählten drei Kulturgruppen nicht vergleichbar ist, müssen auch die verbleibenden beiden Gruppen untersucht werden. Die Vergleichbarkeit bezieht sich insbesondere auf qualitative Aspekte. Eine vollständige quantitative Vergleichbarkeit ist selten gegeben. Zu untersuchen sind immer alle relevanten Pflanzenteile, also bei Getreide nicht nur das Korn sondern auch Grünmasse und Stroh. 163 Metabolismus in nachgebauten Kulturen Rückstände in Nachbaukulturen können nur dann auftreten, wenn die aus der Primärkultur in den Boden gelangten Rückstände (Wirkstoff oder Metabolite des Bodens) eine hinreichende Persistenz aufweisen und somit zum Zeitpunkt der Aussaat/Pflanzung der Nachbaukultur in entsprechender Konzentration im Boden vorliegen. Rückstände im Boden liegen entweder nach Unterpflügen belasteter Pflanzen oder Pflanzenteile der behandelten Primärkultur oder als Anteil eines Mittels, das bei der Anwendung in der Primärkultur direkt auf den Boden gelangt, vor. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Rückstände im Boden durch die nachgebaute Kultur über deren Wurzelsystem aufgenommen und in der Pflanze verteilt werden können. Dauerkulturen (z. B. Kernobst) werden an dieser Stelle nicht betrachtet. In der Regel werden diese Versuche bisher nach einem Studiendesign der amerikanischen Zulassungsbehörde EPA (Environmental Protection Agency) durchgeführt. Der radioaktiv markierte Wirkstoff wird jeweils in einfacher praxisüblicher Aufwandmenge direkt auf den Boden appliziert. Die Dauer der Alterung unter aeroben Bedingungen vor der Aussaat/Pflanzung der Nachbaukultur beträgt im worst case Fall (Simulation des Unterpflügens der Primärkultur) ca. 30 Tage. Weitere Untersuchungen werden nach Alterung von ca. 120 Tagen (Kulturdauer Gemüseanbau) und 360 Tagen (Kulturdauer Ackerbaukulturen) durchgeführt. Als Nachbaukulturen sind repräsentative Vertreter aus wenigstens drei Kulturgruppen zu wählen, in der Regel eine Wurzelkultur, eine Blattkultur und eine Getreideart. Auch hier gilt, dass alle relevanten Pflanzenteile zu untersuchen sind. Metabolismus in verarbeiteten Erzeugnissen Versuche sind nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in Kulturen erfolgen, bei denen Erzeugnisse einer Verarbeitung unterliegen und bei denen Rückstände in diesen Erzeugnissen bestimmbar sind. Dabei sind neben dem Wirkstoff auch in der behandelten Pflanze auftretende Metabolite zu berücksichtigen. Da es zum einen praktisch unmöglich ist, mit gewachsenen radioaktivmarkierten Rückständen Verarbeitungsprozesse (in einer Produktionsanlage) durchzuführen und zum anderen der Hauptprozess bei der Verarbeitung die Hydrolyse darstellt, hat man sich geeinigt, in diesem Fall Hydrolysestudien als Modellversuche durchzuführen. Diese Versuche werden bei drei unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt, die verschiedene Prozesse repräsentieren. 164 Tabelle 1: Parameter für Hydrolysestudien und die sie repräsentierende Prozesse. Temperatur (°C) Dauer (min) pH Repräsentierter Prozess 90 20 4 pasteurisieren 100 60 5 backen, kochen, brauen 120 20 6 sterilisieren In der Regel reichen drei Versuche unter den genannten Bedingungen aus. Einzig die Ölgewinnung mit ihren extremen Temperaturbedingungen ist nicht ausreichend dargestellt. Metabolismus in landwirtschaftlichen Nutztieren Versuche sind nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in Kulturen erfolgen, bei denen Erzeugnisse verfüttert werden und eine Berechnung zeigt, dass Rückstände oberhalb von 0,1 mg/kg (Trockengewicht) im Futter zu erwarten sind. Dabei sind neben dem Wirkstoff auch in der behandelten Pflanze auftretende Metabolite zu berücksichtigen. Kann der Wirkstoff in der Pflanze nicht mehr detektiert werden, soll die Studie mit dem Hauptmetaboliten durchgeführt werden. Versuche werden an Wiederkäuern, in der Regel Milchziegen, und Geflügel, in der Regel Legehennen, durchgeführt. Zeigt ein Vergleich des Metabolismus in der Ratte (Daten werden im Bereich der Toxikologie erhoben) und in der Milchziege Differenzen (qualitativer Art) auf, wird auch eine Studien an Schweinen notwendig. Die verabreichte radioaktiv markierte Menge an Substanz sollte in der Größenordnung der im Futter erwarteten Rückstände liegen, mindestens jedoch 10 mg/kg Futtermittel betragen. Untersucht werden Milch, Eier, Fleisch/Fett und Innereien, in manchen Fällen auch darüber hinausgehende Matrizes. Ergebnis der Metabolismusuntersuchungen Neben anderen Zielen dienen die Ergebnisse der beschriebenen Metabolismusuntersuchungen der Ableitung von Rückstandsdefinitionen. Für die Entscheidung, ob Metabolite mit in die Rückstandsdefinition einbezogen werden sollen und wenn ja, welche, kann man grob drei Kriterien heranziehen: die Anwesenheit in signifikanten Mengen, ihre Toxizität, die Frage, ob diese mit Routineanalysenmethoden erfasst werden können (Validierung durch den Antragsteller). 165 Inzwischen ist es gängige Praxis, zwei Rückstandsdefinitionen abzuleiten: Rückstandsdefinition für Überwachungszwecke – für die Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten (Basis bildet hier das Markerkonzept, um die Rückstandsanalytik einfach zu halten) Rückstandsdefinition für die Risikobewertung – dem Schutz der Verbraucher (Basis hierfür bilden toxikologisch relevante Verbindungen) Dieses Konzept wird angewandt auf Erzeugnisse pflanzlicher und tierischer Herkunft. Die beiden Definitionen unterscheiden sich nicht, wenn keine relevanten toxischen Verbindungen zu berücksichtigen sind. Veröffentlich zugänglich ist allerdings nur die Rückstandsdefinition für Überwachungszwecke in der Verordnung (EG) Nr. 396/2005. Für dort nicht benannte Wirkstoffe ist für die Überwachung und Überprüfung der Einhaltung des Standardwertes von 0,01 mg/kg immer davon auszugehen, dass sich die Rückstandsdefinition ausschließlich auf den Wirkstoff bezieht. Aus dem zuvor Gesagten wird ersichtlich, dass die Rückstandsdefinition Einfluss auf den Umfang der durchzuführenden analytischen Arbeiten bei Rückstandsversuchen hat, da die Antragstellerin beide Definitionen bedienen muss. 3.2.2 Rückstandsverhalten Zum Bereich des Rückstandsverhaltens gehören Untersuchungen zur Stabilität der Rückstände in Proben während der Lagerung bis zur Analyse, Rückstandsuntersuchungen an Pflanzen, Rückstände in Nachbaukulturen, die Höhe der Rückstände bei der industriellen Verarbeitung bzw. der Zubereitung im Haushalt und Fütterungsversuche an landwirtschaftlichen Nutztieren. Stabilität der Rückstände während der Lagerung Da Proben nicht unmittelbar nach der Probennahme analysiert werden, kommt der Stabilität von Rückständen in Proben eine größere Bedeutung zu. Es wird davon ausgegangen, das Rückstände in tiefgefrorenen Proben über 30 Tage lang stabil sind, vorausgesetzt die Substanz ist nicht flüchtig oder labil. Bei Metabolismusuntersuchungen wird die Stabilität bei radioaktiv markierten Substanzen mit 6 Monaten angenommen. Bei längerer Lagerdauer sind daher Studien zur Lagerstabilität notwendig. Proben mit gewachsenen Rückständen oder mit den interessierenden Substanzen versetzte Proben werden dazu tiefgefroren und in Intervallen analysiert. Eine Differenz – Abnahme der Rückstände – von bis zu 30% gegenüber dem Rückstand zu Beginn der Studie wird akzeptiert. Darüber hinausgehende Differenzen werden als Abbau interpretiert, mit der Folge, dass der Antragsteller seine Proben rechtzeitig nach der Probennahme analysieren muss. 166 Rückstandsuntersuchungen an Pflanzen Nach der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind Rückstände auf/in Pflanzen unvermeidlich. Ihre Höhe ist von unterschiedlichen Faktoren wie physikalisch-chemischen Eigenschaften der verwendeten Wirkstoffe, Eigenschaften der behandelten Pflanze, Anwendungsmodalitäten abhängig. Um die von den Rückständen in Lebens- und/oder Futtermitteln ausgehenden Risiken für Mensch und Tier sachgerecht abschätzen zu können, sind Rückstandsversuche notwendig, bei denen die Höhe der unvermeidlichen Rückstände bestimmt wird. Zielen von Rückstandsversuchen sind die Quantifizierung des höchsten möglichen Rückstandes in einer behandelten Kultur zum Zeitpunkt der Ernte bzw. bei der Auslagerung bei einer Vorratsschutzmassnahme. Das Pflanzenschutzmittel wird dabei entsprechend der Guten Landwirtschaftlichen Praxis angewendet. und die Bestimmung die Abbaurate des Rückstandes, sofern dies möglich ist. Für die Durchführung von Rückstandsversuchen ist Europa in eine nördliche und eine südliche Rückstandszone eingeteilt. Je Rückstandszone sind im Freiland 4 oder 8 Versuche durchzuführen. Die Anzahl ist abhängig von der verzehrten Menge des Erzeugnisses und der relevanten Produktionsfläche und/oder der Produktionsmenge. Anwendungen unter Glas und im Vorratsschutz werden als eine Rückstandszone in Europa betrachtet. Es sind nicht für jede Kultur Rückstandsversuche durchzuführen. Vielmehr sind unter bestimmten Umständen die Ergebnisse von einer Kultur auf eine andere extrapolierbar. Bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels sind insbesondere die Faktoren Pflanzenschutzmittelaufwand, Wasseraufwand, Zahl und Abstand der Anwendungen und Zeitpunkt der Anwendung zu berücksichtigen. Weiterhin sind das Ansetzen der Spritzflüssigkeit, die Ausbringung des Pflanzenschutzmittels und weitere Pflanzenschutzmaßnahmen Faktoren, die zu beachten sind. Augenmerk ist auf die Auswahl der Standorte, die Standortbedingungen und den Kultur- und Anbaubedingungen wie Sortenwahl und Anwendungsbereich zu legen. Eine große Fehlerquelle bei der Versuchsdurchführung stellt die Probennahme dar. Hierzu gibt es dementsprechend detaillierte Regeln. Rückstände in Nachbaukulturen Auch bei diesen Versuchen wird zurzeit gerne auf das Studiendesign der amerikanischen Zulassungsbehörde EPA zurück gegriffen. Die Versuche unterscheiden sich nicht sehr von 167 den Metabolismusuntersuchungen. Die Testsubstanz ist hier nicht radioaktiv markiert und die Versuche finden im Freiland an zwei unterschiedlichen Standorten statt. Ansonsten sind die Nachbauintervalle und die anzubauenden Pflanzen vergleichbar. Sollten die Ergebnisse für eine Risikoabschätzung nicht ausreichen, muss über Nachbauversuche unter definierten Bedingungen nachgedacht werden, die die Erfordernisse des Wirkstoffs, der beabsichtigten Anwendungen und des Verbraucherschutzes berücksichtigen. Höhe der Rückstände bei der industriellen Verarbeitung bzw. der Zubereitung im Haushalt Die Versuche zur Höhe der Rückstände bei der Verarbeitung werden in Versuchen im Laboroder Technikumsmaßstab durchgeführt. Sie bilden damit die vielfältigen Möglichkeiten der Prozessführung in der Wirklichkeit nur unzureichend ab. Andererseits ist es nicht möglich, in einen laufenden Verarbeitungsprozess ein mit Rückständen belastetes Erzeugnis einzubringen, über das erst noch Erkenntnisse zum sicheren Umgang gewonnen werden sollen. Bei den Versuchen sollen alle für die Ernährung von Mensch und Tier wichtigen Erzeugnisse untersucht werden. Nach Möglichkeit sollen Prozesse untersucht werden und dann die Ergebnisse der Verarbeitung eines pflanzlichen Rohprodukts auf andere pflanzliche Rohprodukte, die diesen Prozess durchlaufen, extrapoliert werden. Fütterungsversuche an landwirtschaftlichen Nutztieren Versuche sind auch in diesem Versuchsdesign nur dort durchzuführen, wo Anwendungen in Kulturen erfolgen, bei denen Erzeugnisse verfüttert werden und Untersuchungen zum Metabolismus zeigen, dass Rückstände in verzehrbaren Erzeugnissen zu erwarten sind. Dabei sind neben dem Wirkstoff auch in der behandelten Pflanze auftretende relevante Metabolite zu berücksichtigen. Auch hier gilt wieder. Kann der Wirkstoff in der Pflanze nicht mehr detektiert werden, soll die Studie mit dem Hauptmetaboliten durchgeführt werden. Versuche werden an Wiederkäuern, in der Regel Milchkühen, und Geflügel, in der Regel Legehennen, durchgeführt. Wenn sich der Metabolismus in Schweinen signifikant von dem in Wiederkäuern unterscheidet, sind auch Fütterungsstudien an Schweinen notwendig. Untersuchungen werden immer an 4 Gruppen durchgeführt. Eine Gruppe bildet die Kontrollgruppe. Die anderen drei Gruppen erhalten die Substanz in Höhe der errechneten Rückstände im Futtermittel, der fünf- und zehnfachen Dosierung. Verabreicht werden die Substanzen über 28 Tage. Ggf. schließt sich noch eine Phase ohne weitere Verfütterung der Substanz an. Milch, Eier, Fleisch/Fett und Innereien werden auf Rückstände untersucht. 168 Ergebnis der Rückstandsuntersuchungen Die Ergebnisse dienen der Ableitung von Wartezeiten und Wiederbetretungsfristen (z. B. für nachfolgende Pflegearbeiten aber auch für Tiere), so weit notwendig, Festlegung von Auflagen zum Schutz der Verbraucher – auch durch Einschränkung der Verfütterung – und für Vorschläge für Rückstandshöchstgehalte (RHG). Die Bewertung der angeführten Versuche ermöglicht es, verschiedene Werte vorzuschlagen RHG für Erzeugnisse pflanzlicher Herkunft, RHG für Erzeugnisse tierischer Herkunft, Transferfaktoren (auch Verarbeitungsfaktoren), Werte für die Risikobewertung Der durch eine Verordnung der Europäischen Kommission festgesetzte Rückstandshöchstgehalt deckt immer die Erfordernisse der Überwachung ab. In einigen Fällen deckt der RHG auch die Risikobewertung ab – immer dann, wenn die Rückstandsdefinition für Überwachungszwecke mit jener für die Risikobewertung in Übereinstimmung ist. In vielen Fällen ist dies jedoch nur indirekt der Fall. Aufgrund der Prüfanforderungen und der Bewertung ist sichergestellt, dass bei Einhaltung des RHG auch der Verbraucher geschützt ist. Dies ergibt sich daraus, dass ein RHG nur festgesetzt werden kann, wenn Rückstände in der genannten Höhe keine unannehmbaren Effekte auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben. Obwohl die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 auch einen Anhang mit Verarbeitungsfaktoren vorsieht, ist dieser Anhang bisher noch nicht mit Daten gefüllt. Öffentlich zugängliche Verarbeitungsfaktoren wurden bisher nur vom Bundesinstitut für Risikobewertung zusammengestellt und im Internet veröffentlicht5. Auch wenn die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 nur Futtermittel durch Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten regelt, die auch als Lebensmittel Verwendung finden, wird durch die Prüfung sichergestellt, dass die Höhe der Rückstände auch für reine Futtermittel (z. B. Luzerne) oder Futtermittel aus verarbeiteten Erzeugnissen (z. B. Melasse) bekannt ist. Diese Daten werden beim Verzehr der landwirtschaftlichen Nutztiere berücksichtigt. Somit ist sichergestellt, dass kein Verbraucherrisiko besteht und die landwirtschaftlichen Nutztiere geschützt sind. 3.2.3 Ausblick Es ist geplant, zum 1. Januar 2014 neue Datenanforderungen in Kraft zusetzen. Bisher sind diese noch nicht verabschiedet. Einige Punkte, die sich ändern werden, sind nachfolgend beispielhaft genannt: 5 http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-datensammlung-zu-verarbeitungsfaktoren-fuer-pflanzenschutzmittelrueckstaende.zip 169 Daten zur Art der Rückstände (Metabolismus) in Fischen, Daten zur Höhe der Rückstände in Fischen, Daten zur Höhe der Rückstände im Honig und Verwendung von OECD Leitlinien, soweit solche vorhanden sind. Zudem wird es durch die neuen Datenanforderungen in einigen Punkten zu geänderten Randbedingungen für die Durchführung der Versuche kommen. Zwar arbeitet die Europäische Kommission schon seit einiger Zeit an der Ergänzung des Anhang I (Gruppen 11 (Fische, Fischerzeugnisse, Schalentiere Muscheln) und 12 (ausschließlich als Futtermittelverwendete Erzeugnisse)) und der Erstellung des Anhang VI (Verarbeitungsfaktoren) der Verordnung (EG) Nr. 396/2005, jedoch ist die Vorlage eines konkreten Vorschlages noch nicht absehbar. 4 Ergebnisse Die zuvor beschriebenen Anforderungen an die Antragsteller und die daraus resultierenden Ergebnisse, einschließlich der festgesetzten Rückstandshöchstgehalte, decken den Bereich bis zum Futtermittelbetrieb ab. Diese Ergebnisse sind auf jeden Fall wichtig für die Rückverfolgbarkeit. Nach dem Futtermittelbetrieb greifen ggf. weiterführende Regelungen, z. B. die Futtermittelverordnung. Die Ergebnisse der amtlichen Futtermittelüberwachung der Bundesländer werden in zusammengefasster Form vom Bundesministerium für Ernährung. Landwirtschaft und Verbraucherschutz veröffentlicht. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Ergebnisse der Jahre 2008 bis 2010. 170 Tabelle 2:Anzahl der Einzelbestimmungen auf Rückstände an Schädlingsbekämpfungsmitteln (außer Schädlingsbekämpfungsmitteln nach Anlage 5 FMV)6 Anzahl der Bestimmungen Beanstandungen Anzahl 2008 2009 2010 2008 2009 2010 37808 25647 23052 10 3 7* bearbeiteten Futtermitteln 15265 11483 18958 9 2 31** gesamt 530773 37130 42010 19 5 38 Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in unbearbeiteten Futtermitteln Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in Die Beanstandungen in 2010 verteilen sich wie folgt: * Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in unbearbeiteten Futtermitteln o 5 Ölsaatenproben (1x Deltamethrin, 2x Pirimiphos-methyl, 1x Spiroxamin, 1x Sulfotep) o 2 Getreideproben (Dichlorvos, Triticonazol) ** Schädlingsbekämpfungsmittel gemäß Anlage 5a FMV in bearbeiteten Futtermittel o 6 Einzelfuttermittel- und 4 Mischfuttermittelproben: 4x Carbaryl, 4x Chlorpyriphos, 4x Cypermethrin, 1x Deltamethrin, 1x lambdaCyhalothrin, 1x Procymidon, 4x Diflubenzuron, 4x Fenpropathin, 4x Imidacloprid, 4x Dichlorvos Bei den bearbeiteten Futtermitteln sind zwei Punkte zu beachten. 1. Der Wirkstoff Dichlorvos ist in der Europäischen Union nicht genehmigt. Die Rückstandshöchstgehalte wurde auf 0,01 mg/kg festgesetzt. Eine Überschreitung 2. 6 dieses Wertes führt zu einer Beanstandung. Da die Herkunft der Probe und die Höhe der Rückstände nicht bekannt sind, kann nicht gesagt werden, ob es sich um eine Fehlanwendung innerhalb der Europäischen Union, eine möglicherweise erlaubte Anwendung in einem Staat außerhalb der Europäischen Union unter Missachtung der in der Europäischen Union gelten Rückstandshöchstgehalte oder um eine unabsichtliche Verschleppung von z. B. Getreidestäuben handelt. Wie bereits oben erwähnt, sind bisher Verarbeitungsfaktoren nicht rechtsverbindlich von der Europäischen Union veröffentlicht. Die Basis der genannten Beanstandungen Quelle: Jahresstatistik 2010 über die amtliche Futtermittelüberwachung in der Bundesrepublik Deutschland mit Erläuterungen (http://www.bmelv.de/futtermittel) 171 ist nicht bekannt. Daher entziehen sich die gemachten Angaben auch einer weitergehenden Bewertung. Die vorliegenden Ergebnisse aus der amtlichen Futtermittelüberwachung geben derzeit keine Hinweise darauf, dass die verwendeten Modelle falsch sind. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es weiteren Verbesserungsbedarf gibt, was sich an den relativ hohen Beanstandungsquote bei verarbeiteten Futtermitteln im Vergleich zur Rohware anzudeuten scheint. Das Minimum ist hier eine Veröffentlichung von Verarbeitungsfaktoren. 5 Literatur Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz – ChemG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 2008 (BGBl. I S. 1146), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 39 des Gesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212) geändert worden ist. Im Internet unter http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/chemg/gesamt.pdf. Pflanzenschutzgesetz – alte Fassung Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971, 1527, 3512), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1934) geändert worden ist. und Pflanzenschutzgesetz – neue Fassung Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG) vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, 1281) im Internet unter http://www.gesetze-iminternet.de/bundesrecht/pflschg_2012/gesamt.pdf. Guidance document on pesticide residue analytical methods, SANCO Dokument 825/00 rev. 8.1, 16/11/2011. Im Internet unter http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/guidance_documents/mrls_en.htm Analytical methods Guidelines for the generation of data concerning residues as provided in Annex II part A, section 6 and Annex III, part A, section 8 of Directive 91/414/EEC concerning the placing of plant protection products on the market mit folgenden Teilen 7028/VI/95: Appendix A - Metabolism and distribution in plants 7029/VI/95: Appendix B - General reccomendations for the design, preparation and realization of residue trials 7524/VI/95: Appendix C - Testing of plant protection products in rotational crops 7525/VI/95: Appendix D - Comparability, extrapolation, group tolerances and data requirements 7035/VI/95: Appendix E -Processing studies 7030/VI/95: Appendix F -Metabolism and distribution in domestic animals 7031/VI/95: Appendix G - Livestock feeding studies 7032/VI/95: Appendix H - Storage stability of residue samples 7039/VI/95: Appendix I - Calculation of Maximum Residue Levels and Safety Intervals e.g. Pre-harvest Intervals. In der jeweils aktuellen Fassung im Internet unter http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/guidance_documents/mrls_en.htm Guidelines for residue data under Directive 91/414/EEC and Regulation EC 396/2005 172 Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates. ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1 – 16. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1. Verordnung (EU) Nr. 544/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Datenanforderungen für Wirkstoffe. ABl. L 155 vom 11.6.2011, S. 1. Verordnung (EU) Nr. 545/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel. ABl. Nr. L 155 vom 11.6.2011, S. 67. 173 Radionuklide in der Nahrungskette R. Scheu Radioaktive Nuklide können natürlichen Ursprungs sein wie z. B. die Nuklide der Uran- und Thorium-Zerfallsreihen sowie Kalium-40 (K-40) oder anthropogene Nuklide aus der Kernoder Kernwaffentechnik. In dieser Arbeit wird ausschließlich auf die künstlichen Radionuklide eingegangen. Quellen hierfür sind vor allem Rückstände von Atombombenexplosionen oder das Inventar von Kernkraftreaktoren zur Energiegewinnung. In den 50er und 60er Jahren waren vor allem die Testexplosionen in der Atmosphäre die Quelle von radioaktiven Nukliden in der Umwelt. Nach dem internationalen Verbot von atmosphärischen Versuchen war der Eintrag von Radionukliden in die Umwelt bis Ende April/ Anfang Mai 1986 mit dem Unfall in Tschernobyl sehr gering, da nur noch die Reste aus der Stratosphäre im Laufe der Zeit auf dem Boden abgelagert wurden. Mit dem Unfall von Tschernobyl und Anfang Mai dem von Fukushima kamen erstmals große Mengen an Aktivität aus der zivilen Nutzung in die Atmosphäre und kontaminierten größere Bodenflächen. Quellen der Radionuklide Prinzipiell gibt es große Unterschiede in der Art der Freisetzung zwischen einer Atombombenexplosion und einem Unfall in einem Kernkraftwerk. Bei einer Bombenexplosion werden innerhalb kürzester Zeit sämtliche Spaltnuklide freigesetzt, wobei sehr hohe Temperaturen von über Millionen Grad alles Material verdampfen lassen. Als Folge dieser hohen Temperaturen wird alles freigesetzte Material bis in die Stratosphäre transportiert, wobei der typische Pilz der Explosion das sichtbare Zeichen ist. Als Folge dieser Verteilung bis in die Stratosphäre werden mit dem Jetstream die Nuklide weltweit verteilt. Eine gewisse Verteilung erfolgt durch die Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre. So bleiben große Teile in der Erdhälfte, in der die Explosion stattfand. Da die meisten Explosionen auf der Nordhälfte der Erdkugel stattfanden, waren hier auch größere Depositionen zu beobachten. Die Südhalbkugel blieb jedoch nicht unbeteiligt, da auch einige Explosionen in Australien durchgeführt wurden. Im Gegensatz hierzu folgen Unfälle in Reaktoren einem anderen Szenario. In Tschernobyl wurde durch einen katastrophalen Bedienungsfehler die Kernspaltung nicht wie geplant heruntergefahren sondern im Gegenteil stieg die Leistungsabgabe des Reaktors bis zu einer nicht beherrschbaren Größe. Als Folge hiervon ereignete sich eine Explosion, die den Reaktordeckel absprengte und sämtliche Versuche, den Reaktor durch Kühlung zu stabilisieren, unmöglich machte. Die relativ hohe Temperatur im Reaktorkern und die 174 Tatsache, dass es sich bei diesem Reaktortyp um einen graphitmoderierten handelte, führte zu einem Graphitbrand in der Anlage. Im Gegensatz zu den Atombombenexplosionen blieben große Teile der freigesetzten Aktivitäten in der unteren Atmosphäre und wurden durch die meteorologischen Bedingungen in der Umwelt verteilt. Da zur Zeit der Explosion nördliche Winde herrschten, wurde die erste Wolke nach Norden mit Ziel Nordschweden und Finnland transportiert, in den folgenden Tagen des Brandes drehte der Wind nach Süden und transportierte die Aktivität über Ungarn und Österreich nach Süddeutschland und weiter nach Norden. Ein Teil der Luftmassen über Ungarn wurde Richtung Griechenland und Türkei verfrachtet. Eine Zusammenfassung des Unfalls in Tschernobyl ist in dem SSK-Bericht - Band 7 – „Auswirkungen des Reaktorunfalls in Tschernobyl auf die Bundesrepublik Deutschland“ (SSK-1987) veröffentlicht. Im Gegensatz zu Tschernobyl war der Unfall in Fukushima ursächlich auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen. Nach dem schweren Erdbeben schalteten sich die Reaktoren planmäßig per Schnellabschaltung ab, da aber die externe Stromversorgung der Reaktoren zusammengebrochen war, sprangen die Notstromdiesel an, um die Stromversorgung zu übernehmen. Der Tsunami als Folge des Erdbebens war jedoch so hoch, dass er alle Schutzdämme überrollte und die Räume mit den Notstromdieseln überflutete, was zum Ausfall der Generatoren und folglich zum Versagen der Nachkühlung der Reaktoren führte. Der Ausfall der Kühlung ließ die Temperatur in den Reaktoren so hoch werden, dass eine Kernschmelze der Brennstäbe einsetzte. Eine weitere Folge war die chemische Reaktion der Brennstoffhüllrohre mit Wasser unter Bildung von Wasserstoff, was in den Folgetagen nach dem Tsunami die Wasserstoffexplosionen in den Reaktorgebäuden und deren Zerstörung verursachte. Nach ersten Abschätzungen betrug die freigesetzte Aktivität in Fukushima ca. 10 % der in Tschernobyl entwichenen (GRS-2011, KUCZERA-2011). Für die Nahrungskette relevante Radionuklide Bei der Kernspaltung in Reaktoren entstehen neben den Spaltprodukten auch sogenannte Korrosionsnuklide und Nuklide durch Neutroneneinfang des Urans. Der größte Teil der bei der Kernspaltung entstehenden Spaltprodukte hat ein Atomgewicht von ca. 90 und ca. 135, was in der Summe in etwa dem Atomgewicht des spaltbaren Urans entspricht. Bei den Korrosionsnukliden handelt es sich um radioaktive Isotope wie z.B. Kobalt-60, die durch die intensive Neutronenstrahlung aus dem Material des Druckgefäßes entstehen. Durch Neutroneneinfang des Urans entstehen auch verschiedene Plutonium-Isotope. In SSK-1987, S. 18 ist das Kerninventar des Reaktors in Tschernobyl am 6. Mai 1986 mit Halbwertszeit und freigesetztem Prozentsatz aufgeführt. In der Tabelle 1 ist ein Auszug der Tabelle mit den für die Nahrungskette relevanten Nukliden aufgeführt. 175 Tab. 1 Auszug der Inventarnuklide Tschernobyl (Stand: 6.Mai 1986) Element Halbwertszeit (d) Inventar (Bq)* Freigesetzte % Jod-131 (I-131) 8,05 1,3E18 20 Cäsium-134 (Cs-134) 750 1,9E17 10 Cäsium-137 (Cs-137) 11000 2,9E17 13 Strontium-90 (Sr-90) * E17 =1*1017 10200 2,0E17 4 I-131 mit einer Halbwertszeit von 8 Tagen wird wegen seiner hohen Flüchtigkeit in relativ hohem Anteil freigesetzt und reichert sich in der Schilddrüse an. Direkt nach dem Unfall ist die Strahlungsaktivität des Jods sehr hoch, nimmt aber wegen der relativ kurzen Halbwertszeit (HWZ)) schnell ab. In guter Näherung kann man ansetzen, dass nach zehn Halbwertszeiten die Aktivität auf ein Tausendstel abgesunken ist. Das bedeutet, dass nach zwanzig HWZ (160 Tage) von 1 Million Bq noch 1 Bq übriggeblieben ist. Alle Maßnahmen, die es ermöglichen abzuwarten, verringern daher die Belastung durch Jod. Die beiden Cäsium-Isotope verhalten sich in den Organen wie Kalium, haben also kein besonderes Zielorgan. Wegen ihrer relativ langen HWZ von 2 bzw. 30 Jahren ist hier die Möglichkeit des Abwartens nicht gegeben. Da jedoch praktisch alle Cäsium-Verbindungen wasserlöslich sind, scheidet der tierische und menschliche Organismus Cäsium mit einer biologischen HWZ von ca. 100 – 150 Tagen aus, d.h. nach dieser Zeit sind die Hälfte der aufgenommenen Nuklide mit Urin und Faeces wieder ausgeschieden. Strontium-90 ist ein reiner beta-Strahler und hat mit einer HWZ von 28 Jahren und einer Anreicherung im Knochen deutlich ungünstigere Prognosen als das Cäsium. Wegen der Anreicherung im Knochen ist die biologische Halbwertszeit des Sr-90 mit ca. 19 Jahren hoch. Für einen Übergang in tierische Lebensmittel sind die Knochen jedoch von untergeordneter Bedeutung, allerdings ist ein Übergang in die Milch wegen seiner nahen Verwandtschaft zu Calcium zu beobachten. Von Vorteil ist die deutlich geringere Flüchtigkeit des Strontiums, was sich auch aus der Freisetzungsrate in Tab.1 entnehmen lässt. Daher spielte nach dem Unfall von Tschernobyl die Sr-90-Belastung in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. In Abb.1 ist der Aktivitätsabfall der verschiedenen Nuklide in dem ersten Halbjahr nach dem Unfall in Tschernobyl dargestellt. 176 Abb.1 Abklingen der Aktivität Einflüsse auf die Belastung des Aufwuchses und des Bodens Bei einem Unfall mit erheblicher Freisetzung von radioaktiven Partikeln für eine relativ kurze Zeit spielen vor allem meteorologische Gegebenheiten eine entscheidende Rolle für die Belastung bestimmter Regionen. So werden die Partikel durch die am Unfallort herrschenden Windverhältnisse in bestimmte Richtungen transportiert. In Tschernobyl wurden durch südliche Luftströmungen in den ersten Tagen die Partikel nach Norden bis Nordschweden und Finnland verfrachtet, bis durch einen Wetterumschwung einige Tage später die bei dem Reaktorbrand freigesetzten Teilchen erst nach Süden und dann über Süddeutschland nach Norden bis nach Großbritannien transportiert wurden. Nähere Informationen sind hierzu in SSK-1987 (S.19-23) beschrieben. Erkennen lässt sich der Durchzug der radioaktiven Wolke an den Ortsdosisleistungsmessungen (ODL) des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Im Internet kann jederzeit für alle Messstellen in Deutschland die aktuelle ODL eingesehen werden. Internetadresse s. (BFS). So lange die ODL noch ansteigt, ist der Durchzug der Wolke noch nicht beendet. Untersuchungen des Aufwuchses sind erst nach Durchzug der Wolke sinnvoll, da erst dann die endgültige Belastung abgeschätzt werden kann. Messungen vor oder während des Durchzuges liefern nur momentane Aktivitäten, die zur späteren Abschätzung der Belastung der Nahrungsmittel keinen sinnvollen Beitrag leisten können. Entscheidend für die Kontamination am Boden sind die Witterungsbedingungen während des Durchzuges der Wolke. Herrscht schönes Wetter ohne Niederschläge, so wird nur ein geringer Teil der vorbeiziehenden Aktivitäten durch die Pflanzen aus der untersten Atmosphärenschicht „ausgekämmt“, während der Großteil weitertransportiert wird. Regnet es 177 allerdings während des Durchzuges der Wolke, so wird eine erheblich größere Menge an Aktivität durch den „wash-out“ oder „rain-out“ abgelagert. Ursache hierfür sind einerseits die radioaktiven Partikel als Kondensationskeime für Regentropfen und andererseits ein Auswaschen der Atmosphäre durch den Regen. Diesen Effekt kann man nach jedem Regen beobachten, wenn die Luft „frisch und klar“ erscheint. Da die Gegebenheiten am Boden durch den unterschiedlichsten Bewuchs, der bei den Messungen meistens nicht bekannt ist, nicht abgeschätzt werden können, wird die Belastung der Erdoberfläche in Bq/m² angegeben, eine Maßeinheit, die nicht ohne weiteres auf die Belastung des Aufwuchses rückschließen lässt. Von besonderer Bedeutung ist die Bedeckung des Bodens mit Pflanzenmasse, da die Belastung des Aufwuchses durch die direkte Beaufschlagung aus der Luft erheblich größer ist als die Aufnahme über den Boden. In der Tab.2 sind einige Umrechnungsbeispiele von Flächenbelastung zu Konzentrationen angeführt. Tab.2 Umrechnung Aktivität Bq/m² in Bq/kg Aufwuchs TM. Ertrag dt/ha (TM) 5 10 20 30 40 = kg/m² (TM) 0,05 0,1 0,2 0,3 0,4 Bq/m² Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM Bq/kg TM 0 0 0 0 0 0 300 6000 3000 1500 1000 750 3000 60000 30000 15000 10000 7500 30000 600000 300000 150000 100000 75000 Da neben der direkten Beaufschlagung der Pflanzen durch den atmosphärischen Niederschlag auch die Aufnahme der Radionuklide über den Boden eine Rolle spielt, soll die gleiche Betrachtungsweise für den Boden angewandt werden. Üblicherweise werden zwischen Ackerböden und unbearbeiteten Böden wie Grün- oder Ödland und Waldböden unterschieden. Bei den Ackerböden betrachtet man üblicherweise die oberen 30 cm bis zur Pflugtiefe als Bodenschicht, bei den unbearbeiteten die oberen 10 cm (Tab.3) Tab.3 Umrechnung Aktivität Bq/m² in Bq/kg Boden Tiefe 0-10 cm Tiefe 0-30 cm Bodendichte (kg/l) 1,2 1,2 Bodenschicht (kg/m²) 120 360 Bq/m² Bq/kg Bq/kg 0 0 0 1000 8,3 2,8 10000 83 28 Bei dieser Berechnung wurde davon ausgegangen, dass kein Aufwuchs auf dem Boden vorhanden war, war dies der Fall, muss eine Abschätzung vorgenommen werden, wie groß der Bedeckungsgrad war und dann eine Aufteilung der Belastung der Pflanzen im Vergleich zum Boden durchgeführt werden. 178 Für die folgende Betrachtung werden einige Annahmen vorgegeben: erstens werden drei verschiedene Bodenarten mit unterschiedlichen Transferfaktoren (TF) berücksichtigt, ein Lehmboden mit > 35 % Ton (TF = 0,21), ein Sandboden mit > 70 % Sandanteil (TF = 0,35) und ein organischer Boden mit > 20 % Glühverlust (TF = 1,04). Zweitens wird bei der Bodentiefe nur die Schicht von 0 – 10 cm berücksichtigt, drittens wird mit 10000 Bq/m² gerechnet und viertens werden drei Ertragsniveaus von 10, 30 und 50 dt/ha TM berücksichtigt. Der Transfer-Faktor ist definiert als TF = Bq/kg TM(Pflanze) /Bq/kg TM(Boden) Tab. 3 Vergleich der Aktivität durch die Aufnahme über den Boden gegenüber der direkten Deposition LehmSandOrgan. 10 dt/ha 30 dt/ha 50 dt/ha boden boden Boden Ertrag Ertrag Ertrag Deposition (Bq/m²) 10000 10000 10000 10000 10000 10000 Bodendichte (kg/l) 1,3 1,2 0,5 ------Boden bzw. Ertrag 130 120 50 0,1 0,3 0,5 (kg/m²) Boden (Bq/kg) 77 83 200 ------Transfer-Faktor (TF) 0,21 0,35 1,04 ------Pflanzenmasse 16,2 29,1 208 100000 33333 20000 (Bq/kg TM) Wie aus Tab.3 zu entnehmen ist, sind die zu erwartenden Aktivitäten in den Pflanzen vor allem durch die direkte Deposition auf der Pflanze und nur zu sehr geringen Anteilen durch die Aufnahme über den Boden beeinflusst. Dies ist von größter Bedeutung für die Abschätzung der Aufnahme über das Futter und das Fütterungsmanagement. So ist besonders günstig, wenn zum Zeitpunkt der Deposition der Boden durch die Pflanzen gar nicht oder nur zu sehr geringen Anteilen mit Pflanzenbewuchs bedeckt ist. Dies war z.B. nach dem Unfall von Tschernobyl bei den Maisflächen der Fall, während die Grünlandflächen sehr kurz vor dem ersten Schnitt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt kontaminiert wurden. Je länger die Zeitdauer zwischen Belastung und Ernte liegt, umso günstiger für die hieraus gewonnenen Futtermittel. Zum einen werden durch Niederschläge bestimmte Anteile der Nuklide abgewaschen, zum anderen verdünnt sich die Aktivität durch die nachwachsende Pflanzenmasse. In Abb. 2 wird dies durch eine Untersuchungsreihe nach dem Unfall in Tschernobyl dargestellt (VETTER-1986). 179 Abb. 2 Abklingen der Aktivität in Grünlandaufwuchs mit der Zeit Wie dem Diagramm zu entnehmen ist, sinkt die Aktivität im Aufwuchs im Laufe von fünf Wochen auf ca. ein Zehntel des Ausgangswertes, nach einem halben Jahr auf rund ein Hundertstel. Aus dieser Darstellung ist auch zu entnehmen, dass der Zeitpunkt der Kontamination Anfang Mai für den ersten Schnitt Mitte Mai sehr ungünstig war. Die Belastung des zweiten Schnittes Mitte bis Ende Juni war schon deutlich geringer, für die folgenden Schnitte sinkt die Belastung nochmals deutlich ab und für das folgende Jahr ist nur noch mit einer sehr viel geringeren Belastung zu rechnen. Bei dieser Betrachtung ist selbstverständlich der Ausgangswert der Belastung zu berücksichtigen. Als Konsequenz aus diesen Daten sollte als erste Maßnahme nach Bekanntwerden eines Unfalls, der zu nennenswerten Belastungen führen kann, die Aufstallung der Tiere - falls nicht durch die Jahreszeit sowieso Stallhaltung und Winterfütterung betrieben wird - und der Übergang zu unbelasteten Futterkonserven empfohlen werden, da nur hierdurch die Aufnahme von kontaminiertem frischen Futter unterbunden werden kann. Auch für diese Maßnahme war der Zeitpunkt des Unfalls sehr ungünstig, da die Winterfütterungsvorräte vieler Betriebe weitgehend aufgebraucht waren und neue noch nicht oder nur hochbelastet zur Verfügung standen. Aus Tab.3 ist auch zu entnehmen, dass die Bodenart Einfluss auf die Aktivitäten in der Pflanze hat. So sind die armen Sandböden und die organischen Böden deutlich stärker belastet als die tonreichen, Kalium und Cäsium gut bindenden Böden. Da Cäsium als chemisch naher Verwandter des Kaliums dieses in kaliumarmen Milieu ersetzen kann, kann durch eine gute Kaliumversorgung des Bodens die Aufnahme von Cäsium deutlich verringert werden. In 180 Abb. 3 ist ein Kaliumsteigerungsversuch auf Moorboden mit den Kalium- und Cäsiumgehalten im Aufwuchs dargestellt. Abb.3 Einfluss der Kaliumversorgung auf die Cäsiumgehalte im Aufwuchs von Moorböden Bei solchen Böden ist daher für eine längerfristige Minimierung der Aktivität im Aufwuchs für eine optimale Kaliumdüngung der Flächen zu sorgen. Betriebe, die ohne Mineraldüngung arbeiten, müssen mit höheren Gehalten im Futter rechnen, da häufig eine ausreichende Kaliumversorgung durch reine organische Düngung nur schwer zu erreichen ist. Um eine möglichst geringe Belastung der vom Tier gewonnen Lebensmittel zu erreichen, sollen hier für Milch verschiedene Szenarien zur Minimierung durchgerechnet werden. Als Grundlage zur Berechnung dient auch hier der Transferfaktor, der ausdrückt, mit welchem Faktor die aufgenommene Aktivität über das Futter multipliziert werden muss, um die Belastung der Milch zu berechnen: Bq/l( Milch) = Bq (Gesamtration) * TF Als TF wird von der Strahlenschutzkommission ein Wert von 0,005 für Kuhmilch angegeben (SSK-1988), der gut mit einem mittleren Wert von 0,006 übereinstimmt, der von der LUFA Oldenburg in einem Fütterungsversuch nach dem Unfall in Tschernobyl im Sommer 1986 durchgeführt worden war (VETTER-1986). Bei einer Gesamtaufnahme von 10000 Bq muss also mit einer Milchbelastung von 50 Bq/l gerechnet werden. In Tab. 4 sind vier Rationsbeispiele aufgeführt, in denen mit verschiedenen Anteilen an Grassilage 1.Schnitt, Grassilage 2. Schnitt und Maissilage gearbeitet wird. Der Anteil an Milchleistungsfutter III (6,7 MJ NEL) bleibt in allen Fällen mit 10 kg konstant und wird mit einer minimalen Aktivität von 2 Bq/kg angenommen. 181 Tab. 4 Aktivitätsgehalte (Cs) in der Milch nach verschiedenen Futterrationen MJ NEL Bq/kg TM 1.Ration 2.Ration 3.Ration 4.Ration Grassilage 1. Schnitt (kg) 6,0 1600 7 5 3 ----Grassilage 2. Schnitt (kg) 5,8 200 --4 7 Maissilage (kg) 6,5 10 3 5 3 3 MLF III (kg) 6,7 2 10 10 10 10 Grassilage 1. (Bq) Grassilage 2. (Bq) Maissilage (Bq) MLF III (Bq) Gesamt (Bq) Schnitt 11200 8000 4800 --- Schnitt --- --- 800 1400 30 20 11250 50 20 8070 30 20 5650 30 20 1450 56 40 28 7 Milch (Bq/l) TF = 0,005 Wie der Tab.4 entnommen werden kann, lässt sich die Belastung der Milch mit Cäsium durch Umstellung der Futterration beträchtlich senken. Allerdings dürfen die physiologischen und energetischen Bedürfnisse der Tiere nicht außer Acht gelassen werden. Zusammenfassung Nach einem Unfall mit erheblichen radiologischen Konsequenzen wird auf die für die Nahrungskette relevanten Radionuklide Jod, Cäsium und Strontium eingegangen sowie die Wege in die Umwelt durch die atmosphärischen Gegebenheiten. Danach werden Modellrechnungen durchgeführt, um zu erkennen wie hoch die Belastung der Futtermittel unter den gegebenen Bedingungen zu erwarten ist. In einigen Modellrechnungen werden Rationen zusammengestellt, die die Belastung minimieren. Zusammengefasst können folgende Ratschläge erteilt werden: - Tiere in den Stall bringen (falls nicht bereits Stallhaltung) - auf Futterkonserven umstellen - Fütterungsmanagement zur Minimierung der Belastung planen (physiologischen bedarf beachten) - - möglichst geringe Anteile, die kurz vor der Ernte kontaminiert worden sind - - möglichst hohe Futteranteile, die vor der Kontamination geerntet wurden. 182 Literatur: BFS: http://www.bfs.de/de/ion/imis/odl_messnetz.html GRS: http://fukushima.grs.de/ KUCZERA-2011: B.Kuczera, L.Mohrbach, W.Tromm, J.Knebel, Spektrum der Wissenschaft – August 2001 – S.76-83 SSK-1987: Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission –Band 7 – „Auswirkungen des Reaktorunfalls in Tschernobyl auf die Bundesrepublik Deutschland“ SSK-1988: Bundesanzeiger Nr. 208 vom 05.11.1988 VETTER-1986: H.Vetter, H.-J.Grummer, R.Scheu, Landwirtschaftsblatt Weser-Ems Nr. 45 vom 07.11.1986, „Cäsiumaktivität in Böden, Pflanzen und Nahrungsmitteln in Niedersachsen“ 183 Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterial in und auf Futtermittel H. Schenkel Landesanstalt für Landwirtschaftliche Chemie, Universität Stuttgart - Hohenheim Die Aufnahme von Fremdkörpern durch Wiederkäuer ist keineswegs selten wie die Berichte in der Literatur zeigen (Klee, 2007). Dies soll jedoch nicht Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. Es lässt sich feststellen, dass im Bereich der Lebensmittel umfangreiche Regelungen zur Beschaffenheit von Materialien und Gegenständen bestehen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (z.B. VO 1935/2004, VO 10/2011). Sehr intensiv werden Fragestellungen, die mit dieser Thematik in Zusammenhang stehen in internationalen (EFSA: Panel on food contact materials, enzymes, flavourings and processing aids) und nationalen (BfR, Kommission für Bedarfsgegenstände) Gremien bearbeitet. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob in einzelnen Fällen eine Übertragbarkeit auf Futtermittel besteht abgesehen davon, dass im Lebensmittelbereich andere Bezugs-, Chargen- bzw. Gebindegrößen vorhanden sind und abweichende Technologien eingesetzt werden. Betrachtet man den möglichen Übergang unerwünschter Stoffe auf bzw. in Lebensmittel tierischer Herkunft, lassen sich unterschiedliche Pfade erkennen: z.B. der Übergang von Stoffen auf das Futter und von dort in das Tier einerseits oder/und der direkte Übergang in das Tier andererseits. Markante Beispiele für den ersteren Bereich wären der Übergang von Stoffen aus ungeeigneten Behältnissen, wie die Nutzung von Altreifen als Futtertrog oder aufgeschnittener Kunststoffkanister als Tränke oder die Nutzung von Altöl oder anderen Produkten als Holzschutzanstrich. Sehr häufig wird über die Verschmutzung von Futter im Rahmen von Havarien durch Getriebeöl, Hydrauliköl oder Kraftstoffen berichtet. Zusätzliche direkte Expositionspfade könnten die vielfältigen Beschäftigungsmaterialien sein, die im Rahmen tiergerechter Haltungsverfahren den Tieren zur Verfügung gestellt werden. Eine weitere Quellen könnten ungeeignete Einstreumaterialien darstellen sowie allgemein die Aufnahme unerwünschter Stoffe aus Stalleinrichtungen (Korrosion) und Baumaterialien. Bei einer Haltung im Freien sind Triebwege, Feuerstellen oder „Wasserlöcher“ Aufnahmequellen für verschiedene Stoffe. 184 Betrachtet man mögliche Quellen detaillierter lässt sich eine Gliederung im Hinblick auf verschiede Werkstoffe (Metalle, -legierungen, Textilien, Gummi, Papier und Karton, Kunststoffe, Filter- oder Baumaterialien) diskutieren mit denen Futtermittel bzw. Tiere in Berührung kommen. Eine weitere Kategorie sind verschiedene (Betriebs-)mittel, die aus Quellen in Frage kommen (Mineralöle, Treibstoffe, Farben, Beschichtungen, Verarbeitungshilfsstoffe). Eine weitere Gliederung ist hinsichtlich der Prozesse möglich, die evtl. zu einem Übergang beitragen. Hierbei kann es sich um Abrieb, bei entsprechender mechanischer Beanspruchung handeln. Korrosive Prozesse spielen vor allem bei verschiedenen Stalleinrichtungen eine Rolle. Weitere Kontaminationswege stehen in Zusammenhang mit der Migration von Stoffen, der Trocknung, Fraktionierung sowie der Reinigung und Desinfektion. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die VO 767/2009 verwiesen. Im Anhang 1 wird ausgeführt: Entsprechend der guten Praxis im Sinne von Artikel 4 der VO 183/2005 müssen Einzelfuttermittel frei sein von chemischen Verunreinigungen, die sich aus ihrem Herstellungsverfahren ergeben, sowie von Verarbeitungshilfsstoffen, sofern nicht ein besonderer Höchstgehalt im Katalog gemäß Artikel 24 festgelegt ist. Betrachtet man den Bereich des Abriebes, so ist er vor allem bei der mechanischen Bearbeitung der Futtermittel wie Mahlen, Quetschen, Sieben, Pressen und beim Transportieren zu beobachten (Kersten et al., 2003, Müller, 1989). Wichtige Aspekte dabei sind zum Beispiel die Materialbeschaffenheit des Futters und die Durchsatzmengen einerseits und die Materialbeschaffenheit der beteiligten Gerätschaften sowie deren Anordnung (Prallflächen, Umlenkwinkel) sowie evtl. Vorschädigungen z.B. durch korrosive Prozesse. Feil (2011) gibt einen interessanten Überblick zu Maßnahmen zur Verschleißminderung (Tabelle 1). Tabelle 1: Maßnahmen zur Verringerung von Verschleiß (Feil, 2011) Strikte Einhaltung von Wartungs- und Reinigungsintervallen PU Auskleidung von beanspruchten Ablaufrohren, Umschlagbereichen Einsatz von Magnetabscheidern im Rohwareneingangsbereich, vor und nach der Zerkleinerungseinrichtung und vor der Presse Einsatz von verstärkten Rohrumlenkungsbögen Auskleidung produktberührter Oberflächen, die mit aggressiven Stoffen in Kontakt kommen (Tanks, Rohrleitungen, Hauptmischer) Weitgehende Vermeidung von Flüssigkeitsanteilen in Dampfleitungen und schnelle und vollständige Kondensatabführung Isolierung von Dampfleitungen auch zur Korrsosionsvermeidung 185 Verzicht auf verschleißintensive Makrokomponenten, Verarbeitung vorgereinigter Rohwaren Ein weiteres Beispiel ist die Migration von Stoffen insbesondere aus Verpackungsmaterial einschließlich verschiedener Folien. Hier spielen u.a. Faktoren wie die Größe und Beschaffenheit der Kontaktflächen, Beschaffenheit und Aufbau der Trennschichten, Farben und Beschriftungen eine Rolle. Auch die Migration aus Fugen- und Dichtungsmaterial ist zu erwähnen. Die AG Carry Over hat sich seit längerem mit der Problematik auseinandergesetzt und entsprechende Stellungnahmen erarbeitet (2009, 2011). Das BfR hat 2011 ein Statusseminar zu dieser Problematik veranstaltet. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse in den Leitlinien gemäß der Futtermittelhygieneverordnung (VO 183/2005) Beachtung finden (http://ec.europa.eu/food/food/animalnutrition/feedhygiene/guide_goodpractice_en.htm) und verstärkt in den HACCP-Konzepten der Hersteller Berücksichtigung finden (BMELV / BVL, 2012) Literatur: Arbeitsgruppe Carry Over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln (2009): Stellungnahme zur Vermeidung von Futtermittelkontamination durch Schmierstoffe Arbeitsgruppe Carry Over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln (2011): Stellungnahme zur Carry Over von unerwünschten Stoffen aus Materialien und Gegenständen, die mit Futtermitteln in Berührung kommen BMELV/BVL (2012) Leitfaden zur Kontrolle der Anwendung des HACCP-Konzeptes. Futtermittelhygiene Bd. 2 Feil, A. (2011): Eintrag von metallischen Materialien bei der Futtermittelverarbeitung, BfR Statusseminar, 7.7.2011, Berlin Kersten, J., Rohde, H.-R., Nef, E. (2003): Mischfutterherstellung, Argimedia, Bergen Klee, W (2007): Fremdkörpererkrankung. Reticuloperitonitis traumatica. http://www.rinderskript.net Müller, B.(1989) Technische Werte der Getreideverarbeitung und Futtermitteltechnik, Teil 4: Futtermitteltechnik, Verlag M. Schäfer, Detmold Verordnung (EG) 1935/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG. Amtsbl. EU L338,4 Verordnung (EG) Nr. 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Januar 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene. Amtsbl. EU L35,1 Verordnung (EU) Nr. 10/2011 der Kommission vom 14. Januar 2011 über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Amtsbl. EU L12,1 Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 des Europäischen Parlamentes und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 79/373/EWG des Rates, 80/511/EWG der Kommission, 82/471/EWG des Rates, 83/228/EWG des Rates, 93/113/EG des Rates und 96/25/EG des Rates und der Entscheidung 2004/217/EG der Kommission. Amtsbl. EU L229,1 186 Nanotechnologie in der Nahrungskette – Potentiale und Risiken L. Dehne, R. Schumann, A. Lampen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin In der Nanotechnologie geht es um die Erforschung, Bearbeitung und Produktion von Strukturen und Materialien, die in mindestens einer Dimension kleiner als 100 Nanometer (nm) sind. Zu Nanomaterialien werden „punktförmige“ Strukturen (Nanopartikel, Nanokapseln, Cluster oder Moleküle), „linienförmige“ Strukturen (Nanofasern, Nanoröhren, Nanogräben) und extrem dünne Schichten gezählt. Mit Hilfe der Nanotechnologie ist es möglich, Strukturen, Techniken und Systeme zu entwickeln, die völlig neue Eigenschaften und Funktionen aufweisen. Zu den durch die Nanoskaligkeit bedingten Eigenschaften gehören diejenigen Eigenschaften, die im Zusammenhang mit der großen spezifischen Oberfläche des betreffenden Materials stehen und/oder spezifische physikalisch-chemische Eigenschaften, die sich von den Eigenschaften desselben Materials in nicht nanoskaliger Form unterscheiden. Daher wird erwartet, dass in der nahe Zukunft die Nanotechnologie auf vielen Ebenen des Lebensmittelbereichs genutzt wird. Nanopartikel kommen natürlicherweise in Lebensmitteln vor ( z.B. in der Milch), Gegenstand der Betrachtung sind an dieser Stelle jedoch synthetische Nanomaterialien, die wegen ihrer besonderen Eigenschaften in verschiedenen Lebensmittelbereichen z. B. in Lebensmittelverpackungen bereits eingesetzt oder zur Anwendung vorgeschlagen werden. Dabei stehen sowohl anorganische Nanopartikel wie z.B. Siliziumdioxid, Titannitrid oder Nanosilber als auch organische Nanopartikel wie z.B. Beta-Cyclodextrin oder Liposomen aus Phospholipiden im Fokus von Forschung und Entwicklung. Siliziumdioxid wird schon heute zur Beeinflussung der Barriereeigenschaften von PET-Flaschen eingesetzt, oder Titannitrid zur Verbesserung der Maschinengängigkeit bei der Herstellung von PET-Flaschen. Organische Verbindungen mit einer Molekülgröße im Nanometerbereich können als Trägerstoffe für Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente oder Lebensmittelzusatzstoffe eingesetzt werden, um die Polarität bzw. die Löslichkeit und andere Eigenschaften zu beeinflussen. Auf diese Weise werden z.B. fettlösliche Substanzen wasserlöslich. Hinsichtlich einer Risikoabschätzung solcher Substanzen ist zu berücksichtigen, dass sich in Folge ihrer Modifikation die Bioverfügbarkeit oder die Verteilung im Körper verändern können. Z.B. könnten Nahrungsergänzungsmittel (NEM), wie z.B. nanoskalig formulierte Vitamine oder Mineralstoffe (Calcium, Magnesium und Silizium), in höheren Mengen aufgenommen werden. Erhofft wird dadurch eine verstärkte und gezielte biologischfunktionelle Wirkung. Dies ist jedoch nicht ohne Risiko, denn für viele Mineralstoffe und 187 Vitamine gibt es Höchstmengen der täglichen Aufnahme, die möglicherweise schneller überschritten werden. Weitere potenzielle Anwendungen für Nanopartikel im Lebensmittelbereich wären Trägerstoffe für andere Lebensmittelinhaltsstoffe wie Liposomen, Micellen oder Vesikel. In so einer Formulierung könnten beispielsweise Carotinoide, die wasserunlöslich und relativ schlecht resorbierbar sind, viel besser resorbiert werden. Somit könnten die gesundheitsfördernden Effekte der Carotinoide funktionell genutzt werden. Auch hier muss jedoch auf eine mögliche Gefahr der Überdosierung hingewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass bestimmte Nanopartikel auch biologische Effekte induzieren können. Aufgrund der bisherigen experimentellen Untersuchungen ist bekannt, dass die biologischen Wirkungen von Nanopartikeln abhängig von den physikalischen Eigenschaften sind. Hier sind in erster Linie die Form, das Verhältnis Größe zu Oberfläche, die elektrische Leitfähigkeit, die Feldstärke, die Ladung, die Komposition der Nanopartikel sowie die Kristallstruktur zu nennen. Diese Eigenschaften können wiederum die Proteinbindungsfähigkeit der Nanopartikel beeinflussen. Eine gute Untersuchung zur möglichen Toxizität (Organtoxizität) von anorganischen Verbindungen liegt von Chen et al. (2006) für KupferNanopartikel vor. In dieser Studie wurden Mäuse mit mikroskaligem Kupfer im Vergleich zu nanoskaligem Kupfer gefüttert. Kupfer ist ein Mikronährstoff, der bei zu hoher Aufnahme zu Hämolysis sowie Leber- und Nierenschädigung führt. Es zeigte sich, dass bei der Mikroformulierung (17 µm, spezifische Oberflächengröße [SSA] 3,9-102 cm2/g, 44 Partikel/µg) keinerlei Schäden an Nieren, Milz und Leber im Vergleich zu den Kontrollen nach 48 Stunden festzustellen waren. Während auf der anderen Seite bei der NanoKupferformulierung (23 nm, SSA 2,95-105 cm2/g, 1,7 x 1010 Partikel/µg) deutliche toxikologische Effekte an der Niere mit einer Nekrosis, an der Milz mit einer Atrophie und einer Fibrosis und an der Leber mit deutlich erhöhten Leberenzymen festzustellen waren. Die toxikologischen Effekte an Niere und Milz waren makro- und mikroskopisch deutlich zu sehen. Wahrscheinlich sind die toxischen Wirkungen durch die Freisetzung der Kupferionen verursacht. Die Daten demonstrieren, dass nicht-toxische Substanzen nicht unbedingt nichttoxisch bleiben, wenn die Partikel verkleinert werden und sich die Anzahl deutlich erhöht. Das bedeutet, wenn physikalische Eigenschaften sich ändern, ist es erforderlich, die biologischen Wirkungen zu untersuchen, da sich diese deutlich ändern können. Insgesamt lässt sich feststellen, dass toxische Effekte von anorganischen Nanopartikeln (Metalloxiden) nach oraler Aufnahme bisher noch zu wenig untersucht sind. Nach Auffassung der EFSA sind bei der Risikobewertung von Nanopartikeln die etablierten Paradigmen (Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsbestimmung und Risikocharakterisierung) anzuwenden [EFSA 2009]. Die EFSA hat Empfehlungen herausgegeben, wie Risikobewerter bei der Bewertung von Nanopartikeln in Lebensmitteln vorgehen sollten und welche Daten zur Beurteilung notwendig sind [EFSA 2011]. Für eine 188 umfassende Risikobewertung fehlen allerdings noch Daten, insbesondere zur Bioverfügbarkeit. Problematisch ist die zurzeit noch fehlende quantitative Analytik zum Nachweis der Nanopartikel in Lebensmitteln. Ihr Aufbau ist für die Generierung und für die Beurteilung der erforderlichen Daten essentiell. Für Lebensmittel, die technisch hergestellte Nanomaterialien enthalten, sind wie für andere Lebensmittel auch die allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 [EU 2002] und des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs [D 2009] maßgeblich. Demnach dürfen nur sichere Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Für technisch hergestellte nanoskalige Lebensmittelzutaten findet bereits derzeit unter bestimmten Voraussetzungen die Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten (Novel Food-Verordnung) [EU 1997] Anwendung. Dies gilt dann, wenn das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der EU für den menschlichen Verzehr verwendet worden ist und wenn durch den Einsatz eines nicht üblichen Herstellungsverfahrens (z.B. der Nanotechnologie) bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels oder der Lebensmittelzutaten bewirkt werden, was sich auf ihren Nährwert, ihren Stoffwechsel oder auf die Menge unerwünschter Stoffe im Lebensmittel auswirkt. Sollte eine Prüfung eines entsprechenden synthetischen Nanomaterials durchgeführt werden, müssen wie bei anderen neuartigen Lebensmittelzutaten Informationen zur Spezifikation, zum Herstellungsprozess, zur Exposition sowie Ernährungsinformationen und toxikologische Informationen eingereicht und bewertet werden. Hier orientiert sich die Prüfung und Bewertung an den Empfehlungen des SCF und der Europäischen Kommission [Scientific Committee on Food 1997, Europäische Kommission1997] sowie an den Kriterien, die die EFSA 2009 und 2011 erarbeitet hat. Die 2011 gescheiterte Revision der Novel Food-Verordnung sah vor, dass technisch hergestellte Nanomaterialien in Lebensmitteln zukünftig in jedem Fall nach einer Sicherheitsbewertung durch die EFSA genehmigt werden sollten. Eine entsprechende Regelung wird voraussichtlich erneut von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden. Referenzen Chen Z, Meng H, Xing G, Chen C, Zhao Y, Jia G, Wang T, Yuan H, Ye C, Zhao F, Chai Z, Zhu C, Fang X, Ma B, Wan L. Acute toxicological effects of copper nanoparticles in vivo. Toxicol Lett. 2006 May 25;163(2):109-20. D (2002): Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit vom 6. August 2002. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 57, ausgegeben zu Bonn am 14. August 2002: 3082-3104 D (2009) Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 2009. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2009 Teil I: 2205 189 EFSA (European Food Safety Authority) (2009): Scientific Opinion of the Scientific Committee on a request from the European Commission on the Potential Risks Arising from Nanoscience and Nanotechnologies on Food and Feed Safety. The EFSA Journal 958, 1–39. EFSA (European Food Safety Authority) (2011): Scientific Opinion. Guidance on the risk assessment of the application of nanoscience and nanotechnologies in the food and feed chain. The EFSA Journal 2011, 9(5), 2140 EU (1997): Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 43: 1-6 Europäische Kommission (1997) Empfehlung der Kommission vom 29. Juli 1997 zu den wissenschaftlichen Aspekten und zur Darbietung der für Anträge auf Genehmigung des Inverkehrbringens neuartiger Lebensmittel und Lebensmittelzutaten erforderlichen Informationen sowie zur Erstellung der Berichte über die Erstprüfung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates (97/618/EG). Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 253: 1-36 Scientific Committee on Food (1997) Opinions on the assessment of novel foods Part I - III http://ec.europa.eu/food/fs/sc/scf/reports/scf_reports_40.pdf und http://ec.europa.eu/food/fs/sc/scf/reports/scf_reports_39.pdf 190 Schlusswort Dr. Sabine Kruse Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Sehr geehrte Damen und Herren, mit den Ereignissen um Dioxine in Futterfetten zum Jahreswechsel 2010/2011 wurde wieder deutlich, dass die Verbraucher und die Märkte sehr empfindlich auf Nachrichten über unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln reagieren. Den Betroffenen ist finanziell ein großer Schaden entstanden. Aber noch größer und nachhaltiger ist der Schaden im Hinblick auf das Vertrauen der Verbraucher in die Sicherheit der Lebensmittel. Vermeiden werden wir solche Reaktionen wohl nicht können, aber vielleicht abmildern. Aus meiner Sicht ist es dazu vor allem wichtig, den Verbrauchern auf der Grundlage gesicherter Fakten die Zusammenhänge besser zu erklären, ihnen die Realität der Futtermittelund Lebensmittelherstellung verständlich und transparent offenzulegen. Hierzu haben die Referentinnen und Referenten des Workshops „Kreisläufe unerwünschter Stoffe in der Lebensmittelkette“ einen wichtigen Beitrag geleistet, indem sie an Beispielen die komplexen Vorgänge - ausgehend vom Boden über die Pflanzen und Tiere bis hin zum Lebensmittel - erläutert haben. Hierfür danke ich ihnen im Namen der Veranstalter und des Auditoriums ganz herzlich. Die Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ beim BMELV hat Themen ausgewählt, mit denen sie sich in den letzten Jahren intensiv beschäftigt hat, und sie hat Themen vorgestellt, die sie zukünftig bearbeiten wird. Ich freue mich, dass rund 80 Vertreter aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Verwaltung der Einladung gefolgt sind, um sich zu informieren und zu diskutieren. Besonders gefreut hat mich, dass wir auch Teilnehmer aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Luxemburg und Slowenien im Auditorium haben. Das zeigt, dass das Thema Futtermittelsicherheit grenzübergreifend aktuell und in den letzten Jahren auch international mehr in den Focus gerückt ist. So wird sich eine Task Force im Codex Alimentarius 191 beginnend im Februar nächsten Jahres mit Fragen der Risikobewertung unerwünschter Stoffe beschäftigen und Empfehlungen für den Futtermittelsektor erarbeiten. In seinen einführenden Worten hat Herr Professor Mettenleiter die Bedeutung der Forschungen auf dem Gebiet des Carry over unerwünschter Stoffe für die Lebensmittelsicherheit aber auch für die Tiergesundheit hervorgehoben. Der Vorsitzende der carry over – Arbeitsgruppe, Herr Professor Schenkel, hat dies aufgegriffen und in seinem einleitenden Vortrag die Notwendigkeit von Carry over – Studien zur Schaffung einer soliden Datenbasis für Managemententscheidungen, wie gesetzliche Regelungen, herausgestellt. Monitoring - Untersuchungen oder Feldstudien können zur Beschreibung eines Problems zwar wichtige Beiträge leisten, zur Aufklärung von Ursache und Wirkung sind jedoch zielgerichtete Carry over–Studien unerlässlich. Welche komplizierten Vorgänge sich dabei abspielen, hat Herr Professor Dänicke am Beispiel des Pansens erläutert. Er hat uns gezeigt, dass sich Wirkungen und Transfer von unerwünschten Stoffen zwischen den Tierarten erheblich unterscheiden können, und dass sich der ruminale Metabolismus sowohl günstig, aber auch ungünstig auf das Carry over Geschehen auswirken kann. Die Grundprinzipien und Besonderheiten der Risikobewertung in der Futtermittelkette hat Frau Dr. Lahrssen-Wiederholt dargestellt. Sie hat auch hervorgehoben, dass angesichts der immer komplizierter werdenden Herstellungsprozesse für Futtermittel das Wissen um die stoffliche Zusammensetzung eine wichtige Voraussetzung dafür ist. Mehr Transparenz in diesem Bereich und genau dokumentierte Daten könnten dazu beitragen, nicht nur einen konkreten Einzelfall besser zu bewerten, sondern auch die Entwicklungen so zu sagen „proaktiv“ zu verfolgen. Herr Dr. Lüpping hat uns Risiken bei der Futtermittelherstellung vorgestellt und insbesondere auf Risiken infolge veränderter Herstellungsverfahren und neuer Ausgangsstoffe aufmerksam gemacht. Rückstände aus dem Herstellungsprozess und insbesondere aus Verarbeitungshilfsstoffen müssen transparent gemacht und bewertet werden. Dies entspricht auch der Rechtslage, wonach Einzelfuttermittel technisch frei sein müssen von chemischen Verunreinigungen, es sei denn, dass ein Höchstgehalt im Europäischen Katalog festgelegt ist. Dafür gilt eine Frist bis zum 1. September 2012. Ich gehe davon aus, dass die Unternehmen dazu zeitnah geeignete Unterlagen über den Umfang, die Art und das Risiko solcher Rückstände vorlegen werden. Herr Dr. Lüpping hat 192 auch erläutert, wie wichtig eine präzise futtermittelkundliche Beschreibung von Einzelfuttermitteln ist und wie die Positivliste der Einzelfuttermittel die Transparenz im Futtermittelmarkt fördern kann. Erfreulich ist es daher, dass sich auch die Vertreter der Kommission inzwischen offen dafür gezeigt haben, die Beschreibungen im Katalog der Einzelfuttermittel zu verbessern und den Katalog im Hinblick auf Sicherheitsaspekte zu erweitern. Nicht nur aus aktuellem Anlass, sondern weil die Arbeitsgruppe sich seit Jahren damit befasst, nahmen die Beiträge zu Dioxinen und PCB einen breiten Raum ein. Ich selbst erinnere mich sehr genau an die Ereignisse um Dioxine in Zitruspellets 1998. Damals habe ich mit Herrn Dr. Hecht - dem damaligen Vorsitzenden der Carry over Arbeitsgruppe - quasi „über Nacht“ einen Vorschlag für einen Höchstgehalt für Dioxine in Zitruspellets ausgearbeitet. Damit wurde faktisch die erste europäische Dioxinregelung für Futtermittel geschaffen; damals 500 pg – in ng wären das heute 0,5; und das klingt schon weniger gefährlich, weil die Zahl vor dem Komma nicht so groß ist. Ich bedaure sehr, dass Herr Dr. Hecht aus persönliche Gründen nicht an dem Workshop teilnehmen konnte. Ich wünsche Ihm aber von dieser Stelle aus alles erdenklich Gute. Die aktuelle Situation bei Dioxinen und PCB in Futtermitteln und Lebensmitteln tierischer Herkunft haben uns Herr Dr. Karl, Herr Dr. Schwind und Herr Lindtner ausführlich vermittelt. Die wichtigste Botschaft ist, dass die Dioxingehalte in Lebensmitteln in den letzten 10 Jahren deutlich gesunken sind. Im Hinblick auf die tolerierbare Aufnahme des Menschen reicht dieser Stand jedoch noch nicht aus. Und es bleiben noch wichtige Fragen offen. Die Eintragswege und die Akkumulationsprozesse von dioxinähnlichen PCB sind noch immer unklar. Hier brauchen wir wissenschaftliche Untersuchungen, um den Landwirten, die ihre Schafe und Rinder unter tierartgerechten Bedingungen auf der Weide halten, Empfehlungen geben zu können, wie die lebensmittelrechtlichen Höchstgehalte in Lebern und Fleisch eingehalten werden können. Einer weiteren interessanten Stoffgruppe, die vor einigen Jahren für besondere Aufregung sorgte, haben sich Herr Professor Gäth und Frau Kowalczyk gewidmet. Bei den Untersuchungen zu perfuorierten Tensiden (PFC) in Lebensmitteln und Futtermitteln hat sich die Zusammenarbeit in der Carry over - Arbeitsgruppe erneut bewährt, weil bereits gut dokumentierte Proben kurzfristig für weitere Zwecke genutzt werden konnten. Obwohl die Studien noch kein abschließendes Urteil erlauben, scheint für PFC nur in bestimmten Belastungssituationen besondere Aufmerksamkeit geboten. 193 Auch Herr Dr. Jira konnte bei seinen Untersuchungen zu polybromierten Diphenylethern auf den Probenfundus der Carry over Arbeitsgruppe zurückgreifen und ein aktuelles – wenn auch nicht abschließendes Bild – zeichnen. Diese Schadstoffgruppe ist auch deshalb so interessant, weil hier sehr unterschiedliche Wirkmechanismen zu betrachten sind. Das Vorgehen bei Mykotoxinen ist aus meiner Sicht vorbildhaft. Hier wird von der Sortenwahl über Anbau, Ernte, Lagerung und Verarbeitung bis zu den Wirkungsmechanismen im Tier intensiv an der Aufklärung in der Kette gearbeitet. Frau Dr. Kersten und Frau Dr. Oldenburg haben darüber berichtet. Meine Damen und Herren, Anlass für die Gründung der Carry over –Arbeitsgruppe vor 35 Jahren waren Überlegungen des Gesundheitsministers, Richtwerte für Schwermetalle in tierischen Erzeugnissen festzulegen. Herr Professor Gäth und Herr Dr.Schafft haben am Beispiel „Cadmium“ gezeigt, dass dieses Thema auf Grund neuer gesundheitlicher Bewertungen wieder in den Focus gerückt ist. An diesem Beispiel wird aber vor allem auch deutlich, dass Minimierung möglichst weit am Anfang der Kette ansetzen muss. Die Worte von Herrn Dr. Hecht dazu sind mir noch in guter Erinnerung „ Es ist leicht einen Schadstoff in der Umwelt zu verteilen, nur das Einsammeln, das ist schwer.“ Wie wichtig es ist, auch gesetzliche Regelungen auf eine solide Datenbasis zu stellen, hat uns der Fall „Nitrit“ gezeigt, bei dem Deutschland sogar die „Notbremse“ ziehen musste, und eine Richtlinie der EU zunächst nicht umgesetzt hat. Ich danke daher Herrn Professor Schenkel, der uns mit seinen Recherchen, in Verbindung mit den Untersuchungen der betroffenen Wirtschaft, die erforderlichen wissenschaftlichen Begründungen geliefert hat. Der Beitrag von Frau Dr. Schwake–Anduschus hat einen Bereich von unerwünschten Stoffen in Futtermitteln angerissen, dessen Bedeutung wir - vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika - noch nicht abschätzen können. Unabhängig davon, dass hier sicher noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, muss der weitere Eintrag von Antibiotika in die Umwelt durch einen vernünftigen Umgang mit Human- und Tierarzneimitteln reduziert werden. Das ist auch Ziel der Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART), die gemeinsam vom Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, den Ländern sowie weiteren Akteuren im Gesundheitswesen getragen wird. 194 Herr Dr. Hohgardt hat uns einen Einblick in die Prüfung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gegeben. Dies war nicht nur im Hinblick auf die aktuelle Diskussion zu Glyphosat erhellend, sondern auch im Hinblick darauf, dass die Kommission die Erweiterung des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Regelung auf wirtschaftseigene Futtermittel, wie Gras, Heu oder Silage vorbereitet. Unabhängig davon, dass es nach wie vor schwierig sein wird, festgestellte Gehalte an Pestizidrückständen in verarbeiteten oder gemischten Futtermitteln rechtlich zu bewerten, scheint mir die gesundheitliche Bewertung für den überwiegenden Teil der Wirkstoffe keinen Anlass zur Sorge zu bieten. Darüber hinaus begrüße ich es, dass sich die Arbeitsgruppe der unübersichtlichen Menge von Tausend Beistoffen für Pflanzenschutzmittel intensiver widmet. Der Fall „Tallowamin“ hat gezeigt, dass hier Prüfungsbedarf besteht. Ein Thema, von dem wir hofften, es nie wieder behandeln zu müssen, sind die Radionuklide. Die Arbeitsgruppe hat dazu bereits in den 80er Jahren umfangreiche Arbeiten geleistet, die auch heute noch als gesichertes Wissen bei der Bewertung der Ereignisse in Japan herangezogen werden konnten. Herr Dr. Scheu hat dieses Kapitel für uns noch einmal aufgeschlagen. Es ist ein außerordentlicher Gewinn für die Arbeitsgruppe , dass sie - wie auch in diesem Fall - auf das langjährige Wissen engagierter Experten zurückgreifen kann. Mit Blick auf zukünftige Arbeitsfelder der Carry over – Arbeitsgruppe hat Herr Professor Schenkel gewissermaßen eine Stoffsammlung zum Übergang von Stoffen aus Kontaktmaterialien in Futtermittel vorgestellt. Er hat auch darauf hingewiesen, dass Tiere mit weiteren Materialien in Kontakt kommen, diese aufnehmen und dadurch unerwünschte Stoffe in die Lebensmittelkette gelangen können. Ein Fall in Portugal, bei dem über 70 000 Mastgeflügeltiere vernichtet wurden, weil die als Einstreu verwendeten Sägespäne extrem hoch mit Dioxinen kontaminiert waren, hat erst in den vergangenen Wochen den Handlungsbedarf in diesem Bereich erneut deutlich gemacht. Das BMELV bereitet daher gegenwärtig entsprechende gesetzliche Regelungen für diesen bisher weitgehend ungeregelten Bereich vor. Die Nanotechnologie scheint eine interessante Herausforderung der Zukunft für die Wissenschaft zu sein. Herr Dr. Dehne berichtete über den aktuellen Erkenntnisstand. Hier gilt es ausgehend von methodisch - analytischen Fragen bis hin zur Risikobewertung viele „weiße Flecken“ zu bearbeiten. Im Hinblick auf Futtermittel gibt es sicher interessante Möglichkeiten einer technischen Anwendung. Bei aller verständlichen Begeisterung für neue Chancen darf jedoch der Aspekt der Verteilung in der Umwelt und in der Lebensmittelkette nicht vernachlässigt werden. 195 Am Ende dieses Workshops wende ich mich daher auch an die Wissenschaft, insbesondere an die Tierernährung, sich der Forschung im Bereich der unerwünschten Stoffe, ihrer gesundheitlichen Bewertung, der Aufklärung von Eintragswegen und Akkumulationsprozessen sowie den Minimierungsmöglichkeiten weiterhin intensiv zu widmen. Zum Abschluss möchte allen, die am Gelingen des Workshops beteiligt waren, herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt Frau Fink und ihrem Team vom Präsidialbüro des vTI, die den Workshop organisatorisch vorbereitet und begleitet haben. Mein Dank gilt auch Professor Dänicke und seinem Institut für die Vorbereitungen vor Ort, meinen Kolleginnen Frau Kellner und Frau Peschke, die mich in Bonn vor allem bei der Vorbereitung des Tagungsbandes unterstützt haben. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Dr. Petersen und Herrn Professor Schenkel für die Moderation der Tagung. Und schließlich möchte ich den Mitgliedern der Carry over - Arbeitsgruppe für die engagierte Arbeit und sachkundige Beratung des Bundesministeriums danken. Es ist inzwischen Tradition, dass die Ergebnisse nicht nur in Stellungnahmen für das Ministerium sondern auch in Vortragsveranstaltungen vorgestellt werden. Die Vorträge dieser Veranstaltung haben erneut gezeigt, wie aktuell, interessant und geradezu spannend diese Themen sind. Ich wünsche mir, dass Sie sich auch weiterhin diesen Themen widmen. Meine Damen und Herren, auch Ihnen möchte ich zum Schluss der Veranstaltung herzlichen Dank sagen für Ihr Interesse und ihre Diskussionsbeiträge. Damit möchte ich die Veranstaltung schließen und wünsche Ihnen eine gute Heimreise.