sca papergram no › 2006

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sca papergram no › 2006
sca papergram no 2 › 2006
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Papergram. Das internationale Magazin für die Medienbranche und grafische Industrie. Herausgegeben von
SCA Forest Products AB, Box 846, 851 23 Sundsvall.
Telefon: +46-60-19 40 00. Telefax: +46-60-19 40 90.
CHEFREDAKTEURIN UND HERAUSGEBERIN
(nach schwedischem Recht für den Inhalt verantwortlich):
Anne-Sofie Cadeskog
PROJEKT- UND REDAKTIONSLEITUNG:
Luise Steinberger (luise.steinberger@stockholm.bostream.se)
GRAFIKDESIGN: Mellerstedt Design
REPRO UND DRUCK: Prinfo Accidenstryckeriet,
Sundsvall
TITELFOTO: Kristoffer Lönnå
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Inhalt › 2/2006
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4 Holzschliff für moderne Medien
Welcher Holzstoff in der Papierherstellung zum Einsatz kommt spielt für die Qualität
der Drucksachen eine größere Rolle als allgemein erwartet. Professor Hans Höglund an
der Mittuniversität in Sundsvall über neue unternehmensnahe Forschung
8 Gemeinsam für Runability
Schwedens größte Druckerei, DNEX, arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung
der Runability in ihren Druckmaschinen. In einem großen Projekt hilft SCA, sowohl
mit theoretischem Wissen als auch praktischem Engagement
10 Umwelt-Handbuch
Web Offset Champion Group: praktische Umweltarbeit zahlt sich aus
11 Trends
12 Gedruckte Freunde für die Internetgeneration
Jugendliche lesen nicht. Das bekümmert Erwachsene. Papergram über Kinderund Jungendzeitungen, die zum Lesen anspornen
19 Kolumne
Anja Pasquay, Pressesprecherin beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger,
über den Einfluss der Fußball-WM auf deutsche Zeitungen
20 Der Magazinmann
David Hepworth ist ein Meister in Magazin und Musik. Kaum eine britische Musikzeitschrift,
der er nicht seinen Stempel aufgedrückt hat
22 Journalismus auf der Leinwand
Doppelt gemoppelt, könnte man meinen, wenn ein Medium (Film) über ein anderes (Zeitung)
erzählt. Aber Journalismus und Presse sind schon immer ein beliebtes Thema von
Spielfilmen gewesen
25 Trends
26 Stimme von oben
L’Osservatore Romano heißt die Tageszeitung mit dem Auftrag, Gottes Wort zu verbreiten
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Papergram wird auf GraphoCote
80 g gedruckt, der Umschlag
auf Reprint 150 g. Das
Papier ist FSC-zertifiziert.
Das Material in dieser Zeitschrift ist von der Redaktion
bestellt, durchgesehen und abgenommen. Das bedeutet
jedoch nicht, dass die Redaktion oder SCA die Meinungen der Autoren in jedem Fall teilen. Zitieren Sie uns
gerne, aber geben Sie bitte die Quelle an.
Möchten Sie ein eigenes Gratisexemplar von Papergram,
oder möchten Sie die Zeitschrift für einen Kollegen
bestellen? Schicken oder faxen Sie Namen, Adresse
und eventuell den Namen Ihres Unternehmens an:
Birgitta Ulfsparre, SCA Graphic Sundsvall AB,
Box 846, 851 23 Sundsvall.
Telefon: +46-60-19 43 92.
Telefax: +46-60-15 24 50.
E-post: birgitta.ulfsparre@sca.com
SCA FOREST PRODUCTS produziert Druckpapier für
Zeitungen, Zeitschriften und Kataloge sowie Zellstoff,
Schnittholzwaren und Biobrennstoffe aus der Forstwirtschaft. SCA Forest Products verwaltet auch den großen
Waldbesitz der SCA, versorgt die schwedischen Industriebetriebe des Konzerns mit Holzrohstoffen und bietet den
Geschäftseinheiten der SCA wirtschaftliche Transportlösungen an.
Der Umsatz des Unternehmens beläuft sich auf
1,6 Milliarden Euro, die Mitarbeiterzahl auf 4 000.
Die Forstwirtschaft der SCA ist gemäß FSC
(Forest Stewardship Council) zertifiziert.
SCA › info
Tausend Fahrten über
das Meer
Auf 1000 Reisen wurden 145 589 Kassetten oder ungefähr 7,3 Millionen Tonnen Papier und Zellstoff transportiert
Mehr über Zeitungspapier
aus Altpapier
AYLESFORD NEWSPRINT lanciert eine neue
Die Umweltberichte 2005 für SCA Graphic
Sundsvall und Aylesford Newsprint sind da.
Zu Bestellen unter:
www.publicationpapers.sca.com.
DREI auf neuen Posten
AM 1. AUGUST bekommt das Zellstoffwerk Östrand in
Sundsvall einen neuen Chef für den Produktbereich Zellstoff. STEFAN SJÖSTRÖM arbeitete zuletzt bei der IKEATochter Modul Service AB. Sjöström war insgesamt 17
Jahre im IKEA-Konzern tätig. In Östrand wird er verantwortlich zeichnen für den gesamten Vertrieb sowie die
Koordination des Produktbereiches Zellstoff.
CAROLINE ÖGREN ist neue Chefin der Verkaufsadministration in Östrand. Ögren ist ausgebildete Informatikerin und war zuletzt beim IT-Berater Cap Gemini tätig. Sie
hat jedoch früher bereits bei SCA gearbeitet.
Neuer Verkaufsmanager für Druckpapiere beim Nordeuropabüro von SCA Graphic Sundsvall ist TOMAS ANDERSSON. Andersson war zuletzt beim technischen Kundendienst in der M-real-Papierfabrik Wifsta tätig und verfügt
über lange Erfahrung in der Arbeit mit Kunden aus der
grafischen Produktion in Europa. Tomas Andersson begann am 1. Mai und wird vorrangig im Heatset-Segment
tätig sein und das Team nicht zuletzt bei der Expansion in
neue Märkte, darunter im Baltikum, verstärken.
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Homepage. Neben allgemeinen Informationen über das Unternehemen und dessen
Geschichte wird viel Gewicht auf Information über die Rückgewinnung und Wiederverwendung von Papier gelegt – die Spezialität von Aylesford Newsprint. Die Zeitungspapierfabrik in Kent verwendet ausschließlich rückgewonnenes Papier in der
Herstellung seines hochqualitativen Zeitungsdruckpapiers
Renaissance. Der „Rohstoff“, das heißt Altpapier, wird in Zusammenarbeit mit 200 Gemeinden und Behörden rund um in
England eingesammelt. „Wir werden ungeheuer oft gefragt, wie
wir Zeitungspapier herstellen und wie die Altpapiersammlung
funktioniert. Sowohl die Gemeinden, in denen wir tätig sind,
als auch Privatleute – nicht zuletzt viele Studenten – wenden
sich mit Fragen an uns. Wegen dieser großen Nachfrage haben wir beschlossen, den Inhalt unserer Homepage in diesem
Bereich auszuweiten und wir hoffen, wir haben ein Design gefunden, das die Leser informativ und ansprechend finden“, sagt
Aylesford Newsprint-Verwaltungschef Donald Charlesworth.
Auf der Seite findet sich neben vielem anderen auch eine Anleitung, selbst Papier zu machen sowie ausführliche Information über die umfassende Umweltarbeit von Aylesfort Newsprint.
Das Unternehmen ist eine Kooperation von SCA Forest Products und Mondi Paper.
Als die Transportvolumina zunahmen wurden die drei Systemfrachtschiffe verlängert. Neben größerer Ladekapazität konnte
damit der Treibstoffverbrauch der Frachter gesenkt werden. Mit
katalytischer Abgasreinigung und schwefelarmem Schiffsdiesel setzten SCAs Frachter einen neuen Standard für umweltverträgliche
Seetransporte. 2004 wurde SCA Transforest dafür mit dem Clean
Marine Award der EU ausgezeichnet.
In den vergangenen zehn Jahren fuhren die drei Frachter nur zwei
Mal mit Verspätung: an einem der stürmischsten Tage des vorigen
Jahrhunderts und am stürmischsten Tag dieses Jahrhunderts.
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AM 17. MAI weihte Schwedens Infrastrukturministerin Ulrica
Messing einen neuen RoRo-Kai im Hafen Tunadal in Sundsvall
ein. Gleichzeitig feierte SCA Transforest die tausendste Fahrt
mit SCAs Systemfrachtschiffen.
1995 nahm SCA die drei RoRo-Lastfrachter in Betrieb, die
seither zuverlässig Zellstoff und Papier zu Terminals in europäischen Häfen transportiert haben. Ein Kassettenverladesystem sorgt für kurze Liegezeiten und einen trotz der langen
Abstände zwischen Fabrik und Märkten guten Service für
die Kunden.
Wussten Sie schon,...
dass Holzfasern sieben bis acht Mal wieder verwendet
werden können, bevor sie so abgenutzt sind, das
sie aussortiert werden müssen, weil sie für neues
Papier nicht mehr taugen?
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HOLZSCHLIFF FÜR
hohe Ansprüche
Holzschliff erntet in der Regel selten lauten Jubel. Doch die
schwedische Stiftung für Wissens- und Kompetenzentwicklung
investiert nun gemeinsam mit der Forstindustrie umfassend in die
Entwicklung neuer Produkte auf diesem Gebiet. Eine der
Antriebskräfte ist der Wunsch, hochqualitative Druckpapiere
noch dünner zu machen. Professor Hans Höglund an der
Mittuniversität in Sundsvall begleitet das Spitzenklasseprojekt
ALS ROHSTOFF, unter anderem für ge-
strichene Magazinpapiere, und als Beschichtungen für Karton spielt Holzschliff,
oder mechanischer Holzstoff (auch: aufgeschlossener Halbschliff), eine überlegene Rolle. Insgesamt kommt in den heute
in Schweden hergestellten Papierprodukten rund 30 Prozent mechanischer Holzstoff zum Einsatz. Eine Steigerung ist
durchaus möglich. Ein höherer Anteil würde die Produktionsmöglichkeiten erhöhen
und damit den Exportwert verbessern.
„Bei der mechanischen Holzstofftechnologie ist Skandinavien weltführend. Aber
um den Platz eins halten zu können brauchen wir weitere Spitzenklasseforschung“,
erklärt Hans Höglund, Professor in mechanischer Holzstofftechnik und Leiter der
neuen so genannten „Forscher-Schule“
im Rahmen des Fibre Science and Communication Network (FSCN) an der Universität Sundsvall.
Es dauert 100 Jahre bis Ernte-reifer Wald
gewachsen ist. Daher ist die maximale
Verwertung der Forstressourcen von
großem Vorteil
Sämtliche schwedischen Hersteller von
Druckpapieren, Karton und Absorptionsprodukten, die mechanischen Holzstoff
verwenden, nehmen an dem Projekt teil,
ebenso wie marktführende Maschinenund Chemikalienhersteller. In zehn Jahren möchte Hans Höglund den einmaligen Rohstoff aus dem Wald in noch bessere Produkte verwandelt sehen – auf der
Basis von mechanischem Holzstoff.
Einmalige Qualitäten
Fangen wir jedoch vorne an – im Wald.
Im nördlichen Teil des Nadelwaldgürtels,
wo Skandinavien liegt, dauert das Heranwachsen einer Kiefer bis zur Veredelungsreife etwa 100 Jahre. „Das langsame Wachstum verleiht dem Nadelwald hier oben
einmalige Qualitäten. Es bedeutet aber
auch, dass die Rohstoffbasis begrenzt ist
und sich nur langsam erneuert“, pointiert
Höglund. Zur Maximierung der Gesamteinnahmen ist es daher äußerst wichtig,
aus der zur Verfügung stehenden Rohstoffmenge so viele Produkte wie nur irgend
möglich herstellen zu können, besonders
im Hinblick auf die rasch zunehmende
Konkurrenz durch schnell wachsende Wäl-
der in Asien und Südamerika. Hier liegt
ein Vorzug des mechanischen Holzstoffes.
„Beim Holzschliff und seinem nahen
Verwandten, dem thermomechanischen
Holzstoff, wird ein Materialnutzungsgrad
von 90 Prozent erreicht. Bei einem Nutzungsgrad von 95 Prozent kann beispielsweise aus 100 Kilogramm Holz 95
Kilogramm Papier hergestellt werden“,
erklärt Höglund.
Aber Papier ist Papier, wenn auch mit
verschiedenen Eigenschaften und Qualitäten. Völlig neue und revolutionäre Produkte zu entwickeln ist in dieser reifen
Industrie äußerst schwierig. Das Verbesserungspotenzial liegt häufig in Aspekten,
die für den Endverbraucher schwer sichtbar sind, beispielsweise in Prozesstechnik,
Produktionseffektivisierungen und höherem Veredelungsgrad. Beim Vergleich von
heutigen Druckpapieren und den Qualitäten von vor 25 Jahren zeigt sich dennoch
ein enormer Unterschied. Die Druckqualität ist heute besser und das Papier deutlich dünner. In der Forschung geht es heute
darum, beschwerliche Fasern so zu behandeln, dass mit ihnen gute Bedruckbarkeitseigenschaften erlangt werden. Aber die
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S
VON Lena Sjödin FOTO Olle Melkerhed
„Wir hatten neulich einen Doktoranden, der seine Aufgabe
völlig missverstanden hatte. Dieser Fehler führte zu einer
neuen Technik, für die er ein Patent beantragt hat“
richtig große Herausforderung der Zukunft liegt darin, die Fasern für zehn Anwendungen brauchbar zu machen, statt für
eine. „Ich vergleiche das mit der Autoindustrie. Ein Auto wird noch immer nach
demselben Grundkonzept hergestellt –
vier Räder und ein Lenkrad. Heute geht
es bei der Revolutionierung der Autobranche um Design, Komfort und Sicherheit“,
meint Hans Höglund.
Faseridentifikation
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Falsch – und richtig
Ein ganzes Wissenschaftlerleben hat Hans
Höglund auch gelehrt, dass manchmal der
Zufall das Ergebnis steuert. Sogar reine
Fehler können sich als Glücksfälle erweisen. „Wir hatten neulich einen Doktoranden, der seine Aufgabe völlig missverstanden hatte und genau das Gegenteil des
Verlangten machte. Dieser Fehler führte zu
einer neuen Technik, für die er ein Patent
beantragt hat, bei der man für die Herstellung von biegsteifem Karton für Flüssigkeiten wie etwa Milchverpackungen
höhere Anteile chemiemechanischen Holzstoff verwenden kann.“
Neben der Zielsetzung, den Exportwert
für die Branche weiter zu steigern, will
Hans Höglund konkrete Fortschritte sehen.
Einer davon betrifft den Bereich gestriche-
ne Papiere wie LWC und MWC, die auf
mechanischem Holzstoff basieren. Diese
sollen als ebenso hochwertig erlebt werden wie gestrichene Feinpapiere auf Zellstoffbasis. „Und dann möchte ich noch,
dass wir den Energieverbrauch im Herstellungsprozess drastisch senken, ohne dass
darunter die Holzstoffqualität leidet“, so
Hans Höglund.
Rückgewonnene Fasern
Ebenfalls deutlich zutage treten die Vorteile von Holzschliff bei der Betrachtung
aus einer Lebenszyklus-Perspektive. Je
häufiger eine Faser wiederverwertet werden kann, desto besser wird die Ressource
genutzt. Und die Faser des mechanischen
Holzstoffs kann viele Male verwendet werden, ohne dass die Stärkeeigenschaften
schlechter werden. Maximale wirtschaftliche Nutzung des Holzrohstoffes bedeutet, hochqualitative Papierprodukte aus
mechanischem Frischfaser-Holzstoff
herzustellen und diesen dann mehrfach in
der altpapierbasierten Produktion zu
verwenden. „Abschließend wird er zur
Herstellung von Energie beispielsweise
für die Holzstoffproduktion verwendet.
So schließen wir den Kreis“, sagt Hans
Höglund.
Neben technischen Erfolgen hofft er
auch auf die Kräfte des Marktes – dass das
Pendel vom heutigen Fokus auf die Helligkeit des Papiers auf Begriffe wie Lesbarkeit und Haushalten mit Ressourcen umschwingen wird. „Helligkeit kostet Umwelt. Forschung hat außerdem gezeigt,
dass die Lesbarkeit dadurch schlechter
wird. Die Papierwahl ist jedoch ein wichtiger Teil bei der erfolgreichen Umsetzung
einer Botschaft. Verschiedene Botschaften
erfordern verschiedenes Papier. Dieser
Fakt drückt sich bei Hans Höglund selbst
in einer Schwäche für elegante Einladungskarten und Schriftstücke aus. Eine Berufskrankeit. „Ich habe im Laufe der Jahre so
einiges angesammelt“, sagt Höglund und
erzählt, dass das gelbste Papier in seiner
Sammlung ironischer Weise eine Einladung eines Lieferanten chemischer Bleichmittel sei.
S
Die Forschung konzentriert sich nun auf
drei Themenbereiche: energieeffektive
Herstellungsprozesse, Steuerung von
Holzschliff- und Produktqualität sowie
helle und Helligkeits-stabile Produkte. Der
Ausgangspunkt ist die Identifikation der
Holzfasern und ihrer Eigenschaften, um
sie dann auf die beste Weise zerteilen und
umformen zu können. Im Sommer und
Herbst gewachsene Fasern sind beispielsweise dickwandiger und schwieriger zu
verändern als Frühjahrsfasern. Aber allein
indem man im Vorwärmprozess vor der
Faserbearbeitung die Temperatur ein paar
Sekunden von 140 auf 170 Grad Celsius
erhöht, können ungeahnte Effekte erzielt
werden. „Es geht hier um Feineinstellungen. Kleine Details können in den Maschinen viel bewirken, und es gilt meist, die
heute bereits existierenden grundlegenden
Techniken zu verbessern“. Umgesetzt in
Nutzen für einen Papiereinkäufer kann
es unter anderem um die Verbesserung
der Opazität gehen – des Vermögens von
Papier, Licht zu absorbieren und weiterzuleiten. „Mehr Holzschliff in Zeitungsund Journalpapieren steigert die Opazität.
Daher können Papierqualitäten mit niedrigeren Flächengewichten verwendet
werden, die dennoch eine problemfreie
Druckoberfläche ohne Durchscheinen aufweisen. Dünnere Seiten geben niedrigere
Grammgewichte beim Endprodukt, was
unter anderem im Vertrieb wirtschaftliche
Bedeutung erlangt“, so Höglund.
Eine weitere herausfordernde Aufgabe
ist die Weiterentwicklung der Prozesstechnik zur Herstellung des Holzschliffes so,
dass die Druckoberfläche so glatt wie mög-
lich wird. Für maximale Bildqualität etwa
von Anzeigen dürfen nicht einzelne Fasern
in der Papieroberfläche sichtbar werden. Je
dünner das Papier, desto größer hier die
Herausforderung. „Eine Tageszeitung mit
15 Blättern ist etwa einen Millimeter dick.
Eine Zeitschrift aus LWC- oder SC-Papier
ist noch dünner. Ein Blatt in einer Tageszeitung ist nicht dicker als zwei Fasern des
Kiefernholzes, man hat also nicht viel
Spielraum“, stellt Hans Höglund fest. Bevor aber eine Zeitung gedruckt werden
kann, müssen über sechs Millionen Fasern
möglichst effektiv bearbeitet werden, damit keine Fasern Störungen in der Bogenstruktur verursachen. Die besten Resultate erlangt man mit einer interdisziplinären Arbeitsweise, glaubt Höglund – ein
Signum des FSCN.
Forschungsberichte dürfen nicht in der
Schublade verschwinden, die Ergebnisse
sollten in produktionsnaher Umgebung in
Versuchsanlagen rasch getestet werden.
„Ich bin eigentlich kein ausgesprochener
Akademiker. Ich mag den Nutzensaspekt
mehr als die wissenschaftliche Detailarbeit.
Die Forscher-Schule ist ein gutes Beispiel
für eine solche Arbeitsweise, bei der aktuelle Probleme der Branche in Zusammenarbeit von akademischen und Unternehmens-Akteuren gelöst werden.“
Professor Hans Höglund schaufelt Hackschnitzel in die FSCN-Versuchsanlage für
thermomechanischen Holzstoff in Sundsbruk
bei Sundsvall
In diesem Teil der Anlage werden die Hackschnitzel vor dem Raffinieren vorgewärmt
So sieht der fertige Holzstoff aus
Hans Höglund legt Hackschnitzel auf ein Malsegment.
In diesem Teil des Raffineurs werden die Hackschnitzel
erst in ihre Faserbestandteile gemahlen und dann unter
Wärmezufuhr in Holzstoff weiter verarbeitet
Im Dienst der Wissenschaft
HANS HÖGLUND ist Professor für mechanische Holzstofftechnik an der
S
Mittuniversität in Sundsvall. Der gelernte technische Physiker begann
seine Laufbahn im Branchenforschungsinstitut der schwedischen Forstindustrie. Danach wechselte er in die Forschung und Entwicklung von SCA,
zuletzt als Forschungschef bei SCA Graphic Research. Im Jahr 2000 kehrte Höglund ganz in die akademische Welt zurück, nachdem er einige Jahre
auf Teilzeitbasis eine externe Professor bei der königlich technischen Hochschule in Stockholm innegehabt hatte. Heute betreut Höglund die so genannte Unternehmens-Forscher-Schule in mechanischer Holzstofftechnik
im Rahmen des FSCN – Fibre Science and Communication Network.
2005 erhielt Hans Höglund für „sein hohes innovatives Können, ausgezeichnete wissenschaftliche Systematik und gut durchgeführte experimentelle Arbeiten sowie die kritische Durchsicht erlangter Ergebnisse“ die
angesehene Ekman-Medaille der schwedischen Papier- und Zellstoffingenieurvereinigung SPCI.
Weitere Informationen unter: www.miun.se/fscn/forskarskolan
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Immer in
Bewegung
In einer intensiven Kooperation
zwischen SCA und Schwedens größter Zeitungsdruckerei, DNEX, wird rasche
Problemlösung mit einer prozessorientierten Perspektive kombiniert. Ziel ist die
Minderung der Anzahl Bahnbrüche und eine bessere Ausnutzung der Druckpressen
TEXT & FOTO Alexander Farnsworth
Die Papierrollen werden von Gabelstaplern mit
starken Klammern gehoben und transportiert.
Die Klammern können Schäden verursachen,
die zu Instabilität in der Druckpresse führen.
Hier kann Abhilfe geschaffen werden
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DNEX im Stockholmer Vorort Akalla
druckt täglich auf drei parallel arbeitenden MAN Colorman S-Maschinen 1,2
Millionen Zeitungen, darunter Dagens
Nyheter, Expressen, Stockholm City und
Metro. Jede Maschine verfügt über zehn
Rollensterne, und kann daher zehn Bahnen gleichzeitig drucken. Das entspricht
bei doppelter Produktion einer 80-seitigen
Zeitung im Vollformat oder 160 Seiten
Tabloid. Nur wenige Druckmaschinen auf
der Welt können das leisten.
Im Unterschied zu Zeitungen in anderen Ländern, sind schwedische Zeitungen
entweder geleimt oder geheftet, was den
Herstellungsprozess kompliziert.
DNEX verbraucht jährlich in jeder
Presse 25 000 Tonnen GraphoNews 45
Gramm von SCA. In einem durchschnittlichen Monat liegt die Bahnbruchfrequenz der
Druckerei zwischen zwei und 3,5 Prozent. Das
Ziel ist eine Senkung auf ein Prozent, denn
jeder Bahnbruch verursacht etwa 30 Minuten Stillstand und damit Produktionsausfall.
Bahnbrüche sind also wesentlich mehr, als nur
Irritationsmomente, denn Zeitungsdruckereien arbeiten unter extrem engen Zeitvorgaben.
Komplizierter Prozess
Die Kooperation begann im November 2005.
Damals nahm DNEX-Qualitätschef Per Carleson Kontakt mit SCA auf, um zu diskutieren, was gegen die Bahnbrüche unternommen
werden könnte.
Viele Bahnbrüche sind Resultat einer jeder Druckpresse innewohnenden Komplexi-
tät. Was Carleson sich von SCA versprach,
war Kompetenz über den Papierherstellungsprozess. „Wir wandten uns an SCA,
um ihre Gedanken darüber zu hören, worauf wir achten sollten“, sagt Per Carleson.
Er fügt hinzu, dass die Druckindustrie für
ihre Fähigkeit zur raschen Problemlösung
bekannt ist. Fehler werden umgehend behoben, denn die Zeitung soll ja pünktlich
erscheinen. „Aber niemand hat jemals Zeit,
den Gründen der Probleme nachzugehen.
In der Papierindustrie ist das ganz anders.
Dort arbeitet man mehr prozessorientiert.
Unternehmen wie SCA wissen genau, was
in jedem Schritt ihrer Produktion passiert.
Dafür haben wir nicht die Ressourcen“,
sagt Per Carleson.
ANDERS HILLVALL
Per Carleson, Qualitätschef bei DNEX und Anders Hillvall, Leiter des technischen Kundendienstes
bei SCA, vor Ort in Akalla
nung ein schwieriger und gleichzeitig
entscheidender Aspekt.
Damit der Prozess noch besser läuft
hat DNEX zudem ein internes Programm
zur Aufrichtung der 150 Steuerungswalzen, die das Papier durch die Pressen
leiten, eingeleitet. Viele dieser Walzen
waren schlecht eingestellt und sind justiert oder durch steifere Walzen ersetzt
worden.
Statistik wird ausgewertet
Ein weiteres Moment der Kooperation
ist die Übermittlung der Bahnbruchstatistik von DNEX an SCA. Bei jedem
Bahnbruch werden die betroffene Rollennummer und die Ursache des Bruchs
automatisch an die SCA-Papierfabrik
Ortviken in Sundsvall übermittelt. Dort
können sämtliche Daten der Herstellung analysiert werden. Mit der Rollennummer können die dazugehörigen Produktionsdaten, wie
Stärkeeigenschaften, Bahnspannung und Messergebnisse des Lochdetektors der Papiermaschine, aufgefunden werden. Außerdem wird
deutlich, ob die Rolle, die in der Druckpresse
Probleme gemacht hat eine Nummer hat, die
in der Nähe von Rollen liegt, die bereits in
der Fabrik aussortiert wurden. „Das gibt ein
neues Bewusstsein. Alle Mitarbeiter, sowohl
in Ortviken als auch bei DNEX, sehen nun,
dass die Runability ein entscheidender Faktor ist“, sagt Anders Hillval. Und um diese
Botschaft noch deutlicher festzuklopfen, hat
SCA bisher zwei technische Workshops mit
DNEX-Mitarbeitern durchgeführt. In zwei
Tagen werden sämtliche Aspekte der Papierherstellung besprochen.
S
Papierentwicklung am Puls des Bedarfs
„DAS DNEX-PROJEKT ist für SCA äußerst wichtig, nicht zuletzt für die Weiterentwicklung
des Papiers“, erklärt Inger Eriksson, Entwicklungschefin bei SCA Graphic Sundsvall und
Initiatorin des Projektes.
Um seine Papierprodukte in die richtige Richtung weiterentwickeln zu können, muss man
die Anforderungen verstehen, die die Kunden stellen. Im Mittelpunkt steht die Runability, und
damit die Rentabilität. Das nötige Feedback erhält SCA durch enge Kooperationen, so Inger
Eriksson. „Wir steuern unsere Papierproduktentwicklung mit Ausgangspunkt in einigen Papiereigenschaften. Aber wir wissen nicht exakt, welche Eigenschaften für die Runability bei
den Kunden ausschlaggebend sind. Ein gutes Feedback durch Projekte wie das mit DNEX
ist enorm wichtig, um hier ein gediegenes Können aufzubauen“, erklärt Eriksson.
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Problemklärung
Seit November 2005 war der technische
Kundendienst von SCA mehrfach bei
DNEX zu Besuch. Zum Einen, um zu studieren, wie das Papier von SCA in den
Druckmaschinen funktioniert. Zum Anderen, um sich einen Überblick über den
gesamten Prozess zu verschaffen – von der
Papierfabrik bis zur fertig gedruckten Zeitung. Men stellte fest, dass sowohl bei SCA
als auch bei DNEX die Papierrollen mit
Gabelstaplern transportiert werden, in
denen starke Klammern die Rollen festhalten. Diese Klammern drücken so hart auf
die Rollen, dass diese leicht unrund werden und damit in der Druckmaschine
instabil. Besonders Halbrollen zeigten sich
für diesen Effekt anfällig.
Eine weitere Entdeckung war, dass man
mit der relativen Luftfeuchtigkeit im Papierlager von DNEX genauer sein musste.
Idealer Weise liegt diese zwischen 50 und
60 Prozent. Bei Lieferung haben die SCAPapierrollen einen Feuchtigkeitsgehalt von
neun Prozent. Bei Besuchen in der Druckerei maß Anders Hillvall, Chef des technischen Kundendienstes bei SCA, eine relative Luftfeuchtigkeit im Papierlager von
DNEX von zwischen 30 und 40 Prozent.
Dies Problem wird derzeit behoben.
Beides können, müssen jedoch nicht,
Ursachen für beschwerliche Bahnbrüche im
Druckprozess sein. Zu trockenes Papier
kann für eine effiziente Bedruckung zu
spröde sein und reißen.
In einem Versuch, offenzulegen, was
während des Druckprozesses mit dem
Papier passiert, hat DNEX begonnen,
an verschiedenen Punkten in der Druckpresse die Bahnspannung zu messen. Beim
Druck von zehn Bahnen in 60 bis 70
Meter langen Maschinen ist die Bahnspan-
„Alle Mitarbeiter sehen nun, dass die
Runability ein entscheidender Faktor ist“
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Umweltmaßnahmen
lohnen sich
Abfallvermeidung macht
sich bezahlt. Diesen und
andere Tipps gibt die
Expertengruppe Web
Offset Champion Group
über die besten Wege,
Umweltfragen in
Rotationdruckereien
zu meistern
VON Luise Steinberger
EIN SYSTEMATISCHES Programm zur
10
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folgt ein Kapitel über Verbrauchsgüter und
Abfall. Hier finden sich beispielsweise
Tipps über die umweltmäßig beste Wahl
von Farben und Reinigungsmitteln sowie
über Abfallvermeidung, Rückgewinnung
und Wiederverwertung.
rung bei der Verbrauchsreduzierung A und
O sind. So können Lecks und unnötiger
Verbrauch lokalisiert und abgestellt werden.
In dem Handbuch finden sich auch Tipps,
an welchen Stellen im Prozess die Energie
mit Vorliebe verschwindet.
Praktische Prozesstipps
Handbuch nummer sechs
Das dritte Kapitel widmet sich dem Druckprozess an sich. Verschiedene Computerto-plate-Prozesse werden besprochen, sowie neue Reinigungstechniken für Platten.
Auch die Lagerung von Druckfarben und
die korrekte Dosierung verschiedener Flüssigkeiten – nicht zuletzt die richtige Feuchtigkeit – tragen laut Experten zu einem aus
Umweltgesichtspunkten optimalen Resultat bei. Schließlich folgten Tipps, wie Luftemissionen durch Filteranlagen effizient
behandelt werden können, beziehungsweise wie bei der Nachbearbeitung Papier gespart werden kann. Hier werden Systeme
zum Abtransport von Staub und Papierabfall vorgeschlagen sowie für das Hantieren
des Leims in der Buchbinderei.
Im letzten Kapitel geht es schließlich um
Energieanwendung. Die Verfasser pointieren, dass fortlaufende Messung und Steue-
Die Web Offset Champion Group ist eine
Kooperation von neun internationalen
Akteuren in der grafischen Branche: SCA,
Aylesford Newsprint, Kodak Polychrome,
MacDermid Printing Solutions, MAN
Roland, MEGTEC, Müller Martini, Nitto
Denko, Quad Tech und Sun Chemical. Ziel
des Projektes ist, Rotationsdruckereien mit
qualifizierter Expertenmeinung zur Seite
zu stehen. Verschiedene Handbücher beschreiben die besten Verfahrensweisen –
„best practice“ – in jedem Arbeitsbereich.
Das Umwelthandbuch ist die Nummer
sechs in der Reihe, die seit Gründung der
Gruppe Ende der 1990er-Jahre publiziert
wurden. Es kann unter: www.wocg.info
oder www.gain.net oder durch die Mitgliedsunternehmen bestellt werden.
S
Minimierung von Abfällen kann den Gewinn einer Druckerei um etwa drei Prozent steigern. Denn Kosteneinsparungen
in der Abfallwirtschaft können dem Betriebsergebnis zugeschlagen werden.
Dies ist einer von vielen guten Ratschlägen, die die Web Offset Champion
Group in ihrem neuesten Handbuch erteilt: Best Practice Guide: Environmental
Considerations – Energy, Economy, Efficiency, Ecology (Umweltaspekte – Energie,
Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Ökologie).
Der Ausgangspunkt ist, dass eine funktionierende Umweltarbeit heute für Druckereien überlebenswichtig ist. Die eine
Seite der Medaille sind Kosteneinsparungen. So senkt eine bessere Arbeitsumwelt
für die Angestellten die Versicherungsprämien. Aber eine funktionierende Umweltpolicy stärkt auch die Marke und steigert
so die Loyalität der Kunden.
Der Best Practice Guide soll dem Drucker in jedem Prozessschritt als Handbuch
mit praktischen Tipps zur Seite stehen.
Eine allgemeine Einführung behandelt
Fragen von Umweltmanagement und
Umweltsteuerungssystemen. Danach
VON Luise Steinberger
TRENDER
TRENDS
AUFSCHWUNG
BEI ANNONCEN
PLATZ EINS DER internationalen Liste der Tageszeitungskonsumen-
ten nehmen derzeit die Norweger ein. Von 1 000 Einwohnern lesen
ganze 651 jeden Tag eine Zeitung. Auf Platz zwei folgt Japan (644
von 1 000 Einwohnern, die täglich Zeitung lesen), danach Finnland
(522 von 1 000). In Führungsposition liegt auch noch Schweden (489
von 1 000). Das Mittelfeld schließt dann erst mit einigem Abstand
an. Auf 1 000 Einwohner zwischen 300 und 400 Zeitungsleser gibt es
in der Schweiz, Österreich, den Cayman-Inseln und in Deutschland.
Am allerwenigsten Zeitungsleser auf der Welt gibt es in Mocambique. Hier hat nur jeder 1 000ste Einwohner täglich eine Zeitung
auf dem Frühstückstisch.
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DIE ANZEIGENEINNAHMEN von Zeitschriften und Zeitungen
in Europa steigen wieder. Das geht aus Statistik in mehreren
Ländern hervor.
In Deutschland verkaufen vor allem die Magazine mehr
Anzeigen. Laut dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
stiegen die Anzeigeneinnahmen 2005 um 1,7 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Vor allem Programmzeitschriften verkaufen mehr (plus 21 Prozent), sowie Monatsmagazine für Frauen (plus 15,5 Prozent) und aktuelle Magazine (plus 14 Prozent).
Holger Busch, Geschäftsführer Anzeigen Marketing im VDZ,
kommentierte den positiven Trend: „Die positiven Konjunkturerwartungen von Unternehmen und Verbrauchern spiegeln sich
zurzeit auch im Anzeigengeschäft wider.“
In Schweden war 2005 für die Tagespresse positiv. Die
Anzeigeneinnahmen stiegen um 5,6 Prozent. Besonders interessant ist, dass die Anzeigenvolumina weniger stiegen
als die Einnahmen. Das bedeutet, die Zeitungen bekamen
mehr bezahlt als im Vorjahr. Laut dem Verband der Zeitungsherausgeber (Tidningsutgivarna) ist die Ursache steigende
Volumina bei den Kleinanzeigen, vor allem bei den Stellenanzeigen.
ILLUSTRATION Daniel Egnéus
Norweger fleißigste
Zeitungsleser
Belgischer Test mit e-Zeitung
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SEIT APRIL lesen 200 Testpersonen in Belgien ihre Morgenzeitung auf elektronischem Papier. Die
Finanzzeitung de Tijd hat den ersten europäischen Versuch mit einer e-Tageszeitung eingeleitet. Die
Leser downloaden sich die neueste Ausgabe aus dem Internet oder wireless in ein spezielles Lesegerät, genannt Iliad, entwickelt von der Philips-Tochter iRexTechnologies. Das Gerät im Format A5,
wiegt 390 Gramm und ist 1,6 Zentimeter dick. Das Display baut auf der amerikanischen E-InkTechnologie auf und arbeitet mit 8,1 Millionen mikroskopisch kleinen, in Flüssigkeit schwimmenden
schwarz-weißen Kugeln, die durch elektrische Ladung gezielt gedreht und so zu Buchstaben und
Bildern geformt werden können. Laut de Tijd ist die Bildqualität sehr hoch. Der Nachteil sei jedoch
das kleine Format. Der Leser muss den jeweils gewünschten Abschnitt auf seinem Gerät einzoomen.
Wissenschaftlich begleitet wird der bis Jahresende laufende Test von Forschern der Universität
in Leuven. Zielgruppe ist nicht der Durchschnitts-Zeitungsleser, sondern Finanzmanager, die in Zukunft ihre Zeitung täglich mehrmals updaten können sollen.
Das Lesegerät Iliad kostet heute 400 Euro, zu teuer, als dass die Zeitung das Gerät gratis an alle
Interessenten austeilen kann, erklärt Projektleiter Peter Bruynseels in Die Welt. Erst wenn der Apparat massengefertigt wird, sei eine langfristige Herausgabe seiner Zeitung als e-Paper denkbar.
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Die Zeitungsleser
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VON MORGEN
Zeitungen und Zeitschriften für Kinder und Jugendliche
wenden sich direkt an die jeweilige Zielgruppe und üben
sie darin, Massenmedien zu verstehen. Damit junge Leute
zu Zeitungslesern heranwachsen, ist das Wichtigste
jedoch, dass sie lesen, egal was
MEHR ALS eine Milliarde Menschen le-
sen täglich Zeitung. In einer kürzlich in
Frankreich herausgegebenen Studie belegt
die World Association of Newspapers
(WAN) mit 18 000 Mitgliedern unter den
Tageszeitungen in aller Welt, dass immer
weniger Europäer eine Zeitung kaufen.
Voriges Jahr ging die Anzahl der in Europa verkauften Exemplare zurück, während
die gesamte „Weltauflage“ in den letzten
fünf Jahren um 4,75 Prozent gestiegen ist.
In einer Zeit relativer Stabilität für
die Tageszeitung zeigt WAN-Generaldirektor Timothy Balding in der Studie die
bestehenden Herausforderungen auf:
„Wirtschaftliche Restriktionen, rückläufige Auflagen, fortlaufende technische
Veränderungen und der Bedarf, die Relation zum Leser neu zu definieren bedrohen
die Presse in aller Welt“.
Letzteres ist für das Überleben der Zeitungsbranche lebenswichtig: Identifikation und kontinuierlichen Kontakt mit den
Lesern zu stiften. Die Lösung des Problems liegt jedoch nahe – in Kinderwagen,
auf Klettergerüsten, in Klassenzimmern
und auf Fußballplätzen. Kinder und Jugendliche sind die Leser der Zukunft.
Aber: Wie entwickeln sie sich zu den
Lesern von Morgen? Durch eigene Zeitschriften und ganz allgemein durch Interesse an Gedrucktem.
Beste Freundinnen
Nachdem Kinder und Jugendliche sich in
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
meist mit ein paar „eigenen Seiten“ in den
Zeitungen ihrer Eltern hatten zufrieden
geben müssen, steht ihnen im Jahr 2006
eine Flut von Zeitschriften zur Auswahl.
Im Zuge zunehmender Beliebtheit der
Kinder-Spezialseiten hatten die Verleger
das Potenzial der Zielgruppe erkannt und
umgesetzt. Als eine der ersten richtigen
Jugendzeitschriften erschien 1941 die
amerikanische Calling all Girls, ein direkter Ableger der Elternzeitschrift Parents
Magazine. 1944 folgte die heute klassische
Seventeen, die sich an etwas ältere Mädchen
wendet, vor allem solche mit Modeinteresse.
Heute sind Kinder- und Jugendzeitschriften voll mit Mode, Musik, Tipps und
Ratschlägen, Bastelanleitungen, Wissenschaft, Sport und Idolen. Zeitschriften mit
dem generellen Präfix „teen“ – wie Teen
Vogue und Teen Now – wenden sich vor allem an Mädchen. Zu diesem Genre zählt
auch Elle Girl. Jungen wählen häufiger Zeitschriften mit einem bestimmten Sachinhalt,
wie Autos, Computer oder Computerspiele.
Julie und Manon heißen zwei französische Zeitschriften für Mädchen im Alter
zwischen acht und zwölf beziehungsweise
sechs und acht Jahren. Stéphanie Saunier,
Chefredakteurin für die beiden MagazinSchwestern, erklärt, hier handele es sich
um eine dankbare Zielgruppe. Ein wichtiger Grund, warum es leichter sei, Zeitschriften für Mädchen zu machen, sei die
Tatsache, dass zwischen Mädchen generell
ein höherer Grad an Intimität und Zusammengehörigkeit besteht als zwischen Jun-
S
VON Henrik Emilson RECHERCHE Sybille Neveling, Jean-Paul Pouron FOTO Kristoffer Lönnå
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„Viele mögen ihre Zeitschrift so sehr, dass
sie sie nachts unters Kopfkissen legen“
STÉPHANIE SAUNIER
gen. Mädchen mögen es, Julie und Manon
jeden Monat wieder „zu treffen“. „Viele
mögen ihre Zeitschrift so sehr, dass sie sie
nachts unters Kopfkissen legen“, sagt
Stéphanie Saunier. „Aber unser Erfolg
resultiert erstens vor allem daraus, dass
Mädchen generell mehr lesen als Jungen,
und zweitens, dass sie neugieriger auf und
offener für neue Aktivitäten sind. Jungen
können sich stattdessen intensiver für ein
bestimmtes Thema interessieren.“
Liebe und Sex
Ihren 50sten Geburtstag feiert in diesem
Jahr die Jugendzeitschrift Bravo. In gewisser Weise hakt Bravo da ein, wo ihre französischen Kolleginnen aufhören. Der Fokus liegt auf Jugendlichen von zwölf bis 17
Jahren, die sich für Musik- und Filmstars
interessieren, aber auch für das Leben an
sich und Liebe und Sex. Vor allem Letzterem wird durch Foto-Love-Stories und Dr.
Sommers-Frageseite große Aufmerksamkeit gewidmet. Man erwartet, dass die
Zielgruppe „reifere“ Themen hantieren
kann. Daher kommen Bilder von nackten
Jugendlichen durchaus vor. Unter der Rubrik That’s me 2006 werden beispielsweise
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ein 19-jähriger junger Mann und eine 20jährige junge Frau nackt auf jeweils einer
ganzen Seite gezeigt. „Jugendliche sehnen
sich nach dem Wahren, danach, ernst
genommen zu werden, am Leben teilzunehmen. Bravo sieht sich selbst als Sprachrohr und Anwalt der Generation, die in die
Schule geht“, erklärt ein Sprecher der Redaktion, der aus praktischen Gründen seinen Namen nicht nennen möchte. Der
Einstieg ins Bravo-Lesen geschieht meist
über Freunde, in einem Alter, in dem die
Jugendlichen beginnen, sich für die Hauptthemen der Zeitschrift zu interessieren.
Genau wie Stéphanie Saunier in Frankreich glaubt man bei Bravo, dass Jungen
und Mädchen verschiedene Wege gehen,
wenn sie aus dem Bravo-Alter herausgewachsen sind: „Die Mädchen gehen in
erster Linie zu Frauenzeitschriften über,
während die Jungen differenziertere Muster entwickeln. Die persönlichen Interessen
geben den Ausschlag, einige lesen Sportzeitschriften, andere ziehen Motor- oder
Filmmagazine vor.“
Die Internet-Generation
Die Jugend von heute wächst mit einer
Flut von Fernsehkanälen, Mobiltelefonen,
SMS und nicht zuletzt dem Internet auf.
Einige Verlage sehen dies als eine Gefahr,
andere nicht. „Unsere schärfsten Konkurrenten sind Internet und Handy“, meint
die Bravo-Redaktion. Wegen teuerer SMS
und Downloads können Jugendliche es
sich heute oft nicht leisten, jede Woche
1,30 Euro für Bravo auszugeben.
Die relativ neue britische Jugendzeitschrift UwiWgi sieht das Internet nicht als
Bedrohung. Im Klartext bedeutet ihr Titel „you want it, we got it“ (du möchtest
es, wir haben es) und wendet sich an Mädchen und Jungen von sieben bis zwölf. Das
Magazin bietet einen breit gefächerten
Inhalt aus Humor, Buchbesprechungen,
Sport, Wissenschaft, Nachrichten, Bastelanleitungen, Tratsch und etwas in Kinder- und Jugendzeitschriften Einmaligem:
Reisen. „Wir bieten für alle etwas und führen die Kinder in neue Themengebiete
ein“, erklärt Carolyn Cobbold, eine von
drei Redakteurinnen des Magazins. Sie
UWIWGI
Kinderperspektive mit Tradition
Kamratposten war Schwedens erste Zeitung
für Kinder und Jugendliche. Mit ihren 114
Jahren gehört sie außerdem zu den ältesten Zeitungen des Landes. Per Bengtsson,
stellvertretender Redaktionschef, räumt
ein, dass man mit Internet und Fernsehen
um die Aufmerksamkeit der Kinder konkurriert. Dass sein Blatt darüber verschwinden wird, glaubt er nicht. Bengtsson hat
eine eigene Theorie: „Erwachsene haben
oft deutliche Ansichten, was gut und was
schlecht ist. Bücher lesen ist gut. Zeitschriften lesen ist gut. Fernsehen gucken ist
schlecht. Computerspiele sind schlecht.
Und das Internet ist richtiggehend gefährlich“, sagt er und fügt hinzu, dass Kinder,
die mit dem Internet aufwachsen, diese
Abstufungsskala für gut und böse nicht
besitzen.
Er meint, Kinder seien heute an ein
hohes Informationstempo gewöhnt, wobei sie aus einer Menge verschiedener Kanäle „Inhalt“ beziehen – Fernsehen, Zeitungen, Bücher, Internet und Computerspiele. „Sie sehen Information als Information, ohne Bewertung der Quelle“,
sagt Per Bengtsson.
Kamratposten wendet sich an Mädchen
und Jungen im Alter von acht bis 14 Jahren und bietet alles, von Leserbriefen über
Sachartikel und Nachrichten zu Bastelanleitungen und Witzen. Ihrem Auftrag gemäß versucht die Zeitung, allen Formen
von Stereotypen entgegen zu wirken,
beispielsweise was Geschlecht oder
Großbritannien
Gegründet: 2004
Sechs Ausgaben
jährlich
Auflage: 25 000
Exemplare
Zielgruppe: 7-12
Jahre
JULIE
Frankreich
Gegründet: 1998
12 Ausgaben
jährlich
Auflage: 100 000
Exemplare
Zielgruppe:
S
glaubt, dass die Leser, wenn sie UwiWgi
„entwachsen“ sind, ihre Lektüre mit Tageszeitungen und Nischen-Titeln über
Wissenschaft und Reisen fortsetzen werden. UwiWgi führt ihre Leser auch aktiv
dem Internet zu. „Links ermuntern die
Kinder zum Weiterlesen und -forschen,
wenn ein Thema sie besonders interessiert.
Aber auch wenn das Internet immer mehr
zu einem Teil der Lern- und Freizeitaktivitäten der Kinder wird, ist gedrucktes
Material nach wie vor wichtig, besonders
für Kinder, die eben begonnen haben,
selbst zu lesen.“
Mädchen
8-12 Jahre
MANON
Frankreich
Gegründet: 2003
12 Ausgaben
jährlich
Auflage: 70 000
Exemplare
Zielgruppe:
Mädchen 6-8 Jahre
BRAVO
Deutschland
Gegründet: 1956
52 Ausgaben
jährlich
Auflage: 569 332
Exemplare
Zielgruppe: 12-17
Jahre
KAMRATPOSTEN
Schweden
Gegründet: 1892
17 Ausgaben
jährlich
Auflage: zehn Prozent
der Zielgruppe, derzeit
60 000 Exemplare
Zielgruppe: 8-14
Jahre
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„Wir glauben, dass der stärkste Faktor dafür, ob Kinder und
Jugendliche in Zukunft Zeitung lesen, die Tatsache ist, ob sie
in einem Zeitung-lesenden Heim aufwachsen oder nicht“
GÖRAN SUBENKO
Deutliche Kaufsignale
DIE AMERIKANISCHE Branchenzeitung
Selling to Kids hat drei Komponenten beschrieben, mit denen Covers die Aufmerksamkeit der Zielgruppe fangen kann:
Prominente
Waren Modells und Supermodells vor einem Jahrzehnt der optimale Blickfang, sind
es heute eher bekannte Personen. Musikund Filmstars machen auf Kinder und Jugendliche großen Eindruck. Mit dem
Schauspieler Leonardo DiCaprio nach
dem Film Titanic auf dem Cover verkaufte
Seventeen eine Million Exemplare und Teen People verkaufte
seine Millionenauflage innerhalb
von zehn Tagen. 400 000 weitere Exemplare mussten gedruckt werden.
Schlüsselbegriffe
Einige Ausdrücke fangen die
Aufmerksamkeit mehr als andere. „Wettkampf“, „gratis“, „Gewinn“, „Vorher – Nachher“ und
„Test“ locken zum Kauf. VorherNachher-Geschichten können
alles von der Frisur bis zu Kleidung und Schlafzimmer umfassen. Tests werten häufig die
Persönlichkeit des Lesers aus.
„Sie mögen es, Neues über sich
selbst zu erfahren und die Tests
sind eine unterhaltsame Art,
dies zu tun“, sagt Karen Bokram, Redakteurin bei Girl’s Life.
S
Signalfarben
Kinder reagieren auf klare und
fröhliche Farben. Diese sind fast
ebenso wichtig wie die Bilder
auf dem Umschlag, denn oft
sind die Farben das erste, was
die Kinder sehen.
16
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Ethnizität betrifft. „Wer Kamratposten
liest, lernt, glaube ich, hohe Ansprüche zu
stellen und wird ein kritischer Medienkonsument. Ich glaube, man wird zum Tageszeitungsleser von morgen erzogen“, sagt
Per Bengtsson und erklärt, dass Kamratposten in Vielem an eine Boulevardzeitung
erinnert: in der Direktheit ihres Stils mit
kurzen Artikeln und zugehörenden Listen
und Faktenkästen.
Lektüre ist immer gut
Identifikation zu schaffen und kontinuierliche Kontakte mit neuen Lesern aufzu-
bauen ist das A und O bei der Erziehung
einer neuen Generation Zeitungsleser.
„Wir glauben zu wissen, dass der stärkste
Faktor dafür, ob Kinder und Jugendliche
in Zukunft Zeitung lesen, die Tatsache ist,
ob sie in einem Zeitung-lesenden Heim
aufwachsen oder nicht. Bei der Etablierung
eines eigenen Zuhauses gehören einige
Dinge dazu, unter anderem das Zeitungsabonnement. Erwachsen werden, sich zu
etablieren, ist ein Ritual“, erklärt Göran
Subenko, Projektleiter für „Tidningen i
skolan“ (Zeitung in der Schule) des schwedischen Zeitungsverlegerverbandes Tidningsutgivarna. Das Projekt unterstützt
Schulen beim Unterricht mit und über das
Lesen von Tageszeitungen. Dabei geht es
viel um die Lust am Lesen. Das ist die Basis, egal welcher Lektüre. „Ich glaube, dass
Lesen an sich kreuz und quer geht. Wer
viel Bücher liest, liest auch viel Zeitung,
und umgekehrt“, sagt Göran Subenko.
Per Bengtsson von Kamratposten stimmt
ihm zu. „Was wir über unsere Leser wissen ist, dass sie die Zeitung aufschlagen,
und dann lesen sie von oben links auf Seite eins bis unten rechts auf der letzten Seite. Jedes Wort. Sie sind in dem Alter, in
dem sie Lektüre verschlingen. Sie lesen
alles.“
Auf dieser Grundlage arbeitet die Reading Agency in Großbritannien, eine ideelle Organisation, die – ähnlich der Stiftung Lesen in Deutschland – gemeinsam
mit Büchereien und Schulen Leseförderung bei Kindern betreibt. Projektleiterin
Ruth Harrison erzählt von einer der Aktivitäten: eine jährliche „Sommer-LeseHerausforderung“. Sie wendet sich an
Fünf- bis Elfjährige und im vorigen Jahr
nahmen 600 000 Kinder teil. In diesem
Sommer ist der Titel „The Reading Mission“ (Leseauftrag) und das Konzept erinnert an ein Rätsel, dass die Kinder mit
Hilfe der Ressourcen, die Bibliotheken zur
S
Verfügung stellen, lösen sollen. „Das ändert ihre Sicht auf das Lesen und führt
dazu, dass mehr Kinder einen Leseausweis
anschaffen und in die Bücherei zurückkehren. Es steigert auch das Selbstvertrauen
der Kinder in Bezug auf das Lesen. Sie
beginnen, nach anderen Büchern zu suchen,
die sie lesen können und sie beginnen, auch
andere Arten von Büchern als sonst zu
lesen“, sagt Ruth Harrison.
The Reading Agency arbeitet mit
Büchereien zusammen, aber ihr Begriff Lesen beschränkt sich nicht nur auf Bücher.
„Wir behaupten, dass Lesen Alles umfasst,
von Belletristik, Fachtexten, Poesie, Dramatik, Comics, Manga, Tageszeitungen,
Homepages bis zu Magazinen.“ Bedeutet
das, alles Lesen ist gutes Lesen? „Grundsätzlich ja. Denn dann engagiert sich ein
Kind für das Lesen an sich. Aber sie haben
verschiedene Wege dorthin. Unsere Rolle
bei der Arbeit mit Kindern ist nicht, Geschmacksrichter zu sein, sondern zuzuhören und Interessen aufzufangen. Wir verwenden unser Wissen, Lesematerial bereitzustellen und sprechen dann über die
getroffene Wahl. Wenn man ein Kind
trifft, das auf Motorräder steht, ja dann
schleppt man eben jedes Buch und jede
Zeitung an, die man darüber nur finden
kann“, sagt Ruth Harrisson und lacht.
Was lesen Kinder und Jugendliche?
Alle Lektüre ist im Prinzip gut. Aber was lesen die Kinder? Literacy Trust, eine britische
Wohltätigkeitsorganisation zur Leseförderung, befragte 2005 1 500 Kinder und Jugendliche.
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20
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50
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90
100
Magazine 75,5 Prozent
Websites 63,6 Prozent
SMS-Text-Mitteilungen 61,0 Prozent
Witze 57,8 Prozent
Fernsehzeitschriften 56,8 Prozent
Posters 55,7 Prozent
E-Mails 52,3 Prozent
Belletristik 51,5 Prozent
Comics 50,6 Prozent
Tageszeitungen 46,8 Prozent
Kataloge 46,2 Prozent
Liedertexte 43,5 Prozent
Poesi 31,0 Prozent
Gebrauchsanleitungen 28,1 Prozent
Sachbücher 27,5 Prozent
Dramatik 26,4 Prozent
Fax Teletext 25,7 Prozent
Kochbücher 21,5 Prozent
Jahrbücher 20,4 Prozent
Reisehandbücher 19,2 Prozent
Comiczeitschriften 19,0 Prozent
Lexika 17,8 Prozent
Hörbücher 13,8 Prozent
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„Manga und einige andere
Comics gefallen auch solchen
Jugendlichen, die sonst einen
gewissen Widerstand gegen
das Lesen haben“
RUTH HARRISON
Manga für Alle
Comics, die von Hinten nach Vorne gelesen werden,
bei denen die Charaktere große Augen haben und der
Inhalt nicht immer das Wichtigste ist: die japanischen
Manga-Hefte, die im Heimatland enorme Summen
umsetzen, beginnen, sich auch im Westen zu
etablieren. Manga ist für Kinder und Jugendliche
ein ausgezeichneter Weg, das Lesen zu beginnen
MANGA ist der am schnellsten wachsende
Drucksachentyp für Jugendliche zwischen
13 und 16 Jahren. Das sagt Ruth Harrison
bei der britischen Reading Agency, die gemeinsam mit den Büchereien des Landes
Leseförderung bei Jugendlichen betreibt.
„Mangas sind trendy, haben Stil und sind
für Jungen wie Mädchen gleichermaßen
attraktiv“, sagt sie. „Manga und einige andere Comics gefallen auch solchen Jugendlichen, die sonst einen gewissen Widerstand
gegen das Lesen haben. Manga bietet ihnen andere Wahlmöglichkeiten. Gleichzeitig ist Manga auch für die Begabteren interessant“, meint Harrison.
Jedes Jahr arrangiert The Reading Agency die Kampagne „Manga Mania“, um Jugendliche dazu zu bringen, das Angebot der
Büchereien zu nutzen, aber auch, um das
Interesse für das Lesen ganz allgemein zu
wecken. Diejenigen, die bereits lesen, sol-
18
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len animiert werden, andere Typen von
Lektüre auszuprobieren
Die japanischen Comics sind nämlich
anders, besonders für Menschen aus der
westlichen Welt. Das Lesen von Rechts
nach Links ist gewöhnungsbedürftig. Neben dem Visuellen – den charakteristischen
großen Augen der Figuren, den im Übrigen einfachen Gesichtszügen und einem
freien Layout, das das traditionelle Kästchenmuster oft verlässt – bieten die Geschichten vor allem einen völlig anderen
Typ von Erzählung als Comics wie Asterix,
Donald Duck oder Superman. „Erst wenn
man merkt, um was es bei den Comics geht,
erreicht einen die Magie der Mangas, ganz
abgesehen von Zeichenstil und Layout“,
sagt Zimeon Lundström, Gründer der
ersten und größten Mangavereinigung
Schwedens, Mangakai. „Mangas sind wie
Dostojewskis Schuld und Sühne. Es geht um
eine Person, die darunter leidet, dass sie ein
Verbrechen begehen wird. Dieser Satz beschreibt das ganze Werk, das ja doch recht
viele Seiten hat. So ist es mit Manga – da
gibt es nicht immer eine Story, sondern der
ganze Fokus liegt auf den Personen.
Einzelner Zeichner
Wenn Superman und Spiderman Figuren
sind, sind die japanischen Protagonisten
Persönlichkeiten, die der Leser kennen
lernt. Manche Mangas handeln nur von
einer oder zwei Personen. Zimeon Lundström erklärt, dass ein wichtiger Grund für
die größere Tiefe der Mangas die Tatsache
ist, dass sie meist nur einen Autor oder
Zeichner haben. In den USA sind Comics
hingegen oft Verlagsprodukte aus der Feder eines Zeichnerteams. „Wenn nur eine
einzige Person die Figuren erfindet und
zeichnet, ist es leichter, ihnen Leben zu
geben und sie nach dem Wunsch des Autors zu verändern. Der Autor kann seinen
Charakter sogar sterben lassen. Das geht
in den USA nicht“, sagt Zimeon Lundström und meint, einem eventuellen
Ableben von Spiderman müsste eineReihe
Aufsichtsratssitzungen und mehrere Jahreshauptversammlungen beim Comicverlag
Marvel Comics voraus gehen.
Lange Geschichte
Mangas von heute – wie Dragonball, Astroboy, Kimba der weiße Löwe – haben ihre
Wurzeln in alter japanischer Kunst, Holzschnitten aus dem 12. Jahrhundert und früheren Zeichnern. Der Name stammt von
zwei chinesischen Schriftzeichen her.
„Man“ bedeutet „unzusammenhängend,
KOLUMNE
sich. Denn eine attraktive und kompetente Berichterstattung erwarten nicht
nur die Abonnenten, die am nächsten
Tag noch einmal, ergänzt durch Hintergrund und Kommentar, in Ruhe nachlesen und nacherleben möchten, was am
Abend zuvor bereits im Fernsehen zu
sehen war. Derartige Großereignisse sind
auch die beste Gelegenheit, all die Sportfans als neue Leser zu gewinnen, die
sonst allenfalls gelegentlich oder gar
nicht zu Gedrucktem greifen.
Und so ist es auch gewiss kein Zufall,
dass die bemerkenswerte Bildungsinitiative „Zeitung4You“ gerade in die WMZeit fällt: Hier erhalten in einer gemeinsamen Aktion von Kultusministerium
und den Zeitungsverlagen in NordrheinWestfalen 33 000 Schülerinnen und
Schüler aus den neunten Klassen der
Hauptschulen im Bundesland noch bis
zu den Sommerferien gratis „ihre“ Tageszeitung in die Schule geliefert. Das
Ziel: die Leskompetenz der jungen
Leute zu verbessern. Spannende Storys
rund um den Ball sind da gewiss nicht
die schlechteste Einstiegslektüre.
S
S
Durch Osamu Tezuka verstanden die Menschen, dass Comics nicht banal sein müssen. Er begann mit Comics für Kinder, aber
mit zunehmendem Alter zeichnete er auch
für Erwachsene. Heute lesen in Japan Alle
Manga. Alter und Geschlecht spielen keine
Rolle. Es gibt Themen für Jeden: Abenteuer, Außerirdische, Liebe, Erotik, Politik,
Humor, Geschichte, Mahjong und sogar
Gourmet-Mangas. „Ein wichtiger Grund
dafür, dass Mangas einen solch durchschlagenen Erfolg hatten, waren die vielen Buchhändler. Die Comics wurden über den
Buchhandel vertrieben, und die gab es
überall, wo Menschen sich aufhielten. Man
brauchte nicht in einen besonderen Laden
zu gehen“.
Heute werden in Japan etwa zwei Milliarden Comiczeitschriften pro Jahr umgesetzt. Die größte Zeitschrift, Shônen Jump,
verkauft jede Woche sechs Millionen Exemplare und eine monatliche Sammelausgabe im Taschenbuchformat erreicht Auflagen von bis zu 20 Millionen Exemplare.
Die beliebtesten Manga-Serien erscheinen seit Anfang der 1990er-Jahre im Westen. Beispiele sind Dragonball und Shônen
Jump. Aber auch wenn der Trend hier positiv ist, sind die Auflagen verglichen mit dem
Heimatland noch spärlich: „Meist werden
nur die Mangas im Westen publiziert,
die dort passen. Viele in Japan beliebte
Mangas kommen niemals hier her – denn
sie sind merkwürdig, zu lang oder zu einfach gezeichnet“, erklärt Zimeon Lundström, der extra Japanisch gelernt hat, um
auch nicht-übersetzte Mangas lesen zu
können.
AM 9. JUNI fiel der Startschuss – aber
für die deutschen Zeitungen und
Zeitschriften hat die Fußballweltmeisterschaft 2006 längst begonnen.
Ganz besonders ins Zeug legen sich
naturgemäß die Redaktionen an den
zwölf Austragungsorten der Spiele.
In Hannover beispielsweise plant die
Verlagsgesellschaft Madsack (unter anderem Hannoversche Allgemeine und
Neue Presse), während der WM 29 Mal
ein mindestens 16-seitiges Magazin im
halben Format neben der Zeitung herauszugeben. Bunt, informativ, sportlich
und unterhaltsam soll es werden – und
alle die Berichte enthalten, die den Weg
nicht mehr rechtzeitig bis zum Andruck
ins Hauptprodukt fanden.
Denn die FIFA macht mit den vielen späten Anstoßzeiten den Tageszeitungen die Arbeit nicht eben leicht:
Rund die Hälfte der Begegnungen wird
erst um 21 Uhr angepfiffen. Wehe, da
geht ein Spiel noch in die Verlängerung
oder muss gar durch Elfmeterschießen
entschieden werden.
Ein eigenes Produkt kündigt auch
die Main Post in Würzburg an, hier
soll es 27 Mal eine Kleine Main Post im
Tabloidformat zusätzlich geben. Die
Extra-WM-Zeitung bleibt zwar die
Ausnahme, aber für ein eigenes SportZeitungsbuch dürfte es von Juni bis Juli
allemal reichen: Im Schnitt wollen die
Regionalzeitungen immerhin sechs bis
acht Seiten täglich über die WM berichten. Überregionale Titel wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung planen, hieß es
bei einem Informationstag des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger
(BDZV), sogar bis zu zwölf Seiten
Sport – allein zehn davon sind für König
Fußball reserviert.
Für die Verlage bedeuten Großereignisse wie die Fußball-WM oder auch
die Olympischen Spiele einen erheblichen logistischen, finanziellen und personellen Aufwand. Der Einsatz lohnt
Anja Pasquay
ANJA PASQUAY ist Pressereferentin beim
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
(BDZV)
S
Leser jeden Alters
WM-Gold für die Zeitungen
FOTO: BDZV
irrend, fantasierend, zufällig“ und „ga“
bedeutet ganz einfach „Bild“. Das Wort
wurde vom Holzschnittkünstler Hokusai
(1760-1849) als Titel für eine Sketchsammlung geschöpft. Im heutigen Japanisch
bedeutet es „Comic-Zeitschrift“.
Mangas existierten schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber erst nach dem Krieg
entstanden die Mangas, wie wir sie heute
kennen – dank einer äußerst kreativen
Person: Osamu Tezuka (1926-1989) schuf
während seines Lebens mehr als zehn
Regalmeter Comics, etwa 150 000 Seiten.
„Er war es, der die großen Augen erfand –
inspiriert von allen süßen Kaninchen und
Rehen in Disneys Schneewittchen – und die
subjektivistische und filmische Erzähltechnik, die heute Manga-Alltag ist“, erklärt
Zimeon Lundström.
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Der Magazin
David Hepworth, geboren 1950, begann seine berufliche Laufbahn als Lehrer. Danach arbeitete er bei NME, Sounds, Smash Hits und gründete Just
Seventeen. Verlagschef von EMAP Consumer Magazines. Heute unabhängiger Verleger und Eigentümer von Development Hell (Words).
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mann
Wer in Großbritannien ein Unterhaltungs-
oder Musikmagazin kauft, kann ziemlich sicher sein, dass David Hepworth
irgendwo auf dem Weg zum Zeitungsregal die Finger mit im Spiel hatte.
Der Journalist und Musikkenner hat in den letzten zwei Jahrzehnten an
der Entstehung der erfolgreichsten Magazine mitgearbeitet
VON Elaine McClarence FOTO Privat
DAVID HEPWORTH wurde 1950 in York-
shire geboren. Er arbeitete eine Zeit lang
als Lehrer, bevor er in die Welt der Musikzeitschriften eintauchte und zunächst für
NME (New Musical Express) und Sounds arbeitete. 1979 kam er zur eben lancierten
Smash Hits, wo er nach nur zwei Jahren den
Chefredakteurssessel erobert hatte. Diese
Position fungierte dann als Sprungbrett in
eine Karriere, die von der Entstehung der
einen erfolgreichen Zeitschrift nach der
anderen geprägt ist. Hepworth ist der einzige, der vom Verein der britischen Zeitschriftenverleger (Periodical Publishers Association) sowohl zum Autor als auch zum
Redakteur des Jahres erkoren wurde.
1983 stellte David Hepworth das Magazin
Just Seventeen vor, das sich unter TeenieMädchen noch immer unmäßiger Beliebtheit erfreut. Zwei Jahre danach kam Q für
eine erwachsenere Zielgruppe, gefolgt 1987
von More und 1988 von Empire. Als Verlagschef von EMAP Consumer Magazines
arbeitete Hepworth an der Neu-Positionierung und Neulancierung von Titeln wie
FHM, Elle und Kerrang mit.
Verlagsflucht
Liebt die Debatte
In den kommenden Jahren will David Hepworth vor allem Development Hell aufbauen. Aber er hat immer viele Eisen gleichzeitig im Feuer und tritt häufig öffentlich
stolzesten bin, für die Öffentlichkeit meist
völlig uninteressant. Es geht um Rubriken,
Konzepte und Stile – Dinge, die für den
gewöhnlichen Leser keine Bedeutung haben. In Heat gibt es beispielsweise eine Kolumne unter dem Titel Say What? (Was
denn?) – mit Unterrubriken wie overpaid,
oversexed, overheard (überteuert, über-sexualisiert, zufällig gehört). Es ist klasse, dass
diese immer noch da sind, obwohl mir die
Idee schon vor über fünf Jahren kam. Und
dass die Idee in 30 Sekunden entstand macht
das Ganze nur noch besser.“
Umsetzung ist alles
David Hepworth gesteht zu, dass ihm so
manche Zeitschriftenidee durch die Lappen
gegangen ist.
„Verpasste Chancen? Sicher hunderte!
Der einzige Filter, den ich benützt habe
war: ,Warum jetzt? Warum dies? Warum
ich?‘ Was immer man herausbringt, es gibt
garantiert jemanden, der behauptet, das
wäre seine Idee gewesen und er hätte sie
bereits vor Jahren vorgestellt.“ Er zitiert
Felix Dennis, Amateurpoet und Unternehmer, Gründer eines weiteren britischen
Verlagshauses – Dennis Publishing. „Felix
„Ideen gibt es unendlich viele. Das Seltene
ist die Umsetzung. Ich denke, darin liegt ein
großes Stück Wahrheit“
auf, in Funk und Fernsehen sowie als Kolumnist. 2004 gab er das Buch The Secret
History of Entertainment (Die geheime
Geschichte der Unterhaltungswelt) heraus.
Was findet er von all seinen Errungenschaften am besten? „Ach, ich habe an
Massenweise Zeitschriften mitgearbeitet,
die entstehen und sterben wieder. Um ehrlich zu sein sind die Dinge, über die ich am
sagt, Ideen gibt es unendlich viele. Das
Seltene ist die Umsetzung. Ich denke, darin
liegt ein großes Stück Wahrheit. Hunderte
Menschen sind mit Zeitschriftenideen zu
mir gekommen, und ich habe zu allem
,nein‘ gesagt. Das braucht nicht bedeuten,
dass das schlechte Ideen waren. Es bedeutet lediglich, dass ich nicht daran glaubte,
dass sie sie verwirklichen würden.“
S
Mit seinem neuesten, vor drei Jahren lancierten Projekt – Word – ist David Hepworth in die Welt der Autorenverleger zurückgekehrt. Im Rahmen seines Verlages
Development Hell arbeitet er mit einer
Reihe anderer führender Journalisten zusammen, die sich als „Flüchtlinge aus der
Welt der Großverlage“ bezeichnen. Word
ist eine Monatszeitschrift für Musik und
Unterhaltung. Jede Ausgabe enthält eine
Gratis-CD, genannt Word Of Mouth, die für
sich in Anspruch nimmt, die besten neuen
Talente vorzustellen. Word ist als die Zeitschrift für „diejenigen, die zu alt sind für NME
und zu hip für Q“ beschrieben worden.
Seine Erfahrung und sein Interesse an
der Musikindustrie haben David Hepworth
zu einem scharfsichtigen Beobachter gemacht. „Die Musikindustrie wächst. Nicht
sie, sondern die Plattenindustrie geht auf
dem Zahnfleisch“, sagt er. „Die Plattenfirmen haben früher ungeheure Vorteile aus
der technischen Entwicklung gezogen. Nun
sind sie deren Opfer. Das wird sich wieder
ändern, aber in Zukunft werden sich weniger Künstler und Plattenindustriebosse im
Geld wälzen“, glaubt David Hepworth. Im
nächsten Atemzug zählt er auf, was ihn am
meisten erzürnt: a.) die viele Zeit und das
viele Geld, das in Platten investiert wird,
die besser niemals erschienen wären; b.) das
Überangebot an Produkten, das die Nachfrage schier ertränkt; c.) die unglaubliche
Selbstzufriedenheit von Leuten, die
überhaupt nichts auf dem Kasten haben –
und die Zurückhaltung von denen, die etwas können; d.) die Tatsache, dass Musik
immer mehr über Bilder und immer weniger über Töne definiert wird.
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EXTRABLATT AUF
der Leinwand
Im Kino ist der Journalist ein häufig
vorkommender Protagonist. Aber wie
wird sein Arbeitsplatz, die Zeitungsredaktion, die Druckerei, im Film portraitiert?
Gehen Sie mit Papergram ins Kino
VON Henrik Emilson FOTO Sjöberg Classic Picture
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EIN BRITISCHES SCHLACHTSCHIFF
erhält von zwei chinesischen Militärflugzeugen eine Warnung: Es befinde sich auf
chinesischem Territorium. Die Briten
kontrollieren auf ihrem Radar, der zeigt,
dass sie sich in internationalem Gewässer befinden. Die Chinesen greifen das
Schlachtschiff an, versenken es.
Gleichzeitig in Hamburg: Der Medienmagnat Elliot Carver arbeitet am Cover für
die morgige Auflage von Tomorrow. Er
schreibt als Schlagzeile: „Britische Seeleute getötet“. Ändert dann in: „Britische Seeleute ermordet“. Er weiß offenbar mehr
über die Lage in China als sonst jemand.
Außerdem weiß er alles vor allen anderen.
„Welche Nachrichten machen wir heute?“, fragt er zufrieden auf der Redaktionskonferenz. Und er meint, was er sagt, denn
es ist Carver selbst, der den Angriff in China verursacht hat – durch die Manipulie-
Klassiker par excellance
Das Thema in Tomorrow never dies ist, dass
wer die Information kontrolliert auch die
Macht kontrollieren kann. „Cäsar hatte seine Legionäre, Napoleon seine Armeen, ich
habe meine Divisionen Fernsehen, Tageszeitungen und Magazine“, sagt Carver in
einer Szene. Parallelen zu Silvio Berlusconi in Italien sind selbstverständlich möglich, auch wenn der Film ihn nicht zum direkten Vorbild hat.
Ein Film mit lebensgetreuer Vorlage ist
hingegen Citizen Kane von 1941. Das Spielfilmdebut von Orson Welles zählt zu den
besten Filmen der Filmgeschichte. Es ist
stark von William Randolph Hearst inspiriert, der, ebenso wie Charles Foster Kane
im Film, mehrere amerikanische Tageszeitungen besaß und enorm reich wurde. Beide bauen große Traumpaläste mit Statuen,
Kunst und Tierpark. Beide versuchen mit
Hilfe ihrer Zeitungen die Karrieren ihrer
Frauen in Theater, Film und Oper zu befördern. Beide sind auch die Schöpfer des
so genannten Sensationsjournalismus.
„Eine große Überschrift macht eine
Nachricht wichtig“, stellt Kane im Film fest.
Je mehr Kane seine Ideale bricht und die
Rezensionen über die Vorstellungen seiner
Frau frisiert, desto mehr geht es bergab mit
ihm. Schließlich stirbt er einsam in seinem
Palast, sein letztes Wort flüsternd: Rose-
bud. Das einzige, was er je geliebt hat: seinen Schlitten.
Vor allem die Warheit
Über 50 Jahre später leben die großen
Schlagzeilen und Sensationen in der Komödie The Paper weiter. Der Zuschauer erlebt
einen Arbeitstag bei der Tabloidzeitung
New York Sun. Früh am morgen werden zwei
schwarze Jugendliche in der Nähe eines
Autos gesehen, in dem zwei weiße Männer
– erschossen – sitzen. Die Jugendlichen
werden festgenommen und alle sehen sie
als die Schuldigen eines Hassverbrechens
an. Alle, außer dem Redakteur Henry Hackett, der die Frage auf der Redaktionskonferenz stellt. „Aber, wenn sie unschuldig
sind?“ „Heute in den Schmutz ziehen,
morgen reinwaschen – da freuen sich alle
Beteiligten“, sagt sein abgebrühter Chef
und die Zeitung berichtet unter der Prämisse, dass die beiden schuldig sind. Der
Slogan des Films ist „Lass’ die Wahrheit
niemals einer guten Story im Weg stehen“,
aber Hackett hat so ein Gefühl, dass etwas
nicht stimmt.
Nach eigener Recherche und nachdem
er spät am Abend einen Polizisten auf ein
Zitat festgenagelt hat, stellt sich heraus, dass
der Mord auf das Konto der Maffia geht.
Die Jugendlichen sind unschuldig. Hackett
und sein Kollege rennen in die Druckerei,
wo die Zeitung bereits im Druck ist. „Sag
es, sag es schon, jetzt hast du die Chance.
Du musst es sagen“, bettelt der Kollege.
Hackett holt tief Luft und schreit die
Traumreplik eines jeden Redakteurs: „Haltet die Pressen an!“
Journalistisches Handbuch
Genau wie The Paper handelt Die Unbestechlichen (All the Presidents Men) von der Jagd
auf die Wahrheit. Hier liegt der Handlung
eine wahre Geschichte zugrunde, nämlich
der Weg der Washington Post-Journalisten
Bob Woodward und Carl Bernstein zur
Enthüllung der Watergate-Affäre. Obwohl
wir das Ende kennen – eine Weltsensation
– ist der Film enorm spannend; und
zugleich ein journalistisches Handbuch sowie Vorbild für eine gut funktionierende
Zeitungsredaktion. In einer Szene, in der
„Die drucken heutzutage aber auch wirklich alles“
JAMES BOND I TOMORROW NEVER DIES
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23
S
rung eines Navigationssatelliten. Nur ein
einziger Mann kann seinen Weg zur Weltherrschaft aufhalten...
In Tomorrow never dies begibt sich Agent
007, James Bond, in die Welt der Medien
und den Kampf gegen falsche und erfundene Nachrichten. Obwohl Carver Bonds
Nachruf bereits skizziert hat, gelingt es
Bond immer wieder, aus der Gefahr zu entkommen. In einer Szene kämpft er gegen
Carvers Männer hoch über einer Druckpresse und schubst einen von ihnen zwischen die Walzen, die die neue Zeitung drucken. Die Zeitungsseiten färben sich rot.
„Die drucken heutzutage aber auch wirklich alles“, stellt Bond eiskalt fest und korrigiert den Sitz seiner Krawatte.
TOMORROW NEVER DIES
1997
Regie
Roger Spottiswoode
Mit
Pierce Brosnan,
Jonathan Pryce,
Michelle Yeoh
DIE UNBESTECHLICHEN
1976
Regie
Alan J Pakula
Mit
Robert Redford,
Dustin Hoffman,
Jason Robards
LARRY FLYNT – DIE NACKTE
WAHRHEIT
1996
Regie
Milos Forman
Mit
Woody Harelson,
Courtney Love
CITIZEN KANE
1941
Regie
Orson Welles
Mit
Orson Welles,
Everett Sloane,
Dorothy Comingore
THE PAPER
24
sca papergram no 2 › 2006
Die erste Ausgabe geht schlecht, aber ein
Telefongespräch mit einem Paparazzifotografen wendet das Glück. Er hat Bilder von
Jackie Onassis – nackt.
Zwei Millionen Exemplare später ist der
Riesenverlag Larry Flynt Publications ein
Faktum und Flynt selbst mehrfacher Dollarmillionär. Weil er ständig gegen Tabus
verstößt und Bilder und Witze in der Zeitschrift zunehmend gröber werden, landet
er dauernd vor Gericht. In einem Anflug
von Religiosität möchte er damit aufhören,
Frauen als Objekte zu zeigen. Er macht den
vielleicht skandalösesten Magazinumschlag
aller Zeiten – das Bein einer Frau ragt aus
einem Fleischwolf heraus. „Ich wollte nur
illustrieren, dass ich die Körper von Frauen
nicht mehr ausnutzen wollte“, sagt Flynt.
Auf die Spitze getrieben wird alles durch
Obwohl wir das Ende
kennen – eine Weltsensation – ist der Film
enorm spannend
Wächter der Meinungsfreiheit
Zeitungsarbeit handelt nicht nur darum,
Präsidenten zu Fall zu bringen, korrekte
Zitate zu recherchieren und seine Quellen
zu schützen. Es geht auch um Sex, Sex und
noch einmal Sex. In Milos Formans Larry
Flynt – die nackte Wahrheit treffen wir den
Gründer der Pornozeitschrift Hustler. Als
20-Jähriger betreibt er einen Stripp-Klub,
aber die Geschäfte gehen schleppend. Larry kommt auf die Idee, einen Newsletter
herauszugeben, um Publikum anzulocken.
Im Unterschied zu der bereits etablierten
Zeitschrift Playboy setzt Flynt ganz auf das
Bildmaterial. Ihm ist nämlich klar, was alle
Männer wissen, keiner jedoch zugibt: niemand liest Playboy wegen der Artikel. Bald
ist aus dem Newsletter eine Zeitschrift
geworden. Die meisten Mitarbeiter sind
seine Freunde und Amateure: „Wie viele
Seiten haben wir?“ „105“ „Nicht gut. 106
oder 104 ist gut.“ „Faszinieren dich diese
Zahlen irgendwie?“ „Wir brauchen eine
gerade Anzahl. Ein Blatt Papier hat zwei
Seiten.“
die Veröffentlichung einer satirischen Anzeige über den Prediger Jerry Falwell. Der
Prozess geht durch sämtliche Instanzen, bis
zum höchsten Gerichtshof. In der Schlussszene liegt Flynt allein in seinem enormen
Haus zu Bett. Seine Frau ist an einer Überdosis gestorben. Er selbst ist seit einem
misslungenen Mordversuch viele Jahre
vorher querschnittsgelähmt (an Sex ist ironischer Weise nicht zu denken). Sein junger Anwalt ruft an und liest das Gerichtsurteil vor. „Das Gesetz über die Meinungsfreiheit schützt die Freiheit des Gedankens.
Meinungsfreiheit ist mehr als ein Recht des
Einzelnen. Meinungsfreiheit ist ein Werkzeug der Wahrheit. Das Gesetz umfasst
jeden Beitrag zur allgemeinen Debatte.“
„Haben wir gewonnen?” „Wir haben gewonnen.“
S
1994
Regie
Ron Howard
Mit
Michael Keaton,
Robert Duvall,
Glenn Close
Woodward und Bernstein mit ihrem harten Redakteur Ben Bradlee sprechen, lernen wir, was zum Erfolg in der Branche
nötig ist:
Woodward: Wir sind auf der Jagd nach
einer Liste der Komiteemitarbeiter.
Bradlee: Wo ist die? Wie wollt ihr sie
bekommen?
Woodward: Bisher haben wir noch kein
Glück gehabt.
Bradlee: Sucht weiter.
Die Unbestechlichen vermittelt ein fast
dokumentarisches Gefühl. Er ist nicht mit
Musik unterlegt sondern die einzigen Geräusche, die in der Redaktion zu hören sind,
sind Telefone, Stimmen und Schreibmaschinengeklapper. Dustin Hoffman und
Robert Redford, alias Bernstein und Woodward, verbrachten viele Monate in der
Redaktion, um sich in ihre Rollen einzuleben. Die enormen Redaktionsräume der
Washington Post wurden in Hollywood originalgetreu nachgebaut, wofür zwei Studios
benötigt wurden. Die Kulisse ist exakt
kopiert – Regisseur Alan J. Pakula ließ sogar
Abfall aus den Papierkörben der Zeitung
ins Studio bringen. Wenn schon, denn
schon, wenn man einen Film über die
Wahrheit macht.
TRENDS
VON Luise Steinberger
Kleineres Format auf Dauer
wenig rentabel
Life-Style-Magazin von
Wall Street Journal
gang zum Tabloidformat keine dauerhaften Auflagengewinne. Viele Zeitungen
konnten im ersten Jahr ihre Auflage um zehn bis 15 Prozent steigern. Nach mehreren Jahren ist davon, laut einer Untersuchung unter den rund 18 000 Mitgliedsverlagen von WAN, im besten Fall ein Prozent geblieben. „Das Endergebnis ist
höchstens ein Prozent, oder auch eine stabile Verkaufslage“, erklärt WAN-Strategieberater Jim Chisholm. „Viele Verleger, die vorher mit Auflagenrückgängen
konfrontiert waren, sehen dies jedoch als ausreichenden Erfolg.“
WAN hält das kleinere Format insgesamt auch für gut, da die Leser die handlicheren Zeitungen den großformatigen vorziehen.
versucht erneut, ihrer britischen Konkurrentin Financial
Times Leser streitig zu machen, diesmal mit einem
Life-Style-Magazin als Köder. Die Nullnummer unter
dem Titel Style Journal erschien Ende April. Chefredakteur Peter Howarth (früher Esquire) beschreibt das
Monatsmagazin so: „Style Journal wendet sich ohne
Scham an Beschlussfasser im besten Markenanzug,
die die besten Autos fahren und die erlesensten Weine trinken.“
Ein Zeitungsleser
wiegt so viel wie
100 Online-Leser
DIE ONLINE-VERSIONEN von Tageszeitungen brau-
S
chen bis zu 100 extra Leser, um das gleiche Resultat
zu erzielen wie ihre Vettern aus Papier. Das zeigt eine
Analyse der World Association of Newspapers (WAN).
„Je mehr Leser ihre Nachrichten online statt auf Papier
lesen, desto mehr muss die Zeitungsbranche ihre Anzeigeneinnahmen steigern. Sonst sterben die Zeitungen aus“, erklärt Vincent Crosbie, Teilhaber des amerikanischen Medienstrategieunternehmens Borrell Associates. Viele wollen online Nachrichten konsumieren,
aber keiner will dafür bezahlen. Und noch immer seien
es wenige Unternehmen, die in Online-Ausgaben
annoncieren möchten. Die Strategie der britischen
Financial Times, kombinierte Anzeigenpakete für die
Papier- und Onlineausgaben anzubieten hält Crosbie
für einen gangbaren Weg, da sie den gesamten Anzeigeneinnahmenposten steigere.
S
DIE EUROPÄISCHE AUSGABE des Wall Street Journals
S
LAUT DER WORLD ASSOCIATION OF NEWSPAPERS (WAN) bringt der Über-
„Wer ein Publikum mit seinen Inhalten anspricht,
stärkt seine Marke. Dadurch wird eine noch größere
Publikumsgruppe dann zur Lesergemeinde gehören
wollen“
„Die Medien müssen die
Amateure positiv sehen“
IN EINER KOLUMNE in der britischen Finanzzeitung
S
Financial Times fordert der Geschäftsführer der
Nachrichtenagentur Reuters, Tom Glocer, die traditionelle Medienwelt auf, neue Publikationsformen
ernst zu nehmen. Nachdem Blogs innerhalb kurzer
Zeit zu einem festen Bestandteil der Medienflora geworden sind, gehe der Trend derzeit zur Teilnahme
von Amateuren. „Medienunternehmen müssen diejenigen sein, die die Inhalte säen“, schreibt Tom Glocer. „Um Zugang zu den neuen wertvollen Inhalten
zu erhalten, müssen wir eine Publikumsgruppe um uns herum versammeln. Um dies zu
erreichen, müssen wir selbst Inhalte von hoher Qualität produzieren, mit denen die Menschen interagieren können. Wer ein Publikum mit seinen Inhalten anspricht, stärkt seine
Marke. Dadurch wird eine noch größere Publikumsgruppe dann zur Lesergemeinde
gehören wollen“.
Die ganze Kolumne finden Sie unter:
//news.ft.com/cms/s/e2bba176-ae0a-11da-8ffb-0000779e2340.html
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NACHRICHTEN
von oben L´Osservatore Romano heißt eine
Tageszeitung mit dem Auftrag, die Stimme des Papstes
zu verbreiten. Ihre intensivste Arbeitsphase erlebte die
Redaktion in der Nacht vor dem Tod von Papst Johannes
Paul II. Papergram sprach mit einem Redakteur
VON Maria Carlqvist FOTO Scanpix
IN DER NACHT ZUM 2. April 2005 waren die Räume des L’Osservatore Romano
hell erleuchtet. Die Redakteure der Vatikan-Tageszeitung arbeiteten 24 Stunden
lang ununterbrochen an einer NachrufAusgabe auf den im Sterben liegenden
Papst Johannes Paul II. „Weil niemand
vorher daran denken wollte, dass der Papst
sterben könnte, hatten wir kein Material
im Stehsatz. Als klar war, es war nur noch
eine Frage von Stunden, setzten wir alle
erreichbaren Ressourcen ein, um rechtzeitig fertig zu werden“, erklärt einer der
Redakteure. Es gelang, dank des umfas-
26
sca papergram no 2 › 2006
senden Materials, das im Vatikan archiviert wird. Nur Minuten nach dem Ableben des Papstes um 21.37 Uhr konnten die
Katholiken aus aller Welt, die sich auf dem
Petersplatz versammelt hatten, die Sonderausgabe erstehen. Die Zeitung war innerhalb kürzester Zeit vergriffen.
„Vor der Redaktion drängten sich die
Menschen und die erste Auflage war sofort
ausverkauft. Später wurde sie für hunderte Dollar gehandelt“, erklärt der Redakteur, der seinen Namen nicht preisgeben
möchte. „Im Mittelpunkt meiner Arbeit
steht die Botschaft des Papstes. Ich habe die
Erlaubnis erhalten, mit Ihnen zu sprechen,
meine eigene Person aber im Hintergrund
zu halten“, erklärt er. Aus dem gleichen
Grund sind die meisten Artikel in der
Zeitung auch nicht namentlich gekennzeichnet.
Sieben Sprachen
L´Osservatore Romano wird von der Vatikandruckerei herausgegeben. Ihr großer
Auftrag ist die Verbreitung der Stimme des
Papstes in aller Welt. Die Zeitung erscheint täglich auf Italienisch und wird in
einer Wochenausgabe in sieben Sprachen
„Vor der Redaktion drängten sich die
Menschen und die erste Auflage war
sofort ausverkauft“
Globales Engagement
Seit ihrer Gründung im Jahr 1861 hat die
Zeitung zehn Päpste erlebt. L´ Osservatore
Romano wurde von einer Gruppe Intellektueller ins Leben gerufen, die die Stellung
der Kirche in Italien stärken wollten.
Päpstliche Bullen
Heute findet sie ihre Leserkreis unter den
Priestern des Landes, Parlamentsabgeordneten, Bischöfen und Kardinälen – und
findet sich höchst wahrscheinlich auch auf
dem Tisch des Papstes. „Der Papst selbst
schreibt nicht in der Zeitung. Aber wir
publizieren seine sämtlichen Bullen Wort
für Wort, und seine Sicht auf die Geschehnisse durchzieht unsere Berichterstattung“, sagt der Redakteur.
Im Unterschied zu den meisten Tageszeitungen erscheint L´Osservatore Romano
am Nachmittag. So ist es immer gewesen
und man sieht keinen Grund für eine
Änderung, erklärt der Redakteur. Um vier
Uhr erscheinen die neuesten Nachrichten
in einer Papierversion und im Internet.
„Die Nachmittagsausgabe ist der Grund
dafür, dass wir täglich zwei Redaktionskonferenzen haben – am Morgen zu
Beginn des Arbeitstages und am Nachmittag, um die Ausgabe des nächsten Tages
zu planen.“
Am 27.-28. März 2006 (Doppeldatum
wegen des Erscheinens am Nachmittag)
war der Aufmacher ein Bulletin von Papst
Benedikt XVI. zur Erinnerung an alle in
Ausübung ihres Auftrages in aller Welt im
vergangenen Jahr ums Leben gekommenen Missionare. Auf Seite eins war weiter
über eine päpstliche Audienz für 15 neue
Kardinäle zu lesen, über die Verurteilung
der Gewalt in Weißrussland durch die EU
und über einen Besuch des Papstes in einer Gemeinde in Rom. In der Zeitung finden sich weitere Kirchennachrichten sowie Berichterstattung aus Italien und der
Welt. Die Sportseite berichtet von einem
Marathon in Rom und ein politischer
Artikel über Silvio Berlusconis Angriff
auf Romano Prodi während einer Wahlkampfveranstaltung in Salerno.
Seit die Autoren Nicola Zanchini und
Giuseppe Bastia am 22. Juli 1861 die Ausgaberechte für L´Osservatore Romano beantragten ist viel passiert. Damals verkündete die Kopfzeile „L´Osservatore Romano
– politisch moralische Zeitung“. Die Zielvorgaben waren deutlich propagandistisch
und debattenorientiert. Es ging darum,
Kräfte, die gegen das römische Reich und
den Vatikan kämpften zu enttarnen und
zu schwächen, die wichtigsten Geschehnisse auf Roms Straßen zu verfolgen, an
die grundlegenden Werte des Katholizismus zu erinnern, die Pflichten für das
Vaterland zu lehren und Kunst, Literatur
und Wissenschaft zu beleuchten. Heute,
145 Jahre später, schreibt die Reaktion
weniger über die Geschehnisse auf Roms
Straßen und wird durch ihre InternetAusgabe zunehmend internationaler. Die
Absicht, die Grundwerte der katholischen
Kirche zu verteidigen, besteht jedoch
unverändert.
S
zusammengefasst. Gut 20 Redakteure arbeiten in der Redaktion im Vatikan. „Die
geografische Nähe zur Peterskirche und
zur Leitung des Vatikans ist wichtig. Um
die Stimme des Papstes in Artikeln und
Bulletins verbreiten zu können, müssen
wir zum Geschehen im Inneren der katholischen Welt engen Kontakt halten.“
Von Kirchendebatte und Gemeindegeschehen bis Außenpolitik und Wirtschaft
im Vatikan, in Rom, Italien und der Welt
reichen die Themen. „Wir berichten von
den kleinen Konfliktherden, um die sich
andere Zeitungen nicht kümmern. Sie
schreiben über die großen Kriege wie den
im Irak und übersehen eine Menge
Geschehnisse in der Welt.“ L’Osservatore
Romano will jedes Individuum hervorheben und „denen eine Stimme geben, die
keine haben“. „Das kann der Maurer sein,
der beim Kampf um das tägliche Brot von
der Leiter fällt. Wir kooperieren mit einem Netzwerk von Nachrichtenagenturen und Autoren in der katholischen Welt.
Durch örtliche Quellen stehen wir immer
im Direktkontakt mit dem Geschehen“.
Der Osservatore Romano publiziert täglich auch die Programmvorschauen für
Radio Vatikan und den vatikaneigenen
Fernsehkanal Telepace.
Stimme des Papstes
FAKTA: L´Osservatore Romano ist die Zeitung des Vatikanstaates. Sie erscheint täglich auf Italienisch und einmal pro Woche
in sieben Sprachen. Sie beschäftigt gut 20
feste Redakteure sowie ein Netzwerk von
Autoren in katholischen Gemeinden rund
um in aller Welt.
PREIS: ein Euro im Kiosk, Jahresabonnement 198 Euro im Vatikan, 475 Euro im
Ausland.
GRÜNDUNGSJAHR: 1861
AUFLAGE: 20 000 Exemplare sowie eine
Internetausgabe
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SOMMERNACHT
mit Bartkauz
VON Göran Ekström
des Monats. Fast die ganze Nacht über wird die Sonne über
die unendlich scheinenden, weglosen Wälder in der nordschwedischen Provinz Jämtland scheinen. Am Rande eines Sumpfgebietes habe ich eben einen Baumstumpf entdeckt, in dem
eine Bartkauz-Familie ihr Nest gebaut hat. Herr Bartkauz hat
seiner Frau gerade eine Wühlmaus übergeben, ein ordentliches Abendbrot für eines der drei Jungen.
Das Männchen bleibt noch eine ganze Weile auf dem Baumstumpf sitzen und beobachtet das Festmahl. Vielleicht ist er
stolz, Vater zu sein? Er verfolgt das Resultat seines Wirkens
als Familienversorger mit Interesse – obwohl ich sichtbar, aber
unbeweglich, nur zehn Meter entfernt stehe. Unterdessen breitet sich langsam die junge Vorsommernacht im jämtländischen
Wald aus. Die Aktivitäten der Nacht haben gerade begonnen.
Eine wunderbare Tageszeit, mit spannendem Licht und
Geschehnissen für den, der sich aufraffen kann, auf etwas Schlaf
zu verzichten.
lebt in den großen Nadelwaldgebieten der nördlichen Hemisphäre, sowohl in Nordamerika wie in
Europa und Asien. Der unter Naturschutz stehende Vogel wird
bis zu 70 Zentimeter lang. Das
Männchen wiegt bis zu 880
Gramm, das Weibchen bis zu
1 200 Gramm. In Schweden gibt
es zwischen 400 und 3 500 Käuze jährlich.
Die große Variation kommt daher, dass sich die Nistverhältnisse
von Jahr zu Jahr sehr unterscheiden. In den Wäldern von SCA
nisten in einem einigermaßen guten Jahr mindestens 100 Pärchen.
Die größte Bedrohung für die Bartkäuze geht von einer rücksichtslosen Waldabholzung aus, die die Nistvoraussetzungen stört, sowie vom unerlaubten Handel. Auch der Autoverkehr fordert große
Opfer unter Bartkäuzen. Das zeigen die vielen beringten toten
Vögel, die an Straßenrändern gefunden werden.
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S
DER BARTKAUZ (Strix nebulosa)
S
ES IST EIN HERRLICHER JUNIABEND, einer der ersten Tage
LUISE STEINBERGER