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Standard Operating Procedures Temperaturmanagement in der Neurologie OA Dr. med. univ. Gregor Brössner Facharzt für Neurologie Univ. Klinik für Neurologie, Neurologische Intensivstation Medizinische Universität Innsbruck Anichstr. 35 6020 Innsbruck Österreich Prof. Dr. med. univ. Erich Schmutzhard Professor für Neurologische Intensivmedizin Facharzt für Neurologie Univ. Klinik für Neurologie, Neurologische Intensivstation Medizinische Universität Innsbruck Anichstr. 35 6020 Innsbruck Österreich INHALTSVERZEICHNIS FIEBER 1 Fieber auf neurologischen / neurochirurgischen Intensivstationen 1 Pathophysiologische Effekte 1 TEMPERATURMODULATION 2 Methoden zur Temperaturmodulation 2 Temperaturkontrolle über den zentralen Venenkatheter 2 Die Leistungsstärke des intravaskulären Temperaturmanagements (IVTM) durch patentierte Katheter 2 Power Infuser® 3 ermogard XP® 3 Vergleiche der Kühlmethoden 3 Temperaturmessmethoden 4 HYPOTHERMIE 4 erapeutische Hypothermie (TH) 4 Ablauf von therapeutischer Hypothermie 4 Indikationen 5 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) 6 Ischämischer Schlaganfall (Stroke) 6 Intrazerebrale Blutung 6 Post Cardio-Pulmonale-Reanimation 6 erapeutische Hypothermie bei perinataler hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) 6 Hitzschlag (“Heat Stroke”) 7 NEBENWIRKUNGEN UND LIMITATIONEN VON THERAPEUTISCHER HYPOTHERMIE 7 Kältezittern (“shivering”) 7 Infektionen 8 Hypotension 8 Blutgerinnung 8 Beeinflussung von Pharmakokinetik und –dynamik 8 Wiedererwärmung (“Rewarming”) 9 HYPOTHERMIE UND HIRNTODDIAGNOSTIK 9 9 9 KONZEPT DER PROPHYLAKTISCHEN, KONTROLLIERTEN NORMOTHERMIE 10 ZUKÜNFTIGE EINSÄTZE VON TH IN DER NEUROLOGIE LAUFENDE STUDIEN ZUM EINSATZ VON TH Pathophysiologischer Hintergrund 10 Konzept 10 Dauer 10 Indikationen 10 Limitationen 10 ZUR HANDHABUNG DIESER SOP ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS LITERATURNACHWEIS 11 11 12/13 FIEBER Fieber auf neurologischen / neurochirurgischen Intensivstationen Pathophysiologische Effekte • Im allgemeinen wird eine Erhöhung der Köperkerntemperatur auf > 38°C als Fieber verstanden (CAVE: unterschiedliche Definition von Fieber durch verschiedene Fachgesellschaften) (1) • Gehirntemperatur liegt auch unter physiologischen Bedingungen über der KKT – bei Fieber vergrößert sich dieser Unterschied (>2°C im ZNS). Daher ist eine Zunahme des Schadens durch Fieber insbesondere im Zielorgan ZNS anzunehmen (2) • Fieber ist eine sehr häufige Komplikation - über 90% aller intensivneurologischen Patienten erleiden mindestens eine Fieberepisode innerhalb von 7 Tagen nach Aufnahme (3) • Häufigste ätiologische Ursache für Fieber ist eine Infektion (–> bei Fieber immer sofort adäquate Fokussuche bzw. gegebenenfalls Sanierung einleiten) • Fieber ist ein unabhängiger negativer Prediktor von Mortalität und Morbidität bei Patienten mit schwerer akuter neuronaler Schädigung wie SAB, ICB, SHT und Schlaganfall (4) • Die negativen pathophysiologischen Prozesse beziehen sich auf Patienten mit schwerer intrakranieller Pathologie (z.B. Stroke, SHT) (5) • Fieber führt im läsionierten ZNS zu: – Zusammenbruch der Blut-Hirn Schranke – Membrandestabilisierung – Erhöhtem Energieverbrauch (bei meist erniedrigter Zufuhr) – Freisetzung von freien Radikalen – Lokales „ermopooling“ – Ausschüttung exzitatorischer Neurotransmitter – Gemeinsame Endstrecke –> Zunahme des Hirnödems und Erhöhung des ICP SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 1 TEMPERATURMODULATION Methoden zur Temperaturmodulation • Physikalisch extern – Oberflächenkühlung Eispacks, Kaltluft, Kühldecken, aufklebbare Kühlmatten, Kühlung des Nasenrachenraumes • Physikalisch intern – Endovaskuläre Verfahren Kathetersysteme im venösen System (z.B. ermogard XP®) Hämodialyse Extrakorporale Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine) – Infusionslösungen Gekühlte NaCl 0,9% (oder Ringer-) Lösungen (4°C i.v.) • Medikamentös – nur Fieberreduktion möglich, therapeutische Hypothermie oder kontrollierte Normothermie kann durch Medikamente allein nicht erreicht werden – Einsatz bei Kältezittern (“shivering”) Temperaturkontrolle über den zentralen Venenkatheter Temperaturkontrollierte Kochsalzlösung zum Thermogard XP T Die Leistungsstärke desintravaskulären Temperaturmanagements (IVTM) durch patentierte Katheter StandardStanda Katheterinfusionslumen Kathet S Temperaturkontrollierte Kochsalzlösung vom Thermogard XP JI Jugularis interna (JI) F Subclavia (S) Femoralis (F) SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 2 Power Infuser® Der Power Infuser ersetzt in vielen Situationen teure und große Infusionsgeräte und erlaubt die problemlose Flüssigkeitsversorgung während des Patiententransportes air 6 4 2 1 FLOW RATE liters/hour ar e lev ap W A pr R ac el ox N IN co an thr m d im at G ou pa ca e :Fl gh ny the ba ow thi ing ter se rat s ins of d on e pu si an m truc ze IV d p bo at tion rec so l al s. om urce us lt se im Fl m en s t es uids deat ting pa . ca d tiens n in t fr ee flow SICHER t*OMJOF-VGUBCTDIFJEVOH t7FSTDIMVTT4FOTPS t3PCVTUVOEXBTTFSEJDIU c oc 0 . 2 t ar st p o st HOHE BATTERIELEBENSDAUER 6 Standard-Alkalibatterien (AAA ) ermöglichen einen Pumpenbetrieb von ungefähr 8 Stunden bei 6 Litern pro Stunde. tt ba EINZIGARTIG t&JO[JHBSUJHFSi3PDLFS5ZQFw Mechanismus t%JF)ÊNPMZTFSBUF JTU bedeutend niedriger als von der FDA HFGPSEFSU t*OEBT.PEVMJOUFHSJFSUF&JOXFHWFOUJMF verhindern den Rückfluß ermogard XP® Das IVTM™ von ZOLL setzt am Kern des Temperaturproblems an. Kalte oder warme Kochsalzlösung wird in einem Kreislaufsystem durch die Ballons des Katheters geleitet, so dass der Patient gekühlt oder gewärmt wird, indem das venöse Blut über die einzelnen Ballons fließt. Vergleiche der Kühlmethoden • Infusion von kalten Flüssigkeiten ist auch präklinisch anwendbar (Induktionsphase) allerdings zur Aufrechterhaltung nur limitiert einsetzbar (CAVE: Volumenstatus des Patienten monitorisieren) • Endovaskuläre Methoden und wasserdurchflossene Matten sind konventionellen Methoden (Kaltluft, Eispacks) in der Induktion und Aufrechterhaltung der Kühlung deutlich überlegen (6) • Endovaskuläre (katheterbasierte) Techniken zeigen die geringste Schwankung um die Zieltemperatur im Vergleich mit allen anderen Kühlmethoden (6) • Kontrolliertes Wiedererwärmen ist mit endovaskulären Methoden durchführbar • Kontrollierte prophylaktische Normothermie oder therapeutische Hypothermie ist durch Medikamente alleine nicht zu erreichen (7) SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 3 Temperaturmessmethoden • Kontinuierliche und genaue Messung der KKT ist Voraussetzung für jede Temperaturmodulation • Axilläre, tympanale und andere oberflächliche Messmethoden nur präshospital, auf Stroke oder ICU aber ungeeignet (nicht zuverlässig, große Schwankungsbreite) • Harnblasen- (z.B. Foley Katheter) oder Ösophagustemperatur liefern weitestgehend vergleichbare Werte und spiegeln KKT wider (8) • Verzögerung bei Temperaturänderung (z.B. Induktionsphase bei TH) bei Messung der Ösophagustemperatur geringer als bei Harnblasentemperatur • Messung der Trachealtemperatur derzeit experimentell (9) • Messung der Gehirntemperatur longitudinal nur invasiv mittels Microsonde oder Ventrikeldrainage möglich (eingeschränkt praxistauglich) • Mechanismen der Neuroprotektion durch Hypothermie (5) – Stabilisierung von Zellmembranen – Reduktion des metabolischen Umsatzes, der freien Radikale und der exzitatorischen Neurotransmitter – Verminderung der zerebralen Ödemproduktion –>Senkung des ICP • Ingesamt Verringerung von sogenannter Sekundärschädigung (“secondary neuronal injury”) des ZNS durch TH HYPOTHERMIE erapeutische Hypothermie (TH) Graphik I: Die unterschiedlichen Phasen von therapeutischer Hypothermie: Ablauf von therapeutischer Hypothermie SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 4 • Erhöhter ICP – Voraussetzung ist invasive Messung des ICP mittels Katheter oder Sonde – Vorerst Ausschöpfen konventioneller Maßnahmen wie Osmotherapie (z.B. Mannitol oder hypertone NaCl, tiefe Analgosedation, Oberkörper Lagerung +30°) Graphik II, Abnahme von ICP in mmHg durch unterschiedliche Maßnahmen im Vergleich, modifiziert nach Schreckinger et al. (10) Mean + standard deviation 30 25 Avg. dec. in ICP (mm Hg) Indikationen 20 15 10 5 0 Hyperventilation Mannitol Barbiturates Hypothermia Hypertonic Saline Lumbar CSF Drainage Decompressive Craniectomy • Induktion der TH: – Möglichst rasche Induktion z.B. mittels Infusion NaCl 0,9% (+4°C, 30ml /kg /KG über 20min, Patient kardiovaskulär monitorisieren) • Zieltemperatur: – 33-34°C (Harnblasen- bzw. Ösophagustemperatur) • Dauer: – Zieltemperatur über mind. 24 Stunden, Reevaluierung nach ICP Ansprechen und Verlauf • Wiedererwärmung: – KONTROLLIERTE Wiedererwärmung , max. 0,1 °C/Stunde oder langsamer (CAVE: Wiedererwärmung unterbrechen bei erneuter ICP Krise) – Nach Wiedererwärmung ist eine kontrollierte Normothermie anzustreben, Fieber und Temperaturrebound unbedingt vermeiden (siehe Kapitel Seite 10) (=kontr. Normothermie) • Nebenwirkungen: – Siehe Kapitel Limitationen und Nebenwirkungen Seite 7 SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 5 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) Ischämischer Schlaganfall (Stroke) Intrazerebrale Blutung • Studienlage zum Einsatz von TH als Neuroprotektivum ist kontrovers. In mehreren großen randomisierten Studien konnte für TH keine eindeutige Verbesserung erreicht werden (Zunahme von Infektionen, NW: Hypotonie) (11, 12) • Genereller Einsatz von TH bei SHT kann nicht empfohlen werden. • Einsatz von TH sollte geprüft werden bei schwerem SHT (GCS ≤ 8) und ICP Krise (siehe dazu Kapitel Seite 5) • Fiebervermeidung ist dringend anzustreben –> kontrollierte Normothermie erwägen (siehe Kapitel Seite 10) • Die Datenlage zu TH bei Stroke ist kontrovers. In einigen größeren Studien konnte die Machbarkeit von TH bei wachen und intubierten Stroke Patienten gezeigt werden. Ein genereller Einsatz von TH kann zur Zeit jedoch noch nicht empfohlen werden (13). • Derzeit sind große multizentrische randomisierte Studien in der Startphase (ICTUS 2/3, Eurohyp) – Ergebnisse sind in einigen Jahren zu erwarten. • Bei malignem Mediainfarkt mit raumfordernder Wirkung eventuell kontrollierte TH erwägen analog zu ICP erapie (siehe Kapitel Seite 5) • Fiebervermeidung ist dringend anzustreben –> kontrollierte Normothermie erwägen (siehe Kapitel Seite 10) • Genereller Einsatz von TH zur Behandlung von ICB ist zur Zeit nicht zu empfehlen. In einer Pilot-Studie konnte jedoch eine signifikante Reduktion des perihemorraghischen Ödems gezeigt werden und auch das Patientenoutcome signifkant verbessert werden. (14). • Bei ICB im Bereich der Stammganglien (d.h. ohne neurochirurgische OP Indikation) mit raumfordernder Wirkung ev. kontrollierte TH im Einzelfall erwägen analog zu ICP erapie (siehe Kapitel Seite 5) • Fiebervermeidung ist dringend anzustreben –> kontrollierte Normothermie erwägen (siehe Kapitel Seite 10) Post Cardio-Pulmonale-Reanimation • Leitliniengerechte gesicherte Indikation für TH – siehe dazu bitte ERC 2010 (European Resuscitation Council) bzw. ILCOR (International Liaison Committee on Resuscitation) Leitlinien erapeutische Hypothermie bei perinataler hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (HIE) Eine Metanalsyse der drei großen Hypothermiestudien bei Neugeborenen mit HIE zeigt eine Senkung von Morbidität und Mortalität durch Hypothermie. Weiterführende Literatur siehe unter Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) oder ERC 2010 (European Resuscitation Council). • SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 6 Hitzschlag (“Heat Stroke”) • Ist definiert als eigenständiges Erkrankungsbild mit Multiorganversagen (insb. schwerer Enzephalopathie –> Koma, epileptische Anfälle) sowie massiver Hyperpyrexie (KKT bis >40°C) (15) • Neben intensivmedizinischer Versorgung und eventuellem Ersatz der Organfunktionen ist die Temperatursenkung absolut kausale Behandlungsnotwendigkeit (15) • Konventionelle Temperaturkontrollmassnahmen sind meist unzulänglich • Positive Einzelfallberichte über den erfolgreichen Einsatz von endovaskulären Kühlmassnahmen (z.B. ermogard ®) (16) • Kontrollierte endovaskuläre Normothermie erwägen, eventuell vorerst schrittweise Reduktion der KKT (i.e. vorläufige Zieltemperatur 37,5°C – danach in 0,5°C Schritten reduzieren bis 36,5°C) (16) NEBENWIRKUNGEN UND LIMITATIONEN VON THERAPEUTISCHER • HYPOTHERMIE Kältezittern ist eine der häufigsten Nebenwirkungen von therapeutische Hypothermie und kann durch alle Kühlmethoden ausgelöst werden • Shivering muss erkannt und therapiert werden da es zur Steigerung des metabolischen Umsatzes und Verminderung der Gewebeoxigenierung führt (17) • PRAXISTIP: Hand auf große Muskelgruppen auflegen (z.B. M. pectoralis) oder “Muskelzittern” im EKG Signal • erapeutische Optionen: – Vor Beginn der therapeutischen Hypothermie – Paracetamol 1000mg i.v. – „Gegenwärmen” mittels Wärmedecke insb. bei wachen Patienten (Kälteempfinden wird hauptsächlich über die Oberfläche getriggert) – Bei Zittern – Pethidin 1mg/kg/KG (max. 75mg, CAVE Atemdepression) – Paracetamol 1000mg i.v. – Bei analgosedierten Patienten ev. Muskelrelaxation evaluieren Kältezittern (“shivering”) Tabelle I Praxisalgorhithmus modifiziert nach Choi et al. (18) Step 0 Baseline 1 Mild sedation 2 3 4 Moderate sedation Deep sedation Neuromuscular blockade Intervention Dose Paracetamol Buspirone Magnesium sulfate Skin counterwarming Dexmedetomidine* or Opioid Dexmedetomidine and Opioid Propofol Vecuronium 650-1000 mg Q 4-6 h 30 mg Q 8 h 0.5-1 mg/h IV Goal (3-4 mg/dl) 43°C/MAX Temp 0.2-1.5mcg/kg/h Fentanyl starting dose 25 mcg/h Meperdine 50-100 mg IM or IV Doses as above 50-75 mcg/kg/min 0.1 mg/kg IV * Zulassungsverfahren durch EMA läuft SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 7 Infektionen • TH führt zu einer Zunahme von Infektionen (z.B. Pneumonie) (13) • TH ist nur in Kombination mit einer engmaschigen Infektionsüberwachung sinnvoll (z.B. tgl. Blutkulturen, mikrobiologische Abstriche, tgl. C-Reaktives Protein, Leukozyten, Procalcitonin) (19) • Konsequente Fokussanierung unter TH Hypotension • TH kann zu Hypotension führen, daher intraarterielle “online” Messung bei TH zu favorisieren insb. bei SHT oder ICP Erhöhung Blutgerinnung • erapeutische Hypothermie führt zur Dysfunktion der Blutgerinnung und ormobozytenaggregation • Unter TH kommt es „dosisabhängig“ zu einer Verlängerung der partiellen romboplastinzeit (pTT) und Prothrombinzeit (PT) (20) • Zur Zeit laufen mehrere Studien die den Einfluss von TH auf Blutgerinnung untersuchen (z.B. mittels rombelastogramm) • CAVE: Bestimmung von Gerinnungsparametern im Labor meist nicht temperaturkorrigiert. Beeinflussung von Pharmakokinetik • und –dynamik TH führt zur Veränderung der Pharmakokinetik und Metabolitenakkumulation durch (21): – Verminderte hepatische und renale „Ausscheidung“ (Clearance) – Veränderte Volumensverteilung von Medikamenten – Veränderungen im Säure-Basen Haushalt – Aktivitätsänderung vom Cytochrom P450 • Dosisanpassungen (und Spiegelbestimmung) unter TH sind nötig insbesondere bei Medikamenten mit: – geringer therapeutischer Breite – aktiven Metaboliten – starker enzymatischer Abhängigkeit. Kursorisch sei hier die verminderte Ausscheidung (Clearance) und damit Akkumulation von Fentanyl und Midazolam unter TH angeführt (22) Aus Platzgründen kann hier keine vollständige Liste angegeben werden. Diesbezüglich verweisen die Autoren auf den ausführlichen Review von van den Broek et al. 2010 (21) SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 8 Wiedererwärmung (“Rewarming”) ZUKÜNFTIGE EINSÄTZE VON TH IN DER NEUROLOGIE • Sollte unbedingt kontrolliert (Kühlmethode nicht einfach beenden sondern langsam steigern) erfolgen (maximal 0,1°C/Stunde oder langsamer) • Wiedererwärmungsphase ist sehr kritisch für den Patienten - sollte deshalb möglichst langsam erfolgen • Nach Wiedererwärmung kontrollierte Normothermie (36,5°C) anstreben • CAVE: unbedingt Überschiessen (“rebound”) der Temperatur nach Erreichen der Normothermie vermeiden • Insbesondere während des rewarming Veränderung der Pharmakokinetik durch Temperaturanstieg (–> ev. Dosisanpassung bei Substanzen mit geringer therapeutischer Breite (21) • Studien zum Einsatz von TH bei bakterieller Meningitis sind derzeit in Vorbereitung (Reduktion von Apoptose durch TH) (23) • bei Intrazerebralen Blutungen • bei Hemicraniektomie • Die Durchführung einer leitliniengerechten Hirntoddiagnostik unter laufender therapeutischer Hypothermie ist NICHT zulässig und daher strikt abzulehnen. • erapeutische Hypothermie kann zur Veränderung des Metabolisimus von analgosedativen Medikamenten, Beeinträchtigung des klinisch-neurologischen Untersuchungsbefundes und Veränderungen von „prognostischen Markern“ (z.B. neuronenspezifische Enolase (NSE) oder neurophysiologischen Untersuchungen (evozierte Potentiale und EEG) führen und somit eine lege artis durchgeführte Hirntoddiagnostik verunmöglichen (24) LAUFENDE STUDIEN ZUM EINSATZ VON TH HYPOTHERMIE UND HIRNTODDIAGNOSTIK SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 9 KONZEPT DER PROPHYLAKTISCHEN, KONTROLLIERTEN NORMOTHERMIE Pathophysiologischer Hintergrund • Fieber führt bei Patienten mit schwerer akuter interkranieller Schädigung zur Erhöhung von Mortalität und Morbidität. Nebenwirkungen von Hypothermie (wie z.B. Erhöhung der Infektionsrate) limitieren den neuroprotektiven Effekt und sind potentiell schädlich –> kontrollierte prophylaktische Normothermie vermeidet Fieber effektiv ohne Risikoerhöhung durch Hypothermie Konzept • Zieltemperatur 36,5°C (gemessen in der Harnblase, z.B. Foley Katheter) • Einsatz von endovaskulärem katheterbasierem Kühlsystem (z.B. ermogard XP ® und Icy Catheter ®) • Beginn nach Aufnahme an ICU oder Stroke Unit – über 96 Stunden • Nach Beendigung der Normothermie Phase – endovaskuläres Verfahren beenden jedoch Patiententemperatur weiter engmaschig kontrollieren (CAVE: “Temperature Rebound” – Temperaturerhöhung nach Beendigung). Eventuell erneute endovaskuläre Kühlung reevaluieren oder “ausschleichen” – z.B. Zieltemperatur langsam erhöhen bis auf 37°C) Indikationen • Schwere zerebrovaskuläre Erkrankungen (ICB, Stroke oder SHT) Limitationen • Fieber immer als Zeichen einer möglichen Infektion interpretieren –> konsequente Fokussuche auch unter Normothermie (19) • Kältezittern behandeln auch bei Normothermie– siehe Kapitel Seite 7 • Katheterliegezeiten beachten bei endovaskulären Kühlverfahren Dauer SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 10 ZUR HANDHABUNG DIESER SOP Die Autoren dieser SOP untersuchen seit vielen Jahren die Möglichkeiten und Limitationen von Temperaturmodulation auf neurologische Erkrankungen. Diese SOP ist entstanden aus der längjährigen klinischen Erfahrung, dem Studium von einschlägigen Publikationen sowie dem persönlichen Austausch unter Experten. Wie alle wissenschaftlichen Disziplinen ist auch die Temperaturmodulation einem ständigen Wandel und Zugewinn an Informationen unterworfen. Die Interpretation und Anwendung dieser SOP ist vor diesem Hintergrund zu sehen und soll dem Interessierten ein Leitfaden sein, der aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und niemals die kritische individuelle Behandlungsentscheidung am Patienten ersetzt. Die SOP ist eine Ergänzung zu den bestehenden Leitlinien der Fachgesellschaften (siehe dazu auch Leitlinien DGN 2008). Die Autoren sind für Anregungen und Meinung von Anwendern an den Verlag dankbar. Brössner Gregor und Schmutzhard Erich im Frühjahr 2012 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS SAB Subarachnoidalblutung ICB Intrazerebrale Blutung KKT Körperkerntemperatur ZNS Zentral-Nerven-System ICP Intrakranieller Druck ICU Intensive Care Unit TH erapeutische Hypothermie SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 11 LITERATURNACHWEIS 1. Schmutzhard E, Engelhardt K, Beer R, et al. Safety and efficacy of a novel intravascular cooling device to control body temperature in neurologic intensive care patients: a prospective pilot study. Critical care medicine 2002;30(11):2481-2488. 2. Rumana CS, Gopinath SP, Uzura M, et al. Brain temperature exceeds systemic temperature in head-injured patients. Critical care medicine 1998;26(3):562-567. 3. Marion DW. Controlled normothermia in neurologic intensive care. Critical care medicine 2004;32(Supplement):S43-S45. 4. Greer DM, Funk SE, Reaven NL, et al. Impact of fever on outcome in patients with stroke and neurologic injury: a comprehensive meta-analysis. Stroke; a journal of cerebral circulation 2008;39(11):3029-3035. 5. Polderman KH. Induced hypothermia and fever control for prevention and treatment of neurological injuries. e Lancet 2008;371(9628):1955-1969. 6. Hoedemaekers CW, Ezzahti M, Gerritsen A, et al. 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SOP Temperaturmanagement in der Neurologie, Brössner G., Schmutzhard E. 2012, S 13 ZOLL Medical Deutschland GmbH Bereich TMS Emil-Hoffmann Str 13 50996 Köln Tel: +49 (0) 22 36 87 87 -27 oder -28 Fax: +49 (0) 22 36 87 87 78 www.zollmedical.de ZOLL Medical Österreich GmbH / TMS Twin Tower Wienerbergstr. 11 A-1100 Wien Tel: +43 (0) 1 710 21 59 Fax: +43 (0) 1 710 22 72 www.zollmedical.at