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Aus der DGTHG Z Herz- Thorax- Gefäßchir 2014 · 28:5–7 DOI 10.1007/s00398-013-1046-7 Online publiziert: 21. Januar 2014 © Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014 B. Osswald · C. Israel · H. Burger · D. Bimmel · A. Siebel · M. Schmid · W. Weissenberger · A. Markewitz Im November 2011 hat die Firma St. Jude Medical aufgrund der erhöhten Funktionsverlustrate der Riata-ICD-Elektroden 1560, 1561, 1562, 1570, 1571, 1572, 1580, 1581, 1582, 1590, 1591 und 1592 sowie Riata-ST-ICD-Elektroden der Modelle 7000, 7001, 7002, 7010, 7011, 7040, 7041 und 7042 ihre Produktinformation aktualisiert. Erstmals war von der Firma 2010 über Auffälligkeiten der Elektroden berichtet worden. dentypen bisher nicht beobachtet worden waren: Aufgrund der mechanischen Sondenbelastung im rechten Vorhof kam es in Einzelfällen bereits nach kurzer Laufzeit zum Durchtritt der inneren Sondenleiter durch die Isolationsschicht von innen nach außen. Die verletzte Sondenintegrität konnte zudem wiederholt in Thoraxübersichtsaufnahmen dargestellt werden [1]. Die Sonden sind daher im Dezember 2010 von der Firma St. Jude vom Markt genommen worden. Stellungnahme der Arbeitsgruppe Elektrophysiologische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Arbeitsgruppe Rhythmologie) im Umgang von Patienten mit ICD-Elektroden Riata und Riata ST der Firma St. Jude Medical Problematik der benannten Elektroden Inzidenz des Problems Oben aufgeführte Elektroden zeigten aufgrund von Abriebphänomenen eine Beschädigung der Sondenisolation und tiefer liegender Sondenstrukturen – insbesondere den Sondenleitern. Ursächlich hierfür sind u. a. mechanische Belastungen durch das Aggregat, Abrasionen zwischen erster Rippe und Klavikula (Sondendurchtrittsstelle) sowie an Kreuzungsstellen mit weiteren Elektroden. Als Novum aber wurden Defekte dieser Sonden beschrieben, die bei vergleichbaren Son- Derzeit beziehen sich die Angaben auf Daten, die Ende 2011 veröffentlicht wurden, zudem ausschließlich auf Daten des US-Marktes. Demnach wurden freiliegende Innenleiter bei 0,64% der „Single-coil“und 0,096% der „Dual-coil“-Riata-8FElektroden, bei der Riata ST 7F 0,081% der Single-coil- und 0,024% der Dualcoil-Elektrode gemeldet [2]. Somit ist die Single-coil-8F-Elektrode am häufigsten betroffen. Wesentlich höher wurde die Inzidenz in einer retrospektiven Analy- se aus Frankfurt beschrieben (2% von 332 implantierten Riata-7F- und Riata-ST-8FElektroden, [3]). Mittlerweile wurde eine Klassifikation der radiologischen Befunde erstellt [4], die jedoch nicht in die Empfehlungen eingeht und keine Korrelation mit elektrischen Funktionsstörungen ergeben hat. Nach im Mittel 4,1 Jahren waren in einer großen kanadischen Studie 7,1% der nachverfolgten 4704 Riata-7Fund Riata-ST-8F-Elektroden ersetzt worden, wobei bei 3,7% ein Leiterschaden mit elektrischen Phänomenen vorlag [5]. Zusammengefasst handelt es sich also um ein sowohl zahlenmäßig als auch klinisch relevantes Problem. Bedeutung der beobachteten Probleme Detaillierte Analysen der Elektroden mit freiliegenden Innenleitern ergaben, dass sich in mehr als 80% keine elektrischen Auffälligkeiten finden ließen, was als Hinweis für die elektrische Integrität gewertet wurde. In diesen Fällen ist offensichtlich die innere Isolation der Leitung trotz Her- Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 1 · 2014 | 5 Aus der DGTHG austreten aus dem Elektrodenkörper noch intakt. In 11% der Fälle traten aber elektrische Abnormitäten, wie reduzierte R-Wellen-Amplituden, „undersensing“ (Nichtwahrnehmung herzeigener Signale), Fehlwahrnehmungen („oversensing“), Impedanzänderungen oder hohe Defibrillationsschwellen auf und waren Grund für einen Elektrodenwechsel. Da sich intermittierendes Oversensing (Fehlwahrnehmung inadäquater Signale) trotz Einstellung einer hohen Empfindlichkeit nicht zuverlässig vom automatischen Alarm erfassen lässt, werden zusätzlich manuelle Fernabfragen zur Erkennung elektrischer Fehlfunktionen empfohlen [7]. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie [6] a)Empfehlung zum Umgang mit den betroffenen Patienten, die eine Riata7F- bzw. Riata-ST-8F-Elektrode der eingangs beschriebenen Modelle erhalten haben 1.Empfehlung zur Aktivierung der Alarmfunktionen für Stimulationsimpedanz, Schockimpedanz, Reizschwellenanstieg, R-Wellen-Abfall und unphysiologisch kurze Intervalle (z. B. <240 ms) 2.Tägliche Kontrolle bei Verfügbarkeit des Telemonitorings 3.Röntgen nur bei Nachweis elektrischer Auffälligkeiten 4.Einschätzung des elektrodenspezifischen relativen Risikos: Riata 8F SC: hoch, Riata 8F DC, Riata 7F SC: mittel, Riata 7F DC: gering 5.Einschätzung des patientenspezifischen Risikos: Schrittmacherabhängigkeit, Sekundärprophylaxe, adäquate Therapien seit Implantation: hoch, Ventrikelstimulation 1–10%, keine adäquate Therapien: mittleres Risiko, Ventrikelstimulation <1%, Primärprophylaxe, keine adäquate Therapien: geringes Risiko 6.Anhand der Risikoeinschätzung werden die Nachsorgeintervalle bei Geräten ohne Ferntelemetrie mit Frequenzen zwischen 1 und 3 bis 6 Monaten abgeleitet 7.Bei „In-house“-Abfragen sollen a)Oversensing 6 | b)Ventrikuläre Elektrogramme (Nah/Fernfeld) c)Elektrogramme unter Provokationsmanövern d)Wiederholte Messungen der Defibrillations- und Stimulationsimpedanzen bestimmt werden 8.Bei ICD-Wechsel Verwendung eines telemonitorfähigen Gerätes b)Empfehlungen bei Revisionseingriffen 1.Keine generelle Revision einer elektrisch unauffälligen Elektrode mit der Begründung, dass das Risiko der Extraktion bzw. der Neuimplantation einer zusätzlichen Elektrode das Risiko einer Elektrodendysfunktion übersteigt 2.Bei elektrisch auffälligen Elektroden sollte die zusätzliche Anlage einer neuen ICD-Elektrode mit möglichst großem Abstand zur auffälligen ICD-Elektrode erfolgen 3.Im Rahmen von elektrischen Auffälligkeiten ohne radiologische Zeichen sollte ebenfalls wie unter 2. beschrieben vorgegangen werden 4.Bei freiliegenden Innenleitern ohne elektrische Auffälligkeit wird für Patienten mit erhöhtem Risiko ebenfalls die Erwägung zur Neuimplantation einer ICD-Elektrode empfohlen, während bei niedrigem Patientenrisiko die Gefährlichkeit eines Eingriffs (insbesondere einer Infektion) höher eingeschätzt wird als der potenzielle Benefit 5.Zur Frage der Extraktion werden die Indikationen der Heart Rhythm Society (HRS, [8]) genannt Zunächst ist festzuhalten, dass die oben genannten Empfehlungen für die Mehrheit der Patienten ohne Einschränkung zu befürworten sind. Aufgrund der zwischenzeitlich publizierten Erfahrungen bei der Behandlung von Elektrodenproblemen erscheint aber eine ergänzende, in Teilen abweichende Empfehlung seitens der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie hilfreich. Zunächst gibt es zu dem Thema neue Veröffentlichungen, die zusätzlich in die Entscheidung miteinfließen sollten [5, 16]. So ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass die Riata-Elektroden ähn- Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 1 · 2014 lich wie einige Jahre zuvor bei der Medtronic-Sprint-Fidelis-Elektrode (6930, 6931, 6948, 6949) selbst bei erhaltener elektrischer Integrität Leiterschäden aufweisen. Weiter muss die Zurückhaltung der DGK-Empfehlungen gegenüber einer Sondenentfernung kritisch hinterfragt werden, da mehrere Aspekte des Riata-Problems eine etwas offensivere He rangehensweise ratsam erscheinen lassen könnten. Aus den momentan gültigen Leitlinien und Konsensuspapieren ergibt sich unstrittig die Indikation zur Entfernung von Elektroden im Fall von Sondeninfektionen und/oder Infektionen in anderen Bereichen des Herzschrittmachers und ICDSystems. Zusätzlich wird im letzten HRSKonsensus-Papier (2009) erstmals auch die Sondenentfernung im Fall einer hohen Sondenanzahl (mehr als 4 bzw. 5 in der V. subclavia bzw. der V. cava superior) als „reasonable“ eingestuft [9-11]. Bei Sonden, die aus sonstigen Gründen explantiert werden, ist die Lage nicht eindeutig. Dennoch geht der Konsensus der HRS davon aus, dass gerade die Explantation nach jahrelangem „Abwarten“ im Fall stillgelegter Sonden das Risiko einer im weiteren Verlauf entstehenden Explantationsindikation erheblich steigen lässt [8]. Selbst unter der Voraussetzung, dass im Verlauf einer ICD-Trägerschaft „lediglich“ Aggregatwechsel indiziert sind, steigt das Risiko für Infektionen mit steigender Anzahl der Eingriffe sowie höherem Patientenalter [12, 13]. So stieg in einer großen dänischen Studie die Inzidenz der Infektionen von 1,82/1000 Schrittmacherjahren nach der Neuimplantation auf 5,32/1000 Schrittmacherjahren nach dem ersten Wechsel an; zudem wurde die Anzahl der Revisionseingriffe als unabhängiger Risikofaktor für Infektionen identifiziert [14]. Eine bisher vernachlässigte Größe ist zudem die Kalzifikation der Sonden innerhalb des Gefäßsystems, wie sie im Langzeitverlauf zu beobachten ist. Hier gelingt es oftmals weder durch offene chirurgische noch mit interventionellen bzw. perkutanen Verfahren wie z. B. einer Laser- (Fa. Spectranetics) oder Fräsenextraktion (Fa. Cook) die Elektroden vollständig zu bergen [15]. Aus den genannten Gründen ist analog der Empfehlungen des HRS Expert Con- sensus [8] eine differenzierte Vorgehensweise an die Indikationsstellung und Therapieplanung notwendig. Als Beispiel sei der 20-jährige Patient mit AV-Block III° aufgeführt, der zwei neue Elektroden benötigt. Hier ist die relativ einfache Implantation von zwei neuen Elektroden mit Stilllegung der alten Elektroden zwar möglich, aber für den Gesamtverlauf wenig ratsam. Weiterhin müssen die Dauer nach Implantation, die Beschaffenheit der Elektrode und die generelle Explantabilität der Elektrode in die Entscheidungspfindung miteinfließen. Diese Überlegungen sind für das vorliegende Problem einer aufbrechenden Isolation mit Verlust der Sondenintegrität im Verlauf der Zeit von besonderer Bedeutung, da es auf der Hand liegt, dass die vollständige Explantation der Elektrode bei noch weitgehend intaktem Sondenkörper deutlich einfacher und Erfolg versprechender ist. Daher empfiehlt die Arbeitsgruppe elektrophysiologische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zusätzlich zu den Empfehlungen der DGK die folgenden 4 ergänzenden Vorgehensweisen: 1.Kein genereller „Rückruf “, d. h. keine Operationsplanung zur Elektrodenrevision ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass eine der oben benannten Elektroden verwendet wurde. 2.Im Rahmen jedweden Revisionseingriffes (z. B. Aggregaterschöpfung, Sondenfunktionsstörung, Infektion) sollte in Erwägung gezogen werden, die Sonde mit geeigneten Verfahren nach Möglichkeit zu entfernen, sofern die Lebenserwartung des Patienten 15 Jahre oder länger eingeschätzt wird. 3.Nach individueller Abwägung eher Belassen der Elektrode mit Implantation einer neuen Elektrode bei jedwedem Revisionseingriff, sofern die Lebenserwartung des Patienten weniger als 15 Jahre beträgt. 4.Die Entscheidung über das Vorgehen muss individuell geprüft werden, zumal zum jetzigen Zeitpunkt das weitere Verhalten der Elektrodenanteile im Körper über die nächsten Jahre hinweg noch nicht endgültig abgeschätzt werden kann. 5.Schließlich sollte auch der Patientenwunsch (in Kenntnis der zu erwartenden Risiken) in die Entscheidungsfindung miteinbezogen und dokumentiert werden. Nachfolgemodelle der Riata-Elektrodenfamilie Die Firma St. Jude Medical hat auf die ersten Berichte bereits 2010 reagiert und eine neue Elektrodengeneration mit einer veränderten Konstruktion und einem weiterentwickelten Isolationsmaterial auf dem Markt etabliert. Das Nachfolgemodell steht allerdings ebenfalls unter Beobachtung, ohne dass sich bislang Hinweise auf eine erhöhte Fehlerrate dieser Sonden hätten finden lassen [17, 18]. Korrespondenzadresse Prof. Dr. B. Osswald Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie Universitätsklinik Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf brigitte.osswald@med.uni-duesseldorf.de Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. B. Osswald: Medtronic, Biotronik, St. Jude Medical, DKG, DGTHG, DIVI, Spectranetics, Cook. C. Israel: 1. Biotronik: Teilnahme an gesponserten Studien, Honorare für Vorträge 2. Boston-Scientific: Teilnahme an gesponserten Studien, Honorare für Vorträge 3. Medtronic: Teilnahme an gesponserten Studien, Honorare für Vorträge, Reisekostenübernahme für Kongresse, Advisory Board 4. Sorin: Teilnahme an gesponserten Studien, Honorare für Vorträge, Reisekostenübernahme für Kongresse 5. St. Jude Medical: Teilnahme an gesponserten Studien, Honorare für Vorträge, Reisekostenübernahme für Kongresse, Advisory Board. D. Bimmel: Medtronic, St Jude Medical, Biotronik, Sorin. A. Siebel: St. Jude Medical, Medtronic, Biotronik, Boston, Spectranetics, Weiter- und Fortbildungsakademie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Arbeitsgemeinschaft der Notärzte Bayern. M. Schmid: kein Interessenkonflikt. W. Weissenberger: kein Interessenkonflikt. H. Burger: Spectranetics, Cook Medical, St Jude Medical, Sorin, Medtronic, Boston Scientific, DGTHG, DGK sowie Aqua Qualitätsinstitut. A. Markewitz: kein Interessenkonflikt. Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren. Literatur 1. 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