Spezial: Die Haut, das unterschätzte Sinnesorgan
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Spezial: Die Haut, das unterschätzte Sinnesorgan
SPEZIAL MUM Februar 2015 die menschliche Haut. Mit der widerstandsfähigen Hornhaut, die aus abgestorbenen Schüppchen besteht, und den darunterliegenden hornschichtbildenden Zellen bildet die Oberhaut die Grenze nach außen. Ernährt wird die obere Hautschicht, auch Epidermis genannt, von der Lederhaut. In dieser sitzen Blut- und Lymphgefäße, Nerven, Schweißdrüsen sowie elastische Bindegewebs- und Kollagenfasern, die für die Festigkeit der Haut verantwortlich sind. Die Flüssigkeits- und Fettspeicher in der Unterhaut schützen auch vor Stößen und Erschütterungen. Geschlecht verliert sie ein ganzes Jahrzehnt später ihre Elastizität. Die Hautfarbe eines Menschen wird durch das braune Pigment Melanin bestimmt. Die von vielen ersehnte Sommerbräune ist eigentlich eine Schutzreaktion: Bei Sonneneinstrahlung werden Pigmentvorstufen in Melanin umgewandelt – man sieht eine Bräunung. Das Melanin schützt die darunterliegenden Zellen, denn es kann UV-Licht abfangen. Das Alter hinterlässt Spuren wird vom Schaft her weiß. Dass die Kopfbehaarung dann grau erscheint, ist allerdings eine optische Täuschung und kommt durch die Mischung von pigmentierten und unpigmentierten Haaren zustande. Auch die Nägel an Finger und Zehen sind quasi Verlängerungen der Haut. Sie bestehen aus harten, verhornten Zellen der Oberhaut, die ganz dicht aneinanderliegen. Doch wie die Haare werden auch die Finger- und Fußnägel als modischer Blickfang genutzt. Der Fantasie im Nageldesign sind heute keine Grenzen mehr gesetzt: Ob Airbrushbilder oder Verzierungen mit Strasssteinchen, Perlen oder Glitter – Motive und Muster gibt es in allen erdenklichen Farben und Formen. In der Regel werden die Verzierungen auf Kunstnägel aufgebracht. Die aber sind nicht ganz unbedenklich, weil sich darunter Pilze bilden können. Männer sind dickfellig Frauen haben meist eine etwas hellere Haut als Männer. Und auch die Dicke unserer Schutzhülle hängt vom Geschlecht ab. In dieser Hinsicht sind die Männer ein wenig zu beneiden: Dank ihrer dickeren Haut bekommen sie keine Cellulitis und lange Zeit auch keine Falten. Nicht nur die Hornschicht ist bei ihnen etwa 20 Prozent umfangreicher als bei Frauen, auch das elastische Fasermaterial der darunterliegenden Lederhaut ist kompakter. Deshalb kann Männerhaut mehr Wasser binden und ist fester und straffer als Frauenhaut. Im Vergleich zum weiblichen Empfänglich für Reize Mit den Jahren verliert das Bindegewebe aber an Elastizität. Der Stoffwechsel verlangsamt sich und die Zellen erneuern sich nicht mehr wie früher alle 28 Tage, sondern nur noch etwa alle 40 bis 50 Tage. Doch wie sie auch aussieht, ob straff und strahlend oder runzlig und trocken, eines bleibt die Haut immer: Ein wichtiges Tast- und Empfindungsorgan, empfänglich für die verschiedensten Reize von Foto: Ollyy/Shutterstock Doch auch Menschen mit dunkler Haut haben helle Stellen: Die Handflächen und Fußsohlen sind melaninfrei und deshalb weiß. Dort wo die Blutgefäße dicht unter der Oberfläche liegen, erscheint die Haut rot, wie bei den Lippen und Schleimhäuten. Die Blutgefäße sind auch schuld daran, wenn wir plötzlich rot werden: Wenn sie sich erweitern, schießt uns das Blut ins Gesicht. Verengen sie sich dagegen, werden wir plötzlich blass – zum Beispiel wenn wir uns erschrecken. Die Haut eines Babys ist fünfmal dünner und vor allem durchlässiger als die eines Erwachsenen. Die Hornschicht der Oberhaut befindet sich noch im Aufbau und auch der Säureschutzmantel ist erst nach einigen Lebensmonaten voll funktionsfähig. Die Talgdrüsen arbeiten noch auf Sparflamme und die Haut produziert wenig Fett. Das ändert sich schneller, als den meisten lieb ist. Spätestens in der Pubertät produzieren die Talgdrüsen meist zu viel Fett. Die Haut neigt zu Unreinheiten wie Pickeln oder Mitessern und glänzt ölig. Mit zunehmendem Alter wird die Haut von allein trockener und die Überproduktion der Talgdrüsen legt sich. Mit Anfang 20 ist die Haut normalerweise in Bestform und braucht so gut wie keine spezielle Pflege. Doch obwohl sie gerade erst in voller Schönheit erstrahlt, zeigen sich in diesem Lebensjahrzehnt schon die ersten Spuren des Alters. Gegen Ende der 20er tauchen die Mimikfältchen auf, zuerst an der sehr dünnen und deshalb trockeneren Augenhaut und am Mund, der immer in Bewegung ist. Das Gesicht wird erwachsen. Foto: mast3r/Shutterstock Foto: oliveromg/Shutterstock Auch am eigenen Körper lassen sich Unterschiede ausmachen: Am dicksten ist die Haut in den Handflächen, wo sie ja stark beansprucht wird, am dünnsten am Handrücken. Eine entscheidende Rolle spielt auch das Alter. Bis wir erwachsen sind, nimmt die Hautdicke zu. Je älter wir werden, umso mehr nimmt sie wieder ab, weil sie die Feuchtigkeit nicht mehr so gut speichern kann. außen und ein Spiegel unserer Seele. Streng genommen gehören die Haare auch zur Haut – sie bestehen aus verhornten Zellschichten, die wie an einem Faden aufgereiht sind. Haare wachsen überall am Körper – früher schützte der Bewuchs die Menschen vor Wind, Sonne und Kälte. Für den Haarschopf gilt das eigentlich immer noch, obwohl die Kopfhaare heute eher als modischer Körperschmuck gesehen werden. Etwa 100.000 Haare hat jeder Mensch im Schnitt auf dem Kopf. Blonde haben die meisten Haare, etwa 150.000, Rothaarige mit ungefähr 85.000 die wenigsten. Verantwortlich für die Haarfarbe ist – wie bei der Haut auch – das Pigment Melanin, das sich nach und nach im Haar ablagert. Deshalb dunkelt blondes Babyhaar oft noch nach. Mit zunehmendem Alter werden keine Pigmente mehr ins Haar eingelagert und es Seite 7 Auch die Haare gehören zur Haut – sie bestehen aus verhornten Zellschichten. Ein reiches Biotop Man kennt das aus den niedlichen Tierfilmen: Auf dem Rücken eines Nashorns sitzt ein Madenhacker (Buphagus) und ernährt sich von den Parasiten in der dicken Haut seines Gastgebers. Ökonomen würden das eine Win-win-Situation nennen. Der Vogel frisst sich satt, das Nashorn lebt gesünder. Doch was für das Nashorn gilt, das gilt ebenso für uns Menschen. Auch auf unserer Haut gibt es Lebewesen, die ganz wesentlich zu unserer Gesundheit beitragen. Sie sind allerdings viel kleiner als der Madenhacker. Im mild sauren Milieu unserer Haut leben zahlreiche Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Sie bilden die sogenannte Hautflora, die uns davor schützt, dass wir durch krank machende Keime besiedelt werden. Am National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda wurde sogar nachgewiesen, dass die Bakterien auch unser Immunsystem aktivieren. Lange nahm man an, dass sich nur wenige Bakterienarten an die sehr speziellen Lebensbedingungen auf der menschlichen Haut angepasst haben. Doch seit einigen Jahren veröffentlichen Forscher weltweit immer neue Entdeckungen zu diesem Thema. So fanden US-Wissenschaftler 2007 auf der Haut gesunder Menschen mehr als 180 Arten von Bakterien. Sie wiesen auch nach, dass es erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Personen mit verschiedenen Lebensgewohnheiten gibt. Besonders viele Bakterien finden sich an den Haarwurzeln tief in der Haut. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ergebnisse einer Forschergruppe der North Carolina State University plausibel. Sie entdeckten 2011 knapp 2.400 verschiedene Bakterienarten in Abstrichen aus Bauchnabeln. Mehr als die Hälfte dieser Keime sei zuvor unbekannt gewesen. Und: Nicht eine einzige Art konnte bei allen Teilnehmern der Untersuchung nachgewiesen werden. Offenbar trägt jeder Mensch sein höchst individuelles Biotop mit sich herum. Auf jedem Quadratzentimeter unserer Haut leben zwischen 100 und 10.000 Mikroben. Darunter fanden Forscher der Universität Regensburg im Jahr 2013 Archebakterien (Archaeen). Diese Urbakterien bevorzugen sonst extreme Umweltbedingungen, etwa in der Nähe von heißen Quellen am Grunde der Tiefsee. Die Wissenschaftler wiesen viele Archaeen auf der Haut aller Versuchspersonen nach. Bei manchen machten sie einen Anteil von zehn Prozent der gesamten Mikroben auf der Haut aus. Die Archaeen seien normalerweise in den Stickstoffkreislauf der Erde eingebunden, erklärte die Regensburger Mikrobiologin Dr. Christine Moissl-Eichinger: „Die Mikroorganismen könnten mit der pH-Regulation der Haut in Verbindung stehen.“ MUM