Jugendheim kommt doch nicht nach Kirchheim

Transcription

Jugendheim kommt doch nicht nach Kirchheim
LANDKREIS
SAMSTAG 19. Juli 2003
LA1
20
Potenzieller Betreiber sucht nach Tendenzbeschluss des Gemeinderats neuen Standort – Räte kritisieren unsachliche Diskussion
AUS FÜR „SCOUT“
Jugendheim kommt doch nicht nach Kirchheim
Spuren bleiben
Von Joachim Rüeck
tionen gegipfelt habe.
Bei den Stellungnahmen von
Das umstrittene Jugendhilfepro- „Scout“-Befürwortern war die Stimjekt „Scout“ kommt nicht nach mung im und gegenüber dem PubliKirchheim. Die Evangelische Ge- kum zum Teil sehr gereizt. Helmut
sellschaft Stuttgart (eva), poten- Mayer verglich die Unterschriftenzielle Betreiberin des geplanten sammler mit „Drückerkolonnen“.
Erziehungsheims, gab gestern be- Wie Birgit Riecker warf er manchen
kannt, dass sie einen neuen Stand- „Scout“-Gegnern vor, sie hätten
Ängste gezielt gestreut, Horrorszeort für die Einrichtung sucht.
Grund für den Rückzug war ein narien entworfen, „die jeglicher
negativer Tendenzbeschluss des Ge- Grundlage entbehren“.
Die Unterstützer waren der Meimeinderats (wir berichteten). „Wir
bedauern, dass die dringend not- nung, dass man sich mit dieser Einwendige Hilfe für schwierigste Ju- richtung einer gesellschaftlichen
gendliche damit in nächster Zeit Aufgabe stellen müsse und die benicht realisiert werden kann“, wird troffenen Jugendlichen nicht ausgrenzen dürfe.
eva-Vorstand
Thomas NollenFriedhelm Bu„Die Abstimmung entberger argumenckert in einer
spricht den Mehrheitsvertierte, die gePressemitteiplante
kleine
lung des Vereins
hältnissen in Kirchheim.“
Einheit sei zuzitiert. Buckert
Bürgermeister Uwe Seibold
dem durch den
dankt darin Bürhohen Personalgermeister Uwe
Seibold und dem Gemeinderat für aufwand kontrollierbar.
Die ablehnenden Gemeinderäte
die „offene und intensive Prüfung
beriefen sich meist auf die Sorgen
des Projektes“.
Dreieinhalb Monate nach einer und Ängste der Einwohner sowie
ersten Bürger-Information über die auf die Lage der früheren StrifflerPläne der eva hatte der Gemeinderat Fabrik, in der „Scout“ geplant war,
am Donnerstagabend über das Vor- mitten im Wohngebiet. Reinhard
haben abgestimmt. Zu welchen hef- Schromm befürchtete zudem, wetigen Auseinandersetzungen es in gen der schlechten Stimmung
dieser Zeit im Ort gekommen war, könnten Jugendliche der Einrichzeigte in der Sitzung nicht nur die tung bei Vorfällen häufig von NachKritik des Bürgermeisters und der barn fälschlich beschuldigt werden.
meisten Gemeinderäte an einer Bürgermeister Seibold hält das
„zum Teil sehr emotionalen und Grundstück durch fehlende Freifläunsachlichen Diskussion“, die in chen für ungeeignet.
Acht Ratsmitglieder sprachen
Drohanrufen und böswilligen Ak-
Vorerst leer bleiben die Räume in der ehemaligen Striffler-Fabrik in Kirchheim. Die Evangelische Gesellschaft wird keinen Bauantrag für den Umbau des Gebäudes in ein Jugendheim stellen. (Foto: Andreas Veigel)
sich schließlich dagegen und vier
dafür aus, dass die Einrichtung nach
Kirchheim kommt. Zwei Räte enthielten sich der Stimme. „Die Entscheidung entspricht sicher den
Mehrheitsverhältnissen in der
Kirchheimer Bevölkerung“, kommentierte Seibold gestern das Abstimmungsergebnis.
Anita Hoffsümmer, die sich bei
der Unterschriftensammlung enga-
giert hatte, zeigte sich „überrascht,
dass der Beschluss so deutlich ausgefallen ist“. Die Einrichtung wäre in
diesem „unzufriedenen Umfeld“
kaum zu realisieren gewesen, meinte sie. „Da wohnen viele ältere Leute, die haben Angst gehabt.“ Sie widersprach dem DrückerkolonnenVergleich: „Ich kann aus meiner Erfahrung nicht bestätigen, dass jemand Druck ausgeübt hat.“ Jedoch
seien „einzelne Vorfälle“ in den vergangenen Monaten „bedenklich“.
Der evangelische Pfarrer Martin
Schuster zeigte „Verständnis für die
Entscheidung“ des Rates. „Schade
wäre es aber, wenn sie als Signal verstanden würde und Tendenzen verstärkt, dass gesellschaftliche Gruppen wie diese Jugendlichen an den
Rand geschoben werden.“
Kommentar „Spuren bleiben“
Die Jugend im Heilbronner Sängergau nimmt die Erwachsenen in die Pflicht - Heute Gaujugendsingen in der Aula der Kochendorfer Realschule
Übergang zum Erwachsenenchor fällt Jugendlichen schwer
Von Rolf Muth
Mehr Rückhalt in den Erwachsenenchören erhofft sich die neue
Vorstandschaft der Chorjugend
im Sängergau Heilbronn. Die Erwachsenen, die immer wieder
über mangelnden Nachwuchs
klagen, haben heute beim Gaujugendsingen die Chance, diesem
den Rücken zu stärken.
830 aktive Kinder und Jugendliche sind in 39 Chören im Sängergau
engagiert. Sechs Gruppen haben
sich erst jüngst gegründet. „Die Kinder sind mit Begeisterung dabei“,
sagt die neue Jugendvorsitzende Susanne Frech aus Eschenau.
Die bis zu 14-jährigen Goldkehlchen sind in den Kinderchören organisiert. 24 gibt es davon. In den
zwölf reinen Jugendchören singen
die 15- bis 26-jährigen Sängerinnen
und Sänger. Schließlich gibt‘s im
Sängergau noch drei gemischte
Kinder-/Jugendchöre.
Werben will Susanne Frech jetzt
für den bislang 26-köpfigen Gaujugendchor, der vor kurzem begeistert
vom Bundeschorfest in Berlin zurückgekommen ist. Bei dieser Gruppe kann jeder mitmachen, der in einem Kinder- oder Jugendchor des
Sängergaus Heilbronn singt. „Das
ist selbst in unserem Verband viel zu
wenig bekannt“, beklagt Frech.
Käthe Wild, Schriftführerin der
Chorjugend und selbst Chorleiterin, sieht zum einen die Schwellen-
L
ange Zeit drangen keine exakten Details nach außen. Nicht
jede der betroffenen Institutionen wurde vorher informiert.
Nun war die Sparliste des Landkreises von der Verwaltung nicht
länger geheim zu halten: Die Einladungen zur Kreistagssitzung am
kommenden Montag um 14 Uhr
im Brackenheimer Teilort Botenheim mussten raus, die Vorschläge zur Tagesordnung auf
den Tisch gelegt werden. Mag
sein, dass manche Institution das
Streichkonzert im Vorfeld erwartet und sich deshalb schon damit
zurecht gefunden hatte. Mag
sein, dass andere die Unausweichlichkeit des Sparens längst
einkalkuliert haben. Auffällig jedenfalls ist: Der Protest hält sich
(bis jetzt?) in Grenzen.
as aber war gewollt und ist
Taktik: Mit der nicht-öffentlichen Vorabklärung mit den
Kreistagsfraktionen ist dem Landrat der Coup gelungen, die Spardebatte zu führen ohne Sperr-
D
Kommentar
Vom umstrittenen „Scout“-Projekt wird in der zuletzt viel beschriebenen 1000-jährigen Geschichte Kirchheims nicht
mehr als eine kleine Randnotiz
bleiben. Dass und wie das
Heim für schwer erziehbare Jugendliche verhindert wurde,
hinterlässt aber, zumindest eine
gewisse Zeit, seine Spuren –
und einige Fragen.
Macht der Stil der Auseinandersetzung Schule? Auch wenn
sich der Gemeinderat größte
Mühe gab, fair und vorurteilsfrei zu bleiben. Auch wenn
Überreaktionen einiger Kirchheimer stets gegeißelt wurden.
Auch wenn ein großer Teil der
„Scout“-Gegner eine Auseinandersetzung auf sachlicher Ebene suchte. Ein Beigeschmack
bleibt: Durch Panikmache kann
in einem Ort einiges verhindert
werden. Dann lastet rasch der
Druck von Nachbarn, Freunden, Kunden, Geschäftspartnern, Wählern auf den Bürgervertretern. Und wer wendet
sich gerne gegen die Stimmung
in seiner Gemeinde?
Wie schnell können die Gräben zugeschüttet werden? Die
gegenseitigen Vorhaltungen –
ob direkt oder unterschwellig –
waren zum Teil heftig. Die einen kreideten den anderen an,
unsozial zu sein. Der umgekehrte Vorwurf lautete, die Gefahr zu verharmlosen.
Wo bekommt das anerkanntermaßen sinnvolle Jugendhilfeprojekt eine neue Chance?
Das Striffler-Areal war zwar –
angesichts seiner Lage mitten
im Wohngebiet – nicht der beste Ort für die Einrichtung. Aber
– wegen der Räumlichkeiten –
auch bei weitem nicht der
schlechteste. Mit ähnlichen Argumenten wie in Kirchheim
könnte „Scout“ praktisch überall abgelehnt werden. Außer
fernab, auf der grünen Wiese.
Joachim Rüeck
Breitenauer See bei Obersulm
Campingplatz
wird erweitert
Der Campingplatz am Breitenauer
See bei Obersulm wird erweitert.
Die Versammlung des Naherholungszweckverbands
Breitenauer
See hat den Grundsatzbeschluss
jetzt einstimmig gefasst. 100 weitere Stellplätze sollen hinzukommen. Genauere Pläne und Kostenschätzungen gibt es noch nicht.
Der Gaujugendchor im Sängergau Heilbronn nimmt weitere junge Sängerinnen und Sänger auf. Auch heute beim Gaujugendsingen in der Realschule in Bad
Derzeit verfügt der CampingFriedrichshall- Kochendorf ist der Chor zu hören. Zur Gaujugend selbst zählen 830 Aktive. (Foto: Rabea Sattar)
platz über 400 Stell- und 70 Zeltplätze. In der Hochsaison reichen
angst der Kinder. „Jeder kann aber günstig an der Stadtbahnlinie“, sagt Frech: Auch hier sind die Dirigenten 250 Aktiven aus dem Sängergau die Kapazitäten nach Verbandsanmitsingen, das ist nicht schwer.“ Frech. Gauvorsitzender Gerhard gefordert.“ Gerhard Nagel erweitert Heilbronn ihre Lieder vortragen gaben nicht aus. (red)
Zum anderen fehle es an der Unter- Nagel muntert die Vereine auf, ihre dieses Feld: „Viel hängt davon ab, und von einem Kritiker bewerten
stützung von Dirigenten und Ju- jungen Mitglieder zum Gaujugend- wer in den Vereinen verantwortlich lassen. Auch der Heilbronner Gaugendreferenten mancher Vereine, chor zu schicken: „Die Kinder, die ist und wie gut die Jugend-, sprich jugendchor unter der Leitung von
Markus
die ihrer Jugend das Doppelengage- bei dieser Gruppe mitsingen, profi- Nachwuchsarbeit, gemacht wird.“ Gaujugendchormeister
Wie ernst sie den Sangesnach- Schulz wird zu hören sein.
ment im eigenen und im Gauju- tieren von dieser Arbeit und damit
wuchs nehmen, können die Funkgendchor nicht zutrauen oder nicht gewinnt der ganze Verein.“
Wer Interesse an
Viel problematischer ist aber der tionäre heute beim Gaujugendsinzumuten wollen. „Dabei proben wir
der Chorjugend,
nur einmal im Monat Samstags in Übergang vom Jugend- zum Er- gen in Kochendorf beweisen. Hier insbesondere am Gaujugendchor
unserer Geschäftsstelle in der Heil- wachsenenchor. Käthe Wild: „Die in der Aula der Otto-Klenert-Real- hat, bekommt weitere Informatiobronner Rosskampffstraße 12 direkt jungen Leute wollen die Literatur schule werden ab 13.30 Uhr zwölf nen von Susanne Frech unter der
am Bahnhof und damit verkehrs- der ,alten’ Chöre nicht singen.“ Kinder -und Jugendchöre mit über Telefonnummer 07130/1621.
Info
frisch gepflückt
feuer aus den Reihen derer, die sich
fortan bescheiden müssen. Bei der
Verwaltung ist das Verhalten nachvollziehbar. Ihr oblag immerhin die
schwierige Aufgabe, in einem sowieso seit Jahren knapp gehaltenen
Etat überhaupt noch Ansatzpunkte
für den Rotstift zu finden. Warum
aber hielten die Fraktionen dicht?
Weil auch für sie offensichtlich ist,
dass Klientelpolitik jeden Sparansatz zunichte macht? Oder nur,
weil nächstes Jahr Kommunal- und
Kreistagswahl ist und deshalb eine
stille Sparrunde weniger auffällt als
laut tönender Streit?
nteressant könnte neben den
Auseinandersetzungen über das
Zusammenstreichen der Zuschüsse
für Kinderfreizeiten oder den
Schwerstbehindertenfahrdienst die
um die Abschaffung des Rates für
Frauen werden. Der Vorschlag steht
nicht in der offiziellen Liste, denn
er kommt nicht von der Kreisverwaltung. Vielmehr wird ihn die
SPD-Fraktion einbringen. Dort soll
dem Vernehmen nach zwar auch
I
LANDKREIS
Rundschau
Von Iris Baars-Werner
keine Einstimmigkeit herrschen bei
diesem Thema. Dennoch ist auffällig, dass die sozialdemokratische offensichtlich die einzige Fraktion ist,
die einen eigenen Streichvorschlag
mit nennenswerten finanziellen
Auswirkungen stellt: Es geht um
91 000 Euro pro Jahr.
nter Druck in ihrer eigenen
Fraktion sind die beiden CDULandtagsabgeordneten Friedlinde
Gurr-Hirsch und Bernhard Lasotta
geraten: Die Untergruppenbacherin und der Wimpfener gehörten
diese Woche zu der Minderheit von
Mandatsträgern, die die Erhöhung
der Diäten ab März 2004 um 2,4
Prozent ablehnten. Populismus
wird ihnen vorgeworfen. Die beiden lehnten nicht nur ab. Sie wol-
U
len ihre Mehreinnahmen zudem
spenden. Dem Vorgehen angeschlossen hat sich auch die Heilbronner Unionsabgeordnete Johanna Lichy. Als Staatssekretärin
und Mitglied der Regierung aber
stimmte sie nicht gegen den Fraktionsvorschlag der Anhebung.
llzu lang sollte Neckarsulm
nicht warten, bis die erfolgreichste Stadt des Landkreises Heilbronn Blütenträume wahr werden
lässt. Bis 2018 sind die Gartenschauen im Land vergeben. Neckarsulm kam nicht zum Zug. Da darf
man die Industriestadt nur ermuntern, ihre Pläne nicht einfach in die
Schublade zu legen. Vielmehr sollten Stadtspitze und Stadträte nach
Wegen suchen, nach und nach die
Gestaltungsideen aus eigener Kraft
umzusetzen. Die Kommune an Neckar und Sulm fällt zwar schon
lange durch gute Architektur, gelungene Gestaltung öffentlicher
Gebäude und Plätze und imposante
Gewerbegebiete auf. Auch ökologischen Projekten stand das Rathaus
A
stets offen gegenüber. Doch eine
zusammenhängende
grüne
Lunge, ein grünes Band durch die
Stadt, das Freizeit- und Sporteinrichtungen, Gewässer, Wohngebiete und, Wege und Plätze mit
einander zu einem Erholungsund Erlebnisraum aufwertet, das
fehlt – noch.
er Kreis Heilbronn zögert,
was die Generalsanierung
des Krankenhauses Bad Friedrichshall angeht. Die Hohenloher
aber haben ihren Baubeschluss
diese Woche gefasst: Das Krankenhaus in Künzelsau wird für
rund 30 Millionen Euro umgebaut und erweitert. Ein Satz muss
auch für die über die Machbarkeit
des Generalumbaus am Plattenwald grübelnden Heilbronner
Kreisräte interessant sein: Der Klinik-Umbau in Hohenlohe kostet
fast so viel wie ein Neubau. Das
wird auch passieren, wenn das
größte ehemalige Kreis- und heutige
Stadt-Landkreis-Krankenhaus total umgekrempelt wird.
D
Blumensommer-Helferin Silvia Aldinger musste dieser Tage eine Meniskus-Operation über sich ergehen
lassen. Als der Arzt sie aus der Narkose aufweckte und fragte, wie das
Befinden sei, kam die spontane
Antwort: „Ich habe mir gerade auf
dem Blumensommer ein Zehntele
geholt. Sie hätten mich ruhig noch
schlafen lassen können.“
_
Seit Mittwoch bis heute ist der Zirkus Liberta, der „kleinste Zirkus der
Welt“, auf dem Blumensommer zu
Gast. Zirkus-Schweinedame Rosa
hat als erstes die Blumenbeete besichtigt und sich dabei so verhalten, wie es sich für einen anständigen Gast gehört – nämlich nur geschaut und geschnuppert. (red)