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Chlamydien- und Humane-Papillomavirus-Infektionen (HPV) gehören derzeit
weltweit zu den häufigsten Genitalinfektionen. Diese Erreger haben vor allem
auf Grund ihrer Folgeerkrankungen und der damit verbundenen Gesundheitsgefahren und Kosten eine besondere gesundheitspolitische Bedeutung.
Die oft asymptomatisch verlaufende Chlamydien-Infektion ist heutzutage die
häufigste Ursache der infektionsbedingten Sterilität, und gerade in der Fertilitätsdiagnostik sowie der Infertilitätsbehandlung entstehen auch die immensen
Kosten unerkannter Chlamydien-Infektionen. Humane Papillomaviren sind
Viren, die Haut- und Schleimhautzellen infizieren. Einzelne Subtypen, sogenannte High-risk-Typen, führen zu präkanzerösen Läsionen im Genitalbereich,
die sich zu Karzinomen weiterentwickeln können. Die Tatsache, daß in ungefähr
90 % der Zervixkarzinome High-risk-Typen vorkommen (HPV16 (50 %), HPV18
(20 %)) unterstreicht die Bedeutung der HPV-Infektion bei diesem Karzinom,
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welches weltweit die zweithäufigste Krebstodesursache bei
Frauen ist.
Für beide Erreger gilt, daß der rasche, praktikable und
sichere Nachweis in der Routinediagnostik heute noch problematisch, schwierig und teuer ist. Insbesondere bei niedrigen
Keimkonzentrationen treten falsch negative Ergebnisse auf.
Im Rahmen dieser Studie wird als Nachweisverfahren die
Polymerase-Kettenreaktion (PCR) eingesetzt. Diese Methode
zeichnet sich durch ihre im Vergleich zu anderen diagnostischen Nachweisverfahren hohe Sensitivität aus, denn vor
dem eigentlichen Keimnachweis findet eine Vervielfältigung des Erregers statt.
Die bis heute veröffentlichten und verfügbaren Daten zur
Prävalenz von Chlamydien- und HPV-Infektionen stammen
meist aus selektierten Patientengruppen, die im Hinblick auf
das Risiko, sich an einer sexuell übertragbaren Erkrankung
zu infizieren, ganz unterschiedlich sind. So sind z. B. die
Prävalenzen in einem Patientenkollektiv Prostituierter
erwartungsgemäß größer als bei Patienten einer STDSprechstunde (STD = sexually transmitted diseases), und
diese wiederum liegen über denen von asymptomatischen
Patienten.
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Ziel der durchgeführten Studie war es, epidemiologisch belastbare Daten zur Prävalenz von Chlamydien- und HPV-Infektionen in einer repräsentativen Stichprobe der fTXQ[XRWT]
1Ta[X]Ta 1Teˆ[ZTad]V zu erheben. Das untersuchte Kollektiv
sollte in bezug auf die Wahrscheinlichkeit, mit diesen Erregern infiziert zu sein, nicht positiv oder negativ selektiert
sein. Auf diesen Daten aufbauend sollten die Häufigkeiten
der sexuell übertragbaren Erkrankungen für die weibliche
Gesamtbevölkerung Berlins und der BRD auf der Grundlage einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung zum
Sexualverhalten statistisch hochgerechnet und zusätzlich die
das Infektionsrisiko beeinflussenden Faktoren ermittelt
werden.
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Um ein Patientenkollektiv zu erreichen, das ein relevantes
Erkrankungsrisiko trägt und im sexuell aktiven Alter ist (d. h.
zwischen 20 und 40 Jahre alt ist), wurden für diese in Berlin
durchgeführte Studie Frauen rekrutiert, die ihren niedergelassenen Gynäkologen zur routinemäßigen Krebsfrüherkennungsuntersuchung (KFU) oder zur Kontrolluntersuchung
bei Antibabypilleneinnahme (KZV-Konzeptionsverhütung)
aufsuchten. Das ausgewählte Kollektiv sollte sich in Bezug
auf das Risikoverhalten nicht von der Allgemeinbevölkerung
unterscheiden und die soziodemographischen Verhältnisse
der Bevölkerung möglichst genau abbilden.
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Vor Beginn der Studie wurde im Rahmen eines methodischen Pretests mit einer Bevölkerungsbefragung (n = 2.000)
und einer Befragung niedergelassener Gynäkologen
(n = 150, ca. ein Drittel der Grundgesamtheit) geklärt, ob
mit dem gewählten Untersuchungsansatz eine Schätzung
der bevölkerungsbezogenen Prävalenzen durchgeführt werBTXcT !
den kann. Zum einen wurde geprüft, ob die Inanspruchnahme der gynäkologischen Routineuntersuchungen (KFU,
KZV) durch die Bevölkerung im Untersuchungszeitraum
ausreichend hoch ist und die Patientinnenklientel einen
repräsentativen Querschnitt der Normalbevölkerung darstellt. Zum anderen wurde untersucht, ob die Stichprobe der
gynäkologischen Praxen die Grundgesamtheit repräsentativ
abbildet und die Teilnahmebereitschaft zur praktischen
Durchführung der Studie unter Ärzten hinreichend groß ist.
Da der wesentliche Übertragungsweg der untersuchten
Erreger in ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit infizierten Personen besteht und die Prävalenz sexuell übertragbarer Erkrankungen somit direkt abhängig ist vom
Sexualverhalten und den damit verbundenen Risiken, mußte
im Rahmen der Studie notwendigerweise bei den untersuchten
Probanden auch die Risikoexposition (Anzahl der Sexualpartner in bestimmten Zeiträumen) ermittelt werden. Diese
Angaben bildeten die Grundlage für Korrelationsanalysen
und Prävalenzschätzungen. Der Pretest ergab eine ausreichend hohe Bereitschaft zur Beantwortung der Fragen zum
Sexualverhalten (Itemnonresponse < 2%).
Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung des Pretestes
zeigten, daß der Anteil an ›promisk‹ lebenden Frauen mit
erhöhtem Risiko für den Erwerb einer sexuell übertragbaren
Erkrankung (3 und mehr Sexualpartner in den letzten
5 Jahren) unter Frauen, die nicht an der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung teilnehmen, größer ist als unter Frauen,
die an der KFU teilnehmen. Dies könnte sich auf die bevölkerungsbezogenen Hochrechnungen der erregerspezifischen
Prävalenzen auswirken, doch auf Grund der hohen jährlichen
Teilnahmerate (72 %) sind die Unterschiede von untergeordneter Bedeutung und lassen sich mit dem gewählten Studiendesign (identischer Fragebogen für Pretest und Hauptstudie)
exakt kontrollieren. So wurden im Rahmen einer Strukturprüfung die Merkmale der realisierten Patientinnenstichprobe
mit denen der Bevölkerungsbefragung des Pretestes verglichen und Unterschiede in der bevölkerungsbezogenen Hochrechnung entsprechend korrigiert. Die Prüfung der
Ergebnisse der Ärztebefragung des Pretestes zeigte, daß sich
die teilnahmebereiten Ärzte im Hinblick auf Lage und Größe
der Praxis, Alters- und Risikostruktur des Patientinnenkollektivs sowie Häufigkeit bestimmter Genitalinfektionen nicht
von den nichtteilnahmebereiten Ärzten unterscheiden. Der
methodische Pretest zeigte, daß es möglich ist, die Hauptstudie wie geplant durchzuführen und belegte die Repräsentativität des Studienkollektivs.
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Die Hauptstudie wurde in den Frauenarztpraxen durchgeführt, deren Ärzte im Rahmen des Pretestes ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der geplanten Hauptstudie erklärt
hatten. Für die notwendige Strukturprüfung sind folgende
Praxismerkmale erhoben worden: Kassenscheine pro Quartal, Altersstruktur der Patientinnen, Umgebung und Lage
der Praxis.
An der Hauptstudie nahmen als Probanden 20 – 40jährige
deutschsprachige Patientinnen teil, die ihren niedergelassenen Gynäkologen zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung
(KFU) oder zu einer kontrazeptionsbedingten KontrollunInfFo 88(&
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tersuchung (KZV) aufsuchten und keine Anzeichen für das
Vorliegen einer symptomatischen Genitalinfektion boten.
Ein durch die Patientin anonym auszufüllender Fragebogen
lieferte neben Angaben zur Sozialanamnese (Alter, Nationalität, Wohnort, Familienstand, Kinder, Schulabschluß,
Erwerbstätigkeit) eine Sexualanamnese mit Informationen
über die benutzten Verhütungsmittel (aktuell und in den
letzten 5 Jahren) sowie die Anzahl der Sexualpartner (im gesamten Leben, in den letzten 5 Jahren, in den letzten
12 Monaten). Bei jeder Frau wurde im Rahmen der gynäkologischen Routineuntersuchung mit einem Baumwolltupfer
ein Endozervikalabstrich genommen. Zur größtmöglichen
Standardisierung der Probengewinnung war die Abstrichtechnik genau vorgegeben. Bis zur weiteren Probenaufbereitung, die innerhalb von ca. 3 Wochen stattfinden sollte,
wurden die Tupfer einzeln ohne weiteren Zusatz in Probenröhrchen im Kühlschrank gelagert. Die Feldarbeit begann
Mitte September 1995 und erstreckte sich über einen Zeitraum von 8½ Monaten bis Ende Mai 1996.
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Die Untersuchungen fanden im Labor der Frauenklinik der
Humboldt-Universität (Klinikum Virchow) statt. Der Erregernachweis wurde aus dem Abstrichmaterial der Endozervix mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) geführt,
einem diagnostischen Verfahren, das sich auch bei niedrigen Keimkonzentrationen durch seine hohe Spezifität und
insbesondere Sensitivität auszeichnet, da vor dem eigentlichen Erregernachweis eine Vermehrung der Krankheitskeime stattfindet.
Aus dem Abstrichmaterial wurde nach Extraktion ca. 15 µg
gereinigte DNA pro Abstrich gewonnen. Nach Denaturierung
der DNA wurden 500 ng im Reaktionsansatz, in dem die
jeweiligen HPV- und Chlamydien-Sonden enthalten waren,
eingesetzt. Anschließend folgte die Amplifikation im
Thermocycler bei 94 °C und 90 °C. Nach Strangkomplettierung bei 56 °C wurden 5 µl des PCR-Ansatzes in einem
2 % Agarosegel mit 7 V/cm elektrophoretisch aufgetrennt
und das Amplifikationsprodukt mit Ethidiumbromid visualisiert und nach seinem Molekulargewicht identifiziert.
Die Spezifität der PCR wurde durch Dot-Blot-Hybridisierung mit typenspezifischen Sonden aus dem amplifizierten
Bereich festgestellt. Dazu wurden 10 µl des PCR-Ansatzes
in der Dot-Blot-Apparatur denaturiert und durch Vakuumfiltration auf einem Filter immobilisiert. Getrocknet und fixiert wurde die DNA durch UV-Bestrahlung. Nach
Aufnahme der Membranen in Hybridisierungslösung mit
25 µg/ml Lachs-DNA und Prehybridisierung erfolgte nach
Zugabe der biotinylierten Gensonden (HPV-Consensussonde, Chlamydien-Sonde und für HPV-Subtypen spezifische
Oligonukleotidsonden) die Hybridisierung. Nach Stringenzwaschung wurden die Streifen mit einem StreptavidinAlkalische-Phosphatase-Detektionssystem entwickelt und
die Membranen visuell ausgewertet. Als zusätzliche Kontrolle wurden Tupfer mit Lachs-DNA, die von den Proben
nicht unterscheidbar waren, den untersuchenden Labors
vom Einsender zugeführt. In allen Fällen ergaben sich dabei
negative Befunde.
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An der Studie, mit der eine Ausschöpfung von 86 % erreicht
wurde, nahmen n = 83 niedergelassene Gynäkologen teil
(ca. 17 % der Grundgesamtheit). Die Praxen waren wie folgt
auf das Berliner Stadtgebiet verteilt: Im Ostteil der Stadt
lagen 53 % (n = 44) und im Westteil 47 % (n = 39) der einbezogenen Praxen. Die Umgebung wurde von 33 % als
›mittlere Wohngegend‹, von 24 % als ›zentrale bezirkliche
Lage‹ und von 18 % als ›bessere Wohngegend/obere Mittelschicht‹ gekennzeichnet. Trennt man den Niederlassungsbereich der Ärzte an Hand der ersten 3 Ziffern der Postleitzahl
in innerstädtische Gebiete und Randgebiete, haben 42 % der
befragten Ärzte ihre Praxis in der Berliner Innenstadt und
58 % in den Außen- und Randbezirken. Pro Praxis wurden
im Durchschnitt täglich ca. 47 Patientinnen behandelt und
pro Quartal ca. 1.290 Kassenscheine abgerechnet. Beim
Überblick über die Altersstruktur der Patientinnenklientel
zeigt sich, daß 42 % der Patientinnen in die studienrelevante
Gruppe der 20 – 39jährigen fallen, 24 % sind jünger und
34 % älter. Im Mittel liegt der Ausländeranteil bei 10 %. In
Abb. 1 sind die Einschätzungen der Ärzte zur Risikostruktur
und zur Häufigkeit einzelner sexuell übertragbarer Erkrankungen ihrer Klientel aufgelistet. Eine Vergleichsanalyse
der Merkmalsausprägungen zwischen Praxen, die an der
Studie teilnahmen bzw. nicht teilnahmen (Ergebnisse des
Pretestes), bestätigt die Repräsentativität der erhobenen
Befunde.
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Pro Praxis wurden im Durchschnitt n = 60 Patientinnen
für die Untersuchung rekrutiert. Es beteiligten sich
n = 5.022 Patientinnen an der Studie, von denen 46 % in
West- und 50 % in Ostberlin leben. Das Durchschnittsalter
beträgt 29,9 Jahre. Jeweils 47 % der Patientinnen sind ledig
oder verheiratet, 5 % sind geschieden und 0,3 % verwitwet.
Mit der mittleren Reife oder dem Abschluß der 10. Klasse
haben 52 % der Studienteilnehmerinnen die Schule abgeschlossen, 38 % mit dem Abitur oder Fachabitur und 7 %
mit dem Hauptschulabschluß. Es gehen 71 % der befragten
Frauen einer regelmäßigen Beschäftigung nach (Vollzeit:
58 %, Teilzeit: 13 %). Auf Grund der Überproportionalität
von Ostberlinerinnen ist der Anteil an Erwerbstätigen in dieser Studie höher als im repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt. Das Umgekehrte gilt für den Anteil an nicht
Erwerbstätigen. Von den untersuchten Patientinnen haben
44 % noch keine Kinder, 29 % haben ein Kind und 25 %
BTXcT #
haben 2 und mehr Kinder. Da Schwangere als Studienteilnehmer nicht explizit von der Studie ausgeschlossen waren,
liegt ihr Anteil mit 11,3 % weit über dem des Bevölkerungsdurchschnitts von 2,9 %. In Bezug auf die verwendeten Verhütungsmittel zeigt sich, daß die Pille (67 %) das mit
Abstand am häufigsten verwendete Verhütungsmittel ist. Es
wird von signifikant mehr Frauen in Ostberlin (74 %) als in
Westberlin (59 %) eingesetzt.
Die Angaben zum Sexualverhalten haben bei der Interpretation der Studienergebnisse als Marker für das Risiko,
an einer sexuell übertragbaren Infektion zu erkranken, eine
besondere Bedeutung. Insbesondere die Angaben zur Anzahl der Sexualpartner in den letzten 5 Jahren spielen hierbei eine besondere Rolle, da es sich bei den untersuchten
Erregern um Infektionen handelt, die häufig jahrelang persistieren, ohne Beschwerden zu machen. Wie oben bereits angedeutet, ist die Rate der Frauen, die keine Angaben zum
Sexualverhalten (Itemnonresponse) machten, mit 2%
äußerst niedrig, ein Sachverhalt, der die Erfahrungen aus
früheren Studien bestätigt. Wie aus Abb. 2 hervorgeht,
haben 61% der befragten Patientinnen im gesamten Leben
bis zu 5 verschiedene Sexualpartner gehabt. Ein Viertel der
Frauen gibt an, innerhalb der letzten 5 Jahre 3 und mehr
Partner gehabt zu haben, dies trifft für die letzten 12 Monate
noch für 5% zu.
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$ 9PWaT]2 ® X\VTbP\cT];TQT]
Die Prüfung von Strukturmerkmalen der für die Hauptstudie
rekrutierten Patientinnen zeigt keine Abweichungen, die die
Repräsentativität der Untersuchung und die der bevölkerungsbezogenen Hochrechnungen beeinflussen oder verzerren. Im
Vergleich zum repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt
weist die untersuchte Patientinnenstichprobe jedoch ein leicht
promiskeres Verhalten auf, das bei Projektion der Studienergebnisse auf die Gesamtbevölkerung zu etwas niedrigeren
Prävalenzwerten führt (vgl. Abb. 3 und Abb. 4).
AczgR]V_kcReV_g`_4Y]R^jUZV_f_U9AG:_WV\eZ`_V_
Im Studienkollektiv wurde eine Chlamydien-Prävalenz von
3,6 % und eine HPV-Prävalenz von 19,7 % ermittelt. Die
Prävalenz für HPV Typ 16, der auf Grund seiner hohen
Assoziation zum Zervixkarzinom als High-risk-Typ einzustufen ist, liegt bei 5,2 %. In 52 Proben (1 %) lassen sich
sowohl Chlamydien wie auch humane Papillomaviren nachweisen. Die HPV-Prävalenz ist unter Chlamydien-positiven
InfFo 88(&
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?PcXT]cX]]T]bcXRW_a^QT
(28 %) signifikant höher als unter Chlamydien-negativen
(19 %). Ebenso ist die Chlamydien-Prävalenz unter HPV-positiven (5 %) signifikant höher als unter HPV-negativen (3 %).
Die Analyse der Prävalenzraten für Chlamydien in Abhängigkeit von unterschiedlichen möglichen Prädiktoren zeigt,
daß neben der Anzahl von Sexualpartnern in den letzten
5 Jahren auch das Alter der Patientin, der Familienstand, die
Anzahl geborener Kinder Indikatoren sind, die Rückschlüsse
auf eine mögliche Infektion zulassen. Die Risikopatientin ist
demnach wie folgt charakterisiert: 20 – 24jährige, ledige,
kinderlose Frau, die in den letzten 12 Monaten 2 oder mehr
Sexualpartner hatte. Die Prävalenzraten nehmen mit steigendem Alter stark ab und nehmen umgekehrt mit steigenden
Sexualpartnerzahlen deutlich zu.
Prüft man die Prädiktoren der HPV-Infektionen, für die in
Gesamtberlin eine Prävalenz von knapp 20 % ermittelt wird,
fällt auf, daß analog zur Chlamydien-Prävalenz das Alter
(20 – 29 Jahre), der Familienstand (ledig) und insbesondere
die Anzahl der Sexualpartner von Bedeutung sind. Zusätzlich fällt jedoch auf, daß nichtdeutsche Frauen (24 %) höhere
Infektionsraten zeigen als deutsche Frauen (19 %) und kinderlose Frauen (24 %) höhere als Frauen, die bereits Kinder
geboren haben (17 %). In bezug auf den HPV Typ 16 werden
als Risikofaktoren neben dem Alter der Familienstand
(ledig) und die Anzahl der Sexualpartner ausgewiesen, allerdings tragen hier die 25 – 29jährigen das größte Risiko.
Die bivariate Analyse der Chlamydien-Prävalenz in Abhängigkeit von Alter und Familienstand zeigt eindrucksvoll,
daß unabhängig vom Familienstand die höchsten Prävalenzraten in der jüngsten Altersgruppe unter den 20 – 24jährigen
gemessen werden. Die Infektionsraten sind sowohl bei
Ledigen wie auch bei Verheirateten nahezu doppelt so hoch
wie in den höheren Altersgruppen (siehe Abb. 4).
Die dargestellte Altersabhängigkeit bestätigt sich in bezug auf die HPV-Infektionsrate nicht (siehe Abb. 5), da hier
der Familienstand von größerer Bedeutung ist. In der jüngsten Altersgruppe werden zwar auch die höchsten Prävalenzen bestimmt, allerdings haben in allen Altersgruppen
Geschiedene höhere Infektionsraten als Ledige und diese
wiederum höhere als Verheiratete.
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Das multiple Regressionsmodell stellt das Standardmodell
für den Zusammenhang zwischen einer einzigen Kriteriumsvariable (hier: positiver Laborbefund) und mehreren Prädiktorvariablen dar. Im Rahmen der logistischen Regressionsanalyse
werden diejenigen unabhängigen Variablen ausgewählt, die
die Ausprägung des Außenkriteriums maßgeblich beeinflussen. Auf der ersten Ebene liefert die Analyse die Variable
mit dem höchsten Erklärungswert, auf der zweiten Ebene
kommt die Variable hinzu, die in Kombination mit der ersten
Prädiktorvariablen einen weiteren Erkenntnisgewinn liefert.
Dieses Vorgehen wird solange durchgeführt, bis durch die
Hinzunahme einer weiteren Variablen kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn mehr gegeben ist.
Die Ergebnisse der Regressionsanalyse können zusätzlich
für die bevölkerungsbezogenen Hochrechnungen genutzt
werden, da für Probanden ohne bekanntes Laborergebnis
(repräsentative Stichprobe des Pretestes) dieses Ergebnis
unter Zuhilfenahme der Hauptprädiktoren vorhergesagt
werden kann.
Exemplarisch werden hier die Analyse-Ergebnisse für die
Chlamydien-Infektion detailliert beschrieben. Für die Chlamydien-Infektion ermittelt die logistische Regression als
BTXcT $
?axeP[T]iVT]XcP[Ta7?Ed]S2W[P\hSXPcaPRW^\PcXb8]UTZcX^]T]
wichtigsten Prädiktor die ›Anzahl der Sexualpartner in den
letzten 5 Jahren‹, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ab der Anzahl von 2 und mehr Partnern zunimmt. Als
weiteren Prädiktor liefert die Analyse die ›Altersgruppe‹; so
ist bei 20 – 24jährigen die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Infektion mehr als doppelt so hoch wie in anderen
Gruppen. Eine zusätzliche Variable mit Erklärungswert ist
die ›Stadthälfte‹. Die Wahrscheinlichkeit einer ChlamydienInfektion ist bei Ostberlinerinnen erhöht und bei Westberlinerinnen erniedrigt (siehe Abb. 6).
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Der wichtigste Prädiktor für eine HPV-Infektion ist nach logistischer Regressionsanalyse ebenfalls die ›Anzahl der Sexualpartner in den letzten 5 Jahren‹. Einen weiteren
Erkenntnisgewinn erhält man in absteigender Reihenfolge
durch die ›Anzahl der Sexualpartner im gesamten Leben‹,
den ›Familienstand‹, die ›Altersgruppe‹, die ›Nationalität‹
und die ›Anzahl der Sexualpartner in den letzten
12 Monaten‹.
Für eine Infektion mit HPV Typ 16 ermittelt die Analyse
als Hauptprädiktor erwartungsgemäß ebenfalls die Variable
›Anzahl der Sexualpartner in den letzten 5 Jahren‹, und auf
der nächsten Ebene kommt die ›Altersgruppe‹ als zusätzliche
Variable mit Erkenntnisgewinn hinzu. Eine zusätzliche Variable kann die Abschätzung der Infektionswahrscheinlichkeit
nicht weiter verbessern.
DVX^V_eReZ`_dgVcWRYcV_
Die Segmentationsanalyse untersucht die Ausprägung einer
Variablen und prüft, durch welche weiteren Merkmale sich
diese Variable am besten erklären läßt. Dazu werden die
Elemente (hier: Patientinnen) derart in einzelne Gruppen
(Segmente) aufgeteilt, daß sich die entstehenden Teilgruppen durch möglichst große Unterschiede in TX]Taabhängigen
BTXcT %
Variablen (hier: positiver Laborbefund) auszeichnen. Mit
einer Reihe von erklärenden (aktiven) Variablen, die als potentielle Prädiktoren die Ausprägung der Zielvariablen beeinflussen, werden die unterschiedlichen Segmente gebildet.
Das verwendete Computer-Programm CHAID (Chi-squared
Automatic Interaction Detector) Version 6.0 von SPSS
arbeitet so, daß im ersten Schritt die Untersuchungspopulation anhand eines vom Programm ausgewählten Prädiktors
und einer vom Programm ausgewählten Ausprägung in zwei
oder mehr Subpopulationen unterteilt wird. Die gebildeten
Gruppen unterscheiden sich in Bezug auf die Anteilswerte
der Zielvariablen (positiver Laborbefund) größtmöglich.
Für jede Teilgruppe (Segment) liefert das Programm die
Definition, den Anteil der Zielvariablen und die Anzahl der
Fälle (absolut). Nach demselben Verfahren werden die Subpopulationen in immer kleinere Teilmengen zerlegt, bis die
festgelegten Abbruchkriterien erreicht sind.
Die Ergebnisse der Segmentationsanalyse werden im folgenden detailliert für die HPV-Infektion beschrieben. Der
vom Programm ausgewählte Prädiktor der ersten Analyseebene, der die Population in möglichst unterschiedliche
Gruppen im Hinblick auf das Vorliegen einer HPV-Infektion trennt, ist die ›Anzahl der Sexualpartner in den letzten
5 Jahren‹ (vgl. Abb. 7). Es werden 5 unterschiedliche Gruppen gebildet. In der Gruppe mit Frauen ohne Sexualpartner
ist die HPV-Prävalenz mit 1,5% äußerst niedrig und in der
Gruppe mit einem Partner (11,6%) halb so hoch wie im
Durchschnitt (19,7%). Unter den Frauen mit 6 und mehr
Partnern ist die Infektionsrate doppelt so hoch wie im
Durchschnitt (39%). Auf der nächsten Erklärungsebene
kommen für 4 der 5 Subpopulationen jeweils verschiedene
Variablen hinzu, die die Wahrscheinlichkeit einer Infektion
noch besser abschätzen lassen. In den Gruppen mit geringen
Partnerzahlen in den letzten 5 Jahren (1 oder 2 Partner) ist
der zusätzliche Prädiktor auf der zweiten Ebene die Anzahl der
Sexualpartner im gesamten Leben, wobei die Prävalenz in den
Untergruppen mit bis zu 5 Partnern sinkt und in den Gruppen
mit mehr Partnern ansteigt. In der Gruppe mit 3 – 5 Partnern in
den letzten 5 Jahren kommt als zusätzliche Variable der
Familienstand hinzu. Bei ledigen oder getrennt lebenden
Frauen sind die Infektionsraten nahezu doppelt so hoch wie
unter Verheirateten. In der Subpopulation mit 6 und mehr
Partnern ist eine weitere Differenzierung der Infektionswahrscheinlichkeit durch das Alter möglich. Die HPVPrävalenz ist bei Frauen bis zum 29. Lebensjahr mit 45%
deutlich höher als bei Frauen ab 30 Jahren (28%).
Für die Chlamydien-Infektion ist auch im Segmentationsverfahren die Variable mit der höchsten Trennschärfe die
›Anzahl der Sexualpartner in den letzten 5 Jahren‹, und auf
der nächsten Ebene kommt zur besseren Abschätzung die
Variable ›Alter‹ hinzu.
Erwartungsgemäß ist auch für die Prävalenzbestimmung
von HPV Typ 16 der Hauptprädiktor die ›Anzahl der Sexualpartner in den letzten 5 Jahren‹. Mit steigenden Partnerzahlen
nimmt die Infektionsrate linear zu (vgl. Abb. 8). Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn auf der nächsten Ebene ist nur bei
einer der 5 Untergruppen (Anzahl der Sexualpartner: 2)
durch eine weitere Auftrennung der Subpopulation über die
Variable ›Erwerbstätigkeit‹ möglich.
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In der angeschlossenen bevölkerungsbezogenen Hochrechnung wurde auf der Grundlage der bevölkerungsbezogenen
Erhebung im Vorfeld (Pretest) die Prävalenz der untersuchten
Erreger in der weiblichen deutschsprachigen 20 – 39jährigen
Bevölkerung in Berlin und der Bundesrepublik Deutschland
ermittelt. In Abb. 9 sind die Werte für die Hochrechung aufgeführt, die auf der Basis der Ergebnisse der logistischen
Regression berechnet wurden. Bei dieser Auswertung wurden
neben dem Alter weitere entscheidende Prädiktoren wie
z. B. das Sexualverhalten berücksichtigt. Die ermittelten
Prävalenzen umfassen dabei noch nicht die diagnostizierten
und ggf. therapierten Infektionen. Die Infektionsraten für die
Bundesrepublik wurden unter der Voraussetzung berechnet,
daß sich das Sexualverhalten der in die Untersuchung eingeschlossenen Berlinerinnen nicht vom bundesrepublikanischen Durchschnitt unterscheidet. Da das Infektionsrisiko für eine sexuell übertragbare Erkrankung in
Großstädten wie Berlin jedoch höher ist als im Bundesdurchschnitt, sind die berechneten Prävalenzen für die BRD sicherlich etwas zu hoch.
DTY]f–W`]XVcf_XV_
Erstmals wurden mit dieser Studie die Infektionsraten für
Chlamydien und humane Papillomaviren in einer repräsentativen Stichprobe der Normalbevölkerung untersucht. Die
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W^RWaTRW]d]V
Höhe der gemessenen Prävalenzen bestätigt die große epidemiologische Bedeutung der untersuchten sexuell übertragbaren Erreger.
Unter präventivmedizinischen Gesichtspunkten ist es
möglich, durch den Nachweis von HPV Typ 16 eine Gruppe
von Frauen einzugrenzen, die ein erhöhtes Risiko aufweist,
an einer zervikalen Dysplasie oder einem Zervixkarzinom
zu erkranken, und diese gegebenenfalls engmaschig zu kontrollieren. Darüber hinaus könnte die HPV-Diagnostik im
Rahmen der Krebsfrüherkennungsuntersuchung als zusätzlicher oder eventuell alternativer Risikoindikator genutzt
werden.
Vor allem bei Jugendlichen und jungen Frauen muß beim
vermuteten oder gesicherten Vorliegen der genannten Risikofaktoren eine Untersuchung auf Chlamydien in Erwägung
gezogen werden.
Unter wissenschaftlichen Aspekten könnte bei Fortführung der Studie als Kohortenstudie vor allem die Inzidenz
von HPV bestimmt und die Häufigkeit und Schwere einer
zervikalen Dysplasie bei bestehender HPV-Infektion ermittelt werden. Auf Grund der Karzinogenität von HPV sollte
ein weiterer wichtiger Forschungsschwerpunkt die Evaluation der Therapiemöglichkeiten von HPV-Läsionen sein.
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SdaRWPdbidXaaT_PaPQ[T]5^[VTbRWxST]UWaT]ZP]]
Schon vor mehr als 100 Jahren beobachtete Noeggerath einen deutlichen Zusammenhang zwischen sexuell übertragenen Erkrankungen (sexually transmitted diseases – STD)
und ungewollter Kinderlosigkeit: ››About ninety percent of
sterile women are married to husbands who have suffered
from gonorrhoea either previous to or during married life‹‹
und publizierte diese Beobachtung im Jahr 1877. Heutzutage ist die Häufigkeit der Gonorrhoe in westlichen Industrieländern deutlich zurückgegangen. Eine Infektion mit
Chlamydia trachomatis wird als die häufigste bakterielle
sexuell übertragene Erkrankung (STD) in Industrieländern
angesehen. !#
Die Häufigkeit von Infektionen mit Chlamydia trachomatis
beträgt ca. 4 Millionen Erkrankungen pro Jahr in den USA
mit geschätzten Kosten von 2 – 3 Milliarden US $ pro Jahr.
Außer den direkt durch die akute Erkrankung verursachten
Kosten sind Arbeitsausfall und spätere Kosten durch langwierige Sterilitätstherapie (z. B. In-vitro-Fertilisation, IVF)
zu berücksichtigen. !%
Durch Chlamydia trachomatis (Serovar D – K) verursachte
Erkrankungen bei der Frau sind z. B.:
Urethritis
Cervicitis
Endometritis
pelvic inflammatory
Salpingitis
disease (PID)
Peritonitis
Proktitis
Periappendicitis
Perihepatitis
Konjunktivitis
Arthritis
Für den Kinderwunsch besonders bedeutsam ist die
Adnexitis und aszendierende Infektion des kleinen Beckens
bzw. die sogenannte pelvic inflammatory disease (PID).
Beim Mann durch Chlamydia trachomatis (D – K) verursachte Erkrankungen sind z. B.:
Urethritis
Epididymitis
Infektionen der akzessorischen
Prostatitis
Sexualdrüsen
Konjunktivitis
Arthritis
Infektionen der akzessorischen Sexualdrüsen sind von
besonderer Relevanz für die spätere Fertilität.
Bei Erkrankung mit Chlamydia trachomatis in der
Schwangerschaft besteht möglicherweise ein Zusammenhang mit der Frühgeburtlichkeit, der jedoch umstritten ist,
BTXcT '
zum Beispiel durch Auslösung vorzeitiger Wehen, eines
vorzeitigen Blasensprungs, Geburt von Kindern mit geringerem Geburtsgewicht und höherer perinataler Morbidität.
Die Bedeutung von Chlamydien-Infektionen für die Endometritis post partum sowie die Endometritis post abortum
wurde nachgewiesen. !$&
Außer der sexuellen Transmission von Chlamydia trachomatis ist die peripartale Übertragung bei der Geburt
von der Mutter auf das Kind von großer Bedeutung, die in
ca. 60 – 70 % bei infizierten Müttern angenommen wird.
Folgen der peripartalen Übertragung sind z. B.:
Einschluß-Konjunktivitis beim Neugeborenen
(5. – 15. Lebenstag)
Atemwegserkrankungen
late onset Pneumonie
(3. Lebenswoche – 3. Lebensmonat)
Spätkomplikationen:
obstruktive Atemwegserkrankungen ' !
In Hinblick auf weitere durch Chlamydia trachomatis verursachte Erkrankungen ist von Bedeutung, daß ca. 1 – 3 %
aller Chlamydien-infizierten Personen als Komplikation eine
Chlamydien-induzierte reaktive Arthritis (CIA) entwickeln.
Diese kann sich z. B. als aseptische Synovitis mit Befall
besonders größerer Gelenke der unteren Extremität sowie
einer Sakroiliitis äußern. Der Symptomkomplex von
Urethritis, Konjunktivitis und Uveitis ist auch als Morbus
Reiter bekannt. Die meisten Patienten mit Chlamydien-induzierter reaktiver Arthritis sind jedoch urogenital asymptomatisch. "
3VUVfef_Xg`_4Y]R^jUZRecRTY`^ReZd
:_WV\eZ`_V_WcUZV7VceZ]Zeze
Genitalinfektionen der Frau und des Mannes können schwerwiegende Konsequenzen, z. B. Subfertilität oder Sterilität
nach sich ziehen. Die genitale Infektion mit Chlamydia trachomatis stellt die häufigste Ursache für die pelvic inflammatory
disease (PID) der Frau dar, deren Folge häufig eine Beeinträchtigung der Tubenfunktion ist. Eine nicht oder inadäquat
behandelte PID kann auch Ursache chronischer Beschwerden
im kleinen Becken sein.
Von den möglichen Sterilitätsursachen stellt der pathologische Tubenfaktor neben endokrinologischen und andrologischen Faktoren einen der wichtigsten Sterilitätsfaktoren
dar. Die Häufigkeit eines pathologischen Tubenfaktors betrug
im unselektierten Patientengut bei langjährig unerfülltem
Kinderwunsch unserer Kinderwunschsprechstunde 33 %. #
InfFo 88(&
2W[P\hSXPcaPRW^\PcXb8]UTZcX^]T]d]S5TacX[Xcxc
Abgesehen von der Inhibition der Fertilisierung unter Invivo-Bedingungen durch Tubenverschluß geht eine Infektion
mit Chlamydia trachomatis mit einem signifikant größerem
Risiko (5 – 7 ×) für eine Extrauteringravidität (EUG) einher.
Eine EUG stellt eine sehr wichtige Ursache der mütterlichen
Morbidität und Mortalität dar. Als Folge einer EUG ist die
Fertilität oft herabgesetzt. !#$ $
Ergebnisse umfassender Follow-up-Studien in Schweden
zeigen, daß das Risiko für spätere Fertilitätsstörungen
ca. 15 % (bis 25 %) nach einer Episode einer PID beträgt,
das Risiko für spätere Sterilität aufgrund von tubaren postinflammatorischen Veränderungen verdoppelt sich mit jeder
weiteren Episode einer PID. $
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle verläuft eine
Infektion mit Chlamydia trachomatis asymptomatisch.
Auch im eigenen Patientengut konnte anläßlich eines mikrobiellen Screenings bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch festgestellt werden, daß sich nur 5,5 % der Männer
an eine frühere Infektion im Genitalbereich erinnern konnten.
Es bestand kein diesbezüglicher signifikanter Unterschied
bei Patienten mit nachgewiesenen Antikörpern gegen Chlamydien (Chlam-AK) in Sperma gegenüber Männern mit negativer Chlamydien-Serologie. % Auch bei Patientinnen mit
hohen Chlam-IgG-AK-Titern fanden sich anamnestische
Hinweise auf eine frühere Adnexitis in weniger als 15 % der
Frauen. & Im größtenteils asymptomatischen Verlauf einer
Infektion mit Chlamydia trachomatis zeigt sich die besondere Gefahr dieser Erkrankung, da es so unbemerkt zur
sexuellen Transmission dieses bedeutsamen Pathogens
kommen kann.
In einigen Fällen liegen auch nur sehr diskret ausgeprägte
Symptome vor – oft übersehene Zeichen, die auf eine Chlamydia-trachomatis-Infektion hindeuten können, z. B.:
leichte Verletzlichkeit der Zervix
friable cervix
diskreter Fluor
postcoitales spotting
unklare Blutungsstörungen
Zwischenblutungen
geringe Dysurie
›Reizblase‹
›Urethralsyndrom‹
leichtes ›Ziehen‹ im Unterbauch
Hinweise auf eine frühere Chlamydien-Infektion finden sich
häufig bei Patienten mit langjährig unerfülltem Kinderwunsch.
Ein serologisches Screening, das bei 1.303 subfertilen Paaren
gleichzeitig bei beiden Partnern durchgeführt wurde, bei denen
der unerfüllte Kinderwunsch im Median 4 (Range 1 – 21)
<P]])2W[P\0:8V6
Jahre bestand (Alter der Frauen im Median 30 (Range 22 – 44)
Jahre, das der Männer 33 (21 – 53) Jahre), ergab erhöhte
Chlam-IgG-AK (Serumtiter ≥ 1:256) bei mehr als 20 % der
Frauen und 13 % der Männer (Tab. 1). Alle Patienten waren
asymptomatisch im Hinblick auf eine Genitalinfektion. Die
Untersuchungen waren eingebettet in eine detaillierte Basisdiagnostik zur Sterilitätsabklärung, die außer Anamnese und
klinischer Untersuchung beider Partner die detaillierte
Abklärung des endokrinologischen Faktors, des Zervixfaktors sowie des Tubenfaktors umfaßte, der durch Hysterosalpingographie (HSG) und/oder Chromolaparoskopie
abgeklärt wurde. Dabei zeigte sich, daß die Ergebnisse der
Chlamydien-Serologie in signifikantem Zusammenhang mit
dem Tubenfaktor der Frau standen (p < 0.0001). Pathologische Tubenveränderungen fanden sich bei mehr als der
Hälfte der Frauen mit hohen Chlam-AK-Titern. Außerdem
ergab sich, daß eine positive Chlamydien-Serologie beim
Mann, bedingt durch häufigeres Auftreten von Chlam-AK
in Partnerschaften, signifikant mit tubarer Pathologie bei
den Partnerinnen assoziiert war. # Dadurch bedingt, war die
Schwangerschaftsrate im Falle von hohen Chlam-IgG-AKTitern signifikant niedriger als beim Vergleichskollektiv. '
Der signifikante Zusammenhang einer früheren Chlamydien-Infektion der Frau mit einem Tubenfaktor als Sterilitätsursache ist in Übereinstimmung mit Untersuchungen, die an
kleineren Kollektiven in verschiedenen europäischen Ländern sowie den USA und Kanada durchgeführt wurden. '!$
Obwohl generell bei der Chlamydien-Serologie mit Routinemethoden die mangelnde Species-Spezifität zu beachten
ist !% und eine Diskrepanz zwischen serologischen Ergebnissen als Indikator eines möglicherweise sehr lange zurückliegenden Kontaktes mit diesen Mikroorganismen !& und dem
Direktnachweis von Chlamydia trachomatis in Geweben
oder Sekreten des Genitaltraktes besteht # &, zeigen die Ergebnisse, daß sich bei deutlichem Hinweis auf eine frühere
Chlamydien-Infektion pathologische Tubenveränderungen
bei mehr als der Hälfte der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch nachweisen lassen. Selbstverständlich schließt eine
negative Chlamydien-Serologie einen pathologischen Tubenfaktor nicht aus, der z. B. auch durch entzündliche
Unterleibserkrankungen anderer Genese oder eine Endometriose bedingt sein kann.
Wie sieht es nun bezüglich Infektionen des Mannes mit
Chlamydia trachomatis im Hinblick auf die Fertilität aus?
Es ist gesichert, daß die Übertragung dieser Mikroorganismen im Rahmen der ›assistierten Reproduktion‹ möglich ist,
z. B. bei Inseminationen (IUI); dies ist besonders bedeutsam
bei heterologer Insemination. !'!( Eine Übertragung von
Chlamydia trachomatis ist auch nach Kryokonservierung
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des Spermas möglich. " Da eine Adhäsion von Chlamydia
trachomatis an Spermatozoen möglich ist, wie z. B. von
Wöllner-Hanssen and Mardh " gezeigt wurde, werden diese
Chlamydien auch als bacterial hitchhikers bezeichnet. Über
die Bedeutung einer Infektion mit Chlamydia trachomatis
für die Fertilität des Mannes ist, abgesehen von dem nachgewiesenen Zusammenhang mit einer schlechteren Tubenfunktion der Frau und dadurch bedingt geringerer
Schwangerschaftsrate beim Paar, bisher noch nicht viel
bekannt.
Es wird angenommen, daß eine Chlamydia-trachomatisInfektion im männlichen Genitaltrakt zu Verklebungen der
samenableitenden Wege führen und somit Ursache einer
Verschluß-Azoospermie sein kann. Eine Azoospermie findet
sich bei Patienten mit unerfülltem Kinderwunsch jedoch
relativ selten. Bei umfangreichen Untersuchungen bei unselektierten asymptomatischen Männern aus subfertilen
Partnerschaften ergab sich kein Zusammenhang zwischen
dem Nachweis von Chlam-IgG-AK im Serum und den Parametern des Spermiogramms, wie z. B. Ejakulat-Volumen,
Spermienanzahl, Progressivmotilität und Spermienmorphologie, auch unter Berücksichtigung verschiedener Morphologie-Klassifikationen zur Qualitätsbeurteilung. % '"! Es
fand sich auch kein Zusammenhang zwischen positiver
Chlamydien-Serologie und dem Ausfall des PostcoitalTestes (PCT) sowie den Resultaten des standardisierten in
vitro Spermien-Cervixmucus-Penetrationstestes (SCMPT)
sowohl im Hinblick auf die Migrationsfähigkeit der Spermien
im Cervixmucus (CM) der Partnerin wie auch im gekreuzten
Testansatz mit Donor-CM (gekreuzter SCMPT). # Ergebnisse
eines serologischen Screenings bei asymptomatischen subfertilen Patienten ergaben auch keine signifikante Assoziation
von Chlam-IgA-AK im Ejakulat (Seminalplasma) mit einer
Reihe von potentiellen Markern einer subklinischen Genitalentzündung oder -infektion, wie z. B. der Leukozytenanzahl
im Sperma bzw. der Ratio der immunzytochemisch identifizierten Leukozyten an den sog. Rundzellen im Ejakulat,
der PMN-Elastase, oder der Komplementfraktion C3 %. Es
bestand außerdem kein Zusammenhang zwischen positiver
Chlamydien-Serologie und der Konzentration von Interleukin (IL) 6 und IL 8 im Seminalplasma. Eine Assoziation
von antichlamydialem IgA in männlichen Genitalsekreten
und eine (überschießende) immunologische Reaktion auf
das 60kD heat shock protein (HSP60) als infektionsrelevanter
Vertreter der sog. ›Streßproteine‹ ist Gegenstand derzeitiger
Forschung """#, wie auch die Rolle des HSP60 für einen
chronischen Verlauf der Erkrankung.
Ein möglicher Zusammenhang einer Chlamydien-Infektion
des Mannes mit der Induktion von Antispermatozoen-Autoantikörpern (ASA) durch Immunstimulation, ›immunologische Triggerung‹, ist umstritten. "$"% # Im eigenen
Patientengut korrelierten Chlam-IgG-AK im Serum von
subfertilen Patienten nicht mit ASA im Serum ' und standen
ebenfalls nicht im signifikanten Zusammenhang mit den
lokalen Sperma-AK im Ejakulat, die durch die mixed-antiglobulin reaction (MAR) (im parallelen Ansatz für MARIgG und MAR-IgA) nachgewiesen wurden. "& Es fand sich
ebenfalls keine signifikante Relation zwischen antichlamydialem IgA im Sperma und dem Ausfall des MAR.
BTXcT Aussagekräftige Follow-up-Studien bei eindeutig nachgewiesener genitaler Chlamydia-trachomatis-Infektion des
Mannes im Hinblick auf die spätere Fertilität fehlen bislang.
Die Evaluierung eines möglichen Zusammenhangs einer
Chlamydia-trachomatis-Infektion des Mannes mit der Fertilität ist insbesondere deshalb schwierig, da der Direktnachweis im Ejakulat bisher sehr problematisch war. Die
Zellkultur (z. B. McCoy-Zellkultur), die z. B. im Hinblick
auf Zervix- und Urethral-Abstriche als der golden standard
betrachtet wurde, ist für die Untersuchung des Spermas
nicht geeignet durch Wirkung bestimmter Seminalplasmabestandteile auf die Zellkultur und dadurch bedingter
Artefakte. "' Antigen-Nachweis-Verfahren, z. B. durch direkte Immunfluoreszenz (IF), haben oft den Nachteil einer
geringen Sensitivität, wohingegen von den AmplifikationsVerfahren, wie z. B. der polymerase-chain-reaction (PCR)
oder der ligase-chain-reaction (LCR) eine wesentlich höhere Sensitivität aufgrund bisheriger Untersuchungen in Abstrichen und Urin angenommen wird. "(##
AczgR]V_kg`_4Y]R^jUZRecRTY`^ReZd
Die Prävalenz von Chlamydia trachomatis wird stark beeinflußt vom Alter – der Altersgipfel findet sich im Alter von
20 ± 3 Jahren –, von demographischen Faktoren, der Promiskuität, der Patientenauswahl (Symptome oder nicht) und der
Art des Untersuchungskollektives (STD-Klinik, gynäkologisch-geburtshilfliche Klinik, Sterilitätssprechstunde, familyplanning clinic, Privatpraxis). Insbesondere die starken Unterschiede des jeweils berücksichtigten Patientenkollektivs
führen zu stark abweichenden Angaben der Prävalenz dieser
für die Fertilität wichtigen Mikroorganismen in der
Literatur. !&#$#% Als Beispiele seien genannt: die zervikale
Prävalenz bei den Prostituierten in New York mit einer Rate
von 25,3 % positiver Ergebnisse der McCoy-Zellkultur bei
300 untersuchten Frauen, dabei in der Subgruppe der Prostituierten aus Asien (n = 102) mit 32,3 % noch höher. #& In
einer Multicenter-Studie aus den USA, die Frauen aus STDund gynäkologisch-geburtshilflichen Kliniken einschließlich Patienten aus der Notaufnahme umfaßte, mit einer Rate
von 39 % symptomatischer Patientinnen wurde Chlamydia
trachomatis in insgesamt 10,9 % aller Fälle nachgewiesen
(234/2.132). Die Sensitivität der LCR lag hier deutlich über
der der McCoy-Zellkultur, die insgesamt eine Rate von
7,1 % positiver Fälle (152/2.132) erfaßte. # In STD-Kliniken
werden Raten von 8 – 35 % angegeben. Die Prävalenzraten
liegen deutlich höher bei Frauen mit nachgewiesener mucopurulenter Cervicitis aus STD-Kliniken mit über 40 % positiver Ergebnisse. !#' Bei einem Screening bei ausgewählten
High-risk-Patientinnen in den USA, untersucht durch McCoyZellkultur, wird über insgesamt 7 % positiver Befunde
berichtet. #( Ein generelles Screening in Schweden (1993)
ergab eine Prävalenz von 3,2 % bei mehr als 10.000 untersuchten Frauen. $ Aus Deutschland liegen bisher erst wenige
Ergebnisse vor. Bei einem Screening mittels LCR im Urin
von über 2.000 Frauen, von denen mehr als die Hälfte
schwanger waren, sowie 1.581 der jeweiligen Partner waren
2,8 % der Frauen (74/2.655) positiv für Chlamydia trachomatis im Urin und 3,7 % der Männer (58/1.581). Aufgeschlüsselt im Hinblick auf das Alter fanden sich ChlamydiaInfFo 88(&
2W[P\hSXPcaPRW^\PcXb8]UTZcX^]T]d]S5TacX[Xcxc
trachomatis-positive Urinproben bei 3,8 % der Frauen unter
30 Jahren (51/1.348) und bei 1,8 % (23/1.307) der Frauen
≥ 30 Jahre, bei den Männern in 6,0 % (34/564) bei einem
Alter unter 30 Jahren und 2,4 % (24/1.017) bei Männern
≥ 30 Jahre. Leider ist in dieser Freiburger Studie kein Vergleich mit Zervix- bzw. Urethral-Abstrichen möglich. $
Generell die niedrigsten angegebenen Prävalenzen für
Chlamydia trachomatis finden sich bei Patienten/innen mit
langjährig unerfülltem Kinderwunsch, die aufgrund ihres
Alters meistens deutlich über dem Altersgipfel für diese
Erkrankung liegen, die in einer stabilen Partnerschaft leben
und die auch aufgrund anderer demographischer Faktoren
als Low-risk-Population angesehen werden können. In dieser
Gruppe werden in der Literatur bei Frauen Raten von 0 – 2 %
angegeben, beispielsweise von Kane et al. !! (0/164), von
Sellors et al. !" (0/265) oder von Nagel et al. !( 0,4 % (2/522).
Bei asymptomatischen Patienten der Kinderwunschsprechstunde in Heidelberg ergab sich eine Prävalenzrate von
0,8 % (8/1.067) mittels Untersuchung von endozervikalem
Material in der McCoy-Zellkultur. # Jedoch auch bei parallelem Screening beider Partner mittels LCR zum Nachweis
von Chlamydia trachomatis (endozervikale Abstriche der
Frau, Sperma des Mannes und Urin (first void urine, FVU)
beider Partner) lag die Prävalenz mit < 2 % in diesem Kollektiv niedrig (3/177 Paare). Es zeigte sich in dieser prospektiven Untersuchung auch, daß durch alleinige
Untersuchung des Urins mit Amplifikationsmethoden nicht
alle positiven Fälle erfaßt werden. Bei den Zervix-Abstrichen
lag die Sensitivität der LCR über der der McCoy-Zellkultur.
Weitere Nachteile der Zellkultur sind, daß sie nicht überall verfügbar und speziell ausgestatteten Labors vorbehalten
ist. Die Problematik beim Transport des Untersuchungsmaterials muß berücksichtigt werden, die Kosten der Methode,
die erforderliche Erfahrung und die Zeitdauer bis zum
Testergebnis. "( Beim Mann ist ein Urethral-Abstrich erforderlich, während Urin und Sperma hierfür nicht geeignet sind. "'
Beim Vergleich von LCR mit anderen Methoden (EIA, Zellkultur) bei 447 Frauen einer family planning clinic in
Schweden (Altersmedian 24,2 Jahre) berichten Bassiri et al.
über 2 % positiver Ergebnisse (9/447) bei Zervix-Abstrichen, die in der Zellkultur untersucht wurden, im Gegensatz
zu 0,7 % positiven Befunden (3/447) bei mittels EIA untersuchten Urinproben (3,1 % (14/447) bei Urinuntersuchung
mittels LCR). $! Ein Vergleich von Amplifikationsverfahren
mit anderen Methoden aus den USA bei insgesamt 1.937
untersuchten Zervix-Abstrichen größtenteils symptomatischer Patientinnen ergab 5,4 % (104/1.937) positive Ergebnisse in der McCoy-Zellkultur, die mittels LCR getesteten
Urinproben waren in 7,7 % positiv (150/1.937). $" In einer
Untersuchung aus London (Genitourinary Medicine Clinic)
erwiesen sich 3,2 % (79/600) der Patientinnen als positiv für
Chlamydia trachomatis, dabei wurden in der Zervixkultur
68,4 % dieser positiven Fälle entdeckt, durch die Kultur von
Urethral-Abstrichen 62,0 %, durch beide Verfahren (Zervixund Urethral-Abstriche) 87,3 %, wobei hier die Ergebnisse
der Mehrfachpassage in der McCoy-Zellkultur zugrunde
gelegt wurden. Die Raten lagen niedriger, wenn nur eine
Passage durchgeführt wurde. Chlamydien wurden häufiger
entdeckt, wenn Zervix-Abstriche mittels LCR untersucht
InfFo 88(&
wurden (81,0 % der positiven Patientinnen), im Urin wurden
dabei 69,0 % der positiven Fälle entdeckt und bei Kombination von Zervix- und Urinuntersuchung 91,1%. #
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Als Risikofaktoren für eine Chlamydia-trachomatis-Infektion gelten:
Alter unter 24 Jahren
die Anzahl der Sexualpartner
(> 1 Partner in den letzten 6 Monaten)
andere STD
leicht induzierbare zervikale Blutung
Zervixerythem oder -ödem
mucopurulenter Fluor
(≥ 10 PMN-Leukozyten/HPF (× 1000)
(swab-test – weißer Tupfer gelb)
Als einfaches klinisches Verfahren zur Erkennung eines
mucopurulenten Fluors gilt der swab-test, bei dem ein in die
Zervix eingeführter weißer Tupfer gelb erscheint. $#
Infektionen mit Chlamydia trachomatis sind insbesondere
deshalb für die Fertilität bedeutsam, weil eine In- oder Subfertilität, die mit einer sexuell übertragenen Erkrankung assoziiert ist, erworben und somit potentiell vermeidbar ist. Es
sollte immer im Rahmen der gynäkologischen und urologischen Untersuchung an eine Infektion mit diesen Mikroorganismen gedacht werden, insbesondere bei jüngeren
Patienten und bei Patienten mit den erwähnten Risikofaktoren.
Diskret ausgeprägte Symptome werden viel zu oft übersehen. Der Nutzen genereller Screening-Programme für
Chlamydia-trachomatis-Infektionen im Hinblick auf die
spätere Fertilität ist noch nicht definitiv geklärt. In einer
neueren Untersuchung von Scholes et al. #( zeigte sich
jedoch in einer randomisierten kontrollierten Untersuchung
mit einer intention-to-screen analysis für die 2.607 Frauen,
die aufgrund von Risikofaktoren aus einer Gesamtheit von
20.836 Frauen ausgewählt wurden (Altersspanne 18 bis
34 Jahre), ein deutlicher Nutzen. In Gruppe A – Frauen, bei
denen ein Screening für Chlamydia trachomatis und eine
entsprechende Behandlung durchgeführt wurden – war die
Rate der pelvic inflammatory disease gegenüber der Vergleichsgruppe innerhalb einer Beobachtungszeit von einem
Jahr signifikant herabgesetzt. Es zeigte sich somit, daß eine
frühzeitige Identifikation dieser Mikroorganismen, die Untersuchung und rechtzeitige spezifische Behandlung der Frauen,
die aufgrund von Risikofaktoren ein erhöhtes Risiko für die
zervikale Chlamydien-Infektion haben, in einer reduzierten
Inzidenz der PID resultiert.
Ob es durch breit angelegte Screening-Programme in
Risikogruppen gelingt, die Rate tubarer Fertilitätsstörungen
generell zu reduzieren, müssen zukünftige Untersuchungen
klären. Ein entsprechendes Screening für Chlamydia trachomatis sollte auf jeden Fall früh ansetzen bei Patientinnen
und Patienten innerhalb des Altersgipfels für diese Infektion
und sollte bevorzugt in Risikogruppen durchgeführt werden,
wie z. B. Patienten mit häufig wechselndem Sexualpartner.
Eine frühzeitige Diagnostik unter Einbeziehung des Partners
mit hochsensitiven und spezifischen Methoden ist erforderlich zur Vermeidung von möglicherweise sexually transmitted
infertility.
BTXcT
2W[P\hSXPcaPRW^\PcXb8]UTZcX^]T]d]S5TacX[Xcxc
Eine Untersuchung auf Chlamydia trachomatis anläßlich
der Sterilitätsabklärung bei Patientinnen und Patienten mit
langjährig unerfülltem Kinderwunsch kommt leider oft zu
spät, da die Folgen einer früheren Genitalinfektion schon
apparent sind. Es ist anzunehmen, daß durch rechtzeitige
adäquate Diagnostik und Therapie dieser STD der Leidensweg vieler ungewollt kinderloser Paare hätte vermindert
werden können. Eine rechtzeitige Intervention ist daher
erforderlich, und es sollte mehr Wert auf eine Prävention
dieser bedeutsamen STD gelegt werden. Präventions-Strategien sind die Vermittlung von insgesamt mehr Information
über Chlamydia trachomatis bei den möglicherweise
Betroffenen – besonders auch bei Jugendlichen, z. B. anläßlich der kontrazeptiven Beratung, ein größeres Bewußtsein
für eine mögliche Chlamydien-Infektion bei asymptomatischen Patienten und Patientinnen bei den behandelnden
Kollegen, die frühe Identifikation von infizierten Patienten,
die Verwendung von hochsensitiven diagnostischen Methoden, ein Screening in Hoch-Risiko-Populationen, die spezifische Behandlung ohne irgendwelche Verzögerungen und
insbesondere unter Einschluß des/der entsprechenden
Partners/Partnerin.
Insgesamt müssen genitale Infektionen mit Chlamydia
trachomatis als eine wichtige Ursache der vermeidbaren
reproduktiven Morbidität betrachtet werden.
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Die Struktur der Papillomviruspartikel entspricht einem
kleinen Ikosaeder mit einem Durchmesser von ca. 55 nm.
Ihr zirkuläres doppelsträngiges DNA-Genom bindet HistonInfFo 88(&
ähnliche Proteine (Favre et al., 1977; Pfister und zur Hausen,
1978) und ist von 72 Kapsomeren umgeben (Klug und Finch,
1965). Das Genom, bestehend aus 7.200 bis 8.000 Basenpaaren, beinhaltet verschiedene offene Leseraster (open reading frames, ORF), die Genen entsprechen, deren Produkte
BTXcT "
7d\P]_PcW^VT]T?P_X[[^\eXaT]
in sogenannte frühe oder späte Proteine eingeteilt werden
können. Die späten Proteine, L1 und L2, bilden gemeinsam
das Viruskapsid. Die Nukleotidsequenz des L1-Gens ist unter allen Papillomvirus-Typen hoch konserviert. Das L1Protein induziert zumeist eine typenspezifische Immunantwort, während das L2-Protein gruppenspezifische Antigene
trägt. In rekombinanten Systemen genügt die Expression des
L1-Proteins allein für die Bildung virusähnlicher Partikel
(Kirnbauer et al., 1992; Hagensee et al., 1993). Diese in vitro
synthetisierten Partikel sind auch in der Lage, neutralisierende Antikörper zu induzieren. Die Anwesenheit des L2Proteins scheint diese Reaktion zu verstärken.
noch nicht geklärt. Dieses Protein kommt in höherer Konzentration in den differenzierenden Zellschichten vor und interagiert mit dem Zytoskelett der Zelle. Die E6- und E7Proteine besitzen die Fähigkeit, Zellen zu immortalisieren
und zu transformieren. Diese Aktivitäten resultieren aus
einer Wechselwirkung dieser viralen Proteine mit unterschiedlichen zellulären Proteinen, die ihrerseits in der Zellwachstums-Kontrolle eine Rolle spielen.
Heute sind die Genome von 80 humanpathogenen Papillomviren charakterisiert. Annähernd 60 weitere Typen sind
über Teilsequenzen identifiziert. Ein Papillomvirus-Typ
wird definiert, wenn das Gesamt-Genom isoliert und charakterisiert ist. Diese Charakterisierung beruht – neben der
Feststellung des typischen Genomstruktur – auf einem Vergleich der Nukleotidsequenz des konservierten L1-Gens mit
der analogen Sequenz aller bekannten Papillomvirus-Typen.
Wenn die Homologie dieses Abschnitts unter 90 % liegt,
wird das Isolat als neuer Typ definiert, wenn diese Homologie über 90 % liegt, liegt ein Subtyp zum nächstverwandten
Papillomvirus-Typ vor.
Aufgrund ihrer Sequenz-Homologien werden die
Papillomviren in Subgruppen unterteilt (Chan et al., 1995).
Größere Subgruppen sind einmal die sogenannten ›Schleimhaut‹- und zum anderen die ›Haut‹-Typen. Mehr als
40 Typen gehören zur Gruppe der Schleimhaut-Typen. Die
bekanntesten Vertreter sind HPV 16 und 18, deren DNA in
70 – 80 % aller Zervixkarzinome nachweisbar ist. Der größte
Anteil der Haut-Typen gehört in eine Untergruppe von
Papillomviren, die aus Läsionen von Patienten mit Epidermodysplasia verruciformis isoliert wurde. Hier sind HPV 5
und HPV 8 die bekanntesten Typen. Unter strikter Berücksichtigung pathogenetischer Merkmale kann allerdings die
hier aufgeführte Gruppeneinteilung nicht durchgehend eingehalten werden.
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Eine nichtkodierende Region, die LCR (long control
region), liegt zwischen den frühen und den späten Genen im
Virusgenom. Dieser DNA-Abschnitt besitzt eine Reihe von
Bindungsstellen sowohl für verschiedene zelluläre Transkriptionsfaktoren als auch für virale Proteine, z. B. für die
viralen E2- und E1-Proteine, die durch ihre Bindung die
Aktivität des Virusgenoms induzieren oder/und inhibieren.
Die Wechselwirkung zwischen zellulären und viralen Transkriptionsfaktoren in der Regulation der Aktivität des viralen
Genoms ist sehr komplex. Die frühen Proteine regulieren
die Replikation des Genoms, seine Persistenz in der Zelle
und seine Aktivierung unter vorgegebenen Bedingungen.
Das E2-Protein stellt einen wesentlichen intragenomischen
Regulator dar, indem es entweder die Einschaltung oder
Abschaltung anderer Gene, z. B. der E6- und E7-Gene, die
für die maligne Transformation einer Zelle verantwortlich
sind, kontrolliert. Die Bindung des E1-Proteins im Bereich
der LCR ist für die Replikation der viralen DNA notwendig.
Das E5-Protein bindet sich an zelluläre Transmembranproteine und aktiviert auf dieser Basis wachstumsstimulierende Signalketten. Die genaue Funktion des E4-Proteins ist
BTXcT #
"=zdZ`_V_UVc9Rfe
Ungefähr die Hälfte der HPV-Typen wurde aus Läsionen
der Haut isoliert und ätiologisch mit diesen in Verbindung
gebracht. Infektionen, die durch einige kutane HPV-Typen
hervorgerufen sind, werden häufig aufgrund charakteristischer makro- und mikroskopischer Merkmale erkannt.
HPV 1 (Verrucae plantares), HPV 2 (Verrucae vulgares),
HPV 3 und HPV 4 (Verrucae planae) und deren nächstverwandte Typen induzieren je einen charakteristischen zytopathogenen Effekt. Solche Beobachtungen haben auch zur
Identifizierung von HPV-Infektionen in kutanen Läsionen,
deren Ätiologie bis dahin unklar war, geführt. HPV-4-Infektionen lassen sich anhand sogenannter homogener Einschlußkörper identifizieren. Ein ähnliches histologisches
Bild wurde bei epidermoiden Zysten festgestellt. Bei der
Untersuchung einer Reihe von palmo-plantaren Zysten
wurden HPV 60 und HPV 65 isoliert, die beide eine hohe
Sequenzhomologie zu HPV 4 aufweisen. Die klinischen
Merkmale einer HPV-Infektion können aber auch abhängig
von der anatomischen Lokalisation der Läsion varieren, so
kann z. B. HPV 1 in einer fingerförmigen Warze an der
Oberlippe, in einem kutanen Horn am Finger oder auch in
einer dorsalen Fußwarze vorkommen. Das histologische
InfFo 88(&
7d\P]_PcW^VT]T?P_X[[^\eXaT]
Bild solcher Läsionen ist dann sehr ähnlich: es finden sich
typische granuläre Einschlußkörper. HPV-63-haltige Läsionen
(Myrmecia) werden erkannt anhand der filamentösen Einschlußkörper.
Epidermodysplasia verruciformis (EV) ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei der genetische, immunologische
und externe Faktoren eine Rolle spielen. Ein hohe Anzahl
unterschiedlicher HPV-Typen wurde aus den multiplen
Läsionen solcher Patienten isoliert. Aufgrund der SequenzHomologie untereinander werden sie in zwei Gruppen
unterteilt: HPV 5, HPV 8 und mit diesen vergleichsweise
eng verwandte Typen stehen HPV 9 und seinen nah verwandten Typen gegenüber. Läsionen, die an sonnenexponierten Körperstellen dieser Patienten auftreten, entarten
häufig in Plattenepithelkarzinome. Es wurde bis vor kurzem
vermutet, daß Infektionen dieser EV-HPV-Typen auf Patienten
mit Epidermodysplasia verruciformis begrenzt sind. Neuere
Untersuchungen an Warzen und Nicht-Melanom-Hautkarzinomen in Transplantat-Patienten zeigen jedoch, daß Infektionen mit diesen und anderen HPV-Typen sehr weit
verbreitet sind. Darüber hinaus deuten diese Untersuchungen
an, daß Infektionen mit Papillomviren wahrscheinlich
bereits sehr früh im Leben stattfinden und in den meisten
Fällen subklinisch verlaufen. Durch Unterdrückung der
Immunabwehr – etwa nach Organtransplantation oder HIVInfektionen – können diese Infektionen wieder aktiviert
werden. In den dann entstehenden Läsionen kann dann die
Einwirkung von Ultraviolett-Strahlen zur malignen Entartung
führen. So entwickelt die Mehrzahl der immunsupprimierten,
z. B. Nieren-transplantierten Patienten multiple Warzen,
Keratosen und auch Karzinome (Spinaliome und Basaliome)
an sonnenexponierten Stellen. Ein großes Spektrum von
HPV-Typen wurde mittels einer Breitspektrum-PolymeraseKettenreaktion (PCR) in diesen Läsionen nachgewiesen.
Neben den Gruppen HPV 2, 27, 57, HPV 3, 10, 28, 29 und
HPV 4, 48, 50, 60, 65 und damit verwandten, neu identifizierten HPV-Typen wurden auch HPV-Typen der sogenannten genitalen Hochrisiko-HPV-Typen (siehe unten) in
malignen Tumoren der Haut vorgefunden. Insgesamt wurde
HPV-DNA in 91 % der prämalignen und malignen Tumoren
nachgewiesen, wobei HPV 20, HPV 23, HPV 38 sowie die
neu identifizierten HPV-Typen DL40 und DL267 in 73 %
dieser Tumoren anwesend waren. Infektionen mit mehr als
einem HPV-Typ in einer Läsion kamen häufig vor. In-vitroStudien müssen jetzt durchgeführt werden, um die Rolle
dieser Viren bei der Entstehung solcher malignen Tumoren
zu untersuchen.
Nicht immer läßt sich der Virustyp aufgrund histologischer Charakteristika voraussagen: So können zum Beispiel
Infektionen mit HPV 7 und HPV 41 nicht auf dieser Basis
unterschieden werden. HPV 7, das ursprünglich aus Handwarzen von Metzgern isoliert wurde, wird auch im Mundbereich und in Papillomen der Gesichts- oder Nackenhaut
bei HIV-infizierten Patienten häufiger nachgewiesen. Klinisch
erscheint eine HPV-41-Infektion gelegentlich als ein flaches
Warzenbeet. HPV-7-DNA wurde auch in Plattenepithelkarzinomen bei immunkompetenten Patienten festgestellt,
HPV 41 in solchen Läsionen bei Patienten, die über längere
Zeiträume einer PUVA-Behandlung unterzogen wurden.
InfFo 88(&
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Papillomvirus-Infektionen des Genitaltraktes wurden besonders intensiv untersucht. Mehr als 40 HPV-Typen wurden in
Läsionen dieser Region nachgewiesen. Mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion wurde hier eine große Zahl von neuen
Papillomvirus-Typen zusätzlich identifiziert, bei denen zum
Teil die Isolierung und Charakterisierung des GesamtGenoms noch aussteht.
HPV-16-DNA ist mit ca. 50 – 60 % weltweit der häufigste
HPV-Typ in zervikalen Karzinomen, gefolgt von HPV 18 in
10 – 20 %. Einige HPV-Typen scheinen in bestimmten geographischen Regionen häufiger aufzutreten, z. B. HPV 39
und HPV 59 in Lateinamerika, HPV 45 in Westafrika und
Jamaika und HPV 58 in Asien. Die Häufigkeit bestimmter
HPV-Infektionen variiert in Abhängigkeit von den angewandten Nachweismethoden. Insgesamt betrachtet werden
einige Typen häufiger in gutartigen Läsionen nachgewiesen
(‹Niedrigrisiko-Typen‹) und andere in Karzinomen (‹Hochrisiko-Typen‹). Condylomata acuminata werden durch
HPV-6-, -11- und -42-Infektionen hervorgerufen, zervikale
intraepitheliale Neoplasien (CIN I und CIN II oder sogenannte ›intermediäre‹ Läsionen) durch eine Reihe von unterschiedlichen HPV-Typen. Fortgeschrittene Dysplasien,
CIN III und Karzinome enthalten zumeist eine dritte Gruppe
von HPV-Typen, wobei HPV 16 und HPV 18 als häufigste
Infektionen nachgewiesen werden. Die Abgrenzung bei solchen Eingruppierungen ist nicht absolut, z. B. wurde gelegentlich auch HPV-6- und HPV-11-DNA in Karzinomen
identifiziert und hier vorzugsweise in verrukösen Karzinomen.
HPV-Infektionen werden auch in einem Teil von anderen
anogenitalen benignen und malignen Tumoren nachgewiesen
– wie etwa bei Vulva- und Peniskarzinomen und bei Karzinomen des Analbereichs. Insgesamt variieren die publizierten
Ergebnissen sehr, mit einen Mittelwert, der allerdings 50 %
übersteigt. Die HPV-Typen 56, 59, 61, 62, 64 und 71 wurden
alle aus intraepithelialen Neoplasien der Vulva (VaIN) isoliert,
HPV 70 aus einem Papillom der Vulva. Der seltenere Nachweis von HPV in solchen Läsionen hängt wahrscheinlich mit
den variierenden klinischen Merkmalen der Karzinome und ihrer
Vorstufen zusammen. Die basaloiden und warzenähnlichen
Vulva-Karzinome enthalten die gleichen HPV-Typen wie die
zervikalen Karzinome, während HPV-DNA nur vergleichsweise
selten in keratinisierenden Plattenepithel-Karzinomen nachgewiesen wurde. Es wird vermutet, daß hier andere HPVTypen eine Rolle spielen. Anale und perianale Karzinome
sowie Penis-Karzinome wurden relativ wenig untersucht.
Die HPV-DNA-Nachweisrate liegt hier bei ungefähr 70 %.
$Ef^`cV_UVd<`aW9R]d3VcVZTYd
Der Nachweis von Papillomvirus-DNA in malignen Tumoren
des Hals-Kopf-Bereichs wurde bisher noch nicht in größeren
Studien verfolgt. Frühere Untersuchungen wurden mit den
damals vorhandenen nichtsensitiven Methoden durchgeführt. Einige neuere Studien benutzten die PCR mit sehr
divergierenden Ergebnissen. Dies kann möglicherweise auf
Kontaminationen zurückzuführen sein. Die meisten dieser
Studien haben sich auf den Nachweis von HPV-6-, -11-,
-16- und -18-DNA in diesen Tumoren konzentriert und
geben deshalb ein eher einseitiges Bild wider.
BTXcT $
7d\P]_PcW^VT]T?P_X[[^\eXaT]
HPV-DNA ist regelmäßig nachweisbar in oralen Papillomen. Die Mehrzahl beinhaltet HPV-6 oder HPV-11-DNA.
Fokale epitheliale Hyperplasie (Morbus Heck) wird durch
HPV-13- oder HPV-32-Infektionen induziert. Letztere kommen auch in oralen Papillomen vor. HIV-infizierte Patienten
entwickeln häufig ausgeprägte orale Papillome, die sehr heterogene klinische Merkmale besitzen. Eine Reihe von sowohl ›Schleimhaut‹-, als auch von ›kutanen‹ HPV-Typen
sind hier nachweisbar, insbesondere HPV 2, 6, 7, 13, 16, 18,
32, 55, 59, 69, 72 und 73. Nach dem frühen Auffinden von
HPV-2-DNA in einem Zungenkarzinom erschienen einige
Berichte über HPV-DNA in Karzinomen der Stimmlippen,
des Oropharynx, des Hypopharynx und der Tonsillen. Die
Mehrzahl der Tonsillen-Karzinome beinhaltet HPV-DNA,
besonders häufig die Typen 7, 16 und 33, während der Anteil HPV-positiver maligner Tumoren in anderen Lokalisationen des Oropharynxbereichs sehr variiert. Ein
Mittelwert liegt ungefähr bei 20 %, wobei HPV 16 wiederum
als der häufigste HPV-Typ nachgewiesen wurde. Zusätzliche Studien werden dringend benötigt, um vermutlich noch
unbekannte HPV-Typen, die hier als wichtige ätiologische
Faktoren eine Rolle spielen können, zu identifizieren.
Papillomvirus-Infektionen werden zunehmend mit
Tumoren, die ein zystisches Wachstum zeigen, assoziiert.
Solche Beispiele finden wir im Kopf-Hals-Bereich und in
der Haut (epidermoide Zysten). In invertierten Papillomen
der Nasen-Nebenhöhlen und des Nasen-Innenraums werden
regelmäßig HPV 57 und HPV 11 nachgewiesen. Diese Tumoren wachsen meist sehr aggressiv und führen zu KnochenErosionen mit schwerwiegenden Konsequenzen für den
Patienten. Cholesteatome des Mittelohrs ist ein weitere Beispiel des zystischen Wachstums. Auch hier wurde HPV-11DNA häufig nachgewiesen. Odonotogene Zysten beinhalten
zum großen Teil HPV-73-DNA.
%Ef^`cV_hVZeVcVc@cXR_V
Tumoren von einigen anderen Organen wurden in der Vergangenheit auf eine mögliche HPV-Ätiologie untersucht.
HPV-DNA wurde gelegentlich in Tumoren der Blase, der
Speiseröhre und der Lunge nachgewiesen. Die Häufigkeit
des Nachweises variiert zur Zeit noch so drastisch, daß eine
präzise Aussage über die Rolle von HPV-Infektionen bei
diesen Tumoren derzeit nicht möglich ist.
5ZRX_`dVf_UEYVcRaZV
Bei klinisch gesunden Individuen variiert der Nachweis von
HPV-DNA im Genitaltrakt erheblich. Eine einmalige ProbeEntnahme aus gesundem Gewebe kann irreführend sein,
vermutlich wegen Fluktuationen in der Virus-Replikation.
Eine persistierende HPV-Infektion mit dem gleichen HPVTyp kann nach längerer Verlaufsdauer eine chronische zervikale Dysplasie zur Folge haben. Hier lassen sich dann
erhöhte Virus-Konzentrationen aufzeigen. Selbstinfektionen
über Mikroläsionen an anderen Stellen der Schleimhaut
können stattfinden, obwohl HPV-DNA im gesunden Nachbargewebe einer Dysplasie meist nicht nachweisbar ist. Bei
Abwesenheit von klinischen Läsionen ist die Typisierung
von HPV-DNA im Genitaltrakt umstritten. Der Nachweis
bestimmter Typen im Falle einer unklaren Zytologie oder
BTXcT %
nicht eindeutiger klinischer Diagnose kann dagegen als Hilfe
für die Planung bei der weiteren Behandlung eines Patienten
dienen. Eine HPV-Typisierung kann auch bei anogenitalen
Kondylomen von Kindern von größerer Bedeutung sein, da
solche Läsionen sehr häufig durch die weit verbreiteten kutanen Typen 2, 27 oder 57 hervorgerufen werden. Ihr Nachweis macht vermuteten sexuellen Mißbrauch dann eher
unwahrscheinlich.
Die verfügbaren Methoden zum HPV-Nachweis sind in
ihrer Sensitivität, Spezifität und im Arbeitsaufwand sehr
unterschiedlich, Vor- und Nachteile lassen sich für jedes
Verfahren aufzeigen. Ein negatives Ergebnis ist vor allem
aus zwei Gründen in den meisten Fällen nicht aussagekräftig: Ein Grund liegt darin, daß alle Methoden jeweils nur
eine begrenzte Zahl von HPV-Typen identifizieren können;
desweiteren erlaubt die Nachweis-Sensitivität in der Regel
nur aktive Virus-Replikation aufzuzeigen, nicht aber latente
Infektionen. In-situ-Hybridisierungs-Verfahren werden
vielfach noch eingesetzt, obwohl ihre Sensitivität vergleichsweise niedrig ist. Ihr Vorteil ist allerdings, daß Virusgenome und davon abgeleitete Transkripte im
histologischen Schnitt lokalisiert werden können. Die In-situPCR-Methode erhöht diese Nachweisgrenze erheblich, ist
aber noch in der Entwicklungsphase und wird nur begrenzt
eingesetzt. DNA-Amplifikation mittels der PolymeraseKettenreaktion ist heute eine etablierte Methode des HPVNachweises. Diese Methode wurde vielfältig modifiziert,
um sie den Erfordernissen anzupassen. Verschiedene Abschnitte des HPV-Genoms werden amplifiziert, obwohl Primer
im konservierten Bereich des L1-Gens am meisten in der
Breitspektrum-PCR verwendet werden. Die Primer-Kombinationen MY09-MY11 und die GP5+/GP6+ sind hier die
bekanntesten. Andere verfügbare Primer liegen im konservierten Bereich des E1-Gens. Die Amplifikation von E6/E7Genen erlaubt den HPV-Nachweis auch in den Fällen, bei
denen der Rest des Virus-Genoms durch Integration in das
Wirtszell-Genom verloren gegangen ist. Die BreitspektrumPCR-Methoden führen auch zur Amplifikation zellulärer
DNA, was den Nachweis HPV-spezifischer DNA entweder
über Hybridisierung mit typspezifischen Proben oder über
die Spaltung des Produktes mit Restriktions-Enzymen
unentbehrlich macht. Zur HPV-Typisierung des Produktes
wird Sequenzierung als optimales Verfahren angesehen, obwohl sie in Routine-Diagnostik-Laboratorien kaum durchführbar ist.
Die obengenannten Methoden wurden vielfältig modifiziert. Beispiele sind die zusätzliche nested PCR-Amplifikation, der Gebrauch von typspezifischen Primern, Einbau
von radioaktiv markierten Nukleotiden in die PCR vor dem
Enzymverdau, Hybridisierungs-Proben bestehend aus einer
Mischung von Oligonukleotiden oder die sogenannte
enhanced chemiluminiscence für den gruppenspezifischen
HPV-Nachweis (Hybrid CaptureTM).
Eine spezifische Papillomvirus-Therapie gibt es gegenwärtig nicht. Bei vorliegenden Läsionen kommen im wesentlichen chirurgische Eingriffe in Frage oder aber lokale
Verätzungen. In der Regel wird mit der Entfernung der Läsion
auch der Heilungsprozess eingeleitet, wenn auch Rezidive
InfFo 88(&
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häufig sind. Systemische oder lokale Therapien, etwa mit
Interferonen und anderen Zytokinen, haben bisher zu keinen
durchschlagenden Erfolgen geführt. Insbesondere bei genitalen HPV-Infektionen laufen zur Zeit Untersuchungen,
therapeutische Vakzinen auf der Basis von Immunisierungsversuchen mit antigenen Epitopen von E6/E7-Proteinen zu
entwickeln. Ihre Erfolgsaussichten lassen sich derzeit nicht
abschließend beurteilen.
Vielversprechend sind dagegen die Bemühungen um die
Entwicklung einer präventiven Vakzine, die auf der gentechnischen Herstellung von leeren Viruskapsiden beruht.
Tierversuche mit tierischen Papillomvirus-Infektionen lassen auf eine hohe Wirksamkeit hoffen. Vakzinen, die auf
dieser Basis die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18 umfassen,
befinden sich zur Zeit in der Phase I der klinischen Testung.
6aZUV^Z`]`XZdTYV3VUVfef_X
Vor gut zwanzig Jahren wurden die ersten HPV-Typen isoliert
und charakterisiert. Damals und auch noch etwa zehn Jahre
später wurde versucht, einzelne HPV-Typen mit bestimmten
Krankheitsbildern in Zusammenhang zu bringen. Die DNA
der neuen Typen wurde als markierte Probe verwandt, um
Serien unterschiedlicher Läsionen durchzutesten. In der
Zwischenzeit liegen eine Fülle von sogenannten Case-controlund Follow-up-Studien vor, die vor allem bei genitalen Papillomvirus-Infektionen durchgeführt wurden (siehe IARCBuch). Sie belegen ausnahmslos, daß HPV 16 und 18 hohe
Risikofaktoren für das Zervixkarzinom darstellen und haben
in Verbindung mit den experimentellen Daten dazu geführt,
daß der kausale Zusammenhang zwischen diesen Infektionen
und dem Gebärmutterhalskrebs als gesichert gilt.
Die Übertragung dieser Viren kommt bevorzugt über
sexuelle Kontakte zustande, auch wenn eine Reihe von
Untersuchungen auf die gelegentliche perinatale Infektion
mit solchen Erregern hinweist. Die weite Verbreitung dieser
Virustypen und ihr häufiger Nachweis in sexuell aktiven
Bevölkerungsgruppen unterstreichen die Bedeutung dieser
Infektionen.
Humanpathogene Papillomviren erweisen sich heute als
eine unerwartet komplexe Gruppe von Erregern, die offensichtlich an einer Vielzahl von Erkrankungen beteiligt ist
und deren weitere Analyse noch für künftige Überraschungen
Raum läßt.
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Auf der Basis des Gesetzes zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten vom 23. Juli 1953 wurden in Berlin
mit Wirkung des neuen Gesundheitsdienstgesetzes (GDG) vom
4. August 1994 die Beratungsstellen Geschlechtskrankheiten
mit den AIDS-Beratungsstellen zu Beratungsstellen für sexuell
übertragbare Krankheiten sowie AIDS zusammengelegt.
Gleichzeitig wurde ein erweiterter Diagnostikkatalog erarbeitet, der die Hepatitis-Serologie A – D mit einschließt.
Die Beratungsstellen beraten und betreuen neben sich
prostituierenden Frauen und Männern Partner von Erkrankten
und jeden anderen sexuell Aktiven, der/die die Abklärung einer
sexuell übertragbaren Krankheit wünscht, kostenlos. Seit dem
Fall der Mauer ist ein verstärkter Zustrom von Migranten und
Migrantinnen zu verzeichnen, so daß bis zu 90% der Untersuchten in den Berliner Beratungsstellen dieser Gruppe zuzuordnen sind. Damit werden hier überwiegend sozial nicht
abgesicherte Personen untersucht und beraten, in BerlinSchöneberg mit Unterstützung von SprachmittlerInnen für
Thailändisch, Polnisch, Russisch, Türkisch und Arabisch.
Wegen des in den Berliner Bezirken Schöneberg und Tiergarten gelegenen Straßenstrichs bietet die Beratungsstelle
Schöneberg in Kooperation mit der für Tiergarten zuständigen Beratungsstelle Wedding eine Abendsprechstunde
montags von 19.30 – 22.30 Uhr an. Diese wurde speziell für
Drogenabhängige und Ausländerinnen eingerichtet, die hier
der Beschaffungs-, Übernachtungs- und Straßenprostitution
nachgehen. Wegen häufig auftretender Compliance-Probleme
werden Drogenabhängige auch als nicht-Wartezimmer-fähige
Patienten bezeichnet. So erfolgen erforderliche ärztliche
Untersuchungen und/oder Behandlungen häufig erst im letzten
Augenblick trotz bestehender Krankenversicherung, zumeist über das Sozialamt. Unsere Abendsprechstunde ist daher niederschwellig angelegt und bietet neben dem
Regelangebot der STD-Sprechstunde inklusive Scabies und
Pedikulosen medizinische Erstversorgung bei drogenbedingten, überwiegend dermatologischen Krankheitsbildern
im Sinne von harm-reduction gekoppelt mit sozialpädagogischer Beratung und Betreuung, Kondomvergabe, Spritzentausch und einem kleinen Imbiß. Hier wurden u. a. 60 i. v.
Drogenabhängige untersucht.
In der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1995 erfolgte
durch die Beratungsstelle Berlin-Schöneberg bei 468 Personen
eine Hepatitis-Serologie, und zwar bei 130 Männern und
338 Frauen. Die Untersuchten waren zwischen 16 und
57 Jahre alt, sie kamen aus 35 Ländern von 5 Kontinenten.
Von den 130 Männern waren 86 (66,15 %) deutscher Nationalität, 44 weitere kamen aus 25 verschiedenen Ländern
(Abb. 1).
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Von den 338 Frauen waren 100 Deutsche (29,6 %),
71 Thailänderinnen (21,0 %), 54 Russinnen (16 %),
34 Bulgarinnen (10,06 %), 27 Polinnen (8,0 %); 31 (9,17 %)
kamen aus 5 weiteren Ländern von 5 Kontinenten (Abb. 2).
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<T[ST_U[XRWcXVT 7T_PcXcXST]) Im Untersuchungszeitraum wurden bei den 468 Personen 88 meldepflichtige Hepatitiden
festgestellt: 19 bei 16 Männern (12,3%) und 69 bei
60 Frauen (17,7%).
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Bei den Männern wurde die Hepatitis A 6mal diagnostiziert,
die Hepatitis B 7mal, Hepatitis D 2mal und die Hepatitis C
4mal, davon 3mal mit positiver PCR auf HCV-DNA. Die Hälfte
der Infizierten waren krankenversichert. 3 i. v. drogenabhängige
Männer und 6 weitere waren dem sozialen Umfeld der Beschaffungsprostitution nachgehender Frauen zuzurechnen.
Bei den Frauen wurde die Hepatitis A 9mal festgestellt,
die Hepatitis B 16mal, die Hepatitis C 44mal, davon 18 mit
positiver PCR auf HCV-DNA. 19mal konnte die PCR nicht
durchgeführt werden, da die Betroffenen sie verweigerten
oder die Beratungsstelle nicht oder noch nicht wieder aufgesucht hatten.
Der Nachweis der Hepatitis C mittels PCR erfolgte im
Rahmen einer Studie gemeinsam mit dem Institut für
Mikrobiologie und Hygiene im Berliner Betrieb für zentrale
gesundheitliche Dienste. Da Untersuchungen mittels PCR
im Diagnostikkatalog nicht aufgeführt sind, stehen sie den
Beratungsstellen nicht mehr zur Verfügung.
30 der 60 Frauen waren nicht krankenversichert, 57 infektiöse Frauen (95%) gingen der Prostitution nach, davon
28 i. v. drogenabhängige. Insgesamt waren 38 Untersuchte
mit meldepflichtiger infektiöser Hepatitis, also 50%, mangels
Krankenversicherung nicht in andere ambulante Versorgung
weiterzuvermitteln. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips waren
sie ausschließlich auf die Beratung und Betreuung der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten angewiesen.
Dieser standen jedoch keine weiteren diagnostischen Möglichkeiten zur Verfügung.
7T_PcXcXb 0) Bei 15 Untersuchten wurde mittels Nachweises
von Anti-HAV-IgM eine PZdcT \T[ST_U[XRWcXVT 7T_PcXcXb 0
festgestellt. Neben weiteren akuten Infektionen waren abgelaufene zu diagnostizieren, die zu Immunität geführt hatten.
Nur 10 der 15 akut an Hepatitis A Erkrankten (66,6 %) konnten in ambulante ärztliche Betreuung weitergeleitet werden.
8\\d]Xcxc VTVT] 7T_PcXcXb 0) Mittels positiven Anti-HAVNachweises wurde bei 237 Personen (50,6%) eine 8\\d]Xcxc
Ua7T_PcXcXb 0 nachgewiesen, und zwar bei 60 Männern (46%)
und 177 Frauen (52%) (Abb. 3).
Neben Immunität gegen Hepatitis A hatten 42 Untersuchte
(17,7 %) positive Befundkonstellationen für Hepatitis B und
C, 2 davon bei niedriginfektiöser HBV-Infektion. Von diesen waren 24 krankenversichert (57 %). Damit waren
18 Patienten nicht weiterzuvermitteln, ihre Infektion nicht
weiter abzuklären bzw. nicht zu behandeln.
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Bezogen auf ihre Herkunft wiesen 68 Deutsche (36,5 %)
eine Immunität gegen Hepatitis A auf, darunter 35 i. v. Drogenabhängige. Aus osteuropäischen Ländern wiesen
74 Untersuchte (47,7 %) eine Immunität gegen Hepatitis A
auf; 8 der 74 Personen (10,8 %) waren krankenversichert.
Aus Südostasien wiesen 61 thailändische und je eine koreanische und philippinische Frau sowie 2 Männer eine Immunität gegen Hepatitis A auf (86,6 %). 31 Frauen (42,5 %)
waren krankenversichert, kein Mann.
Weitere 13 Frauen aus 8 Ländern von 4 Kontinenten (81 %)
und 17 Männer (100 %) aus 9 Ländern von 4 Kontinenten
wiesen eine Immunität gegen Hepatitis A auf.
Im untersuchten Kollektiv fehlte 193 Personen die Immunität gegen Hepatits A.
7T_PcXcXb 1) Eine \T[ST_U[XRWcXVT Hepatits B wurde bei
7 Männern und bei 16 Frauen diagnostiziert.
Eine PZdcT7T_PcXcXb1\XcW^WTa8]UTZcX^bXcxc wurde bei einer
i. v. drogenabhängigen, krankenversicherten deutschen Frau
mit positivem Anti-HCV-Nachweis diagnostiziert sowie bei
einem nicht krankenversicherten deutschen Mann und 3
weiteren Frauen. Dabei handelte es sich u. a. um eine nicht
krankenversicherte bulgarische Frau, die erkrankte, weil sie
sich nach primär negativer Serologie die Immunisierung
finanziell nicht leisten konnte/wollte oder durfte.
Bei den 18 71b06CaxVTa]\Xc]XTSaXVTa8]UTZcX^bXcxc handelte
es sich um 12 Frauen und 6 Männer. 2 Männer hatten zusätzlich einen positiven Anti-Delta-Nachweis für Hepatitis D,
einer bei i. v. Drogenabusus und positivem Anti-HCV-Nachweis. 5 weitere Untersuchte hatten einen positiven AntiHCV-Nachweis, eine i. v. Drogenabhängige mit positivem
Nachweis von HCV-DNA.
Insgesamt konnten 10 der 23 an infektiöser Hepatitis B
Erkrankten (43,5 %) bei bestehender Krankenversicherung
in ambulante ärztliche Betreuung weitergeleitet werden; bei
den 13 anderen, 5 Männern und 8 Frauen, war dies wegen
fehlender Versicherung nicht möglich. Zu diesen zählten
auch 2 Frauen und ein Mann mit positivem Anti-HCVNachweis.
8\\d]XcxcVTVT]7T_PcXcXb 1 wurde bei Nachweis von AntiHBc und/oder Anti-HBs-Antigen zwischen 10 und
gleich/größer 1000 mIU/l diagnostiziert. Dieser Befund lag
BTXcT (
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bei 25 Männern (19,2 %) und 104 Frauen (30,8 %) vor
(Abb. 4).
Bezogen auf ihre Herkunft wiesen 41 Deutsche (22%)
Immunität gegen Hepatitis B auf. Von ihnen waren
2 Männer und 21 Frauen i. v. drogenabhängig.
25 Frauen aus Südostasien (34,2%) wiesen eine Immunität gegen Hepatitis B auf, aus Osteuropa 4 Männer und
48 Frauen (33,5 %); desgleichen 5 Männer aus 3 Ländern
von 3 Kontinenten und 6 Frauen aus 4 Ländern von
2 Kontinenten.
5TW[T]ST 8\\d]Xcxc VTVT] 7T_PcXcXb 1) Bei einem isolierten
Anti-HBs-Titer von < 10 mIU/l wurde keine Immunität
angenommen !, ebenso bei ausschließlichem Nachweis von
Anti-HBc. Bei letztem Befund wurden folgende
4 Interpretationsmöglichkeiten in Betracht gezogen ":
Der Befund ist unspezifisch.
Die Anti-HBs-Bildung liegt unter der Nachweisgrenze
bei früher durchgemachter Hepatitis B.
Non-responder bei früher durchgemachter Hepatitis B.
Persistierende Infektion bei positiver PCR auf HBV-DNA.
Bei den ersten drei Möglichkeiten besteht Empfänglichkeit für eine HBV-Infektion, bei der letzten wäre eine Therapie mit einem Interferon zu erwägen. Auf jeden Fall muß
bei isoliert positivem Anti-HBc-Befund eine PCR auf HBVDNA erfolgen.
Bei der Befundkonstellation Anti-HBc positiv und Anti-HBs
< 10 mIU/l als Ausdruck für eine durchgemachte
Hepatitis B besteht fragliche Immunität, so daß eine Auffrischimpfung empfohlen wird !.
Dieser Befundkonstellation waren 10 Männer (7,6%) und
55 Frauen (16,3 %) zuzuordnen.
Insgesamt wiesen 94 Männer (72,3 %) und 215 Frauen
(63,6 %) keine oder keine sichere Immunität gegen
Hepatitis B auf, darunter 24 i. v. Drogenabhängige,
4 Männer und 20 Frauen.
Bezogen auf ihre Herkunft handelte es sich dabei um
136 Deutsche, 44 Personen aus Südostasien und
104 Untersuchte aus Osteuropa sowie weitere 18 Männer
aus 13 Ländern von 5 Kontinenten und 7 Frauen aus
5 Ländern von 2 Kontinenten. Von diesen waren 69 Männer
(75 %) und 89 Frauen (41,4 %) krankenversichert. Damit
BTXcT !
waren 25 Männer und 126 Frauen (58,6 %) mit Risiko für
eine HBV-Infektion zwecks Impfung nicht weiterzuleiten!
7T_PcXcXb 2) Insgesamt wurden 76 positive Anti-HCV-Befunde
erhoben (Abb. 5). 28 Untersuchten war ihre Infektion
bekannt, von diesen praktizierten 6 deutsche Männer und
19 deutsche Frauen i. v. Drogenabusus. 48 Untersuchten mit
positivem Anti-HCV-Serummarker (63,1 %) war ihre Infektion
nicht bekannt, so daß eine \T[ST_U[XRWcXVT7T_PcXcXb 2vorlag.
Dabei handelte es sich um 4 Männer und 44 Frauen. Die
Männer waren 3 Deutsche und ein Russe. Zwei deutsche
Männer waren i. v. drogenabhängig. Der dritte deutsche und
der russische Mann waren nicht krankenversichert. Der Russe
und zwei Deutsche hatten eine positive PCR auf HCVDNA. Ein deutscher i. v. Drogenbenutzer hatte gleichzeitig
eine akute Hepatitis A.
Von den 44 Frauen mit meldepflichtiger Hepatitis C betrieben 29 i. v. Drogenabusus bzw. hatten betrieben. Dabei
handelte es sich um 23 deutsche Frauen, 3 Polinnen und je
eine Frau aus Ex-Jugoslawien, der Türkei und Afrika. 22 der
Drogenabhängigen waren krankenversichert (75 %). Bei
den Frauen aus Osteuropa betrug die Infektionsrate für
Hepatitis C 8,4 %.
Die ?2A PdU 72E3=0 konnte insgesamt 28mal erfolgen,
bei 20 Patienten konnte sie nicht durchgeführt werden, weil
die Betroffenen sich nicht oder noch nicht wieder vorgestellt
hatten oder sie verweigerten. Einen negativen PCR-Nachweis auf HCV-DNA zeigten 7 Untersuchungen.
21 PCR-Untersuchungen auf HCV-DNA fielen positiv aus.
Neben 14 i. v. Drogenbenutzern waren dies 6 Untersuchte
aus Osteuropa und eine Thailänderin. Nur 12 der
21 Patienten (57%) waren krankenversichert und zwecks
weiterer Untersuchungen weiterzuvermitteln.
Neben einer meldepflichtigen Hepatitis C lagen weitere
Hepatitis-Befunde vor: bei 4 Frauen und einem Mann eine
akute Hepatitis A, bei einer i. v. drogenabhängigen Frau
eine akute Hepatitis B, 4 weitere Personen waren HBs-AGTräger mit niedriger Infektiosität. Bei 10 Personen mit
Zustand nach Hepatitis B wären weitere Untersuchungen
und möglicherweise eine Auffrischimpfung erforderlich
gewesen. Von diesen waren jedoch nur 5 krankenversichert.
Eine Impfung gegen Hepatitis A war 15 Personen zu
empfehlen, von denen nur 3 krankenversichert waren.
InfFo 88(&
BRW[d”U^[VTad]VT]]PRWP]STacWP[Q9PWaT]7T_PcXcXb3XPV]^bcXZX]TX]Ta1TaPcd]VbbcT[[TUabTgdT[[QTacaPVQPaT:aP]ZWTXcT]
3VdacVTYf_X
Im untersuchten Kollektiv von 468 Personen betrug die
Prävalenz von Hepatitis A 53,8 %, von Hepatitis B 32,5 %
und von Hepatitis C 16,2 %, vielfach als Multimorbidität.
Eine Krankenversicherung hatten 49,8 % der Untersuchten.
193 Patienten (41,2 %) fehlte der Infektionsschutz vor
Hepatitis A und 309 Patienten (66 %) vor Hepatitis B.
47,2 % der gegen Hepatitis A und 48,9 % der gegen
Hepatitis B zu Impfenden waren nicht krankenversichert.
Diese Zahlen belegen, daß bei der in einer STD-Beratungsstelle untersuchten Klientel eine erhöhte Gefährdung
für Hepatitis A bis C vorliegt und damit bei Erkrankung die
Gefahr der Weiterverbreitung besteht.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) # empfiehlt eine
Impfung gegen HAV nur für homosexuelle Männer, womit
oral-genitale Sexualpraktiken einseitig zugeordnet werden. Zu
berücksichtigen gilt, daß sich 70 – 80 % der HAV-Infektionen
im Erwachsenenalter zu einer manifesten Hepatitis entwickeln
mit protrahiertem Verlauf bei insgesamt 10 % $; die Gesamtletalität bei älteren Personen wird mit unter 0,1 – 2 %
angegeben %. Auch Drogenabhängigkeit und das Vorliegen
einer Leberschädigung gelten als Indikation für eine HAVVakzination &.
Die generelle Impfempfehlung der WHO gegen HBV
wurde erst im Oktober 1995 von der STIKO aufgenommen
und wird bisher nur von den gesetzlichen Krankenkassen
umgesetzt. Private Krankenkassen und die Beihilfe haben
sich bisher der Empfehlung verschlossen, obwohl der geschätzte volkswirtschaftliche Schaden ohne Arbeitsausfallzeiten für HAV-Infektionen 100 Millionen DM und für
HBV-Infektionen 500 Millionen DM jährlich beträgt %. Laut
Literatur wird 1/3 der HBV-Infektionen durch Sexualkontakte
erworben %.
Bei der Hepatitis C wird dem Übertragungsweg durch
i. v. Drogenabhängigkeit zunehmend Bedeutung zuerkannt,
nachdem das Infektionsrisiko bei Blutspenden durch Screening drastisch reduziert werden konnte '.
Die Beratungsstelle Berlin-Schöneberg versuchte mit Beginn der Serologiebestimmungen bei allen Patienten mit negativen Hepatitis-B-Serummarkern eine Hepatitis-BImpfung zu veranlassen.
3XT8\_Ud]V wurde bei 72 Untersuchten beim Hausarzt veranlaßt. Zu diesem Zweck bekamen die Patienten mit bestehender Krankenversicherung den Untersuchungsbefund und
einen Arztbrief mit Indikationsstellung für eine Impfung
ausgehändigt, gemäß Anamnese und Bereitschaft des/der
Untersuchten nach entsprechender Aufklärung.
In der Beratungsstelle ließen sich 15 Untersuchte immunisieren, wofür sie ein Privatrezept erhielten; mangels Geldes
lehnten dieses Verfahren 2 Männer und 25 Frauen ab.
3Ta 8\\d]XbXTad]VbeTa[PdU konnte bei insgesamt
32 Personen verfolgt werden. Von diesen waren 17 durch
ihren Hausarzt, 15 in der Beratungsstelle immunisiert worden. 18 Geimpfte konnten als Responder, 8 mußten als NonResponder eingestuft werden. Allerdings waren zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchungen noch nicht bei allen die
3 Grundimmunisierungen durchgeführt worden.
6 Personen stellten sich nach einer bzw. 2 Impfungen
nicht wieder vor. Insgesamt stellten sich 114 Untersuchte
InfFo 88(&
(24 %) mit fehlender HBV-Immunisierung nicht wieder in
der Beratungsstelle vor. Bei der daran ablesbaren hohen
Fluktuation unserer Klientel, verursacht durch i. v. Drogenabusus, Standortwechsel und/oder Illegalität wird angeregt,
Schnellimmunisierungsschemata wie bei Reiseimpfungen
zu bevorzugen und zwar gegen Hepatitis A und B. Damit
wäre der Schutz vor Erkankung an Hepatitis B innerhalb
von 21 Tagen (, vor Hepatitis A innerhalb von 2 – 3
Wochen & erreichbar.
Bei fehlender Immunisierung gegen beide Hepatitiserreger bietet sich die neue Kombinationsvakzine als günstige
Lösung an .
DTY]fddW`]XVcf_XV_
Die dargestellte hohe Prävalenz von Hepatitis A bis C bei
Untersuchten in einer Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten bestätigt die Notwendigkeit dieses erweiterten Diagnostikangebotes.
Es wurde ausgeführt, daß die hier Untersuchten aufgrund
ihres praktizierten Risikos sowie i. v. Drogenabusus, Illegalität und mangelhafter sozialer Absicherung die originäre
Zielgruppe einer staatlichen Untersuchungsstelle sind %. Voraussetzung ist jedoch, daß dieser Klientel das Angebot zielgruppengerecht nahegebracht werden kann, vornehmlich
mittels aufsuchender Sozialarbeit in Form von Streetwork.
Hemmschwellen sind neben fehlender Krankenversicherung die eigene Sozialisierung von intravenös Drogenabhängigen wie der fremde kulturelle Hintergrund bei
Migranten und Migrantinnen. Bei diesen kommt die mangelhafte bis nicht vorhandene sprachliche Verständigungsmöglichkeit hinzu, für deren Bewältigung der Einsatz von
Dolmetschern unverzichtbar ist.
Bei den hier untersuchten epidemiologisch relevanten
Krankheiten darf der aufenthaltsrechtliche Status und fehlender Krankenversicherungsschutz nicht den Zugang zu
medizinischer Versorgung bestimmen. Es wird klargestellt,
daß therapeutische und vorbeugende Maßnahmen wie Impfungen nicht generell subsidiär weiterzuleiten sind.
In diesem Sinne sollte das Diagnostikangebot der STDBeratungsstellen durch ein kostenloses Impfangebot gegen
Hepatitis A und B erweitert werden, wenn das Subsidiaritätsprinzip nicht umsetzbar ist. Diese Forderung sollte bei
der gerade wieder neu geführten Diskussion um die Abschaffung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Berücksichtigung finden. Zwar sind
Geschlechtskrankheiten nicht mehr up to date, dafür aber
sexuell übertragbare Krankheiten!
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In den letzten Jahren ist in den meisten europäischen Ländern und so auch in Deutschland die Anzahl der drogenabhängigen Gefangenen kontinuierlich angestiegen. Ein hoher
Anteil der Gefangenen war vor der Inhaftierung intravenös
drogenabhängig, und viele setzen den Drogenkonsum auch
in den Haftanstalten fort. Mit der Zunahme des Anteils der
intravenös Drogen applizierenden Gefangenen in den Strafanstalten haben sich auch die in Freiheit massiv auftretenden
Infektionskrankheiten HIV/AIDS und die Hepatitiden A, B
und C unter drogenkonsumierenden Gefangenen bzw. im
Justizvollzug ausgebreitet P. Diese Feststellung läßt sich für
alle europäischen Länder treffen. In einer europäischen
Analyse der medizinischen Versorgung in den Gefängnissen
stellt Tomasevski fest, daß Drogenmißbrauch, psychische
Gesundheit und Infektionskrankheiten die zentralen Probleme des Justizvollzuges darstellen !.
Als Hauptübertragungsweg von HIV und insbesondere
Hepatitis B und C muß im Justizvollzug die gemeinsame
Benutzung insterilen Spritzbestecks (needle sharing)
betrachtet werden. Während Kleiber und Pant " feststellen, daß
der Anteil derjenigen, die ihre Spritze mit anderen
Drogenkonsumenten tauschen, in den Jahren von 1988 bis
1992/3 signifikant zurückgegangen ist, fällt jedoch deutlich
auf, daß sich dieser Trend für die Haftanstalten nicht bestätigt.
Das Risikoverhalten ›Spritzentausch‹ ist hier über die Jahre
relativ konstant geblieben.
Im folgenden soll im einzelnen auf die Prävalenz von
Drogenkonsum, HIV und Hepatitiden im deutschen Justizvollzug eingegangen sowie einige methodische Probleme,
die sich u. a. auch durch die Besonderheiten des Untersuchungsfeldes ergeben, diskutiert werden.
Ac`S]V^VSVZUVc3VdeZ^^f_XUVcVaZUV^Z`]`XZdTYV_
DZefReZ`_Z^DecRWg`]]kfX
In den meisten Bundesländern wird Gefangenen eine HIVTestung bei der Eingangsuntersuchung auf freiwilliger Basis
angeraten. In einigen Bundesländern (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Saarland) werden Testverweigerer so
behandelt, als seien sie positiv. Die Handhabung der HIVTestpraxis schwankt erheblich sowohl zwischen den einzelnen Bundesländern als auch innerhalb der Länder von Anstalt zu Anstalt. In manchen Bundesländern wurden sehr
BTXcT !!
hohe Testraten erreicht (in Bayern lag 1995 der Anteil der
Neuaufnahmen, die einen HIV-Test akzeptierten, bei
96,4 %, im Saarland bei 95 %, in Baden Württemberg bei
81 %, in Hessen bei 77,7 % Q, während aus den Anstalten
anderer Bundesländer (z. B. Bremen) kein gesichertes Zahlenmaterial verfügbar ist, da der Test außerhalb und anonym
durchgeführt wird. Vor allem auch in den neuen Bundesländern ist der Anteil der auf HIV-Antikörper bei Neuaufnahme getesteten Inhaftierten wesentlich niedriger: In
Brandenburg lag 1995 der Anteil nur bei 15,7 %, in SachsenAnhalt waren es 19 % und in Sachsen 21 %.
Die Testergebnisse wurden bisher vierteljährlich in den
Landesjustizverwaltungen in statistischen Quartalserhebungen über HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen zusammengefaßt. Ab 1997 werden diese Daten nur noch einmal
pro Jahr zu einem Stichtag erhoben. Fünf Bundesländer
(Berlin, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen) beteiligen sich gegenwärtig nicht an dieser statistischen Erhebung, so daß die Zahlen
(abgesehen von den im folgenden beschriebenen methodischen
Problemen) kein vollständiges Bild widergeben können.
Die Ergebnisse dieser Erhebungen müssen vor dem Hintergrund betrachtet werden, daß ein erheblicher Teil der
Gefangenen einen HIV-Test ablehnt: Zum Stichtag des
I. Quartals 1996 wiesen die Quartalserhebungen bundesweit
einen Bestand von 58.857 Gefangenen aus, wovon weniger
als die Hälfte der Gefangenen (46 %) auf HIV-Antikörper
untersucht war. Von der auf HIV getesteten Population war
1 % HIV-AK-positiv. Da keine weiteren Informationen über
die Testverweigerer verfügbar sind, können keine Aussagen
über mögliche (Selbst-)Selektionseffekte gemacht werden.
Bei mehr als der Hälfte der im deutschen Justizvollzug einsitzenden Gefangenen (wozu natürlich auch Zugehörige der
Hauptbetroffenengruppen zählen) können also keine Aussagen über deren Infektionsstatus gemacht werden.
Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse dieser Quartalsuntersuchungen werden einige Lücken der Erhebung deutlich: Bei Addition der Anzahl der pro Quartal
durchgeführten HIV-Tests und der dokumentierten Testverweigerer erhält man weder die Anzahl der Neuaufnahmen
pro Quartal noch den Bestand der Gefangenen zum Stichtag,
so daß zu vermuten ist, daß ein nicht weiter zu kontrollierenInfFo 88(&
?axeP[T]ieXaP[Ta8]UTZcX^]bZaP]ZWTXcT]d]SX]UTZcX^]baT[TeP]cT]AXbXZ^eTaWP[cT]bX\STdcbRWT]9dbcXie^[[idV
der Anteil der Gefangenen überhaupt nicht in diesen Statistiken erscheint. Zudem ist es in der Justizadministration
nicht unüblich, die Anzahl der positiven HIV-Tests auf die
Gesamtzahl der Gefangenen und nicht auf die Anzahl der
tatsächlich getesteten Gefangenen zu beziehen, was zu einer
Unterschätzung der Infektionsraten führt. Das folgende Beispiel ist entnommen aus Göttinger #, S. 53: Man nehme einen
Stichtag (z. B. 30. 06. 1996), eine Zahl durchgeführter HIVAntikörpertests (z. B. 1.870), nimmt die Absolutzahl der
positiven Befunde (z. B. 22) und setzt sie in Relation zur
Gesamtzahl der zum Stichtag einsitzenden Gefangenen
(z. B. 5.390) und erhält eine Prävalenzrate von 0,4 statt
einer Rate von 1,2, wenn man die positiven Befunde, wie
üblich, auf die Gesamtzahl der Tests beziehen würde.
Eine weitere Schwierigkeit, im besonderen Untersuchungsfeld ›Justizvollzug‹ zu aussagekräftigen Ergebnissen
zu kommen, betrifft die angewandte Methode. Die oben
genannten Quartalserhebungen sind Querschnittsuntersuchungen (Stichtag), die keine Aussagen über die Qualität
und innere Dynamik einer Infektion innerhalb der Gesamtpopulation oder stark betroffener Subgruppen wie z. B. Drogenabhängige treffen können. Prävalenzenveränderungen in den
Untersuchungsgruppen können ebensowenig gezeigt werden
wie eine schnelle und exakte Erfassung der Dynamiken von
Übertragungen von Infektionskrankheiten und widersprüchliche Prävalenz (einzelner Untergruppen, die stark von der
Durchschnittsprävalenz abweichen). Dies gilt insbesondere
für
Serokonversionen
und
spontan
auftretende
Infektionsketten. $ Insofern bilden diese Querschnittsuntersuchungen, weil sie am Beginn der Inhaftierung durchgeführt werden, lediglich die ›Morbiditätslast‹ % der
Gefangenen ab. Des weiteren werden neben den Testergebnissen keine weiteren soziodemographischen oder gar behavioralen Faktoren (abgesehen von der Risikogruppenzugehörigkeit,
die allerdings auch mit einer erheblichen Dunkelziffer behaftet ist) erhoben, so daß die Aussagefähigkeit dieser Daten
sehr eingeschränkt ist.
In aller Regel unterbleiben HIV-Nachtestungen bei den
Abschlußuntersuchungen, so daß für die Haftzeit möglicherweise aufgetretene Serokonversionen nicht erfaßt
werden können. Lediglich Baden-Württemberg hat in einer
knapp zweijährigen Testreihe zumindest Wiederholungstests mit wenigen Testverweigerern durchgeführt. Eine konsequente Nachuntersuchungspraxis würde außerdem
bedeuten, daß nach Haftentlassung und nach der Phase der
Feststellbarkeit von HIV-Antikörpern ein weiterer Test
durchgeführt werden müßte. Aufgrund des Mangels an
längsschnittlich erhobenen Seroprävalenzdaten für den
Vollzug sind Serokonversionen in Haft in den meisten Bundesländern auch nicht bekannt; lediglich in Berlin und Hessen wurden drei bzw. zwei Fälle in den letzten Jahren
bekannt &!.
Darüber hinaus läßt sich feststellen, daß sich die systematische Testpraxis und Dokumentation der Ergebnisse lediglich auf HIV-Infektionen bezieht. Die Fokussierung auf
HIV-Infektionen spiegelt die öffentliche Wahrnehmung von
HIV/AIDS als die zentrale gesundheitspolitische Herausforderung wider. Allerdings sind Hepatitis-Infektionen gerade
bei intravenös Drogen applizierenden Gefangenen quantitaInfFo 88(&
tiv erheblich höher einzuschätzen. Dieses epidemiologische
Faktum wurde allerdings im Schatten der AIDS-Debatte in
seiner Bedeutung unterschätzt; erst in den letzten Jahren hat
sich ein Problembewußtsein bei allen in den Vollzug involvierten Gruppen entwickelt.
Keinesfalls soll hier im Sinne vermehrter Datensammlung eine Praxis der ›Zwangstestung‹ zu Forschungszwekken angeregt werden. HIV-Untersuchungen als Zwangstest
im Justizvollzug würden der in Deutschland verfolgten liberalen Strategie in der Gesundheitspolitik gegenüber
HIV/AIDS, die von den Vorteilen der Aufklärung, Information und entsprechender Verhaltensänderung ausgeht, statt
eine seuchen- und strafrechtliche Kontrolle und Erfassung
anzustreben, widersprechen. Die Praxis der Anstalten, HIVTests als freiwillig anzunehmendes Angebot vorzuhalten,
steht auch im Einklang mit den 1993 von der WHO
veröffentlichten Richtlinien zur HIV-Infektion und AIDS
im Gefängnis R und mit der außerhalb des Strafvollzuges gängigen Praxis. Der Angebotscharakter impliziert, daß ein Teil
der Gefangenen dieses Angebot ablehnt, was sicherlich auch
zum Teil auf die Befürchtung vor möglichen Konsequenzen
(vollzugliche Nachteile) bei positivem Testresultat zurückzuführen ist.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die gegenwärtig praktizierten Erhebungen des Serostatus aufgrund
der erwähnten methodischen Probleme allein keine Transparenz bezüglich Prävalenz, Inzidenz, Ausbreitung und
Dynamik oben angegebener Infektionen herstellen kann.
Epidemiologisch sinnvolle und praxisweisende Aussagen
bzgl. HIV und Hepatitis im Strafvollzug könnten erst unter
Hinzunahme weiterer Datenquellen getroffen werden (z. B.
konsequente Nachuntersuchung der Gefangenen bei Haftentlassung, freiwillige und anonyme Seroprävalenzstudien
in Verbindung mit soziodemographischen, Einstellungsund Verhaltensparametern, Analyse medizinischer Akten
und Biographiestudien). Eine Identifizierung spezifischen
Risikoverhaltens in Haft, individueller Risikobereitschaften,
vorhandenen Risikobewußtseins, von Risikomanagement
könnte praxisrelevante Informationen für sinnvolle Präventionsmaßnahmen erschließen.
5c`XV_XVScRfTYZ^;fdeZkg`]]kfX
Die Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen
hat dazu geführt, daß viele Drogengebraucher während ihrer
Karriere einmal oder mehrfach aufgrund von Drogen- oder
Drogenbeschaffungsdelikten inhaftiert werden. Mehrere
Studien, die außerhalb des Justizvollzuges durchgeführt
worden sind, weisen übereinstimmend aus, daß die von ihnen befragten Drogengebraucher zu etwa zwei Dritteln
Hafterfahrungen hatten – durchschnittlich mehr als
12 Monate '". Empirische Befunde zeigen weiterhin auf, daß
Drogengebraucher längere Haft- als Therapiezeiten
aufweisen. (
Das Gefängnis wird im Verlauf der Drogenkarriere phasenweise zur dominanten Lebenswelt vieler Drogengebraucher.
Insgesamt geht man für Deutschland von einer Zahl von
etwa 10 – 20.000 inhaftierten Drogenabhängigen aus, d. h.
etwa jede/r dritte bis sechste Gefangene ST ist trotz scharfer
Kontrollen entweder gegenwärtig noch (mit unterschiedBTXcT !"
?axeP[T]ieXaP[Ta8]UTZcX^]bZaP]ZWTXcT]d]SX]UTZcX^]baT[TeP]cT]AXbXZ^eTaWP[cT]bX\STdcbRWT]9dbcXie^[[idV
lichen Konsummustern und -frequenzen) oder war bis vor
kurzem Konsument/in illegaler, und hier vor allem intravenös applizierter Drogen.
Für die Justizvollzugsanstalt Hannover haben Göttinger
et al. # Daten zusammengestellt: Danach waren von allen
1.057 Neuzugängen im Jahre 1992 26 % als Konsumenten
illegaler Drogen diagnostiziert. Bestätigt wird diese Quote
durch eine Stichtagserhebung am 12. 7. 1993, wonach von
insgesamt 838 Gefangenen 26,5 % drogenabhängig waren.
In der JVA für Frauen in Vechta ist der Anteil suchtmittelabhängiger oder -gefährdeter Frauen von 17,7 % im
Jahre 1987 auf ca. 50 % im Dezember 1994 U angestiegen.
In der JVA für Männer Lingen I, Abteilung Groß-Hesepe,
wurden vom Suchtberatungsdienst am Stichtag 30. 6. 1994
insgesamt 144 Gefangene mit Suchtproblematik (von
205 Gefangenen insgesamt) gezählt, davon wiesen 103 eine
Drogen-, drei eine Medikamenten- und 39 eine Alkoholproblematik auf. Von den 103 Gefangenen mit allgemeiner
Drogenproblematik konsumierten ca. 63 % regelmäßig intravenös Heroin.
In der bereits erwähnten schriftlichen Befragung der Landesjustizbehörden wurde auch nach dem Anteil der i. v. Drogenabhängigen an der Gesamtzahl aller Inhaftierten im
Jahr 1995 gefragt. Vier von den zehn Landesjustizbehörden,
die sich an der Befragung beteiligten, konnten keine Angaben zum Anteil der Drogenabhängigen machen. In den übrigen Bundesländern wurde der Anteil wie folgt geschätzt:
Baden-Württemberg ca. 20 %, Nordrhein-Westfalen 26 %,
Rheinland-Pfalz 7,3 %, Saarland 10 – 20 %, SchleswigHolstein 23 % und Thüringen 0 %. Zum Anteil der i. v. Drogenabhängigen, die auch in Haft ihren Drogenkonsum fortsetzen, kamen nur Angaben aus dem Saarland (ca. 50 %)
und Sachsen-Anhalt (ca. 80 %).
Sofern Angaben zur Anzahl der i. v. Drogenabhängigen in
Haft aus den Landesjustizbehörden oder einzelnen Anstalten vorliegen, ist durchgängig festzustellen, daß der Anteil
bei den Frauen wesentlich höher liegt als bei den Männern !.
AczgR]V_kgZcR]Vc:_WV\eZ`_d\cR_\YVZeV_SVZ
Z g5c`XV_RSYz_XZXV_f_UZ^;fdeZkg`]]kfX
9:G 2:5D
Die Daten des AIDS-Fallregisters und Meldungen nach der
Laborberichtsverordnung über HIV-Infektionen beim Robert Koch-Institut verdeutlichen, daß sich sowohl die HIVals auch die AIDS-Inzidenz unter i. v. Drogenkonsumenten
in den letzten Jahren stabilisiert hat. Auch neuere Seroprävalenzstudien deuten auf eine abnehmende Verbreitung
hin: Die HIV-Prävalenz unter Drogentoten betrug 9,2 %
(46 von 498) , während von 183 untersuchten Drogennotfallpatienten in Hamburg 8,7 % HIV-positiv waren . Stark
et al. ermittelten unter 405 Drogenkonsumenten in Berlin
eine HIV-Prävalenz von 18 %. Die größte deutsche epidemiologische Untersuchung des Zusammenhangs ›Drogen
und HIV/AIDS‹ von Kleiber und Pant" stellt in ihren drei Erhebungswellen einen Rückgang der HIV-Verbreitung unter
den Befragten fest: Von 19,4 % (1988/89) über 16,4 %
(1990/91) auf 12,7 % (1992/93). Dieser Zeittrend wird allerdings bei näherer Analyse relativiert durch eine Verschiebung innerhalb der untersuchten Populationsstruktur: Mehr
BTXcT !#
und mehr ältere, HIV-positive Drogenabhängige verlassen
zunehmend die Szene aktiver Drogengebraucher und begeben
sich in Substitutionsbehandlungen (zumindest für Berlin).
››Im ›Kern‹ der Drogenszene sind Neuinfektionen mit HIV
nach unseren Schlüssen nicht zurückgegangen.‹‹ " Untermauert wird diese Erkenntnis durch weiter vorhandenes Risikoverhalten der Befragten: Zwar sank der Anteil der unsteril
Injizierenden zwischen 1988 und 1993 von zunächst 65 %
über 48 % auf 40 %, doch immer noch desinfiziert nur ein
Viertel der ›Spritzentauscher‹ fremde Spritzutensilien effizient. ››Die Risikobereitschaft (und damit das Risiko, sich
über gemeinsamen Spritzbesteckgebrauch mit HIV zu infizieren), wuchs jedoch mit der sozialen Distanz des Tauschpartners und war in Haftkontakten besonders ausgeprägt.‹‹ "
Müller et al. ! bestätigen hohe Nadeltauschfrequenzen unter
gefangenen Drogenabhängigen. In ihrem untersuchten Kollektiv von 418 i. v. Drogenabhängigen aus Berlin, die mindestens einen Haftaufenthalt aufwiesen, setzten 48 % den i. v.
Drogenkonsum auch im Gefängnis fort. 75 % dieser i. v.
Drogenabhängigen, die im Strafvollzug Drogen konsumierten, berichteten von Nadeltausch: 51 % tauschten ihr Injektionsbesteck weniger als 50mal mit anderen Häftlingen und
24 % mehr als 50mal.
Auch in der europäischen Studie zu HIV-bezogenem
Risikoverhalten, die 1996 in fünf europäischen Ländern mit
derselben Methodik parallel durchgeführt wurde, ging i. v.
Drogengebrauch im Strafvollzug größtenteils auch mit
Spritzentausch einher: Von den Inhaftierten, die angaben,
jemals im Gefängnis Drogen gespritzt zu haben, gaben 73 %
an, dabei auch Nadeln/Spritzbestecke getauscht zu haben. "
Während es also bei einem großen Teil der i. v. Drogenkonsumenten zu massiven Verhaltensänderungen gekommen ist, lebt und konsumiert gleichwohl ein nicht
unbeträchtlicher Teil nach wie vor riskant, insbesondere an
Orten, wo saubere Spritzbestecke nicht uneingeschränkt
verfügbar sind. #
Mehrere Studien außerhalb des Justizvollzuges belegen eine
enge Korrelation zwischen dem ehemaligen Aufenthalt im Justizvollzug und der Verbreitung o. g. Infektionskrankheiten. $ !
Stark und Müller % weisen in ihrer Studie mit über 1.000 befragten Drogenabhängigen aus, daß ››... bei Personen, die
während der Haft häufig fremde Spritzen benutzten, (war)
das HIV-Infektionsrisiko um über das 10fache höher als bei
denen, die niemals inhaftiert waren. Von denjenigen Fixern,
die in Haft häufiger als 50mal fremde Spritzen benutzt hatten,
waren 50 % mit HIV und 97 % mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert, während die entsprechenden Infektionsraten bei denjenigen, die nie inhaftiert gewesen waren, bei 5 % bzw. 71 %
lagen‹‹.
Kleiber $ hat ebenfalls einen deutlichen Zusammenhang
zwischen dem Aufenthalt im Justizvollzug und der Verbreitung der HIV-Infektion hergestellt: In seiner differentiellepidemiologischen Untersuchung der HIV-Prävalenz bei
Drogengebrauchern (n = 1.253) stellte er eine Prävalenzrate
von 19,9 % fest. Eine vertiefende Analyse ergab, daß
Drogengebraucher ohne Hafterfahrung (n = 499) zu 10 %
HIV-positiv waren, solche mit Hafterfahrungen waren bereits
zu 26 % und diejenigen, die darüber hinaus noch angaben,
auch in der Haft intravenös appliziert zu haben, waren zu
InfFo 88(&
?axeP[T]ieXaP[Ta8]UTZcX^]bZaP]ZWTXcT]d]SX]UTZcX^]baT[TeP]cT]AXbXZ^eTaWP[cT]bX\STdcbRWT]9dbcXie^[[idV
33,7 % HIV-positiv. Mit den Haftepisoden steigt die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion, die bei den untersuchten
Frauen am ausgeprägtesten war: ››Über 40 % (29/70) der
mehr als dreimal inhaftierten Fixerinnen waren mit HIV infiziert. Dieses Ergebnis stellt den deutlichsten Einzelzusammenhang zwischen HIV und einer anderen Variable
dar‹‹. & Koch und Ehrenberg ' bestätigen diese Ergebnisse.
Sie fanden unter ihren 660 Befragten eine doppelt so hohe
HIV-Prävalenz bei i. v. Drogenkonsumenten mit Hafterfahrung (23,7 %) gegenüber Nicht-Hafterfahrenen (12,5 %).
Die HIV-Prävalenz von Frauen mit Hafterfahrung war dreimal höher als bei Frauen, die nie im Gefängnis waren.
Die Zahl der mit HIV-infizierten Drogengebraucher in
Haft wird in Deutschland von offizieller Stelle 2 bei Männern zwischen 0,12 % und 2,8 % und bei Frauen zwischen
0,48 % und 8 % der Gefängnisbelegung angegeben V. Innerhalb dieser Bandbreite liegen auch die Ergebnisse einzelner
HIV-Prävalenzstudien im Justizvollzug, ' (!! Diese Zahlen
müssen jedoch mit den eingangs skizzierten Einschränkungen
bezüglich ihres Dunkelfeldes und ihrer Selektion betrachtet
werden.
In Baden-Württemberg ist bei einer bereits oben angesprochenen speziellen, knapp zweijährigen Testreihe bei
i. v. drogengefährdeten Gefangenen (n = 6.255) eine HIVPrävalenz von 5,3 % festgestellt worden. Ein Drittel davon
waren systematische Wiederholungsuntersuchungen vormals negativ getesteter Gefangener, wobei keine Serokonversion festgestellt wurde (Justizministerium BadenWürttemberg, 1994). Im Rahmen der Testreihe lehnten
durchschnittlich 10,8 % der Gefangenen die systematischen
Wiederholungsuntersuchungen ab.
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Hepatitis-Infektionen haben sich außerhalb des Vollzugs
unter i. v. Drogenkonsumenten trotz bereitstehender infektionsprophylaktischer Hilfsangebote massiv verbreitet. Dies
ist z. T. darauf zurückzuführen, daß die Hepatitis-Viren sehr
viel resistenter gegenüber Umwelteinflüssen und demgemäß
sehr viel leichter übertragbar sind als etwa das HI-Virus. Die
hohe Verbreitung kann aber auch ein Anzeichen dafür sein,
daß nach wie vor unter bestimmten Drogengebrauchern eine
mangelnde Hygiene bei der intravenösen Injektion besteht
(gemeinsame Benutzung von Spritzen oder Spritzutensilien
bzw. Drogen). Zudem ist das Risiko einer Infektion schon
bei vereinzelter oder auch einmaliger Unachtsamkeit bzgl.
des hygienischen Verhaltens enorm hoch aufgrund der hohen
Hepatitis-Durchseuchungsrate bei i. v. Drogenabhängigen.
Einzelne in Deutschland ausgeführte Prävalenzstudien
ermittelten in ihren Kollektiven eine Hepatitis-B-Verbreitung von 36,6 % bis 58 % % und eine Hepatitis-C-Verbreitung zwischen 43,9 % und 83 % %.
Bei einer Analyse der amtlich gemeldeten HepatitisInfektionen außerhalb des Justizvollzuges stellten RiegerNdakorerwa et al. !! eine relative und absolute Zunahme vor
allem der infektiösen Hepatitis B in den Risikogruppen ›i. v.
Drogenabhänigige‹ und ›Insassen von Haftanstalten‹ fest –
ihr Anteil liegt jeweils um ein Vielfaches über deren vermutetem Anteil in der Gesamtbevölkerung. Auch bei den von
Laufs et al. !" untersuchten 4.659 HCV-infizierten Personen
InfFo 88(&
aus dem Hamburger Raum war das Risiko ›i.v. Drogenkonsum‹ (23,4 % aller Fälle) und ›Haftaufenthalt‹ (12,5 %)
enorm hoch. Diese Zahlen müssen vor dem Hintergrund eines großen Dunkelfeldes nicht gemeldeter Hepatitis-Infektionen betrachtet werden: Rieger-Ndakorerwa !! schätzt
einen Anteil von ca. 80 – 90 %.
In der Studie von Kleiber und Pant " berichtete etwas mehr
als die Hälfte aller Interviewteilnehmer von einer durchgemachten Gelbsucht, unter den HIV-Seropositiven waren es
78,5 %.
Den Zusammenhang und den Stellenwert von HIV und
Hepatitiden belegen eindrücklich Hämmigs Testresultate !#,
die sich auf eine Berner Projektgruppe als Teilnehmer am
PROVE-Projekt – (Verschreibung von Betäubungsmitteln
an Heroinabhängige) beziehen: Die besondere epidemische
Bedeutung von Hepatitis-Erkrankungen im Verhältnis zu
HIV/AIDS bei intravenösem Drogenkonsum stellt sich in
der Untersuchung so dar, daß in der Stichprobe (n = 114)
eine HIV-Infektion nur bei gleichzeitiger Betroffenheit von
Hepatitis C oder in Kombination mit Hepatitis B und C vorkommt und die größte Betroffenheit mit 60 % bei einer
kombinierten Hepatitis-B- und -C-Infektion lag.
Gaube et al. !$ fanden in der JVA Wolfenbüttel eine
100 – 200fach höhere Häufigkeit der Verbreitung der drei
Hepatitiden A, B und C im Justizvollzug als in der Normalbevölkerung.
Im Justizvollzug scheinen Hepatitis-Infektionen sehr viel
stärker verbreitet zu sein als außerhalb. Keppler, Nolte und
Stöver ! fanden bei einer Untersuchung in der niedersächsischen Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta Infektionsraten von 78 % (Hep. B) und 74,8 % (Hep. C) bei drogenkonsumierenden Frauen. Dabei wurden Serokonversionen
während der Haftzeit in nicht unerheblichem Umfang festgestellt: Von den 41 serokonvertierten Patientinnen hatten
sich 20 (48,8 %) ihre Hepatitis-Infektion während der Inhaftierungszeit erworben.
Bredeek et al. & fanden bei 621 HIV-Positiven, die zwischen 1983 und 1995 im Berliner Justizvollzug serologisch
auf Hepatitis B untersucht wurden, daß 95,8 % eine
Hepatitis B durchgemacht hatten. Von den 271 seit Einführung des Hepatitis-C-Tests in der JVA (1990) auf HCV-Antikörper untersuchten HIV-positiven Insassen erwiesen sich
97 % als positiv.
Die bereits erwähnte schriftliche Befragung der Landesjustizbehörden verdeutlichte, daß Eingangsuntersuchungen
auf Hepatitiden entweder gar nicht oder nur bei medizinischer Indikation durchgeführt werden. Positive HepatitisBefunde werden bisher von keiner der Landesbehörden
systematisch erfaßt.
Demnach erfordern infektionsprophylaktische Bemühungen
insbesondere im Justizvollzug eine über die Beachtung und
Eindämmung einer HIV-Verbreitung hinausgehende Realisierung des erheblichen Infektionsrisikos ›Hepatitis‹ unter
i. v. Drogenkonsumenten.
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Die Aussagen zur HIV-Prävalenz und dem Infektionsrisiko
in Haft bleiben widersprüchlich: Während die Landesjustizbehörden von einer überwiegend geringen und rückläufigen
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Anzahl HIV-positiver Gefangener und einer geringen Dunkelziffer mit einigen wenigen bekannten Fällen von Serokonversionen ausgehen, kommen externe Untersuchungen
durchgängig zu signifikanten Korrelationen zwischen HIVInfektion und Haftaufenthalten (und dort fortgesetztem intravenösen Drogenkonsum).
In Bezug auf Hepatitis-Infektionen muß davon ausgegangen werden, daß diese unter i. v. Drogenabhängigen
sowohl innerhalb als auch außerhalb des Justizvollzuges
stark verbreitet sind. Mit längsschnittlich angelegten Untersuchungen konnten bereits mehrere Serokonversionen in
Haft nachgewiesen werden.
Schließlich muß festgehalten werden, daß aufgrund des
besonderen Gegenstandsbereichs (Drogengebrauch und
Infektionskrankheiten) und des besonderen Charakters des
Untersuchungsgegenstandes ›virale Infektionskrankheiten
im Vollzug‹ (freiwillige Testung, unterschiedliche Inkubations- und Antikörpernachweiszeiten) präzise Aussagen über
Infektionsgeschehen und -verlauf im Vollzug nur schwer zu
treffen sind.
Mit der überwiegend angewandten Methode von (nicht
anonymen) Querschnittserhebungen der HIV-Prävalenz
zum Zeitpunkt des Haftbeginns ist aufgrund der eingangs
diskutierten methodischen Probleme eine Analyse des
Infektionsgeschehens im Vollzug nicht möglich. Längsschnittlich erhobene serologische Daten an Referenzpopulationen, die durch sozialwissenschaftliche Fragestellungen
ergänzt werden, bieten eher Aussicht auf aussagekräftige
und praxisweisende Ergebnisse.
Querschnittsuntersuchungen zur HIV/Hepatitis-Prävalenz
im Justizvollzug werden nur bei gleichzeitiger Erfassung soziodemographischer und behavioraler Parameter und bei
entsprechend hohen Partizipationsraten interpretierbare Ergebnisse liefern können !%!&. Dies ist bei der bisher im Vollzug angewandten Praxis nicht gewährleistet, u. a. deshalb,
weil die Untersuchungen nicht anonym durch die Anstaltsärzte durchgeführt werden und die Betroffenen ggf. auch
mit vollzuglichen Nachteilen zu rechnen haben. Hohe
Partizipationsraten an HIV/Hepatitis-Seroprävalenzstudien
und damit aussagekräftige Ergebnisse können lediglich
erzielt werden durch anonyme, freiwillige, von externen
Gruppen durchgeführte Untersuchungen, in denen parallel
zum Serostatus Informationen zum Risikoverhalten vor und
während der Inhaftierung erhoben werden. Diese Methodik
wurde in Deutschland erstmals in einer Machbarkeits-Studie
in der JVA Remscheid " erfolgreich erprobt (siehe auch
Seite 27 in diesem Heft).
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Die Prävention der HIV-Infektion im Strafvollzug in Europa
ist einer der Forschungsbereiche mit hoher Priorität im Rahmen des Europe-against-AIDS-Programms der Kommission
der Europäischen Gemeinschaft. Das Forschungsprojekt
›European Network for Prevention of HIV Infection in Prisons‹ ist eines der Projekte, die innerhalb dieses Programms
gefördert werden. Seit Ende 1995 hat das WIAD gemeinsam mit dem französischen Institut Observatoire Regional
de la Santé, Marseille, die Leitung für dieses europäische
Projekt.
Ende 1996/Anfang 1997 wurde in sechs Mitgliedsländern
(Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Schottland
und Schweden) jeweils mit denselben Methoden eine Machbarkeitsstudie zur Prävalenz der HIV-Infektion und zu HIVbezogenem Risikoverhalten vor und während der Inhaftierung
durchgeführt, um die Instrumente und die Methodik zu testen
und international vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Das
Studiendesign, das in Schottland entwickelt wurde !, wurde
in Deutschland erstmals erprobt. Im folgenden sollen vor allem
die Ergebnisse der deutschen Studie beschrieben werden
(Gesamtergebnisse der europäischen Studien siehe Weilandt
und Rotily ").
Die HIV-Infektion, das Risiko der Übertragung und Fragen
der effektiven Prävention im Strafvollzug sind nicht nur in
Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Staaten
ein sehr kontrovers diskutiertes Thema. Von HIV und AIDS
im Strafvollzug betroffen sind fast ausschließlich Konsumenten illegaler Drogen (intravenous drug user – IDU).
88 % der HIV-Infizierten in Berliner Justizvollzugsanstalten
InfFo 88(&
(1983 – 1995, n = 925) waren IDU#. In den letzten Jahren ist
der Anteil der IDU unter den Strafgefangenen kontinuierlich
angestiegen. So weist z. B. Krumsiek $ darauf hin, daß sich
die Zahl der Drogenabhängigen im Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen innerhalb der letzten zehn Jahre verdoppelt
hat. Die Tatsache, daß illegale Drogen im Strafvollzug verfügbar sind und konsumiert werden, somit die Justizvollzugsanstalten keine drogenfreien Räume sind, wird
inzwischen kaum noch in Frage gestellt. Der Bundesgesundheitsminister schätzt, daß trotz scharfer Kontrollen über
40 % der ca. 20.000 Drogenabhängigen in Haft weiterhin
illegale Drogen konsumieren. Die Ergebnisse der Studie von
Koch und Ehrenberg % legen nahe, daß dieser Anteil sogar
noch darüber liegt; sie fanden bei einer Befragung von
660 Probanden, daß die Hälfte der Inhaftierten ihren i. v.
Drogenkonsum in Haft fortsetzen.
Für die Drogenabhängigen, die ihren i. v. Drogenkonsum
im Strafvollzug fortführen, bestehen vielfältige Übertragungsrisiken viraler Infektionskrankheiten wie AIDS und
Hepatitis, da sterile Spritzen in den Haftanstalten nicht frei
verfügbar sind (abgesehen von dem Modellprojekt ›Infektionsprophylaxe im Niedersächsischen Justizvollzug‹ &) und
der gemeinsame Gebrauch der wenigen illegal vorhandenen
(unsterilen) Spritzen (needle sharing) weitverbreitet ist.
Auch in anderen europäischen Ländern wurden ähnliche
Ergebnisse publiziert. Die European Community Study
Group on HIV in Injecting Drug Users ' untersuchte Faktoren, die mit der HIV-Infektion bei Drogenabhängigen assoziiert waren, und fand heraus, daß Gefängnisaufenthalte
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signifikant mit dem HIV-Serostatus korreliert waren. Auch
Pickering und Stimson ( und Bath et al. berichteten, daß die
Anzahl der Haftaufenthalte stark mit der HIV-Infektion assoziiert war. Des weiteren fällt auf, daß das Sexualverhalten
im Strafvollzug und das Übertragungsrisiko bezüglich der
HIV-Infektion bisher kaum untersucht worden sind.
Vor diesem Hintergrund ist im Auftrag der Kommission
das ›European Network for HIV Prevention in Prisons‹ aufgebaut worden, das u. a. zum Ziel hat, Informationen zu
Epidemiologie, Risikoverhalten, Prävention und rechtlichen
Aspekten bezüglich der HIV-Infektion im Strafvollzug in
den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft zusammenzustellen und zu vergleichen. Ein weiteres Ziel des
Netzwerks ist es, gemeinsam Methoden und Instrumente für
die epidemiologische Überwachung und die Beobachtung
von Risikoverhalten in der Europäischen Gemeinschaft zu
entwickeln, um so international vergleichbare Daten zu
erheben.
>VeY`UV
Die Machbarkeitsstudie wurde am 8. November 1996 in der
Justizvollzugsanstalt Remscheid in Nordrhein-Westfalen
durchgeführt. Dort verbüßen ausschließlich verurteilte
erwachsene Männer, von denen ca. 1/3 nichtdeutscher
Nationalität ist, ihre Haftstrafe. Die Anzahl der Strafgefangenen zum Zeitpunkt der Untersuchung betrug ca. 550. Die
meisten Insassen sind zu Haftstrafen über einem halben Jahr
verurteilt. 95 % der Gefangenen leben in Einzelzellen. Kondome sind in der JVA Remscheid nicht anonym und kostenlos verfügbar, können aber genauso wie wasserlösliche
Gleitmittel einmal pro Monat beim Anstaltskaufmann bestellt werden. Die JVA Remscheid hat sechs Langzeit-Besucherräume, die wie kleine Appartments eingerichtet sind
und in denen sich Insassen mit ihren Angehörigen oder Partnern für längere Besuchsaufenthalte bis zu sieben Stunden
aufhalten können.
Der Besitz von Spritzen ist verboten, es sind keine Desinfektionsmittel für Injektionsbestecke (bleach) verfügbar.
HIV-Tests werden vom medizinischen Dienst systematisch
bei Neuaufnahme angeboten und auch später auf Anfrage
der Gefangenen durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren dem medizinischen Dienst drei HIV-positive
Insassen bekannt. Hepatitis-Infektionen werden im medizinischen Dienst nicht systematisch erfaßt.
Von der randomisierten Stichprobe (ca. ¼ der Insassen),
die zur Teilnahme ausgewählt wurde, nahmen 87,5 % an der
anonymen und freiwilligen Untersuchung teil, d. h., die Probanden füllten einen kurzen Fragebogen mit Informationen
zu Risikofaktoren aus, und es wurde eine Speichelprobe entnommen, die auf HIV-Antikörper untersucht wurde.
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Den Probanden wurde ein kurzer Fragebogen zum Selbstausfüllen vorgelegt. Dieser beinhaltete neben einer kurzen
Instruktion und einer Information über den Zweck der
Untersuchung 41 geschlossene Fragen, die ausschließlich
durch Ankreuzen beantwortet werden konnten. Der Fragebogen beinhaltete soziodemographische und haftbezogene
Items sowie solche zu Drogenkonsum und Sexualverhalten
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vor und während der Inhaftierung, Substitution und der
Inanspruchnahme von HIV- und Hepatitis-Tests.
Die Speichelproben wurden mit Sarstedt Salivetten® entnommen. Diese bestehen aus einer kleinen Watterolle, auf
der ca. ein bis zwei Minuten gekaut und die anschließend in
ein verschließbares Zentrifugengefäß gegeben wird. Die
Speichelproben wurden mit ELISA-Tests auf HIV-Antikörper
untersucht; bei positivem ELISA wurde ein WesternblotBestätigungstest durchgeführt. Fragebögen und Salivetten
waren vorher mit Strichcode-Aufklebern (ohne Ziffern) versehen worden. In einem verschlossenen Umschlag waren
jeweils ein Fragebogen und ein Speichelröhrchen mit identischen Codes enthalten, die Probanden konnten selbst die
Umschläge aus einer Urne auswählen. Somit konnte die
Anonymität der Gefangenen sichergestellt und Speichelproben und Fragebögen wieder zusammengeführt werden.
Da aufgrund des anonymisierten Verfahrens die individuellen Ergebnisse der HIV-Tests nicht an die Probanden
zurückgemeldet werden konnten, wurde den Studienteilnehmern die Möglichkeit gegeben, sich für einen persönlichen HIV- bzw. Hepatitis-Test anzumelden, der ab der
darauffolgenden Woche im medizinischen Dienst der JVA
durchgeführt werden konnte. 29 (23 %) der Probanden nahmen dieses Angebot in Anspruch.
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Vor Durchführung der Studie wurde eine randomisierte
Stichprobe von 143 (ca. ¼) der Insassen gezogen, wobei die
Randomisierung anhand der Gefangenennummern vorgenommen wurde. Die Probanden waren vor der Untersuchung nicht darüber informiert, daß eine Studie zur HIVPrävalenz und diesbezüglichem Risikoverhalten geplant war
und sie ggfs. daran teilnehmen könnten.
Die Studie fand an einem Freitag (13.00 bis 17.00 Uhr)
statt, nachdem die Arbeitszeit in der JVA für die Gefangenen beendet war. Die Untersuchung wurde in den Besucherräumen durchgeführt. Hier standen insgesamt fünf Räume
zur Verfügung (zwei große und drei kleinere). Die Probanden wurden in vier Gruppen zu jeweils ca. 35 Gefangenen in
die Besucherabteilung der JVA geführt und kamen zunächst
alle in einem der größeren Räume zusammen, um von der
Projektleitung über den Zweck und den Ablauf der Studie
informiert zu werden. Dieses Informationsgespräch mit den
Gefangenen war insofern von zentraler Bedeutung, als die
Teilnehmer umfassend über Inhalt, Zweck und Ablauf der
Studie informiert werden mußten, aber auch, um das Mißtrauen der Gefangenen zu minimieren. Die Anonymität der
Daten wurde besonders akzentuiert, da in den Fragebögen
Angaben zu z. T. intimen Fragen und illegalem Verhalten
gemacht wurden. Im einzelnen wurden folgende Punkte
angesprochen:
Die Probanden sind durch ein Zufallsverfahren ausgewählt worden und nicht aufgrund anderer Kriterien (z. B.
Drogenkonsum oder andere Verhaltensaspekte).
Die Untersuchung wird von einem unabhängigen Forschungsinstitut durchgeführt, das weder im Auftrag der Justizvollzugsanstalt noch deren Aufsichtsbehörde handelt.
Auftraggeber ist die Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Alle Informationen und Daten werden außerhalb der
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Justizadministration weiterverarbeitet, und die Studienteilnehmer werden über alle Ergebnisse informiert.
Die Teilnahme an der Studie ist freiwillig. Den Gefangenen
werden keinerlei Nachteile entstehen oder Vorteile entgehen,
wenn sie nicht teilnehmen. Die Probanden können sich jederzeit entscheiden abzubrechen und die Besucherräume ohne
Rückfragen verlassen.
Die Anonymität und Vertraulichkeit der Untersuchung
wurden besonders betont. Durch das Strichcodesystem ist es
möglich, die Speichelproben wieder mit den Fragebogenergebnissen zusammenzuführen, ohne daß personenbezogene Daten erfaßt werden. Vier Vertreter der
Gefangenenmitbestimmung (von den Insassen gewählte
Vertrauenspersonen) waren während der gesamten Untersuchung anwesend, um den ordnungsgemäßen Ablauf zu
kontrollieren.
Der Ablauf der Untersuchung wurde genau erklärt und
der Umgang mit den Speicheltests demonstriert. Um unbegründeten Ängsten vor Infektionsübertragung durch
Speichel vorzubeugen, wurde betont, daß Speichel nicht
infektiös ist, aber Antikörper gegen HIV enthält, die Rückschlüsse auf eine Infektion zulassen.
Da ca. ein Drittel der Strafgefangenen nicht deutscher
Nationalität war, wurden von den Fragebögen Übersetzungen in türkischer, englischer und französischer Sprache
angefertigt. Die fremdsprachigen Versionen konnten benutzt
werden, um die Fragen zu verstehen, die Antworten wurden
aber grundsätzlich in der deutschen Version angekreuzt, um
die Anonymität der nichtdeutschen Probanden sicherzustellen.
Die Mitarbeiter der Forschungsgruppe wurden namentlich vorgestellt und auf deren jeweilige Sprachkenntnisse
und Ausbildung hingewiesen (das interdisziplinäre Team
bestand aus acht Mitarbeitern, die insgesamt sechs verschiedene Sprachen beherrschen). Es wurde darauf hingewiesen,
daß die Mitarbeiter jederzeit um Hilfe gebeten werden
könnten, wenn es sprachliche Probleme gibt oder sonstige
Unklarheiten oder Informationsbedarf bezüglich HIV und
Hepatitis bestehen.
Es wurde betont, daß aufgrund des anonymen Verfahrens
keine individuellen Testergebnisse zurückgemeldet werden
können. Für die Teilnehmer, die über ihren Infektionsstatus
Gewißheit haben möchten, besteht die Möglichkeit, sich für
einen individuellen HIV- bzw. Hepatitis-Test im medizinischen Dienst der JVA anzumelden. Wie bereits erwähnt,
nahmen 23 % der Teilnehmer dieses Angebot in Anspruch.
Es wurde klargestellt, daß die Probanden unmittelbar
nach dem Informationsgespräch entscheiden können, ob sie
teilnehmen möchten oder nicht, aber auch zu jedem späteren
Zeitpunkt (z. B. nachdem sie den Fragebogen angeschaut
haben), und daß auch die Möglichkeit besteht, nur einen Teil
der Fragen zu beantworten, nur eine Speichelprobe oder nur den
Fragebogen abzugeben und keine Speichelprobe zu entnehmen.
Die Gefangenen hatten anschließend die Möglichkeit,
Fragen zu stellen und Unklarheiten zu diskutieren. Da einige
Teilnehmer nicht oder nur schlecht deutsch sprachen,
wurden die o. a. Informationen in der jeweiligen Sprache
wiederholt (vorwiegend türkisch).
Nach dem Informationsgespräch zogen die Teilnehmer
einen Umschlag aus einer Urne, der jeweils einen Fragebogen
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und eine Salivette mit identischen Strichcode-Aufklebern
und einem separaten Anmeldezettel für persönliche HIVTests in der JVA enthielt. Die Probanden verteilten sich in
den fünf Besucherräumen, die groß genug waren, so daß
jeder an einem Einzeltisch sitzen und für sich die Fragen in
Ruhe beantworten konnte. Die Bögen wurden anschließend
in den Umschlag zurückgesteckt und verschlossen bei den
Projektleitern abgegeben. Die Salivetten wurden separat
eingesammelt.
In dem Eingangsbereich zu den Besucherräumen war ein
Informationstisch mit Broschüren, Büchern und sonstigen
Informationsmaterialien zu HIV und AIDS, Hepatitis, Drogenabhängigkeit, Safer Sex und Safer Use aufgebaut. Diese
Informationsmaterialien sind auf großes Interesse gestoßen
und sehr gut angenommen worden. Verbleibende Materialien
wurden der Gefängnisbücherei zur Verfügung gestellt.
Nach demselben Verfahren wurden vier Gruppen von
Gefangenen nacheinander untersucht. Während der gesamten Untersuchung waren nur zwei Justizvollzugsbeamte in
den Besucherräumen anwesend. Die vier Vertreter der
Gefangenenmitbestimmung waren ebenfalls während der
gesamten Studienphase zugegen.
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Bevor im einzelnen auf die Ergebnisse eingegangen wird,
muß vorausgeschickt werden, daß die Daten weder als repräsentativ für eine spezifische Haftform noch für die Region
oder gar den Strafvollzug in Deutschland anzusehen sind.
Ziel der vorliegenden Studie war es vor allem, die Durchführbarkeit und Validität einer Methode zur Erhebung HIVbezogenen Risikoverhaltens und HIV-Prävalenz im spezifischen Untersuchungsfeld Strafvollzug zu testen und die
Erhebungsinstrumente zu prüfen. Einschränkungen hinsichtlich der Interpretation der vorliegenden Daten sind vor
allem in Hinblick auf die relativ geringen Fallzahlen der i. v.
Drogenabhängigen (n = 35) in dem Sample zu beachten.
Wie die nachfolgenden Ergebnisse zeigen werden, hat sich
das angewandte Design als zuverlässig und praktikabel erwiesen, so daß in weiteren Studien an größeren Stichproben
repräsentative und im europäischen Kontext international
vergleichbare Ergebnisse zu erzielen sind.
Die randomisierte Stichprobe von Inhaftierten bestand
aus 143 Personen, von denen 125 an der Untersuchung teilnahmen. Das entspricht einer Partizipationsrate von 87,5 %.
Ein Fragebogen wurde wegen logischer Inkonsistenzen von
der weiteren Analyse ausgeschlossen. Von den
125 Speichelproben konnten acht nicht weiter analysiert
werden, da sie zu wenig Speichel enthielten. 35 Probanden
(28 %) gaben an, i. v. Drogen zu spritzen bzw. in der Vergangenheit gespritzt zu haben (im folgenden i. v. User genannt), 89 der Befragten hatten bisher noch niemals i. v.
Drogen konsumiert (Non-User). Im folgenden werden die
Ergebnisse z. T. für beide Gruppen separat dargestellt.
Die Altersverteilung der Probanden, differenziert nach
i. v. Usern und Non-Usern, ist der Tabelle 1 zu entnehmen.
Es fällt auf, daß die Gruppe der i. v. User signifikant jünger
(p < .05) als die der Non-User ist. 74 % der User sind
30 Jahre und jünger, während bei den Non-Usern lediglich
45 % in dieser Altersgruppe sind.
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77 % aller Probanden haben seit 1980 überwiegend in
Deutschland gelebt, wobei dieser Anteil bei den i. v. Usern
etwas höher liegt, sich aber nicht signifikant von der Gruppe
der Non-User unterscheidet.
Der überwiegende Teil der befragten Gefangenen (94 %)
war zu Haftstrafen über einem halben Jahr verurteilt.
Die Gruppe der i. v. User hat signifikant häufiger vorherige
Hafterfahrungen als die Non-User. 56 % der Non-User
waren zum erstenmal inhaftiert, während ca. ¾ der i. v. User
schon mindestens einmal vorher in einer Justizvollzugsanstalt gewesen sind.
34 % der i. v. User haben ihren Drogenkonsum 1992 oder
später begonnen und 34 % waren mehr als zehn Jahre drogenabhängig. 68 % hatten das letzte Mal in der Woche unmittelbar vor der Inhaftierung Drogen gespritzt und können somit
mit Sicherheit als aktive User angesehen werden. 20 % der
Probanden der i. v. User gaben an, daß mehr als ein Monat
zwischen der letzten Injektion (außerhalb der JVA) und dem
Haftantritt lagen. Die hier gewählte Klassifikation macht es
schwer, genau zwischen Ex-Usern und Drogenabhängigen,
die nur gelegentlich i. v. Drogen spritzen (und ansonsten
andere Drogen bevorzugen bzw. anders konsumieren), zu
differenzieren. Diese Unschärfe bezüglich der Klassifikation ist für weitere Untersuchungen auszuschließen.
Die Hälfte der i. v. User setzt ihren Drogenkonsum auch
in der JVA fort. Diese Zahl wird auch durch die Ergebnisse
aus Schottland und Schweden gestützt. Hier fanden zum
gleichen Zeitpunkt Parallelstudien mit denselben Instrumenten und identischen Verfahren statt. In Schottland gaben
57 % (66/119) der Drogenabhängigen an, auch im Gefängnis
›gedrückt‹ zu haben, in Schweden waren es 67 % (16/24).
Die Häufigkeit des Drogenkonsums ist u. a. auch abhängig
von dem momentanen ›Angebot‹ in der jeweiligen JVA.
Aufgrund der kleinen Stichprobe und der Tatsache, daß diese
Studie in Deutschland bisher nur in einer Anstalt und nur an
einem Stichtag durchgeführt wurde, können die Daten zur
Häufigkeit des Drogenkonsums der einzelnen Gefangenen
innerhalb der JVA aus der vorliegenden Studie nicht als
zuverlässig angesehen werden.
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Wenn Drogenkonsum im Gefängnis angegeben wurde,
ging dies größtenteils auch mit needle sharing einher. 71 %
(12/17) der Befragten, die in der JVA i. v. Drogen konsumierten, berichteten, dabei mit anderen gemeinsam das
Spritzbesteck benutzt zu haben. Der Anteil derjenigen i. v.
User, die angaben, in den letzten vier Wochen mit anderen
das Spritzbesteck getauscht zu haben (12 %), erscheint hier
relativ gering. Dies könnte eventuell damit zusammenhängen, daß eine latente Restunsicherheit bezüglich der
Anonymität der Angaben bei den Befragten vorhanden war
und daher tendenziell aktuelles illegales Verhalten (d. h.
Drogenkonsum) während des momentanen Haftaufenthalts
eher nicht angegeben wird. Zum anderen könnte dies auch
mit der aktuellen Verfügbarkeit in der JVA im Zeitraum vor
der Erhebung zusammenhängen.
Für einige Gefangene ist der Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt offensichtlich der Ausgangspunkt einer
Drogenkarriere. 12 % (4/34) der i. v. User gaben an, daß sie
im Gefängnis waren, als sie zum ersten Mal Drogen
gespritzt haben. Die Tatsache, daß der Gefängnisaufenthalt
den Einstieg in die Drogenszene bedeuten kann, wird auch
durch die Ergebnisse aus anderen Ländern bestätigt. 15 %
(4/26) der drogenabhängigen Gefangenen aus der schwedischen Studie hatten zum ersten Mal im Gefängnis i. v.
Drogen konsumiert. In Schottland lag der entsprechende
Anteil bei 4 % (5/115). In einer vorherigen Studie aus
Schottland, die in einer anderen Vollzugsanstalt stattfand
(Glenochil Prison, 1994), gab ¼ der inhaftierten Drogenabhängigen (18/75) an, zum ersten Mal im Gefängnis Drogen
gespritzt zu haben !.
Die Antworten auf die Frage, wie normalerweise
gebrauchte Spritzen im Gefängnis gereinigt werden, verdeutlichen, daß knapp die Hälfte der i. v. User die Spritzen
entweder gar nicht reinigen oder Methoden anwenden (kaltes
Wasser oder Feuer), die völlig unzureichend sind, um HIVoder Hepatitis-Viren und sonstige Krankheitserreger zu eliminieren. 54 % gaben an, die Spritzen mit kochendem Wasser
zu reinigen. Unklar bleibt hier, ob die Spritzbestecke auch
hinreichend lange ausgekocht werden.
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29 % der i. v. User waren in den letzten sechs Monaten vor
Haftantritt in Drogentherapie gewesen. Mehr als die Hälfte
der drogenabhängigen Gefangenen hatte noch niemals eine
drogentherapeutische Behandlung begonnen, wobei MethadonSubstitution explizit als Behandlung ausgeschlossen war.
Die Hälfte der i. v. User hatte im letzten Jahr vor der
Inhaftierung Sexualverkehr mit mindestens einem drogenabhängigen Partner. In der Gruppe der Non-User lag der
Anteil signifikant niedriger (11 %). Drei der i. v. User und
keiner der Non-User hatten im letzten Jahr vor der Inhaftierung
Sexualverkehr mit mindestens einem HIV-positiven Partner.
Tabelle 3 gibt Auskunft über sexuelle Risikofaktoren
aller Befragten vor bzw. während der Inhaftierung. Da
sich die Gruppe der i. v. User und Non-User in den
meisten Variablen nicht signifikant unterscheiden, wird
hier weitestgehend auf eine differenzierende Darstellung
verzichtet.
39 % der Teilnehmer hatten im letzten Jahr vor der jetzigen
Inhaftierung zwei bis fünf und 17 % mehr als fünf verschiedene weibliche Sexualpartner. 3 % der Befragten hatten mit
mindestens einem männlichen Partner Analverkehr in dem
Jahr vor der Inhaftierung. Der Anteil derjenigen, die bei
ihrem letzten Sexualverkehr ein Kondom verwendet haben,
ist sehr niedrig. 13 % gaben an, beim letzten Geschlechtsverkehr mit einem festen Partner ein Kondom verwendet zu
haben, und 61 %, die im letzten Jahr Sexualverkehr mit
einem Gelegenheitspartner hatten, haben dabei kein Kondom
verwendet.
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Die i. v. User hatten im Vergleich zu den Non-Usern
signifikant häufiger Sexualverkehr mit einem oder
mehreren i. v. drogenabhängigen Partnern innerhalb der
letzten 12 Monate vor Haftantritt gehabt. Aber auch bei
den Non-Usern war der Anteil mit 11 % sehr hoch. 2 %
der Untersuchungsteilnehmer hatten im Jahr vor der
Inhaftierung Sexualkontakt mit einem HIV-positiven
Partner.
Bezüglich der Frage ››Haben Sie jemals Geld oder Wertsachen für Geschlechtsverkehr (außerhalb des Gefängnisses) bezahlt?‹‹ und ››Haben Sie jemals Geld oder
Wertsachen für Geschlechtsverkehr (außerhalb des Gefängnisses) angenommen?‹‹ unterschieden sich die Gruppen der
User und Non-User nicht signifikant. Die Anteile derjenigen, die Sexualverkehr mit Prostituierten hatten (33 %)
bzw. sich selbst prostituiert haben (7 %), sind in beiden
Gruppen hoch.
8 % der Befragten hatten schon einmal Geschlechtsverkehr mit einer Frau und 2 mit einem Mann innerhalb des Gefängnisses.
Deutliche und signifikante Unterschiede zwischen
beiden Gruppen sind bezüglich Tätowierungen feststellbar,
die innerhalb des Gefängnisses durchgeführt wurden
(s. Tab. 4). Nahezu die Hälfte der i. v. User hatte sich
während des aktuellen Haftaufenthaltes tätowieren lassen
bzw. sich selbst tätowiert. Bei den Non-Usern lag der entsprechende Anteil nur bei 12 %.
Die Antworten auf die Frage, ob und wenn ja, wie die
Tätowierungsinstrumente gereinigt waren, verdeutlichen,
daß in mindestens 1/3 der Fälle davon auszugehen ist,
daß die Instrumente nicht adäquat gereinigt worden
sind und somit das Risiko einer Infektionsübertragung
hoch ist.
Die im Justizvollzug ebenfalls weit verbreitete Praxis des
body piercing ist in diesen Untersuchungen nicht erhoben
worden, sollte aber bei weiteren Studien ebenfalls als Risikofaktor mit berücksichtigt werden.
Die i. v. User sind tendenziell häufiger auf HIV-Antikörper getestet als die Non-User (s. Tab. 5). Die beiden
Gruppen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich dieser
Variablen nicht signifikant voneinander (p = .07). Knapp
90 % der i. v. User haben bisher schon einmal einen HIV-Test
durchführen lassen. Bei 68 % aller Getesteten ist der HIVTest im Jahr 1995 oder 1996 durchgeführt worden.
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Der Anteil derjenigen Befragten, die jemals einen HepatitisC-Test haben durchführen lassen, liegt deutlich unter der
HIV-Testrate, obwohl die Hepatitis-C-Prävalenz sehr viel
höher ist als die HIV-Prävalenz. 54 % der i. v. User haben
schon einmal einen Hepatitis-C-Test durchführen lassen, bei
den Non-Usern waren es nur 16 %. Die meisten Tests (84 %)
sind 1995 und 1996 durchgeführt worden. Von den i. v.
Usern, die bisher noch keine Hepatitis-B-Infektion durchgemacht haben, waren nur 11 % (3/27) komplett geimpft.
Obwohl das Risiko einer Übertragung bei den Non-Usern
vergleichsweise geringer ist, lag hier der Anteil der komplett
Geimpften, ausschließlich derer, die bereits eine Hepatitis-BInfektion hatten, mit 21 % (20/87), höher.
Die Speicheltests mit Salivetten sind von den Gefangenen
sehr gut angenommen worden. Alle Teilnehmer, die den
Fragebogen ausgefüllt haben, gaben auch eine Speichelprobe ab. Problematisch bei dieser Untersuchung war
jedoch, daß acht der Proben nicht ausreichend Speichel enthielten, um damit den HIV-Test durchführen zu können. Die
Ursache hierfür ist sicherlich darin zu sehen, daß es den
Gefangenen freigestellt war, vor, während oder nach dem
Ausfüllen der Fragebögen auf der Watterolle zu kauen, so
daß es für das Untersuchungsteam relativ schwer war zu
kontrollieren, ob die Probanden die Salivette ausreichend
lange (d. h. 2 – 3 Minuten) im Mund behielten. Bei weiteren
Untersuchungen sollte das Procedere geändert werden, so
daß die Teilnehmer alle gleichzeitig (entweder vor der Fragebogenuntersuchung oder währenddessen) die Salivette in
den Mund nehmen und die Teilnehmer des Untersuchungsteams genau kontrollieren, daß diese mindestens drei Minuten
im Mund behalten wird. Trotz des relativ hohen Anteils an
nicht analysierbaren Speichelproben (6 %, 8/125) war das
Ergebnis des HIV-Screenings überraschend. Keiner der
Befragten gab an, daß ein vorher durchgeführter HIV-Test
positiv ausgefallen war, und dem medizinischen Dienst der
JVA war ebenfalls kein HIV-positiver Gefangener in der
randomisierten Stichprobe bekannt. Die Ergebnisse der
Speicheltests zeigten aber, daß einer der Probanden HIVpositiv war (ELISA, bestätigt durch Westernblot). Es bleibt
unklar, ob dieser Gefangene bereits HIV-positiv in die JVA
aufgenommen wurde oder sich während des Haftaufenthalts
infiziert hat. Dasselbe Ergebnis zeigt sich in der Studie, die
im gleichen Zeitraum in Frankreich durchgeführt wurde.
Auch hier fiel der HIV-Test bei einem Gefangenen positiv
aus, dem sein Serostatus nicht bekannt war. Beide Gefangenen
(aus Deutschland und Frankreich) waren i. v. drogenabhängige und aktive User.
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Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, daß sich die
eingesetzte Methodik zur Erhebung HIV-bezogenen Risikoverhaltens und der HIV-Prävalenz im Strafvollzug bewährt
hat. Das beschriebene Verfahren respektiert forschungsethische Aspekte und achtet die Persönlichkeitsrechte der
Beteiligten. Obwohl z. T. sehr intime Fragen und solche zu
offensichtlich illegalem Verhalten gestellt wurden, konnte
eine sehr hohe Partizipationsrate erzielt werden. Dies ist
zurückzuführen auf das anonyme und freiwillige Verfahren,
die offene Diskussion mit den Gefangenen, die Verwendung
InfFo 88(&
von Speicheltests (statt Blutabnahme) und den Einsatz von
einfachen Fragebögen zum Selbstausfüllen. Da das Vertrauen
der Gefangenen in die Anonymität der Daten eine der
wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen der Studie
ist, ist entscheidend, daß die Untersuchung durch eine externe,
von der Justizadministration unabhängige Gruppe durchgeführt wird. Zur Validierung und Vertiefung der erhobenen
Informationen könnten ergänzend qualitative Verfahren eingesetzt werden, wie z. B. problemzentrierte Interviews oder
Gruppendiskussionen .
Für eventuelle Folgeuntersuchungen scheint es auch sinnvoll, den Fragenkatalog in dem Sinne zu modifizieren, daß
zusätzlich zu den Fragen zu Drogenkonsum und Sexualität
auch einige allgemeine gesundheitsbezogene Items aufgenommen werden (z. B. über die Zufriedenheit mit der
gesundheitlichen Versorgung im Strafvollzug), um diejenigen
Gefangenen stärker zur Teilnahme zu motivieren, die weder
Drogen konsumieren noch sich sonstwie durch HIV-bezogene Fragestellungen angesprochen fühlen.
Neben der Datenerhebung hat das gewählte Verfahren
den positiven Nebeneffekt, daß das Bewußtsein für HIV und
Hepatitis im Strafvollzug sowohl bei den Gefangenen als auch
beim Vollzugspersonal gefördert wird. Die bereitgestellten
Informationsmaterialien sind mit großem Interesse aufgenommen worden, und auch das Angebot zu persönlichen
HIV- bzw. Hepatitis-Tests in der medizinischen Abteilung
der JVA wurde von 23 % der Probanden angenommen.
Trotz der begrenzten Stichprobe und der ausgeführten
Grenzen der Interpretation der vorliegenden Studie sind
einige Kernprobleme deutlich geworden:
Etwa 50 % der i. v. Drogenkonsumenten setzen den
Drogenkonsum auch in Haft fort.
Wenn Drogen in Haft konsumiert werden, geht dies in
den meisten Fällen auch mit needle sharing einher.
Für einen Teil der Gefangenen ist der Aufenthalt in der
JVA der Einstieg in die Drogenszene.
Angaben zur Reinigung gebrauchter Spritzen im Vollzug
lassen vermuten, daß in der Hälfte der Fälle von einer unzureichenden Reinigung auszugehen ist.
i. v. User lassen sich häufiger als Non-User während des
Vollzugs tätowieren. Die Angaben zur Reinigung der Tätowierungsinstrumente verdeutlichen, daß diese in mindestens
1/ der Fälle nicht steril sind.
3
Die Ergebnisse zum Risikoverhalten vor der Inhaftierung
zeigen, daß auch vor der Inhaftierung HIV-relevantes
Risikoverhalten stark verbreitet ist (Sexualverkehr mit i. v.
drogenabhängigen Partnern, kaum Kondomverwendung bei
Sex mit Gelegenheitspartnern, häufig wechselnde Partnerschaften etc.).
i. v. User lassen seltener einen Hepatitis-C-Test als einen
HIV-Test durchführen. Wenn der HIV-Test negativ ausfällt,
könnte dies eventuell zu einem trügerischen Gefühl der
Sicherheit bezüglich der Übertragungsrisiken anderer Infektionskrankheiten führen. Da Hepatitis-Viren resistenter und
schneller übertragbar sind als HIV, besteht hier auch die Gefahr
einer Schmierinfektion durch gemeinsamen Gebrauch von
Utensilien, auch wenn keine Spritzen getauscht werden.
Der Anteil der Gefangenen, die komplett gegen
Hepatitis B geimpft sind, ist sehr niedrig.
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Da ein drogenfreier Strafvollzug genauso utopisch ist wie
eine drogenfreie Gesellschaft, im Strafvollzug aber die individuellen präventiven Möglichkeiten hinsichtlich der Übertragung von Infektionskrankheiten stark eingeschränkt sind,
muß in Zukunft stärker als bisher über andere Wege der
Infektionsprophylaxe bzw. Schadensbegrenzung nachgedacht werden. Drogen gelangen auf den verschiedensten
Wegen in die Justizvollzugsanstalten. Verstärkte Durchsuchungen von Besuchern und Freigängern oder verschärfte
Zellenkontrollen könnten sicherlich kurzfristig das Angebot
verknappen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß statt
der Drogen, die leicht auch im Körper zu transportieren sind,
eher Spritzen entdeckt werden können, da diese größer und
auffälliger sind. Dieses Vorgehen ist also im Sinne der Infektionsprophylaxe eher kontraproduktiv. Eine glaubwürdige
und effektive Präventionsarbeit kann nicht ausschließlich auf
der Erwartungshaltung der Vermeidung des Konsums illegaler Drogen gegenüber den Gefangenen basieren. Stärker
und konsequenter als bisher muß angesichts vorliegender
Informationen bezüglich Drogenkonsum und Risikoverhalten
bzw. Risikosituationen in Haft über die Umsetzung von
Schadensminimierungsprogrammen (harm-reduction strategies) nachgedacht werden, d. h. über praktikable Ansätze, die
pragmatische und erreichbare Ziele verfolgen. Hierbei sollten
sich idealerweise Verhaltensprävention (d. h. individuelles
Lernen, wie z. B. Informationen über und Motivation zur
Vorbeugung, Einschätzung von Risikosituationen, Förderung
von Gesundheitsbewußtsein und somit gesundheitsbezogenen
Verhaltens) und Verhältnisprävention (d. h. Veränderung der
äußeren Bedingungen, z. B. Bereitstellung von Vorbeugungschancen, Ermöglichung von Verhaltensänderungen,
Einbeziehung aller Beteiligten im Strafvollzug für präventive
Bemühungen etc.) systematisch ergänzen.
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HIV-Tests, die auf immunologischen Wirkprinzipien beruhen, unterliegen in Deutschland der Zulassungspflicht
und der staatlichen Chargenprüfung, d. h. sie dürfen erst
nach erfolgter Zulassung und Chargenprüfung durch das
Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Verkehr gebracht und angewendet werden. Ihre Leistungsfähigkeit sowohl hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit (Spezifität, Sensitivität)
als auch hinsichtlich ihrer Handhabung (Bedienungskomfort, Automatisierung, Zeitdauer bis zum Erhalt des Analysenergebnisses) wird im Zuge des technischen
Fortschritts kontinuierlich verbessert. Neben BRaTT]X]V
cTbcb BdRWcTbcb, die im Blutspendescreening und in der
klinischen Diagnostik eingesetzt werden, sind Schnelltests mit eingeschränkter Indikation für Spezialanwendungen verfügbar.
Die vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassenen BRW]T[[cTbcb
(Streifentests, ›Seifenkisten‹-Tests) sind von geschultem
Fachpersonal einfach durchzuführen, erfordern keinen
zusätzlichen apparativen Aufwand, jedoch Serum oder Plasma
als Untersuchungsmaterial; eine Testung durch Laien
erscheint daher nicht naheliegend. Die mit diesen Tests
erzielten Ergebnisse bedürfen generell einer nachträglichen
Überprüfung mit einem zugelassenen Screeningtest.
Damit ein HIV-Test als 7TX\cTbc (Home-Test, Test zur
Eigenanwendung) für Laien geeignet ist, muß er einfach
handhabbar sein und mit leicht gewinnbarem Probenmaterial
(Speichel, Vollblut, Urin) durchgeführt werden können.
Heimtests zur HIV-Diagnose lassen sich nach zwei Arten
unterscheiden:
Heimtests, die ausschließlich von medizinischen Laien
durchgeführt, ausgewertet und bewertet werden und
Heimtests, bei denen nur das Untersuchungsmaterial
durch den Laien gewonnen (daher: home sample collection
InfFo 88(&
test) und dann auf einem kodierten Probenträger an ein (zertifiziertes) Labor weitergeleitet wird. Das Labor analysiert
und befundet dieses Material mit einem geeigneten Testsystem. Nach Identifizierung über die Kodierung kann der Probeneinsender den Befund telefonisch abfragen. Zumindest bei
positivem Befund soll der Anrufende direkt an eine Fachkraft (Arzt) verwiesen bzw. weitergeleitet werden. Wie jedoch aus neuesten Presseberichten (USA Today vom
12.05.1997) zu entnehmen ist, kritisieren HIV-Infizierte mitunter mangelnde Kompetenz der ›Telefonberater‹ bzw.
Fehlverbindungen bei telefonischer Weiterleitung.
Nachdem in den USA die FDA 1996 erstmals Home-SampleCollection-Tests zugelassen hatte, rückte auch in Deutschland die Problematik der HIV-Tests zur Eigenanwendung
wieder verstärkt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses.
Obwohl bisher in Deutschland keine Zulassung für HIVHeimtests erteilt wurde, wurden solche Tests jedoch per
Werbung, u. a. in Zeitungsannoncen und im Internet, auch in
Deutschland zum Verkauf angeboten. Nach Information der
zuständigen Landesbehörden wurden gegen die betreffenden Unternehmer die entsprechenden Schritte zur Unterbindung eingeleitet. Der Nationale AIDS-Beirat beobachtet mit
Sorge die Entwicklung von HIV-Tests, deren Durchführung
und Auswertung ganz oder teilweise vom Patienten selbst
vorgenommen werden können, ohne daß eine direkte, fachliche
Betreuung sichergestellt ist. Dem Gebot der Kopplung von
HIV-Testung und individueller Beratung (Votum 9 vom
29. 09. 1987: HIV-Test und Beratung) wird bei diesen Tests
nicht Rechnung getragen. So hält der Nationale AIDS-Beirat
im Votum 34, Heimtests zur HIV-Diagnostik (01. 06. 1996)
seine Bedenken vom 22. 05. 1990 (Votum 24: Heimtests zur
HIV-Diagnostik) zur HIV-Heimtestung weiterhin aufrecht
(siehe Wortlaut des Votums auf Seite 36).
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Da jedoch gegenwärtig in Deutschland das Inverkehrbringen dieser Tests nicht gegen gesetzliche Vorschriften
verstoßen würde, bleiben die hohen Zulassungsanforderungen
des Paul-Ehrlich-Institutes die einzige Hürde, die allerdings
wegen mangelnden Qualitätsstandards bisher nicht übersprungen werden konnte.
So sprach der Nationale AIDS-Beirat bereits am
31. 10. 1995 die Empfehlung aus, daß bei den Zulassungsanforderungen für HIV-Heimtests dieselben Leistungskriterien
angewendet werden sollen wie bei Screeningtests für die
klinische Diagnostik und das Blutspendewesen. Diese Empfehlung berücksichtigt auch eine gerichtliche Entscheidung
aus dem Jahre 1995 zur HIV-Testung, nämlich keine Differenzierung bezüglich der Test-Leistungsparameter für die
Anwendungsgebiete Screening im Blutspendewesen und in
der klinischen Diagnostik vorzunehmen. Auch bei den
Heimtests sollten keine Abstriche an den Qualitätsparametern akzeptiert werden, da hier sogar mit bedenklicheren
Konsequenzen bei fehlerhaften Diagnosen zu rechnen ist.
Ein falsch negatives Ergebnis wird trügerische Sicherheit
vermitteln, während bei positivem Ergebnis keine sofortige
und direkte psychosoziale und medizinische Betreuung und
Beratung ermöglicht ist. Hinweise auf dem Beipackzettel
können dem durch das Testergebnis in psychische Not geratenen Patienten nicht helfen, da es in der Beratung bei positivem
Testergebnis u. a. darum geht, eine mögliche Suizidalität
des Patienten zu erkennen und ihr zu begegnen sowie
darum, wichtige medizinische Informationen und Hinweise
zu präventivem Verhalten zu vermitteln.
Die Leistungsfähigkeit der serologischen Testsysteme zur
HIV-Diagnostik bezüglich Sensitivität und Spezifität wird
durch wissenschaftlich fundierte Evaluierung im Rahmen
der Zulassungsverfahren, der Chargenprüfung und in vergleichenden Untersuchungen und Kontrollen durch das
Paul-Ehrlich-Institut regelmäßig überwacht. Die Anforderungen an die diagnostische Erprobung werden ständig
aktualisiert. Sie tragen der Komplexität und Diversität der
viralen Erreger sowie ihrer ständigen Veränderung und ihrer
unterschiedlichen geographischen Verbreitung Rechnung
und gewährleisten, daß nur Testsysteme mit höchster Qualität in Deutschland auf den Markt kommen bzw. auf dem
Markt bleiben können. Durch regelmäßige Re-Evaluierung
und vergleichende Studien wird erreicht, daß diese Tests
dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Präparaten, die in Studien des Paul-Ehrlich-Insituts
diesem hohen Maßstab nicht genügen, wird die Zulassung
entzogen.
Grundsätzlich müssen im Zulassungsverfahren im Rahmen der diagnostischen Erprobung sowohl die Spezifität als
auch die Sensitivität der jeweiligen zur Zulassung beantragten
HIV-Tests, also auch der potientellen Heimtests, im direkten Vergleich mit einem vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassenen Screeningtest belegt werden. Seit Anfang 1997 gelten
die aktualisierten Anforderungen des Paul-Ehrlich-Instituts
für die Mindestprobenanzahl bei der diagnostischen Erprobung von Anti-HIV-Screeningtests. Bei der Spezifitätsuntersuchung werden die Seren bzw. Plasmen von mindestens
4.000 Blutspendern und 400 nicht-HIV-infizierten Personen
aus der klinischen Diagnostik auf HIV-Antikörper vergleiInfFo 88(&
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
chend untersucht. Die belegte Spezifität der HIV-Antikörperteste bei Blutspendern beläuft sich gegenwärtig bei den
zugelassenen Produkten auf > 99,8 % , d. h. von je 1.000 als
negativ einzustufenden Proben reagieren weniger als zwei
falsch positiv. Bei den Proben aus der klinischen Diagnostik
(Proben mit Rheumafaktoren, von Autoimmunerkrankten,
von frisch Geimpften, Schwangeren, Multipara, Leukämiepatienten, Patienten mit Paraproteinämie etc.) darf die Spezifität nur geringfügig schlechter ausfallen. Die Sensitivität der
Tests muß in vergleichenden Untersuchungen an mindestens 400 HIV-1- und 200 HIV-2-positiven Serum- bzw.
Plasmaproben von Patienten aus allen Infektions- bzw.
Krankheitsstadien belegt werden. In den Untersuchungen
müssen die bekannten HIV-Subtypen in Abhängigkeit von
ihrer allgemeinen Verfügbarkeit eingeschlossen sein. Zusätzlich werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens mindestens 20 HIV-Serokonversionen untersucht. Alle ›normal‹
positiven Proben müssen als reaktiv erkannt werden. Lediglich bei der Erkennung von frühen Serokonversionsproben
bzw. Proben aus der Spätphase der Erkrankung entscheidet
das ›Ranking‹ des betreffenden Tests, d. h. der aktuelle
Stand beim Leistungsvergleich aller zugelassenen Tests,
über die Zulassung.
Heimtests müßten sich also an der Qualität der bisher zugelassenen Tests messen. Sollte der Heimtest auf der Analyse
von Speichel (Saliva) beruhen, müßten zusätzlich weitere
Störeinflüsse (z. B. Speisereste, Alkohol, Nikotin) und Einflußfaktoren (z. B. Biorhythmen; Antikörperkonzentration)
untersucht werden.
Grundsätzlich wird beim Zulassungsverfahren durch das
Paul-Ehrlich-Institut die Qualität des entsprechenden Tests,
nicht aber die Qualität des Labors des Anwenders bewertet.
Dies ist Aufgabe von externer Qualitätskontrolle, die durch
andere Institutionen (z. B. INSTAND, Bundesärztekammer)
überwacht bzw. geregelt ist und die durch Zertifizierung
gewährleistet werden soll. Da sich aber die analytische
Leistung eines medizinischen Laien einer externen Qualitätskontrolle entzieht, müßte zusätzlich als weiteres Prüfkriterium im Rahmen der diagnostischen Erprobung für
potentielle Heimtests ein Vergleich der Ergebnisse von
klinischem Labor und Laientestung für die o. g. Probenzahl
erfolgen, wobei u. a. auch der Einfluß von Streßfaktoren des
Sich-Selbst-Testenden zu berücksichtigen wäre. Weiterhin
wäre es unabdingbar, die ›Robustheit‹ der Testpackung
einer eingehenden Untersuchung zu unterwerfen. Dabei
sollte besonderes Augenmerk auf die Lagerungsstabilität
der Testpackung gerichtet und der Einfluß von potentiell
möglichen Abweichungen von in der Packungsbeilage
angegebenen Lagerhinweisen auf das Analysenergebnis
berücksichtigt werden.
Wenn bei der Anwendung von Home-Sample-CollectionTests gewährleistet ist, daß die Qualität des betreffenden
Untersuchungslabors überwacht ist, entfallen die o. g.
Bedenken zum Teil. Jedoch wären hier zusätzlich sowohl
die Art der Probengewinnung als auch der Einfluß von
Lagerung und Transport auf das Probenmaterial und somit
auf das Analysenergebnis zu berücksichtigen.
Zusätzliche Anforderungen an die Probenahmevorrichtung
ergeben sich dann, wenn die Probenahme invasiv erfolgt
InfFo 88(&
(z. B. Blutentnahme) und unterstützende technische Vorrichtungen (z. B. Federn) aufweist. In diesem Fall handelt es
sich um aktive nicht implantierbare Medizinprodukte, die in
Klasse 1 eingestuft (klassifiziert) sind. Das Inverkehrbringen solcher Produkte ist durch das Gesetz über Medizinprodukte vom 02.08.1994 (basierend auf der MedizinproduktRichtlinie der Europäischen Union vom 14. 06. 1993:
93/42/EWG) geregelt. Danach werden Klasse-1-Produkte
vom Hersteller unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen eigenverantwortlich zertifiziert und nach CE-Kennzeichnung vermarktet. Die Einschaltung einer benannten
Stelle (notified body) ist nicht notwendig. Zuständige Behörde bei der Bearbeitung und Auswertung von eventuellen
›klinischen‹ Zwischenfällen, z. B. Verletzungen, bei der
Anwendung dieses Produkts ist das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin. Aus
Sicht einer zuverlässigen Diagnostik muß gewährleistet
sein, daß die Probenahmevorrichtung keine die Analyse störenden Substanzen abgibt (z. B. Wattebauschstab bei der
Sammlung und Entnahme von Saliva). Weiterhin ist die
Untersuchung des Einflusses von möglichen Konservierungsstoffen auf die Probe und von Temperatur, Lager- und
Transportbedingungen auf mögliche die Analyse beeinflussende Veränderung des Probenmaterials von großer Bedeutung für die Zuverlässigkeit des Analysenergebnisses.
Weiterhin muß gewährleistet sein, daß mit demselben
Probenmaterial ein positives bzw. unklares Ergebnis in
einem dem betreffenden Anwender verfügbaren und ebenfalls vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassenen Bestätigungstest überprüft bzw. abgeklärt werden kann, denn die
Diagnose einer HIV-Infektion kann ausschließlich nur aufgrund zweier, voneinander unabhängiger Tests gestellt werden,
wobei der zweite ein Westernblot-Test bzw. ein vergleichbares Untersuchungsverfahren sein muß, wie in den Richtlinien der Bundesärztekammer festgelegt (›Interpretation
der Immunoblots zum Nachweis von Antikörpern gegen
HIV-1 und HIV-2‹, Dtsch. Ärzteblatt – Ärztliche Mitteilungen 89: 34 – 35,1992; Klin. Lab. 38: 71 – 72, 1992).
Mit der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
Rates über In-vitro-Diagnostika, deren Vorschlag zur Zeit
von der Gruppe ›Wirtschaftsfragen‹ des Rates der Europäischen Union beraten wird, sollen u. a. auch das Inverkehrbringen und die ›Inbetriebnahme‹ von Tests zur
Eigenanwendung europäisch harmonisiert werden. Für diese
Produkte sieht der Vorschlag besondere Anforderungen vor,
um eine wirksame und einfache Benutzung durch Anwender
sicherzustellen, die keine besonderen Kenntnisse auf dem
Gebiet der biologischen Analyse besitzen. Da mit der Fertigstellung und Verabschiedung dieser Richtlinie frühestens für
1998 und der Überführung ihrer Bestimmungen in deutsches Recht nicht vor 1999 zu rechnen ist, gelten bis zu diesem Zeitraum in Deutschland nach wie vor die oben
aufgezeigten Regelungen bzw. Anforderungen. Es muß
auch angemerkt werden, daß sich zum Inverkehrbringen und
zur Anwendung von HIV-Heimtests bei den Verhandlungen
zur Richtlinie eine mehrheitlich kritische, ablehnende
Haltung abzeichnet.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Zulassungserteilung von HIV-Heimtests durch das Paul-Ehrlich-Institut
BTXcT "&
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
eine grundsätzliche Voraussetzung für ihr Inverkehrbringen
in Deutschland ist. Heimtests müssen sich an der Qualität
der bisher zugelassenen Suchtests für die klinische Diagnostik und das Blutspendewesen messen. Es ist damit unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, daß HIV-Heimtests
die für eine Zulassung notwendigen Qualitätskriterien erfüllen.
Die gesetzlichen Vorschriften (Bundesseuchengesetz) können
die Zulassung von potentiellen HIV-Heimtests nicht verhindern. Sollte prinzipiell die Anwendung von HIV-Heimtests
in Deutschland untersagt werden, müßte dafür eine gesetzliche Regelung geschaffen werden. Ohne europäische Abstimmung wäre eine derartige Regelung allerdings weithin
wirkungslos.
5Vc9:G9`^VDR^a]Z_XEVde
>cc^FPW[3Tc[TU9P]c^b?XTc<^Ta\P]BT[URPaT8]cTa]PcX^]P[6\Q7>QTaWPRWX]V
HIV-Home-Sampling-Tests könnten eine wesentliche und
wichtige Hilfe im Kampf gegen die Ausbreitung von AIDS
sein. Durch Herabsetzung der psychischen Hemmschwelle,
exakte Informationen über seinen HIV-Serostatus zu erhalten,
könnte eine höhere Motivation erreicht werden, größere
Verantwortung im Sexualverhalten zu übernehmen. Darüber
hinaus könnten auch die nationalen Gesundheitsorganisationen
durch die Möglichkeit einer frühzeitigen Diagnose und Hilfestellung für seropositive Personen in ihrer Arbeit unterstützt
und damit die Ausbreitung von AIDS eingeschränkt werden.
Home-Sampling-Tests unterscheiden sich grundlegend von
den bekannten sogenannten reinen Heimtests und vermeiden
weitestgehend die Probleme, die bei der Anwendung eines
reinen Heimtests auftreten könnten. Die Food and Drug Administration in den USA (FDA) erteilte im Mai 1996 erstmals
die Genehmigung für einen HIV-Home-Sampling-Test.
GVcWRYcV_
Bei den HIV-Home-Sampling-Test-Sets handelt es sich im
wesentlichen um ein Verfahren zur Gewinnung einer Blutprobe zu Hause, die dann an ein fachlich autorisiertes Labor
eingesandt wird. Diese Test-Sets enthalten üblicherweise
eine Informationsbroschüre zum Thema HIV, eine ausführliche
Gebrauchsanweisung, ein Lanzettengerät zur Blutgewinnung,
ein spezielles Filterpapier und einen Rücksendeumschlag. Alles,
was man nach Lesen der Gebrauchsanweisung tun muß, ist,
sich in den Finger zu stechen und einen Tropfen Blut auf das
Filterpapier aufzutragen. Der Anwender reißt die Identifizierungsnummer von der Testkarte ab und schickt seine Blutprobe an das zuständige Labor. Nach ca. einer Woche kann
er das Befundmitteilungs- bzw. Beratungszentrum anrufen,
um sein Ergebnis zu erfahren. Hierzu muß er die Identifizierungsnummer für seine Blutprobe angeben. Die Ergebnisse
werden nur durch speziell geschultes Personal mitgeteilt.
Duplikat behalten hat. Das System ist somit völlig anonym.
Nur mit der entsprechenden Identifizierungsnummer der
Blutprobe erhält der Anwender sein Ergebnis.
3VcRef_X
Die persönliche telefonische individuelle Beratung erfolgt
durch ausgebildetes Fachpersonal, das umfassend über HIV
informiert ist und das auch für die Mitteilung negativer
Informationen entsprechend intensiv geschult ist. Bevor eine
Person ihr Ergebnis erfährt, erhält sie zunächst eine einleitende
Information. Im Anschluß daran wird das Ergebnis mitgeteilt
und darauf aufbauend eine gezielte Beratung durchgeführt.
Diese persönliche Beratung beinhaltet auch Informationen
darüber, wo weiterführende Tests durchgeführt werden können
und wer im Falle eines positiven Ergebnisses Hilfe geben kann.
Der Berater wird durch ein computergestütztes Informationssystem unterstützt. Dieses ermöglicht ihm auch, demographische
und epidemiologische Informationen zu dem Anrufer anonym
aufzunehmen (z. B. Risikofaktoren). Neben dem Laborergebnis des Anrufers erscheinen auf dem Bildschirm auch Adressen
und Telefonnummern von Behörden oder Hilfsorganisationen,
bei denen man weitere Informationen erhalten kann. Wenn
die Person es wünscht, kann sie zur weiteren Unterstützung
innerhalb der nächsten sechs Monate jederzeit wieder anrufen.
In einer US-Studie mit 3.400 Personen, bei der die Option
gegeben wurde, das Ergebnis telefonisch zu erfahren, haben
96 % diese Möglichkeit gewählt, ohne daß es zu einer negativen Reaktion gekommen ist. Die Bereitschaft zum Test
und zur Entgegennahme des Ergebnisses ist eher größer als
bei einem persönlichen Gespräch.
6eYZdTYV3VecRTYef_XV_
Das Labor führt die Analyse der Blutprobe nach den vorliegenden Vorschriften mit entsprechenden Labortests durch.
Die Analyse wird von einem offiziell anerkannten klinischen Labor für HIV-Tests durchgeführt, so daß die gültigen
Qualitätsstandards für HIV-Tests in Deutschland sichergestellt
sind. Es versteht sich von selbst, daß bei seropositiven Proben
ELISA-Tests und Westernblot-Tests als Bestätigung durchgeführt werden, bevor ein solches Ergebnis mitgeteilt wird.
Die ethischen Prinzipien der Patienten/KonsumentenSelbstbestimmung und der Zustimmung zum Test spielen
bei der Home-Sampling-Test-Debatte ebenso eine Rolle.
Wegen der möglicherweise unerwünschten Konsequenzen,
die sich aus dem Wissen um seinen Serostatus ergeben können,
war die Zustimmung des Getesteten immer eine Anforderung an einen HIV-Test. Wenn ein Test auf Eigeninitiative
eines Konsumenten beruht, im Gegensatz zu einer Empfehlung durch einen Anbieter in einer klinischen Einrichtung
(d. h. wenn ein Konsument aktiv ein Sampling-Kit kauft und
dieses zu Hause benutzt), kann eine solche Zustimmung
vorausgesetzt werden.
2_R]jdV
2_`_j^Zeze
Die Blutproben-Identifizierung erfolgt durch eine Nummer
(als Barcode im Labor lesbar), von der der Anwender ein
Mit einer HIV-Infektion ist ein beträchtliches Stigma verbunden, und mit dem Virus infizierte Personen erleben Dis-
3VdezeZXf_XdeVde
BTXcT "'
InfFo 88(&
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
kriminierung in allen Bereichen. Viele Menschen suchen
daher nach anonymen HIV-Testmöglichkeiten. Ein HomeSampling-Test gewährleistet eine höchstmögliche Anonymität. Der Anwender selbst kann entscheiden, wem er das
Ergebnis mitteilt. Darüber hinaus kann dieser Test mit dem
Geschlechtspartner durchgeführt werden als zusätzliche
Unterstützung bei der Entscheidung für Safer-Sex-Praktiken.
Der Home-Sampling-Test kann von Leuten genutzt werden,
die das Angebot eines kostenlosen anonymen Tests bei
Gesundheitsämtern nicht wahrnehmen wollen.
DVc`_VXReZgVEVdeaVcd`_V_
Es wird argumentiert, daß Personen, die ein negatives Ergebnis erhielten, dies als einen Freibrief für ungeschützten Sex
ansehen und sich selbst höheren Risiken aussetzen könnten.
Das Gegenteil jedoch wurde in mehreren Studien (von
FDA) belegt. Sogar i. v. Drogenbenutzer, die als harter Kern
angesehen werden, wenn es zu Verhaltensänderungen
kommt, zeigten, daß sie vom Wissen über ein negatives
Ergebnis profitieren, was in einer verantwortungsbewußteren
Haltung resultiert.
DVc`a`dZeZgVEVdeaVcd`_V_
Die Debatte über ein höheres Suizidrisiko bei HIV-Infizierten
ist nicht schlüssig. Obwohl die Suizidrate unter Seropositiven
höher ist, scheint dies eher mit dem Ausbruch der Symptome
und der sozioökonomischen Stellung des Patienten als mit
dem Wissen über den positiven Serostatus zusammenzuhängen. Diese Angelegenheit muß gründlich und sorgfältig
analysiert und ausgewertet werden.
4YR_TV_
Home-Sampling-HIV-Tests bieten die Möglichkeit, solche
Personen zu erreichen, für die ein Testen als vorrangig für
das öffentliche Gesundheitssystem angesehen wird.
Mit HIV-Home-Sampling-Tests besteht auch die Möglichkeit, einem weniger gefährdeten Personenkreis eine kostengünstige Diagnose anzubieten. Diese Personengruppe wird
immer wichtiger, da heutzutage der heterosexuelle Weg der
Übertragung der am schnellsten wachsende ist. Anonymes
und unproblematisches Testen zu Hause könnte die bedeutendste Möglichkeit sein, diese Gruppe über ihren Serostatus
zu informieren. Diese Personen betrachten sich gewöhnlich
als gering gefährdet und sind nicht motiviert genug, die Last
auf sich zu nehmen, einen Arzt aufzusuchen.
Letztendlich kann ein Wechsel vom öffentlich finanzierten Test hin zum privat bezahlten Test mehr Gelder freisetzen, die in Präventionskampagnen oder Hilfe für AIDSPatienten investiert werden könnten.
Im Unterschied zu herkömmlichen Verfahren läuft der
Test in der Privatsphäre ab. Viele Personen lassen sich aus
unterschiedlichen Gründen nicht auf HIV testen. Ein Drittel
aller HIV-Infektionen werden erst im späten Stadium der
Erkrankung diagnostiziert. Diese Menschen sind über Jahre
hinaus infiziert, ohne ihr Verhalten zu ändern. Der HomeSampling-Test kann einige der Barrieren vor einem herkömmlichen Test beseitigen, vor allem bei Adoleszenten
und bei Schwangeren.
DTY]f–W`]XVcf_X
Im Juli 1996 fand in Vancouver anläßlich des AIDS-Weltkongresses ein Meeting zum HIV-Home-Testing statt. Eine
Publikation wird im Lancet erscheinen mit dem Ergebnis,
HIV-Home-Sampling-Tests zu unterstützen.
Der HIV-Home-Sampling-Test wird weltweit zur
Verfügung stehen. Es müssen Strategien entwickelt
werden, die Chancen des Home-Sampling-Tests zu optimieren, um negative Implikationen zu minimieren bzw.
zu verhindern.
HIV-Home-Sampling-Tests könnten mehr Menschen zu
vorsichtigerem Verhalten und zu früheren Tests motivieren.
Wie sagte schon William Kessler, Centers of Disease
Control and Prevention, Atlanta/USA, Division of
HIV/AIDS Prevention, anläßlich der 5. Münchner
AIDS-Tage (Jan. 1996): »Es ist sinnvoller, diese Technologie einzusetzen, als sich dagegen zu wehren. Wir haben die
Technologie, und wir müssen sie nutzen!«
3VUV_\V_XVXV_UZV6Z_WYcf_Xg`_9:G9`^V4`]]VTeZ`_EVded
:Pa[>cc^7PQTa\TW[8]bcXcdcUa:[X]XbRWTd]S4g_TaX\T]cT[[TEXa^[^VXTSTa5D1Ta[X]
Gegen den zur Zeit sowohl international als auch in
Deutschland sehr propagierten Home-Collection-Test auf
HIV sind erhebliche Bedenken vorzubringen.
Zunächst ist festzustellen, daß für die Einführung solch
eines Tests gegenwärtig keine zwingende Notwendigkeit
besteht, denn die zur Verfügung stehenden Methoden zeichnen sich durch eine hohe Sensitivität und Spezifität aus, die
Handhabung wird sachgemäß durchgeführt, und sowohl
bezüglich der Zulassung und Überwachung der Teste durch
das Paul-Ehrlich-Institut als auch der Kontrolle der untersuchenden Laboratorien durch die in Deutschland vorgenommenen Ringversuche bestehen nicht nur keinerlei
Probleme, sondern es zeigt sich, daß hier eine Sicherheit in
der Diagnostik erzielt wird, die keineswegs bei allen diagnostischen Testen in der Medizin zu erreichen ist.
Die Hauptbedenken bestehen jedoch darin, daß bei dem
HIV-Home-Collection-Test die sachgemäße ärztliche BegleiInfFo 88(&
tung, die für eine optimale Aufklärung und Behandlung erforderlich ist, unterbleibt. So ist beispielsweise zu
befürchten, daß negative Testergebnisse ohne fachliche
Beratung zu trügerischer Sicherheit und präventionswidrigem Vehalten führen können, und es besteht auch die
Gefahr, daß ein reaktives (positives) ›Heimtest‹-Ergebnis
psychisch nicht adäquat verarbeitet wird und gegebenenfalls
zu Kurzschlußreaktionen bis hin zu Suizidversuchen führen
kann. Insbesondere ist die sachgemäße Überwachung der
notwendigen Bestätigungsteste und im positiven Falle die
Einleitung der ärztlichen Weiterbetreuung keineswegs so
gewährleistet wie bisher.
Hinzu kommt, daß bei solch einem wie immer auch
gearteten ›Heimtest‹ zur HIV-Diagnostik erstmals ein Test
auf eine Infektionskrankheit in häuslicher Umgebung von
Laien durchgeführt wird. Auch wenn es sich hier nur um die
Blutentnahme und Versendung des Materials handelt, ist
BTXcT "(
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
dies doch bei einem Umgang mit infektiösem Material
ein wesentlicher Teil der Testdurchführung. Eine fachgerechte Entsorgung des potentiell kontaminierten
›Arbeitsplatzes‹ und eine fachgerechte Desinfektion sind
nicht gewährleistet.
Weiterhin besteht die Befürchtung, daß frei verfügbare
Tests dazu mißbraucht werden, daß Laien an dritten Personen
die HIV-Diagnostik durchführen. Letzlich wird durch den
Einsatz von ›Heimtests‹ die ohnehin schon schwierige Erhebung epidemiologischer HIV-Daten zusätzlich behindert.
Mit den Home-Collection-Tests wird das bisherige
Grundprinzip der AIDS-Bekämpfung in Frage gestellt, bei dem
es um Intensivierung der Aufklärung, Beratung und medizi-
nischen Begleitung geht. Mit der in der Bundesrepublik
Deutschland praktizierten AIDS-Politik ist es bislang gelungen,
ohne durchgreifende gesundheitspolizeiliche Maßnahmen
ein vertrauensvolles Verhältnis von Infizierten, Ärzten und
medizinischem Personal sowie Selbsthilfeorganisationen zu
etablieren, welches die Basis für eine erfolgreiche AIDSBekämpfung wurde und auch in der Zukunft bleiben wird.
Unter diesen Aspekten besteht meines Erachtens gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland und auch in den
anderen europäischen Ländern keinerlei Veranlassung, eine
Form der HIV-Diagnostik einzuführen, bei der dem Patienten
aus den o. a. Gründen überwiegend Nachteile erwachsen
würden.
HV]TYVGVcSVddVcf_XV_\R__UVc9:G9`^VDR^a]Z_XEVdeScZ_XV_0
A^[UA^bT]Qa^RZFXbbT]bRWPUcbiT]cad\UaB^iXP[U^abRWd]V1Ta[X]
Gegenwärtig wird in Deutschland die Zulassung von HIVAntikörpertests erwogen, bei denen die Nutzer die Blutprobe
nach schriftlicher Anweisung zu Hause abnehmen, unter einer
Kennziffer anonym an ein kommerzielles Labor einschicken
und von dort telefonisch über das Testergebnis informiert
und ggf. weiter beraten werden: der HIV-Home-SamplingTest (HIV-HST) (Confide 1996; Phillips et al. 1995; Bayer
at al., 1995).
Unter dem Gesichtswinkel einer bevölkerungsbezogenen
Gesundheitsssicherung (Public Health) sind neue diagnostische Instrumente nicht nur daraufhin zu betrachten, ob mit
ihnen hinreichend sicher erkannt werden kann, was erkannt
werden soll (efficacy; also: Hat eine Person HIV-Antikörper
entwickelt?), sondern auch, ob und, wenn ja, welche positiven
Wirkungen mit diesem Instrument für die Prävention und
Behandlung der Zielkrankheit zu erzielen sind (effectiveness,
also: Führt der Einsatz des Tests zu besseren Ergebnissen in
Prävention und/oder Therapie?) (Rosenbrock 1991). Für
eine gesundheitspolitisch rationale Entscheidungsfindung
müssen diese erwünschten Wirkungen gegen eventuelle unerwünschte Wirkungen abgewogen werden. Gefordert ist
damit ein Health Technology Assessment ››as a comprehensive form of policy research, that examines short and longterm social consequences (e. g. societal, economic, ethical,
legal) of the application of technology. Technology assessment is an analysis of primarily social rather than technical issues, and is especially concerned with unintended,
indirect or delayed social impacts.‹‹ (zit. nach Sassi 1996).
DZTYVcYVZeUVc3VdeZ^^f_XUVdDVc`deRefdVWWZTRTj
Nach Herstellerangaben liegt die technische Sicherheit der
HIV-HST nicht niedriger als die bei der Anwendung der
herkömmlichen (ebenfalls: Antikörper-) Testbatterien; die
technisch heute erreichbare und überwiegend akzeptierte
efficacy wäre danach – mit den besonders beim ungezielten
Massenscreening in niedrig riskierten Populationen durchaus
relevanten Restunsicherheiten im Hinblick auf falsch positive und falsch negative Ergebnisse (Rosenbrock 1994a) –
gewährleistet.
Ein erster Einwand taucht jedoch durch die ›private‹ Blutentnahme auf: Es ist nicht sicherzustellen, daß der Einsender
BTXcT #
des Testmaterials auch tatsächlich der ›Spender‹ ist. Es kann
auch nicht sichergestellt werden, daß die Beratung tatsächlich denjenigen erreicht, von dem das Material stammt. Es
sind zumindest hypothetisch in Beziehungs-, Arbeits- und
Versicherungszusammenhängen Konstellationen denkbar,
in denen die Blutprobe in Situationen der Nötigung oder der
Unwissenheit entnommen und dann von Dritten mißbraucht
wird (so auch NAB 1996).
Damit weist der HIV-HST gegenüber der herkömmlichen
Testpraxis bei Ärzten, Gesundheitsämtern etc. im Hinblick
auf die soziale Handhabung der technischen Sicherheit zumindest keinen Vorteil, wahrscheinlich eher ein zusätzliches Risiko auf, zumal die Risiken des ›heimlichen‹ Testens
in Krankenhäusern etc. durch die Existenz des HIV-HST ja
nicht verringert werden.
HV]TYVHZc\f_XV_dZ_Ug`^9:G9DEkfVchRceV_VWWVTeZgV_Vdd
Zentraler Ausgangspunkt ist hierbei, daß eine Maximierung
der Anzahl auf HIV getesteter Menschen kein end in itself
(Holland/Stewart 1990) ist. Sinnvoll ist eine diagnostische
Maßnahme dann und nur dann, wenn durch sie die Primärprävention oder die Therapie real verbessert wird (Cochrane
1972).
AcZ^zcaczgV_eZ`_
Das Modell der Primärprävention der HIV-Infektion besteht
in Deutschland aus vorwiegend nichtmedizinischen Aktivitäten auf den drei Ebenen der bevölkerungsweiten Aufklärung, der zielgruppenbezogenen Kampagnen und der
persönlichen Beratung. Es zielt auf eine Maximierung
risikomeidenden Verhaltens wie Safer Sex und Safer Use
(Rosenbrock 1994b).
Eine spezifische primärpräventive Wirksamkeit des HSTests könnte – von den damit verbundenen ethischen Problemen einmal abgesehen (Rosenbrock 1986) – für Personen
oder Gruppen angenommen werden, die
alle anderen, in Deutschland auf Wunsch anonym und
kostenlos zur Verfügung stehenden Testmöglichkeiten meiden
d]S den Test zu Hause aktiv wollen d]S
die aufgrund des Testergebnisses, sei es positiv oder
negativ, präventives Verhalten beginnen oder festigen.
InfFo 88(&
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
Über die Motive, zum Test zu gehen oder ihn zu meiden, liegen
zwar Einzeluntersuchungen, aber keine konklusiven Ergebnisse vor. Schwule Männer, von denen sich inzwischen
wahrscheinlich ca. 2/3 haben testen lassen (Bochow 1994),
geben als Grund überwiegend nicht die Primärprävention,
sondern das Gefühl an, daß sie die Ungewißheit nicht aushalten wollen. Welche Motive die mittlerweile 22 % Getesteten der über 16jährigen Bevölkerung in Deutschland
(BzgA 1996) hatten und haben, mindestens einmal zum Test
zu gehen, ist unbekannt (und wohl auch nicht untersucht).
Für welche Gruppen die nicht nur anonyme, sondern auch
ohne persönlichen Kontakt ablaufende, dafür aber relativ
teure HIV-HST-Prozedur attraktiver ist als das bestehende
breitgefächerte Testangebot, ist ebenso unklar. Bekannt sind
dagegen die Gruppen derer, die sich wiederholt testen lassen
und jedes negative Ergebnis als Freifahrtschein für weiter
nichtpräventives Verhalten interpretieren. Gleiches Testverhalten, aber meist ohne Risikoverhalten, zeigen AIDS-Phobiker.
Bekannt ist auch die große Gruppe der worried well, die sich
ohne Risiko, z. T. wiederholt, testen lassen, wenn ihnen dies
nicht in einer Beratung z. B. im Gesundheitsamt ausgeredet
wird. Für diese Gruppe böte HIV-HST lediglich eine weitere
Möglichkeit, ihr ineffektives bzw. antipräventives HIVRisikomanagement auszudifferenzieren.
Plausibel ist allerdings, daß der HIV-HST in Situationen
des Zweifels über den eigenen (oder Partner-) Serostatus
eingesetzt wird, also in zeitlicher Nähe vor und nach Risikosituationen. Da der HIV-HST wie alle Antikörpertests das
diagnostische Fenster von ca. 12 Wochen nach Risikokontakt nicht überbrücken kann, liegt hier eine sehr reale
Möglichkeit lebensgefährlicher Fehlorientierung im Sinne
falscher Sicherheit, ist doch in diesem Zeitraum die Infektiosität
wahrscheinlich um Zehnerpotenzen höher als während der
Latenz nach der Antikörperbildung (Marcus 1995). Dieses
Risiko kann wohl auch durch eine dem Test-Kit beigefügte
Aufklärungsbroschüre und Telefon-›Beratung‹ vom Tonband nicht hinreichend gesenkt werden. Zusammengefaßt:
Es liegen keine Kenntnisse darüber vor, welche bislang
nicht erreichten Gruppen sich vom HIV-HST angesprochen
fühlen; es ist aber plausibel, daß unter den potentiellen Nutzern solche sind, die aus der Inanspruchnahme gefährliche,
weil antipräventive Konsequenzen ziehen würden, die sie
aufgrund besserer Beratung im herkömmlichen Testangebot
mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht ziehen würden.
Ebenso vielfältig, widersprüchlich und unzureichend erforscht wie die Motive, zum Test zu gehen oder auch nicht,
sind die Beziehungen zwischen Testverhalten und Präventionsverhalten. Die Befunde (Überblicke z. B. bei Michel
1988, Higgins et al. 1991) enthalten für sämtliche Teilgruppen Belege für jede logisch mögliche Verknüpfung
zwischen positiv, negativ getestet und ungetestet einerseits
und präventivem/nichtpräventivem Verhalten andererseits.
Keinesfalls gibt es eine lineare Beziehung zwischen mehr
Tests und mehr präventivem Verhalten.
Der Gang zum Test – so eines der zentralen Ergebnisse
der Präventionsüberlegungen der AIDS-Enquete des Bundestages (Deutscher Bundestag 1988, 1990) – muß leicht gemacht, und es muß dazu ermuntert werden. Aber nicht, um
die Anzahl der Tests zu maximieren, sondern um mit mögInfFo 88(&
lichst vielen Menschen in die als wesentlich wichtiger angesehene Beratung zu kommen, sei es mit einem Arzt oder
einem Sozialarbeiter oder einem AIDS-Helfer. Die persönliche
Beratung soll den Weg in die Kommunikation über das Risiko und die Möglichkeiten des Risiko-Management über die
Beratungssituation hinaus bahnen. Präventives Verhalten ist
nach diesem Modell schließlich nicht nur Aufgabe der HIVPositiven, sondern all derer, die sich in Risiko-Situationen
begeben. Die deutsche Präventionsstrategie beruht – wie die
der meisten europäischen Länder (Kirp/Bayer 1994) – auf
der individuellen Ebene deshalb nicht auf dem Test, sondern
auf der Beratung. Durch die institutionelle Trennung zwischen Test- und Beratungssituation wirkt die Propagierung
des HIV-HST dieser epidemiologisch fast allseits als erfolgreich angesehenen Strategie diametral entgegen.
Würde der präventionspolitisch fundamentale Unterschied zwischen Testsituation und Beratungssituation (mit
und ohne Test) durch eine breite Propagierung des HIVHST aufgegeben, so ist zu befürchten, daß in der gegenwärtigen Situation absinkender öffentlicher Aufmerksamkeit für
HIV und AIDS verbunden mit massiven Kürzungen staatlicher Mittel (für 1997 sollen die Bundesmittel für AIDSAufklärung für die BzgA und die DAH von ca. 18 Mio auf
ca 12,5 Mio gekürzt werden) alsbald auch die Beratungsinfrastruktur und damit die zentrale Säule der personalen
Ebene der Prävention zur Disposition stünde.
Im Falle positiver Testergebnisse soll die telefonische
›Beratung‹ durch die kommerziellen HIV-HST-Anbieter
nicht vom Tonband, sondern ›persönlich‹ erfolgen. Angesichts der Schwere des mit einem positiven Testergebnis
verbundenen life-events erscheint die telefonische Mitteilung nachgerade abenteuerlich. Ob und wie die in dieser
Situation häufige, schwere, oft aber auch zumindest verbal
larvierte Desorientierung ohne persönlichen Kontakt aufgefangen werden kann, müßte von den Anbietern und Proponenten des HIV-HST erst einmal gezeigt werden.
Verschiedentlich (u. a. Bayer et al. 1995) wird argumentiert, daß die (Pre- und Post-Test-) Beratung derzeit alles
andere als optimal sei und allzuoft auch unterbleibe. Dem ist
leider zuzustimmen. Es kann aber daraus wohl nicht der
Schluß gezogen werden, der als notwendig angesehenen
Beratungsinfrastruktur durch die breite Propagierung des
HIV-HST die Basis zu entziehen, anstatt an der Behebung
bzw. Minderung der Defizite zu arbeiten.
Zusammengefaßt läßt sich derzeit nicht abschätzen, bei
welchen Bevölkerungsgruppen und in welchen Lebenssituationen die HIV-Prävention durch den HIV-HST verbessert
würde. Wohl aber lassen sich einige gravierende unerwünschte Wirkungen auf Testverhalten, Präventionsverhalten
und die Entwicklung der Präventions-Infrastruktur absehen.
Im Sinne der oben genannten Kriterien eines sozialen Technology Assessment scheinen deshalb beim gegebenen Stand
des Wissens unter dem für die Gefahren von AIDS zentralen
Gesichtspunkt der Primärprävention die unerwünschten
Wirkungen der Einführung des HIV-HST zu überwiegen.
DV\f_UzcaczgV_eZ`_f_UEYVcRaZV
Nach den Erhebungen des AIDS-Fallregisters beim RKI erfahren ca. 30 % der AIDS-Patienten ››erst im Rahmen der
BTXcT #
8]U5^3XbZdbbX^]bU^ad\ida5aPVT78E7TX\Qif78E7^\T2^[[TRcX^]CTbc
AIDS-Diagnose oder kurze Zeit davor von ihrer HIV-Infektion‹ (Hamouda et al. 1996, S. 50). Die Verteilung streut
danach über die Betroffenengruppen zwischen 3 % bei
hämophilen, 13 % bei i. v. drogengebrauchenden, 31 % bei
schwulen bis hin zu knapp 60 % bei Patienten aus Pattern-IILändern.
Für die Einführung des HIV-HST wird – neben seiner
angeblich befördernden Wirkung auf die Primärprävention
– auch mit dem Argument geworben, daß durch seine
Anwendung die Zahl derer, die erst beim Auftreten von
Symptomen von ihrer HIV-Infektion erfahren (und die dann
möglicherweise noch zusätzlich ein ›erzwungenes‹ Comingout als Angehörige einer diskriminierten Hauptbetroffenengruppe zu verkraften haben), gesenkt werden könne. Angesichts der in den letzten Jahren deutlich verbesserten
Möglichkeiten antiretroviraler Frühtherapie und antibiotischer Sekundärprävention opportunistischer Infektionen
sei damit dann auch ein Zugewinn an Lebensqualität und
Lebensdauer verbunden.
Auch hier hält die Prima-facie-Plausibilität einer näheren
Reflexion nicht stand.
Behandelnde Ärzte nicht nur aus aus Schwerpunktpraxen
schätzen den Anteil der von der Infektion wirklich überraschten AIDS-Patienten wesentlich geringer ein. Ein Teil
der Differenz erklärt sich aus der Formulierung ›oder kurze
Zeit davor‹ in den ärztlichen Berichten an das AIDS-Fallregister (s. o.). Eine weiterer – ohne entsprechende Forschung schwer zu quantifizierender – Teil der Patienten
weiß offenbar von seiner Infektion bzw. zumindest von deren
ernsthafter Möglichkeit, zieht es aber vor, den Eintritt in die
medikalisierte Welt der Patienten so lange wie möglich
hinauszuzögern. Das mag medizinisch bedauerlich sein,
muß jedoch akzeptiert werden. Andere Patienten schätzen
die Möglichkeiten der antiretroviralen Frühtherapie und
medikamentösen Sekundärprävention offenbar als weniger
ergiebig ein – wie fundiert auch immer. Oder sie glauben,
den mit der Frühtherapie verbundenen hohen ComplianceAnforderungen nicht genügen zu können. Möglicherweise
sind die Patienten auch schlicht uninformiert. Der HIV-HST
jedenfalls löst keines dieser Probleme.
Im Umgang mit dem möglichen oder eingetretenen Risiko
einer HIV-Infektion gibt es verschiedene Bewältigungsstile
(coping), die für die jeweils Betroffenen auch dann einen
›Sinn machen‹, wenn sie vom äußeren Beobachter als irrational oder inadäquat wahrgenommen werden. ›Verdrängende‹ Patienten werden vermutlich auch über den HIVHST den Eingang in das Versorgungssystem nicht finden.
›Ängstlichen‹, die den HIV-HST anstelle des Arztbesuchs
wählen, sollte wegen der Bedingungen der Ergebnismitteilung (Telefonat mit einem Unbekannten) wohl besser abgeraten werden. Erst recht benötigen ›Skeptiker‹ mit
Bedenken und Ängsten im Hinblick auf die Medikalisierung
ihres Lebens, auf Resistenzbildungen und vorzeitige Nutzung
nur einmal anwendbarer Therapeutika eine sorgfältige
Erklärung und Abwägung der Gründe für und gegen medizinische Interventionen vor der Symptomentwicklung. Standardisierbare Antworten sind in einer Situation, in der ››der
volle Einsatz aller (medikamentösen, RR) Möglichkeiten
zum frühestmöglichen Zeitpunkt ... den Charakter eines ungeBTXcT #!
deckten Wechsels auf die Zukunft‹‹ hat (Infektionsepidemiologische Forschung III+IV/96, S. 12), ohnehin nicht zu
verantworten. Gerade die unbezweifelbaren und hoffnungsstiftenden Fortschritte in Sekundärprävention und Therapie
sprechen wegen ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit
für eine Verbreiterung der öffentlichen und der zielgruppenspezifischen Aufklärung über die medizinische Entwicklung, um die vorhandenen verschiedenen Pfade zu
persönlicher Beratung zu bahnen und zu verbreitern.
Zudem liegt auf dem Wege zu jedem HIV-HST, der im
Sinne der Einleitung medizinischer Frühtherapien ›erfolgreich‹ durchgeführt wird, der bereits oben im Zusammenhang mit der Prävention genannte Stolperstein: Die
Mitteilung der HIV-Infektion erfolgt telefonisch durch einen Menschen, den der Patient/die Patientin nicht kennt.
Über die Implikationen und Konsequenzen dieses settings
der Mitteilung eines positiven Testergebnisses liegen sicherlich zu wenig Kenntisse vor, um gesundheitspolitisch verantwortlich befürworten zu können, diesen Weg zu öffnen,
zu empfehlen oder gar eine Entwicklung auszulösen, in
deren Verlauf die persönliche Beratung über den Umgang
mit einer nach wie vor lebensbedrohlichen Erkrankung
durch telefonische Kontakte mit wechselnden Unbekannten
oder einem Anrufbeantworter ersetzt wird.
7RkZe
Wie viele medizinische Technologien verdankt sich die Entstehung des HIV-HST nicht primär einem medizinischen
oder gesundheitspolitischen Defizit, sondern der technischen Möglichkeit seiner Entwicklung und der Vermutung
eines breiten Marktes. Wie so oft betritt eine fertige Antwort
die Bühne der Medizin und sucht nach passenden Fragen. Es
ist Aufgabe der bevölkerungsbezogenen Gesundheitssicherung im Sinne von Public Health im Verbund mit den anderen gesundheitswissenschaftlichen Disziplinen, darunter der
Medizin, rechtzeitig auf absehbare Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, um der Gesundheitspolitik Entscheidungsgrundlagen auch für eine rationale und humanistisch
angeleitete Technologiepolitik zu liefern. Unter diesem
Gesichtswinkel besteht beim derzeitigen Stand des Wissens
kein Bedarf nach dem HIV-HST, weil die relativ sicher eintretenden unerwünschten Wirkungen schwerer wiegen als
die nur hypothetischen erwünschten Wirkungen.
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Die heute verfügbaren Technologien zum Nachweis von
Antikörpern gegen Infektionserreger erlauben zum einen die
Herstellung relativ leicht handhabbarer und schnell durchführbarer Nachweistests, zum anderen aber auch den Einsatz sogenannter Home-Collection-Testsysteme, bei denen
lediglich die Probengewinnung, nicht jedoch die Testdurchführung und Auswertung in die Hand von medizinischen
Laien gegeben wird.
Auf die Problematik reiner Heimtests, bei denen Probengewinnung, Testdurchführung und -auswertung gänzlich in
der Hand ungeschulter Laien liegen, soll hier nicht näher
eingegangen werden – aber nicht ganz zu Unrecht sind solche, von einzelnen Firmen bereits entwickelte Heimtests
bislang in keinem Land zugelassen, in dem eine staatliche
Aufsicht über den Bereich serologischer Tests existiert und
entsprechende Prüf- und Zulassungsverfahren vorgeschrieben sind. Wesentliche Einwände gegen reine Heimtests sind
die auch durch verständliche Gebrauchsanleitungen nicht
vermeidbaren Fehlermöglichkeiten vor allem bei der Testdurchführung, Ergebnisbeurteilung und -interpretation
sowie die völlige Abkoppelung von existierenden medizinischen und psychosozialen Betreuungs- und Beratungssystemen.
Diese Einwände können gegen Home-Collection-Tests
gar nicht oder nur in sehr abgemilderter Form vorgebracht
werden: Testdurchführung und Ergebnisbeurteilung bleiben
in der Hand geschulten Personals und genügen denselben
Standards wie die normalen heute üblichen Testverfahren.
Eine Beratung vor dem Test fällt bei Home-Collection-Tests
zwar weg und muß durch schriftliches Informationsmaterial
ersetzt werden, wesentliche Inhalte der Vor-Test-Beratung
können jedoch auch in die – telefonisch erfolgende – Ergebnismitteilung und Nach-Test-Beratung integriert werden. Es
InfFo 88(&
gibt mehrere Konzepte, wie eine solche telefonische Ergebnismitteilung und Beratung durchgeführt werden könnte; prinzipiell ist aber eine hochqualifizierte, einfühlsame und
kompetente telefonische Beratung und Ergebnismitteilung
machbar, in deren Rahmen auch die Erhebung epidemiologischer Basisinformationen integriert werden kann.
Die Ablehnung, die der telefonischen Mitteilung weitreichender medizinischer Befunde entgegengebracht wird,
rechtfertigt sich nicht in erster Linie aus der Wahl des Kommunikationsmittels, sondern aus der Erfahrung, daß eine
telefonische Befundmitteilung häufig Indiz und Ausdruck
einer mangelnden Bereitschaft des Arztes ist, sich mit den
Personen und den durch die Befundmitteilung ausgelösten
Reaktionen auseinanderzusetzen. Dabei besteht eine Notwendigkeit für eine unmittelbare persönliche Krisenintervention nach der Befundmitteilung fast nie – falls eine
solche erforderlich ist, so wird dies in aller Regel erst mit
einer gewissen zeitlichen Verzögerung erkennbar.
Ein Home-Collection-Testsystem mit telefonischer Befundübermittlung durch speziell geschultes und erfahrenes Personal
mag daher zwar durchaus noch Nachteile gegenüber den in
Deutschland vielerorts etablierten, mit viel Engagement und
Sachkenntnis arbeitenden Testberatungsstellen des öffentlichen
Gesundheitsdienstes aufweisen, gegenüber der allgemein
üblichen Praxis bei nicht auf HIV spezialisierten niedergelassenen Ärzten dürfte es jedoch in der Regel nicht zu einer
Verschlechterung, eher zu einer Verbesserung der Beratungsqualität beitragen – und man sollte nicht übersehen, daß die
überwiegende Mehrzahl der HIV-Tests heute im Bereich
der niedergelassenen Ärzteschaft durchgeführt werden.
Was an ernstzunehmenden Bedenken gegenüber der Einführung und Vermarktung von Home-Collection-Tests übrigbleibt, sind mögliche kontraproduktive Auswirkungen
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aggressiver Vermarktungsstrategien auf übergreifende Strategien zur Prävention von AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sowie die Befürchtung, daß die
Verfügbarkeit von Home-Collection-Tests im Zuge einer
immer stärker um sich greifenden und z. T. kurzsichtigen
Sparwut der öffentlichen Hände als Vorwand herangezogen
werden könnte, das bereits deutlich reduzierte, aber für eine
glaubwürdige, kontinuierliche und auf längere Sicht effektive Präventionsarbeit unverzichtbare System von persönlichen Beratungs- und Aufklärungsangeboten gänzlich zu
zerschlagen. Letzteres ist eine Gefahr, die leider nicht wegdiskutiert werden kann.
Aggressive Marketingstrategien könnten die ohnehin vorhandene Tendenz verstärken, dem HIV-Test undifferenziert
eine präventive Schutzfunktion zuzuschreiben, die er tatsächlich nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen und
Voraussetzungen haben kann. Aber man sollte sich nicht der
Illusion hingeben, erst die Vermarktung von HIV-HomeCollection-Tests würde eine ansonsten reibungslos funktionierende Präventionsstrategie untergraben. Wir stehen in
Deutschland ohnehin vor der Aufgabe, für die ›Allgemeinbevölkerung‹ Präventionsstrategien zur Eindämmung sexuell
übertragbarer Infektionskrankheiten zu formulieren, die
nicht allein auf dem HIV-Argument beruhen. Und auch für
die nach wie vor am stärksten von der HIV-Epidemie betroffenen Gruppen, wie z. B. homosexuelle Männer, muß
über den Stellenwert des HIV-Tests nicht nur angesichts
verbesserter Therapiemöglichkeiten, sondern auch hinsichtlich präventiver Risikominderungsstrategien in der Phase eines Übergangs in eine ›stabile‹ endemische Situation neu
nachgedacht werden.
Auch wenn einige der gegen Home-Collection-Tests vorgebrachten Einwände bei näherer Betrachtung an Stichhaltigkeit verlieren – gibt es denn auch positive Argumente
für dessen Einführung? Vom medizinischen Standpunkt aus
wäre es in der gegenwärtigen Situation sicherlich wünschenswert, wenn der Anteil der Infizierten, die von ihrem HIVStatus erst durch die klinische Manifestation von AIDS
erfahren, reduziert werden könnte. Dabei darf man jedoch
nicht übersehen, daß eine niedrigschwellige HIV-Testmöglichkeit nur einen, wahrscheinlich nicht einmal entscheidenden Faktor dafür darstellt, ob sich jemand mit der
Möglichkeit einer Infektion auseinandersetzt und therapeutische Optionen wahrnimmt. Ähnliches gilt für den präventiven Effekt der Kenntnis des eigenen HIV-Status: Diese
Kenntnis ist häufig weder notwendige noch hinreichende
Bedingung für präventives Verhalten. Aber gerade im Kontext fester Partnerschaften ermöglicht die Kenntnis des Serostatus ein in der Praxis effektiveres Risikomanagement. Ob
die Niedrigschwelligkeit des Angebots eines HIV-HomeCollection-Tests sich letztlich im Sinne einer frühzeitigeren
Behandlung und einer Verminderung der Zahl der HIVNeuinfektionen auszahlt, läßt sich gegenwärtig nicht mit
ausreichender Sicherheit vorhersagen. Die Auswertung der
ersten praktischen Erfahrungen mit Home-Collection-Tests
in den USA könnte hierzu Hinweise geben, diese sind aber
auf Grund der unterschiedlichen medizinischen Versorgungssysteme nicht automatisch auf die Situation in Europa
extrapolierbar.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Hauptrisiken
einer Einführung von Home-Collection-Tests in den indirekten (präventions-)politischen Folgen bestehen, nicht in
Problemen bei der Testdurchführung, Ergebnismitteilung,
Beratung und weiteren Betreuung. Das bedeutet, daß Zulassungsbehörden kaum eine Handhabe haben werden, derartigen Testverfahren die Zulassung zu verweigern. Anstatt
sich an der Frage der Zulassung festzubeißen, sollte die Diskussion darüber geführt werden, wie Home-CollectionTests konstruktiv und sinnvoll in sich notwendigerweise
weiterentwickelnde Präventionsstrategien eingebaut werden
können.
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Mit Stand von Ende 1995 war im vergangenen Jahr (InfFo
I/96) über 19 berufsbedingte HIV-Infektionen bei Beschäftigten aus dem Gesundheitswesen in Deutschland berichtet
worden. Diese Übersicht war unvollständig. Mittlerweile
haben die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung eine
Umfrage durchgeführt. Insbesondere die bei den Mitgliedern des Bundesverbandes der Unfallversicherungsträger
der öffentlichen Hand (BAGUV) angezeigten Verdachtsfälle
berufsbedingter HIV-Infektionen bei Beschäftigten des
Gesundheitswesens sind jetzt besser erfaßt. Dennoch kann
weiterhin davon ausgegangen werden, daß eine unbekannte
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Zahl berufsbedingter HIV-Infektionen gar nicht angezeigt
oder (noch) nicht erfaßt wurde.
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CPQT[[T gibt die aktuelle Übersicht. Die Fall-Nummerierung aus dem Vorjahr wurde beibehalten und fortgeschrieben.
Fall Nr. 7 mußte aus der Zählung herausgenommen werden,
da das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in einer
rechtskräftigen Entscheidung die HIV-Infektion des Laborgeräte-Technikers als nicht berufsbedingt bewertet hat
(LSG NRW, Urt. v. 21. 4. 1993 – L 17 U 159/91 –). Sieben
InfFo 88(&
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Fälle sind 1996 hinzugekommen, drei wurden neu entschieden
und vier erstmals erfaßt. Damit sind aktuell !$QTadUbQTSX]VcT
78E8]UTZcX^]T] QTX \TSXiX]XbRWT\ ?Tab^]P[ S^Zd\T]cXTac. Es
handelt sich um 13 Männer und 12 Frauen; 6 können als gesichert gelten, 19 sind wahrscheinlich. Das unfallversicherungsrechtliche Kriterium ›sicher‹ entspricht der internationalen
wissenschaftlichen Definition (Fall Nr. 1 bis 5 und 22). Auch
der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführte Einzelfallnachweis des beruflichen Ursachenzusammenhanges – 6 Fälle –
deckt sich mit der wissenschaftlichen Definition von ›wahrscheinlichen HIV-Infektionen‹ (Fall Nr. 6, 8, 9, 13, 15, 16).
In 12 Fällen wurde im berufsgenossenschaftlichen Verwaltungsverfahren bzw. durch die Sozialgerichte jedoch die
Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises angewendet
(Jarke, 1996). Hier muß eine ›besondere berufliche Exposition‹
wahrscheinlich sein, die sich aus Besonderheiten des Arbeitsplatzes und der Tätigkeiten ergibt. Bei Würdigung aller Umstände muß mehr für als gegen den beruflichen Ursachenzusammenhang sprechen (Fall Nr. 10, 11, 12, 14, 17, 18, 19, 20,
21, 23, 25, 26). Da auch bei einer Vielzahl der in der internationalen Literatur als ›wahrscheinlich‹ geführten Fälle von
der engeren Definition abgewichen und eine Würdigung der
Gesamtumstände vorgenommen wurde, halten wir die Aufnahme aller von den Unfallversicherungen anerkannten Fälle in die Dokumentation für gerechtfertigt. In einem Fall
(Nr. 24) sind die Umstände, die zur Anerkennung als
Berufskrankheit geführt haben, nicht bekannt.
CPQT[[T! gibt eine Aufstellung nach Geschlecht, Expositionsart und Berufsgruppen. Weiterhin ist das Geschlechterverhältnis umgekehrt proportional zur Zahl der im
Gesundheitswesen beschäftigten Frauen und Männer. Es
weicht von den internationalen Verhältnissen ebenso ab wie
der hohe Anteil ›besonderer beruflicher Expositionen‹. Im
internationalen Vergleich sind die Nadelstichverletzungen
mit 90 % führend. Die Verteilung auf die betroffenen
Berufsgruppen entspricht dagegen dem internationalen Bild.
3VcfW\cR_\YVZe9:G 2:5D
Von den 25 beruflich erworbenen HIV-Infektionen sind !#P[b
1TadUbZaP]ZWTXc nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BeKV) P]TaZP]]c worden – Tabelle 1.
Die HIV-Infektion eines Kindes wurde als mittelbare
Unfallfolge (§ 555a RVO) anerkannt. Mit dem Urteil
v. 22. 1. 1997 hat das LSG Nordrhein-Westfalen
(L 17 U 11/93) die HIV-Infektion der ehemaligen unständigen Nachtwache (Fall Nr. 11) als Berufskrankheit anerkannt: Die Versicherte habe während eines eingrenzbaren
Zeitraumes in einem Arbeitsbereich mit überdurchschnittlicher HIV-Prävalenz regelmäßig gefährdende Tätigkeiten
ausgeübt, eine außerberufliche Infektion sei unwahrscheinlich. Revision wurde zugelassen. Bei einer Krankenschwester
(Fall Nr. 10) konnte nicht geklärt werden, ob ein Berufskrankheitenverfahren eingeleitet wurde. Insgesamt wurden
101 Berufskrankheitenverfahren bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst ausgewertet; davon erfolgten 60 Ablehnungen
bzw. Einstellungen, 24 Anerkennungen und 17 Verfahren
waren noch nicht abgeschlossen.
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Die Genome der humanen und der Primaten-Immundefizienzviren (HIV und SIV) sind für Retroviren ungewöhnlich komplex und kodieren neben den drei
Strukturproteinen Gag, Pol und Env für zwei essentielle
regulatorische Faktoren, Tat und Rev, sowie eine Reihe von
sogenannten ›nichtessentiellen‹ Proteinen, Vif, Vpr, Vpu,
Vpx und Nef. Das vpu-Gen ist charakteristisch für HIV-1
und das vpx-Gen ist charakteristisch für die SIVmac/sm/HIV-2-Gruppe. Über die Funktion und Bedeutung
dieser zusätzlichen Gene ist relativ wenig bekannt, auch
weil sie, mit der Ausnahme von vif, keine deutlichen, einfach meßbaren Effekte in Zellkultur haben. Die geltende
Meinung zur Wirkungsweise des nef-Gens hat sich in den
letzten 10 Jahren vollständig gewandelt: Vor fast 10 Jahren
gab es Berichte darüber, daß Nef die Virusvermehrung herabreguliert und möglicherweise eine Rolle bei der Latenzentwicklung spielt. Aufgrund dieser frühen Ergebnisse erhielt
Nef seinen irreführenden Namen ›Negativer Faktor‹. Spätere
BTXcT #%
Untersuchungen konnten die initialen Hypothesen nicht
bestätigen. In Gegenteil, neue Arbeiten belegen, daß Nef, im
Gegensatz zu Vpr und Vpx, von essentieller Bedeutung für
die virale Pathogenität ist.
Möglicherweise bieten Immundefizienzviren mit Defekten im nef-Gen und anderen genetischen Elementen Ansatzpunkte für die Entwicklung attenuierter, apathogener
Lebendvakzinen gegen AIDS. Trotz der großen Bedeutung
von Nef für die effiziente virale Vermehrung und Persistenz
in vivo führten viele der In-vitro-Untersuchungen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Im Rahmen dieses Artikels sollen
einige wesentliche Aspekte zusammengefaßt werden.
3VUVfef_XWcUZVgZcR]VAReY`XV_Zeze
Erste wichtige Erkenntnisse zur Relevanz des nef-Gens für
die Pathogenität der Immundefizienzviren lieferten Untersuchungen im Makakenmodell. Die Infektion von Rhesusaffen
mit Affen-Immundefizienzviren (SIVmac) führt zu einem
InfFo 88(&
3Ta·]TVPcXeT5PZc^a¶STa8\\d]STUXiXT]ieXaT]
Krankheitsbild, welches dem von AIDS beim Menschen
sehr ähnlich ist. Deswegen wird es allgemein als eines der besten
Modelle für die AIDS-Pathogenese anerkannt. Eine SIVmac-Mutante mit einer großen konstruierten Deletion im nefGen vermehrte sich im Vergleich zu isogenen Formen mit intaktem nef bis zu 1.000fach weniger effizient und war nicht
pathogen. Interessanterweise waren die mit dieser Variante infizierten Rhesusaffen vor der Infektion mit pathogenen SIVVarianten geschützt. Im Gegensatz dazu führten zwei Punktmutationen im SIVmac-Nef, welche eine potentielle SH-2-Bindungsstelle konstituieren, in infizierten Rhesusaffen zu einer
akuten Erkrankung, die durch starke Diarrhöe, Ausschlag und
ausgeprägte Lymphozyten-Proliferation im Gastrointestinaltrakt gekennzeichnet ist. Diese Ergebnisse belegen, daß das
nef-Gen wichtig für die Pathogenität von SIV ist und wenige
Punktmutationen in Nef die pathogenen Eigenschaften grundlegend verändern können. Absolut essentiell für die Entwicklung einer Immundefizienz ist Nef jedoch nicht. Neugeborene
Rhesusaffen, die direkt nach der Geburt oral mit nef-defekten
SIVmac-Varianten infiziert wurden, starben an AIDS. Weitere
Untersuchungen zeigten allerdings, daß es zur Erkrankung nur
dann kommt, wenn extrem hohe Virusdosen neugeborenen Tieren
verabreicht werden, deren Muttertiere zuvor nicht infiziert waren.
Da man Schimpansen zwar experimentell mit HIV-1 infizieren
kann, jedoch keine Krankheitssymptome verursacht werden,
kann die Bedeutung von Nef für die Pathogenität von HIV-1
nicht direkt experimentell untersucht werden. Es gibt jedoch
Hinweise darauf, daß auch das HIV-1-nef-Gen von großer
Bedeutung für die virale Pathogenität ist. Analog zu Untersuchungen mit SIVmac in Rhesusaffen zeigen Schimpansen,
die mit nef-defekten HIV-1-Varianten infiziert sind, eine wesentlich geringere Viruslast. Weiterhin wurde untersucht, ob einige
Langzeit-asymptomatische HIV-Infizierte, sogenannte longterm nonprogressors, mit nef-defekten Formen infiziert
sind. Da in vivo ein starker Selektionsdruck für ein funktionelles nef-Gen besteht, sollten derartige Fälle nur dann auftreten, wenn die initiale Infektion ausschließlich durch defekte
Formen erfolgt, also entweder durch einzelne defekte Varianten
oder durch Spender, die mit derartigen Formen infiziert sind.
Nicht überraschend zeigen die bisherigen Resultate, daß größere
Defekte im Nef nur sehr selten Ursache eines asymptomatischen Infektionsverlaufs sind. In zwei unabhängigen Arbeiten
konnte jedoch belegt werden, daß es derartige Fälle gibt: In
einem long-term nonprogressor konnten über einen Zeitraum
von 12 Jahren ausschließlich defektes HIV nachgewiesen
werden. In der zweiten Studie gelang es, einen Blutspender und
sechs Empfänger zu identifizieren, die alle mit nef-defektem
HIV infiziert sind. Alle diese Infizierten zeigen eine extrem
niedrige Viruslast und keinerlei Anzeichen einer Immunschwäche. Obwohl ein starker Selektionsdruck für ein funktionelles Nef besteht, kommt es in seltenen Fällen im Verlauf
der Infektion zur Akkumulation von defekten nef-Genen. Ob
die Ursache dafür ist, daß abgeschwächte Virusvarianten bei
einer sehr effizienten Immunantwort besser persistieren
können, ist noch unklar. Bei einigen weiteren Berichten über
kleinere ›Defekte‹ in nef-Genen bei einzelnen long-term
nonprogressors fehlen leider funktionelle Daten, so daß diese
wenig aussagekräftig sind. Untersuchungen einer großen
Zahl von nef-Genen aus gut charakterisierten HIV-Infizierten
InfFo 88(&
sind notwendig, um herauszufinden, ob nef-Allele aus nicht
progredierenden Infizierten eine geringere Aktivität aufweisen
als solche aus rasch progredierenden Patienten.
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Obwohl Nef in vivo einen dramatischen Einfluß auf die Viruslast hat, führten einige der In-vitro-Untersuchungen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Manche Testsysteme scheinen nur
bedingt geeignet zu sein, die Funktion dieses Faktors aufzuklären. Neuere Ergebnisse lassen darauf schließen, daß zumindest vier Effekte reproduzierbar sind:
die Herabregulierung des CD4-Moleküls auf der Oberfläche Nef-exprimierender Zellen,
die Assoziation von Nef mit zellulären Kinasen,
ein positiver Effekt von Nef auf die virale Replikation in
primären Blutlymphozyten,
eine höhere virale Infektiosität.
Obwohl die molekularen Mechanismen noch unzureichend verstanden sind, scheint Nef eine wichtige Rolle
bei der T-Zell-Aktivierung zu spielen.
Die Herabregulierung von CD4 durch HIV- und SIV-Nef
wurde von zahlreichen Arbeitsgruppen unabhängig voneinander bestätigt. Diese Eigenschaft ist hoch konserviert und
gut reproduzierbar. Allerdings variiert die Aktivität verschiedener primärer nef-Allele sehr stark, wobei eine stärkere
CD4-Herabregulierung nicht mit schnellerer Progression
assoziiert ist. Die Bedeutung dieser Funktion von Nef für
die Pathogenese der HIV-Infektion ist noch unklar. Vorläufige Untersuchungen im Tiermodell deuten darauf hin, daß
sie zumindest wichtig für die SIV-Pathogenese ist.
Da Nef selbst keine enzymatische Aktivität zu besitzen
scheint, wird vermutet, daß es seine Funktion durch Wechselwirkungen mit zellulären Signaltransduktionsproteinen erfüllt.
Für das HIV-1-Nef wurde gezeigt, daß putative SH3-Bindungsdomänen (PxxP-Motive) mit den SH3-Domänen der
Tyrosine-Kinase Hck und Lyn interagieren und daß diese Interaktion wichtig für den positiven Effekt von Nef auf die virale
Replikation in Primärkulturen, nicht jedoch für die CD4Herabregulierung ist. Weitere Studien zur Identifizierung
zellulärer Proteine, die mit Nef interagieren, haben gezeigt,
daß HIV-1- und SIV-Nef weiterhin mit zellulären Serin/Threonin-Kinasen interagiert. In einer Studie wird berichtet, daß
die Assoziation von Nef mit diesen Kinasen essentiell für
die Pathogenität von SIV sein soll. Die verwendete NefMutante ist jedoch auch in anderen funktionellen Testsystemen
defekt. Andere Untersuchungen zeigen, daß Mutationen, die
selektiv die Serin/Threonin-Kinaseassoziation ausschalten,
keinen Einfluß auf die virale Pathogenität haben.
Der positive Einfluß von Nef auf die virale Replikation in
primären Blutlymphozyten wurde von mehreren Arbeitsgruppen bestätigt. Allerdings ist er nur dann zu beobachten,
wenn unstimulierte PBMCs zunächst infiziert und erst nach
einigen Tagen stimuliert werden. Der Unterschied zwischen
Nef +- und Nef –-Viren scheint umso größer zu sein, je länger
man mit der Stimulierung wartet. Die oben beschriebene
akut pathogene SIV-Variante ist sogar in der Lage, sich in
unstimulierten Blutlymphozyten zu vermehren. Dieses Invitro-System zeigt, daß Nef T-Lymphozyten aktivieren
kann und reflektiert möglicherweise die vermehrte virale
BTXcT #&
3Ta·]TVPcXeT5PZc^a¶STa8\\d]STUXiXT]ieXaT]
Replikation von Nef +-Viren in vivo. Es sagt jedoch wenig
über den Mechanismus der Nef-Funktion aus. Der Einfluß
von Nef auf die Infektiosität im single infectivity assay ist
umstritten. Einige Gruppen fanden, daß Nef die Effizienz
der reversen Transkription erhöht. Andere Gruppen wiesen
geringe Mengen an Nef im Viruspartikel nach. Ob dieser
Einbau selektiv erfolgt und die Präsenz von Nef im Viruspartikel von funktioneller Bedeutung ist, muß noch geklärt
werden. Insgesamt scheinen die Effekte von Nef auf die
Infektiosität vom verwendeten HIV-1-Klon, den nef-Allelen
und den Zellinien abzuhängen. Die Angaben zum Einfluß
von Nef auf die Infektiosität der produzierten Viruspartikel
schwanken von ›nicht signifikant‹ bis zu 100fach. Standardisierte Protokolle und der Austausch von Reagenzien
zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen sind notwendig,
um diese Widersprüche aufzuklären.
Zahlreiche weitere In-vitro-Testsysteme zur Funktion von
Nef wurden beschrieben. Eine neue Arbeit zeigt, daß Nef
den CD3-abhängigen Signalweg in T-Zellen blockieren
kann und daß dieser Effekt unabhängig von der CD4-Herabregulierung ist. Ein weiterer interessanter Nef-Effekt ist die
vermehrte Endozytose und Degradation von MHC-Klasse-IMolekülen. Dies könnte dazu führen, daß infizierte Zellen
weniger effizient durch zytotoxische T-Zellen lysiert werden
und sich das Virus so dem Griff des Immunsystems entzieht.
Eine andere Arbeitsgruppe konnte diesen Effekt jedoch
nicht bestätigen. Weiterhin muß noch gezeigt werden, daß
die spezifische Lyse Nef-exprimierender Zielzellen tatsächlich signifikant reduziert ist.
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Es wird mittlerweile allgemein akzeptiert, daß Nef von großer
Bedeutung für eine persistent hohe Viruslast und die virale Pathogenität ist. Zahlreiche In-vitro-Testsysteme wurden beschrieben. Die meisten stimmen mit der Annahme überein, daß
Nef zelluläre Signaltransduktionswege moduliert. Eine naheliegende Hypothese ist, daß Nef über Interaktionen mit zellulären
Faktoren ruhende Wirtszellen nach der Infektion stimuliert und
so die virale Replikation erhöht. Die Herabregulierung von
Oberflächenmarkern wie CD4 oder MHC I könnte dazu führen, daß infizierte Zellen weniger effizient vom Immunsystem
erkannt und eliminiert werden. Was tatsächlich die Funktion
von Nef in vivo ist und welche Mechanismen dabei eine Rolle
spielen, ist noch unklar. Einige gut reproduzierbare Effekte,
wie die Endozytose von CD4, die vermehrte virale Replikation
von Nef +-HIV in Primärkulturen, die Assoziation mit zellulären Kinasen und die Blockierung der Signaltransduktion über
den CD3-Rezeptor, scheinen, zumindest teilweise, unabhängig
voneinander zu sein. Es wird zur Zeit daran gearbeitet, NefMutanten herzustellen, bei denen selektiv bestimmte In-vitroAktivitäten vorhanden – oder ausgeschaltet – sind, um herauszufinden, welche In-vitro-Eigenschaften essentiell für die virale
Pathogenität sind. Die Aufklärung der Nef-Funktion kann
wichtige neue Ansatzpunkte für die Therapie und möglicherweise auch für die Impfstoffentwicklung liefern.
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Fortschritte in der Transplantationstechnik,
insbesondere bei der Beherrschung von
Abstoßungsreaktionen, rücken die Transplantation tierischer Organe in den
menschlichen Organismus in greifbare
Nähe. Transplantationsmediziner erhoffen
sich davon eine spürbare Linderung des gegenwärtigen Mangels an Spenderorganen,
während Infektiologen und Virologen besorgt sind, daß durch derartige Transplantationen neue Infektionserreger an den
Menschen adaptiert werden könnten.
Befürworter von Xenotransplantationen
(Artengrenzen überschreitende Transplantationen) kontern derartige Befürchtungen mit dem Argument, potentielle
Organspender wie z. B. das Schwein
lebten seit Jahrtausenden eng mit dem
Menschen zusammen, so daß das Auftreten
neuer, bislang unbekannter Zoonosen (von
Tieren auf Menschen übertragbare Infektionen) sehr unwahrscheinlich sei. Das
Argument trifft zwar zu, läßt aber spezielle Risiken bei der Transplantationsmedizin unberücksichtigt. Natürliche Infektionsbarrieren
wie
Haut
und
Schleimhäute werden bei Transplantationen, bei denen Organe in einen überdies immunsupprimierten Empfänger
verpflanzt werden, umgangen. Dies gilt
insbesondere für Retroviren, die in der
Regel nur durch direkte Inokulation
übertragen werden können. Das Beispiel
von HIV zeigt, daß technologische, soziale, demographische und kulturelle
Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft an einem gewissen Punkt dann das
›Überspringen‹ eines Virus auf einen
neuen Wirt und eine dadurch ausgelöste
Epidemie begünstigen können, auch
wenn Menschen und die natürlichen
Wirte dieser Viren, verschiedene Affenarten, zuvor über Tausende von Jahren in
Kontakt gestanden haben, ohne daß es
bereits vorher zu erkennbaren Epidemien
gekommen war.
Neuen Nährstoff für die Furcht vor
Transplantations-assoziierte Zoonosen liefern Untersuchungen zum Zelltropismus
von endogenen Retroviren beim Schwein.
Endogene Retroviren kommen bei allen
höherentwickelten Spezies vor, auch beim
Menschen. Etwa ein Prozent des menschlichen Genoms besteht aus solchen endogenen Retroviren oder Retrovirus-ähnlichen Elementen.
Wissenschaftler verwendeten als Ausgangsmaterial ihrer Untersuchungen zwei
Schweinenieren-Zellinien, von denen
bekannt war, daß sie endogene C-TypRetroviren produzieren können. Retrovirusproduktion in diesen Zellinien
wurde mittels Elektronenmikroskopie
und Nachweis von Reverse-Transkriptase-Aktivität bestätigt. Die Infektiosität
des Zellkulturüberstandes für menschliche Zellen wurde auf menschlichen
Nieren-, Lungen- und Muskelzellen,
sowie B- und T-Lymphozyten geprüft.
Neben zellfreiem Zellkulturüberstand
wurde auch versucht, Infektionen durch
Kokultivierung dieser menschlichen Zelllinien mit den Schweinenieren-Zellen zu
übertragen.
Während die von der einen Schweinenieren-Zellinie gebildeten endogenen
Retroviren keine menschlichen Zellen
infizieren konnten, ließen sich mit Zellkulturüberstand der zweiten Zellinie
menschliche Nierenzellen infizieren. Unter
Kokultivierungsbedingungen gelang sogar
die Übertragung des Schweine-Retrovirus
auf Lymphozyten, Muskel- und Lungenzellen. Ob das endogene Schweine-Retrovirus für den Menschen pathogen sein
könnte, läßt sich an Hand dieser Zellkulturversuche nicht beantworten.
Das besondere Risiko von endogenen
Retroviren besteht darin, daß sie, integriert in die Erbinformation des Wirts,
über die Keimbahn weitervererbt
werden. Auch Tiere, die in von spezifischen Pathogenen freien (SPF-)Kolonien gezüchtet werden, sind daher Träger
von endogenen Retroviren. Ein natürlicher Schutzmechanismus vor tierischen
Retroviren besteht in der Lyse solcher
Viren durch menschliches Komplement.
Die Wissenschaftler stellten bei ihren
Experimenten jedoch fest, daß die
Schweine-Retroviren nur so lange durch
menschliches Komplement angreifbar
waren, als sie durch Schweinezellen produziert wurden. Sobald sie von menschlichen Zellen produziert wurden, waren sie
auch resistent gegenüber menschlichem
Komplement.
Die
Empfindlichkeit
gegenüber
menschlichem Komplement beruht auf
bestimmten Zuckermolekülen, deren
Expression auf Schweinezellen auch für
die Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen verantwortlich ist.
Ein Weg, diese Abstoßungsreaktion zu
vermeiden, besteht in der mit gentechnologischen Methoden erreichbaren Verhinderung der Expression dieser Zuckermoleküle. Wie die jetzt publizierte
Untersuchung zeigt, wird durch diesen
›Trick‹ aber auch ein natürlicher Schutzmechanismus gegen tierische Retroviren
ausgeschaltet.
Die Untersuchungsergebnisse haben
inzwischen dazu beigetragen, daß in
Großbritannien ein vorläufiges Moratorium für Xenotransplantationen beschlossen worden ist. Diese Moratorium
soll dazu genutzt werden, mögliche
Infektionsrisiken durch Xenotransplantate genauer abzuklären. Auch in den
USA, wo relativ freizügige Richtlinien
für Xenotransplantationen erlassen wurden, mehren sich nun Stimmen, die ein
vorsichtigeres Vorgehen verlangen.
Wie eine Umfrage bei potentiellen
Organempfängern zeigt, herrscht auch
bei denjenigen, die am ehesten von
Xenotransplantaten profitieren würden,
eine deutliche Skepsis gegenüber diesem
Lösungsansatz für das Problem des
Mangels an Spenderorganen. Etwa die
Hälfte von ihnen würde die Transplantation eines tierischen Spenderorgans
ablehnen.
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In der letzten Zeit wurden serologische,
elektronenmikroskopische und molekularbiologische Indizien für eine mögliche
Beteiligung von Chlamydia pneumoniae
an der Entstehung atherosklerotischer
Gefäßveränderungen präsentiert. Ergänzt
InfFo 88(&
wird diese Indizienliste nun durch den
Nachweis, daß Chlamydia pneumoniae
neben Monozyten/Makrophagen eine
weitere wichtige, in atherosklerotischen
Plaques vorhandene Zellpopulation produktiv infizieren kann: glatte Mus-
kelzellen der Gefäßwände. Die in
Zellkulturexperimenten demonstrierte
Infizierbarkeit glatter Gefäßmuskulatur
beschränkte sich auf Chlamydia-pneumoniae-Isolate, Chlamydia-trachomatisIsolate waren dazu nicht in der Lage. Bei
BTXcT #(
5^abRWd]V0ZcdT[[®·=TdT¶8]UTZcX^]bZaP]ZWTXcT]
den Versuchen wurde darüber hinaus
auch festgestellt, daß Cholesterolbeladene glatte Muskelzellen leichter
infizierbar waren als normale Muskelzellen. Diese Beobachtung könnte
zweierlei bedeuten: Einerseits gäbe es die
Möglichkeit, daß die Empfänglichkeit der
Muskelzellen für eine C.-pneumoniaeInfektion bei bereits bestehenden athe-
rosklerotischen Plaques größer ist,
andererseits besteht aber auch die
Möglichkeit, daß die Cholesterol-Aufnahme in glatte Gefäßmuskulatur durch
eine Chlamydieninfektion begünstigt
wird. Falls diese zweite Möglichkeit
nachgewiesen werden sollte, würde
dies für eine kausale Rolle von Chlamydien bei der Atherosklerose-Ent-
stehung sprechen, während die erste
Möglichkeit auch mit einer Trittbrettfahrerrolle von Chlamydien vereinbar
wäre.
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Seit geraumer Zeit ist bereits bekannt,
daß eine bestimmte Variante des Apolipoprotein-E-Gens, das APOE-ε4, einen
Risikofaktor für die Entwicklung der
Alzheimer-Krankheit darstellt. Das Vorhandensein des ε4-Allels allein reicht
aber für die Entstehung der Erkrankung
noch nicht aus, weitere, bislang noch
unbekannte Faktoren müssen hinzukommen. Einer vor kurzem veröffentlichten Studie aus Großbritannien zufolge könnte eine Infektion mit dem
Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV 1)
ein solcher zusätzlicher Faktor sein.
HSV 1 ist weitverbreitet, die meisten
Menschen infizieren sich bereits in der
Kindheit mit diesem Herpes-Virus. Die
Primärinfektion äußerst sich häufig in
Form einer Stomatitis, kann aber symptomlos verlaufen. Nach einer akuten
Erkrankungsphase überdauert das Virus
vornehmlich in den Ganglien des Trigeminusnervs. Streß, ultraviolettes Licht,
Menstruation oder auch psychische
Ursachen können das Virus reaktivieren,
wobei die Reaktion des Wirts ganz unterschiedlich ausfallen kann. Einige der
Betroffenen entwickeln die typischen
Anzeichen des Herpes labialis mit Juckreiz, Spannungsgefühl und der Ausbildung von Bläschen auf gerötetem
Grund meist im Bereich der Lippen.
Für eine Beteiligung von HSV 1 bei
der Entstehung der Alzheimer-Krankheit
spricht, daß das Virus bei der sehr seltenen, akuten HSV-1-Enzephalitis dieselben Gehirnregionen befällt, die auch bei
der Alzheimer-Krankheit am stärksten
betroffen sind. Dies sind vor allem der
temporale und frontale Cortex sowie der
Hippocampus. Bis vor kurzem war es
noch nicht möglich gewesen, das Virus
im Zentralnervensystem (ZNS) eindeutig
nachzuweisen. Erst mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) gelang es,
die Erbsubstanz von HSV 1 im Gehirn
älterer Menschen mit und ohne Alzheimer zu identifizieren. In Gehingewebe jüngerer Menschen wurde das Virus dagegen nicht entdeckt. Der Grund
dafür ist vermutlich, daß das Immunsystem bei Älteren nicht mehr in der
Lage ist, den Eintritt des Virus ins ZNS
zu verhindern.
In der vorliegenden Studie wurde
untersucht, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen dem APOE-ε4-Allel
und der HSV-1-Infektion bei der Entstehung des Morbus Alzheimer gibt. Die
Studie umfaßte 46 Alzheimer-Patienten
und 44 Personen ohne Alzheimer, das
Durchschnittsalter in beiden Gruppen
betrug 79 Jahre. Die entnommenen
Gehirngewebsproben wurden mit der
PCR auf das Vorhandensein des APOEε4-Allels und von HSV-1-DNS getestet.
Bei 52,8 % der Alzheimer-Patienten, die
HSV-1-positiv waren, konnten die Forscher auch das APOE-ε4-Allel nachweisen. Dagegen fanden sie das APOEε4-Gen nur bei 10,0 % der HSV-1-negativen Alzheimer-Patienten. Bei gesunden
Probanden kam dieses Allel noch seltener
vor. Diese Ergebnisse deuten darauf hin,
daß das Risiko für eine AlzheimerKrankheit deutlich erhöht ist, wenn das
APOE-ε4-Allel in Verbindung mit einer
HSV-1-Infektion auftritt. Außerdem
zeigte die Untersuchung, daß das APOEε4-Allel auch für die Symptomatik des
Herpes labialis bei der Virus-Reaktivierung von Bedeutung ist.
Die Beteiligung von HSV 1 bei der
Entstehung von Alzheimer könnte somit
auch erklären, weshalb entzündungshemmende Medikamente das Auftreten
von Alzheimer-Symptomen verhindern
oder zumindest verzögern können: Entzündungen können zur Reaktivierung
von HSV 1 führen. Entsprechende Medikamente könnten also das Ausmaß der
Reaktivierung und damit möglicherweise
auch der Schäden im Gehirn begrenzen.
Über den genauen Mechanismus, wie
APOE-ε4 und HSV 1 zur Entstehung der
Alzheimer-Krankheit beitragen, kann
derzeit nur spekuliert werden. Eine
Bestätigung der Ergebnisse könnte aber
dazu führen, daß antivirale und entzündungshemmende Medikamente verstärkt in der Therapie der AlzheimerKrankheit zur Anwendung kommen.
Darüber hinaus erscheinen auch Schutzimpfungen zur Verhütung einer Primärinfektion oder der Reaktivierung des Virus bereits in der Kindheit sinnvoll. Die
vorgesehene Nutzung von HSV 1 als
Vektor für die Gentherapie sollte nach
Meinung der Autoren der Studie allerdings nochmals überdacht werden. –
DVV Infektion & Prävention 2/1997
8ciWPZX A5 ;X] FA BWP]V 3 FX[R^RZ 6:
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Herpes-simplex-Viren haben die charakteristischen Eigenschaften, sensorische
Nervenendigungen zu infizieren und eine
latente, persistierende Infektion von
Neuronen aufrechtzuerhalten, obwohl
der Wirt mit einer spezifischen Immunantwort reagiert. Die latente Infektion
kann zur rezidivierenden Reaktivierung
einer klinischen BeschwerdesymptoBTXcT $
matik verbunden mit aktiver Virusreplikation führen.
Bei oralen und labialen Manifestationen einer Herpes-simplex-Infektion
wird infektiöses Virus auch geschluckt
und gelangt in den Gastrointestinaltrakt.
Auf Grund einzelner Hinweise auf eine
mögliche Infektion vegetativer Nervenganglien mit Herpes-simplex-Virus gingen
amerikanische Wissenschaftler auf eine
systematische Suche. 21 Ganglien vegetativer
Nervenbahnen,
die
den
Gastrointestinaltrakt innervieren, wurden
bei der Autopsie von 11 Leichen gewonnen. Keiner der Toten war an einer mit
Herpes-Viren zusammenhängenden Ursache verstorben. Molekularbiologisch
waren in Ganglien von 9 der 11 verstorInfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®·=TdT¶8]UTZcX^]bZaP]ZWTXcT]
benen Personen Zeichen einer latenten
Herpes-simplex-Infektion nachweisbar.
Die Zahl der latent infizierten Neuronen
bewegte sich in derselben Größenordnung wie bei latent HSV-infizierten
Trigeminusganglien. Eine aktive Virusreplikation ließ sich jedoch nicht nachweisen.
Die festgestellte latente Infektion von
Neuronen, die Ösophagus, Lunge, Ein-
geweide und Herz innervieren, reflektiert
offenbar eine Infektion dieser Neuronen
über den Gastrointestinal- oder den unteren
Respirationstrakt, wahrscheinlich durch
das Schlucken von Virus. Die Reaktivierung einer latenten Trigeminus-Infektion,
die zu oral-labialen Symptomen führt, wird
bei ca. einem Drittel der HSV-seropositiven Personen beobachtet. Falls eine Virusreaktivierung bei einem ähnlich hohen An-
teil infizierter vegetativer Nerven auftritt,
könnte dies Ursache rekurrierender funktioneller oder entzündlicher gastrointestinaler Störungen sein.
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Verwandtschaftsanalysen von HIV und
SIV zeigen eine enge Beziehung
zwischen SIV-Isolaten von Mangabenaffen und HIV-2. Auffällig ist auch die
weitgehende Überschneidung des Verbreitungsgebietes von HIV-2 in Westafrika mit dem Verbreitungsgebiet von
Mangabenaffen, die dort teilweise auch
gegessen oder als Haustiere gehalten
werden. Bei wildlebenden Mangabenaffen sind verschiedene SIV-Subtypen
identifiziert worden. Es wird angenommen, daß die verschiedenen beim Menschen vorkommenden HIV-2-Subtypen
sich nicht aus einem gemeinsamen
menschlichen HIV-2-Elternvirus entwickelt haben, sondern daß die Subtypen-Variabilität auf unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten und
an verschiedenen Orten stattgefundene
Affen-Mensch-Übertragungsereignisse
zurückzuführen ist.
Gestützt wird diese Hypothese durch
Ergebnisse einer größeren HIV-Seroprävalenzstudie in einer ländlichen
Region des westafrikanischen Staates
Sierra Leone. Sierra Leone zählt zum
natürlichen Verbreitungsgebiet von Mangabenaffen. Im Jahre 1993 wurden
9.300 Personen im nördlichen Sierra
Leone serologisch auf HIV-Antikörper
untersucht. Bei insgesamt 9 Personen ließ
sich eine HIV-Infektion bestätigen, wobei
bei 7 eine HIV-1-Infektion und bei 2 eine
HIV-2-Infektion diagnostiziert wurde.
Beide HIV-2-Infektionen wurden bei
Frauen diagnostiziert, die sowohl sexuelle
Risiken für eine Infektion angaben als
auch Kontakte mit Mangabenaffen. Es
kann daher nicht geklärt werden, ob es
sich in diesen Fällen um MenschMensch- oder Tier-Mensch-Übertragungen handelt. Eine Subtypisierung der
beiden HIV-2-Isolate ergab einen Subtyp
A und einen neuen, bislang nicht bekannten Subtyp F (bislang waren von HIV-2
nur die Subtypen A – E bekannt). Der
HIV-2-Subtyp A ist in Westafrika der am
stärksten verbreitete Subtyp, während
vom Subtyp E bislang nur ein Isolat,
ebenfalls aus Sierra Leone, existiert. Sierra
Leone, Liberia und die Elfenbeinküste,
die das natürliche Verbreitungsgebiet von
Mangabenaffen bilden, zeigen gleich-
zeitig auch die größte Vielfalt von HIV-2Subtypen bei gleichzeitig eher niedriger
Prävalenz von HIV-2. In anderen westafrikanischen Ländern, in denen HIV-2Infektionen gefunden werden, gibt es dagegen eine klare Dominanz von einem
oder zwei Subtypen. Die Überschneidung
einer relativ kleinen Region mit hoher
HIV-2-Variabilität bei relativ geringer
Prävalenz in der menschlichen Population
und hoher Variabilität von SIV mit relativ
hoher Prävalenz dieser Infektion bei den
dort freilebenden Mangabenaffen spricht
dafür, daß die dort beim Menschen vorgefundene HIV-2-Variabilität Resultat
vereinzelt stattgefundener Übertragungen divergenter SIV-Stämme auf den
Menschen ist.
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Untersuchungen zur Antikörperantwort
nach einer Infektion mit dem Hepatitis-GVirus zeigen, daß die Antikörperbildung
gegen das Virushüllprotein E2 mit der
Eliminierung von Virus aus dem Blut einhergeht. Damit wird es möglich, nicht nur
wie bisher virämische Patienten (durch
Nachweis von HGV-RNS) zu erkennen,
sondern auch solche, die eine Infektion
durchgemacht und das Virus erfolgreich
eliminiert haben. Der Nachweis von
HGV-RNS und Anti-E2-Antikörpern
schließt sich nahezu gegenseitig aus. Nur
in wenigen Einzelfällen wurde z. B. nach
transfusionsbedingter HGV-Infektion
kurzzeitig HGV-RNS und Anti-E2
gleichzeitig in Blutproben nachgewiesen.
Im weiteren Verlauf verschwand das
Virus bei diesen Personen aus dem Blut.
Der Einsatz von Anti-E2-Antikörpertests bei verschiedenen Populationen
InfFo 88(&
enthüllt, daß, je nach untersuchter Gruppe,
ca. 2–4mal so viele Personen Zeichen einer
durchgemachten HGV-Infektion aufweisen (Anti-E2-Antikörper) wie Zeichen
einer akuten HGV-Virämie (HGV-RNS
positiv). !"# Dies bedeutet, daß das Ausmaß der HGV-Verbreitung durch die Untersuchungen, bei denen lediglich HGVRNS nachgewiesen wurde, erheblich unterschätzt wird. In besonders gefährdeten
Risikogruppen wie bei i. v. Drogengebrauchern oder Hämophilen, die mit nicht
virusinaktivierten Gerinnungsfaktoren behandelt worden waren, wird einer der beiden HGV-Marker bei bis zu 80 % der Untersuchten nachgewiesen.
Derweil bestärken weitere Studien die
Zweifel daran, daß es sich beim HepatitisG-Virus tatsächlich um ein echtes ›Hepatitis-Virus‹ handelt. Eine US-amerikanische Studie, die der Rolle von HGV bei
akuten Non-A-E-Hepatitiden nachspürte,
gelangt zu dem Ergebnis, daß HGV zwar
oft zusammen mit anderen, bereits länger
bekannten Hepatitis-Viren nachgewiesen
werden kann, daß aber nichts darauf hinweist, daß diese zusätzliche Infektion den
klinischen Verlauf der Hepatitis, was
Schwere und Chronifizierung angeht,
merklich beeinflußt. Bei den wenigen
Personen, bei denen im Rahmen einer
klinisch diagnostizierten Hepatitis als
einziges bekanntes Agens das HGV nachweisbar war, war die klinische Symptomatik nur schwach ausgeprägt und die Laborbefunde
zeigten
nur
mäßig
pathologische Werte, die sich rasch wieder normalisierten. $ Bestätigt werden
diese Beobachtungen durch eine Analyse
transfusionsassoziierter HGV-Infektionen. Bei 79 transfusionsassoziierten Hepatitiden wurde in 63 Fällen (80 %) das
BTXcT $
5^abRWd]V0ZcdT[[®3XPV]^bcXZ
Hepatitis-C-Virus als Erreger identifiziert.
Bei 6 der 63 Fälle lag gleichzeitig auch
eine HGV-Übertragung vor, was aber
nicht zu einem schweren klinischen
Verlauf führte. In 13 Fällen der Hepatitis
lag keine Übertragung eines der Hepatitis-Viren A–E zu Grunde. In 3 der
13 Fälle wurde HGV nachgewiesen, in
10 Fällen dürfte die Posttransfusionshepatitis dagegen auf die Übertragung
eines oder mehrerer noch unbekannter
Erreger zurückzuführen sein. Es ist auch
nicht auszuschließen, daß diese unbekannten Erreger auch in den drei Fällen
die eigentlichen Auslöser der Hepatitis
waren, in denen allein HGV nachweisbar war. %
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9:G5ZRX_`deZ\+HZ_U`hAVcZ`UVf_UvSVcecRXf_XdhVX
Im Rahmen einer amerikanischen Studie
wurde die Dauer der Window-Periode bis
zum Nachweis von spezifischen Antikörpern
bei
Serokonvertern
mit
unterschiedlichen Übertragungswegen
verglichen. Es standen Serumproben von
347 homosexuellen Männern und 48 i. v.
Drogengebrauchern zur Verfügung. In der
letzten seronegativen Probe vor dem ersten Antikörpernachweis wurde nach p24Antigen, zellfreier Virus-RNS und viraler
DNS in Blutzellen gesucht.
Im Durchschnitt war der Zeitraum
zwischen Nachweisbarkeit von zellfreier
Virus-RNS und erster Antikörper-positiver
Serumprobe bei Drogengebrauchern mehr
als zwei Wochen länger als bei homosexuellen Männern (27,4 vs. 10,2 Tage),
der Zeitraum zwischen Nachweis von
p24-Antigen und Nachweis von Antikörpern 9 Tage länger (17,4 vs. 8,0 Tage)
und der zwischen Nachweis virusinfizierter Zellen und Antikörpernachweis 8 Tage länger (17,4 vs. 9,7 Tage).
Die beobachteten Unterschiede deuten
darauf hin, daß der Übertragungsweg
Einfluß auf die Dauer der WindowPeriode haben kann. Bei parenteraler
Infektion scheint der Zeitraum, in dem
das Blut eines frisch Infizierten erkennbar infektiös ist, aber noch keine
Antikörper nachweisbar sind, länger zu
sein als bei einer sexuell übertragenen
Infektion.
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Die Westernblot-Untersuchung ist eine
Untersuchungsmethode, die u. a. bei der
Untersuchung auf HIV-Antikörper als
sog. Bestätigungstest bei Vorliegen eines
positiven ELISA-Befundes eingesetzt
wird. Beim Westernblot werden Virusproteine aufgetrennt nach ihrem Molekulargewicht mit Serum inkubiert. Sind
Antikörper gegen entsprechende virale
Proteine vorhanden, binden sich die Antikörper an diese Proteine, eine Reaktion,
die auf dem Teststreifen sichtbar gemacht werden kann (die sog. Banden).
Die Proteine von HIV werden in drei
Gruppen eingeteilt: die sog. env- (envelope) oder Hüllproteine (gp41,
gp120/160), die sog. gag- oder Kernproteine (p17, p24 und p55), sowie die sog.
pol- oder Endonuklease-Polymerase-Proteine (p31, p51 und p66). Verschiedene
Organisationen haben sich z. T. unterscheidende Kriterien definiert, die mindestens erfüllt sein müssen, um ein HIVWesternblot-Untersuchungsergebnis als
positiv zu beurteilen. Das amerikanische
BTXcT $!
Rote Kreuz verlangt z. B. mindestens drei
Banden, eine aus jeder Gruppe (d. h. je
eine gag-, pol- und env-Bande). Die USamerikanische Zulassungsbehörde FDA
verlangt eine p24-, eine p31- sowie eine
gp41- oder gp120/160-Bande. Nach
Empfehlung der DVV (Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung von Viruskrankheiten) ist ein HIV-Westernblot als positiv zu beurteilen, wenn eine env- und
entweder eine gag- oder eine pol-Bande
nachweisbar ist. Nach WHO-Empfehlung
kann ein Westernblot bereits als positiv
beurteilt werden, wenn lediglich zwei
env-Banden nachgewiesen werden.
Eine Studie amerikanischer Blutspendedienste ging der Frage nach, wieviele
der als HIV-Westernblot-positiv beurteilten Spender fälschlich als HIV-infiziert diagnostiziert werden und welches
Westernblot-Muster
solche
falsch
positiven Befunde aufweisen. Zugrunde
gelegt wurde die WHO-Definition eines
positiven Westernblot-Befundes. Als
falsch positiv wurden in dieser Untersu-
chung Befunde dann gewertet, wenn die
erste Westernblot-Untersuchung nur
eine geringe Zahl HIV-spezifischer
Banden aufwies und bei einer Folgeuntersuchung keine zusätzlichen Banden
identifiziert werden konnten oder wenn
in der fraglichen Spende mittels PCR
keine virale RNS nachweisbar war. In
eine genauere Weiteruntersuchung einbezogen wurden 32 Spender (9 % aller
positiven Westernblot-Befunde des untersuchten Blutspenderkollektivs von
3,9 Millionen Spendern), die keine p31Bande aufweisen.
Nach den definierten Kriterien waren
18 dieser 32 Befunde falsch positiv. Das
entspricht 5,1% aller Westernblot-positiven Befunde in diesem Blutspender-Kollektiv und 0,00045% aller Spenden. Die
falsch positiven Westernblots zeigten
folgende Bandenmuster:
8mal: eine p24-Bande + eine
gp120/160-Bande (d. h. alle Spender mit
diesem WB-Muster waren falsch positiv)
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®?PcW^\TRWP]Xb\T]
5mal: nur env-Banden wie gp41 +/gp120/160 (d. h. auch alle Spender mit
diesem WB-Muster waren falsch positiv)
3mal: env-Bande + eine andere Bande
(alle Spender mit diesem WB-Muster
falsch positiv)
Nur 1 von 14 Spendern, deren Westernblot eine p24-, eine env- und eine polBande aufwies, war nach den definierten
Kriterien falsch positiv. Bis auf die fünf
Spender, die nur env-Banden aufwiesen,
wären die hier als falsch positiv bezeichneten Spender auch nach den deutschen
DVV-Kriterien als positiv befundet worden. Im Rahmen der Blutspendertestung
zum Ausschluß von Risikospenden kann
eine gelegentlich erfolgende falsch positive Beurteilung toleriert werden. Wenn
es aber um eine individuelle Infektionsdiagnostik geht, muß auch das zwar geringe, im Einzelfall aber potentiell verheerende Risiko einer fälschlichen HIVDiagnose beachtet werden. Um dieses
Risiko zu vermindern, sollten Personen
mit einem ungewöhnlich schwachen und
spärlichen Westernblot-Muster (s. o.) auf
jeden Fall nachuntersucht werden. Neben
einem falsch positiven Ergebnis kann
sich hinter einem spärlichen Bandenmuster auch eine sehr frische Infektion, eine
klinisch weit fortgeschrittene Infektion,
eine HIV-2-Infektion oder eine ungewöhnliche Virusvariante verbergen.
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^U UP[bT_^bXcXeT 78E FTbcTa] 1[^cb X] P [^faXbZ
_^_d[PcX^] #cW 2^]UTaT]RT ^] ATca^eXadbTb P]S
>__^acd]XbcXR 8]UTRcX^]b FPbWX]Vc^] 32 ((&*
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DTY_V]]VcV5ZRX_`dVUfcTYUZVA`]j^VcRdV<VeeV_cVR\eZ`_d>VeY`UVA4C
Virale Infektionen des Zentralnervensystems (ZNS) sind durch konventionelle Methoden wie Virusnachweis und
Serologie oft nur umständlich und aufwendig zu diagnostizieren. Häufig erhält
man durch diese Labortechniken auch
nur retrospektiven Einblick in die vorausgegangene Infektion und hat so keine
Möglichkeit mehr, eine spezifische Behandlung des Patienten vorzunehmen.
In einer Studie an 2.162 Patienten haben
Wissenschaftler aus Großbritannien jetzt
untersucht, inwieweit sich die Diagnostik
viraler Infektionen des Gehirns durch
Anwendung moderner molekularbiologischer Techniken beschleunigen und
verbessern läßt. Mittels der PolymeraseKettenreaktion testeten sie insgesamt 2.223
Liquorproben auf das Vorhandensein viraler Nukleinsäuren. Bei 143 Patienten entdeckten sie Spuren einer viralen Infektion.
In etwa der Hälfte der Proben handelte es
sich um unterschiedliche Enteroviren
(77 Patienten). Das am häufigsten gefun-
dene Virus war Herpes simplex Typ 1
(HSV 1) bei 20 Patienten, gefolgt vom Varizella-Zoster-Virus (16 Patienten), dem
Epstein-Barr-Virus (11 Patienten), HSV 2
und anderen nicht einzuordnenden HerpesViren sowie dem Zytomegalie-Virus.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigten,
daß die PCR zu einer verbesserten Früherkennung der Herpes-simplex-Meningoenzephalitis und der Varizella-ZosterMeningitis beitragen kann, die auch in
Abwesenheit genitaler Schädigungen
bzw. Schädigungen der Haut auftreten
können.
Oft sind die klinischen Kennzeichen
einer viralen Infektion des Gehirns so
uncharakteristisch, daß in einer Vielzahl
der Fälle bei der ersten Differentialdiagnose eine ganze Reihe von Infektionen mit berücksichtigt werden müssen. Die Studie zeigte hier, daß bei einem
Patienten mit positivem Resultat der
PCR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
in der Folge auch definitiv eine
Virusinfektion des ZNS festgestellt
wurde. Umgekehrt konnte man bei einem
negativem PCR-Resultat mit einer
gewissen Sicherheit davon ausgehen, daß
tatsächlich keine Virusinfektion vorliegt.
Die Methode ist kosteneffektiv und
führt zu einer schnellen klinischen
Diagnose. Sicher sind noch weitere
Daten nötig, die über einen längeren
Zeitraum gesammelt werden müssen,
um die Sensitivität und Spezifität der
PCR noch genauer zu bestimmen. Die
Autoren der Studie gehen aber davon
aus, daß aufwendige und invasive
Nachweistechniken in Zukunft nur
noch bei besonders schwierigen Fällen,
wie einer chronischen viralen ZNSErkrankung, eine Rolle spielen werden.
Für die Diagnose der meisten anderen
viralen Erkrankungen des Gehirns aber
werde die PCR die Methode der Wahl
sein. – DVV Infektion & Prävention
2/1997
7`cdTYf_X2\efV]]±AReY`^VTYR_Zd^V_
8V_SVcVZTYVUVd:_W]fV_kRGZcfdg`_"*")Zd`]ZVce
Die Influenza-Pandemie von 1918
forderte weltweit 20 – 40 Millionen
Menschenleben, allein in den USA
starben 675.000 Menschen. Eines der
damaligen Opfer, ein 21 Jahre alter
Soldat, verhilft der Wissenschaft heute
zu neuen Erkenntnissen.
Der amerikanische Pathologe Jefferey
Taubenberger und die Molekularbiologin
Ann Reid isolierten zusammen mit
Wissenschaftlern des Armed Forces
Institute of Pathology in Washington, D.C.,
fünf Influenza-A-Virus-Genbereiche aus
der Lunge des Soldaten. Sie vervielfältigten dazu mit Hilfe der PCR virale RNA aus
InfFo 88(&
einigen Dutzend Gewebeproben, die in
ihrem Institut aufbewahrt wurden, und
erhielten genügend Material, um
Sequenzanalysen durchführen zu können.
Den Forschern war bewußt, daß die
Suche nach Influenza-Virus-Sequenzen
eine aufwendige und mühsame Arbeit
werden würde. Die Chance virale RNA zu
finden war sehr gering, da RNA leichter als
DNA durch zelluläre Enzyme abgebaut
wird. Als Vorarbeit wurden Lungenpräparate mikroskopisch nach Hinweisen auf
virale Infektionen durchsucht. Von
28 Proben waren die des Soldaten die einzigen Präparate, die Zeichen einer viralen
Pneumonie aufwiesen. Nur in diesen
Proben wurden auch die Influenza-VirusSequenzen aus den Genbereichen für
Neuraminidase und Hämagglutinin nachgewiesen. Die Untersuchung dieser RNASequenzen erbrachte neue Erkenntnisse
über die Herkunft des Virus.
Mit Influenza-Viren infizierte Vögel,
vornehmlich Enten, können durch ihre
Ausscheidungen die Viren auf Schweine
übertragen. Das geschieht relativ häufig,
wenn die Tiere sehr eng zusammen
gehalten werden, vor allem in China.
Nach geringen Änderungen des genetischen Materials können die Viren vom
BTXcT $"
5^abRWd]V0ZcdT[[®?PcW^\TRWP]Xb\T]
Schwein dann auch Menschen infizieren.
Diese Theorie wurde durch die neuen
Untersuchungen bestätigt. Die gefundenen Gen-Sequenzen ähneln sehr den
Sequenzen von Viren, die bei Schweinen
gefunden wurden und wahrscheinlich
schon längere Zeit in der Schweinepopulation vorhanden waren.
Die neuen Erkenntnisse stimmen mit
Antikörperuntersuchungen aus Blutproben von Patienten, die 1918 gelebt
haben, überein. Auch diese Untersuchungen kamen zu dem Schuß, daß das
gefährliche Influenza-Virus von 1918 ein
klassisches Schweinevirus war. Daraus
resultiert, daß es sinnvoll und wichtig
sein könnte, die Influenza-Viren bei
Schweinen genauer zu kontrollieren.
Es bleibt zu hoffen, daß noch weitere
Erkenntnisse über die Influenza-Viren
gewonnen werden können. Es ist z. B.
noch gänzlich unbekannt, weswegen in
der Pandemie von 1918 besonders stark
die Altersgruppe der jungen Erwachsenen
betroffen war.
Taubenberger und Reid werden mit
ihren Forschungen fortfahren und
planen, eine cDNA-Datenbank anzu-
legen. Ihre Arbeit hat inzwischen weitere
Forschergruppen aktiviert, sich mit
diesem Gebiet zu befassen, um eventuell
zukünftig vor weiteren Influenza-VirusAttacken besser gerüstet zu sein. – RH
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Papillomaviren können beim Menschen
zur Entstehung von Warzen auf Haut und
Schleimhäuten führen, und bestimmte
Typen werden als kanzerogen eingestuft
(Auslösung von anogenitalen und laryngealen Karzinomen). Papillomaviren infizieren in erster Linie Epithelzellen der Haut
und Schleimhaut. Da bislang jedoch keine
Zellkultursysteme zur Kultivierung von
Papillomaviren etabliert werden konnten,
ist über die Interaktionen von Virus und
Zellen nur wenig bekannt. Ein Wissenschaftlerteam aus Australien berichtete
vor kurzem über die Identifizierung des
vermutlichen Zellrezeptors für Papillomaviren mit Hilfe rekombinanter virusähnlicher Partikel (virus-like-particles = VLP),
die sich aus zwei Viruskapsid-Proteinen,
dem L1 und L2, zusammensetzen. Mit
Hilfe solcher VLPs wurden die Zellmembranproteine, an die sich die VLPs
anlagerten, ausgefällt. Eine Analyse der
ausgefällten Membranproteine ergab,
daß es sich bei dem Virusrezeptor sehr
wahrscheinlich um das α%β#-Integrin
handelt, ein Membranprotein, welches
fast ausschließlich auf epithelialen, endothelialen und neuralen Zellen exprimiert
wird. Detailliertere Bindungs- und Blokkierungsstudien zeigten, daß die HPVVLPs an die α%-Untereinheit des Integrins binden. Integrine sind Membranproteine, die in erster Linie in Zell-Matrixund
Zell-Zell-Interaktionen
involviert sind. Ein natürlicher Ligand
des α%β#-Rezeptors ist das Laminin.
Die α%-Untereinheit kann sowohl mit
der β#-Untereinheit wie auch mit der β Untereinheit assoziieren. Mit einem monoklonalen Antikörper gegen α%-Integrin ließ
sich die Bindung von HPV-VLPs weitgehend, aber nicht vollständig hemmen
(63% Inhibierung). Die unvollständige
Hemmung mag auf Eigenschaften des
Antikörpers zurückzuführen sein, oder
aber sie stellt einen Hinweis auf weitere,
noch unbekannte Virusrezeptoren dar.
Der α%β#-Komplex des Integrins ist
vor allem an den Interaktionen zwischen
Basalmembran und Epithelzellen beteiligt.
Die Expression wird insbesondere im
Verlauf von Wundheilungsprozessen stimuliert, bei denen es auch zu einer raschen
Endozytose des Rezeptors und dessen Recycling im Rahmen der Zellmigration
kommt. Verletzungen der Epithelzellschicht dürften daher das Risiko einer
HPV-Infektion erhöhen.
HPV ist nicht die einzige Virusfamilie,
die Integrine als Rezeptoren verwendet:
Echoviren, Coxsackievirus und Adenoviren
sowie das Maul-Klauen-Seuche-Virus
verwenden ebenfalls Integrine als Rezeptoren oder Korezeptoren für die Infektion
über Zielzellen. Praktische Bedeutung
kann die Identifizierung von Zellrezeptoren dadurch erlangen, daß nun gezielt
nach Substanzen gesucht werden kann,
die die Bindung von Virus an die Zellen
und damit deren Infektion verhindern.
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Verschiedene Viren haben Strategien entwickelt, die es ihnen erlauben, der Immunabwehr des Körpers zu entgehen und persistierende Infektionen zu etablieren. Zu
diesen Viren gehören menschliche HerpesViren, aber auch für die HIV-Infektion
wird diskutiert, ob z. B. das nef-Gen dieses
Virus durch eine Reduktion der Expression von HLA-Klasse-I-Molekülen zu einer
verminderten Erkennbarkeit infizierter
Zellen durch die Immunüberwachung beiträgt (siehe auch Artikel zu nef von
F.Kirchhoff in diesem Heft). Wissenschaftler aus Australien und den USA berichteten vor kurzem über eine Strategie,
die das Zytomegalievirus (CMV) offenbar
zu diesem Zweck entwickelt hat.
Normalerweise werden virusinfizierte
Zellen vom Immunsystem dadurch erkannt
BTXcT $#
und ausgeschaltet, daß Viruspeptide durch
HLA-Klasse-I-Moleküle auf der Zelloberfläche präsentiert werden. Zytotoxische TLymphozyten erkennen dadurch diese
Zellen als virusinfiziert und schalten sie
aus. CMV wie auch andere Viren haben
Mechanismen entwickelt, dieses Erkennungssystem zu unterlaufen, indem sie die
Produktion und Expression von Klasse-IMolekülen unterdrücken. Nachteil dieser
Strategie ist, daß Zellen, die keine HLAKlasse-I-Moleküle exprimieren, von anderen Immunzellen, den Natural-KillerZellen, angegriffen und ausgeschaltet werden. CMV schützt sich vor diesem Angriff
der NK-Zellen dadurch, daß es ein Gen mit
sich führt, welches die Produktion eines
HLA-Klasse-I-ähnlichen Moleküls veranlaßt. Diese Imitate werden von zyto-
toxischen T-Lymphozyten entweder ignoriert oder sie sind nicht in der Lage, virale
Peptide richtig zu präsentieren, von NKZellen werden sie jedoch als HLA-Moleküle anerkannt und verhindern damit eine
Attacke dieser Zellen.
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Nach Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) entwickelt sich bei 50 – 80%
der Patienten eine chronisch persistierende Infektion. Eine spontane Ausheilung ist dagegen selten. Die bislang einzige
etablierte
Therapie
durch
Interferon α zeigt nur bei weniger als
20% der Patienten einen dauerhaften Erfolg; einen Impfstoff gibt es derzeit
nicht. Ein detailliertes Verständnis der
immunologischen Mechanismen, die an
diesen unterschiedlichen Infektionsverläufen beteiligt sind, ist deshalb für eine
alternative Therapie und eine Impfstoffentwicklung wichtig.
In gut der Hälfte der untersuchten chronisch infizierten HCV-Patienten läßt sich
eine CD4 -T-Zellantwort (T-Helfer)
gegen nahezu alle Proteine des HCVPolyproteins feststellen. Besonders
immundominante Epitope besitzen das
HCV-Core sowie das NS4-Protein. Eine
Viruselimination nach Interferontherapie
ist aber nicht von einer signifikant stärkeren CD4-T-Zellantwort begleitet. Untersuchungen von Patienten mit spontaner
Ausheilung zeigen, daß hier eine frühe
CD4-T-Zellantwort gegen das HCVNS3-Protein häufiger auftritt als in einer
Kontrollgruppe mit sich entwickelnder
chronischer Infektion. Diese T-Zellantwort bleibt meist über mehrere Jahre (bis
zu 3,5 Jahren) erhalten. Auch ist in HCVPatienten nach Ausheilung eine CD4-TZellantwort gegen das NS4 und NS5 mehrere Jahre später meßbar. Ob diese
verbleibende Antwort einem immunologischen Gedächtnis zuzuschreiben ist
(und
möglicherweise
vor
einer
Reinfektion schützt) oder durch eine
Restimulation einer geringen Zahl von
persistierenden Viren bewirkt wird, ist
nicht geklärt.
Die CD8-T-Zellantwort (zytotoxische
T-Zellantwort) ist in chronisch infizierten
HCV-Patienten ebenfalls polyklonal und
multispezifisch. Dies ist ein bedeutender
Unterschied zu HBV-Infektionen, wo eine
meßbare CD8-T-Zellantwort nur in der
akuten Phase beobachtet wurde und dann
mit einer Viruselimination korreliert zu
sein scheint. In chronischen HCV-Patienten konnte auch kein direkter Zusammenhang zwischen der Stärke der CD8-T-Zellantwort und der Höhe des HCV-RNATiters beobachtet werden; allerdings findet
man in chronischen HCV-Patienten mit
geringem HCV-Titer (unterhalb der Nachweisgrenze der ›HCV branched DNA
Technik‹) häufig eine starke CD8-T-Zellantwort. Zusammenfassend wird deutlich,
daß HCV trotz polyklonaler, multispezifischer T-Zellantwort persistiert, was möglicherweise auf der hohen Variabilität des
HCV-Genoms beruht.
Immunisierung von Schimpansen mit
den HCV-Hüllproteinen E1 und E2 führte
zu einem Schutz vor Infektion. Ein für
diesen Schutz wichtiges B-Zell-Epitop
konnte nun – wie bereits seit einiger Zeit
vermutet – in der hypervariablen Region 1
(HVR1) des Hüllproteins E2 durch experimentelle Infektion von Schimpansen
nachgewiesen werden. Kaninchenantikörper gegen ein nur 21 Aminosäuren langes
HVR1-Peptid verhinderten die Infektion
eines Schimpansen, wenn diese mit dem
Inokulum vorinkubiert wurden. In einem
zweiten Schimpansen dieser Studie
bestand der Schutz dagegen nur teilweise,
da nach Inokulation eine chronische
Infektion auftrat, die allerdings von HCVVirusvarianten verursacht wurde, die eine
vom Peptid verschiedene Aminosäuresequenz besaßen. Antikörper gegen die
HVR1 sind somit tatsächlich virusneutralisierend, aber in hohem Maße isolatspezifisch. Die Bedeutung von HVR1-spezifischen
Antikörpern
für
die
Virusneutralisation in Patienten wird von
zwei Studien unterstützt, die eine gut definierte Patientengruppe (Infektion mit einem HCV-kontaminierten Anti-D-IgG)
retrospektiv untersuchten. Patienten
(n = 28), die einen ausheilenden Infektionsverlauf zeigten, unterschieden sich
durch das frühere Auftreten (4 –
12 Monate p. i.) von HVR1-spezifischen
Antikörpern von solchen Patienten mit
chronisch persistierender Infektion
(n = 23). Mit den Ergebnissen aus den
Schimpansenversuchen kann nun geschlossen werden, daß ein Impfschutz
grundsätzlich durch neutralisierende Antikörper gegen die HVR1 erzielbar ist.
Die große
Variabilität
der
rund
27 Aminosäuren langen HVR1 stellt
jedoch für die Impfstoffherstellung eine
nicht zu übersehende Herausforderung
dar. Neue Befunde über Epitope innerhalb
der HVR1 schränken jedoch die für eine
Viruselimination wichtigen Aminosäurebereiche weiter ein, da Patienten mit
ausheilender Infektion vorwiegend den
N-Terminus der HVR1 erkennen. Es
bleibt abzuwarten, ob sich durch eine
therapeutische Unterstützung der T-Zellantwort oder durch Verwendung eines
HVR1-haltigen Impfcocktails eine Viruselimination induzieren läßt. – AZ
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Weltweit wurden bislang für verschiedenste Studien im Rahmen der AIDSForschung mehr als 100 Schimpansen
mit HIV-1 infiziert. Die Bedeutung des
Schimpansen als Tiermodell für die HIVErkrankung beim Menschen wurde allerdings dadurch geschmälert, daß die HIVInfektion beim Schimpansen ersten
Beobachtungen zufolge nicht zur Entwicklung eines Immundefektes und einer
AIDS-Symptomatik führte.
InfFo 88(&
Vor kurzem wurde jetzt der erste Fall
einer AIDS-Erkrankung bei einem Schimpansen beschrieben, der erstmals 1985 mit
einem HIV-1-Isolat infiziert worden war.
1986 und 1987 wurde er mit zwei weiteren
HIV-1-Isolaten inokuliert. Laborbefunde
und klinisches Erscheinungsbild des Affen
blieben zunächst bis 1990 unauffällig.
Zwischen 1990 und 1993 wurden die zuvor
regelmäßig durchgeführten Kontrolluntersuchungen ausgesetzt. Als im Mai 1993
erneut Laborwerte bestimmt wurden,
wurden eine Thrombozytopenie und ein
Abfall der T-Helferzellzahl festgestellt.
Diese Werte blieben auch im weiteren Verlauf im pathologischen Bereich. Ab
März 1995 zeigte der Schimpanse auch
klinische Auffälligkeiten: Er entwickelte
chronisch-intermittierende Durchfälle, für
die keine Erreger identifiziert werden konnten und die auf Antibiotikabehandlung
nicht ansprachen. Im September 1995
BTXcT $$
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
verschlimmerte sich die Durchfallsymptomatik akut mit Nachweis von Blastocystis
hominis und Balantidium coli. Gleichzeitig
sank die T-Helferzellzahl auf extrem niedrige Werte ab (10 Zellen/µl). Symptomatische und antimikrobielle Behandlung
führten innerhalb von 5 Tagen zum Ende
der akuten Durchfallsymptomatik, verbunden mit einem Wiederanstieg der T-Helferzellzahl auf 180 Zellen/µl. Gegen
Ende 1995 entwickelte sich dann jedoch
zusätzlich eine schwere Anämie, so daß im
Februar 1996 beschlossen wurde, das Tier
einzuschläfern.
Virus, welches 1995 aus dem Schimpansen isoliert wurde, induzierte in einer
Schimpansen-Lymphozytenkultur Synzythien – im Gegensatz zu den Isolaten,
mit denen das Tier ursprünglich inokuliert worden war. Eine detailliertere Analyse des Hüllproteins zeigte, daß sich die
V1- und V2-Region des Hüllproteins
deutlich von den Ausgangsisolaten
unterschied. Offenbar hatte sich das
Virus im Laufe der Zeit erheblich verändert, und es war nicht mehr feststellbar,
aus welchem der drei zur Inokulation
verwendeten Isolate sich die Synzythien
induzierende, pathogene Virusvariante
entwickelt hatte. Eine vergleichbare
Virulenzsteigerung von Viren durch Invivo-Passage ist auch im SIV/MakakenModell mehrfach beschrieben worden.
Lymphknotenuntersuchungen, die 1995
durchgeführt wurden, zeigten Veränderungen der Lymphknotenstruktur, wie
sie auch bei HIV-1-infizierten Menschen
beobachtet werden. Nach der Einschläferung vorgenommene Untersuchungen
von Darmgewebe ergaben ebenfalls
pathologische Veränderungen, wie sie
bei HIV-Patienten beschrieben werden.
Zusätzlich wurden Kryptosporidien in
der Darmschleimhaut entdeckt. Eine
Kryptosporidieninfektion beim Menschen gilt als AIDS-definierende opportunistische Infektion und geht häufig mit
schweren Durchfällen einher.
Mit dem Blut des erkrankten Schimpansen wurde ein weiterer Schimpanse
infiziert, um zu prüfen, ob das Virus,
welches sich entwickelt hatte, bei bis
dahin gesunden, nicht infizierten Tieren
pathogener war als vom Menschen stammende HIV-Isolate. In der Tat führte die
Infektion bei dem neuen Schimpansen zu
einem raschen, persistierenden T-Helferzellabfall. Klinische Symptome haben
sich in der bisherigen Beobachtungszeit
allerdings noch nicht entwickelt.
Diese Beobachtungen zeigen, daß
HIV-1 nicht grundsätzlich apathogen für
Schimpansen ist. Die Inkubationszeiten
sind aber vergleichbar lang wie beim
Menschen, was neben der sehr
beschränkten Verfügbarkeit dieser Tierart für Infektionsversuche die Verwendung von Schimpansen als Tiermodell
weiterhin als nur bedingt geeignet
erscheinen läßt.
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Trotz stetig fortschreitender Erkenntnisse über das molekulare Geschehen
nach Hepatitis-C-Virus-Infektion (HCVInfektion) scheinen die Therapieerfolge
dieser meist chronisch verlaufenden
Erkrankung zu stagnieren. Verschiedene
neuere Arbeiten eröffnen hier möglicherweise alternative Perspektiven.
Eine zentrale Rolle in der Virusreplikation nimmt die HCV-Protease NS3
ein, die für essentielle Reifungsprozesse
einzelner viraler Proteine verantwortlich
ist. Eine Unterbrechung dieser Proteasespaltungen durch spezifisch wirkende
Inhibitoren könnte zukünftig eine Ausbreitung der Infektion wirksam verhindern. In zwei unabhängigen Arbeitsgruppen ist es nun gelungen, die
dreidimensionale Struktur der NS3-Proteasedomäne mit hoher Auflösung
(< 2,5 Å) zu entschlüsseln. Frühere biochemische In-vitro-Befunde, die vorwiegend mit Deletions- und Punktmutanten
der NS3-Protease erzielt wurden, wurden
weitgehend durch die beobachtete Trypsin-ähnliche Faltung der Protease bestätigt. Ungewöhnlich für Vertreter der
Trypsin-Protease-Familie ist ein langer,
auswärts gerichteter Seitenarm des NTerminus und ein komplexiertes Metallion (Zink), das wahrscheinlich der strukBTXcT $%
turellen Stabilität des Enzyms dient. Inhibitoren, die z. B. das aktive Zentrum
(bestehend aus der Aminosäuretriade
His-57, Asp-81 und Ser-139) der Protease blockieren, könnten nun anhand
dieses Modells vorselektioniert werden.
Ein weiterer Angriffspunkt für eine Inhibition der viralen Replikation wäre die Interaktion des NS3-N-Terminus mit einer
Aminosäuresequenz aus der HCV-NS4ARegion, die als Kofaktor für verschiedene
Prozessierungsschritte wichtig ist.
Die In-vitro-Kultivierung von HCV
stellt ein ideales Untersuchungssystem
zum Test von potentiellen antiviralen Substanzen dar. Bisherige Versuche mit einer
Vielzahl von kultivierten Zellen waren
jedoch eher ineffizient, obgleich durch
Infektion von Schimpansen ein direkter
Nachweis von infektiösen Viren nach
einer solchen In-vitro-Langzeitkultur von
HCV gelang (Y. K. Shimizu, Kongreßmitteilung). Neue Befunde mit einer klonierten humanen T-Zellinie (MT-2)
zeigen, daß z. B. durch Zugabe von Antisense-Oligonukleotiden, die komplementär zur genomischen RNA des HCV-Core
sind, eine Replikation von HCV in diesen
Zellen inhibiert werden kann. Auch unterstützen kultivierte primäre Hepatozyten,
die aus dem Biopsiematerial von chro-
nisch infizierten HCV-Patienten gewonnen wurden, eine HCV-Replikation in vitro und ermöglichen damit zukünftig eine
Untersuchung der Sensitivität des Virus
gegenüber potentiellen Inhibitoren.
Ein praktikables Tiermodell zur
Untersuchung der HCV-Pathenogenese
wäre ebenfalls wünschenswert. In einem
HCV-transgenen Mausmodell gelang
kürzlich ein erster Hinweis auf eine
direkte Beteiligung von viralen Genprodukten bei der Enstehung des SjögrenSyndroms, das nach Virusinfektion als
eine extrahepatische Erkrankung auftreten kann. Eine lymphozytäre Sialadenitis, die charakteristisch für das Sjögren-Syndrom ist, wurde bereits früher in
einem hohen Prozentsatz von HCV-infizierten Patienten beobachtet. In der
Transgenstudie wurden nur die HCVHüllproteine E1 und E2 exprimiert. Mit
dem Alter der Tiere nahm die Sialadenitis progressiv zu und wurde in 58 der insgesamt 69 (84%) transgenen Mäuse festgestellt, während die Mäuse ansonsten
gesund waren. Der molekulare Mechanismus, der in den Mäusen zur
Erkrankung führt, ist jedoch nicht ermittelt. Auch dürfte eine HCV-Infektion
nicht für alle Fälle des Sjögren-Syndroms verantwortlich sein. Das beschrieInfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
bene und andere transgene Maussysteme
sollten jedoch zukünftig wichtige Untersuchungen zur Pathogenese der HCVInfektion ermöglichen. – AZ
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Czf^]ZTYVDecf\efcUVcGRcZkV]]RK`deVcAc`eVRdVV_edTY]ddV]e
Die Aufklärung der räumlichen Struktur
von viralen Enzymen ist ein wichtiger
Schritt für das Verständnis der Funktionsweise dieser Virusproteine und bei der
Suche nach möglichen Inhibitoren. Nach
der vor kurzem publizierten Beschreibung der CMV-Protease-Struktur ist nun
mit der Aufklärung der Protease-Struktur
des Varizella-Zoster-Virus eine weitere
Herpes-Virus-Protease entschlüsselt.
Die menschlichen Herpes-Viren
lösen eine Reihe von – unterschiedlich
schwer verlaufenden – Erkrankungen
beim Menschen aus. Herpes-Viren
werden in drei Untergruppen eingeteilt:
Herpes-simplex-Virus 1 und 2 sowie das
Varizella-Zoster-Virus (VZV) bilden
die Untergruppe der α-Herpes-Viren,
CMV, HHV-6 und -7 stellen die Untergruppe der β-Herpes-Viren dar, und zu
den γ-Herpes-Viren gehören das
Epstein-Barr-Virus und das neuentdeckte HHV-8, welches wesentlich an
der Entstehung von Kaposi-Sarkomen
beteiligt ist.
Das Varizella-Zoster-Virus ist ein
neurotropes Virus, welches bei Erstinfektion zum Krankheitsbild der Windpocken führt. Das in den Nervenganglien
persistierende Virus führt bei späterer
Reaktivierung zum Krankheitsbild der
Gürtelrose.
Die Proteasen von Herpes-Viren sind
für den Lebenszyklus der Viren essentielle Enzyme, die für die Spaltung der
von infizierten Zellen hergestellten viralen Vorläuferproteine benötigt werden.
Innerhalb der Herpes-Virus-Untergruppen zeigen die jeweiligen Proteasen eine
deutliche Sequenzhomologie (die Proteasen von HSV-1 und -2 sind zu ca. 50 %
identisch mit der VZV-Protease),
zwischen den verschiedenen Untergruppen sind die Unterschiede aber erheblich
(25 % Übereinstimmung zwischen VZVund CMV-Protease). Die nun erfolgte
Aufklärung der räumlichen Struktur der
VZV-Protease und der dadurch mögliche
Vergleich mit der CMV-Protease zeigt,
daß das katalytische Zentrum der beiden
Enzyme eine nahezu identische Struktur
aufweist. Interessanterweise konnte
bereits früher gezeigt werden, daß die
CMV-Protease das Protein-Substrat der
Protease eines anderen α-Herpes-Virus,
des HSV, zu spalten vermag. Umgekehrt
ist dies jedoch nicht möglich, d. h. die
HSV-Protease spaltet nicht das entsprechende CMV-Protein.
Die räumliche Struktur der VZVProtease läßt vermuten. daß das Enzym,
wie bei CMV auch, in seiner aktiven Form
als Dimer oder gar Tetramer vorliegt.
DNS eine immunologisch bedeutsame
Aktivität zu besitzen. Bei dieser Krankheit
bildet das Abwehrsystem Antikörper gegen
körpereigene DNS.
Jetzt ist man aber bei der Suche nach
Substanzen, die in der Tumortherapie eingesetzt werden können, auf eine neue
Eigenschaft der DNS gestoßen: Die DNS
von Mycobacterium bovis CalmetteGuérin (BCG) ist bei Mäusen in der Lage,
Tumoren zurückzudrängen. Diese Antitumoraktivität beruht nicht auf einer direkten
Cytotoxizität der DNS, sondern auf ihrer
Fähigkeit, die Produktion von Interferon
α, β und γ anzuregen und auf diese Weise
die natürlichen Killerzellen zu aktivieren.
Weitere Studien belegten, daß auch die
DNS anderer Mikroorganismen immunmodulatorisch wirksam sein kann. Verantwortlich für diesen Effekt sind kurze
Sequenzabschnitte, die auf bakterieller
DNS wesentlich häufiger gefunden
werden als auf der Erbinformation von
Säugetieren. Die Abschnitte bestehen
aus einem Sechs-Basen-Motiv, in dessen Zentrum sich ein Cytosin-GuaninPaar befindet, das links von zwei
Purinen (A oder G) und rechts von zwei
Pyrimidinen (C oder T) flankiert wird.
Wesentlich ist offensichtlich auch, daß
das zentrale Cytosin nicht methyliert ist.
Daß sich die DNS von Bakterien und
Eukaryonten in ihrem Methylierungsgrad
deutlich unterscheiden, ist schon seit
längerem bekannt. Bei Säugetieren
beispielsweise wird an das Cytosin meist
ein Methylrest angehängt. Diese Modifikation spielt offenbar eine Rolle bei der
Regulation der Genaktivität. Die Cytosinreste in bakterieller DNS sind dagegen
meist unmethyliert. Vermutet wird, daß
sich der unterschiedliche Methylierungszustand der DNS im Laufe der Evolution
ausgeprägt hat, um dem Immunsystem die
Differenzierung zwischen körpereigener
und fremder DNS zu ermöglichen.
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In den letzten Jahren häufen sich die Hinweise, daß in der Struktur und der Basenabfolge der Desoxyribonukleinsäure (DNS)
noch weit mehr Informationen enthalten
sind als nur die Kodierung von Proteinsequenzen und die Regulation der Expression
der Gene. Neuere Untersuchungen deuten
darauf hin, daß auf der DNS von Bakterien
Abschnitte vorhanden sind, die es dem
menschlichen Immunsystem ermöglichen,
die wichtige Unterscheidung zwischen
›Selbst‹ und ›Fremd‹ zu treffen. Darüber
hinaus scheinen diese Sequenzen das
Abwehrsystem zu aktivieren und könnten
somit eventuell sinnvoll bei der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten
eingesetzt werden.
Noch bis vor kurzem galten die Nukleinsäuren als immunologisch eher uninteressante und inerte Substanzklasse. Lediglich
im Zusammenhang mit bestimmten Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes schien die
InfFo 88(&
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Experimente an Mäusen zeigten, daß
bereits kurze Oligonukleotide, die das
Sechs-Basen-Motiv tragen, ausreichen,
um die Interferonproduktion und die
Killerzellen zu stimulieren. In Mäusen
konnte auch nachgewiesen werden, daß
dieses Sequenzmotiv B-Zellen zur Proliferation und zur Antikörperproduktion
anregen kann.
In ihrer immunologischen Aktivität
ähnelt bakterielle DNS den von Bakterien produzierten Endotoxinen. Ebenso
wie diese kann sie bei Infektionen die
angeborene Immunabwehr auslösen.
Eine solche Funktion von Nukleinsäuren
kannte man bisher nur aus Untersuchungen mit doppelsträngiger viraler Ribonukleinsäure (RNS).
Diese jetzt aufgedeckten zusätzlichen
Eigenschaften der DNS könnten vor allem
die Entwicklung neuer therapeutischer
Ansätze ein gutes Stück voranbringen.
Geplant ist zum Beispiel ihr Einsatz in
der sogenannten Antisense-Therapie.
Dabei werden kurze Oligonukleotide injiziert, die in der Lage sind, die Synthese
bestimmter Eiweiße zu verhindern, indem
sie sich spezifisch an die jeweilige zelluläre Boten-RNS anlagern, die den Bauplan für dieses Eiweiß enthält. AntisenseAgenzien könnten in der Medizin eine
breite Anwendung sowohl bei der Therapie
von Tumoren als auch bei der Behandlung von Virusinfektionen finden.
Eine der interessantesten Neuerungen
der vergangenen Jahre auf dem Gebiet
der Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist die Entwicklung von DNSImpfstoffen. Dabei werden DNS-Plasmide, die die Information für ein Fremdprotein tragen, intramuskulär oder intradermal appliziert. Über einen noch nicht
genau bekannten Mechanismus gelangt
die DNS in die Zellen. Hier wird das
fremde Protein synthetisiert und auf der
Zelloberfläche präsentiert, wodurch sich
eine schützende humorale und zelluläre
Immunantwort ausbilden kann. Da die
Plasmidvektoren für die DNS-Impfstoffe
in Bakterien vermehrt werden, enthalten
sie bakterielle Sequenzen und Methylierungsmuster, die die induzierte Immunreaktion beeinflussen können. Auch dieser Zweig der Forschung könnte also von
den Erkenntnissen über die neuen Eigenschaften der DNS profitieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich aus den
jetzt vorliegenden Forschungsergebnissen tatsächlich ein praktischer Nutzen
für die zukünftige Entwicklung neuer
pharmazeutischer Wirkstoffe ziehen lassen
wird. – DVV Infektion & Prävention
2/1997
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In Tiermodellversuchen an Schimpansen
konnte jetzt erstmals die prinzipielle
Möglichkeit einer Verhinderung von
Rhinovirus-Infektionen durch Gabe löslicher rekombinanter Rezeptormoleküle
demonstriert werden.
Rhinoviren sind verantwortlich für
ca. 50 % der virusbedingten Erkältungskrankheiten. 80% der Rhinoviren benutzen das interzelluläre Adhäsionsmolekül 1
(ICAM-1) als Zellrezeptor.
Eine lösliche, rekombinant hergestellte
Form dieses Rezeptors wurde den Versuchstieren vor und nach Infektionsversuchen mit Rhinoviruslösungen in die
Nase gesprüht. Insgesamt 12 von 14 Versuchstieren konnten durch das künstliche
Rezeptormolekül vor einer Infektion
geschützt werden.
Falls dieser Ansatz zur Entwicklung
eines Medikaments führt, wäre z. B.
an eine prophylaktische Verwendung
während saisonaler Erkältungskrankheitsgipfel und bei Kontaktpersonen bereits
Erkrankter zu denken.
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Über einen trickreichen Ansatz zur Prävention von Insekten-übertragbaren Infektionen
berichtet ein amerikanisches Forscherteam. Herkömmliche Methoden beruhen
in erster Linie auf der Bekämpfung der
Insekten, vor allem mit Insektiziden.
Diese Strategie hat zu einer weiten Verbreitung von Resistenzen gegen die eingesetzten Chemikalien, unerwünschten
ökologischen Folgen und zur Gefährdung
auch des Menschen durch Eingang der
Chemikalien in die Nahrungskette geführt.
Die Wissenschaftler entwickelten am
Modell der durch Stechmücken übertragenen, durch Trypanosoma cruzi ausgelösten Chagas-Krankheit eine neue
Präventionsstrategie, die auf einer genetischen Transformation von Bakterien
beruht, die zur Darmflora der Insekten
gehört. Diese symbiotischen Bakterien
wurden gentechnisch so verändert, daß
sie ein Peptid, das Cecropin A, exprimieren. Dieses Peptid wird von den Bakterien in den Insektendarm sezerniert und
wirkt auf die ebenfalls im Darm befindBTXcT $'
lichen Trypanosomen tödlich. Auf die
Insekten selbst scheint das Peptid keine
schädlichen Auswirkungen zu haben.
Ziel des Ansatzes ist also nicht, den
Überträgerorganismus – das Insekt – zu
schädigen, sondern seine Fähigkeit zu
vermindern, dem krankheitsauslösenden
Mikroorganismus als Wirt zu dienen.
Das Problem, das noch zu lösen bleibt,
ist, wie die veränderten Bakterien in der
Insektenpopulation wirksam verbreitet
werden können. Unter Laborbedingungen
ist dies kein großes Problem, da die Insektenlarven die Bakterien durch Stuhl, von
dem sie sich ernähren, aufnehmen. Dieser
kann mit entsprechend manipulierten
Bakterien angereichert werden. Ob und
wie auch unter natürlichen Bedingungen
die peptidbildenden Bakterien sich ausreichend in der Insektenpopulation verbreiten können, soll nun in weiteren Untersuchungen geklärt werden.
Wie erfolgreich eine derartige Strategie unter natürlichen Bedingungen sein
kann hängt zum einen davon ab, ob die
gentechnisch veränderten Bakterien einen
Überlebensnachteil gegenüber den Wildtyp-Bakterien aufweisen, zum anderen
davon, ob die Krankheitserreger, in
diesem Fall also Trypanosoma cruzi,
Resistenzmechanismen entwickeln. Um
das Risiko der Resistenzentwicklung zu
vermeiden, denken die Wissenschaftler
an zusätzliche genetische Veränderungen
des Bakteriums, z. B. in Form der
Expression eines Antikörperfragments
gegen Trypanosomen, die einen weiteren
Angriffsmechanismus darstellen würden.
Falls die beschriebene Strategie erfolgreich zur Bekämpfung der ChagasKrankheit eingesetzt werden kann, wäre
auch an eine Übertragung dieses Ansatzes auf andere Vektoren-übertragbare
Krankheitserreger zu denken.
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DecReVXZV_kfcDeVZXVcf_XUVc5fcTYZ^aWf_XdcReV_
Die Erhöhung der Durchimpfungsraten
für einzelne impfpräventable Krankheiten ist das Hauptziel nationaler und
internationaler Impfprogramme. In den
USA sollten bis 1990 90% der 2jährigen
Kinder eine vollständige Grundimmunisierung erhalten haben. Aufgrund der zu
niedrigen Durchimpfungsraten bei Kleinkindern führte der öffentliche Gesundheitsdienst in Georgia 1986 ein Impfkontrollprogramm mit Rückmeldung an
die impfenden staatlichen Kliniken, die
ca. 50% der Impfungen durchführen, ein.
Die Kliniken entwickelten gleichzeitig
individuelle Programme zur Erreichung
der nationalen Ziele. Seit 1988 wurden
in über 200 staatlichen Kliniken von
Georgia jährlich die Impfdokumente von
Kindern, die bei ihrem Klinikbesuch 21
bis 23 Monate alt waren, überprüft. Die
ermittelten Durchimpfungsraten wurden
anschließend den impfenden Krankenhäusern zurückgemeldet. Als Anreiz zur
weiteren Steigerung der Durchimpfungsraten
wurden Ranglisten der Kliniken erstellt,
Plaketten für Erreichung der Immunisierungsziele vergeben und jährliche Impfkonferenzen abgehalten, auf denen die
beteiligten Krankenhäuser ihre erfolgreichen
Impfprogramme präsentieren konnten.
Insgesamt wurden im Zeitraum von
1988 bis 1994 die Impfdokumente von
136.004 Kindern überprüft. Die Rate der
vollständig durchgeführten Impfungen
(4 × DTP, 3 × OPV, 1 × MMR) stieg in
diesem Zeitraum von 53% auf 89%.
Gleichzeitig sanken die Raten von nicht
durchgeführten Impfungen bei einem
Klinikbesuch von 6% auf 0%, von nicht
termingerecht durchgeführten Impfungen (über einen Monat später) von 19%
auf 8% und der Anteil der Kinder, zu denen seit über einem Jahr kein Kontakt
mehr bestand, sank von 14% auf 1%.
Ein Vergleich mit der vom Impfkontrollprogramm unabhängigen Datenbank für
im öffentlichen Gesundheitsdienst verabreichte Impfdosen zeigt, daß der Anteil
der vollständig geimpften Kinder ebenfalls von 64% auf 83% anstieg, was nahelegt, daß die Verbesserung des Impfstatus
nicht allein auf eine verbesserte Impfdokumentation der Kliniken zurückzuführen ist.
Während die im Rahmen des Nationalen
Gesundheitssurveys erhobenen Durchimpfungsraten für zweijährige Kinder
1988 für Georgia und die übrigen Bundesstaaten mit jeweils 53% identisch waren,
konnten die Durchimpfungsraten in
Georgia bis 1993 um 37%, bundesweit
jedoch nur um 7% gesteigert werden.
Zwischen dem Interventionsprogramm und den verbesserten Durchimpfungsraten konnte dabei ein kausaler
Zusammenhang nachgewiesen werden.
Ähnliche Programme für den privaten
Gesundheitssektor in anderen US-Staaten kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Das Advisory Committee on Immunization Practices empfahl daher
1996 eine regelmäßige Impfstatuserhebung und Rückmeldung der Daten für
den gesamten öffentlichen und privaten
Gesundheitsdienst.
Eine von 1992 bis 1994 in 41 Bezirken
Finnlands durchgeführte Studie untersuchte Impf- und Informationsstrategien
bei der Influenza-Impfung für über
65jährige Personen. Verglichen wurde
das bisher in Finnland praktizierte Risikoindikationsprogramm, bei dem der Impfstoff für Risikogruppen kostenlos bereitgestellt wurde, mit einem neuen,
altersspezifischen und kostenlosen Impfprogramm für alle über 65jährigen. Bei
der altersspezifischen Strategie wurde
zusätzlich überprüft, welchen Einfluß
massenmediale Informationen bzw. per-
sönliche Anschreiben und das gleichzeitige Angebot einer kostenlosen Pneumokokken-Impfung auf die Höhe der
Durchimpfungsraten haben. Die Auswertung der Daten von über 41.000
durch die Gesundheitsämter geimpften
Personen zeigt, daß mit der bisherigen
Praxis der Risikoindikation eine durchschnittliche Durchimpfungsrate von
20 % erreicht werden konnte. Bei der
altersspezifischen
Strategie
über
Massenmedien betrug die durchschnittliche Durchimpfungsrate 52 % und über
personale Kommunikation 82 %. Der
Effekt der persönlichen Erinnerungsschreiben war jedoch nur kurzfristig und
blieb auf das Aussendejahr beschränkt.
Das gleichzeitige Angebot einer Pneumokokken-Impfung hatte insgesamt nur
wenig Einfluß auf die Akzeptanz einer
Influenza-Impfung. Diese Studie bestätigt, daß mit einem Risikoindikationsprogramm für Influenza nicht alle gefährdeten Personen erreicht werden
können. Das Angebot einer kostenlosen
Impfung für alle älteren Personen erhöht
dabei nicht automatisch die Durchimpfungsraten, sondern sollte mit personaler
Kommunikation (persönliche Ansprache, Anschreiben, über Telefon) verbunden werden.
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Für einen wirksamen Schutz vor einer
HSV-Infektion sind sowohl humorale
wie auch zelluläre Immunmechanismen
notwendig. Eine effektive Immunantwort gegen HSV muß zum einen die
primäre Infektion begrenzen und zum
anderen die Etablierung einer latenten
Infektion verhindern. Für die Entwicklung eines HSV-Impfstoffes sind
eine Reihe von Strategien eingesetzt
worden: die Abschwächung von HSV für
einen Lebendimpfstoff, die Konstruktion rekombinanter Impfviren, Immunisierung mit Zellinien, die HSV-Proteine exprimieren, sowie Immunisierung
mit gereinigten Virusproteinen oder
InfFo 88(&
synthetischen Peptiden. Neuerdings wird
auch an einer Nukleinsäure-Impfung
gearbeitet.
Eine Sonderform des abgeschwächten
Impfvirus ist das vermehrungsunfähige
Virus. Durch eine Gendeletion wurde
ein solches replikationsunfähiges HSV
konstruiert. Das Virus ist zwar unfähig,
Nachwuchs zu produzieren, aber es
infiziert Zellen und diese produzieren
und exprimieren einen Großteil der
viralen Antigene. In Mäuseversuchen
erwiesen sich damit immunisierte Mäuse
vor einer Wildvirus-Infektion als geschützt. In weiteren Versuchen wurde
eine bessere Charakterisierung der zellu-
lären Immunantwort angestrebt. Durch
adoptiven Lymphozytentransfer konnte
gezeigt werden, daß der zelluläre
Immunschutz durch CD4-positive und
CD8-positive T-Lymphozyten vermittelt
wird. Dabei erwiesen sich CD4-positive
Lymphozyten effektiver als CD8Lymphozyten.
Die zelluläre Immunantwort läßt sich
über einen Zeitraum von mindestens
22 Monaten nach Impfung nachweisen.
Die Zahl spezifischer zytotoxischer
Zellen bleibt zwar kleiner als bei einer
Wildvirus-Infektion, aber daß ein vermehrungsunfähiges Virus überhaupt eine
so kräftige Immunantwort induzieren
BTXcT $(
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
kann, ist erstaunlich. Grund dafür ist
offenbar, daß das Impfvirus trotz fehlender Replikationsfähigkeit bis zu 6 Tagen
im Gewebe nachweisbar bleibt. Über
diesen Zeitraum hinweg kann es durch
eine Serie aufeinander folgender primärer
Infektionsereignisse offenbar doch die
Bildung von soviel viralem Antigen
bewirken, daß sich eine ausreichend
starke zelluläre Immunität entwickelt.
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Influenza-Viren verursachen jährlich wiederkehrende Grippe-Epidemien unterschiedlicher Schwere und wechselnden
Ausmaßes. Besonders bei älteren Menschen und Personengruppen mit besonderen Risikofaktoren wird im Rahmen
dieser Epidemien eine nicht unerhebliche
Exzess-Morbidität und -Mortalität beobachtet. Als vorbeugende Maßnahme steht
ein jährlich an die aktuell zirkulierenden
Influenza-Stämme angepaßter, i. m. injizierter inaktivierter Impfstoff zur Verfügung. Die Wirksamkeit des Impfstoffes
ist v. a. bei Kindern und älteren Menschen
z. T. suboptimal, was einen Grund zur
Entwicklung verbesserter InfluenzaImpfstoffe darstellt.
Ein israelisches Forscherteam entwikkelte einen inaktivierten Impfstoff, der
nicht injiziert, sondern in die Nase
getropft wird. Vorteil gegenüber dem
injizierten Impfstoff, der lediglich eine
systemische Antikörperantwort stimuliert, ist die zusätzliche Stimulation einer
Antikörperproduktion auch durch die
Schleimhäute der oberen Luftwege. In
einer ersten Phase-I-Studie bei
51 freiwillig teilnehmenden Medizinstudenten trat trotz intensiver InfluenzaVirus-Zirkulation in der Beobachtungsperiode bei keinem der Immunisierten
eine Influenzagrippe auf.
Eine für die Zukunft interessante Option
könnte eine Nukleinsäure-Immunisierung
werden. Dabei werden Teile der DNS von
Influenza-Viren zur Immunisierung verwendet. Die bislang nur in Tiermodellen
untersuchte Vakzinierungsstrategie induziert nicht nur eine Antikörperproduktion,
sondern auch eine auf CD8 - und CD4 Lymphozyten beruhende zelluläre Immunantwort. Um diese zelluläre Immunantwort näher zu charakterisieren, führten
Wissenschaftler der Firma Merck Untersuchungen mit einer Influenzavirus-Nukleoprotein-DNS-Sequenz bei Mäusen durch.
Nach Immunisierung entwickelten die
Mäuse eine zelluläre Immunreaktion
gegen ein immundominantes Epitop des
Nukleoproteins, das NP147-155 Epitop.
Um die Situation zu imitieren, die durch
Präsentation unterschiedlicher immunogener Peptide durch verschiedene
MHC-Klasse-I-Antigene entsteht, untersuchten die Wissenschaftler daraufhin,
welche Auswirkungen eine Mutation in
diesem Epitop auf die Immunantwort
haben kann. Durch eine entsprechende
Mutation konnte tatsächlich die zelluläre
Immunantwort gegen dieses immundominante Epitop verhindert werden.
Trotzdem zeigten Lymphozyten von
Mäusen, die mit einer für das mutierte
Peptid kodierenden DNS immunisiert
wurden, weiterhin eine zelluläre Immunantwort gegen mit Influenzavirus infizierte
Zellen. Eine genauere Analyse dieser
Immunantwort zeigte, daß sich diese
nach ›Ausfall‹ des immundominanten
147-155-Epitops nun gegen ein immunrezessives Epitop, das NP218-226 richtete. Auch diese Immunantwort schützte
die Versuchstiere vor Erkrankung und
Tod nach Gabe einer letalen Virusdosis.
Die Versuche zeigen, daß durch eine
Nukleinsäure-Immunisierung eine antiviral wirksame zelluläre Immunreaktion
induziert werden kann, wobei die immunogenen Epitope in einer hierarchischen
Rangfolge stehen. Die Beobachtungen
legen nahe, daß Antigen-Prozessierung
und -Präsentation durch MHC-Klasse-IAntigene bei der Nukleinsäure-Immunisierung in derselben Art und Weise
verlaufen wie bei normalen Virusinfektionen.
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Wissenschaftler der Forschungsabteilung
von Bristol-Myers Squibb berichten über
Studien zum Wirkmechanismus von
BMY-27709, einem neuentdeckten
Hemmstoff der Virus-Zellmembranfusion für H1- und H2-Subtypen des
Influenza-A-Virus.
Die Membranfusion ist der gängigste
Weg für umhüllte Viren, um ihr genetisches Material in die Wirtszelle zu
transferieren. Meist wird die Membranfusion zwischen Virus- und Zellmembran durch spezielle virale Hüllproteine
vermittelt. Zu den am besten charakterisierten derartigen Hüllproteinen zählt
das Hämagglutinin-Protein des InfluenzaVirus.
Dieses Protein vermittelt in seiner
nativen Form zunächst die Bindung an
BTXcT %
das korrespondierende ZellrezeptorProtein, woraufhin das Virus in die
Zelle internalisiert wird und zu den
Zellendosomen wandert, wo das Virus
sich seiner Hülle entledigt und sein
genetisches Material freisetzt. In den
Endosomen ist das Virus einem zunehmend saurer werdenden pH-Wert ausgesetzt. Der fallende pH-Wert löst
eine irreversible Konformationsänderung des Hämagglutinins aus, die das
Molekül erst zur Membranfusion
mit der endosomalen Membran befähigt. Die Fusion erfolgt durch Ausbildung, Erweiterung und Verschmelzung
von Fusionsporen, woran jeweils mehrere Hämagglutinin-Moleküle beteiligt
sind.
Der mittels des Hämagglutinins be-
werkstelligte Vorgang der Membranfusion macht dieses Molekül zu einem
potentiellen Ziel für einen antiviralen
Hemmstoff. Eine gezielte Suche nach
Substanzen, die die pH-abhängige
Konformationsänderung
blockieren
können, führte zur Identifizierung von
BMY-27709. Dieser Hemmstoff paßt
genau in eine Tasche des Hämagglutinin-Moleküls. Um den Wirkmechanismus besser zu verstehen, wurden
kleine Veränderungen an der chemischen Struktur vom BMY-27709
vorgenommen. Einige der so erhaltenen Substanzen verloren ihre Hemmwirkung gegenüber dem Influenzavirus.
Kompetitive
Hemmversuche
ergaben, daß die inaktiven Derivate
noch immer in die Tasche des
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
Hämagglutinin-Moleküls paßten. Es ist
also nicht nur die räumliche Struktur
und Bindung vom BMY-27709 an
Hämagglutinin für die Hemmwirkung
verantwortlich, sondern es gibt offenbar eine spezifische Interaktion von
Komponenten des Hemmstoffes mit
dem Virusprotein.
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Bei Patienten mit HIV-Infektion und
rezidivierendem oropharyngealen und
oesophagealen Soor wurden in den
letzten Jahren zunehmend Fluconazolresistente Candida-albicans-Stämme
isoliert: Nach einer Studie an der John
Hopkins Universität Baltimore belief
sich dort die Resistenzquote auf 31 % ,
ein ähnlich hoher Prozentsatz ergab sich
im Zeitraum 1995/96 in einer RKIStudie bei Patienten einer Berliner
Tagesklinik. ! Als derzeitige prinzipielle
Therapieoptionen
bei
Fluconazolrefraktären Candidosen gelten die systemische Gabe von Itraconazol oder
Amphotericin B (konventionell oder
liposomal, ggf. in Kombination mit
5-Fluorcytosin) sowie die lokale Applikation von Polyen- oder Azol-Antimykotika. Künftige Therapieoptionen
schließen u. a. die in Deutschland noch
nicht zugelassene Itraconazol-Lösung,
sowie ein neues, noch in der Prüfung
befindliches
Antimykotikum,
das
Voriconazol, ein.
In einer offenen multizentrischen Studie wurde von Ruhnke und Co-Autoren "
die Wirksamkeit verschiedener Optionen
in drei deutschen Behandlungszentren
prospektiv überprüft. Bislang wurden
38 Patienten mit Fluconazol-refraktärer
oropharyngealer oder oesophagealer
Candidose in die Untersuchung eingeschlossen. Der Wechsel auf Itraconazol
führte in 6 von 10 Fällen zu klinischer
Besserung, Voriconazol (ein neues, noch
in klinischer Prüfung befindliches Antimykotikum) war in 7 von 7 Fällen erfolgreich, Amphotericin B i. v. verbesserte
den Zustand nur bei 1 von 8 Patienten,
während liposomales Amphotericin B in
3 von 5 Fällen mit Erfolg eingesetzt
wurde. Lokaltherapeutika wie AmphoMoronal oder Nystatin waren bei keinem
der so behandelten Patienten effektiv.
Vergleichbare Ansprechraten von Fluconazol-refraktärer Candidose auf Itraconazol-Lösung werden aus einer offenen amerikanischen Studie berichtet: Ein
vollständiges oder teilweises Ansprechen wurde bei 40 bzw. 50 von
68 Patienten registriert. Allerdings kam
es bei allen 22 nach dem klinischen
Ansprechen der Therapie weiterverfolgten Patienten durchschnittlich 2 Wochen
nach Ende der Medikamentengabe zum
Wiederauftreten der Candidose.
Die systemische Gabe von Amphotericin B (ggf. in Kombination mit 5-Fluorcytosin) stellt nach wie vor die ultima ratio bei kompletter Azolresistenz dar. Die
Bewertung dieser Therapie ist aufgrund
mangelnder Daten derzeit noch unklar.
Nach Beobachtungen von Frau Dr. Just
am Zentrum für Infektiologie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
Frankfurt (persönliche Mitteilung) stellt
ein Therapieversagen unter systemischer
Amphotericin B-Gabe bei azolrefraktärem Soor meist ein Zeichen eines Finalstadiums der HIV-Infektion dar.
Parameter, die beim Ansprechen oder
Versagen einer Amphotericin-B-Therapie berücksichtigt werden müssen, sind
nicht nur der Immunstatus der Patienten,
sondern auch die individuelle Azol-Anamnese. Azole können u. U. die Angriffspunkte des Amphotericin B an der Zellmembran blockieren. Desweiteren kann
eine Kombinationsbehandlung mit 5Fluorcytosin wesentlich zum Therapieerfolg beitragen.
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Die Kryptosporidiose ist eine Infektion,
die bei HIV-Patienten mit fortgeschrittenem Immundefekt meist den Gastrointestinal-Trakt betrifft und dann
schwere Durchfälle verursachen kann.
Da in Einzelfällen der Einsatz von Paromomycin als hilfreich beschrieben
wurde, sollte die Wirksamkeit dieser
Substanz in einer Plazebo-kontrollierten
Doppelblind-Studie überprüft werden.
Die Doppelblind-Phase der Studie, in die
35 Patienten aufgenommen werden
konnten, dauerte 21 Tage. Danach konnten auch die Plazebo-behandelten Teilnehmer mit Paromomycin behandelt
werden.
InfFo 88(&
Die Studie ergab keine Hinweise auf eine
nennenswerte Wirksamkeit von Paromomycin.
Die prospektive Beobachtung von
1.019 HIV-infizierten Patienten mit
niedrigen T-Helferzellwerten (< 75 µl)
in 10 US-amerikanischen HIV-Kliniken
zeigen jedoch eine deutliche Korrelation
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zwischen der Erkrankungsrate an Kryptosporidien-Enteritis und der Einnahme
einer Chemoprophylaxe gegen atypische
Mykobakterien. Patienten, die eine
Chemoprophylaxe mit Clarithromycin
oder Rifabutin erhielten, erkrankten
deutlich seltener an Kryptosporidiose als
Patienten ohne derartige Chemoprophy-
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laxe oder Patienten unter Azithromycin
(relatives Risiko 0,25 für Clarithromycin
und 0,15 für Rifabutin).
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In einer französischen Studie wurden
diverse Therapie-Optionen für die kausal
bislang nicht therapierbare intestinale
Mikrosporidiose, ausgelöst durch Enterocytozoon bieneusi, geprüft. Zehn
Behandlungsregime wurden bei Gruppen
von jeweils 9 Patienten eingesetzt, die
Therapiedauer betrug jeweils 21 Tage.
Folgende Substanzen und Kombinationen wurden verglichen:
Albendazol + Metronizadol
Sulfadiazin + Pyrimethanin
Atovaquon
Doxycyclin + Nifuroxazid
Itraconazol
Flubendazol
Chloroquin
Paromomycin
Sparfloxazin
Fumagillin
Eine Erreger-Eradikation gelang nur mit
Fumagillin. Innerhalb einer mittleren
Nachbeobachtungsdauer von 10 Monaten
wurden auch keine Rezidive registriert. Bei
allen mit oralem Fumagillin behandelten
Patienten entwickelte sich jedoch als
Nebenwirkung eine schwere, allerdings
auch schnell wieder reversible Thrombozytopenie. Weitere Studien zur Sicherheit
und Wirksamkeit von oralem Fumagillin
werden derzeit durchgeführt.
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In einer kontrollierten US-amerikanischen
Studie wurde die Wirksamkeit von
rekombinantem G-CSF zur Vorbeugung einer schweren Neutropenie
(Neutrophile < 500 µl) bei HIV-infizierten Patienten mit weniger als 200 T-Helferzellen/µl und moderater Neutropenie
(750 – 1000 Neutrophile/µl) überprüft.
Zwei Drittel der 258 Teilnehmer erhielten
soviel G-CSF nach Bedarf, daß damit die
Neutrophilenzahl im Bereich zwischen
2.000 und 10.000 Zellen/µl gehalten
wurde, ein Drittel der Teilnehmer diente
als Kontrollgruppe. Sofern die Neutrophilenzahl bei zwei aufeinanderfolgenden Bestimmungen
den
Grenzwert
von
500 Zellen/µl unterschritten hatte, konnten
Teilnehmer aus diesem Behandlungsarm in
den G-CSF-Arm der Studie überwechseln.
Innerhalb der 24-wöchigen Studienperiode
konnten
signifikante
Unterschiede
zwischen den beiden Behandlungsarmen
beobachtet werden. Unter der G-CSF-Therapie traten deutlich weniger bakterielle
Infekte auf, was sich in einer Vermeidung
stationärer Behandlungszeiten niederschlug.
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Cidofovir ist eine antivirale Substanz mit
relativ breitem Wirkungsspektrum (CMV,
HSV, HHV-8, Papillomavirus u. a. m). Für
die CMV-Retinitis-Behandlung wurde
jetzt in Europa eine Cidofovir-Infusionslösung zugelassen. Eine intraokular verabreichbare Version sowie eine oral zu gebende Form befinden sich in Entwicklung.
Die Substanz besitzt eine lange Halbwertszeit, so daß eine Dosierung 1 × pro Woche
für die Induktions- und 1 × alle zwei Wochen für die Erhaltungstherapie ausreicht.
Cidofovir ist potentiell nephrotoxisch und
muß daher zusammen mit Probenecid und
reichlicher Flüssigkeitszufuhr gegeben
BTXcT %!
werden. Nierenwerte (Kreatinin, Proteingehalt im Urin) sind vor jeder Infusion zu
kontrollieren, Patienten mit bereits geschädigter Niere sollten Cidofovir nicht erhalten. In der täglichen Praxis werden Nierenschädigung bis hin zum Nierenversagen
mit Dialysepflicht deutlich häufiger beobachtet, als in klinischen Studien beschrieben. Ärzte, die Cidofovir einsetzen, sollten dies daher mit besonderer Sorgfalt
und Vorsicht tun. Die Rate der Behandlungsabbrüche auf Grund von Nebenwirkungen kann höher als 50% liegen.
In der Behandlung der CMV-Retinitis
mit Cidofovir werden gute Remissions-
raten und relativ lange rezidivfreie Intervalle erreicht. Foscarnet-resistente und
mäßig Ganciclovir-resistente CMVStämme sprechen gut auf Cidofovir an,
bei hochgradiger Ganciclovir-Resistenz
muß aber mit Kreuzresistenz auch gegen
Cidofovir gerechnet werden.
Die Blutkonzentrationen von CMV
werden unter Cidofovir-Therapie nicht
wesentlich beeinflußt, weil die Substanz
von Leukozyten, die die Hauptquelle des
im Blut befindlichen Virus darstellen,
schlecht aufgenommen wird. Epithelzellen in Auge und Darm nehmen Cidofovir dagegen besser auf, so daß eine gute
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
klinische Wirksamkeit bei entsprechenden
Manifestationen erreicht wird.
In künftigen klinischen Studien soll
unter anderem die Eignung von Cidofovir zur Therapie des Kaposi-Sarkoms
und der progressiven multifokalen
Leukenzephalopathie (PML) geprüft
werden. In klinischen Studien wird auch
ein Cidofovir-Gel (Forvade®) zur
Behandlung von Herpes-simplex- und
Papillomaviren geprüft.
In Europa wird das von der kleinen amerikanischen Firma Gilead Sciences entwikkelte Cidofovir von Pharmacia & Upjohn
vermarktet.
Ebenfalls von der Firma Gilead werden
zwei Substanzen aus der Gruppe der
Nukleotidanaloga entwickelt. Von den
Nukleosidanaloga (AZT, 3TC, ddI, d4T,
ddC) unterscheiden sich die Nukleotidanaloga dadurch, daß sie bereits mit einer
Phosphatgruppe ausgestattet sind (um ihre
wirksame Form zu erlangen, müssen
Nukleosidanaloga noch dreimal phosphoryliert werden, Nukleotidanaloga nur
noch zweimal). Die Nukleotidanaloga
Adefovir (bis-POM-PMEA) und PMPA
besitzen ein breites antivirales Wirkspektrum, welches HIV, CMV, HBV und
andere Viren einschließt. Adefovir ist in
der Entwicklung bereits weiter fortgeschritten als PMPA. In Europa läuft
derzeit eine große klinische Studie an, in
der Adefovir zusätzlich zu einer antiretroviralen Standardtherapie bei HIVInfizierten mit weniger als 100 T-Helferzellen geprüft wird (ADHOC-Studie).
Ziel der Studie ist neben der Prüfung der
Anti-HIV-Wirkung die Prüfung einer
prophylaktischen Wirkung zur Verhinderung einer CMV-Erkrankung.
Adefovir weist eine geringgradige
Kreuzresistenz mit ddC und ddI
(Mutation am Kodon 65) auf. Eine Resistenzentwicklung unter AdefovirTherapie erfolgt aber nach bisheriger
Beobachtung sehr langsam. Die Viruslast
bei vorbehandelten Patienten sinkt unter
Adefovir-Therapie um ca. 0,5 log, was
etwa der Wirkung des AZT bei nicht
vorbehandelten Patienten entspricht.
Neben der erwähnten europäischen Studie
ist Adefovir Bestandteil einer Reihe
von Kombinationstherapiestudien, die in
den USA durchgeführt werden. Nach
bisheriger Beobachtung besitzt es eine
gewisse Nephrotoxizität (bei ca. 4 % der
Behandelten Kreatininanstieg), die bei
Aussetzen der Therapie reversibel ist. Es
wird zusammen mit L-Carnitin verabreicht (500 mg/Tag), da der bis-POMAnteil nach Abspaltung von PMEA an
Carnitin gebunden und dann ausgeschieden wird.
Ein vergleichbar gutes, womöglich sogar
noch günstigeres Resistenzprofil zeigt
das verwandte PMPA, welches im Affenmodell verheißungsvolle Wirksamkeit gegen SIV zeigte. Erfolgversprechend erschien im Tiermodell
insbesondere der Einsatz von PMPA zur
Verhinderung der Mutter-Kind-Übertragung und zur Postexpositionsprophylaxe. In einer ersten klinischen Studie
wurde mit einer intravenös infundierten
Version des Medikaments ein Rückgang
der Viruslast um 1,1 log (> 90 %)
erreicht. Zukünftige Studien sollen mit
einer oral verabreichbaren Version
durchgeführt werden. Es gibt Überlegungen, PMPA auch in einem mikrobiziden Gel zur Verhinderung einer sexuellen Übertragung einzusetzen.
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Die Identifizierung von Chemokinrezeptoren als notwendige Korezeptoren
für HIV im vergangenen Jahr hat einen
wahren Boom von Untersuchungen ausgelöst, die sich mit dem Einfluß dieser
Rezeptoren und ihrer natürlichen Liganden, der Chemokine, auf den Infektionsverlauf beschäftigen. Ein Ziel dieser
Untersuchungen besteht darin, neue
Ansatzpunkte für eine antiretrovirale
Therapie zu finden, ein weiteres Ziel ist,
über die Verteilung und Regulierung
der Expression dieser Korezeptoren auf
verschiedenen Zellpopulation neue
Erkenntnisse zur Pathogenese der HIVErkrankung zu gewinnen.
Wie bereits berichtet, verwenden sog.
NSI-Varianten, die vorwiegend einen
Makrophagentropismus aufweisen, den
CCR-5-Rezeptor als Korezeptor. Die
natürlichen Liganden dieses Rezeptors,
mit denen in vitro eine Infektion behindert werden kann, sind die Chemokine
RANTES, MIP-1α und MIP-1β. !
Die T-lymphotropen, sog. SI-Varianten
von HIV verwenden dagegen den CXCR4-Rezeptor als Korezeptor. Auch hier ist
mit dem natürlichen Liganden, dem Chemokin SDF-1, in vitro die Infektion inhibierbar.
InfFo 88(&
Untersuchungen mehrerer Gruppen
zeigen übereinstimmend, daß es Unterschiede in der Effektivität und der Art der
Bindung an den Korezeptor zwischen
verschiedenen Virusisolaten gibt und
geben Hinweise darauf, daß die Expression der Korezeptoren auf verschiedenen
Zelltypen variieren dürfte. "#$ Im ZNS benutzen die neurotropen HIV-Varianten beispielsweise sowohl den CCR-3- wie auch
den CCR-5-Rezeptor auf den Mikrogliazellen als Korezeptoren. % Diverse Untersuchungsergebnisse legen zudem nahe,
daß es noch weitere, bislang nicht identifizierte Korezeptoren und / oder für die
erfolgreiche Infektion von Zellen notwendige Kofaktoren geben muß. &'(
In einer Untersuchung wird eine
Korrelation zwischen der KorezeptorenBenutzung und der Geschwindigkeit der
Krankheitsprogression hergestellt. Ein
Wechsel in der Verwendung der Korezeptoren bedeutet dabei einen Wechsel
von NSI- auf SI-Varianten und ist mit
einer schnellen Krankheitsprogression
korreliert. Andererseits kann bislang
kein Zusammenhang zwischen dem
β-Chemokinspiegel, das heißt der Menge
der im Blut nachweisbaren CCR-5-
Liganden RANTES, MIP-1α und MIP-1β,
und der Geschwindigkeit der Krankheitsprogression festgestellt werden. Obwohl
also in vitro mit β-Chemokinen das Ausmaß der HIV-Replikation in einer Zellkultur deutlich reduziert werden kann,
scheinen in vivo so hohe β-Chemokinspiegel nicht (auf Dauer) erreichbar zu
sein. β-Chemokine werden nach derzeitigem Kenntnisstand von CD8-Lymphozyten, von Monozyten/Makrophagen,
aber auch von Natural Killer-Zellen
(NK-Zellen) produziert. Unter Umständen könnte daher die Begrenzung der
primären HIV-Replikation bei einer
frischen Infektion, die noch vor Nachweis HIV-spezifischer Immunmechanismen erfolgt, z. T. auch auf einer Erhöhung der β-Chemokin-Produktion durch
NK-Zellen als einem unspezifischen Abwehrmechanismus beruhen.
Mittlerweile durchgeführte epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt,
daß ein genetischer Defekt, auf Grund
dessen der CCR-5-Rezeptor nicht exprimiert wird, zu einer weitgehenden Resistenz gegenüber einer HIV-Infektion
führt. Die ersten Ausnahmen sind jedoch
bereits gefunden: In Australien wurde
BTXcT %"
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
ein Mann identifiziert, der einen homozygoten CCR-5-Defekt aufweist und
trotzdem mit HIV infiziert ist. Eine detaillierte Charakterisierung eines Virusisolats dieses Infizierten liegt noch nicht
vor. ! In den USA ist bei einem Hämophiliepatienten retrospektiv ein CCR-5Defekt festgestellt worden, der jedoch
offenbar nicht verhindern konnte, daß
dieser Mann, vermutlich im Jahre 1982,
durch Gerinnungsfaktorenkonzentrate mit
HIV infiziert wurde. 1995 wurde eine
AIDS-Erkrankung bei ihm diagnostiziert
und 1996 verstarb er an Leberversagen.
Die nachträgliche Analyse seiner Virusisolate ergab, daß bei ihm SI-Varianten von
HIV die dominierende Viruspopulation
darstellten. " Auch in Frankreich wurde
bei einem homosexuellen Mann mit
einem CCR-5-Defekt eine HIV-Serokonversion beobachtet. Die CD4-Zellzahl
sank nach der Serokonversion rasch auf
Werte unter 150 Zellen/µl ab, obwohl die
Viruskonzentration im Blut relativ niedrig war. Die Analyse des Virusisolats
dieses Mannes erbrachte ebenfalls, daß
es sich um eine SI-Variante handelte. In
diesem Fall war der Gendefekt keineswegs mit einem langsamen Krankheitsverlauf assoziiert, eher im Gegenteil. #
Diese Beispiele weisen darauf hin, daß
beim Versuch einer CCR-5-Blockade auch
fatale Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden können, solange nicht geklärt
ist, aus welchem Grund bei der überwiegenden Mehrheit der HIV-Infizierten
zunächst NSI-Varianten das Infektionsgeschehen dominieren. Die entscheidende Frage wird sein, ob eine Blockade
des CCR-5-Rezeptors zu Beginn einer
Infektion dem Virus tatsächlich den
Boden entzieht oder ob es unter solchen
Bedingungen zur Selektion von SI-Varianten kommt, die mit einem beschleunigten Krankheitsverlauf assoziiert sind.
Bei der Untersuchung von heterozygoten Trägern einer CCR-5-Mutation
gelangt eine Reihe von Arbeitsgruppen
übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß
heterozygote Träger eines solchen genetischen Defektes, bei denen der CCR-5Rezeptor in verminderter Frequenz
exprimiert wird, in der Regel zwar einen
verzögerten Krankheitsverlauf aufweisen, jedoch nicht vor einer HIV-Infektion
geschützt sind. Am ausgeprägtesten ist die
Verzögerung, wenn bei den Infizierten
NSI-Varianten dominieren. Wenn sich bei
einem heterozygoten Träger des CCR-5Defektes jedoch SI-Varianten durchsetzen, geht der protektive Effekt des
Gendefektes verloren. $ % & ' (
An den Punkten Rezeptor-Expression
und Rezeptor-Bindung versuchen ArbeitsBTXcT %#
gruppen anzusetzen, um die neuen
Erkenntnisse möglicherweise therapeutisch
nutzbar zu machen. Zu den denkbaren
therapeutischen Umsetzungen der neuen
Erkenntnisse zählen beispielsweise die
Rezeptorenblockade durch Chemokinrezeptor-Antagonisten oder die Beeinflussung der Rezeptorenexpression auf Zellen
durch monoklonale Antikörper. Über die
Entwicklung und Testung eines Chemokinrezeptor-Antagonisten berichtete z. B. vor
kurzem ein europäisches Wissenschaftlerteam, welches mit Glaxo Wellcome zusammenarbeitet. Die von den Forschern
entwickelte Substanz ist ein Derivat des
Chemokins RANTES. Im Unterschied
zur Muttersubstanz hat das Derivat keine
chemotaktischen Eigenschaften, blokkiert die Virusbindung an den Rezeptor
aber deutlich besser als das Chemokin. !
Eine andere, eventuell therapeutisch
einsetzbare Strategie könnte die Manipulation der Rezeptoren-Expression werden.
Amerikanische Forscher berichten, daß es
durch die Stimulation des CD3- und
CD28-Rezeptors gelingt, die CCR-5-Expression auf Zellen zu reduzieren und sie
damit weitgehend uninfizierbar für
makrophagentropes Virus zu machen. !
Inwiefern diese Laborbefunde sich tatsächlich therapeutisch nutzen lassen, ist
momentan noch schwer abzuschätzen.
Probleme bei einer Manipulation der
Rezeptorenexpression könnten beispielsweise unerwünschte funktionelle Konsequenzen für die entsprechenden Zellpopulationen machen.
Warum für die Etablierung einer HIVInfektion der CCR-5-Rezeptor anscheinend kaum verzichtbar ist, ist noch ungeklärt. Bei einer HIV-Exposition findet in
aller Regel eine Exposition gegenüber
einem Gemisch makrophagentroper,
T-lymphotroper und zweifachen Tropismus besitzender Virusvarianten
statt. In Abwesenheit des CCR-5-Rezeptors scheinen T-lymphotrope Virusvarianten aber nur ausnahmsweise in der
Lage, selbständig eine Infektion zu etablieren (obwohl sie bei einem erheblichen Teil der HIV-Infizierten in den
Spätstadien der HIV-Infektion die dominierende Viruspopulation darstellen und
der Wechsel von NSI auf SI, d. h. von
CCR-5-Verwendung auf CXCR-4-Verwendung, im Krankheitsverlauf mit einer
raschen Krankheitsprogression korreliert). Möglicherweise ist dies darauf
zurückzuführen, daß T-lymphotrope
Varianten am Beginn einer Infektion
durch die Immunantwort wirksam eliminiert werden können und erst später, bei
Verlust der Immunkompetenz, wieder
überlebensfähig werden.
Ein Weg zur Erklärung dieses Phänomens könnte in der unterschiedlichen
Expression von Korezeptoren durch
Zellsubpopulationen liegen. Erste Untersuchungen zeigen, daß CCR-5 und
CXCR-4 zwar beide auf T-Lymphozyten exprimiert werden, es aber
deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen, funktionell unterscheidbaren Untergruppen gibt. CXCR-4
wird bevorzugt von nichtaktivierten,
›naiven‹ T-Lymphozyten, aber auch in
gewissem Umfang von Monozyten
exprimiert. Dendritische Zellen exprimieren ersten Untersuchungen zufolge
den CXCR-4-Rezeptor nicht, besitzen
aber einen anderen, noch nicht identifizierten Rezeptor, an welchen der natürliche CXCR-4-Ligand, das SDF-1, binden kann. Die naiven Lymphozyten
halten sich vorwiegend in den Lympknoten auf. Der CCR-5-Rezeptor wird
dagegen vorwiegend von aktivierten
Gedächtnis-Lymphozyten exprimiert,
die in der Regel ins periphere Gewebe
wandern (Haut, Lamina propria der
Darmschleimhaut). Die CCR-5-Expression wird durch Interleukin-2 erhöht und sie begünstigt die Migration
von Zellen z. B. an Entzündungsorte.
Memory-T-Zellen sind auf Grund ihrer
hohen CCR-5-Expression leichter
durch Monozyten / Makrophagen und
dendritische Zellen stimulierbar als
naive T-Zellen.
Trotzdem ist erstaunlich, daß die in
den Lymphknoten konzentrierten,
CXCR-4 exprimierenden Lymphozyten zu Beginn einer Infektion so
schlecht infizierbar sein sollen. Ein
Grund könnte darin liegen, daß der Rezeptor durch seinen natürlichen Liganden, das SDF-1 (stromal cell derived
factor), blockiert wird. Dieser wird,
wie der Name sagt, durch Stroma-Zellen
(Stroma-Zellen bilden das ›Gerüst‹ der
Lymphknoten) produziert. Die im Verlauf der HIV-Infektion erfolgende Zerstörung der Lymphknotenarchitektur
könnte zur Verminderung der SDF-1Produktion führen, was die Verwendung des CXCR-4-Rezeptors begünstigen könnte. Die Verwendung dieses
Rezeptors erweitert dann das mögliche
Virusreservoir drastisch. !!!"
Die Notwendigkeit eines Korezeptors
in Form von CCR-5 zusätzlich zum
CD4-Rezeptor erklärt zwar die Speziesunterschiede in der Infizierbarkeit
zwischen menschlichen Zellen und
Mauszellen, aber nicht die Speziesspezifität der verschiedenen PrimatenImmundefizienzviren, die anscheinend
ausnahmslos Chemokinrezeptoren als
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
Korezeptoren benutzen. Nicht nur die
den HIVs eng verwandten SIVs, sondern auch FIV, das Katzen-Immundefizienzvirus, benutzt einen Chemokinrezeptor als Korezeptor. !#Bei den
Katzen ist es das Gegenstück zum
CXCR-4-Rezeptor, bei Affen ist es der
CCR-5-Rezeptor.
Zellkulturuntersuchungen zeigen, daß sowohl die verschiedenen HIV-Typen und -Subtypen
als auch verschiedene SIVs CCR-5 als
Korezeptor verwenden. Dabei zeigt sich
aber, daß die auch bei den SIVs unterscheidbaren makrophagentropen und Tlymphotropen Varianten mit unterschiedlichen Regionen des CCR-5Rezeptors interagieren. Im Unterschied
zum Menschen bereitet es keine
Schwierigkeit, eine SIV-Infektion unter
Verwendung einer T-lymphotropen
Virusvariante zu etablieren. Im Verlauf
einer solchen Infektion entwickeln sich
dann aus dem T-lymphotropen Elternvirus makrophagentrope Varianten.
Eine Änderung des Zelltropismus von
SIV-Varianten kann bereits bei Veränderung von nur zwei Aminosäuren in
der
V3-Schleife
der
Virushülle
erfolgen. !$ Unterschiede in der Infizierbarkeit von menschlichen Blutzellen
und Affenzellen durch verschiedene
SIV- und HIV-Varianten können also
nicht auf Unterschiede in der Verwendung von Korezeptoren zurückgeführt
werden, sondern müssen andere Ursachen haben.
Zellkulturuntersuchungen zeigen, daß
SIV menschliche Zellen mit menschlichem CD4-Rezeptor und menschlichem CCR-5-Rezeptor genauso effizient infiziert wie Affenzellen mit AffenCD4 und Affen-CCR-5. Versucht man
hingegen, Affen-Lymphozyten mit HIV
zu infizieren, so stellt man fest, daß
selbst wenn die Affen-Lymphozyten
einen humanen CD4-Rezeptor tragen,
die Infektion der Zellen an mehreren
Stellen blockiert werden kann. Bei einigen Virusisolaten liegt der Block bereits
vor der reversen Transkription, bei anderen liegt er vor der Wanderung der
proviralen DNS in den Zellkern. Der
Block ist dadurch aufhebbar, daß neben
einem humanen CD4-Rezeptor auch ein
humaner CCR-5- oder CXCR-4-Korezeptor auf den Affenzellen exprimiert
wird. Eine andere Möglichkeit, den
Block aufzuheben, besteht in der Verwendung einer sog. Virus-Chimäre, die
aus einem SIV-Kern und einer HIVHülle besteht. Dies läßt sich nur dadurch erklären, daß für eine produktive
Infektion spezifische Interaktionen zwischen Korezeptor, Virushülle und einem
InfFo 88(&
weiteren viralen Genprodukt notwendig
sind. !% Entweder kommt es nach dem
Eindringen des Virus in die Zelle zu
einer fortgesetzten Interaktion mit dem
Korezeptor, oder beim Eindringen des
Virus wird durch Kontakt mit dem Korezeptor ein Signal ausgelöst, welches
einen späteren Schritt im viralen
Lebenszyklus vor der Einschleusung in
den Zellkern beeinflußt.
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Mehrere Substanzen sind in den vergangenen Monaten in den USA zur Behandlung
der HIV-Infektion zugelassen worden. Es
handelt sich um den Protease-Inhibitor
Nelfinavir (Viracept®) sowie die nichtnukleosidischen Reverse-TranskriptaseInhibitoren Nevirapin (Viramune®) und
Delavirdin (Rescriptor®). Solange eine
europäische Zulassung dieser Substanzen noch nicht erfolgt ist, können diese
in Deutschland nur über internationale
Apotheken bezogen werden.
Der Protease-Inhibitor Nelfinavir wurde
von der US-amerikanischen Firma Agouron entwickelt und wird in Europa von
Hoffmann LaRoche vertrieben. Die empfohlene Dosierung ist 3 × 750 mg/Tag.
Häufigste Nebenwirkung sind Durchfälle,
die durch symptomatische Behandlung
meist kontrollierbar sind. Nelfinavir wird
ebenso wie die bereits zugelassenen Protease-Inhibitoren über die Leber verstoffwechselt. Nach bisherigen Erkenntnissen
sind weniger und geringere Interaktionen
mit anderen Medikamenten als bei Ritonavir und Indinavir zu erwarten. Die
Dreifachkombinationen von Nelfinavir
mit zwei nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren entsprechen in ihrer
Wirksamkeit vergleichbaren Kombinationen mit Indinavir oder Ritonavir. Im
Unterschied zu Indinavir ist die Beachtung strenger diätischer Vorschriften
(Abstände zu Mahlzeiten) nicht erforderlich. Eine Kombination von Nelfinavir
mit anderen Protease-Inhibitoren ist prinzipiell möglich. Nicht zuletzt, weil Nelfinavir ebenso wie Saquinavir von Hoffmann LaRoche vertrieben wird, ist diese
Kombination bislang am besten untersucht. Die bislang untersuchten Dosierungen für diese Kombination sind dieselben wie für die Therapie mit den
Einzelsubstanzen. Die Plasmakonzentration des oral schlecht resorbierbaren
Saquinavir wird durch eine langsamere
Verstoffwechslung bei der kombinierten
Gabe mäßig erhöht.
Die Resistenzentwicklung gegen Nelfinavir erfolgt auf einem von den anderen
Protease-Inhibitoren verschiedenen Weg,
jedoch zeigen gegen Indinavir, Saquinavir
und Ritonavir resistente Virusisolate auch
ein deutlich vermindertes Ansprechen auf
Nelfinavir (Kreuzresistenz). Nelfinavirresistente Isolate sprechen in vitro jedoch
BTXcT %%
relativ gut auf die anderen Protease-Inhibitoren an. Ob durch eine Vorbehandlung
mit Nelfinavir jedoch die volle Option
einer Weiterbehandlung mit anderen
Protease-Inhibitoren erhalten bleibt, wie
die Firmenwerbung suggeriert, bedarf
der Bestätigung durch klinische Studien
mit einer Therapieumstellung. Bezüglich
Saquinavir, wo die Firmenwerbung
ebenfalls nahelegt, daß andere Therapieoptionen offenbleiben, wecken Zwischenergebnisse klinischer Umstellungsstudien
ernste Zweifel an dieser Behauptung. Bei
der Bewertung von Firmenaussagen zum
Problem der Kreuzresistenz ist zu berücksichtigen, daß der Kampf um Marktanteile
zu ganz unterschiedlichen Interpretationen
der wissenschaftlichen Erkenntnisse führt.
Die beiden nichtnukleosidischen RTInhibitoren Nevirapin und Delavirdin sind
bislang in längeren Studien nur in Kombination mit Nukleosidanaloga geprüft worden. In diesen Studien hat Nevirapin,
v. a. bei Therapie-naiven Patienten, überzeugendere Ergebnisse erbracht als Delavirdin. Die Dosierung von Nevirapin ist
2 × 200 mg/Tag, wobei ein Einschleichen
mit 1 × 200 mg/Tag über die ersten zwei
Wochen empfohlen wird (Nevirapin induziert eine Beschleunigung der eigenen
Verstoffwechslung). Das Auftreten eines
Arzneimittelexanthems bei 20 – 30% der
Behandelten ist die häufigste Nebenwirkung. In der Mehrzahl der Fälle ist dieses
Exanthem von vorübergehendem und
mildem Charakter. Sobald das Exanthem
stärkere Ausmaße annimmt und z. B. von
Fieber begleitet wird, ist jedoch höchste
Vorsicht geboten: bei ca. 0,3% der Behandelten entwickelte sich nach bisherigen Erfahrungen ein (lebensdrohliches)
Stevens-Johnson-Syndrom.
In Kombination mit Nukleosidanaloga
(am besten untersucht: AZT + ddI) kann
durch Dreifachkombination mit Nevirapin bei einem respektablen Anteil Therapie-naiver Patienten ein Rückgang der
Viruslast im Blut unter die gegenwärtigen
Nachweisgrenzen der Testverfahren
erreicht werden. Die Viruslast im lymphatischen Gewebe wird aber nach bisheriger Kenntnis in deutlich geringerem
Umfang reduziert als bei Dreifachkombinationen mit Protease-Inhibitoren, so daß
eine Resistenzentwicklung schneller einsetzen dürfte. Nevirapin und Delavirdin
penetrieren beide relativ gut ins ZNS, ob
sie dort aber auch klinisch wirksam sind
(d. h. die Virusvermehrung reduzieren),
ist ungeklärt.
Für die Verhinderung der MutterKind-Übertragung und die Behandlung
von Kindern könnte Nevirapin ein sinnvolles Medikament sein, u. a. weil beim
Neugeborenen nach einmaliger Gabe für
eine Woche ein ausreichender Wirkspiegel aufrechterhalten bleibt. In mehreren
Studien wird es derzeit für diese Indikation geprüft. Eine Verwendung zur postexpositionellen Prophylaxe (nach Nadelstichverletzung) erscheint ebenfalls
denkbar, die Nutzen-Risiko-Relation ist
bei einem durchschnittlichen postexpositionellen Infektionsrisiko von ca. 0,4%
und der Gefahr der Entwicklung eines
Stevens-Johnson-Syndroms bei 0,3% der
Behandelten aber kritisch zu sehen.
Zur Kombination von Nevirapin mit
Protease-Inhibitoren liegen bislang nur
wenige Erfahrungen vor. Der Abbau von
Saquinavir und Indinavir wird durch
Nevirapin erkennbar beschleunigt, wodurch sich deren Konzentrationen bei
normaler Dosierung um bis zu 30% vermindern. Die Ritonavir-Metabolisierung
wird dagegen nur wenig beeinflußt. Die
klinische Wirksamkeit solcher Kombinationen läßt sich derzeit noch nicht
beurteilen. Unter Nevirapin+IndinavirKombination kann eine anfängliche
Reduktion der Viruslast um ca. 3,5 logStufen erreicht werden. Längere Beobachtungszeiten liegen jedoch nicht vor.
Es besteht ein erhebliches Risiko der
Kreuzresistenz mit Delavirdin, Daten zur
Kreuzresistenz mit anderen nichtnukleosidischen RT-Inhibitoren liegen noch
nicht vor.
Delavirdin wird in einer Dosierung von
3 × 400 mg/Tag verabreicht. Eine Pharmakokinetik-Studie legt nahe, daß auch
eine Dosierung von 2 × 600 mg/Tag
möglich sein sollte. Auch bei DelavirdinBehandlung tritt – wie beim Nevirapin –
nicht selten ein Arzneimittelexanthem auf
(Häufigkeit 15 – 20%), welches durchschnittlich aber milder ausfällt als bei
Nevirapin. Die Ergebnisse von Kombinationstherapiestudien mit Nukleosidanaloga zeigen zwar unter Dreifachkombination einen stärkeren Rückgang der
Viruslast als unter Zweifachkombination
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
ohne Delavirdin, ein klinischer Vorteil
bezüglich des Erkrankungsverlaufes
konnte aber nicht nachgewiesen werden.
Interessanter dürfte eine Kombination
von Delavirdin mit Protease-Inhibitoren
werden, wobei Daten klinischer Studien
bislang noch nicht vorliegen. Delavirdin
hemmt im Gegensatz zu Nevirapin die
Verstoffwechslung der Protease-Inhibitoren, so daß höhere Wirkkonzentrationen über längere Zeiträume erreicht
werden. In Kombination mit Saquinavir
werden ca. 5mal höhere SaquinavirWirkkonzentrationen erreicht, in Kombination mit Indinavir eine Verdoppelung
des Indinavirspiegels. Bei Kombination
mit Saquinavir in der normalen Dosierung (3 x 600 mg) würde dadurch ein
wirksamerer Medikamentenspiegel er-
reicht. Die Leberwerte können unter dieser Kombination jedoch ebenfalls ansteigen, so daß eine regelmäßige Kontrolle
erfolgen sollte.
Bei Kombination mit Indinavir kann
wahrscheinlich eine Reduktion der Indinavir-Dosis von 3 × 800 mg auf 3 × 600 mg
vorgenommen werden. Ergebnisse längerer Kombinationsstudien stehen jedoch
aus. Geprüft wird auch eine zweimal tägliche Dosierung für diese Kombination
(2 × 600 mg Delavirdin + 2 × 1000 mg
Indinavir). Bei dieser Kombination muß
verstärkt auf eine reichliche Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, da sich leichter
Nierensteine bilden können.
Anekdotisch wird von guten Ergebnissen durch das Hinzufügen von
Delavirdin zu einer ›versagenden‹ Kom-
binationstherapie mit Indinavir berichtet.
Neben der antiviralen Wirkung von
Delavirdin selbst könnten die Erhöhung
des Indinavirspiegels bei Patienten mit
suboptimalen Spiegeln unter StandardDosierung bzw. geringere Konzentrationsschwankungen von Indinavir diese
Beobachtung erklären. Zur Kombination
von Delavirdin mit Nelfinavir und Ritonavir liegen noch keine Daten vor.
Bei Kombination von Delavirdin mit
Didanosin ist ein einstündiger Abstand
bei der Medikamentengabe zu beachten,
da bei gleichzeitiger Einnahme die
Resorption der Substanzen vermindert
wird.
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Im Verlauf der vergangenen 1 – 2 Jahre
haben sich Therapiestrategien und -ziele
der antiretroviralen Therapie radikal
verändert. Kombinationstherapiestudien
belegten die höhere Wirksamkeit
zunächst von Zweifachkombinationen
von Nukleosidanaloga, dann von Dreifachkombinationen unter Hinzunahme
von Protease-Inhibitoren oder nichtnukleosidischen Reverse-TranskriptaseInhibitoren. Die Möglichkeit der Viruslastbestimmung erlaubt eine individuelle
Wirksamkeitskontrolle der ergriffenen
Therapiemaßnahmen und wird neben der
bereits etablierten Bestimmung der
T-Helferzellzahl als wichtiger zusätzlicher Parameter zur Entscheidung für
einen Therapiebeginn genutzt.
Die Mehrheit der Behandlungszentren
und HIV-Schwerpunktpraxen in Deutschland würde heute zu einer Behandlungsstrategie eines relativ frühzeitigen
Einsatzes von Kombinationstherapien
tendieren, wenn der Patient dazu bereit
ist. Die Kriterien für den Beginn einer
Behandlung lauten in der Regel: T-Helferzellwerte unter 300 – 500 Zellen/µl
und Viruskonzentrationen von über
30. – 50.000 Viruskopien/ml (siehe Umfrageergebnisse Seite 69).
Der größere Teil der Behandler beginnt in der Praxis eine Therapie zunächst mit Zweifachkombinationen bei
späterer Option des Wechsels auf eine
Dreifachtherapie. Die Mehrheit der Behandler würde als ersten Protease-Inhibitor
das Saquinavir einsetzen, in der Hoffnung, bei Versagen des primären Therapieregimes auf eine potentere Kombination
mit den Protease-Inhibitoren Indinavir,
Ritonavir und neuerdings auch Nelfinavir
umstellen zu können. Laut ART’96, einer
InfFo 88(&
multizentrischen Beobachtungsstudie zur
antiretroviralen Therapie in Deutschland,
die seit Herbst ’96 läuft, wird die antiretrovirale Therapie bei bislang nicht vorbehandelten Patienten in knapp 2/3 der Fälle
als Zweifachkombination (2 Nukleosidanaloga) begonnen, in etwa 1/3 der Fälle
als Dreifachkombination (mit einem Protease-Inhibitor). Es ist zu vermuten, daß
der Anteil der antiretroviral vorbehandelten
Patienten, die mittlerweile Protease-Inhibitoren erhalten, deutlich höher liegen dürfte.
Insgesamt werden, geht man nach den Verkaufszahlen der Medikamente, derzeit in
Deutschland ca. 5.000 Patienten mit Protease-Inhibitoren und ca. 12.000 überhaupt
antiretroviral behandelt. Dies entspräche
etwa 50% der in kontinuierlicher ärztlicher
Betreuung befindlichen HIV-Infizierten.
Wenn diese Schätzungen zutreffen,
würde derzeit ein Anteil von ca. 20% der
in kontinuierlicher ärztlicher Betreuung
befindlichen HIV-Infizierten und AIDSKranken in Deutschland mit den allgemein als am wirksamsten geltenden
Dreifachkombinationen behandelt. Daß
der Anteil nicht größer ist, hat sicherlich
mehrere Gründe:
Ein erheblicher Teil der in ärztlicher
Überwachung befindlichen Patienten
dürfte symptomfrei sein und Laborwerte
aufweisen, die in den Augen von Behandlern und/oder Patienten ein Abwarten ohne therapeutische Maßnahmen
rechtfertigen.
Viele HIV-Infizierte dürften die Einschränkungen und Belastungen einer Dreifachkombinationstherapie scheuen, v. a.
wenn sie keine auffällige Krankheitssymptomatik aufweisen und mit Zweifachkombinationen bereits niedrige Viruskonzentrationen erreicht werden.
Bei HIV-Infizierten, bei denen die
behandelnden Ärzte befürchten, daß sie
zu einer konsequenten Einnahme einer
Dreifachkombination
mit
einem
Protease-Inhibitor nicht bereit oder in der
Lage sind, kann es durchaus sinnvoller
sein, zunächst mit einer Zweifachkombination zu behandeln und damit das
Risiko einer raschen Resistenzentwicklung gegen Protease-Inhibitoren zu
vermeiden.
Vor allem bei HIV-infizierten i. v.
Drogengebrauchern und Patienten, die
eine
Methadon-Substitutionstherapie
erhalten, kann die Befürchtung, daß
Wechselwirkungen und Interaktionen
zwischen Protease-Inhibitoren und
Opiaten auftreten, den Einsatz von
Protease-Inhibitoren hinauszögern.
Auch bei AIDS-Patienten, bei denen
Prophylaxen
oder
Behandlungen
opportunistischer Infektionen notwendig
sind, kann die Unsicherheit bezüglich
Medikamenteninteraktionen bei Gabe
von Protease-Inhibitoren ein Grund für
das Nicht-Einsetzen dieser therapeutischen Option sein.
Nicht alle Ärzte, die HIV-Patienten
betreuen, haben die rasanten Änderungen
der
letzten
beiden
Jahre
im
Therapiebereich bereits nachvollzogen.
HIV-Infizierte, die von ihrer Infektion
nicht wissen oder sich nicht in kontinuierlicher ärztlicher Behandlung
befinden, können ohnehin von den
therapeutischen Möglichkeiten nicht
profitieren.
Zu einer zurückhaltenden Akzeptanz der
neuen Behandlungsoptionen bei Ärzten
und Patienten trägt sicherlich auch bei,
daß viele Fragen der antiretroviralen
BTXcT %&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
Therapie noch ungeklärt und umstritten
sind. Dazu zählen in erster Linie:
optimaler Zeitpunkt für einen Behandlungsbeginn,
Unsicherheit bezüglich der therapeutischen Strategien (sofortiger Einsatz der
wirksamsten Kombinationen oder Aufsparen potenter Substanzen für den Fall
eines Versagens des primären Therapieregimes),
Wirkungsdauer und Langzeitverträglichkeit von Kombinationstherapien.
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Erste Untersuchungen zur Entwicklung
von AIDS-Neuerkrankungen und AIDSTodesfällen in den USA weisen auf einen
deutlichen Rückgang der AIDS-Todesfälle im Jahre 1996 hin, zeitgleich zum
Verfügbarwerden mehrerer neuer Medikamente, insbesondere der ProteaseInibitoren. In New York sank die Rate der
AIDS-Todesfälle pro Tag von ca. 20/Tag
im November 1995 auf ca. 10/Tag im
November 1996. Besonders auffällig war
der Rückgang ab dem Zeitpunkt der
Zulassung zweier Protease-Inhibitoren im
Frühjahr 1996.
Ähnlich deutliche Rückgänge bei den
AIDS-Todesfällen werden auch aus
anderen US-amerikanischen Großstädten
berichtet.
Eine französische Untersuchung verglich die Zahl und Rate neuer AIDS-definierender Ereignisse bei den in mehreren
großen Behandlungszentren betreuten
Patienten im Herbst ’95 mit dem Vergleichszeitraum im Herbst ’96: im
Herbst ’96 wurden, verglichen mit dem
Vorjahr, ca. 30% weniger AIDS-Neuerkrankungen registriert. Am deutlichsten
war der Rückgang in den Behandlungszentren, die am intensivsten die neu zur
Verfügung stehenden Protease-Inhibitoren einsetzten. !
Auch in Deutschland liegt die Zahl der
AIDS-Fallmeldungen im Laufe des
Jahres 1996 um 8% niedriger als im Vorjahr. Erste vorläufige Zahlen zu den
AIDS-Todesfällen in Berlin legen
ebenso wie in den USA einen deutlichen
Rückgang im Jahre 1996 gegenüber dem
Vorjahr nahe. Berichte aus Kliniken und
Praxen bestätigen ebenfalls, daß die Zahl
der Patienten mit AIDS-Komplikation
und schnell progredienten Krankheitsverläufen zurückgegangen ist.
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Die Wirksamkeit der neuen Kombinationstherapien hängt ab vom Ausmaß des
Immundefektes bei Behandlungsbeginn,
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von Art und Umfang der Vorbehandlung
sowie von der Compliance der Patienten,
die Geschwindigkeit und Ausmaß der
Resistenzentwicklung beeinflußt. Darüber
hinaus spricht nicht jeder Patient gleich gut
auf die Protease-Inhibitoren an oder, anders
ausgedrückt, die Protease-Inhibitoren sind
nicht gegen alle Virusvarianten, die bei
Infizierten vorkommen können, gleich aktiv.
In einer französischen Beobachtungsstudie mit etwa 500 Teilnehmern, von
denen alle zu Beginn der Studie weniger
als 200 T-Helferzellen aufwiesen und
mehr als 55% bereits eine AIDS-definierende Erkrankung erlebt hatten, konnte
durch Einsatz eines Protease-Inhibitors
die Viruskonzentration bei rund der
Hälfte der Teilnehmer in den ersten beiden Behandlungsmonaten unter die
Nachweisgrenze von 500 Virus-RNSKopien/ml Plasma gesenkt werden.
5 – 6 Monate nach der Behandlungsumstellung lag die Viruskonzentration nur
noch bei 30% der Teilnehmer unter der
Nachweisgrenze. Die Bedingungen, unter
denen Protease-Inhibitoren in dieser Studie
zum Einsatz kamen, waren jedoch nach
heutigem Verständnis suboptimal: 12%
erhielten eine Monotherapie mit einem
Protease-Inhibitor, 9% eine Zweifachkombination von Protease- und RT-Inhibitor und 79% eine Dreifachkombination
von einem Protease- und zwei RT-Inhibitoren. Nur bei 17% der Patienten war
zusammen mit der Umsetzung auf einen
Protease-Inhibitor auch ein Wechsel von
mindestens einem RT-Inhibitor erfolgt. "
Eine vor kurzem abgebrochene Studie zum Vergleich einer Zidovudin + Lamivudin-Kombinationstherapie mit einer
Dreifachkombination von Zidovudin +
Lamivudin + Indinavir bei Patienten, die
bei Studieneintritt weniger als 200 THelferzellen/µl aufwiesen und von den
Studienmedikamenten höchstens mit Zidovudin vorbehandelt sein durften (sog.
ACTG-320-Studie, s. Tab. 1), belegt zwar
eindrucksvoll die Überlegenheit der
Dreifachkombination, zeigt jedoch auch,
daß in dieser relativ fortgeschrittenen
Patientenpopulation mit den heutigen
Therapiestrategien Krankheitsprogression
und Tod zwar häufig aufgeschoben werden, nicht aber gänzlich zu verhindern sind.
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Die am besten studierten Nukleosidanaloga-Kombinationen sind Zidovudin +
Didanosin / + Zalcitabin oder + Lamivudin. Eine Reihe von kleineren Studien
und Verlaufsbeobachtungen zeigt den
Zidovudin-Kombinationen durchaus vergleichbare Wirksamkeiten der Kombinationen Stavudin + Lamivudin sowie Stavudin + Didanosin. (Wegen additiver
Toxizität und/oder ungünstiger Wechselwirkungen bei der Metabolisierung sind
folgende Kombinationen ]XRWc sinnvoll:
Didanosin + Zalcitabin, Zalcitabin + Lamivudin, Zidovudin + Stavudin, Zalcitabin + Stavudin). In der täglichen Behandlungspraxis erweist sich Stavudin als
zunehmend ernster werdender Konkurrent für Zidovudin. Vorteil des Stavudin
sind die bessere gastrointestinale Verträglichkeit und die fehlende Knochenmarkstoxizität. Hauptnebenwirkung des
Stavudin sind periphere Neuropathien,
die häufiger bei niedrigen T-Helferzellzahlen auftreten. Insbesondere bei Kombination mit Didanosin besteht das
Ri1siko der Entwicklung einer Pankreatitis. Der bislang noch ausstehende Kopfan-Kopf-Vergleich von Zidovudin mit
Stavudin in Kombinationstherapien erfolgt derzeit im Rahmen einer internationalen Vergleichsstudie.
Der Blick auf die Resultate von Studien und Anwendungsbeobachtungen
mit Nukleosidanaloga-Zweifachkombinationen erlaubt folgende Schlußfolgerungen: (s. Tab. 2, Seite 71)
Nur bei einer Minderheit der Behandelten wird die Viruslast im Plasma
durch eine Zweifachkombination unter
die Nachweisgrenze der aktuell verfügbaren Testverfahren gedrückt (d. h. unter
200 – 500 Kopien/ml), und selbst wo ein
derartiger Abfall erfolgt, ist er in der Regel
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weniger langlebig als bei Dreifachkombinationen.
Bei vorbehandelten Patienten sind
Rückgang der Viruslast und CD4-Zellanstieg in der Regel deutlich schwächer
ausgeprägt als bei Therapie-naiven Patienten, auch wenn die Kombination vollständig gewechselt wird.
Diese Beobachtung gilt auch für Dreifachkombinationen unter Einschluß
eines der neuen Protease-Inhibitoren: Je
intensiver Patienten vorbehandelt sind,
desto schwächer und kurzfristiger werden die Behandlungseffekte, wobei diese
Unterschiede nicht durch eine unterschiedliche Ausgangslage bezüglich
Viruslast und/oder T-Helferzellzahl
plausibel erklärbar sind. Ob ein frühzeitiges Umstellen von einer versagenden
Nukleosid-Zweifachkombination auf eine
neue Dreifachkombination mit dem Ziel
maximaler Virussuppression bei noch
vergleichsweise niedriger Viruslast zu
besseren Ergebnissen führt, bliebe zu
demonstrieren.
Welche Optionen gibt es, die Wirksamkeit von Behandlungskombinationen zu verbessern, ohne sofort Protease-Inhibitoren zu verwenden?
Untersuchungen zur Kombination von
Stavudin, Didanosin und Hydroxurea
(einem aus der Tumortherapie bekannten
Medikament) weisen auf eine im Vergleich zur Kombination ohne Hydroxurea ausgeprägtere und länger anhaltende
Suppression der Virusreplikation hin. Allerdings verhindert die Kombination mit
Hydroxurea offensichtlich eine Zunahme
der T-Helferzellen und kann bei einigen
Patienten eine Neutropenie begünstigen.
Dieser Behandlungsansatz sollte daher
eher früheren Stadien eines beginnenden Immundefektes vorbehalten bleiben.
Eine weitere Alternative kann die
Kombination mit nichtnukleosidischen
RT-Inhibitoren (NNRTI) darstellen. Die
vor kurzem vorgestellten Ergebnisse der
Avanti-I-Studie, ein Vergleich der Kombination von Zidovudin + Lamivudin mit
einer Triple-Therapie aus Zidovudin,
Lamivudin und Lovirid bei nicht vorbehandelten Patienten, liefern einen
Anhaltspunkt dafür, daß NNRTIs die
Dauer der Wirksamkeit solcher Kombinationen verlängern können. Zwar war
der Rückgang der Viruslast in beiden
Behandlungsarmen vergleichbar, aber
während nach einem Jahr Therapie im
Zweifachkombinationsarm nur noch
11% der Teilnehmer eine Viruslast
unterhalb der Nachweisgrenze von
500 Kopien/ml aufwiesen, waren es im
Dreifachkombinationsarm mit 20% noch
nahezu doppelt so viele. #
BTXcT &
Prinzipiell besteht natürlich auch die
Möglichkeit, NNRTIs in Drei- oder Vierfachkombinationen zusammen mit Protease-Inhibitoren einzusetzen. Die bisher
zu beobachtende Zurückhaltung beim
Einsatz solcher Kombinationen ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß
deutliche Einflüsse auf die Metabolisierung der Protease-Inhibitoren erwartet
werden müssen, auf die in vielen Fällen
wahrscheinlich mit Dosisänderungen
reagiert werden muß. Die Herstellerfirmen aber haben es versäumt, frühzeitig
solche Wechselwirkungen zu untersuchen. Erst jetzt werden allmählich erste
entsprechende Untersuchungsergebnisse
publik, wobei mehrwöchige Untersuchungen meist noch nicht abgeschlossen sind.
Aus der Not geborene erste firmenunabhängige Pilotstudien legen indes
nahe, daß derartige PI-NNRTI-Kombinationen auch noch bei intensiv vorbehandelten Patienten sinnvolle Behandlungsoptionen darstellen können:
Eine kanadische Open-label-Studie bei
intensiv vortherapierten Patienten mit
weniger als 50 CD4-Zellen/µl ergab unter
einer Triple-Therapie mit üblichen Dosierungen von Indinavir, Nevirapin und
Lamivudin einen Rückgang der Viruslast innerhalb der ersten 8 Wochen um
2,43 log-Stufen, wodurch die Viruskonzentration bei 5 von 10 Patienten unter
die Marge von 500 Kopien/ml gesenkt
werden konnte.
Medikamentenwechselwirkungen sind
aber nicht nur bei der Kombination von
PIs und NNRTIs zu erwarten, sondern
auch bei einer Kombination von zwei
Protease-Inhibitoren. Paradebeispiel dafür
ist die Kombination von Ritonavir und
Saquinavir, bei der durch die medikamentenbedingte Hemmung eines Lebercytochroms auch bei niedriger Dosierung
und trotz schlechter Bioverfügbarkeit
hohe Wirkspiegel von Saquinavir erzielt
werden. Vergleichbare, wenn auch weniger starke Wechselwirkungen gibt es
zwischen dem gerade in den USA zugelassenen neuen Protease-Inhibitor Nelfinavir und den bereits auf dem Markt befindlichen
Substanzen
Saquinavir,
Ritonavir und Indinavir. Prinzipiell gibt
es Wechselwirkungen auch zwischen
Indinavir sowie Ritonavir und Saquinavir.
Die Kombination Indinavir + Saquinavir
verhält sich in vitro aber aus nicht ganz
geklärten Gründen antagonistisch und ist
daher nicht zu empfehlen.
Die Kombination von Protease-Inhibitoren könnte insbesondere zu einer patientenfreundlichen, zweimal täglichen Dosierung führen. Ob sich bei bestimmten
Kombinationen auch Vorteile bezüglich
der Resistenzbildung ergeben, bleibt abzuwarten. Auch läßt sich das Ausmaß der
Nebenwirkungen noch nicht befriedigend abschätzen. Erschwert wird eine
rationale Kombination von ProteaseInhibitoren derzeit auch noch durch
fehlende Informationen zu geeigneten
Dosierungen und dadurch, daß es offenbar erhebliche interindividuelle Unterschiede bei den Metabolisierungsraten
gibt, so daß eine Dosierung, die für einen
Patienten optimal sein mag, beim anderen zu toxischen Serumspiegeln führt.
Eventuell wird ein routinemäßiger Einsatz solcher Kombinationen daher von
der Möglichkeit einer gleichzeitigen
Plasmaspiegelbestimmung abhängen.
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Mehrere Untersuchungen weisen mittlerweile darauf hin, daß durch Kombinationstherapien nicht nur die Viruskonzentration im Blutplasma, sondern
auch im lymphatischen Gewebe, in der
Darmschleimhaut, $%& in den Genitalschleimhäuten und -sekreten vermindert
werden kann. Im Lymphgewebe ist ein
Rückgang der Virusbelastung in der
Regel aber nur bei Einsatz von ProteaseInhibitoren und einer Reduktion der Viruslast im Blutplasma unter die gegenwärtigen
Nachweisgrenzen (< 500 Kopien/ml) nachzuweisen.
Mit
NukleosidanalogaZweifachkombinationen wird die Virusreplikation im lymphatischen Gewebe
dagegen meist nicht ausreichend reduziert.
Auch wenn im Blutplasma nur noch eine
niedrige Viruslast (< 10.000 Kopien/ml)
nachweisbar bleibt, wird die Virusbelastung der lymphatischen Gewebe nach
den bisherigen Beobachtungen nicht
wesentlich vermindert.
Lymphknotenuntersuchungen bei einem
Probandenkollektiv, das mit sehr hohen
Dosen des Protease-Inhibitors Saquinavir
behandelt wurde (3.600 – 7.200 mg/Tag ),
weisen darauf hin, daß die Dauer des Therapieerfolges mit dem Ausmaß der bei
Therapiebeginn feststellbaren Schädigung
der Lymphknotenarchitektur korreliert ist. '
Dies könnte als Argument für den
Beginn einer Kombinationstherapie nicht
erst im Stadium eines fortgeschrittenen
Immundefektes gewertet werden.
Die im Blut meßbaren Laborparameter
normalisieren sich unter erfolgreicher
Kombinationstherapie nur zum Teil:
Dem Rückgang der Viruslast folgt in der
Regel ein Anstieg der T-Helfer- und
T-Suppressorzellzahlen. Dabei steigt
sowohl die Zahl der sog. naiven T-Zellen
wie auch die der Gedächtniszellen. ( Das
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Zellrepertoire, in welches die HIV-Infektion zunehmend Lücken reißt, wird aber,
zumindest in den bisher vorliegenden
Beobachtungszeiträumen, nicht wieder
aufgefüllt. Die Zunahme der Zellzahlen beruht also im wesentlichen auf
der Expansion der noch vorhandenen
Zellen. Was dies für die Funktionsfähigkeit des Immunsystems bedeutet, ist
noch nicht ganz klar. Es gibt eine Reihe
von Fallberichten, nach denen Patienten,
die bereits an opportunistischen Infektionen erkrankt waren, trotz eines deutlichen Anstiegs der T-Helferzellzahlen
ein Rezidiv erlitten. ! BTZd]Sxaprophylaxen, etwa gegen PcP oder CMV, sollten
daher auch bei einer nach virologischen
und immunologischen Parametern erfolgreichen Kombinationstherapie fortgesetzt
werden. Andererseits gibt es jedoch auch
eine Reihe von Fallberichten, bei denen
klinische Remissionen opportunistischer
Infektionen ohne spezifische Therapie
allein nach Beginn potenter Kombinationstherapien beschrieben werden: Es
handelt sich um Fälle von Kryptosporidiose, Mikrosporidiose (Durchfallerkrankungen),
Parvovirus–B19bedingter Anaemie, progressiver multifokaler Leukenzephalopathie (PML –
eine durch ein Virus ausgelöste
UnterGehirnentzündung). " # $ % &
schiedliche Angaben finden sich zum
Kaposi-Sarkom: Eine Reihe von Autoren
berichten über Remissionen des KaposiSarkoms unter potenter antiretroviraler
Kombinationstherapie. ' Eine australische Studie, bei der Kaposi-Patienten
mit einer Ritonavir-Monotherapie behandelt wurden, ( zeigte allerdings keine
positiven Effekte, obwohl T-Helfer- und
T-Suppressorwerte deutlich angestiegen
BTXcT &!
waren (+ 147 bzw. + 379 Zellen/µl).
Theorethisch erscheint ein positiver
Effekt der antiretroviralen Kombinationstherapie auf den Verlauf des
Kaposi-Sarkoms durchaus plausibel, da
das tat-Protein von HIV wahrscheinlich
das Wachstum von Kaposi-Sarkomen
stimuliert. Es wird spekuliert, daß ProteaseInhibitoren eventuell sogar eine eigene
Wirkung auch gegen das Kaposi-assoziierte Herpes-Virus besitzen könnten.
Zu den günstigen klinischen
Konsequenzen einer erfolgreichen HIVSuppression mittels Kombinationstherapien zählen weiterhin deutliche
Gewichtszunahmen, deutliche Zunahmen von Thrombo- und Leukozytenzahlen bei thrombo- und leukopenischen HIV-Patienten ! sowie die
Normalisierung verschiedener Immunsystem-Aktivierungsmarker !
In Ausnahmefällen kann der an sich
erwünschte Anstieg der Lymphozytenzahl jedoch auch nachteilige Konsequenzen haben:
In Einzelfällen wird z. B. über das
Wiederauftreten von Überempfindlichkeitsreaktionen auf TMP/SMX nach
vorangegangener Desensibilisierungsbehandlung und dadurch erreichter Verträglichkeit berichtet, !! in einigen Fällen
kam es nach Beginn einer Kombinationstherapie zur akuten Exazerbation von zuvor offenbar maskierten Infektionen
durch atypische Mykobakterien. !"!# Ein
ähnliches Phänomen wurde bei Ko-Infektion mit Hepatitis B beobachtet. Ein
HIV-Patient mit chronischer Hepatitis B
entwickelte nach Beginn einer ProteaseInhibitor-Therapie Symptome einer akuten
Hepatitis mit Erhöhung der Leberenzyme. Eine Leberbiopsie lieferte keinen
Anhalt dafür, daß die Leberentzündung
medikamentenbedingt gewesen sein könnte.
Serologisch kam es im weiteren Verlauf
zum Verschwinden des zuvor nachweisbaren HBe-Antigens und einem Anstieg
der Anti-HBc- und Anti-HBe-Titer. !$
5RdAc`S]V^gVcdTYZVUV_VcGZcfd
\`^aRce^V_edZ_dSVd`_UVcVUVdK?D
Ein Fallbericht beleuchtet exemplarisch
das Problem verschiedener Kompartments, in denen sich das Virus aufhalten
kann: !% Ein mehrere Jahre mit Zidovudin, zeitweise kombiniert mit Didanosin
und Zalcitabin vorbehandelter AIDSPatient wurde im Juni ’96 auf eine Dreifachkombination von Zidovudin, Lamivudin und Indinavir umgesetzt, unter der
die Viruslast im Plasma unter die TestNachweisgrenze von 200 Kopien/ml absank. Im August ’96 entwickelte er jedoch
eine ZNS-Symptomatik. Bei der Liquoruntersuchung wurde eine extrem hohe
Viruskonzentration von über 1 Million
Viruskopien/ml bei weiterhin negativem
Befund im Plasma festgestellt. Dieser
Fall verweist auf die Problematik der
Liquorgängigkeit von Medikamenten.
Nach derzeitiger Kenntnis besitzen
nur Zidovudin, Stavudin und Nevirapin
eine ausreichende Liquorgängigkeit. Bei
allen anderen bislang zugelassenen Substanzen ist es unklar oder fraglich, ob sie
im ZNS ausreichend hohe Wirkspiegel
erreichen.
Vergleichende Untersuchungen zur
Viruslast und zu Aktivierungsmarkern
wie z. B. Neopterin im Liquor unter
Zidovudin- oder Didanosin-Therapie
zeigen günstige Auswirkungen von
Zidovudin auf diese Parameter, nicht
jedoch von Didanosin. !&
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
Eine niederländische Untersuchung legt
nahe, daß die Kombinationen Zidovudin +
Lamivudin sowie Stavudin + Lamivudin
bezüglich ihrer ZNS-Wirkspiegel gleichwertig sind. Ob Nevirapin als einziges
liquorgängiges Medikament in einem
Kombinationsschema einen ausreichenden Schutz vor ZNS-Manifestationen gewähren kann, ist unklar und hängt von
der Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung im ZNS-Kompartment
ab. !'!(
CVdZdeV_kV_ehZT\]f_XXVXV_
R_eZcVec`gZcR]V>VUZ\R^V_eV
Befürchtungen, der verbreitete Einsatz von
Lamivudin in primär eingesetzten Zweifachkombinationen könnte die spätere Verwendung von Didanosin und Zalcitabin auf
Grund der Resistenzmutation am
Kodon 184 einschränken, sind nach Untersuchungen einer deutsch-belgischen Studiengruppe nur teilweise begründet. Die
Gruppe konnte bei 37 phänotypisch gegen
Lamivudin resistenten Virusisolaten in
6 Fällen eine Kreuzresistenz gegen Zalcitabin und in 2 Fällen eine Kreuzresistenz
gegen Didanosin feststellen. In allen Fällen
handelte es sich um eine relativ geringgradige (< 6fache) Resistenz. In allen
Fällen von Kreuzresistenz bestand gleichzeitig eine Resistenz auch gegen
Zidovudin. "
Bei umgekehrter Reihenfolge, d. h.
Einsatz von Lamivudin erst sekundär,
könnte es eventuell aber Probleme
geben. In einer kleinen italienischen Studie wurde untersucht, wie die Antwort
auf eine Zidovudin+Lamivudin-Therapie
bei Patienten ausfällt, die entweder
längere Zeit mit Zidovudin + Didanosin
(mittlere Behandlungsdauer 14 Monate)
oder mit Zidovudin + Zalcitabin (mittlere
Behandlungsdauer knapp 10 Monate) vorbehandelt worden waren. In der – allerdings nur 19 Patienten umfassenden –
Studie wurde der klinische Verlauf und
das Verhalten der T-Helferzellzahlen in
den beiden Gruppen nach Wechsel auf
Lamivudin beobachtet. In der mit Zalcitabin vorbehandelten Gruppe waren drei
Monate nach der Umstellung auf Lamivudin die T-Helferzellwerte bei sieben
von zehn Patienten niedriger als vor der
Umstellung, nur bei dreien zeigte sich
ein positiver Effekt. In der mit Didanosin
vorbehandelten Gruppe wurde dagegen
bei acht von neun Patienten ein Anstieg
der T-Helferzellzahlen registriert, nur bei
einem ein Abfall. " Falls diese Beobachtung durch Analysen aus anderen
Studien (z. B. der Delta-Studie) bestätigt
werden sollte, würde dies gegen den Einsatz von Zalcitabin in einem initialen
Therapieregime sprechen.
InfFo 88(&
Andere Studien zeigen jedoch, daß sich
auch unter einer Didanosin-Therapie
eine Resistenzmutation am Kodon 184
ausbilden kann, die zu einer Kreuzresistenz mit Lamivudin führen könnte.
Didanosin-Resistenzmutationen können
eine Kreuzresistenz auch gegen Zalcitabin bewirken. Darüber hinaus gibt es
Hinweise auf Kreuzresistenzen zwischen
Didanosin und Zidovudin, wobei z. T.
aber nicht auszuschließen ist, daß die
entsprechenden Patienten auch mit Zidovudin behandelt wurden. "!
Allerdings gibt es auch ernstzunehmende Stimmen, die gegen einen Einsatz
von Lamivudin in initialen Nukleosidanaloga-Zweifachkombinationen argumentieren und dafür plädieren, Lamivudin nur in maximal suppressiven
Kombinationsschemata einzusetzen, um
die in Zweifachkombinationen nahezu
regelmäßig erfolgende 184er Resistenzmutation zu vermeiden.
Unter einer Stavudin-Didanosin-Kombinationstherapie ließ sich nach einer
durchschnittlich 10monatigen Behandlungsdauer bei 3 von 11 Virusisolaten
eine verminderte Empfindlichkeit auf
Didanosin und bei einem von 8 Isolaten
gegenüber Stavudin feststellen. In allen
Fällen handelte es sich um eine relativ
geringe, 3 – 7fache Abnahme der
Empfindlichkeit. ""
Die Resistenzmuster der derzeit in
klinischer Entwicklung befindlichen
Nukleotidanaloga PMPA und Adefovir
(bis POM-PMEA) sind noch nicht völlig geklärt. In vitro zeigen Zidovudinresistente, Zidovudin+Lamivudin-resistente sowie Nukleosidanaloga-mehrfachresistente Virusisolate auch eine verminderte Ansprechrate auf PMPA. "#
Ein noch größeres Problem stellen
Kreuzresistenzen bei den Protease-Inhibitoren dar. Bei allen derzeit zugelassenen Substanzen ist mit hohen Raten von
Kreuzresistenzen zu rechnen: Untersucht
man Virusisolate von Patienten, die gegen einzelne Protease-Inhibitoren resistent geworden sind, in Zellkulturen auf
ihre Empfindlichkeit gegenüber anderen
Medikamenten dieser Substanzklasse,
ergibt sich folgendes Bild:
Virusisolate resistent gegen:
BP`dX]PeXa) 10 von 12 Isolaten zeigen
kompletten oder teilweisen Verlust der
Empfindlichkeit auf andere ProteaseInhibitoren.
AXc^]PeXa) Die meisten oder gar alle
Ritonavir-resistenten Isolate zeigen in vitro auch kein Ansprechen mehr auf Indinavir und Nelfinavir.
8]SX]PeXa) Indinavir-resistente Isolate
weisen in vitro zu 100% eine Kreuzresistenz gegenüber Ritonavir und Nelfinavir
auf, zu 80% eine Kreuzresistenz gegen
141W, einen noch in klinischer Entwicklung befindlichen Protease-Inhibitor von
GlaxoWellcome, und zu 60% eine Kreuzresistenz gegen Saquinavir.
=T[UX]PeXa)Fünf Isolate mit der Nelfinavir-typischen Resistenzmutation am
Kodon 30 (D 30 N) sprachen in vitro
noch auf die drei Protease-Inhibitoren
Saquinavir, Ritonavir und Indinavir an.
All diese Befunde haben vorläufigen
Charakter. Die Zwischenergebnisse
einer ersten klinischen Studie, bei der
Protease-Inhibitoren sequentiell eingesetzt wurden, nähren allerdings die Befürchtung einer zumindest teilweisen
Kreuzresistenz. Die ACTG-333-Studie
untersuchte die Auswirkungen einer
Therapieumstellung von Saquinavir auf
1) eine neue, besser bioverfügbare Form
von Saquinavir, und 2) auf Indinavir
nach längerer Vorbehandlung mit Saquinavir (mindestens 48 Wochen); s. Tab. 3. Die
Therapie mit zusätzlichen Nukleosidanaloga durfte in den ersten 8 Wochen nach
Umstellung des Protease-Inhibitors nicht
verändert werden. Eine Zwischenanalyse
der auf eine Dauer von 52 Behandlungs-
BP`dX]PeXa:P_bT[ BP`dX]PeXaB^Uc6T[
8]SX]PeXa
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BTXcT &"
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
wochen angelegten Studie wurde durchgeführt, nachdem 72 Teilnehmer die ersten
acht Wochen nach Umstellung durchlaufen hatten. Die Behandlungsdauer
nach Studieneintritt für diese Teilnehmer
betrug im Mittel 18 Wochen (zwischen
12 und 22 Wochen). Die Probanden hatten
im Mittel eine 112wöchige SaquinavirVorbehandlung hinter sich. Zum Zeitpunkt des Wechsels von Saquinavir
(Kapsel) auf die neue Version von
Saquinavir (Soft-Gel-Version) bzw. auf
Indinavir betrug die HIV-RNS-Kopienzahl im Mittel 20.911 Kopien/ml und die
T-Helferzellzahl lag bei 222 Zellen/µl.
Tabelle 3 zeigt die Veränderungen der
Viruskopien- bzw. T-Helferzellzahl
8 Wochen nach Therapieumstellung im
Vergleich zu einer Fortführung der
Behandlung mit Saquinavir (Kapseln).
Die Mittelwertveränderungen fielen
niedriger aus, als im Rahmen der Studie
als relevanter Effekt definiert worden
war (dafür hätte ein Rückgang der Viruslast um mindestens 0,7 log erreicht werden müssen). Die Veränderungen nach
Umstellung auf Indinavir sind zudem die
geringsten, die in einer Studie mit dieser
Substanz bislang registriert wurden. Dazu
könnte natürlich beigetragen haben, daß
durch die Umstellung lediglich des Protease-Inhibitors nur eine über das bisherige Therapieregime hinausgehende
Wirkung des Indinavir gemessen wird.
Die bisher bekanntgewordenen Ergebnisse legen jedoch nahe, daß bei einem
Teil der Probanden durchaus ein gutes
Ansprechen auf Indinavir zu beobachten
war (gemessen am Anteil der Teilnehmer
mit Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze), was implizieren würde, daß der
andere Teil der Teilnehmer schlecht oder
gar nicht reagiert hat. Falls dies zutrifft
(was anhand der bislang publizierten
Informationen nicht zu entscheiden ist),
wäre die plausibelste Erklärung dafür die
teilweise Ausbildung einer Kreuzresistenz. Weitere Ergebnisse wie auch
die genotypischen und phänotypischen
Resistenzbestimmungen von Virusisolaten der Studienteilnehmer müssen
daher abgewartet werden. Von Interesse
wird auch sein, wie lange der therapeutische Effekt bei den Teilnehmern, die
auf Indinavir angesprochen haben, anhält. Hinzuweisen wäre auch noch
darauf, daß im Unterschied zum Vorgehen in dieser Studie nach heutiger
Kenntnis bei einem Wechsel der Therapie nicht nur ein Medikament, sondern
mindestens zwei ausgewechselt werden
sollten.
Angesichts der einander so ähnlichen
Interaktionen der Protease-Inhibitoren
BTXcT &#
mit dem Protease-Enzym und der angeführten Untersuchungen zur Kreuzresistenz sind Aussagen wie »Bei Behandlung
mit dem Protease-Inhibitor X sind keine
Kreuzresistenzen mit den ProteaseInhibitoren Y oder Z zu erwarten« in dieser
Absolutheit aber nun sicher nicht mehr
haltbar.
Schwierigkeiten für die Bewertung
und Vorhersage von Kreuzresistenzen
ergeben sich außerdem auch aus der unterschiedlichen Ausgangssituation bei
verschiedenen Patienten und der individuell unterschiedlich verlaufenden Akkumulation von Resistenzmutationen. Genotypische Untersuchungen zur Prävalenz
von Mutationen im Protease-Gen, die mit
Resistenzentwicklung korreliert sind, zeigen bei nicht mit Protease-Inhibitoren
vorbehandelten Patienten bei 20 – 25%
der Patienten das Vorhandensein einer
oder mehrerer solcher Mutationen. "$ Dies
könnte bedeuten, daß der Weg zur Resistenzbildung von vornherein bei verschiedenen Patienten unterschiedlich
lang ist oder, anders ausgedrückt, daß die
Protease-Inhibitoren von vornherein eine
unterschiedlich ausgeprägte Hemmwirkung auf die vorgefundene Viruspopulation ausüben.
Neben der genetischen Variabilität,
die durch die Quasi-Spezies-Eigenschaften der HIV-Population innerhalb eines
Individuums entsteht, haben möglicherweise auch die verschiedenen HIV-Subtypen unterschiedliche Resistenzmuster
gegen antivirale Medikamente. Darauf
weisen ungewöhnliche, mit Resistenzentwicklung korrelierte Mutationen bei
Zidovudin-behandelten, mit Subtyp E
infizierten Thais hin. "%"&
<]Z_ZdTYV<`_dVbfV_kV_VZ_Vc
CVdZdeV_kV_ehZT\]f_XXVXV_
Ac`eVRdV:_YZSZe`cV_
Bei einer Reihe von Patienten, die mit
Protease-Inhibitoren behandelt werden
und bei denen virologische Parameter
eine Resistenzentwicklung nahelegen
(Rückkehr der Viruslast zum Ausgangspunkt) kommt es zu einer Dissoziation
zwischen Viruslast und T-Helferzellzahl,
d. h. obwohl die Viruslast wieder ansteigt, bleiben die T-Helferzellzahlen auf
erhöhtem Niveau stabil. Eine der möglichen Erklärungen dafür könnte sein,
daß die Resistenzentwicklung in diesen
Fällen mit einer Abschwächung der
Virulenz des Virus einhergeht. In der Tat
geben Zellkulturuntersuchungen Hinweise darauf, daß eine Resistenzentwicklung gegen Protease-Inhibitoren mit einem
Verlust
an
Virus-Fitneß
einhergeht. "' Dieser durch Resistenz-
mutationen im Protease-Gen bedingte
Verlust kann aber anscheinend durch
weitere Mutationen kompensiert werden.
Diese betreffen den Bereich der viralen
Proteine, an denen die Protease das virale
Vorläufer-Protein zerschneidet. "(# Welche Konsequenzen aus einem virologischen Versagen einer Protease-Inhibitor-Therapie bei anhaltendem Effekt
auf die T-Helferzellzahl zu ziehen sind,
ist derzeit, gerade auch angesichts des
Mangels an alternativen Behandlungsoptionen, noch nicht zu beantworten.
:_eVcR\eZ`_V_khZdTYV_Ac`eVRdV
:_YZSZe`cV_f_U_ZTYe_f\]V`dZUZdTYV_
CVgVcdVEcR_d\cZaeRdV:_YZSZe`cV_^Ze
Z]]VXR]V_8V_f–Uc`XV_
Es ist bekannt, daß Protease-Inhibitoren
und NNRTIs behandlungsrelevante
Interaktionen mit einer Reihe weiterer
Medikamente aufweisen können, die
durch dieselben Leberenzyme abgebaut
werden. Der Abbau durch Leberenzyme
ist einer von mehreren Punkten, wo
Medikamenteninteraktionen im Körper
auftreten können. Andere Punkte sind die
Aufnahme im Magen-Darmtrakt, die
Bindung an Eiweiße im Blut, die Aufnahme und Wirkung in Zellen sowie bei
der Ausscheidung über die Niere.
Informationen über Medikamentenwechselwirkungen werden (zum geringen
Teil) über klinische Interaktionsstudien
gewonnen, bei denen z. B. die Plasmakonzentrationen der betreffenden Substanzen
gemessen werden, zum größeren Teil werden entsprechende Angaben abgeleitet aus
dem vorhandenen Wissen über Abbaumechanismen für die in Frage kommenden
Substanzen. Über die Verstoffwechslung
illegaler Drogen ist jedoch oft wenig
bekannt, da entsprechende Studien schwer
oder gar nicht durchgeführt werden können. Ein weiteres Problem besteht darin,
daß die Zusammensetzung von Drogen,
die auf dem Schwarzmarkt erworben
werden, oftmals erheblichen Schwankungen unterliegt, ohne daß der Konsument dies weiß oder herausfinden kann.
Von den bislang zur HIV-Behandlung
eingesetzten Nukleosidanaloga sind relevante Wechselwirkungen mit Drogen nur
zwischen Zidovudin und Methadon bzw.
andern Opiaten bekannt (Erhöhung des
Zidovudin-Spiegels). Mit dem Verfügbarwerden von Protease-Inhibitoren und
NNRTIs, die z. T. erhebliche Auswirkungen auf die Verstoffwechslung anderer Substanzen und Medikamente durch
die Leber haben können, gewinnt das
Problem möglicher Interaktionen mit
illegalen Drogen oder Drogenersatzstoffen wie Methadon eine neue DimenInfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
<ˆV[XRWT8]cTaPZcX^]\Xc?a^cTPbT8]WXQ^c^aT] 3T[PeXaSX]SPAXc^]PeXae^]ST]?a^cTPbT8]WXQXc^aT]
SXTT]cb_aTRWT]ST];TQTaT]ih\TP\bcxaZbcT]WT\\cbX]SQTXSXTbTaBdQbcP]iPdRWSXTPdbVT_axVcTbcT]8]cTaPZcX^]T]idTafPacT]
eTa\dc[XRWZTX]TQTSTdcbP\T8]cTaPZcX^]cWT^aTcXbRW\ˆV[XRWQTXRWa^]XbRWT\0[Z^W^[\X”QaPdRW
ifTXQXbSaTXUPRWTa0]bcXTVSTa0\_WTcP\X]b_XTVT[d]cTaAXc^]PeXaCWTaP_XT\ˆV[XRW0]bcXTVQTXST]P]STaT]BdQbcP]iT]
TQT]UP[[bcWT^aTcXbRWST]ZQPa
8]cTaPZcX^]T]d]fPWabRWTX][XRW
ZTX]T0]VPQT]eTaUVQPacWT^aTcXbRW8]cTaPZcX^]T]ST]ZQPa]PRWQXbWTaXVT]4aUPWad]VT]ZPd\_aPZcXbRWaT[TeP]c
8]cTaPZcX^]T]d]fPWabRWTX][XRW
ifTXQXbSaTXUPRWTaB_XTVT[P]bcXTVd]cTaAXc^]PeXaX]4X]iT[Ux[[T]\TWa→C^STbUx[[TQTaXRWcTceTa\dc[XRW
bRWfxRWTaT8]cTaPZcX^]T]PdRW\XcST]P]STaT]?a^cTPbT8]WXQXc^aT]\ˆV[XRW
7Ta^X]<TcWPS^] B_XTVT[P]bcXTVd]cTa?a^cTPbT8]WXQXc^aT]→>_XPcS^bXbb^[[cTd\QXbid$ AXc^]PeXaaTSdiXTacfTaST]
;B3 ZTX]T0]VPQT]eTaUVQPacWT^aTcXbRW8]cTaPZcX^]T]ST]ZQPa
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CPQ #) 8]cTaPZcX^]T]ifXbRWT]X[[TVP[T]6T]d”Sa^VT]d]S?a^cTPbT8]WXQXc^aT]b^fXT3T[PeXaSX]
sion. So wurden in den vergangenen Monaten anekdotisch mehrere Todesfälle
von Personen berichtet, die in erster Linie auf eine gemeinsame Einnahme des
Protease-Inhibitors Ritonavir und der
synthetischen Droge Ecstasy (MDMA)
zurückgeführt werden. In der folgenden
Tabelle sind bekannte und denkbare
Wechselwirkungen aufgeführt. Von besonders großem praktischem Interesse
sind Wechselwirkungen mit Opiaten
(Heroin, Methadon), da ein nicht unerheblicher Teil der HIV-infizierten i. v.
Drogengebraucher diese Stoffe weiterhin
mehr oder weniger regelmäßig konsumiert, sowie Ecstasy und Amphetamine,
die in der Techno- und Schwulen-Subkultur relativ verbreitet sind.
Die Protease-Inhibitoren Ritonavir,
Indinavir, Saquinavir, Nelfinavir sowie
der NNRTI Delavirdin dürften den Abbau von Opiaten in unterschiedlichem
Maße verlangsamen, d. h. zu höheren
Plasmaspiegeln führen. Eine mangelnde
Berücksichtigung dieser Wechselwirkung kann ungünstigstenfalls zu gefährlichen
Überdosierungserscheinungen
führen. Der Ritonavir-Hersteller Abbott
empfiehlt für Methadon-Patienten eine
50 %ige Reduzierung der Methadondosis. Für die anderen Medikamente
liegen keine konkreten Dosierungsempfehlungen vor, MSD führt derzeit eine
Indinavir-Methadon-Studie durch.
Für Nevirapin gilt umgekehrt, daß es
die Verstoffwechslung durch Leberenzyme stimuliert, so daß im Falle von
Methadon eher höhere Dosen zur Vermeidung von Entzugserscheinungen
erforderlich werden könnten.
Auf die schwer kalkulierbaren Risiken
sollten mit Protease-Inhibitoren behandelte Patienten besonders bezüglich des
Konsums von Ecstasy und Amphetaminen hingewiesen werden. Besonders
gefährdet dürften Personen sein, bei
denen genetisch bedingt die Aktivität der
entscheidenden Leberenzyme unterdurchschnittlich niedrig ist.
InfFo 88(&
Am besten wäre natürlich der völlige
Verzicht auf diese Drogen. Falls dies
nicht erreichbar ist, sollten solche Substanzen zunächst in deutlich niedrigerer
Dosis als gewohnt eingenommen werden, um sich an eine noch tolerable
Dosierung heranzutasten. Problematisch
wird eine solche Strategie, wenn Substanzen aus verschiedenen Quellen mit
möglicherweise variierenden Wirkstoffgehalten konsumiert werden.
2fddZTYeV_WcVZ_V6cRUZ\ReZ`_g`_9:G
UfcTYR_eZcVec`gZcR]V<`^SZ_ReZ`_d
eYVcRaZV
In mehreren Studien in Europa und
Nordamerika werden derzeit Personen
mit Dreifachkombinationen behandelt,
bei denen mit der Therapie bereits während oder kurz nach der Phase einer symptomatischen akuten Primärinfektion mit
HIV begonnen werden konnte. Ziel dieser Studien ist die Prüfung der Hypothese, daß durch eine so frühzeitige konsequente antiretrovirale Therapie der
gesamte (zu diesem Zeitpunkt noch verhältnismäßig kleine) Pool virusinfizierter
Zellen allmählich ausgetrocknet werden
könnte.
In einer französischen Studie wurden
bislang 15 Personen über einen Zeitraum
von mehr als 3 Monaten mit der Kombination Zidovudin + Lamivudin + Ritonavir behandelt. Zwei der 15 erschienen
nicht mehr zu den vereinbarten Kontrolluntersuchungen, bei den übrigen 13
wurde bei 9 nach 12wöchiger Behandlung eine Reduktion der Viruslast unter
die Nachweisgrenze von 200 Kopien/ml
erreicht. #
Unter Schweizer Leitung wurden in
einer internationalen Studie bislang
14 Personen mit der Kombination Zidovudin + Lamivudin + Indinavir länger als
3 Monate behandelt. Bei 11 von 14
wurde nach zwölfwöchiger Behandlung
eine Viruslast von unter 500 Kopien/ml
bestimmt, zwei von acht, bei denen die
Viruslast mit einem neuen ultrasensi-
tiven Test gemessen wurde, erreichten
Werte von unter 20 Kopien/ml. #!
In einer Studie am New Yorker
Aaron-Diamond-Institut wurde bei zwölf
Personen eine Kombinationstherapie mit
Zidovudin + Lamivudin + Ritonavir begonnen. Innerhalb der ersten 10 – 16 Behandlungsmonate brachen 2 Teilnehmer
die Studie ab, zwei weitere sahen sich
nicht in der Lage, das Therapieschema
wie vorgegeben durchzuhalten, ein Teilnehmer wechselte von Ritonavir auf
Indinavir. Von zwölf mit Zidovudin +
Lamivudin + Indinavir behandelten Teilnehmern brach innerhalb der ersten 4 – 9
Monate nur einer die Studie ab. Bei allen
Probanden, die die Studienmedikation
regelmäßig einnahmen, liegt mittlerweile
die Viruskonzentration (virale RNS) im
Blut, im Lymphknoten und in der
Samenflüssigkeit unterhalb der Nachweisgrenze, CD4-Zellzahl und CD4/CD8Ratio bewegen sich im Normalbereich
und bei einem Teil der Probanden gehen
Antikörperspiegel und zelluläre Aktivität
gegen HIV zurück. #"## Dies kann als
Indiz dafür gewertet werden, daß das
Immunsystem nur noch mit sehr wenig
Virus konfrontiert wird. Provirale DNS
ist aber bei allen Probanden noch nachweisbar und geht nur sehr langsam
zurück (Halbwertszeit ca. 3 Monate).
David Ho äußerte in einem Beitrag zur
Frage einer möglichen HIV-Eradikation
die Vermutung, daß es sich dabei in
erster Linie um defekte DNS handele. #$
Er begründete diese Vermutung damit,
daß eine Virusanzucht bei den betreffenden Personen nicht möglich sei. Auf
Grund neuer Berechnungen geht er von
einem 2 – 3-Kompartment-Modell zur
Abschätzung der Mindestbehandlungsdauer für eine Eradikationstherapie aus:
Die produktiv infizierten T-Lymphozyten, Hauptquelle für das durch
Viruslastbestimmungen im Plasma nachweisbare Virus, könnten innerhalb von
30 – 40 Tagen eliminiert werden (Halbwertszeit 1,1Tage). Makrophagen und laBTXcT &$
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
tent infizierte Lymphozyten haben eine
ähnliche Halbwertszeit und werden daher
wie ein Kompartment betrachtet. Bei einer
Halbwertszeit von zwischen 1 und
4 Wochen ergibt sich eine Schätzung von
0,6 bis 3,3 Jahren bis zur Eliminierung
dieses Viruspools, abhängig von der
Ausgangsmenge der infizierten Zellen. #%
Die Menge der von den follikulärdendritischen Zellen eingefangenen
Viruspartikel steht in einem Fließgleichgewicht mit der Virusproduktion und die
Viruspartikeln werden durch eine potente antiretrovirale Therapie mit ähnlicher Geschwindigkeit eliminiert. #&
Die Berechnungen einer Mindesttherapiedauer für die HIV-Eradikation enthält
jedoch noch bis zu drei Unbekannte:
bislang nicht erkannte Kompartments
mit längeren Halbwertszeiten;
Sanktuarien, d. h. durch die Therapeutika nicht oder nicht ausreichend
erreichbare Virusreservoirs wie das zentrale Nervensystem;
denkbare Rekombinationsereignisse
zwischen defekten Proviren, aus denen
erneut infektiöses Virus hervorgehen
könnte.
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SVWZ_U]ZTYVDfSdeR_kV_
0QPRPeXa $(! D'() Diese von GlaxoWellcome entwickelte Substanz ist ein
Nukleosidanalogon. Verglichen mit den
bislang bekannten Nukleosidanaloga ist
die Wirksamkeit von Abacavir größer: In
allen untersuchten Dosierungen wurde
innerhalb von vier Wochen einer Abacavir-Monotherapie eine Reduzierung der
Viruslast um mehr als 1,4 log erzielt.
Bislang wurde nur die Kombination
mit Zidovudin sowie mit 141W94, einem
neuen Protease-Inhibitor, klinisch untersucht. In beiden Fällen ergänzen sich die
Wirkungen synergistisch. #'#(
In vivo wurden unter Monotherapie Resistenzmutationen an den Kodons 65, 74
und 184 beobachtet, die jedoch nur zu einer
mäßigen Resistenz (ca. 10fach) führten.
Eine Reihe von Kombinations- und
Interaktionsstudien läuft bereits oder ist
in Planung. Nach bisher vorliegenden
Ergebnissen besitzt die Substanz eine
sehr gute Liquorgängigkeit und wird
relativ gut vertragen (Übelkeit wird als
häufigste Nebenwirkung berichtet).
GlaxoWellcome hat sich prinzipiell
bereit erklärt, voraussichtlich ab Sommer
diesen Jahres Abacavir in einem Compassionate-use-Programm Patienten mit
ZNS-Symptomatik oder ohne andere
Behandlungsoptionen europaweit zur
Verfügung zu stellen.
Über die Frage der Kriterien für die
Teilnahme an einem Compassionate-useBTXcT &%
Programm für Abacavir (1592U89) ist es
mittlerweile zum offenen Konflikt
zwischen Glaxo Wellcome und amerikanischen wie europäischen AIDS-Aktivistengruppen gekommen. Die Aktivisten hatten Zugang zu Abacavir für
Patienten verlangt, die entweder
mindestens an mildem AIDSDemenz-Komplex leiden oder
die die Behandlungsoptionen mit
anderen Nukleosidanaloga ausgeschöpft
haben und bei denen die Erkrankung voranschreitet (d. h. Auftreten opportunistischer Infektionen oder maligner
Erkrankungen und/oder schneller Anstieg der Viruslast und/oder rascher Abfall der T-Helferzellzahl).
Ohne Angabe von Gründen will Glaxo
Wellcome aber den Zugang auf Patienten
beschränken, die entweder
einen schweren AIDS-Demenz-Komplex aufweisen müssen, der durch einen
Neurologen diagnostiziert worden sein
muß und die zuvor mit AZT behandelt
worden sein müssen oder
die zuvor mindestens mit zwei
Nukleosidanaloga und einem ProteaseInhibitor behandelt worden sein müssen
und
eine
Viruslast
von
über
50.000 Kopien/ml und eine CD4-Zellzahl von weniger als 100 Zellen/µl aufweisen müssen.
Von Aktivistenseite wird an diesen
Kriterien insbesondere kritisiert, daß es
unethisch sei, bei Versagen der gegenwärtig verfügbaren Therapieoptionen
erst abzuwarten, daß sich der klinische
Zustand bzw. die Laborwerte drastisch
verschlechtern, bevor eine Zugangsmöglichkeit zu dem neuen Medikament
eröffnet wird. Die offenkundige Absicht
von Glaxo Wellcome, das Compassionate-use-Programm sehr restriktiv zu
handhaben, wird auch dadurch illustriert, daß weltweit nur 2.500 Patienten
aufgenommen werden sollen, eine Zahl,
die von Aktivisten für viel zu klein
gehalten wird.
3<? !%%) Dieser nichtnukleosidische RTInhibitor wird von DuPont Merck entwickelt. Klinische Studien wurden bislang nur in Kombination mit Indinavir
mit kurzen Monotherapiephasen durchgeführt. Dabei wurde eine erhebliche
Reduktion der Viruslast beobachtet: bei
15 von 20 bzw. 5 von 11 Teilnehmern
ein Abfallen unter die Nachweisgrenze
von 400 Kopien/ml. Der Rückgang der
Viruslast unter Monotherapie innerhalb
der ersten zwei Behandlungswochen beträgt im Mittel fast 1,6 log. $$
Da DMP 266 wie andere NNRTIs die
Metabolisierung von Protease-Inhibitoren durch die Leber stimuliert, können
diesbezügliche Dosisanpassungen erforderlich werden.
DMP 266 wird vorerst nur im Rahmen
klinischer Studien erhältlich sein.
<:2##!) Obwohl es sich von der Struktur her um ein Nukleosidanalogon handelt, wirkt diese Substanz wie ein nichtnukleosidischer
RT-Inhibitor.
Die
Herstellerfirma heißt Triangle-Pharmaceuticals und ist in den USA beheimatet.
Bei zweimal täglicher Dosierung werden nach einer Woche Monotherapie Senkungen der Viruslast um mehr als 0,7 log
berichtet. Als Nebenwirkungen können
Kopfschmerzen und Durchfall auftreten. $!
In vitro ist MKC-442 wirksamer als
Nevirapin und es besitzt auch noch eine,
wenngleich abgeschwächte Wirkung auf
Nevirapin-resistente Virusisolate. Ebenfalls in vitro werden additive bis synergistische Effekte bei Kombination mit
anderen Anti-HIV-Substanzen beobachtet. MKC-442 wird über die Leber metabolisiert, so daß Interaktionen mit Protease-Inhibitoren und anderen NNRTIs
zu erwarten sind.
0i^SXRPaQ^]P\XS 030) Hierbei handelt
es sich um den ersten Vertreter von
Substanzen, die einen neuen Wirkmechanismus gegen HIV aufweisen:
die Zink-Finger-Inhibitoren. Bei präklinischen Untersuchungen wurde bislang keine Resistenzbildung gegen
Zink-Finger-Inhibitoren
beobachtet,
welche zum einen eine unmittelbar
viruzide Wirkung, zum anderen teils
eine Hemmung der Reversen Transkription und der Virusreifung, teils
unbekannte weitere Wirkmechanismen aufweisen. ADA, welches ebenfalls viruzid wirkt und die Neuinfektion von Zellen über einen noch
ungeklärten Mechanismus behindert,
wird derzeit in Deutschland in einer
Phase-I/II-Studie klinisch getestet. $"
01C"&') Dieser von Abbott entwickelte,
bislang nur präklinisch getestete neue
Protease-Inhibitor der ›Zweiten Generation‹ wurde aus Ritonavir weiterentwickelt mit den Zielen
die Serum-Eiweißbindung zu reduzieren und damit die antivirale Aktivität
zu steigern,
eine Wirksamkeit auch gegen Ritonavir-resistente Virusvarianten zu bewahren.
Durch eine Kombination von Ritonavir
und ABT-378 kann voraussichtlich mit
niedrigen Dosierungen ein hoher Plasmaspiegel für beide Substanzen erreicht werden. Ritonavir verzögert die
ansonsten relativ rasche Metabolisierung
von ABT-378 empfindlich. In vitro zeigte
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
ABT-378 eine gute Wirksamkeit auch gegen Ritonavir-resistente Virusisolate. $#$$$%
?=D #%() Ein weiterer Protease-Inhibitor mit hoher Wirksamkeit gegen Ritonavir-, Indinavir-, Saquinavir- und Nelfinavir-resistente Virusisolate wird von
Pharmacia & Upjohn entwickelt. Die Substanz mit der vorläufigen Bezeichnung
PNU-140690 ist ein Dihydropyron und
repräsentiert eine neue Substanzklasse
unter den Protease-Inhibitoren, die sog.
›Dritte Generation‹ der nichtpeptidischen Protease-Inhibitoren. Die Interaktion dieser Substanzen mit dem ProteaseEnzym unterscheidet sich wesentlich von
der Interaktion der peptidischen Inhibitoren, was wahrscheinlich die Ursache
für die fehlende Kreuzresistenz ist. In vitro
sprechen HIV-Isolate, die eine 50- bis
125fach verminderte Empfindlichkeit gegenüber den verfügbaren Protease-Inhibitoren zeigen, auf die neue Substanz noch
immer an. Der relative Wirksamkeitsverlust von PNU-140690 gegenüber diesen
hochresistenten Virusisolaten beträgt nur
das 6 – 7fache. In vitro zeigt die Substanz
des weiteren auch synergistische Wirkungsverstärkung in Kombination mit
AZT oder Delavirdin. Erste klinische
Studien mit PNU-140690 sollen bereits
in diesem Jahr erfolgen.
D2 &' ) Es handelt sich um einen Abkömmling der Oxathiin Carboxanilide,
einer Substanzgruppe, die zu den nichtnukleosidischen RT-Inhibitoren gezählt
wird. Im Tierversuch besitzt UC 781 eine
gute orale Bioverfügbarkeit und lange
Plasmahalbwertszeit, die möglicherweise
eine einmalige Dosierung pro Tag erlauben könnte. Wirksamkeit in vitro besteht
auch noch gegenüber Virusisolaten, die
gegen andere NNRTIs resistent sind. $&$'
Verschiedene neue Substanzen hemmen die Aufnahme von HIV in die Zelle
oder die HIV-induzierte Zellfusion. Dazu
zählen FP-21399, CP51, ein Amidophospholipid mit Aktivität gegen HIV-1 und -2,
sowie Zidovudin- und TIBO-resistente
Isolate und T-20 (Pentafusid), ein dem
gp41-Transmembranprotein von HIV
verwandtes, synthetisch hergestelltes
Peptid. Einen weiteren neuen Angriffspunkt besitzt CNI-H0294, welches vermutlich die Aufnahme der proviralen
DNS in den Zellkern blockiert (Hemmung der nukleären Translokation).
2_eZcVec`gZcR]VEYVcRaZVZ_UVc
DTYhR_XVcdTYRWef_USVZ<Z_UVc_
Der zunehmende Trend zum Einsatz von
Kombinationstherapien bei erwachsenen
HIV-Infizierten wirft die Frage auf, ob
solche Kombinationstherapien auch
InfFo 88(&
gefahrlos bei HIV-positiven Schwangeren
eingesetzt werden können. Hinweise auf
mögliche teratogene (fruchtschädigende)
Wirkungen antiretroviraler Medikamente
werden üblicherweise zunächst in Tiermodellen gesucht. In einem solchen Tiermodell wurde die Wirkung verschiedener Konzentrationen von Zidovudin,
Didanosin und Zalcitabin sowie der
Kombinationen Zidovudin + Didanosin
und Zidovudin + Zalcitabin auf Rattenembryos untersucht. Die Einzelsubstanzen sowie die Kombination Zidovudin +
Didanosin führten zu keinen erkennbaren
negativen Effekten, aber unter der Kombination Zidovudin + Zalcitabin wurden
in höheren Dosierungen Entwicklungsund Wachstumsstörungen beobachtet. $(
Neben der möglichen Embryotoxizität
gilt die Sorge der Pädiater den denkbaren
Langzeitfolgen einer Exposition gegenüber Nukleosidanaloga im Sinne einer
Kanzerogenität. Erneut in die Diskussion
geriet dieses Thema durch Tiermodelluntersuchungen des amerikanischen
National Cancer Institute bei Mäusen.
Bei diesen Untersuchungen, in denen
sehr hohe Dosen des Medikaments Zidovudin verabreicht werden, stellten die
Wissenschaftler eine dosisabhängig
erhöhte Rate von Lungen- und Lebertumoren beim Nachwuchs exponierter
Mäuse fest, während maligne Erkrankungen von hämatopoetischen Zellen (Lymphome, Leukämien) bei im Mutterleib
gegenüber Zidovudin exponierten Mäusen deutlich seltener auftraten als im
Kontrollkollektiv. Eine andere Tiermodellstudie, bei der deutlich niedrigere,
der Situation in der Schwangerschaft
beim Menschen eher entsprechende
Dosierungen verwendet wurden, zeigte
dagegen keine kanzerogenen Effekte.
Ein Beratergremium, welches die Befunde ausgiebig diskutierte, gelangte zu
dem Schluß, daß der Nutzen einer Zidovudin-Therapie in der Schwangerschaft
zur Verminderung der Mutter-KindÜbertragung beim derzeitigen Kenntnisstand die denkbaren Risiken deutlich
übersteigt. Weitere Untersuchungen
inklusive einer Langzeitbeobachtung
exponierter Kinder wurden jedoch für
sinnvoll und notwendig erachtet.
Die Behandlungsoptionen bei HIVinfizierten Kindern hinken der Entwicklung bei Erwachsenen chronisch
hinterher, vor allem weil die dafür notwendigen pharmakokinetischen Untersuchungen bei den Pharmafirmen oft
keine hohe Priorität haben. Immerhin
läßt sich berichten, daß derzeit auch für
die Protease-Inhibitoren Ritonavir und
Indinavir Dosisfindungs- und Sicherheitsstudien bei Kindern durchgeführt
werden. Bei einem neuen, vor kurzem in
den USA zugelassenen Protease-Inhibitor, dem Nelfinavir, wurden derartige
Studien löblicherweise nahezu parallel
zu den Studien bei Erwachsenen durchgeführt, so daß diese Substanz in den
USA als erster Protease-Inhibitor auch
für den Einsatz bei Kindern zugelassen
werden konnte. %%
Was den Einsatz von Kombinationstherapien bei Kindern angeht, sei noch
eine Studie erwähnt, bei der Zidovudin,
Didanosin und Nevirapin in Dreifachkombination bei Kindern im Alter zwischen zwei und 16 Monaten eingesetzt
werden. Damit konnte bei sieben von
acht Kindern eine deutliche (– 1,5 log)
Abnahme der Viruslast über den bisherigen Beobachtungszeitraum von sechs bis
über 15 Monaten erzielt werden. %!
Eine weitere amerikanische Studie, die
ACTG 240, verglich eine Monotherapie
bei Kindern mit Zidovudin oder mit
Stavudin. Unter Stavudin wurden etwas
weniger Nebenwirkungen, eine etwas
größere Gewichtszunahme und leicht
höhere T-Helferzellwerte als unter Zidovudin beschrieben. Im Großen und
Ganzen waren beide Medikamente aber
vergleichbar. %"
A`deVia`dZeZ`_dac`aYj]RiV
Untersuchungen im SCID-Mausmodell
stützen die Annahme, daß eine postexpositionelle Prophylaxe mit Zwei- und
Dreifachkombinationen additive bis synergistische Wirkungen im Vergleich zu
einer Monoprophylaxe mit nur einer
Substanz aufweisen. %# Untersuchungen
der HIV-spezifischen zellulären Immunantwort bei durch parenterale Verletzungen
HIV-exponiertem medizinischem Personal (keiner der Untersuchungsteilnehmer
entwickelte serologische Anzeichen
einer HIV-Infektion) zeigen deutliche
Unterschiede zwischen Personen, die
eine Zidovudin-Postexpositionsprophylaxe einnahmen, und solchen ohne medikamentöse Prophylaxe. Bei 6 von 13
ohne Postexpositonsprophylaxe war eine
HIV-spezifische Aktivierung zytotoxischer T-Lymphozyten zu entdecken,
jedoch nur bei 1 von 7, die Zidovudin
einnahmen. Diese Beobachtung legt
nahe, daß in einer Reihe von Fällen der
Einsatz von Zidovudin zur Postexpositionsprophylaxe auch eine geringgradige,
als Voraussetzung für die Entwicklung
einer
HIV-spezifischen
zellulären
Immunantwort geltende HIV-Replikation unterdrückt. Die Bestimmung dieser
sehr viel häufiger als eine postexpositionelle Serokonversion auftretenden
zellulären Immunantwort nach parenteraler Exposition könnte eventuell als
BTXcT &&
5^abRWd]V0ZcdT[[®CWTaP_XTd]S8\_Ubc^UUT]cfXRZ[d]V
Surrogatmarker für die Evaluierung der
Wirksamkeit neuer postexpositioneller
Prophylaxe-Regime benutzt werden. %$
Eine weitere, allerdings sehr aufwendige Form der Prüfung ist der Tierversuch. Der nichtnukleosidische RT-Inhibitor Nevirapin wurde bei Schimpansen
auf seine Wirksamkeit bei der postexpositionellen Prophylaxe getestet. Die erste
orale Dosis erhielten die Versuchstiere
allerdings nicht nach, sondern spätestens
6 Stunden vor dem Infektionsversuch.
Sowohl bei 10- wie bei 20tägiger
Behandlungsdauer blieben die Versuchstiere HIV-negativ, bis auf ein transient positives PCR-Signal auf provirale
DNS in Blutlymphozyten, welches aber
verschwand und auch nach Ende der
Medikamtentengabe
nicht
wieder
auftauchte. %%
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Die vor wenigen Monaten publizierte
Beobachtung, daß in einem SIV-Rhesusaffenmodell SIV relativ leicht über die
orale Schleimhaut übertragen werden
konnte, hat die Diskussion über die
Gefährlichkeit von Oralverkehr für die
HIV-Übertragung wiederaufleben lassen.
Experimentelle Infektionsversuche zur
Klärung von InfektionswahrscheinlichkeiInfFo 88(&
ten sind mit HIV bei menschlichen Probanden aus ethischen Gründen undenkbar. Zur
Beantwortung der Frage nach Infektionswahrscheinlichkeiten bestimmter Sexualpraktiken beim Menschen ist man daher
auf epidemiologische Untersuchungen in
Verbindung mit Befragungen zu den ausgeübten Sexualpraktiken sowie auf Tiermodelluntersuchungen angewiesen.
Bei einer Extrapolation von Befunden
aus Tiermodellen auf den Menschen ist
zu bedenken, daß Aufbau und Milieu der
Schleimhäute zwischen verschiedenen
Spezies unterschiedlich sein können und
daß auch die Modellviren (u. a. FIV und
SIV) sich in ihren Eigenschaften auf
Schleimhäuten von HIV unterscheiden
können. So gibt es beispielsweise
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Anhaltspunkte dafür, daß eine Übertragbarkeit von FIV durch infizierte Zellen
über die Schleimhäute sehr viel leichter
ist als eine Übertragung durch zellfreies
Virus, während für SIV eher das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Außerdem ist
vor einer kritiklosen Übertragung von
Tiermodellbefunden zu prüfen, wie realitätsnahe das Untersuchungsdesign war.
Bei den oralen Infektionsversuchen mit
SIV an Rhesusaffen wurde z. B. zellfreies Virus aus Zellkulturüberstand verwendet. Eine Untersuchung im FIV-Katzenmodell ergab jedoch, daß virushaltiges
Plasma im Unterschied zu zellfreiem Virus aus Zellkulturen Faktoren enthält, die
die Infektiosität auf Schleimhäuten deutlich reduzieren, die auf die Infektiosität
bei direkter parentaler Inokulation aber
keinen Einfluß haben. Bezüglich der
Frage einer HIV-Übertragung über die
oralen Schleimhäuten könnte auch von
Bedeutung sein, daß im menschlichen
Speichel HIV-inaktivierende Faktoren
nachgewiesen worden sind.
Bei der Bewertung epidemiologischer
Studien und von Angaben zu Sexualpraktiken und Schutzverhalten ist zu berücksichtigen, daß oft der genaue Infektionszeitpunkt unbekannt ist und eine
Korrelation mit bestimmten Sexualpraktiken daher schwierig sein kann. Außerdem
kommen bei sexuellen Kontakten oftmals
möglicherweise virushaltige Körperflüssigkeiten sowohl mit genitalen wie auch
mit oralen Schleimhäuten in Berührung, so
daß nur statistische Korrelationen zwischen
Sexualpraktiken und Infektionswahrscheinlichkeit hergestellt werden können,
das Übertragungsereignis im Einzelfall
selbst aber nicht zweifelsfrei auf eine bestimmte Sexualpraktik zurückzuführen ist.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß man bei der Erhebung von Sexualpraktiken und Schutzverhalten auf Selbstauskünfte von Studienteilnehmern bzw.
Betroffenen angewiesen ist. Wie verläßlich
und vollständig solche Angaben sind,
hängt u. a. von der Erhebungsmethode ab.
Eine niederländische Studie ergab beispielsweise, daß eine mündliche Befragung
durch einen erfahrenen Interviewer ein
höheres Ausmaß von Risikoverhalten
enthüllte als eine schriftliche Befragung.
Insbesondere bei einer stark von HIV
betroffenen Gruppe wie homosexuellen
Männern, bei denen Safer Sex zumindest
teilweise den Charakter einer sozialen
Norm angenommen hat, muß damit
gerechnet werden, daß ein dieser Norm
nicht konformes Verhalten verdrängt
oder verschwiegen wird.
Die aussagekräftigsten Daten zu Risiken bestimmter Sexualpraktiken sollten
InfFo 88(&
sich aus der Analyse von Serokonversionen im Rahmen prospektiver Beobachtung sowie aus der Befragung von erkennbar frisch mit HIV infizierten
Personen ableiten lassen. Besonders aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang prospektive Studien, bei denen in
den USA zur Vorbereitung von Impfstudien HIV-negative homosexuelle Männer, i. v. Drogengebraucher und Frauen
mit heterosexuellem Infektionsrisiko in
regelmäßigen Abständen untersucht wurden. Bei den in diesen Studien entdeckten Serokonversionen können relativ
zeitnahe zum Infektionszeitpunkt Angaben zum Sexualverhalten erhoben werden (siehe Verläufe 1, 2). Auf Grundlage
des zeitlichen Zusammenhangs von
Serokonversion und bestimmten Sexualpraktiken und -partnern kann die Gefährlichkeit einzelner Praktiken in eine hierarchische
Rangordnung
gebracht
werden. Es zeigt sich bei solchen Untersuchungen, daß die überwiegende Mehrheit serokonvertierender Probanden ungeschützten
Analverkehr
(bei
homosexuellen Männern), ungeschützten
vaginalen und/oder analen Verkehr (bei
heterosexuellen Frauen) bzw. Nadeltausch (bei i. v. Drogengebrauchern) in
engem zeitlichem Kontext mit dem Infektionsereignis angibt. Im Gegensatz
dazu ist ungeschützter Oralverkehr zumindest bei homosexuellen Männern
nach gegenseitiger Masturbation die am
häufigsten ausgeübte Sexualpraktik
überhaupt, und sie läßt sich statistisch
nicht mit einem erhöhten Übertragungsrisiko korrelieren. Klare statistische Korrelationen zu einem erhöhten Risiko einer HIV-Serokonversion finden sich in
solchen Untersuchungen für:
ungeschützten rezeptiven Analverkehr,
die Diagnose einer anderen sexuell
übertragbaren Erkrankung,
die Angabe, daß ein Partner bekanntermaßen HIV-positiv war.
Trotzdem finden sich bei allen größeren
Studien Personen, welche angaben, daß
sie weder ungeschützten noch geschützten Analverkehr während des für die
Infektion in Frage kommenden Zeitraums ausgeübt haben. Es ist nicht anzunehmen, daß alle diese Personen das
wahre Risiko ihrer Infektion verschweigen. Das bedeutet, daß ungeschützter
Oralverkehr ein zwar vergleichsweise
niedriges Risiko für eine HIV-Infektion
bedeutet, aber keine absolut sichere
Sexualpraxis darstellt. Plausibilitätsüberlegungen würden dafür sprechen, daß
insbesondere ungeschützter Oralverkehr
mit Ejakulation (nur ein kleiner Teil der
oral-genitalen Kontakte) und/oder mit
Personen, die eine andere sexuell übertragbare Infektion haben, mit einem
erhöhten Infektionsrisiko einhergehen.
Der Anteil der HIV-Infektionen, die
bei homosexuellen Kontakten derzeit
über ungeschützten Oralverkehr übertragen werden, kann auf Grundlage der
vorliegenden Untersuchungen grob auf
maximal 5 – 10 % der Neuinfektionen
geschätzt werden.
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Im Makakenmodell wurde die Geschwindigkeit der Aufnahme von Virus über die
Schleimhäute und der Disseminierung
der Infektion im Organismus mit einer
sog. SHIV-Chimäre untersucht. Eine
SHIV-Chimäre ist ein gentechnologisch
konstruiertes Virus, welches sich aus
Teilen von SIV und HIV zusammensetzt.
Für die Infektionsversuche wurde ein
Virus verwendet, bei dem das Hüllprotein und die regulatorischen Gene
vpu, tat und rev von HIV, die übrigen
Virusgene von SIV stammten. Die Inokulation erfolgte mit zellfreiem Virus aus
Zellkultur durch intravaginale und orale
Applikation, die Kinetik der Infektion
wurde mit der bei intravenöser Gabe verglichen. Nach intravenöser Infektion
kam es zu einer Vermehrungsspitze
innerhalb der ersten Woche nach Infektion, bei Schleimhautinokulation wurden
die höchsten Viruskonzentrationen mit
etwa einer Woche Verzögerung erreicht,
d. h. in der zweiten Woche.
Zwei Tage nach intravaginaler Inokulation fanden sich infizierte und virusproduzierende Zellen in der Submukosa
der Vagina und des Uterus sowie in den
Becken- und mesenterialen Lymphknoten. Nach vier Tagen waren auch
Milz und Thymus infiziert. Nach sieben
Tagen hatte das Virus das Gehirn
erreicht. Innerhalb der ersten Woche war
im Plasma der Tiere jedoch keine Infektiosität nachzuweisen, d. h. Virus war
nicht anzüchtbar. Die Abnahme von
T-Helferzellen scheint zunächst im Thymus zu beginnen, erst zwischen der
zweiten und vierten Woche ließ sich ein
Rückgang von CD4 - und CD8 -Zellen
auch in Lymphknoten, Milz und im peripheren Blut registrieren. In der ersten
Woche nach Infektion war zunächst ein
vorübergehender Anstieg der CD4-Zell-
zahl zu beobachten, was auf eine mit der
Infektion einhergehende Aktivierung
und Proliferation von T-Lymphozyten
schließen läßt.
Falls die Beobachtungen in diesem
Tiermodell auf den Menschen übertragbar sein sollten, würde die beobachtete
Disseminierungstendenz des Virus dafür
sprechen, eine Postexpositionsbehandlung auf jeden Fall innerhalb von vier
Tagen, vor Erreichen des Gehirns, zu
beginnen.
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Die Abfolge der Ereignisse und die Art
der infizierbaren Zellen bei einer HIVInfektion über die Schleimhäute ist noch
weitgehend ungeklärt. Um Erkenntnisse
über die ersten Ereignisse bei einer
Infektion zu gewinnen, wurden Zellkulturen von Schleimhautzellen aus Tube,
Uterus, Zervix und Vagina angelegt und
auf ihre Infizierbarkeit mit HIV untersucht. Zusätzlich wurden auch Gewebeschnitte, bei denen die verschiedenen
Zellen in ihrem Kontext erhalten blieben,
unter Kulturbedingungen am Leben
erhalten und mit Virus in Kontakt
gebracht. Für die Infektionsversuche
wurden u. a. primäre Virusisolate von
perinatal infizierten Kindern verwendet.
Bei den Untersuchungen stellte sich
heraus, daß nicht nur Lymphozyten und
Makrophagen, sondern auch Schleimhautepithelzellen sowie dendritische
Zellen infizierbar waren, obwohl auf den
letztgenannten keine Expression des
CD4-Rezeptors nachweisbar war. Allerdings war für eine erfolgreiche Infizierung von Epithelzellen ein sehr langer
Kontakt mit dem Virus (> 60 Minuten)
erforderlich. Die Virusproduktion dieser
Zellen war sehr gering, dürfte aber
durchaus ausreichen, die Infektion auf
unterhalb des Schleimhautepithels sich
aufhaltende Lymphozyten und Makrophagen zu übertragen. Das Virus dürfte
nach Überwindung der Schleimhaut entweder über dendritische Zellen oder
Lymphozyten weiter in den Lymphknoten transportiert werden. Die Beobachtung, daß mehrere Zelltypen im weib-
lichen Reproduktionstrakt infizierbar
sind, könnte u. a. Konsequenzen für die
Entwicklung von Mikrobiziden und
Impfstoffen haben. Auch stellt sich die
Frage der Relevanz von Untersuchungen,
bei denen aus dem Infektions- und Wachstumsverhalten von Virusisolaten auf bestimmten Zellen wie z. B. LangerhansZellen Rückschlüsse auf die Infektiosität
von Virusstämmen gezogen werden.
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Eine von Family Health International in
Kamerun finanzierte Studie konnte
keinen HIV-präventiven Effekt eines
Nonoxynol-9-haltigen Vaginalfilms feststellen. Es handelt sich um die bislang
größte und aussagekräftigste Studie zu
der Frage, ob das als Spermizid eingesetzte Nonoxynol-9 auch einen Effekt auf
die HIV-Übertragungsrate haben könnte.
In vitro kann zwar eine HIV-inaktivierende Wirkung von Nonoxynol 9
nachgewiesen werden, die bislang vorliegenden In-vivo-Studien gelangen aber zu
widersprüchlichen Ergebnissen, was die
Wirksamkeit von Nonoxynol-9 zur HIVProphylaxe angeht.
BTXcT '!
An der über einen Zeitraum von zwei
Jahren durchgeführten Studie in Kamerun hatten knapp 1.300 Prostituierte teilgenommen, von denen die Hälfte ein Nonoxynol-haltiges Vaginalgel, die andere
Hälfte ein Plazebo-Vaginalgel erhalten
hatte. Allen an der Studie teilnehmenden
Frauen waren darüber hinaus kostenlos
Kondome zur Verfügung gestellt worden, zu deren regelmäßiger Verwendung
sie angehalten worden waren. Außerdem
wurden den Teilnehmerinnen kostenlose
monatliche Untersuchungen und die
Behandlung eventueller Genitalinfektionen angeboten.
Die HIV-Infektionsraten in der Plazebo-
und der Nonoxynol-9-Gruppe waren nahezu
gleich: 6,6 HIV-Infektionen/100 Frauen
pro Jahr in der Plazebo-Gruppe und
6,7 HIV-Infektionen in der Nonoxynol-9Gruppe. Die Infektionsraten für Gonorrhoe lagen bei 31,1 bzw. 33,3/100 Frauen
pro Jahr, für Chlamydien bei 22,2 bzw.
20,6. Die Verwendung von Nonoxynol-9
hatte damit in dieser Studie weder einen
über die Kondomverwendung hinausgehenden Schutzeffekt, noch vergrößerte sie
das Risiko einer HIV-Infektion (eine Erhöhung des HIV-Infektionsrisikos ist auf
Grund der erhöhten Schleimhautirritation
durch spermizide Substanzen theoretisch
denkbar).
InfFo 88(&
5^abRWd]V0ZcdT[[®;TcicT=PRWaXRWcT]PdbST\CWTaP_XTQTaTXRW
Das Studienergebnis läßt keine abschließende Aussage darüber zu, ob Nonoxynol-9
allein in vivo das HIV-Infektionsrisiko
reduzieren kann, da nur wenige Teilnehmerinnen das Nonoxynol-9-Gel unabhängig von Kondomen einsetzten. Ein
Studiendesign, bei dem Studienteilnehmerinnen Kondome als bewiesenermaßen wirksames Mittel der HIV-Prävention vorenthalten werden, wäre
ethisch allerdings inakzeptabel.
Das Resultat der Kamerun-Studie bedeutet einen Rückschlag auf der Suche nach
einem lokal anwendbaren, der Kontrolle
der Frauen unterliegenden Mikrobizid
zur HIV-Prävention. Die zukünftigen
Bemühungen in dieser Richtung werden
sich auf die Entwicklung und Prüfung
anderer, wirksamerer Substanzen konzentrieren müssen. Verschiedene solche
Produkte wie z. B. Gramicidin, Hemmstoffe der Virusanheftung wie Carrage-
enan oder Dextrinsulfat, aber auch Substanzen, die Reverse-TranskriptaseInhibitoren enthalten, werden derzeit bereits in Phase-II-Studien geprüft oder derartige Studien stehen kurz bevor.
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Im Juni dieses Jahres wurden die von
zwei Expertenkommissionen unter Mitarbeit von Betroffenen-Selbsthilfeorganisationen erarbeiteten Entwürfe für neue
Richtlinien zur antiretroviralen Therapie
der HIV-Infektion der Öffentlichkeit
vorgestellt. Bis zum 21. Juli können
diese Entwürfe diskutiert und kommentiert werden. Veränderungsvorschläge
werden dann von einer Expertengruppe
diskutiert und fließen gegebenenfalls in
die Endfassung der Richtlinien ein. Im
folgenden dokumentieren wir eine
Zusammenfassung des vorgelegten Entwurfes. Der volle Wortlaut kann im Internet (http://www.hivatis.org/guidelin.html) eingesehen werden.
Dieser Entwurf für Behandlungsrichtlinien ist der aktuellste und am ausführlichsten begründete seit der Einführung neuer
Behandlungsmöglichkeiten im vergangenen Jahr. Er kann daher als Orientierungshilfe für Behandlungsentscheidungen
auch hier in Deutschland dienen. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren
immer gewisse Unterschiede in den Therapiestrategien zwischen US-amerikanischen
und europäischen AIDS-Behandlern.
Noch zu erarbeitende deutsche oder gemeinsame europäische Richtlinien könnten
in einigen Punkten durchaus von den
amerikanischen Richtlinien abweichen.
So wird in den US-Richtlinien z. B. prinzipiell vom Einsatz von Zweier-Kombinationen von Nukleosidanaloga abgeraten,
einer Therapieoption, die gegenwärtig in
Europa noch häufig eingesetzt wird (in
der nachfolgenden Zusammenfassung
wird auf diese Option daher zusätzlich
eingegangen). Beachtenswert an den
amerikanischen Richtlinien ist, daß
sequentiellen Therapiestrategien (zunächst
Einsatz schwächerer Kombinationen, um
sich potente Kombinationen für später
aufzusparen) eine klare Absage erteilt
wird. Die Begründung dafür liefert die
InfFo 88(&
Erfahrung, daß jede Vorbehandlung beim
derzeitigen Medikamentenrepertoire die
Wirksamkeit einer Folgetherapie in mehr
oder weniger großem Ausmaß einschränkt. Dagegen ließe sich argumentieren, daß die derzeit verfügbaren Dreifachkombinationen die Compliancefähigkeit zumindest einiger Patienten
und Patientengruppen überfordern und
mit Zweifachkombinationen eventuell
wenigstens eine Verzögerung des Infektionsverlaufs erreicht werden kann. Dies
könnte diesen Patienten die Möglichkeit
eröffnen, von wahrscheinlich zukünftig
einsetzbaren, leichter durchführbaren
Kombinationsregimen noch zu profitieren,
während das Versagen einer Therapie
mit einer – voraussichtlich nicht durchzuhaltenden – Dreifach-Kombinationstherapie zukünftige Behandlungsoptionen
noch stärker einschränken würde. Ähnliche Argumente lassen sich auch gegen
einen sehr frühzeitigen Behandlungsbeginn anführen.
KZV]VUVcR_eZcVec`gZcR]V_EYVcRaZV
Es sind drei verschiedene Ziele einer antiretroviralen Therapie vorstellbar: die Viruseradikation, eine lebenslange Suppressionstherapie und eine Verzögerung der
Krankheitsprogression. Falls eine Eradikation von HIV sich als möglich erweisen
sollte, wäre die Konsequenz der möglichst
frühzeitige Beginn einer entsprechenden
Behandlung. Beim derzeitigen Kenntnisstand erscheint eine Viruseradikation
aber zu unwahrscheinlich, um darauf Behandlungsentscheidungen aufzubauen.
Bezüglich der beiden übrigen Behandlungsziele ist es vordringlich zu untersuchen, ob es einen „point of no return“
gibt, oder anders ausgedrückt, einen optimalen Zeitpunkt des Therapiebeginns.
KVZeaf_\eUVdEYVcRaZVSVXZ__d
Es herrscht Einigkeit darüber, daß bei symptomatischer HIV-Infektion behandelt
werden sollte. Bei asymptomatischer HIVInfektion gehen die Meinungen über die
Kriterien für die Notwendigkeit eines Behandlungsbeginns weit auseinander. Die
derzeit besten Informationen über das
Risiko einer Krankheitsprogression liefert
eine Kombination von T-Helferzellzahl
und Viruslast. Verlaufsprognosen lassen
sich aus einer Studie ableiten, bei der in
1985 gewonnenen Blutproben von HIV-infizierten homosexuellen Männern nachträglich mit dem bDNA-Verfahren die
Viruslast bestimmt wurde und die Meßwerte mit dem tatsächlich beobachteten
klinischen Verlauf korreliert wurden. Bei
den Blutproben handelte es sich aber um
heparinisiertes Blut und Heparin baut die
HIV-RNS in gewissem Umfang ab. Um
die Meßwerte mit heute erhobenen Befunden vergleichbar zu machen, müssen die
Meßwerte etwa verdoppelt werden. Wird
das heute ebenfalls häufig verwendete RTPCR-Verfahren benutzt, müssen die Werte
nochmals verdoppelt werden. In den nachfolgenden Tabellen wurden die Meßwerte
der Studie entsprechend adjustiert und
erlauben so eine ungefähre Risikoabschätzung für die Progressionsraten bei
HIV-Infizierten in unterschiedlichen CD4Klassen und Viruslast-Bereichen.
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Da Dreifachkombinationen unter Einschluß eines gut bioverfügbaren Protease-Inhibitors die größte Gewähr dafür
bieten, daß bei der Mehrheit der Behandelten die Viruslast unter die Nachweisgrenze der derzeit eingesetzten Testverfahren sinkt und eine möglichst
weitgehende Hemmung der Virusreplikation die wirksamste bekannte Strategie
zur Verzögerung einer Resistenzentwicklung darstellt, wird als Initialtherapie der HIV-Infektion eine Therapie mit
drei Medikamenten empfohlen.
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Die nach derzeitiger Kenntnis wirksamsten Kombinationsregime mit der ausgeprägtesten Senkung der Viruslast sind
Dreifachkombinationen bestehend aus
einem oral gut bioverfügbaren ProteaseInhibitor und zwei Nukleosidanaloga.
Dabei können prinzipiell alle Substanzen
aus Spalte 1 mit jeder Kombination aus
Spalte 2 kombiniert werden.
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alle Monotherapien (Ausnahme:
AZT-Monotherapie bei Schwangeren
mit Kinderwunsch)
Zweifachkombinationen aus einem
nukleosidalen und einem nicht-nukleosidalen RT-Hemmer
Zweifachkombinationen aus einem
nukleosidalen RT-Hemmer und einem
Protease-Inhibitor
AZT + d4T
ddC + ddI
ddC + d4T
ddC + 3TC
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Hauptinstrument für die Therapiekontrolle ist die periodische Bestimmung der
Viruslast. Als initialer Therapieeffekt
sollte eine Senkung der Viruslast um
mindestens eine log-Stufe (= 90%),
gemessen 4 Wochen nach Therapiebeginn, erreicht werden. Wenn nach
3–6 Monaten die Viruslast noch nicht
unter die Nachweisgrenze abgefallen ist,
sollte ein Therapiewechsel in Betracht
gezogen werden. Falls auf Basis einer
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ifTX]TdT=dZ[T^bXSP]P[^VP TX]?a^cTPbT8]WXQXc^a
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ifTX]TdT=dZ[T^bXSP]P[^VP TX]?a^cTPbT8]WXQXc^a
TX]=dZ[T^bXSP]P[^V
ifTX]TdT=dZ[T^bXSP]P[^VP TX]?a^cTPbT8]WXQXc^a*ifTX]TdT=dZ[T^bXSP]P[^VP =TeXaP_X]
CPQ %)D\bcT[[d]Vb^_cX^]T]QTXETabPVT]TX]TbCWTaP_XTaTVX\Tb
Viruslastbestimmung Therapieentscheidungen getroffen werden sollen, empfiehlt
sich eine Doppelbestimmung zum Ausschluß von Meßfehlern. Die Viruslast
sollte einen Monat nach Therapiebeginn
bzw. Therapieumstellung und danach in
dreimonatigen Abständen kontrolliert
werden. Anzeichen für das Versagen einer Therapie können sein: ein anhaltender Anstieg der Viruslast um mindestens
0,5 log (= das dreifache) über den niedrigsten erreichten Wert; ein erneuter
Virusnachweis nach einer Periode der
Nicht-Nachweisbarkeit (Vorsicht! Ggf.
unterschiedliche Testnachweisgrenzen
beachten); ein anhaltender Abfall der
CD4-Zellzahl; neuauftretende opportunistische Infektionen (Ausnahme: beim
Beginn einer Protease-Inhibitor-Kombinationstherapie bei sehr niedrigen CD4Zell-Ausgangswerten kann es zu einer
Exazerbation einer zuvor maskierten
CMV- oder MAI-Symptomatik kommen, die unter Fortführung der antiretroviralen Therapie entsprechend behandelt
werden sollte). Interkurrente Infekte oder
kurz zurückliegende Impfungen können
zu vorübergehenden Erhöhungen der
Viruslast führen, die nicht unbedingt eine
Therapieumstellung rechtfertigen. Es ist
wichtig zu wissen, daß unterschiedliche
Testverfahren unterschiedliche Werte
InfFo 88(&
liefern. Im bDNA-Test werden in der
Regel nur halb so hohe Werte wie im
RT-PCR-Verfahren gemessen. Verläufe
können daher nur dann sinnvoll beurteilt
werden, wenn die Messungen mit demselben Verfahren (möglichst auch im
selben Labor) erfolgt sind.
Vorbehandlungen, insbesondere Vorbehandlungen mit Kombinationen, führen zur Ausbildung von Kreuzresistenzen gegen weitere Substanzen aus den
primär eingesetzten Substanzklassen.
Zum Erfolg von Therapieumstellungen
bei mit Kombinationstherapien vorbehandelten Patienten ist bislang relativ
wenig bekannt. Die nachfolgenden Empfehlungen beruhen daher z. T. nur auf
kleinen Fallzahlen, Surrogatmarkerstudien und anekdotischen Beobachtungen.
Bei intensiv vorbehandelten Patienten
mit wenigen verbleibenden Therapieoptionen kann die Weiterführung einer
nicht mehr voll wirksamen Therapie gerechtfertigt sein, wenn in gewissem Ausmaß noch eine Virussuppression wahrscheinlich ist. In solchen Fällen können
auch Kombinationen von zwei ProteaseInhibitoren und Kombinationen von Protease-Inhibitoren mit nicht-nukleosidischen Reverse Transkriptase-Inhibitoren
versucht werden, bezüglich derer bislang
noch kaum Erfahrungen vorliegen.
CVdZdeV_kSVdeZ^^f_XV_
Derzeit werden eine Reihe genotypischer
und phänotypischer Resistenztests entwickelt. Insbesondere bei mehrfach vorbehandelten Patienten erlaubt jedoch die
Behandlungsanamnese derzeit eine bessere Vorhersage der voraussichtlichen
Wirksamkeit von Medikamenten als die
genotypischen Resistenzassays. Der
Nachweis einer phänotypischen Resistenz gegen bestimmte Medikamente erlaubt zwar den Schluß auf ein Therapieversagen bei deren Einsatz, umgekehrt
garantiert der Nachweis einer phänotypischen Empfindlichkeit aber noch keinen
Therapieerfolg.
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