BLV-LPK_Flüchtlingswelle_Endfassung

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BLV-LPK_Flüchtlingswelle_Endfassung
Pressemitteilung
Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg
Landespressekonferenz 27.04.2015
Flüchtlingswelle: Gewaltige Herausforderungen für berufliche Schulen
Knapp 26.000 Flüchtlinge und damit 85 Prozent mehr Asylbewerber im Vergleich zum
Vorjahr kamen 2014 nach Baden-Württemberg. Die meisten stammen aus Syrien, gefolgt
von Serbien, dem Kosovo, Gambia, Eritrea und Mazedonien. Für Landkreise, Kommunen
und Bürger aber auch für die beruflichen Schulen ist das eine gewaltige Herausforderung.
Im Jahr 2014 kamen bundesweit insgesamt 202.000 Asylsuchende. Das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat für 2015 seine Prognose von 200.000 auf 250.000
Erst- und 50.000 Folgeantragsteller erhöht. Diese Prognose wird von den Bundesländern
als noch zu niedrig kritisiert. Baden-Württemberg nimmt nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel 13 Prozent der Asylbewerber auf. Demnach kämen auf Baden-Württemberg monatlich rund 2.800 Erstantragsteller und rund 600 Folgeantragsteller - also insgesamt 3.400 Antragsteller - zu. Allerdings wurden diese Zahlen nach Angaben des Integrationsministeriums im ersten Quartal des Jahres 2015 bereits deutlich überschritten. Im
Januar hatten 3.695, im Februar 3.779 und im März 2.932 Erstantragsteller in BadenWürttemberg Asylantrag gestellt. Somit sind im ersten Quartal dieses Jahres bereits
10.406 Asylbewerber in den Erstaufnahmelagern Baden-Württembergs eingetroffen. Auch
im laufenden Monat hat der Zustrom von Flüchtlingen nicht nachgelassen, im Gegenteil.
Die Flucht ist für die betroffenen Menschen in aller Regel mit viel Leid und Entbehrung
verbunden. Viele Flüchtlinge verlieren auf der Flucht ihr Leben. Unser Land steht bei den
anerkannten Asylanten in der Pflicht, sie in die Gesellschaft und in das Arbeitsleben zu
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Schwabstraße 59 • 70197 Stuttgart • Tel. 0711 489837-0 • Fax 489837-19 • E-Mail: info@blv-bw.de • Internet: www.blv-bw.de
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integrieren. Dies stellt die beruflichen Schulen bei den oft jugendlichen Flüchtlingen vor
gewaltige Herausforderungen.
Der Anteil der jugendlichen Asylbewerber zwischen 6 und 16 Jahren beträgt ca. 14 %, der
Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren 3,5 % und der Jugendlichen zwischen 19 und
25 Jahren 26,7 %.
Die beruflichen Schulen sind zunächst nur für die Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren zuständig. Aber auch die unter 16jährigen wachsen früher oder später in die Berufsschulpflicht. Ob es sinnvoll ist, jugendlichen Flüchtlingen, die über keine oder nur mangelhafte Deutschkenntnisse verfügen und das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, eine
Vorbereitung auf das Erwerbsleben durch berufliche Schulen vorzuenthalten, darf
bezweifelt werden.
Im Übrigen forderten im Februar 2015 Baden-Württembergs Regierungschef Winfried
Kretschmann (Grüne), seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer (SPD) und
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in einem gemeinsamen Brief an
Bundeskanzlerin Merkel, dass junge Asylbewerber wenigstens so lange in Deutschland
bleiben dürfen, bis sie ihre Berufsausbildung abgeschlossen haben. Für diese Zeit müsste
ihnen ein gesicherter Aufenthaltsstatus gewährt werden. Eine berufliche Erstausbildung
ohne Berücksichtigung der Dauer des Spracherwerbs dauert im Regelfall drei Jahre.
Gleichzeitig postuliert das Handwerk: „Das Handwerk ist bereit zur Integration von Flüchtlingen. Die Erlangung eines Schul- bzw. Ausbildungsabschlusses hat oberste Priorität.
Flüchtlinge, die zunächst einer Erwerbstätigkeit nachgehen, müssen jedoch auch zu
einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit haben, über eine Nachqualifizierung einen
Berufsabschluss zu erlangen“1.
Zuwanderer mit dem Status „Asylbewerber“ sind nach sechs Monaten Aufenthalt
berufsschulpflichtig. Eine möglichst frühe Beschulung und ein beschleunigtes
Asylverfahren sind dringend erforderlich. Die Asylbewerber wohnen zunächst in einer
Gemeinschaftsunterkunft, sollen aber auf die Gemeinden des zuständigen Kreises verteilt
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Positionierung des baden-württembergischen Handwerks zur Flüchtlingspolitik, BWHT März 2015
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werden. In der Gemeinschaftsunterkunft werden die Asylbewerber in der Regel noch gut
betreut, teils durch Sozialarbeiter oder durch ehrenamtliche Strukturen. Allerdings besteht
die Gefahr, dass diese Begleitung nach dem Auszug fast vollständig verloren geht.
Neben den Flüchtlingen kommen in großer Zahl Jugendliche im Rahmen der Zuwanderung aus EU-Ländern wie Polen, Rumänien, Bulgarien, Italien, Ungarn und Spanien. Häufig haben ihre Eltern selbst größere Sprachprobleme und können sie kaum unterstützen.
Herausgelöst aus ihrem sozialen Umfeld werden sie geplagt von entwicklungsbedingten
Identitätsproblemen.
Das Ziel: Vom Flüchtling und Zuwanderer zum Steuerzahler
Viele reden von einer Willkommenskultur in Deutschland. Die alles entscheidende Frage
ist aber, ob man Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit auch für Flüchtlinge und
Zuwanderer verwirklichen will oder nicht. Falls ja, heißt die Antwort für viele Migranten
ohne Deutschkenntnisse:
- ein Jahr VABO2 zum Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse, bei Analphabeten sind
zwei Jahre VABO notwendig
- ein Jahr VAB3 zum Erlangen eines Hauptschulabschlusses
- evtl. zwei Jahre Berufsfachschule, um die Fachschulreife zu erwerben
- drei Jahre duale Ausbildung.
In der Summe sind wir dann bei fünf bis sieben Jahren Verweildauer in einer beruflichen
Schule mit dem Ergebnis, dass wir gesellschaftlich integrierte und gut ausgebildete Fachkräfte gewinnen, die Steuern und Sozialabgaben bezahlen und sich in Deutschland
wohlfühlen und anerkannt werden.
Die beruflichen Schulen erbringen bereits heute eine hohe Integrationsleistung. So liegt
z.B. in den Berufsfachschulen und Berufskollegs der Städte Stuttgart und Mannheim der
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Vorqualifizierung Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse
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Vorqualifizierung Arbeit und Beruf
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Anteil der Migrantinnen und Migranten deutlich über 50 % und bei den beruflichen Gymnasien bei über 40 %. An einzelnen Standorten erreichen die Schulen Migrantenanteile
bis zu 75 %. Diese Schülerinnen und Schüler sind auch unter erschwerten Rahmenbedingungen durchaus erfolgreich.
Was hat das Land bislang getan?
Das Kultusministerium hat sukzessive 150 VABO-Klassen eingerichtet, neue kommen
wöchentlich hinzu. Dafür wurden befristete Beschäftigungsverhältnisse für Lehrkräfte im
Arbeitnehmerverhältnis geschaffen. Für den Unterricht von Zuwanderern und Flüchtlingen
hat das Kultusministerium den Schulen für das laufende Schuljahr 2014/2015 kurzfristig
insgesamt 200 zusätzliche Deputate zur Verfügung gestellt, davon entfielen 58 Deputate
auf den beruflichen Bereich.
Die Gewinnung der für die Beschulung der VABO-Klassen erforderlichen zusätzlichen
Lehrkräfte gestaltete sich aber als ausgesprochen schwierig. Zum einen standen nicht
genügend Bewerber zur Verfügung, zum anderen waren die Einstellungsbedingungen
nicht auf die Anforderungen der beruflichen Schulen zugeschnitten. Die bisher
eingestellten Lehrkräfte haben häufig keine abgeschlossene Lehrerausbildung und
erhalten deshalb eine Vergütung zwischen Entgeltgruppe E 6 und E 12. Aufgrund einer
fehlenden abgeschlossenen Lehrerausbildung können sie ohne Nachqualifizierung nicht
dauerhaft an beruflichen Schulen beschäftigt werden.
Zur Lehrkräfteeinstellung 2015 sollen nun weitere 162 Stellen für Lehrkräfte in der
Flüchtlingsarbeit besetzt werden. Hiervon erhalten die beruflichen Schulen 122 Stellen für
die Sprachförderung von jungen Flüchtlingen. „Ein großer Teil“ dieser zusätzlichen Stellen
sind in A 13 ausgewiesen. Die Finanzierung soll über einen Nachtragshaushalt erfolgen4.
Damit hat das Kultusministerium aus seinen Fehlern gelernt und verbesserte
Einstellungsbedingungen für diese Lehrergruppe geschaffen.
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Quelle: Pressemitteilung des Kultusministeriums vom 1.4.2015
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Was muss noch getan werden?
 Ziel der VABO-Klassen ist es, die Schülerinnen und Schüler in einem Jahr auf das
Sprachniveau A 1 nach dem europäischen Referenzrahmen zu bringen. In einem
zweiten Jahr im VAB könnte dann das Sprachniveau A2 oder B1 angestrebt werden. Ein solches Sprachniveau ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufsausbildung im dualen System.
 Auch während der Berufsausbildung bzw. während des Besuchs weiterführender
Schulen ist eine begleitende Sprachförderung unabdingbar. Auch hierfür benötigen
die Berufsschulen und die beruflichen Vollzeitschulen entsprechende Ressourcen.
 Viele Flüchtlinge sind schon seit mehr als einem Jahr auf der Flucht. Die Kinder
dieser Familien haben in dieser Zeit keine Schule gesehen. Sie müssen sich erst
an einen geordneten Tagesablauf gewöhnen. Nicht alle kennen die lateinische
Schrift. Eine Vermittlung von Deutschkenntnissen bei Flüchtlingen ohne jede
Vorkenntnisse ist nur in Kleingruppen möglich. Deshalb sind im Organisationserlass bezüglich der VABO-Klassen die strengen Vorgaben zu Mindestschülerzahl und Klassenteiler aufzuheben und situationsgerecht Gruppenbildungen zu ermöglichen.
 Wenn eine Integration der Flüchtlinge gelingen soll, muss auch für die Gruppe der
nicht berufsschulpflichtigen Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren ein berufliches Bildungsangebot geschaffen werden.
 Die den Schulen für die Bildung der VABO-Klassen zusätzlich zur Verfügung
gestellten Lehrkräfte reichen allerdings nicht aus, den Ganztagesunterricht abzudecken. Zur vollen Abdeckung des Unterrichts in den VABO-Klassen sind zusätzlich 240 Deputate erforderlich. Für die Organisation des Ganztagesunterrichts wäre
auch – nach schulischer Bedürfnislage - die Einstellung von pädagogischen Assistenten5 eine Option. Weil jedoch weder ausreichend zusätzliche Lehrkräfte noch
5
Pädagogische Assistentinnen und Assistenten werden derzeit nur an Werkreal- und Hauptschulen sowie
an Grundschulen mit hohem Migrantenanteil und Brennpunktschulen tätig.
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pädagogische Assistenten zur Verfügung stehen, bleibt den Schulleitungen nur die
Wahl zwischen einem reduzierten Bildungsangebot in den VABO-Klassen und einer schulinternen Umschichtung der Deputate zu Lasten der übrigen Bildungsgänge der Schule (Berufsschule, Berufsfachschule, Berufskolleg und Berufliches
Gymnasium). Beide Wege verbieten sich von selbst. Die Flüchtlingskinder wollen
aus den Gemeinschaftsunterkünften raus und in die Schule gehen. Sie wollen und
müssen die deutsche Sprache lernen, um sich im Alltag zurechtzufinden und sich
zu integrieren. Dies darf aber nicht zu Unterrichtskürzungen in den übrigen Schularten führen. Die leichte Steigerung des Unterrichtsdefizits von 2,2% auf 2,3 % im
laufenden Schuljahr deutet auf das Problem hin.
 Der Umgang mit oftmals traumatisierten Flüchtlingskindern erfordert ein umfassendes Betreuungskonzept. Die Lehrkräfte müssen auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Im Rahmen ihrer Ausbildung standen diese spezifischen Problemlagen noch
nicht im Fokus. Deshalb müssen sowohl die Lehrkäfteausbildung als auch die
Lehrkräftefortbildung auf diese neuen Herausforderungen ausgerichtet werden.
Dazu genügt es nicht, eintägige Fortbildungen zum Thema „Deutsch als
Zweitsprache“ anzubieten.
 Die Lehrkräfte allein können sich nicht um alle Belange ihrer Schüler kümmern, die
ohne Deutschkenntnisse, oftmals auch unbegleitet, in den Gemeinschaftsunterkünften ankommen. Hier brauchen die Jugendlichen eine Betreuung durch
Schulsozialarbeiter. Soll dann – nach Erwerb ausreichender Deutschkenntnisse –
ein Übergang in die Arbeits-und Berufswelt angestrebt werden, ist eine Unterstützung durch Jugendberufshelfer notwendig. Darüber hinaus benötigen wir in den
schulpsychologischen Beratungsstellen in Traumatologie ausgebildete Fachkräfte.
 Der zusätzliche Verwaltungsaufwand der Schulen ist immens. Ein gutes Beispiel
dafür ist die Schülerbeförderung. So werden Fahrkarten für die Flüchtlinge und
Asylbewerber nur für drei Monate ausgegeben. Für eine Befreiung der Schüler von
den Kosten entsteht ein hoher Zeitaufwand für die Zusammenarbeit mit dem
Ausländeramt und dem Jobcenter. Werden Kosten erhoben sind die
Schulsekretariate gefordert, das Geld monatlich einzuziehen. Gepaart mit den
großen sprachlichen Hürden ist dies eine Sisyphusarbeit, die oft auch noch die
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Schulleitungen und die Lehrkräfte beschäftigen. Auch die Abstimmung mit ehrenamtlichen Helfern erfordert einen zusätzlichen Koordinierungsaufwand. Dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Schulsekretariate und der Schulleitungen ist
deshalb Rechnung zu tragen.
Zusammenfassend fordert der BLV:
1. Ein langfristig angelegtes Lehrerausbildungskonzept
2. Systematische Fortbildungs- und Unterstützungsangebote für Lehrkräfte
3. Weitere Einstellungskontingente für die Beschulung von Flüchtlingen und Zuwanderern
4. Aufhebung der Vorgaben für Mindestschülerzahl und Klassenteiler in VABO-Klassen
5. Einstellung von pädagogischen Assistenten
6. Aufstockung der Schulsozialarbeit und der Zahl der Jugendberufshelfer
7. Zusätzliche Anrechnungsstunden für den erhöhten Verwaltungsaufwand
8. Erweiterung der Zielgruppe auf die nicht berufsschulpflichtigen Jugendlichen zwischen
18 und 25 Jahren
9. Beschleunigung der Asylverfahren und eine frühere Beschulung der Flüchtlinge
10. Keine Abschiebung während der Berufsausbildung
***
An den beruflichen Schulen werden im laufenden Schuljahr landesweit rund 358.960
Schülerinnen und Schüler unterrichtet.
***
Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg
e.V. (Berufsschullehrerverband) vertritt in Baden-Württemberg über 10.000 Lehrerinnen
und Lehrer.
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Der Verband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Baden-Württemberg
e.V. (Berufsschullehrerverband) hat im Bereich der beruflichen Schulen in allen Personalvertretungen auf Regierungspräsidiumsebene sowie im Kultusministerium die Mehrheit.
***
verantwortlich i. S. d. P.
Herbert Huber, Kniebisstr. 7a, 77767 Appenweier
Fon: 07805 910907 Mobil: 0170 5539188
Fax: 07805 910909
Mail: info@blv-bw.de
Pressereferent: Friedrich Graser Tel 0173 669 1106
Ein Foto von Herrn Huber erhalten Sie über folgenden Link:
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