Der eiskalte Einbrecher - Geheimwissen Schlüsseldienst
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Der eiskalte Einbrecher - Geheimwissen Schlüsseldienst
Impressum Originalausgabe Erste Auflage 2007 Autor: Michael Bübl Eigenverlag Wien Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-95922-130-5 www.geheimwissen.at EINDRINGLICHE WARNUNG NIEMALS NACHMACHEN! Der Autor, der Verleger und alle Personen, die am Entstehen und am Vertrieb dieses Buches beteiligt waren, warnen hiermit eindringlich vorm Nachahmen der in diesem Werk vorgestellten Methoden. Einbruch und Diebstahl sind schwere, gemeine Verbrechen! Alle hier gezeigten Methoden zur Öffnung von Schlössern und Tresoren sind vom Autor persönlich vorgenommen worden, und sind garantiert Hundertprozent erfolgreich. Die vorgestellte Taktik zur Erzeugung von Nachschlüssel hat ebenfalls Erfolg. Zum Teil sind es eigene Erfindungen und Entdeckungen des Autors. Jedoch bedenken Sie: Sämtliche Aufträge des Autors, die eine solche Arbeitsweise notwendig machten, führte er legal und legitimiert aus. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und Kenntnisse für ein Verbrechen einzusetzen sind für den Autor absolut undenkbar. Die ganze Geschichte ist fiktiv und frei erfunden. Es gibt weder Phil, noch die schöne Kelly und auch Marcus ist nicht real. Rein theoretisch wäre es jedoch möglich, mit tiefer Sachkenntnis, handwerklichem Geschick und umfangreichen Sicherheitsverständnis, ein solches Verbrechen zu begehen. Es wird hier nochmals sogenannten Trittbrettfahrern dringend abgeraten den Romanfiguren die Taten nachzumachen und Straftaten zu begehen. Einbruch wird mit jahrelangem Kerker bestraft. Erschwerend kann vor Gericht zusätzlich bewertet werden, wenn eine kriminelle Vereinigung gebildet worden ist und die Straftaten gewerblich ausgeübt worden sind. In einem solchen Fall kann es dann sogar jahrzehntelangen Knast geben. Tipp des Autors: Lesen Sie, unterhalten Sie sich, aber: NICHT NACHMACHEN! Vorwort „Versuchen Sie unser Geld zu stehlen!“ Diese Worte sagte ein Klient zu mir. Unverblümt, klipp und klar. Er war Sicherheitsbeauftragter einer gewaltigen Supermarktkette und wollte das Letzte aus mir und meinem Fachwissen herauskitzeln und ging die Sache anders als gewöhnlich an. Üblicherweise laufen diese Aufträge nach gleichem Schema ab. Mir werden Objekte gezeigt und deren Sicherheitsvorkehrungen. Ich analysiere die vorhandenen Einrichtungen und mache Vorschläge zur Verbesserung auf mechanischer, elektronischer oder personeller Ebene. Diese Vorschläge werden umgesetzt und anschließend wird eine nochmalige Überprüfung meinerseits erbeten. Im Leben eines Spezialisten, wie ich es einer bin, dreht sich praktisch alles um Sicherheit, Schlösser, Einbruch, Schlüssel und Einbrecher. Man muss, um effektiv gegen Einbruchsdiebstahl vorgehen zu können, wie Einbrecher denken. Ich kann es! Könnte ich es nicht, wäre ich ein miserabler Schlossermeister. Mit den Jahren lernt man zu sehen und zu überlegen wie Täter. Jahrzehntlange eigene Erfahrung, unzählige Stunden Weiterbildung mit (wirklich) trockener Literatur, unendendliche Gespräche mit erfahrenen und gebildeten Polizisten und anstrengende Interviews mit Tätern auf wissenschaftlichen Niveau machten aus mir einen führenden Sicherheitsexperten. Es ist vor allem das Täterwissen, das maßgeblich Anteil hat an einer wirkungsvollen Einbruchsprävention. Jedes zu schützende Objekt, sei es ein Haus, Wohnung oder Firma, betrachte ich aus den Augen eines Täters und suche Schwachstellen. Viele Menschen in allen Positionen suchen daher meinen Rat um sich vor ungebeten Gästen zu schützen.. Zuerst war ich paff und wollte diesen Auftrag nicht übernehmen. Er konnte mich jedoch überzeugen und garantierte mir völlig freie Hand und Straffreiheit. Das ganze Projekt sei mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen und eine legale Arbeit. Er argumentierte, dass nur ein Mensch, der sich gänzlich in den Kopf eines Verbrechers (Milieukenner) versetzen kann, und damit die Gedanken eines Einbrechers kennt, in der Lage wäre einen solch brisanten Auftrag auszuführen. Zusätzlich ist enormes Fachwissen, Sicherheitsverstand und gänzliche Verschwiegenheit Vorraussetzung. Mit den Worten, „wir suchen jemanden mit goldenen Händen“, war das Eis endgültig. Er fügte an, dass nur ein moralisch gefestigter Mann in diese Rolle schlüpfen kann, ohne in Konflikt mit sich oder dem Gesetz zu geraten. Wenn man monatelang wie ein Verbrecher denkt und in Verbrecherkreisen verkehrt, muss dennoch immer der Bezug zur Realität gewährleistet sein. Ein Abrutschen darf niemals passieren! Ich sagte zu und fing an mich in das Projekt zu verbeißen und zu studieren. Es hat sich gezeigt, dass die Angelegenheit weit komplizierter war, als ursprünglich von mir angenommen. Bei einem komplexen Auftrag wie diesem verlaufen die Planungen äußerst weitgreifend und genügt es definitiv nicht der Gedanke: Da setz ich einfach mal das Brecheisen an. Die wohl wichtigste Frage ist: Warum begeht ein Täter einen Einbruch? Um dies zu klären lag wiederum ein riesiges Pensum an Knochenarbeit vor mir. Gespräche mit Soziologen, Psychiatern, Sozialarbeitern, Polizisten und Tätern bestimmten meinen Alltag. Die Antwort ist keineswegs geradlinig. Eindeutig falsch ist: Wegen des Geldes. Wäre dem so, würde es ausschließlich Einbrecher auf dieser Welt geben und niemand würde eine andere Tätigkeit ausüben. Es müssen also einige Komponenten zusammenspielen, um aus einem Menschen einen Einbrecher werden zu lassen. Dieser Frage bin ich intensiv nachgegangen und interessante Wahrheiten entdeckt. Diese Entdeckungen sind für die Öffentlichkeit von immenser Bedeutung. Mit winzigen Korrekturen im Sozialsystem könnten Einbrecher auf ihre Verbrechen verzichten und viele Taten würden überhaupt nicht begangen werden und nicht nur „woanders“. (Verhindert anstatt verlagern). Die nächste Frage war in diesem Fall für meinen Auftraggeber die wichtigere. Warum bricht ein Täter ausgerechnet bei mir ein? Allgemeiner formuliert: Wo bricht ein Täter ein? Mit Fleiß war ich den Erkenntnissen auf der Spur, habe das Thema gründlichst erforscht und kann auch hier passende Antworten geben. Zu diesen Grundfragen gesellten sich noch Tausende, die allesamt von mir beantwortet wurden. Sämtliche auftretende Probleme wurden gelöst und mir gelang ein positiver Abschlussbericht. Mein Auftraggeber erlitt einen Zusammenbruch als ich ihm den Beweis für meinen Erfolg auf den Tisch gelegt habe (Ein speziell markierter Geldschein, der in einem seiner Tresore versteckt war). Er hat nicht mit meiner Entschlossenheit und Professionalität gerechnet und das kann im Ernstfall fatale Folgen haben bis zum Verlust des Eigentums, oder zum Verlust Unternehmens. Meine Erkenntnisse und Forschungen zu diesem Auftrag waren derart umfangreich und interessant, dass daraus dieses wirklich witzige, sozialkritische und vor allem lehrreiche Buch entstanden. Es wäre schade dieses Wissen verkommen zu lassen. Mit diesem Werk habe ich bewiesen: Selbst Fachwissen unterhaltsam gebracht werden kann! Zur Beachtung: Um den Text einer noch breiteren Öffentlichkeit leicht lesbar anzubieten, habe ich „Arbeiterdeutsch“ gewählt. Ich wollte nicht, dass jemand ausgeschlossen wird, weil er keine Zeit oder Lust hat, öde und unlesbare Fachliteratur durchzuackern zu können. Dieses Buch soll auch keinen Wettbewerb der schreibenden Deutschprofessorengilde gewinnen.....! Ein unleserliches Buch zu schreiben entbehrt jeglichen Sinn. Dieses Werk soll unterhalten, warnen und bilden aber vor allem gelesen und verstanden werden! Zum noch leichteren Verständnis und zur Auflockerung wurden amüsante Grafiken eingefügt. Der eiskalte Einbrecher Eine Gaunerkomödie Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 1 Der triste Alltag Die Ampel schaltet schon wieder auf rot. Das ist dritte Phase und ich sitze in diesem miesen kleinen Lieferwagen. Der Blasenhochstand ist kaum auszuhalten, zum Glück kommt ein kleiner Park in ein paar Minuten, wenn nur die verdammte Ampel länger auf grün bliebe. Hoffentlich sind dort nicht zu viele Leute unterwegs, sonst habe ich ein Problem. Endlich bewegen sich die drei Autos vor mir. Es blinkt, der Vordermann will ernsthaft anhalten. Ich hupe und blinke ihn an, er blickt zurück, tritt auf die Bremse und lächelt, wie man deutlich in seinem Rückspiegel sieht. Warum macht der das? Was hat er davon? Boshaftes Schwein! Die Hauptsache ist für ihn, er kann einem Mitmenschen etwas zu Fleiß machen, auch wenn er selbst einen Nachteil hat. Das stört ihn nicht. Anstatt zu achten, selbst mehr zu haben, konzentriert sich die Masse darauf, 7 Der eiskalte Einbrecher dass der andere weniger hat. Das kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wo da der Sinn liegt. Es ist wieder grün, der Schwachkopf vor mir wirft mir noch ein Blick durch den Rückspiegel zu und fährt langsam und bedächtig los, so dass möglichst keiner hinter ihm ordnungsgemäß übersetzen kann. Es gelingt ihm nicht. Der Wagen hinter mir fährt sogar bei rot, wird schon keiner sehen. Die ersehnte Grünfläche ist in Sichtweite, nur mehr einen Parkplatz finden und dann schnell hinter den Strauch. Die Notdurft ist unerträglich, ich halte es nicht mehr aus, bleibe einfach ohne Parkplatz an der Ecke stehen und springe aus dem Auto. Warum sind da heute so viele Menschen, überlege ich und renne ein Stück in den Beserlpark. Nur mehr eine Frau mit zwei riesigen Rotweilern ist zu sehen, wobei der eine Köter gerade dabei ist einen gewaltigen Haufen ins spärliche Gras zu platzieren. Hinter einem Bäumchen, der mich nur halb abschirmt, befreie ich mich vom Frühstückskaf- 8 Der eiskalte Einbrecher fee. Die Hundefrau schaut blöd, das stört mich nicht, nur die Männer vom Stadtgartenamt beunruhigen mich, die mit dem kleinen Traktor um die Ecke biegen. Ich kann jetzt unmöglich unterbrechen, also lasse ich es laufen und hoffe nicht entdeckt zu werden. Vergeblich, der eine sieht mich, tippt seinen Kollegen an, der daraufhin Vollgas gibt. Das laute Fahrzeug nähert sich bis auf wenige Meter und ich bin noch immer nicht fertig. Jetzt habe ich aber wirklich keine Zeit mehr, ich muss flüchten, bevor mich der größere Arbeiter, der schon sprungbereit auf der Plattform steht, festhalten kann. So eine blöde Zwickmühle, in der ich mich befinde Die Entscheidung fällt trotzdem leicht, besser eine nasse Hose als eine Anzeige. Nicht fertig angezogen laufe ich den Gärtnern davon, die mir nachschreien und mit Polizei drohen. Ich flüchte durch den ganzen Park, bis ich wieder auf der Strasse bin. Allerdings auf der anderen Seite, und weit weg vom Auto. Die zwei wütenden Arbeiter habe ich abgehängt, die sich wegen mir so aufregen und den Hundekot scheinbar gar nicht bemerken. Tausende ekelige Patzen machen niemanden was 9 Der eiskalte Einbrecher aus, aber wehe du pinkelst wohin. Warum gibt es in dieser Stadt keine Toiletten, ich habe es schon satt in den Park zu pinkeln. Über einen Umweg gehe ich zu meinem Fahrzeug zurück und sehe von weitem schon einen Parksheriff, genau in dem Moment, als er den Strafzettel hinter den Scheibenwischer einklemmt. Es ist sonnenklar, dass es völlig egal ist, was man zu dem Wachmann sagt, es ist zu spät. Er wird die Strafe nicht zurückziehen. Ich probiere es trotzdem: „Bitte könnten Sie eine Ausnahme machen, ich hatte hier etwas Dringendes zu liefern und konnte keinen Parkplatz finden. “Nein das geht nicht, wenn die Verfügung einmal geschrieben ist und übrigens so dringend kann die Lieferung nicht gewesen sein, wenn Sie Zeit haben im Park spazieren zu gehen. Ich habe Sie schon gesehen, wie Sie ausgestiegen sind.“ Das Gespräch mit dem Organ ist damit beendet, der Mann hat tierische Freude an seiner Arbeit. Wieder im Auto fällt mein erster Blick aufs Mobiltelefon, das in der Halterung steckt. Beim eiligen Aussteigen vorhin wurde es von mir vergessen. Auf dem Display steht zwei Anrufe in Abwesenheit! Das waren sicherlich Kunden, die jetzt die Konkurrenz anrufen. Verdammt, das Geld fehlt mir. Nach wenigen Minuten Fahrt breitet sich ein stechender Gestank aus. Das Heizgebläse 10 Der eiskalte Einbrecher verstärkt die Wirkung noch und mir wird fürchterlich übel. Ich ahne bereits, was die Ursache für den Mief reiße die Türe auf und sein kann. Ich fahre zum Straßenrand aus der Vermutung wird Gewissheit. Auf beiden Schuhen klebt Hundeglück in bester Qualität. Saftige Erinnerungen an die Flucht im Park. Der Dreck ist derart in die Sohlen eingetreten, dass jeder Versuch das eklige Zeug am Randstein abzustreifen sinnlos ist. Überdies quillt der Schmutz über die Schuhkante empor. Die Lenker in den vorbeifahrenden Autos lachen mich aus, sie wissen Bescheid. Mit einem dünnen Ast lässt sich ein großer Teil einigermaßen abwischen, jedoch für den Duft genügt ein winziges Stückchen in einer Profilecke. So ein kleines Bröckchen bleibt immer zurück, egal wie groß die Mühe war, das Seuchenpott zu entfernen. Ein guter Start in 11 Der eiskalte Einbrecher den Tag ist das heute, denke ich mir, und es ist nicht einmal noch sieben in der Früh. Der Tag geht ungefähr so weiter, wie er begonnen hat. Schimpfende Taxler, verabsäumte Kunden, einige Male bei gelb gefahren, manchmal bei rot. Pakete abholen, Pakete zustellen, fast kein Trinkgeld. Da ja ein reicher Botendienstfahrer wie ich es bin, kein Büro oder Firma hat, in dem ich mich ausruhen kann, muss ich mich nach einigen Stunden stumpfsinnigen herumfahren in der Stadt irgendwo ausrasten. Nicht einmal eine Garage kann man sich leisten mit diesem miesen Job. Nach Hause fahren zahlt sich nicht aus, außerdem ist die Wohnung im vierten Stock und das ohne Lift, aber mit Mezzanin. Unnötiges Stiegensteigen macht auch keine Lust. Es ist halb zwei und es war noch keine Zeit irgendetwas zum Essen oder ein Getränk zu kaufen. Auf dieser Strasse ist in einen Kilometer ein Supermarkt, dort wird Futter gekauft und etwas geruht. Die Auswahl des Discounters ist nicht gerade fantastisch. Ungefähr drei Regale mit Wein oder 12 Der eiskalte Einbrecher Tiernahrung, aber für mich gibt es eigentlich nichts. Ich mag kein Schinken Tramezzini, das morgen abläuft. Ich lehne auch das Eitramezzini mit harter eingetrockneter Kruste ab. Die Vitrine mit dem „Warmen“ sieht dermaßen widerlich aus, dass ich mich ernsthaft frage, wer einen ausgelaufen Kümmelbraten oder einen völlig verbrannten zusammenringelten Leberkäse essen soll. Die hautkranke Verkäuferin hinter dem Pult erhöht zusätzlich nicht meinen Appetit auf Wurst. Sind Hautentzündungen oder Akne Bedingung, wenn man so einen Job sucht? Im Vorstellungsgespräch fragt der Personalchef garantiert die Kandidaten: „Haben Sie ansteckende Krankheiten? Ja, Sie sind eingestellt!“ Mir graust und so greife ich zu drei Kornspitz und einer Buttermilch, toll! Bei der Kassa stehen sieben oder acht Kunden vor mir. Es geht sowieso schon langsam, aber die Kartenzahler sind die größten Zeitvernichter. Wenigstens geht die Kassarolle nicht zur Neige. Nach zwanzig Minuten sitze ich wieder im stinkenden Auto und esse die trockenen Kornweckerln und schütte die eiskalte Buttermilch nach, die Hälfte des Getränks landet auf meiner Hose, welch ein Leben. Der Sitz lässt sich nicht umlegen oder zurückschie13 Der eiskalte Einbrecher ben, denn schon wenige Zentimetern hinter der Lehne ist die Blechwand, die den Laderaum abtrennt. Aus Müdigkeit kippt mein Kopf vorn über und bleibt auf dem Lenkrad liegen. Die Entspannung tut gut, bis ein Klopfen diesen kurzen Moment des Glücks abrupt zerstört. Es reißt mich, ich fahre hoch und neben dem Seitenfenster steht ein Polizist, der stürmisch an die Scheibe trommelt. Er deutet mir, dass das Fenster ein Stück runtergekurbelt werden soll. Um dies zu tun beuge ich mich über die Beifahrersitz, zerquetsche dabei die dort abgelegte Milchpackung und der glitschige Rest ergießt sich über den Sitz. „Ist Alles in Ordnung, kann ich Ihnen helfen? „Nein danke, Herr Inspektor, es geht schon. Mir war nur schwindelich für einen Moment, ein bisschen Ausruhen wirkt Wunder! „Wenn Ihnen schlecht ist, 14 Der eiskalte Einbrecher dann dürfen Sie auf keinen Fall das Kraftfahrzeug lenken, wissen Sie das?“ „Es ist schon vorbei, die Übelkeit, das Essen hat mir geholfen“ entgegne ich dem Ordnungshüter und lächle falsch und gequält. „Wir haben Glück, das wir so gute und natürliche Nahrungsmittel in unserem Land haben, andere hungern.“ „Ja, ja das ist wirklich ein großes Glück, dieses Gebäck ist garantiert aus unserer Heimat, so wie das schmeckt!“ und deute auf den übergebliebenen Spitz. Der Uniformierte beugt sich vor, um besser sehen zu können und macht einen tiefen ungewollten Atemzug aus dem Wageninneren. Unwillkürlich verschluckt er sich und zuckt zurück. „Dann wünsche ich gute Fahrt und reinigen Sie Ihr Fahrzeug, der Geruch könnte der Grund für Ihre Fahruntauglichkeit sein.“ „Wird gemacht!“ Die Lieferungen werden fortgesetzt. Von Adresse bis Adresse wird gefahren bis 18 Uhr, dann ist Schluss. Die Frachtpapiere müssen noch in der Zentrale abgegeben werden, das dauert eine halbe Ewigkeit. Das Mädchen am Computer macht sich entweder einen Spaß uns Fahrer hinzuhalten und unsere Zeit zu vergeuden oder sie kann nicht schneller. 31 erledigte Aufträge werden mir aufs Konto gutgeschrieben. 31 mal 4,50 Euro sind 139,50. Mein Verdienst heute, davon muss ich aber alles selber zahlen. Es ist kurz vor sieben und meine Gedanken kreisen ums Essen. Nach dem köstlichen Mittagsmenü, soll es wenigstens am Abend etwas besseres sein. Burger und 15 Der eiskalte Einbrecher Pommes kommen nicht in Frage, die gibt es sowieso fast jeden Tag. Um sieben sperrt der Supermarkt, also heißt es Beeilung. Gleich bei der Funkzentrale ist ein Markt, dort kaufe ich manchmal ein. Die Auswahl ist jedoch nicht üppiger als mittags. Hundefutter, Waschmittel und Wein. Tiefkühlpizza gibt es auch, die wird genommen. Die übliche Schlange an der Kassa nehme ich in Kauf und warte geduldig. Mir ist schon wieder schlecht, diesmal vor Hunger. Das Mobiltelefon läutet am Heimweg, das Mädel am Funk fragt mich, ob ich noch einen Auftrag machen könnte. Sie erreicht sonst niemanden mehr und einer meiner Kollegen, Marcus, hat den Kunden vergessen. „Ja mach ich, rück die Adresse raus!“ „Äh das ist das Problem, das ist am Land.......äh, du weißt da gibt es den doppelten Tarif“! Das kann nicht wahr sein, denke ich. Warum passiert mir das. Ausgerechnet heute, wenn meine Freundin zu mir kommt und wir ihren Geburtstag feiern wollten. Das geht sich niemals aus. Seit einer Woche wird Kelly vertröstet und wenn es heute wieder nichts wird, sieht sie rot und ich schwarz. „Was ist los mit dir, warum sagst du nichts?“ fragt meine Kollegin am Telefon „Du kennst die Regel. Auftrag angenommen heißt Auftrag ausgeführt!“ „Ist schon gut, bin schon unterwegs. Also sag mir schon wo!“ Die Adresse ist etwas außerhalb der Stadt. Dies wäre nicht so schlimm, wenn es nicht auf der anderen Seite wäre. Als ich nach ewiger Fahrt bei dem Gebäude ankomme und läuten will, fällt mir ein kleiner aufge- 16 Der eiskalte Einbrecher klebter Zettel auf. Lieber Botendienst, konnte nicht mehr warten. Bitte kommen Sie morgen. Etwas hilflos lese ich diese Zeilen und spüre wie die Verzweiflung sich in mir breit macht. Wegen diesem Affen bin ich extra hier hergefahren und habe meine am Kippen stehende Beziehung gefährdet. Den gesamten Rückweg überlege ich, wie der verpatzte Geburtstag meiner Freundin doch noch gerettet werden kann. Ein Anruf hilft auf alle Fälle, so meine Vermutung. Falsch vermutet, denn außer der Mobilbox ist nichts zu hören. Mühsam schleppe ich mich die Treppe in meine Altbauwohnung, lege die Pizza in den Miniofen und stelle mich unter die Dusche. Das ist das erste angenehme Erlebnis heute. Nach zehn Minuten riecht es etwas verbrannt, weil die Zeituhr auf dem Backofen kaputt ist. Stört mich nicht, denn ich esse seit einem halb Jahr nur Verbranntes, solange geht die Uhr nicht. Nach drei Bissen Margarita schlafe ich erschöpft ein, um nach zwei Stunden wieder aufzustehen und die Toilette ausgiebig zu besuchen. Offensichtlich war die Pizza einmal aufgetaut und wieder eingefroren worden, das passiert mir oft. Burger wäre doch die bessere Wahl 17 Der eiskalte Einbrecher gewesen. Nach den endlosen anstrengen Durchfallattacken falle ich wieder ins Bett um nach wenigen Stunden erneut aufzustehen. Die Arbeit ruft. Schweißgebadet und gerädert krieche ich in der Dämmerung die in Küche um mir einen Kaffe zu machen. Drei Tassen verschwinden innerhalb weniger Minuten in meinem gereizten Magen, dann wird es Zeit. Die Pakete warten. Wieder steht ein produktiver wunderschöner Tag vor mir, so wie der gestrige. Und dieser war wie die anderen 2000 Tage davor. So lange mache ich den Job schon. Seit 6 Jahren immer das selbe, immer die selben Strassen, Ampeln, Kunden. Ein Horror für einen kreativen Menschen, wie ich es bin. Nur die Geldnot zwingt mich zu dieser schlechten Arbeit. Die einzige Abwechslung ist der jährliche Fahrzeugwechsel. Von einer gebrauchten Rostlaube zur anderen. Heute muss ich beim Park noch nicht so pissen, dass ich aussteigen muss, wie gestern. Ich schaffe es noch bis zur Baustelle, die ein paar Minuten später kommt. Sonst ist alles wie sonst. Mieses Essen, Stau, 18 Der eiskalte Einbrecher schlechte Luft, ermahnende Polizisten, schnellere Konkurrenz, eilige Kunden, auf die Fahrbahn stolpernde Passanten, und Leute die aus der Straßenbahn aussteigen und nicht schauen. Auch auf diese muss man aufpassen, auch wenn es einem vielleicht nicht so gut geht. Manchmal falle ich in ein tiefes Loch und frage mich wie das weitergehen soll. Alle Träume sind erstickt und geplatzt, nur weil kein Geld da ist. Diese Geisel der Armut begleitet mich mein Leben lang. Die Tage reihen sich aneinander wie die Szenen in einen nicht endenden Horrorfilm. Mein Leben ist eine einzige Tristesse, ohne Hoffnung auf Besserung. Es wird nichts geschehen, um die entscheidende Änderung herbeizuführen. Kein Erbe ist in Aussicht, und ein Lottogewinn wird nicht stattfinden. 19 Der eiskalte Einbrecher Fliesenleger habe ich erlernt, das ist fantastisch. Drei Jahre nur schwere Schachteln schleppen in den Rohbauten, weil der Aufzug noch nicht funktioniert. Als ich endlich fertig war sagte der Meister: „Du brauchst jetzt gar nicht glauben dass Du jetzt mehr verdienst, die nächsten Jahre musst Du erst was lernen, Du kannst ja nichts.“ Damit war meine Karriere als Geselle beendet, dem Meister war es recht. Er hatte einen billigen Hilfsarbeiter über Jahre, dann kam der nächste Lehrling. Drei Wochen Arbeitslosigkeit genügten mir um zu merken, dass sich das Gefühl der Freiheit nicht einstellt. Die Miete muss bezahlt werden, so war es mir egal, welche Arbeit ich bekomme. Die Hauptsache ist es wird mehr bezahlt, als mit meiner Facharbeiterprüfung als Fliesenleger, weniger geht nicht. Am frühen Nachmittag kaufe ich mir wie immer etwas Essbares in einem Discounter. Heute entscheide ich mich für die Marmeladeroulade, die ist etwas saftiger als leeres Gebäck. Nach dem ersten Biss bereue ich diese Wahl zutiefst. Das Zeug ist so was von süß und wird während des Kauens immer mehr bis der ganze Mundraum völlig mit der Ku- 20 Der eiskalte Einbrecher chenmasse ausgefüllt ist. Dennoch gelingt es mir den klebrig süßen Sterz hinunterzuschlucken und halte anschließend mein Sitznickerchen im Kistenwagen. Der Geschmack Kuchens ist nach dem Aufwachen noch genauso intensiv vorhanden und wird für immer und ewig im Rachen bleiben. Hoffentlich ist heute etwas früher Schluss, weil es mir gar so schlecht geht. Die halbe Nacht am Lokus war zu viel. Mit einem Anruf in der Zentrale bitte ich die Kollegin mich ab 5 Uhr freizustellen. Durch die leeren Kilometer von gestern Abend, steht mir eine kleiner Bonus zu. Die Abrechnung ist heute schnell gemacht, weil niemand vor mir ist. Im Geist sehe ich das Sofa vor mir mit einer guter DVD und anständigen Essen und einem ausgiebigen Schlaf, morgen wird es mir wieder besser gehen. Einmal die Woche macht jeder Fahrer früher Schluss, auch das ist nichts besonderes. Es stellt sich die Frage, ob eine Stunde vor Ende wirklich als Frühschluss zu bezeichnen ist. Für uns Fußvolk ist es jedoch enorm wichtig. So verlieren wir keine Zeit bei der Abrechnung, und es lässt sich noch einiges Privates erledigen. Heute gibt es keine Tiefkühlpizza, heute wird gekocht! Spagetti mit eigener Sauce. Mein Weg führt mich zu einem Supermarkt mit etwas mehr Auswahl an frischen Lebensmittel. Schnell sind die nötigen Zutaten in der Schachtel, ich nehme nie einen Wagen. Zu groß ist meine Aversion gegen Verkaufswagen, es ist entwürdigend damit durch die Gänge zu fahren. An der Kassa geht es zäh, die Automatenzahler sind schuld. Kann sich denn keiner von denen merken, wie die 21 Der eiskalte Einbrecher Karte richtig in den Automaten geschoben werden. Jeden zweiten muss die Kassiererin korrigieren: „Karte bitte anders reinstecken mit dem Streifen nach oben.“ Ein Kunde noch vor mir und dann bin ich an der Reihe. 22 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 2 Die entscheidende Entdeckung Da passiert eine winzige Kleinigkeit, wie sie sich täglich tausendfach ereignet. Und dieser unbedeutende Vorfall, soll mein Leben für immer verändern. Ein Ereignis, welches normalerweise nicht beachtet wird. Der Mann vor mir kauft einige Dinge und die Kassiererin fährt irrtümlich zweimal über die Kassa. Sie stößt ein kurzes OJE aus und klingelt. Von weit hinten ist schrill zu hören „Was brauchst du?“ Die junge Frau, etwas nervös geworden, wegen der Schlange und der ärgerlichen Blicke die auf sie gerichtet sind ruft zurück „Schlüssel bitte!“ Meine halbwegs gute Laune ist mit einemmal hinüber, denn 23 Der eiskalte Einbrecher Warten macht mich fertig. Warum passt die Kuh nicht auf, sind meine Gedanken und damit bin ich sicherlich nicht alleine, denn durch die Menge geht ein Raunen. Und warum stinken die Kassafrauen immer dermaßen nach altem Schweiß? Die Dame im gelben Mantel kommt fast im Laufschritt, greift in ihre Tasche zieht einen riesigen Schlüsselbund heraus. Sie sucht aus der Unzahl der verschiedenen Schlüssel ein winziges silbernes Exemplar. Geschickt steckt sie ihn in das Schlüsselloch an der Oberseite der Kassa. Niemals zuvor habe ich gesehen, dass eine Kassa ein Schlüsselloch hat. Nun hängt der ganze Bund herunter und die Kuh zieht den Artikel nochmals über den Scanner. Der gesamte Vorgang dauerte ungefähr zehn Sekunden. Während dieser Zeit schaue ich halb ins Narrenkasterl und halb auf den 24 Der eiskalte Einbrecher Schlüsselbund. Auf dem Ring sind viele verschiedene Schlüssel zu sehen, die fast alle gleich sind. Nur einer sticht hervor. Es ist ein Tresorschlüssel, das weiß ich. Jedes Kind weiß, wie diese Schlüssel aussehen. Sie haben einen langen Schaft und einen Bart auf beiden Seiten. In der Hand habe ich noch nie einen gehabt, wäre sicher interessant. Da ich nichts von Schlüssel und Schlössern verstehe, hat mich der Ablauf nicht besonders interessiert und ich habe ihm auch nicht besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Mann vor mir bezahlt und endlich darf auch meine Wenigkeit seinen Einkauf beenden. Ich bin nur sauer aufgrund der verloren Zeit. Vor meiner Wohnung kramte ich meinen Schlüsselbund hervor, um die einfache Tür aufzusperren. Für Leute wie mich, sind Schlösser sowieso völlig sinnlos. In mein Zimmer könnte der Einbrecher höchstens was hineinlegen. Zu stehlen gibt es nichts. Mein ganzer Besitz beschränkt sich auf einen 20 Jahre alten Fernseher und einen DVD Player. Durch das Erlebnis im Supermarkt neugierig geworden, betrachte ich erstmals meinen Bund genauer. Auf meinem Ring sind viele Schlüssel aufgefädelt bemerke ich und habe keine 25 Der eiskalte Einbrecher Ahnung wo die alle sperren. Das beachtet man doch nicht. Einen kenn ich gut, das ist der für die Wohnung. Der ist grau, riesengroß und stinkt nach Eisen. Der Stiehl ist rund und vorne hat er einen Bart, so nennt man die Zacken. Das Monstrum ist sicherlich hundert Jahre alt, jedenfalls schätze ich das, denn manchmal hängt das Schloss und lässt sich nur mit List öffnen. Man muss dann schnell rütteln, dann geht es wieder. Einmal wird es überhaupt nicht mehr sperren, keine Ahnung was ich dann mache. Dann kenne ich noch den Haustorschlüssel, der ist goldfarben, flach und klein. Der wird nie gebraucht, weil das Eingangstor sowieso nie jemand zusperrt. Früher schon, aber dann war das Schloss einige Male kaputt. Es wurde zwar hin und wieder repariert, seit einem Jahr aber nicht mehr. Jetzt steht das massive Tor Tag und Nacht offen. Es stört niemanden bei uns im Haus, wir sind alle arme Hunde. Wahrscheinlich ist ein Nachbar schuld an den dauernden Reparaturen, er hat sich keinen Nachschlüssel leisten können, und hat das Schloss beschädigt. Wo die anderen Schlüssel sperren, weiß ich nicht. Der Vermieter hat mir den ganzen Bund so wie er ist mit den Worten übergeben: „Der ist für die Wohnung und der fürs Haustor, mehr brauchen Sie nicht. Am Dachboden haben Sie nichts verloren und 26 Der eiskalte Einbrecher ein Ausflug in den Keller ist nicht gerade empfehlenswert.“ Der Mann sprach die Wahrheit, denn seit ein paar Ratten beim Kellerabgang gesehen wurde, erscheinen die Worte glaubhaft. So habe ich nie weiter darauf geachtet, welche Schlüssel noch sinnlos mitgeschleppt werden. Duschen, kochen, Freundin anrufen, essen und den Filmanschauen, das ist mein Plan. Die ersten zwei Punkte sind schnell erledigt, der dritte bereitet etwas Bauchweh. Nach zweimal Läuten hebt sie ab, um mir mitzuteilen, dass sie eine Schicht übernehmen muss und vielleicht am Wochenende Zeit hat. Sie schwindelt, und ist oft traurig, weil sie einen Versager als Freund hat, das weiß ich. Kelly ist ein liebes hübsches Mädchen und ist so gestraft mit mir. Ich tu so als würde ich die Ausrede glauben. Sie weiß mein Taktgefühl zu schätzen. Wenn wir Geld hätten, würden wir zusammen wohnen und ein schöneres Leben haben, so steht die Not zwischen uns. Mit der vielen Arbeit sehen wir uns kaum und führen eine Beziehung, die gar keine ist. Mit einer riesigen Schüssel Spagetti und selbstgemachten Pesto lege ich mich auf mein zerfetztes Sofa und gaffe in den Fernseher. Nach einer halben Stunde genießen und glotzen, fällt mir 27 Der eiskalte Einbrecher plötzlich wieder der Tresorschlüssel ein. Was wohl in dem Tresor alles eingesperrt wird? Obwohl die Müdigkeit gewaltig ist, stehe ich auf und hole meinen Schlüsselbund, der immer an der Innenseite von der Tür steckt. So kann ich ihn nicht vergessen. Den alten großen Wohnungsschlüssel begutachte ich genauer, der Bart ist nur auf einer Seite und beim Tresorschlüssel auf beiden. Wie funktioniert ein Schloss eigentlich? Würde mich schon interessieren, aber ich kann doch nicht meine Türe zerlegen und so wichtig ist das ja auch nicht. Meine Türe kann jeder mit einem Nagel aufsperren, aber in einen Tresor kommt sicher keiner rein. Wenn bei mir was zu holen wäre, müsste man ebenfalls ein besseres Schloss montieren. Gut, dass das nicht der Fall ist, denn ein ordentlicher Verschluss kostet garantiert ein kleines Vermögen. Der Film ist langweilig so können meine Gedanken abschweifen und so träume ich halbwach vor mich hin. Das Geld aus dem Tresor könnte ich schon brauchen, wie viel das wohl ist. Könnte man sich leicht ausrechnen. Wenn der Markt pro Minute nur einen Kunden hat, sind das 60 pro Stunden und bei 10 Stunden Öffnungszeit ungefähr 600 Kunden. Wenn jetzt jeder Kunde nur um 10 Euro einkauft, so macht das nach 28 Der eiskalte Einbrecher Adamriese 6000 Euro. Ein ganz ein schöner Patzen, damit wäre ich aus dem Schneider. Die Filialleiterin legt das Geld sicher am Abend in den Tresor. Blöder Gedanken, das Geld gehört jemand anderen, mich geht das nichts an. Wenn jeder Kunde um 20 Euro einkauft, dann wären es bereits 12000 Euro. Ein Vermögen! Mit diesen Träumen schlafe ich selig ein. Wieder fängt ein öder Zustellertag an, mit wenig angenehmen Erlebnissen. Kreuz und quer lenke ich den Lieferwagen durch die Stadt und es fällt mir die unendliche Anzahl der Selbstbedienungsläden auf. Praktisch an jeder Ecke ist irgend ein Supermarkt. Alle diese Geschäfte verdienen sich dumm und dämlich. Wenn man nur mitnaschen könnte. Dieser Gedanke beschäftigt mich und plötzlich steigt ein abenteuerliches Gefühl in mir hoch. Wie kann man dieses Geld stehlen? Das tut niemanden weh, die Läden sind versichert und den Versicherungen ist das egal. Der Schaden wird reguliert, ist von vornherein in die Prämie miteinkalkuliert. Wieder ertappe ich mich, bei solch unredlichen Gedanken und muss erstmals in meinem Leben eingestehen, dass ich unter gewissen Umständen zu einer kriminellen Handlung fähig wäre und das bereits zwei Mal seit gestern Abend. Diese Selbsterkenntnis ist mir neu. Es stellt sich die Frage, welche genauen Umstände wären das? Was müsste geschehen, um aus mir einen Dieb zu machen. Finanziell geht es mir so schlecht, dass hier der Bewegrund liegen könnte. Die Hemmschwelle ist die enorme Angst vor dem Erwischt werden und der daraus resultierenden Strafe. Ein weiteres Hindernis ist 29 Der eiskalte Einbrecher der Mangel an einer Möglichkeit. Mein Vater pflegte zu sagen: „Wenn einer noch nie gestohlen hat, dann hatte er keine Gelegenheit!“ Wahrscheinlich hatte er recht mit dieser Aussage. Was wäre, wenn sich eine günstige Gelegenheit für einen Diebstahl ergeben würde und ein ehrlicher Mensch wie ich es bin, bräuchte nur zugreifen? Selbst da bleibt noch immer ein Hindernis, es wäre immer noch die Angst vor den Konsequenzen vorhanden. Die Schande wäre unerträglich. Bei meinen Freunden und Kollegen sind Verbrecher geächtet und gemieden. Die Familie würde brechen mit mir und die Arbeit ist Vergangenheit. Es ist zwar eine miese Tätigkeit, dennoch besser als überhaupt keine. Das Schlimmste jedoch ist das Gefängnis. Jahrelang in einer Zelle mit anderen Straftätern zusammengepfercht ist der garantierte Untergang jedes Menschen. Der Freiheitsentzug ist für viele Häftlinge unerträglich und führt oftmals zu Suizid oder endet mit totaler Selbstaufgabe. Unfähig geworden zu leben. Eine Wiedereingliederung in das System nach verbüßter Strafe ist praktisch nicht möglich. Angenommen, die zwei Komponenten stehen günstig für mich, wie würde ich entscheiden? Hält mich tat30 Der eiskalte Einbrecher sächlich nur die Strafe und meine Unfähigkeit ab? Dies bedeutet ja, dass, gäbe es keine Strafe und man das Wissen und das Können für ein Diebstahl hat, es man tun würde? Es wäre immer noch ein Verbrechen und falsch. Diese Tatsache kümmert niemanden auf der Welt und mich auch nicht. Erschreckend, wie unmoralisch wir doch sind. Hätten wir Menschen ein Unrechtsbewusstsein und Ethik, so wären Schlösser oder Tresore unnötig. Niemand würde stehlen und rauben. Dass dies nicht so ist, das steht fest. Je mehr ich mich mit dieser Philosophie auseinandersetze, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass ich nur zu feig und zu dumm bin eine Straftat zu begehen. Sonst nichts. Wenn es möglich ist, der drohenden Strafe zu entgehen und die nötigen Fähigkeiten für einen Diebstahl zu erlernen, dann steht nichts mehr im Wege. Für den ersten Gedanken klingt dies gut, nur leider wird es nicht leicht sein die beiden entscheidenden Hindernisse zu beseitigen. Durch die Auseinandersetzung mit dieser Materie bekomme ich mächtig Herzklopfen und einen trockenen Mund. Das Thema regt mich enorm auf. Lange Zeit war ich mental tot, plötzlich spüre ich, wie mein Körper und Geist sich mit Energie füllt. Die Lethargie, in der ich Jahre gefangen war, verschwindet. Es ist ein Lichtschimmer, an dem ich um jeden Preis festhalten möchte und 31 Der eiskalte Einbrecher muss. Ich spüre mein Blut fließen, mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren, ich lebe! Tausende Gedanken tauchen auf, und verschwinden im selben Augenblick wieder. Es ist ein Gefühl gleich eines wunderschönen starken Rausches, ich bin völlig benommen. Sollte mein hoffnungsloses Leben eine Wende erfahren? Ich fühle es so deutlich, als würde ich ein unvorstellbar große Kraftquelle anzapfen. Ich stehe am Zenit des Misserfolgs und sehe wie sich das Blatt wendet, es ist fantastisch. Um dieses Hochgefühl noch ein wenig länger zu genießen, parke ich den Lieferwagen ein und gehe etwas spazieren. Eine Tätigkeit, die ich unter normalen Umständen niemals gemacht hätte. Nach einer Runde um den Block holt mich die Realität logischer weise wieder ein, denn das Mobiltelefon läutet und läutet. Der Zeitverlust ist groß, den die Tagträumerei verursacht hat, und lässt sich nur durch meine Routine und Ortskenntnisse wieder aufholen. Alle Lieferungen werden bis zum Abend ordnungsgemäß erledigt. Es folgt die übliche langwierige Abrechnung und der Blitzeinkauf im Selbstbedienungsladen. Ein mickriger Straus Blumen landet in meiner Schachtel. Leider ist kein schönerer und größerer zu haben, aber Kelly wird sich trotzdem freuen. Genau am Tempolimit fahre ich durch den Stadttunnel um nicht von der Kamera erfasst zu werden. Radarfallen waren ges- 32 Der eiskalte Einbrecher tern, heute ist „Sektion Control“ die Technik um Raser zu stoppen. Es wird die durchschnittlich Geschwindigkeit ausgerechnet, die ein Fahrzeug braucht für eine gewisse Strecke. Für uns Berufsfahrer ist diese Neuerung schlecht. Nicht dass wir Rowdis wären, aber ab und zu hat man es aus gutem Grund eilig und nun ist ein schneller fahren nicht mehr möglich. Früher war das besser, wir wussten genau wo die Radarboxen stehen und bremsten immer nur kurz vor der Maschine ab. Dann gaben wir wieder Vollgas. Kurz nach dem Tunnel wähle ich Kellys Nummer. Erst nach dem dritten Anruf hebt sie ab: „Was gibt es denn so wichtiges, du weißt doch wir sehen uns erst am Wochenende, ich muss arbeiten.“ „Nein das stimmt nicht, du sagst mir nicht die Wahrheit, ich komme jetzt zu dir ich mag mit dir reden.“ Sie ist überrascht aufgrund meines Entschlusses. Sie kennt mich ansonsten nur als trägen unentschlossenen Verlierer, der niemals selbst entscheidet. Alle Aktivitäten gehen von meiner Freundin aus, ich gehe immer nur mit. Heute ist das erste mal, dass ich sage: „Ich komme jetzt zu dir.“ Kelly gefällt der Zug offensichtlich, denn ohne zu zögern erwiderte sie freudig: „Wenn du noch weißt wo ich wohne, dann komm her. Du hast recht, ich muss nicht arbeiten, du bist nur manchmal zu viel.“ „In zehn Minuten,“ ist meine Antwort und lege auf. Meine Freundin hat eine kleine Sozialwohnung, ein sogenanntes Wohnklo. Dünne Wände, die jede Toilettenbenutzung des Nachbarn deutlich übertragen machen eine gemütliche Stimmung unmöglich. Der 33 Der eiskalte Einbrecher allwissende und immer präsente Hausmeister bereitet mir ein ungutes Gefühl und erweckt den Eindruck bespitzelt zu werden. Angeblich führt er Buch über die Gewohnheiten der Mieter. Und dann sind noch die anderen Mieter, die das alles gutheißen. Am schlimmsten ist jedoch die nicht die ältere Generation, nein es sind die Jungen. Voll Hass und Frust sind sie die ersten, die beim geringsten Verstoß gegen die völlig veralterte Hausordnung den Hausmeister oder den Hausinspektor Bericht erstatten. Manche gehen gleich zur Polizei. Diese Zustände machen meine Besuche in Kellys Wohnung unerträglich. Die Blicke des Hausmeisters mit dem Notizblock im grauen Mantel, die Wände mit den Ohren, all das widert uns an. Das ist der Grund warum wir hauptsächlich bei mir in meiner Substandartwohnung unsere gemeinsame Zeit verbringen. Wir sollten zusammenziehen, aber trauen uns nicht. Meine Wohnung ist das was man als Loch bezeichnet und es ist alles abgewohnt und kaputt. Die Nachbarn sind jedoch liberal, ein Vorteil. Eine bunte Mischung aus erfolglosen Musikern, unbekannten Schauspielern, Chaoten, Künstlern oder solche die 34 Der eiskalte Einbrecher glauben es zu sein. Einige sind Leute wie ich, die gar nichts machen. Das Motto in meinem Wohnhaus dürfte sein: Du darfst alles machen, Hauptsache du erreichst nichts! Diese Gleichgesinnten machen die Jahre in dem vergammelten Rattentempel einigermaßen erträglich, manchmal sogar amüsant und witzig. Meine Freundin macht sofort die Tür auf nachdem sie mich an der Sprechanlage klingeln hört. Der Hausmeister sieht mich trotzdem und wirft einen verächtlichen Blick auf den Miniblumenstrauß, dabei kommt ihm ein gemeines Lächeln über die Lippen. Ich kann mich nicht zurückhalten und bemerke sarkastisch: „Die hebe ich auf für Ihr Begräbnis, freu mich schon!“ Er ist perplex, weil in seinem Reich ist er der König und niemand wagt es sich mit diesem mächtigen Mann anzulegen. Viele arme Leute hat er in seinem Berufsleben dermaßen denunziert und angeschwärzt, dass sie aufgrund seiner Lügen die Wohnung verloren haben. Solche Aktionen liebt dieser Ungustl. Über mich hat er keine Macht, das ärgert ihn. Meine Freundin wundert sich über die Blumen, freut sich trotz des bescheidenen Anblicks. Wir setzen uns auf die Couch, ich nehme 35 Der eiskalte Einbrecher ihre Hand und schaue verlegen einmal in ihre Augen, dann wieder im Raum herum. Voller Ungeduld fragt sie was los ist mit mir, so sei ich noch nie gewesen. „Ich weiß nicht wie ich anfangen soll, ich habe was vor. Das Dumme ist nur, ich weiß nicht was.“ „Kannst du bitte etwas präziser werden. Im Normalfall weiß man vorher was man vorhat und schaut nicht hinterher, was man getan hat.“ „Ich will stehlen“ rutscht es mit heraus und warte auf Kellys Reaktion. Sie ist total gefasst und meint nur lapidar: „Du sprichst aber schon von Geld, nicht von einer Zeitung am Sonntag, hoffe ich.“ Meine Freundin steht diesen Dingen sehr offen gegenüber, seit sie verstanden hat, dass man mit Ehrlichkeit und Fleiß einen großen Tyneff erreicht. Sie hat mit ansehen müssen, wie ein ehrlich arbeitender Mensch um seine Früchte gebracht wurde. Ihr Vater hat nach seinem Studium jahrelang Tag und Nacht für ein damals noch kleines Unternehmen geschuftet. Man kann sagen, er hat die Firma zur Börse geführt. Er saß sogar an den wenig freien Wochenenden in seiner Kammer und hat Kostenpläne und Finanzierungsstrategien entwickelt, wenn andere Männer mit ihren Familien die Freizeit verbrachte. Er tat dies, weil die Geschäftsführung ihm versprach er bekäme seinen Aktienanteil zum Vorzugspreis. Er wäre dann Aktionär, jedes Jahr gibt es eine fette Dividende und für die eigene Firma arbeitet man doch gerne. Ein paar Jahre müsse er sich ins Zeug legen, dann ist schwere Zeit vorbei. Die Strolche gründeten tatsächliche eine AG, jedoch ohne Kellys Vater. Die Börsenaufsicht 36 Der eiskalte Einbrecher ermittelte noch einige Monate, natürlich ohne Anklage zu erheben. Kellys Vater wurde ohne Abfindung rausgeekelt. Heute ist das Unternehmen international tätig und bekannt für die stabile Finanzpolitik und vorbildlichen Sozialleistungen. Der nächste Arbeitsplatz war noch schlimmer. In einer kleineren GmbH für Verpackungstechnik fing er als Prokurist an. Schon nach wenigen Monaten boten die Inhaber den fleißigen Mann einen Gesellschaftsanteil an. Die Firma hatte einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern. Einer der Geschäftsführer hatte ein Patent für eine gewisse Falttechnik der Kartons inne. Damit konnte um einige Prozent günstiger produziert werden. Kellys Vater erkannte zu diesem Zeitpunkt das vorhandene Potenzial, und die Bücher sowieso. Er konnte die mögliche Rendite berechnen. Er nahm das Angebot an und investierte das Erbe seiner Frau. Er war nun Gesellschafter. Was er nicht wusste war, dass die Halunken nur einen Idioten suchten, der die gesamte Arbeit übernahm. Durch die Begeisterung und das enorme Fachwissen von Dr. Doof erlebte die kleine Firma einen schnellen Aufstieg. Viele Industriebetriebe unterschrieben Lieferverträge und das Geschäft florierte. Dr. Doof arbeitete praktisch rund um die Uhr. Wiederum war keine Zeit für Familie, Freizeit oder Urlaub. Das konnte er ertragen, denn er glaubte sich auf der sicheren Seite zu wissen. Er war bereits Gesellschafter und es war seine Firma. Maschinen wurden gekauft und eine Halle gebaut. Eine unbeachtete Kleinigkeit beendete den Erfolg der Firma. Dieses entscheidende 37 Der eiskalte Einbrecher Patent war nicht auf die Firma eingetragen, sondern auf eine natürliche Person, auf einen der Partner. Der entzog der GmbH die Nutzungsrechte und verkaufte sie an einen Branchenriesen, der Angst bekommen hat, dass die kleine Firma ernsthaft zur Konkurrenz werden könnte. Mit dem Erlös zahlte er seine anteiligen Schulden und zog ans Meer. Die Firma ging ohne dieses Patent in den Konkurs und Kellys Vater wurde wegen Krida zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Haft bekam er nur mehr gesundheitsschädigende Hilfsarbeiten und ist nun als Halbinvalide seit Jahren arbeitslos. „Natürlich spreche ich von Geld!“ sage ich forsch zu Kelly. „Hast du schon mal überlegt wie viel Bares in den Supermärkten liegt?“ „Phil, spinnst du? Das stimmt zwar, aber das holt doch der Geldtransport ab. Einen Raubüberfall kannst du vergessen. Das zahlt sich nicht aus.“ „Natürlich holt das Geld wer ab, aber vorher liegt es in einem Tresor“ Ich erzähle ihr mein Erlebnis mit der Kasse und dass ich genau den Tresorschlüssel sah. „Deswegen glaube ich, dass alle diese Geschäfte einen Tresor haben.“ „Du sagst es schon, die haben einen Tresor. Wie willst du hinein? Wie viel Geld ist da überhaupt zu holen?“ Eine Menge Fragen prasseln auf mich ein die ich natürlich auch nicht beantworten kann. „Ich habe mir ausgerechnet, dass in einem kleinen Supermarkt so um die 10000 Euro liegen müssten....“ Sie unterbrach mich je und quietschte auf „10000 38 Der eiskalte Einbrecher das rentiert sich, das machen wir. Wir besorgen uns ein Schweißgerät und so ein Ding zum Abhören, wie im Film“ „Eine gute Idee, morgen werden wir sehen, was wir in Erfahrung bringen können. Jetzt lass uns spazieren gehen und die ganze Sache einwirken.“ Von ihrer Wohnung aus ist es nicht weit zum Fluss. Wir beschließen diesen Weg nicht mit dem Auto zu fahren, sondern zu gehen. Die meiste Zeit des ausgedehnten Spaziergang entlang des Flusses sprechen wir fast kein Wort und gehen schweigend nebeneinander her. Jeder macht sich seine Gedanken über das kurze aber intensive Gespräch. Wir müssen verdauen, was wir besprochen haben. Am späten Abend, als wir zurückkamen fragt sie mich, ob ich heute bei ihr bleiben möchte. Ein verlockendes Angebot, als ich aber den Hausmeister sehe, der noch immer im Durchgang steht, vergeht mir die Lust auf alles und fahre zu mir. 39 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 3 Die ersten Schritte Gut gelaunt wache ich am nächsten Tag auf. Am Vormittag fahre ich zufällig bei einer Tresorfirma vorbei und beschließe kurzerhand mich hineinzutrauen. Obwohl meine Route mich täglich hier vorbeiführt, wurde das Geschäft noch nie von mir wahrgenommen. Das muss so sein, denke ich, das ist seriös. Im Verkaufsraum stehen viele verschiede Tresore herum. Von einer kleinen Geldkassette in einem Glaskasten bis zum riesigen Panzerschrank. Die meisten sind metallgrau, aber ein besonders großes Exemplar ist in wunderschönem kirschrot lackiert. Der Schrank ist eindeutig der Blickfang der Firma. Ich gehe darauf zu und drehe am Griff an, da stürzt der Verkäufer auf mich zu. Der kleine gedrun40 Der eiskalte Einbrecher gene Mann mit Halbglatze ist offensichtlich den ganzen Tag allein, denn er fängt sofort an zu sprechen. „Sie haben einen guten Geschmack, junger Mann, das ist unser Flaggschiff. Zwei Doppelbartschlösser, Keramikauskleidung, zwanzigfache Verriegelung, sturzfest bis 200 Meter, feuerfest bis 4 Stunden bei 900 Grad, zwei Innentresore, 800 Liter Raumvolumen 5500 Kilogramm und absolut aufbohrsicher. Haben Sie Fragen?“ „Naja ich wollte mich nur einmal umsehen, was es alles so gibt, jetzt haben Sie mich überfordert.“ „Das tut mir leid, Sie sahen so kompetent aus, wie Sie auf den XST zu gesteuert sind, dass ich dachte, mit Ihnen kann ich Klartext reden, Sie kennen sich aus. Aber ich erklär Ihnen gerne alles ganz genau, wenn Sie es wünschen.“ „Das ist sehr nett von Ihnen, Sie müssen wissen ich verstehe nicht viel von Tresoren.“ ist meine schüchterne Antwort. Um meine Unsicherheit zu verbergen, halte ich mich noch immer am Griff fest. Der Verkäufer ist wirklich höflich und hat jeder Menge Zeit. „Sie müssen mir helfen, für welchen Zweck benötigen Sie das Objekt. In welcher Branche sind Sie oder Ihr Unternehmen tätig.“ Der Mann geht sehr geschickt vor, um mich auszuhorchen. „In der Transportbranche, ich will mir nur einen Überblick verschaffen. Sagen Sie, geht das wirklich mit einem Stethoskop das Schloss abhorchen?“ falle ich mit der Türe ins Haus. „Nein! Erstens bei diesem Modell ist das prinzipiell nicht möglich, weil diese Kassa mit Doppelbart41 Der eiskalte Einbrecher schlössern gesichert ist. Es wäre nur bei einer Kassa mit Zahlenkombination anwendbar. Jedoch kann ich Sie beruhigen, die Drehscheiben sind so angeordnet, dass sie geräuschfrei drehen. Zusätzlich ist der gesamte Mechanismus massiv gedämpft und abgeschirmt, das des Vorgang des Abhörens technisch nicht möglich ist. Sie würden nicht einmal etwas hören mit einem Hörverstärker, der mit dem Faktor 1:1 000 000 arbeitet. Warum man nichts hören kann, fragen Sie? Weil es nichts zu hören gibt.“ „Aber man sieht doch immer in den Filmen, wie das gemacht wird“ quäle ich den redseligen Mann weiter. „Im Film können die Leute auch fliegen,“ lacht er. „Nein Sie haben recht. Es gab einst Tresore, die abgehört werden konnten, aber das ist über hundert Jahre vorbei. So ein Schrank ist mehr wert als der Inhalt.“ „Darf ich Sie noch etwas fragen?“ tastete ich mich vorsichtig weiter. „Bitte, bitte nur zu. Für das bin ich ja da.“ „Dieses Doppelbartschloss ist genauso gut, kann man das nicht aufsperren mit einem Sperrhaken oder so etwas ähnlichem.“ „Ich kann Sie auch hier beruhigen, seit Bestehen unserer Firma wurde noch nie eines unserer Produkte unberechtigt geöffnet. Diese Schlösser sind eine Chubb Mechanik. Sechzehn federlose Blattzuhaltungen arbeiten hier mit einer Präzision, die mit freien Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. Die Scheiben sind auf ein Tausendstel Millimeter genau. Zum Ver- 42 Der eiskalte Einbrecher gleich, ein Haar hat 3 Hundertstel Millimeter Durchmesser. Das ist das dreißigfache, und ein Haar ist schon sehr dünn. Es kommt nur auf den Verwendungszweck an, ob Sie sich für ein Modell mit Doppelbartschloss oder Zahlenkombination entscheiden. Wir hätten noch eine elektronische Variante oder eine Kombination mit einer Zeituhr.“ Der Mann ist nicht zu stoppen, das steht fest. Entweder es ist der Inhaber der Firma oder er bekommt eine saftige Provision. Mir genügen diese ersten Informationen. „Danke für Ihre Beratung, ich sage das meinem Chef und melde mich wieder.“ Mit rauchenden Kopf verlasse ich den Laden. Eine Stunde fehlt mir in meinem Tagesplan. Das lässt sich niemals aufholen. Ein Griff zum Mobiltelefon kann mir Hilfe bringen. Ich rufe meinen Kollegen an für den ich vorgestern den Landkunden gemacht habe. „Hallo Marcus, kannst du mir bitte ein paar Adressen abnehmen, ich habe da was am Laufen gehabt.“ Marcus ist ein Weiberheld und hat nur Verständnis wenn ein Mädel schuld ist an einem Zeitproblem, sonst lässt er nichts gelten. Wir helfen uns manchmal aus, auch wenn das verboten ist. Es geht um die Haftbarkeit. Wenn ein Paket beschädigt ist oder verloren geht muss der Bote eindeutig eruierbar sein. Die Versicherung zahlt nur bei eindeutiger Zuordnung. Diese Vorschrift ist uns Fahrern egal, wir haben sowieso nichts zu verlieren. „Selbstverfreilich du Casanova, welche Kunden sind offen ich habe genug Zeit heute!“ 43 Der eiskalte Einbrecher „Die Viererstrecke, danke Marcus, damit sind wir quitt!“ Die Viererstrecke sind alle angeschlossenen Kopieshops auf der Nordseite. Wir reden miteinander nur in Codewörtern. Es ist einerseits weniger zu sprechen am Telefon und das ist wichtig. Ohne Codierung müssten wir jeden Firmennamen mit Adresse einzeln übermitteln. Dies wäre unmöglich, wir würden den ganzen Tag nur telefonieren. Außerdem hat es noch einen historischen Grund. Unsere Autos waren früher mit Funkgeräten ausgestattet. Wir funkten uns die Kunden durch und wenn wir dann zum besagten Kunden fuhren, dann sagte uns dieser es war bereits ein Botendienst da, danke wir brauche Sie nicht mehr. Diese Vorfälle häuften sich derart oft, dass die Zentrale der Sache auf den Grund ging. Der Chef kam zu einen erstaunlichen Ergebnis. Die Konkurrenz hörte unsere Funkgeräte ab, rief blitzschnell den Kunden an und unterbot unsere Tarife. Es ist kinderleicht die Frequenz abzuhören, so haben wir dann Codewörter eingeführt. Später bekamen wir dann Autotelefone, die sind abhörsicher. Die Geheimsprache ist geblieben. Mir ist noch immer schlecht von der Pizza, darum lege ich mich abends sofort auf mein Sofa, und denke über das Gespräch in dem Geschäft nach. Der Verkäufer hat hundert Prozent recht, einen Tresor kann man nicht öffnen, und schon gar nicht einer der nichts versteht davon. Bisher habe ich damit nichts zu tun gehabt und habe keinerlei Ahnung wie diese Schlösser funktionieren. Heute war überhaupt das erste mal, dass ich einen Geldschrank von der Nähe gesehen haben. Wenn 44 Der eiskalte Einbrecher man so ein Ding leicht knacken könnte, dann würde man keinen brauchen. Das ist eine einfache Milchmädchenrechnung. Die Neuigkeiten erzähle ich Kelly am Telefon. Sie ist wenig überrascht von den Schilderungen. „Was hast du die erwartet?“ fragt sie forsch. „Hast du geglaubt, dass der Verkäufer sagt, unsere Produkte sind schlecht, die können Sie mit jeder Haarnadel aufsperren. Irgendwie geht das sicher, in der Zeitung steht doch oft, dass irgendwo ein Firmentresor aufgeschweißt wurde.“ „Ja das stimmt, das ließt man oft, also geht es. Morgen werde ich mich weiter schlau machen!“ In der Früh habe ich nur kaltes Wasser, weil der Durchlauferhitzer endgültig den Geist aufgegeben hat. Ein Neuer kostet mehr als ein Botendienstfahrer in zwei Monaten verdient. Da stimmt das Verhältnis nicht mehr. Es ist überhaupt alles zu teuer. Ich kann mir unmöglich schon wieder eine Reparatur leisten. Das letzte Mal war der Installateur vor vier Monaten hier und hat mir das Gerät repariert. Er arbeitete nicht ganz eine Stunde, war unfreundlich wie der öffentliche Abschleppdienst und verlangte 160 Euro. Als krönenden Abschluss murrte er: „Das war das letzte Mal, dass ich Ihnen den Gefallen getan habe und den Dreck wieder in Ordnung gebracht habe. Rufen Sie mich erst wieder an, wenn Sie sich einen Neuen kaufen.“ Ich habe mich erkundigt, ein neues Gerät kostet über 2000 Euro. Damit ist das Kapitel Warmwasser erledigt. Ab heute werde ich wohl oder übel ins Hallenbad gehen müssen, zumindest einmal die Woche. 45 Der eiskalte Einbrecher Mit einer Tasse Löskaffee im beleidigten Magen und ungewaschen wird der Arbeitstag begonnen. Der normale Pulverkaffee ist mir ausgegangen, und zum Wasserwärmen am Gasherd ist keine Zeit mehr. Später am Vormittag komme ich wieder bei dem Tresorladen vorbei. Zuerst zögere ich noch wieder über die Schwelle zu gehen, weil die Situation doch ein wenig peinlich werden könnte. Es ist mir schließlich egal und betrete den Laden erneut. Wieder stürzt der freundliche Verkäufer auf mich zu, reicht mir die Hand, als wäre ein Millionengeschäft unter Dach und Fach. „Grüß Gott, mein Herr, haben Sie mit Ihrem Chef gesprochen? Ich sehe es Ihnen an, einige Fragen sind noch offen, bitte haben Sie keine Scheu!“ „Ja wir haben die Sache besprochen, einiges ist unklar. Sie müssen wissen, mein Vorgesetzter ist ein vorsichtiger Mensch. Angenommen ein Gauner kommt mit einem Schweißbrenner, wie lange würde das bis er offen wäre,“ schwindelte ich ihn an. „Unsere Standkassen sind rundherum mit Keramikplatten unter dem Stahlmantel. Diese Keramikplatten sind praktisch unschmelzbar. Das bedeutet in der Praxis erst bei 2800 Grad. Kein Schweißgerät erreicht diese Temperatur. Es würde viele Tage dauern, bis der Schutzmantel doch nachgibt. Und falls es jemand versucht mit einer Trennscheibe und mit einer Diamanttrennscheibe so wird er genauso scheitern, denn zwischen den einzelnen Modulen ist unschmelzbarer Sand. Jede Trennscheibe verschmiert in Sekunden.“ „Danke das sind fantastische Nachrichten, ich werde 46 Der eiskalte Einbrecher das Ganze weiterleiten!“ Langsam wird der Verkäufer misstrauisch und bezweifelt meine Kompetenz. „Vielleicht mag Ihr Herr Chef selbst zu uns kommen, damit ich Ihm die Vorzüge unserer Produkte persönlich erklären darf. Wir könnten uns auch einen kurzen Film ansehen. Der dauert 15 Minuten und man sieht alle Arten von gewaltsamen Öffnungsversuchen von Bohrversuchen bis zum Sturz aus einen Hubschrauber. Wir ließen extra eine solches Werbevideo anfertigen um auch die anspruchsvollsten Kunden restlos zu überzeugen. Gehen wir einen Sprung in mein Büro, ich schreibe mir die Daten Ihrer Firma auf und schreibe Ihren Vorgesetzten einen Brief mit ein paar Terminvorschlägen für die Filmvorführung!“ Damit hat mich der geschickte Rhetoriker in die Ecke gedrängt. Er weiß längst, dass ich niemanden hinter mir habe und keinerlei Absicht habe irgendetwas zu kaufen. Er stuft mich wahrscheinlich als Quälgeist ein, der den ganzen Tag nichts zu tun hat. So einer, der aus Langeweile von Geschäft zu Geschäft geht und nur tratschen will, ein sogenannter Frager. Da dem Mann selbst fad ist, stört das nicht im geringsten, nein im Gegenteil, er freut sich sogar über solche Kunden. Es ist sicher ein schwerer Job hier in Einsamkeit den Tag abzusitzen. Um das Gespräch zu beenden und nicht ganz als Idiot dazustehen fällt mir nicht viel ein. „Hätten Sie eine Karte von sich, ich gebe Sie meinem Chef. Er wird Sie anrufen, wenn er den Film sehen will. Er hat nicht so gerne, wenn jemand seine Daten hat. Er ist äußerst diskret.“ 47 Der eiskalte Einbrecher „Gerne, das verstehe ich gut. Kommen Sie trotzdem kurz mit zu meinem Schreibtisch. Dort liegen meine Visitenkarten.“ Der Mann versucht alles, um die drohende Stille etwas hinauszuzögern. Er weiß, dass er nach mir wieder stunden- oder tagelang allein mit den stummen eisernen Monstern den Raum teilen muss. Mit einem kunstvoll gravierten Kugelschreiber, den er mit einem Ritual aus seiner Anzuginnentasche zieht, schreibt er in einem Schwung eine Telefonnummer und das Wort privat auf eine künstlerisch gestaltete Karte. Sie ist bedruckt mit dem Firmennamen und ein Bild eines Tresors aus dem Wilden Westen. Dies ganze geschieht unendlich langsam, die Minuten streichen dahin. Das heutige Gespräch hat bei weitem kürzer gedauert, dennoch muss ich meine gesamte Fahrkunst einsetzen, um den Tagesplan zu schaffen. Die Termine sind derart eng, dass selbst zwei Rotphasen ernste Zeitprobleme bringen können. Der jahrelange Stress macht mich allmählich fertig, das geht nicht spurlos vorüber. Obwohl ich eine halbe Stunde mit dem Tresorheini verplempert habe, schaffe ich es einige Adressen von Marcus zu übernehmen. Ein guter Bonus zum Tauschen an einen anderen Tag. Am Heimweg gibt es Gemüseburger und Pommes, die lasse ich mir einpacken und will genüsslich zu Hause essen. Meine erste Tat in der Wohnung ist der Gang zur Dusche, den ich diesmal bitter bereue. Ich habe vergessen, dass das Gasgerät kaputt ist und ein eiskalter Wasserschwall ergießt sich über meinen pochenden Kopf und verspannten Rücken. Ich schreie auf, breche in der Duschkabine 48 Der eiskalte Einbrecher zusammen und flenne in den Abfluss „Oh du elendiges Leben.“ Ein Schüttelfrost mit verbundenen Weinkrampf ist die Folge. Nach einigen Stunden intensiven Zitterns am Küchenboden begreife ich meine trostlose Lage. Es muss etwas geschehen. Der Entschluss steht nun endgültig fest. Irgendwie muss ich an das Geld des Supermarktes. Von jetzt an werde ich alles unternehmen um dieses unmögliche Vorhaben zu verwirklichen. Zuerst muss mehr über die Tresore in Erfahrung gebracht werden, so ist die erste Stufe des Plans. In der Früh suche ich einige Tresorfirmen heraus, schreibe sie auf einen Zettel und stecke ihn in die Jacketasche. Der einzige Vorteil, den dieser Idiotenjob hat, ist, dass man hinfahren kann wo man will, ohne dass es wer merkt und dich dann anschreien kann. So lange man erreichbar ist und halbwegs pünktlich bei den Kunden eintrifft, sagt keiner was in der Zentrale. Unser Auftraggeber explodierte, wenn er von unseren Extratouren wüsste. Die Route wird heute so von mir umgeplant, dass mein Weg mich bei einer anderen Tresorfirma vorbeiführt. Selbstbewusster als beim gestrigen Besuch betrete ich den Verkaufsraum, wo mich sofort ein49 Der eiskalte Einbrecher großgewachsener hagerer Mann begrüßt. „Kann ich ihnen helfen?“ „Unsere Firma gedenkt einen Tresor zu kaufen, jetzt möchten wir uns einige Modelle ansehen.“ „Das ist ein guter Entschluss, wir haben für viele verschiedene Modelle für die verschiedensten Zwecke. Ein Bankinstitut hat ein gänzlich anderes Schutzbedürfnis als ein Rechtsanwalt oder ein Notar. In welcher Branche sind Sie tätig?“ fragte mich der sachlich sprechende Verkäufer. „Wir sind im Transportwesen tätig.“ „Speditionen haben meist wenig Bargeld, dafür große Mengen an wichtigen Papieren. Wir haben einige Unternehmen aus der Branche bereits ausgerüstet. Das Hauptaugenmerk liegt auf die Übernachtverwahrung der Dokumente, eine permanente Sicherung der Unterlagen, das bedeutet auch während der Arbeitszeit, ist meist nicht notwendig. In den meisten Fällen ist dies sogar unerwünscht, es würde den normalen Arbeitsablauf beeinträchtigen. Für jedes benötigte Papier müssten Sie den Tresor öffnen, da kämen Sie nicht viel zum Arbeiten.“ Seine Worte klingen wie auswendig gelernt, und das Gespräch geht in die falsche Richtung. Der Mann soll mir mitteilen welche ungefähren Modelle für Supermärkte in Frage kommt, also muss ich einen Vergleich erfinden. „Darf ich sie korrigieren.? Wir haben mehr eine Inkassotätigkeit und weniger mit Akten oder Unterlagen zu tun. Bei uns ist es so, dass so alle paar Stunden ein Geldbetrag in Sicherheit gebracht werden muss.“ 50 Der eiskalte Einbrecher „Dann ist die Sachlage anders. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Hat nur eine Person Zutritt zur Kasse und diese Person ist untrennbar mit dem Unternehmen verbunden, so rate ich Ihnen zu einem Kombinationsschloss oder Elektronikschloss. Diese Variante ist zu empfehlen für den Inhaber, Prokuristen oder Direktor. Auch für private Zwecke bestens geeignet. Einmal die Kombination auswendig gelernt, und Sie haben nie mehr auf einen Schlüssel zu achten .Sollten verschiedene Menschen den Schrank füllen oder beheben dürfen, so kann ich von einem Zahlenschloss nur abraten. Eine Weitergabe des Zahlenkodes wäre unvermeidlich. Bei wechselnden Berechtigten, ich spreche hier die Gruppe der Filialleiter, Geschäftsführer und Kassierer an, müsste nach jedem Ausscheiden dieser Personen die Kombination von einem unserer Techniker geändert werden. Unternehmen besetzen mitunter häufig die Positionen im mittleren Management neu. Eine einzige Nachlässigkeit und die Sicherheit wäre dahin, und damit auch der Versicherungsschutz. Trifft dieses angesprochene Szenario auf Sie zu, so empfehle ich Ihnen wärmsten Herzens eine Doppelbartschließung. Zu jedem Schrank werden zwei Doppelbartschlüssel ausgeliefert. Ein Exemplar sollte in einem Bankschließfach deponiert werden, für den Notfall. Der 51 Der eiskalte Einbrecher andere Schlüssel wird dem Berechtigten übergeben. Der Sperrberechtigte ist in der Zeit in der er den Schlüssel innehat für die Kassa persönlich verantwortlich. Jede Weitergabe wird genauestens protokolliert um ein „Verborgen“ auszuschließen. Sie können damit sicher sein, dass immer nur eine Person zur selben Zeit Zugriff hat.“ Die Ausführungen des Verkäufers sind mehr als umfangreich, er hat mich damit gut informiert. Dankbar und mit einem Händeschütteln verlasse ich das Geschäft. An der automatisch öffnenden Ausgangstür überreicht er mir noch eine Visitenkarte. Die Schicht fahre ich zu Ende und kann es gar nicht erwarten Kelly die Neuigkeiten zu erzählen. Wir treffen uns in einem großen Buchgeschäft, an dem heute Abend ein Prominenter Schifahrer eine Signierstunde abhält. Wir gehen öfters zu solchen und ähnlichen Veranstaltungen. Da gibt es massenhaft belegte Brote und köstliche Häppchen zum Nulltarif. Wir füllen uns dermaßen den Bauch an, dass es fast für eine Woche ausgereicht. Der Rummel ist jedes Mal riesig, hundert Autogrammjäger schwirren hin und 52 Der eiskalte Einbrecher her, und wir nutzen den Trubel um uns ungestört am kaltem Buffet vergreifen zu können. Vernissagen, Lesungen, Empfänge, Ausstellungen und ähnliche Anlässe wie Premieren eignen sich bestens zum Gratisessen. Man trifft immer wieder die selben Leute, lächelt und schweigt. Es macht uns keinen Spaß so zu leben, aber wir müssen uns durchschlagen, sparen wo es geht. Nach der ersten Sättigung erzähle ich meiner aufgeregten Freundin alles was ich in Erfahrung gebracht habe. Sie zappelt herum und kann es gar nicht erwarten. „Heute war ich bei einem anderen Tresorladen und habe mich weiter erkundigt. Der Herr hat mich gut aufgeklärt. Ich weiß jetzt, dass Geschäfte wie Supermärkte wahrscheinlich Tresore mit Schlüsseln haben, genauer gesagt mit Doppelbartschlüssel.“ Sichtlich enttäuscht von meinen Nachforschungen antwortet sie mir. „Worin besteht darin die Neuigkeit? Das wissen wir doch schon. Du hast doch selbst die Kassiererin gesehen mit dem Schlüssel in der Kassa, zumindest hast du mir es erzählt. Durch deine Beobachtung sind wir erst auf die Idee gekommen.“ Sie hat die Tragweite dieser Erkenntnis offensichtlich nicht realisiert. „Kelly, überlege doch mal, das bedeutet, dass wir uns nur auf Tresore konzentrieren müssen, die mit Schlüssel sperren, weder mit Elektronik oder Zahlenkombination verriegelt werden, 53 Der eiskalte Einbrecher also ich empfinde dies als Fortschritt.“ „Von dieser Seite aus gesehen ist es vielleicht eine Erleichterung, aber die Dinger mit Schlüssel springen sicher nicht durchs hinschauen auf.“ „Ja stimmt auch wieder, aber wir werden uns ins Zeug hängen. Zuerst müssen wir rausbekommen, wie man so eine Kiste knackt. Ich tippe noch immer auf schweißen, das geht Hundertprozent.“ Kelly schaut trotzdem traurig drein, sie sieht schwarz in dem ganzen Unterfangen. Sie sieht für unser ganzes Leben schwarz und hat nicht unrecht. Sie weiß so gut wie ich, dass unser ganzes Gerede um unseren Coup nur leere Kilometer sind. Wo sollen wir das Geld hernehmen für die Ausrüstung, die wir benötigen. Leise sagt zu mir. „Hast du dir schon überlegt was für Schweißgerät du benötigst und wo du das herbekommst? Gehst du ein Werkzeuggeschäft und fragst du: Entschuldigen Sie, borgen Sie mir einen Schweißmaschine, ich muss den Supermarkt an der Ecke ausräumen! Welches Gerät empfehlen Sie mir?“ „Langsam, langsam, falle ich Ihr ins Wort, das finden wir schon heraus. Das dauert alles nur seine Zeit. Ich bemühe mich so gut ich kann.“ 54 Der eiskalte Einbrecher Nach diesem hitzigen Gespräch meldet sich der Hunger wieder und wir müssen uns ordentlich ranhalten, sonst essen uns die anderen alles weg. Der Sicherheitsdienst, ein etwa dreißigjähriger kahlgeschorener Mann mit brutalem primitiven Gesichtsausdruck beobachtet uns seit einer halben Stunde. Obwohl unsere Art ihn gegen den Strich geht, darf er uns nicht verjagen. Es geht ihn nichts an, er ist nur für die Sicherheit zuständig und nicht für das Kulinarische. Die Veranstaltungen von Sportlern sind sehr beliebt bei den Gratisessern. Das sind die besten. Es gibt das üppigste Buffet und nur gesunde Nahrungsmittel. Die Wachmänner sind beauftragt niemanden zu verweisen und sich im Hintergrund zu halten. Fußballer oder Schifahrer sind angewiesen auf gute Presse. Es würde sich nicht gutmachen als Schlagzeile, wenn stünde: <Sportfan von Leibwächter aus dem Saal geworfen.> Bei einem Künstler ist das was anderes. Einige provozieren gerne einen Skandal um in die Presse zu kommen, sonst wird gar nichts geschrieben über ihn, und das Essen ist meist auch schlecht. Die meisten Künstler entscheiden sich für einen Billig Catering Service mit schlechten Lebensmittel und immer viel zu wenig. Die Wachleute sind angewie55 Der eiskalte Einbrecher sen aggressiv zu sein und möglichst viel Aufsehen zu machen. Zu Malern oder Bildhauern kommt im Regelfall nur der harte Kern der Buffet Jäger! Kelly und ich sind nach zwei Stunden richtig satt, einige Kuchenstücke können wir geschickt und unbemerkt in der Jacketasche verschwinden lassen. dann gehen wir schleunigst. Mir ist dermaßen schlecht, dass ich zu Fuß nach Hause gehen muss und meine Freundin nicht heimführen kann. Sie wohnt ohnehin nicht weit weg von dem Buchgeschäft. Auf halben Weg wird meine Übelkeit unerträglich, aber ich will mich nicht übergeben, dann wäre der Hunger in zwei Stunden wieder da. Ich mache tiefe Atemzüge um die Verbrennung anzukurbeln und schaffe es ein Kotzen zu verhindern. Die eiskalte Dusche vor dem Schlafen ist eine Qual und kaum auszuhalten. Die Seife auf meinem Körper lässt sich mit dem kalten Wasser nicht abspülen. So dauert das duschen eine gute Viertelstunde bis ich krebsrot und steif wie eine Holzpuppe frierend ins Bett falle und mich stundenlang nicht erwärme. Das Frühstück fällt aus, die Aufstriche stehen mir noch immer bis zur Oberkante Unterlippe. Der Nachgeschmack ist intensiv und widerlich, für mich nichts neues, denn mir geht es jeden Morgen nach einer Fressorgie so wie heute. Der Tag verstreicht ohne neue Erkenntnisse für unser kriminelles Vorhaben zu bringen. Auch an den darauffolgenden tut sich nichts. 56 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 4 Kelly schaltet sich ein Leer und kraftlos vergehen die Arbeitstage, bis mich Kelly anruft und mir von ihrem Besuch in einem Schlüsseldienst erzählt. Sie hat Firma für Firma angerufen und gefragt, wer Tresore öffnen kann. Die Unternehmen mit den großen Namen haben alle abgelehnt, jedoch einige kleinere haben sofort angebissen. Es handelt sich um Einmannbetriebe, die den harten Existenzkampf kennen und täglich ums Überleben ringen. So ein Miniunternehmen kann sich die Aufträge nicht aussuchen, und muss machen was anfallt. Nach der telefonischen Auskunft hat sich Kelly auf den Weg gemacht und ist zu der jeweiligen Aufsperrfirma hingefahren. Persönlich redet es sich besser, hat sie dem Chef erzählt. 57 Der eiskalte Einbrecher Das erste Geschäft liegt in einer Seitengasse und ist schwer zu finden. Der Inhaber steht hinter einen selbstgebauten Pult und tut so als ob er sehr beschäftigt wäre, als er sieht dass jemand den Laden betritt. „Guten Tag, ich habe heute angerufen wegen des Tresors“ „Ah ja ich erinnere mich, um was geht es denn genau?“ „Es geht um folgendes. Meine Tante hat einen Kreisler gehabt und ist vor vier Wochen gestorben. Jetzt ist der Notar und die ganze Erbschaftsangelegenheit erledigt und wir müssen das alte Geschäft räumen. Wäre alles kein Problem, wenn nicht im Hinterzimmer ein großer Tresor stünde. Wir wollen aber nicht das Lokal zurückgeben ohne zu wissen, ob etwas drinnen ist. Man weiß ja nicht, es könnte ja eine Million sein.“ Ohne eine Mine zu verziehen fragt der Schlosser. „Sie sagen, die Kasse steht im Hinterzimmer, das bedeutet es handelt sich um eine Standkasse und nicht um einen Wandtresor Ich müsste mir das ganze anschauen, das müssen Sie auch verstehen. Wo ist denn das?“ Das Mädchen ist durch die Frage des Schlossers in Zugzwang geraten und muss sich herausreden. „Viel- 58 Der eiskalte Einbrecher leicht können wir das wichtigste im Vorfeld klären, ich habe meine Gründe dafür. Ich war vor Ihnen bei einem anderen Aufsperrdienst und der sagte auch, dass er sich vorher einen Überblick verschaffen muss. Das hat er auch gemacht. Er sah sich das Objekt an, ist einmal rundherum gegangen und hat dann gesagt er kann diesen Panzerschrank nicht öffnen. Für den Weg und für seine Zeit bekommt er 110 Euro. Meine Mutter möchte nicht, dass uns so etwas nochmals passiert.“ Der Mann hinterm Pult bewegte sich noch immer nicht und meinte: „Das war sicher der Kornmair, der arbeitet so. Bei mir brauchen Sie keine Angst haben, anschauen kostet nichts. Aber das Notwendigste können wir auch so besprechen. Also, hat der Schrank ein Schloss oder eine Kombination?“ „Der ist sicher mit Schlüssel zu sperren, auf das kann ich mich erinnern als ich noch ein Mädchen war. Meine Tante hatte den Schlüssel um den Hals hängen. Der war lang und hatte links und rechts einen Bart.“ „Erstens sind Sie noch immer ein junges Mädchen, das gehört auch gesagt, und zweitens nennt man das Doppelbartschloss. Das klingt gar nicht gut.“ Obwohl dies für Kellys Vorhaben eine gute Antwort ist verbirgt sie ihre Freude: „Oje, heißt das Sie können das auch nicht, und der Tresor muss für immer und ewig geschlossen bleiben.“ „Nein, nein, keine Sorge! Ich will damit nur sagen, dass ich ihn wahrscheinlich nicht aufsperren kann. Doppelbartschlösser sind sehr präzise und es gibt 59 Der eiskalte Einbrecher keinen Dietrich dafür. Die Kiste muss man aufschneiden mit einem Schneidbrenner.“ Sie versucht noch mehr von dem Mann zu erfahren: „Ist das so schlimm, wenn Sie die Kassa aufschweißen müssen oder gibt es da ein Problem das meine Mutter oder ich wissen sollte?“ „Problem kann man nicht sagen, ich übernehme solche Aufträge schon hin und wieder. Sie müssen rechnen, dass die ganze Arbeit mindestens einen ganzen Tag dauert, vielleicht auch länger. Den ersten Mantel kann man schnell durchschneiden, dann geht es nur mehr sehr langsam weiter. Ein einziges Mal durch den zweiten Schutzmantel brennen und der Inhalt löst sich in Rauch auf. Das ist einen Kollegen passiert, mir Gott sei Dank noch nicht. Da muss man höllisch aufpassen, darum dauert es auch lang. Wird so um die 700 bis 1000 Euro kosten, dazu kommt noch die Werkzeugmiete von 300 Euro. Mit der Steuer und dem Rest so um die 2000 Euro, kann auch 2500 werden. Außerdem müssen Sie mir unterschreiben, dass ich nicht haftbar bin, wenn trotz meiner Vorsicht etwas verbrennt. Und ein Polizist muss auch anwesend sein, zumindest muss die Polizei wissen von dem Auftrag.“ „Wieso die Polizei?“ fragt Kelly erschrocken. „Ich muss mich rechtlich absichern, Sie können mir das Blaue von Himmel erzählen. Wenn die Geschichte mit Ihrer Tante nicht stimmt, lande ich im Gefängnis und muss den Schaden ersetzen. Das ist einen Kollegen von mir passiert. 8 Monate war im Knast und fast 70000 Euro musste er dem Besitzer zahlen. 60 Der eiskalte Einbrecher Die Summe war angeblich im Tresor. Malek, mein Kollege, sagte aber, es war überhaupt nichts drinnen, das Ganze war eine Finte. Jetzt sind wir alle vorsichtig.“ „Das verstehe ich“ sagt Kelly, „es ist kein Problem die Polizei hinzuzuziehen. Auch Ihre Bezahlung wird kein Hindernis sein, das zahlt der Nachlass. Eine Frage habe ich noch. Wieso können Sie den Tresor nicht aufbohren. Muss der gleich aufgeschweißt werden, wenn das so gefährlich ist?“ Der Schlüsseldienstler hebt den Klapppult und geht in den vorderen Teil des Verkaufsraumes. Er schiebt einen hässlichen bodenlangen Vorhang zur Seite, der nur den Zweck hat einen würfelförmigen Standtresor mit den ungefähren Seitenlängen von einem Meter zu verbergen. Demonstrativ stützt er sich auf dem maschinengrauen Eisenquader ab, als wäre es sein ganzer Stolz. „Liebe Fräulein, sehen Sie sich dieses Meisterwerk an. Kein Bohrer auf Welt durchdringt diesen doppelten Edelstahlmantel. Und wenn das doch gelänge, dann scheitert das Werkzeug garantiert an der Glasplatte, die zwischen den Stahlplatten eingearbeitet ist.“ „Und warum können Sie die Kassa nicht aufsperren mit einem Drahtwerkzeug oder einem Sperrhaken, im Film geht das. Außerdem wäre dann der Tresor nicht kaputt.“ Etwas beleidigt, denn schließlich geht es um seine Handwerkerehre antwortet der Aufsperrtechniker: „Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es keinen pas61 Der eiskalte Einbrecher senden Dietrich gibt. Ich müsste extra nur für diesen Panzerschrank ein eigenes Werkzeug anfertigen, und dann würde es noch immer nicht sicher sein, ob er sich knacken lässt. Das kann dann eine oder zwei Wochen dauern, wenn es überhaupt klappt. Wenn nicht, war alles für die Katze und wir müssen trotzdem schweißen und den Tresor zerstören. Übrigens, Sie müssen schriftlich mit einer Beschädigung einverstanden sein.“ Kelly weiß nun was Sie wissen wollte, und sagt dem Schlosser sie müsse mit ihrer Mutter das weitere Vorgehen besprechen, verabschiedete sich und geht. Die Besuche bei den anderen Schlüsseldiensten laufen ähnlich ab. Alle Aufsperrer können diese Art von Tresor nur mit dem Schweißgerät öffnen. Keiner der Spezialisten ist in der Lage ein solches Schloss ohne Lärm und Gestank zu öffnen. Der einzige Unterschied zwischen den Ladenbesitzern ist die Gage und die Formalitäten. Einer ist scheinbar recht pleite, denn er will gleich mitgehen und fragt nicht, ob das ganze auch korrekt sei. Es ist ihm egal, wem der Tresor gehört. Diesen Mann muss man sich 62 Der eiskalte Einbrecher merken, er könnte von Nutzen sein, denkt sich Kelly. Ich höre aufmerksam am Telefon an, was mir meine Freundin erzählt. Ihr ausführlicher Bericht gibt mir wieder Kraft. „Da warst du aber fleißig! Du bist zu all diesen Firmen hingefahren, da warst du die ganze Woche über beschäftigt. Ich muss dir gestehen, ich habe überhaupt nichts getan in dieser Richtung, ich war zu müde. Außerdem hat die Therme den Geist aufgegeben und was das heißt, kannst du dir ja denken.“ Sie unterbricht mich jäh: „Dann wird es Zeit, dass wir uns aufraffen und weitermachen, wir brauchen das Geld oder willst du ewig im Kreis fahren und kalt duschen.“ „Natürlich will ich das nicht! Deinen Erkundigungen zufolge wissen wir jetzt, dass wir schweißen müssen, alles andere ist unmöglich. Wenn das Spezialisten nicht können, wie sollen wir das schaffen.“ „Allerdings“ sagt sie, „wenn der Schlüsseldienst schon einen Tag braucht zum aufschweißen, dann brauchen wir doch das doppelte oder dreifache. Du hast doch noch nie einen Schneidbrenner in der Hand gehabt. Wir haben doch nicht so viel Zeit im Supermarkt, höchstens ein paar Stunden und das ist viel zu wenig.“ Ich antworte ihr: „Vielleicht sagen das die Schlosser nur, um möglichst viel verlangen zu können. Kein Mensch würde 2000 Euro bezahlen für eine Arbeit, die nur eine oder zwei Stunden braucht. Man muss das ausprobieren, und die Zeit stoppen“ „Und wie willst du das anstellen? Gehst du zum 63 Der eiskalte Einbrecher nächsten Juwelier und fragst, ob du den Tresi kurz aufschneiden darfst, weil du wissen willst, wie lange das dauert. Bitte bleib doch realistisch.“ „Kelly, kannst du dich erinnern an den Typen, den wir das Fahrrad verkauft haben, der hat doch so einen Altwarenhandel mit allen möglichen Zeug. Ich rufe ihn morgen an, kann mir vorstellen, dass er einen alten Tresor hat zum Üben.“ „Wenn du meinst Phil“ sagt sie „fragen kann man ja.“ 64 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 5 Phil macht sich schlau Zwei Tage später rufe ich den Altwarenhändler vom Auto aus an, so lange hat es gedauert bis ich die Telefonnummer gefunden habe: „Hallo Herr Zorski, ich heiße Phil, vielleicht erinnern Sie sich noch an mich. Sie haben uns ein altes Fahrrad abgekauft vor ungefähr einem halben Jahr.“ „Nein kann mich nicht erinnern, außerdem ist mein Name Zorki, aber das ist ja egal, was wollen Sie, ich kaufe keine Räder mehr“ erwiderte er forsch. „Es geht um etwas anderes, ich brauche einen alten Tresor, haben Sie einen oder wissen Sie einen?“ Der Schrotthändler wittert ein Geschäft und wird etwas freundlicher: „Ein paar alte Schränke stehen bei mir im Hof herum, Sie müssen herkommen und anschauen, ob etwas dabei ist was Ihnen gefällt. Am besten Sie kommen heute noch, denn am Wochenende hat sich ein Herr angekündigt, der will alle kaufen.“ Der Händler lügt wie gedruckt, das ist nicht sehr schwer zu merken. Es ist immer die selbe Masche, ein zweiter Interessent wird erfunden. „Hallo, ich weiß nicht, ob es sich heute noch ausgeht, wenn nicht, dann komme ich morgen am Nachmittag. Passt Ihnen das?“ frage ich und warte nicht gar nicht mehr 65 Der eiskalte Einbrecher seine Antwort ab, sondern lege auf und steige aus, nachdem ich durch Zufall einen freien Parkplatz vor einer Bäckerei gesehen habe. Mit großem Appetit stürme ich den Laden, im Geist vor mir entstehen Bilder von knusprigen Mohnweckerl, reschen Salzstangerl und saftigen Croissants. Dem Verlangen nach diesen Backwaren weicht urplötzlich einer tiefen Enttäuschung. In der Vitrine stehen einige Weidenkörbe, jedoch bis auf einen sind alle gähnend leer. Mit verzweifelter Stimme frage ich die grantig aussehende Bäckersfrau: „Haben Sie frische Salzstangen oder Semmel?“ Die frustrierte Verkäuferin antwortete barsch. Man sah ihr deutlich ihre Schadenfreude und Genugtuung an, weil sie meine Hoffnung und Freude auf frisches Gebäck zerstören kann: „Nein leider, da sind Sie zu spät. Nur mehr Grahamweckerl! Wenn Sie was anderes wollen, müssen Sie zeitig in der Früh kommen, jetzt ist Gott sei Dank alles verkauft.“ Sie lächelt zynisch. Ich ärgere mich über die hundsgemeine blondierte Frau mit der praktischen Hausfrauenfrisur, aber im Grunde genommen ärgere ich mich über mich selbst. Wie kann man so blöd sein und ernsthaft in eine Bäckerei gehen. Seit meiner Kindheit weiß ich doch, dass es nicht möglich ist bei einem Bäcker 66 Der eiskalte Einbrecher nach 6 Uhr in der Früh etwas zu erstehen außer diesen widerlichen Grahamweckerln. Es hat sich in diesem Handwerk noch nicht herumgesprochen, dass der Tag nicht um 6 Uhr zu Ende ist. Die Unsympathische braucht nichts von meiner Wut erfahren, darum bleibe ich höflich und versuche mich zusammenzureißen: „Das ist schade, wir sind hierher übersiedelt und mein Chef sucht eine Bäckerei die uns zweimal am Tag Gebäck bereitstellen kann. Leider sind Sie dazu nicht in der Lage. Kann man nichts machen, dann suchen wir jemand anderen. Es gibt auch noch andere Firmen.“ So das hat gesessen! Normalerweise bin ich nicht so, aber mir hängen die Sadisten schon zu Hals heraus, da muss man ab und zu zurückschlagen. Die Verkäuferin entpuppt sich als Chefin und versucht zu retten was zu retten ist: „Ich muss mich entschuldigen, mein Mann hat vor einer halben Stunde das ganze Gebäck den Kinderspital gebracht, er ist so ein großzügiger Mensch. Er spendet dann gleich das halbe Geschäft, alles für die Kinder. Für wie viele Mitarbeiter würde Ihr Chef denn Weißgebäck benötigen?“ fragt sie mit falschem Lächeln auf den grellrot angemalten Lippen. Mir wird das Gespräch zu blöd, darum schließe ich es ab: „Nicht so schlimm, wird sich nicht auszahlen für Sie. Wir sind nur ein kleiner Botendienst, so um die 120 Leute. Tut mir auch leid, Auf Wiedersehen!“ Sie gafft mir nach und ich entschwinde, der Weg zu einem Selbstbedienungsladen bleibt mir nicht erspart. Besser ein Industriekornspitz als das Grahamzeug. Im Supermarkt erhoffe ich wenigstens einmal das 67 Der eiskalte Einbrecher Objekt der Begierde sehen zu können, damit ich mir eine ungefähre Vorstellung machen kann, was mich erwartet. Es ist anzunehmen, dass alle Panzerschränke innerhalb einer Kette ähnlich sind, auch wenn diese Firma hunderte Filialen betreibt. Der Tresor in diesem Geschäft steht im Büro. Büro ist schon zu viel gesagt. Es ist ein winziger mit Glasbauwänden vom Verkaufsraum abgetrennter Käfig. Höchstens 3 Meter lang und 2 Meter breit. Oben ist der Kobel offen, auf diese Weise kann nie eine angenehme Atmosphäre entstehen. Die eine Seite des Arbeitsraums ist vollkommen angeräumt mit einem viel zu großen Schreibtisch auf dem sich Papiermengen und verschiedene Büromaschinen stapeln. Vor dem Tisch steht ein billiger und schlechter Drehstuhl und versperrt den Durchgang in den rückwärtigen Teil der kleinen Glaskanzel. Ganz hinten im letzten Eck steht er, der Schrank. Enttäuschend winzig, ist der erste Eindruck. Er ist nicht maximal einen Meter hoch und auch nicht breiter, wie ein Würfel. Sehr klein, sind meine Gedanken, aber wenn der mit Euroscheinen bis zum Rand gefüllt ist, genügt das schon. Ich suche einen Vorwand um das gute Stück näher betrachten zu dürfen. „Entschuldigen Sie“ sage ich zu der dürren etwa dreißig jährigen Frau, die vor dem Eingang zum Büro einige Schachteln schlichtet. „Meine Freundin hat eine Haube hier bei Ihnen verloren oder vergessen, haben Sie eine gefunden?“ Sie sieht kurz auf zu mir und antwortet mir: „Das kann ich ihnen nicht sagen, ich bin nicht jeden Tag da, aber wenn Sie wollen können Sie die Fundsachen durch- 68 Der eiskalte Einbrecher schauen, die liegen da hinten auf einen Haufen.“ Sie deutet auf den Stapel Gewand am Boden neben der Kassa. „Bitte, das wäre nett,“ sage ich zu ihr und verschwinde in Richtung Tresor. Die dünne Arbeiterin steht am Eingang und sieht mir zu. Langsam hebe ich Stück für Stück der Kleidungsstücke auf und lege Sie auf den Schreibtisch, die Augen habe ich dabei auf die Panzerkassa gerichtet um mir möglichst viele Kleinigkeiten zu merken. Nach dem letzten Fetzten, wie kann man einen Socken im Supermarkt verlieren, lege ich den ganzen Stoss wieder zurück: „Leider, die Kappe war nicht dabei, trotzdem danke!“ An dem Tresor gibt es kein nennenswertes besonderes Detail. Er sieht auf allen Seiten gleich aus. Auch die Stirnseite ist nicht sensationell, denn außer einem Handgriff ist darunter nur ein zwei Zentimeter breiter Schlitz zu sehen, der sich etwa in der Mitte befindet. Genau genommen sieht die Öffnung wie ein flacher Schmetterling oder eine Masche aus, es ist eindeutig das Schlüsselloch, für einen Doppelbartschlüssel. Das weiß ich von meinen Besuchen bei den Tresorfirmen. Abends habe ich Lust endlich wieder nach Wochen warm zu duschen. Es ist nicht nur die Lust, 69 Der eiskalte Einbrecher sondern vielmehr eine Notwendigkeit, denn mit kalten Wasser lässt sich die Seife und damit auch der Schmutz und Schweiß nicht zur Gänze abspülen. Ein strenger Geruch wird von mir seit Tagen verbreitet, dies schafft nicht gerade Sympathien. Das Hallenbad ist aus den 70er Jahren und so sieht es auch aus. Weiße Fliessen, die im Laufe der Jahrzehnte gelblich bis braun geworden sind. Die Abflüsse sind rostig und halb verstopft, so dass sich ein immer ein kleiner Bakterienfilm am Fußboden befindet .Kein Mensch ist außer mir zu sehen, weder in der Dusche noch im Garderobenraum. Auch das Schwimmbecken ist leer, die Atmosphäre ist fast gespenstig, das ist nicht verwunderlich. Wer benutzt einen solchen heruntergekommenen Virentempel außer einem Desperado wie ich es bin. Mir graust fürchterlich, aber habe keine andere Wahl, immer noch besser als stinken. Einen Schwur nehme ich mir selber ab: Beim nächsten Mal ziehe ich Badeschuhe an, denn es ist ein unbeschreiblich ekeliges Gefühl mit nackten Füssen durch die Wasserlacken zu waten. Als besonders erhebendes Gefühl empfinde ich es, dass vermutlich niemand die unhygienische Toilette benutzt und es einfach unter der Dusche laufen lässt. Diese Erniedrigung hat mir noch gefehlt in meinem armseligen verpatzten Le- 70 Der eiskalte Einbrecher ben, denke ich als mir der viel zu heiße Wasserstrahl auf den Rücken prasselt. Die Armaturen sind unbrauchbar und lassen eine Regulierung der Temperatur nicht zu. Es gibt nur kalt oder heiß aber nichts dazwischen. Nach ein paar Minuten Wechseldusche im Elendsbad reicht es mir. Essen muss ich heute nichts mehr...! Nächsten Vormittag bitte ich Marcus wieder einige Kunden zu übernehmen, damit der Besuch beim Schrotthändler ungestört und ohne Stress von Statten gehen kann. Herr Zorki geht mit mir sofort in den Hof hinter seinem Haus. Mich trifft fast der Schlag als ich den hundert mal hundert Meter großen Platz sehe. Bis auf einen schmalen Gang zum Durchgehen ist gesamte Platz vollkommen mit alten Eisengerümpel angeräumt. Eine solche Ansammlung von Schrott und schrottähnlichen Zeugs ist garantiert weltweit einzigartig. Stossstangen, Autoteile, Kräne, Baumaschinen, Bagger, Gerüste und alle Arten von Stahl und Eisentrümmer sind meterhoch neben dem Fußweg aufgetürmt. Unvorstellbare Mengen an Schrauben und Muttern, die in Schiebetruhen lagern. Der Besitzer, Herr Zorki, ein schwer übergewichtiger 60 jähriger Mann mit grauer 71 Der eiskalte Einbrecher Latzhose, passt exakt zwischen den Durchgang, ohne mit den Schultern zu streifen. Es bleiben maximal fünf Zentimeter links und rechts frei. Er bewegt sich durch den für mich wertlose Haufen, als wären es heilige Hallen. Bei jedem zweiten verrosteten Trumm bleibt er stehen und erzählt die Geschichte dieses Teils. Aus seinen Erzählungen geht hervor, dass jedes Eisengestell auf seinem Grundstück, ein Vermögen wert ist, wenn man nur lange genug warten kann. Es stellt sich heraus, dass er seit gut und gern 20 Jahren nichts verkauft hat, sondern nur gekauft und gehortet. Seiner Sache sicher lächelt er mich an und meint: „Ich kann warten, die Leute werden mir noch die Tür einrennen, und dann mach ich ein Vermögen“ Um ihm gut gelaunt zu halten stimme ich ihm zu: „Da haben Sie garantiert Recht, auch ein Laie wie ich sieht auf den ersten Blick, dass dies hier kein Abfall ist, sondern wertvolle Maschinenteile. Die Zeit wird kommen und dann werden Ihre Ersatzteile gefragt sein. Apropos wo sind die Tresore von denen Sie mir erzählt haben.“ „Moment wir sind gleich da, die liegen unter der Ladefläche des LKWs dort vorne. Die muss sowieso weggeräumt werden, weil am Wochenende werden alle verkauft, das habe ich schon erwähnt.“ 72 Der eiskalte Einbrecher Herr Zorki steigt über eine selbstgebastelte Leiter zu einem Kranführerhaus empor und deutet mir von oben ich solle ein Stück zurückweichen. Er schwingt einen schweren Haken der an einem Stahlseil von dem Ausleger herunterbaumelt so lange gegen den Lastwagen, bis sich der Haken irgendwo auf der Karosserie verfängt. Er hebt das tonnenschwere Fahrzeug, der ganze Kran wackelt und biegt sich ungemein durch. Zu meiner Verwunderung bricht nichts ab und fällt nichts um. Der Schrotthändler legt den Lkw einige Meter entfernt auf eine Armee von ausplünderten Hubstapler ab und steigt wieder herunter. Er ist glücklich mit seiner Arbeit und seinen Alteisen, das kommt nun deutlich hervor. „Hier stehen meine Lieblinge, sind die nicht schön.“ Sagt er und zeigt auf fünf oder sechs abgeschlagene verrostete Standkassen, die fast nicht mehr als solche zu erkennen sind, denn so wie die Schränke aussehen, müssen sie seit mindesten 20 Jahre im Freien stehen. „Schoen sind die nicht gerade,“ sage ich leicht geschockt, als ich die rostigen Würfel sehe. „Ich werde mir die Dinger einmal genauer ansehen, ob das was ich suche dabei ist.“ Langsam arbeite ich mich vor, immer auf der Hut nirgends anzustoßen oder auf spitze Gegenstände zu steigen bis ich genauer sehen kann. Einer hat ein Handrad und eine kleine Zahlenscheibe, also eine Kombination, ein anderer hat gar nichts mehr, der Griff ist scheinbar irgendwann abgebrochen. Der nächste hat nur einen Schlitz und einen Hebel. Ich beuge mich vor um ihn genauer zu betrachten, da meldet sich Herr Zorki: „Das ist ein 73 Der eiskalte Einbrecher Stecher oder Stecker, wie die Deutschen sagen. Ein besonderes Exemplar mindestens 100 Jahre alt, eine echte Rarität, den gebe ich nur ungern her.“ Ich habe keine Ahnung was der Händler redet, darum frage ich: „Was ist ein Stecher, ist das kein Schlüssel, oder was meinen Sie?“ Er sieht mich mitleidig an und beantwortet meine Frage mit Freude, denn er kann über seine Eisenkinder sprechen. „Ein Stecher ist ein uraltes Schlosssystem. Früher hatte jeder zweite Tresor ein Stechschloss, das war einmal Standart. Leider waren die nicht besonders sicher, man hat sie leicht aufbohren können, so wie den da. Die Versicherungen übernehmen seit 50 Jahren keine Stecher mehr, darum sind sie ausgestorben. Aber die Funktion ist einmalig, passen sie kurz auf ich erkläre es Ihnen. Der Schlüssel ist eigentlich gar kein Schlüssel, sondern nur ein eckiger Metallstift. Der Bart ist vorn am Schlüssel also stirnseitig und nicht seitlich wie man das kennt. Den steckt man nur ins Schlüsselloch hinein und tut sonst nichts. Das Schloss entriegelt dann praktisch von selbst und mit der kleinen Olive lässt sich die Kasse dann öffnen. Genialer Mechanismus!“ Sicherlich interessant, denke ich, aber nicht für meine Zwecke. „Und die anderen die da herumstehen, was haben die für Schlösser?“ frage ich. „Der hintere hat gar keines mehr und die anderen haben ein Doppelbartschloss. Für welchen Zweck brauchen Sie die Kassa eigentlich, weil Versicherung bekommen Sie sicherlich keine mehr und Schlüssel habe ich auch keinen.“ Schlagfertig antworte ich: „Nur für Dekorationszwe- 74 Der eiskalte Einbrecher cke, wir wollen zu Hause so eine Kassa haben. Ein bisschen Farbe und der passt genau ins Wohnzimmer. Da stellen wir dann den Fernseher drauf.“ „Dann nehmen Sie am Besten den Stecher, der ist schön antik und verziert. Die anderen sind zwar besser in der Qualität, aber nicht so attraktiv.“ Ein Tresor mit Doppelbartschloss muss her, das steht fest. Ich muss das Aufschweißen an einem möglichst ähnlichen Modell wie in den Supermärkten steht, üben. Es nutzt nichts wenn der hundert Jahre alte Schrank leicht zu öffnen ist und bei der Feuerprobe geht dann alles schief und wir landen im Gefängnis. „Was ist mit dem hier, was kostet der?“ möchte ich wissen und deute auf einen in Frage kommenden. Er hat ungefähr die Abmessung von dem Schrank den ich mir genau angesehen habe, als ich die Geschichte mit der Kappe erfunden habe. „Der ist ja nicht schön, der hat ja keine Füße und schaut aus wie ein Würfel. Aber wenn Sie ihn unbedingt haben wollen, ich mache ihnen einen guten Preis. Am Wochenende kommt zwar ein Interessent, aber Sie waren schneller.“ Der Schrotthändler sagt wieder nicht die Wahrheit, wie schon gestern am Telefon, denn es kommt sicher kein Mensch und will den rostigen Sperrmüll kaufen also lüge ich auch. „Wenn die Kassen schon versprochen sind, dann macht es nichts. 75 Der eiskalte Einbrecher Ich will niemanden etwas vor der Nase wegschnappen, ich schau dann im Internet nach, da findet man Alles und meist sehr billig. Sie waren trotzdem sehr nett, danke.“ Auch wenn der Dicke nicht unbedingt ein Verkaufsgenie ist, so will er sich dennoch dieses Geschäft nicht entgehen lassen. „Sie sind vorher gekommen, um dreihundert Euro können Sie Ihn haben. Das ist praktisch geschenkt.“ Der Mann muss sich versprochen haben, anders kann man sich die Summe, die er gesagt hat nicht erklären. „Entschuldigen Sie Herr Zorki, ich habe Sie nicht verstanden, was haben Sie gesagt?“ Der Schrotthändler wiederholt: „Drei hundert Euro, das ist nur der Alteisenpreis, aber ich kann Ihnen noch etwas nachlassen. Der Lack ist wirklich schon blass.“ „Welcher Lack“ frage ich „auf dem ganzen Tresor ist kein bisschen Lack mehr zu sehen. Der ist total verrostet und Schlüssel haben Sie auch keinen. Tut mir leid, das wird nichts werden.“ Er sieht seine Chance das Ding loszuwerden schwinden, und sagt: „Zwei hundert, ist Ihnen das auch nicht recht, wie viel wollen Sie denn zahlen?“ „Wir sind arme Leute, meine Freundin und ich und wir wünschen uns schon seit langem so ein Ding, machen Sie eine Ausnahme und 76 Der eiskalte Einbrecher geben Sie uns die kaputte Kassa um 50 Euro, bitte.“ „70 und wir sind im Geschäft“ sagt er plötzlich und hält seine raue abgearbeitete Hand zum Einschlagen hin. „Gekauft, bitte stellen Sie sie vorne hin zur Rampe, ich komme in den nächsten Tagen und hole sie ab.“ Er antwortet mir: „Abgemacht, wie wäre es mit einer kleiner Anzahlung, sagen wir 20 Euro.“ Ich gebe ihm das Geld, melde mich wieder bei Marcus und mache den Tag fertig. Später erzähle ich Kelly von dem Kauf. Sie ist nicht gerade begeistert, änderte aber im Laufe des Gespräches ihre meine Meinung. Meine Freundin versteht, dass wir das Aufschneiden zumindest einmal üben müssen. Sie hat nur Bedenken, wo wir eine Schweißgerät ausborgen können, und an welchem Ort wir den Probelauf starten. Dies ist in der Tat ein großes Problem und ich habe keine Ahnung, wie wir das lösen können. Eine Werkstatt mieten ist unmöglich, der Besitzer würde sofort die Polizei rufen, und das zu Recht. Wer schweißt einen Tresor auf? Sicherlich nur jemand, der ein krummes Ding vorhat. Das steht fest. Meine Freundin hat recht, indem sie sagt, ich hätte den Kauf übereilt. Zuerst hätten wir die Platzfrage klären müssen. Jetzt haben wir 70 Euro ausgeben und wissen nicht weiter. Die Kassa hätten wir in einer Woche genauso gut bekommen. Es ist zu spät, aber es hat auch sein Gutes, denn jetzt sind wir mehr unter Druck und müssen uns zwingen einen geeigneten Ort zu finden. Das bedeutet, wir kommen schneller zu unserem Ziel. 77 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 6 Marcus steigt ein Marcus kommt vom Land, vom tiefsten Land. Er selbst wohnt seit Jahren in der Stadt, aber seine Pflegeeltern sind noch in der Provinz. Ein tief rückständiger Ort mit 500 Seelen ungefähr 70 Kilometer von der Stadt entfernt. Bis vor kurzem hatten seine Pflegeeltern kein Telefon, keinen Kanal und keine Gehsteige vor dem Haus. Marcus hat sehr gelitten und vermeidet es, öfter als unbedingt notwendig aufs Land zu fahren. Er muss mir helfen, denn ich weiß, dass es in der Nähe seines Pflegeelternhauses einen alten Stall gibt, mit dicken Mauern und Zufahrt. Früher, als Kind hat 78 Der eiskalte Einbrecher er in diesem Schupfen zusammen mit seinem Vater den Traktor und andere landwirtschaftliche Geräte repariert. Dieses Gebäude wäre ideal. Nur sollte er nicht unbedingt wissen, was wir vorhaben, obwohl wir seit Jahren ein ehrliches und gutes Verhältnis haben. Wir haben gemeinsam schon so manche Kleinigkeit angestellt und uns gegensätzlich gedeckt. Einen schweren Einbruchs-Diebstahl zu planen und auszuführen ist jedoch etwas anderes, als mit einem unangemeldeten Auto mit selbstgeschrieben Nummern zu fahren, oder zu teure Waren im Elektomarkt umzuetikettieren. Zu dritt wäre der Coup leichter zu bewerkstelligen, als zu zweit. Kelly könnte draußen beim Auto bleiben und wir, die zwei Männer, könnten in Ruhe den Tresor knacken. Er wäre auch eine große Hilfe, weil er durch die vielen Bastelein auf den Landmaschinen wesentlich mehr technisches Wissen hat als ich. Ob Marcus eingeweiht werden soll, kann ich nicht alleine entscheiden, meine Freundin muss damit einverstanden sein. Bei der nächsten Gelegenheit frage ich Kelly: „Glaubst du, könnten wir einen dritten Mann brauchen für ...äh, du weißt schon für was.“ „Das freut mich, dass du mich als Mann siehst. Ich werde beizeiten darauf zurückkommen. Du kannst dir schon vorstellen 79 Der eiskalte Einbrecher wann!“ sagt sie beleidigt. „Du weißt Schon, wie ich das meine, ob wir eine dritte Person brauchen könnten.“ Sie hat wie alle Frauen einen sechsten Sinn: „Warum sagst du nicht gleich, dass du Marcus mit von der Partie haben willst. Ich habe nichts dagegen, auf ihn ist Verlass. Die Beute müssten wir teilen, aber zu dritt ist es leichter und, wenn es klappt dann drehen wir ein zweites Ding und haben wieder das selbe Geld. Ja, ich bin einverstanden, aber bitte frage ihn zuerst etwas vorsichtig, man weißt trotzdem nicht genau wie er das sieht.“ Nächsten Tag nach der üblichen endlosen Abrechnung will Marcus sofort aus der Zentrale verschwinden. Er hat wie jedes Monat eine neue Freundin und will keine Zeit verlieren. „Marcus warte kurz,“ rufe ich, „ich möchte dich kurz was fragen!“ „Was willst du, ich habe es eilig du weißt.......“, antwortet er mir. „Es ist wichtig, viel wichtiger als alles andere was du vorhast.“ Zuerst murrt er aber er weiß, dass wenn ich etwas für wichtig halte, dann ist es auch so. Ich finde selten etwas wichtig, dazu ist mein Leben viel zu chaotisch und desorganisiert. Ein paar Minuten später gehen wir gemeinsam zu dem Supermarkt, der in der Nähe der Zentrale liegt. Seit gestern denke ich über Kellys Worte nach. Wie soll man sich langsam rantasten an so ein Angebot? Es ist 80 Der eiskalte Einbrecher nicht möglich, entweder man sagt es oder man spricht in Rätseln und sagt es nicht. Dann weiß das Gegenüber garantiert nicht wovon man redet und kann nicht antworten. Ihn einfach klipp und klar zu fragen, wird das Beste sein! Ich spendiere ihm eine Milch und sage zu ihm an der Kasse: „Ganz schön viel Geld in der Lade.“ Er schaut verdutzt und meint: „Hm, was hast du gesagt? Ja, ja keine Ahnung, noch nie drüber nachgedacht.“ Marcus versteht mich nicht deshalb werde ich genauer. „Die machen sicher 10000 Euro am Tag und tragen es sicher nicht auf die Bank.“ „Glaubst du, soviel? Das könnten wir gut brauchen, wäre für jeden 5000, gar nicht schlecht.“ Erleichtert über seinen Geistesblitz sage ich ihm: „Wenn du das Geld genauso dringend brauchen kannst wie ich, dann.....“ Ohne mich ausreden zu lassen gibt er eine kurze, aber sehr deutliche Antwort: „Ja, ich bin dabei!“ „Marcus“ sage ich „um ein Missverständnis zu vermeiden, wo bist du dabei?“ „Du hast doch einen Coup vor, oder? Und bei diesem Coup mache ich mit. So einfach ist das. Wir machen halbe – halbe und das war es dann.“ Er ist sofort Feuer und Flamme und drängt mich zu einem aufklärenden Ge81 Der eiskalte Einbrecher spräch. „Los erzähl, setzen wir uns in Auto und du schilderst mir deinen Plan.“ Ich bin von Natur aus kein schwatzhafter Mensch und eher vorsichtig. Zu oft wurde ich hintergangen und betrogen. Seit Jahren lebe ich mein Leben alleine mit Kelly und meide Zusammenkünfte mit anderen Menschen. Ich habe das Lügen und die Boshaftigkeiten der Leute satt. Marcus ist einer der wenigen, mit denen ich spreche und vertraue. „Wir haben uns folgendes gedacht.“ beginne ich und er fällt mir sofort ins Wort: „Wer ist wir?“ „Keine Sorge, wir, das sind Kelly und ich, und sonst keiner! Also nochmals, wir haben uns folgendes gedacht. So ein SB Laden wie der in dem wir gerade gewesen sind macht am Tag so 12 000 Euro, vielleicht auch mehr und alles in bar. Das gesamte Geld wird in einen Tresor gesperrt und bleibt dort bis der Geldtransporter kommt. Wir suchen einen Supermarkt in guter Lage. Das heißt, mit Hintereingang um unbemerkt reinzukommen, keine Nachbarn aber trotzdem mit guter Kundenfrequenz, damit es sich auch auszahlt. Dann organisieren wir ein Schweißgerät, warten auf eine gute Gelegenheit, marschieren in das Geschäft und schweißen den Panzerschrank auf. Aus – Ende - Fertig!“ Marcus sitzt mit halboffenen Mund neben mir und starrt mich an. „Meinst du das ernst? Da gibt es mindestens 5 Jahre Gefängnis, wenn Sie dich erwischen.“ „Ja das stimmt,“ antworte ich, „wenn sie dich erwischen, aber uns werden sie nicht erwischen. Wir sind clever.“ Er hat sich noch immer nicht gefangen, ist geistig so abwesend, dass er sich die ganze Milch über 82 Der eiskalte Einbrecher seine Kleidung schüttet, weil er seinen Mund nicht trifft. Er hat offensichtlich nicht mit meiner kriminellen Energie gerechnet. „Du fällst ganz schön mit der Tür ins Haus. Mit so was habe ich nicht gerechnet. Ich habe mehr an so Kleinigkeiten gedacht, wie Bierkisten stehlen und nächsten Tag zurückgeben, oder so etwas Ähnliches. Aber niemals an ein richtiges Verbrechen. Hast du überhaupt eine Ahnung vom Schweißen?“ „Nein habe ich nicht,“ erwidere ich, „aber das kann man lernen. Ich verrate dir gleich ein Geheimnis. Ich habe schon einen alten Testtresor bei einem Schrotthändler gekauft, damit wir üben können.“ Marcus ist noch immer verstört, gewinnt jedoch seine Fassung zurück: „Du verlierst wirklich keine Zeit, und wo steht der? Hast du ein Schweißgerät auch schon? Dann können wir gleich anfangen. Der Botendienstjob geht mir sowieso schon auf die Nerven, lange schaffe ich das nicht mehr.“ Marcus muss gebremst werden, denn sonst handelt er überschnell. „Da haben wir ein Problem. Die Kassa steht noch beim Händler, weil ich keinen Platz weiß, wo wir eine Generalprobe durchführen können, außer dir fällt etwas ein....“ „Aha, daher weht der Wind! Du willst das Ding zu meinen Pflegeeltern hinschleppen und dort knacken. Wird gehen, die zwei Alten gehen schon seit Jahren nicht mehr in den Lagerschupfen. Morgen rufe ich an, dass wir am Wochenende kommen und etwas arbeiten wollen, dann klappt das. Ab und zu fahre ich zu ihnen raus und repariere dann meinen Gewerblerporsche im Stall. Hast du jetzt ein Schweißzeug oder nicht?“ „Nein 83 Der eiskalte Einbrecher ich habe kein Schweißzeug“ sage ich „aber bis zum Wochenende wird eines aufzutreiben sein, was glaubst du.“ Antworte ich und schaue etwas hilflos. Er erkennt meine Bitte mir zu helfen. „Keine Angst, besorge ich auch. Die eine Werkstatt auf meiner Route, die ist mir noch einen Gefallen schuldig. Die borgen mir das sicher gratis mit Gasflasche. Ich rechne denen immer weniger Gewicht, als die Pakete tatsächlich haben. Uns Fahrern ist das egal, wir bekommen immer die Provision und den Firmen hilft es. Jetzt brauchen wir einmal was.“ Ich bewundere meinen Kollegen, er macht sich überall beliebt hat überall Kontakte. Er kann vieles besorgen und bekommt vieles gratis. Er ist ein richtiges Organisationstalent. Er ist genau das Gegenteil von mir. In den Jahren, die ich hier bei der doofen Arbeit vertan habe, konnte ich keine Freunde oder Beziehungen zu Kunden aufbauen. Ich bin nur der vom Transportdienst, ohne dass jemand mich beachtet hätte. Bei Marcus ist das anders, besonders bei den Frauen. Er ist der Schwarm vom Lehrmädel bis zur Chefin, mir ist es ein Rätsel, wie er das schafft. Aber nicht nur die weiblichen Kunden fragen nach ihm. Auch bei den Männern ist er beliebt und wird öfters eingeladen. Er kann mit seiner Armut besser umgehen. Mir macht die finanzielle Mittellosigkeit ernsthaft zu schaffen, kann mit niemand ohne Komplexe reden, der mehr Geld hat als ich. Und mit jemanden eine Unterhaltung führen oder eine Freundschaft haben mit einem Menschen, der weniger hat als ich, das ist unmöglich, denn niemand auf dieser Erde ist ärmer 84 Der eiskalte Einbrecher als ich. Heute ist Mittwoch, wir fixieren unser Vorhaben für Samstag. Bis dahin kann er seine Pflegeeltern vorbereiten auf unser Kommen und das Werkzeug ausborgen. Ich rufe Herrn Zorki an und möchte ihm mitteilen, dass der Tresor am Samstag in der Früh abgeholt wird. „Samstag geht nicht, da bin ich nicht in der Firma. Sie müssen Freitag kommen.“ Er lügt wieder, dieser Mann ist immer auf seinen Schrottplatz. Ich ärgere mich über ihn: „Wenn Samstag nicht geht, dann kommen wir Freitag am späten Abend, fast schon in der Nacht.“ Eine Weile ist Funkstille in der Leitung, dann meldet er: „Freitag können Sie kommen wann Sie wollen, ich bin sowieso da. Wo soll ich den sonst sein.“ Nach diesem Telefonat sage ich Kelly, dass wir am Samstag unseren Schweißversuch starten. Sie freut sich riesig und kann es gar nicht erwarten. Freitag dauert der Arbeitstag ewig und diesen Freitag noch länger. Um 20 Uhr kommen wir endlich in die Zentrale und die unfreundliche Person am PC macht sich wie jeden Tag einen Spaß daraus uns warten zu lassen. Es wird nicht nur der Tag abgerechnet, sondern die ganze Woche noch mal durchgecheckt und das dauert. Hof85 Der eiskalte Einbrecher fentlich werden meine Gebete erhört und der Coup klappt, dann muss ich diesen miesen Job nicht mehr machen. Um halb zehn stellen wir ein Auto vor meiner Wohnung ab und fahren mit dem Kleintransporter von Marcus zum Schrottplatz und wollen den Schrank holen. Einen Blick in den Laderaum muss ich machen, um zu vergewissern, ob er das Schweißgerät ausborgen konnte. Ja! Zwei große Gasfalschen, grau und blau, sind fest angezurrt im hinteren Teil der Ladefläche zu sehen. Daneben liegen Schläuche und Messinggriffe. Der Händler ist zwar in seinem Büro, jedoch er hat ihn nicht wie vereinbart zum Eingang gestellt. „Wir dachten Sie haben uns die Kassa bereit zum Abholen gemacht.“ „Für das habe ich keine Zeit gehabt, Ihr müsst ihn selber vorbringen. Den Kran kann ich jetzt nicht mehr starten. Der ist zu laut, da regen sich die Leute in der Umgebung auf. Mit dem Stapler könnt ihr auch nicht fahren, der sinkt hinten im Hof ein.“ Sagt er und wendet sich ab. Marcus braust leicht auf und fragt ihn mit erhobener Stimme: „Und bitte wie sollen wir die 300 Kilo von dort hinten holen. Das darf doch nicht wahr sein! Wissen Sie wie schwer das ist?“ „Ich helfe euch, dann geht das schon, regen Sie sich nicht auf.“ Wir gehen zu dritt in den Hof und Marcus stolpert über eine Traverse, die im Weg 86 Der eiskalte Einbrecher liegt. Er reißt sich auf dem rostigen Ungetüm das Schienbein auf, brüllt vor Schmerzen und flucht wie ein Kutscher. Herr Zorki meint ganz ruhig. „Soll ich ein Licht aufdrehen?“ Mein Kollege hüpft auf einen Bein und stellt Herrn Zorki eine Frage: „Was glauben Sie, dass wir Infrarotaugen haben oder glauben Sie es macht uns Spaß, uns eine Blutvergiftung zu holen?“ „Entschuldigt, ich habe vergessen, dass Ihr nicht wisst, wie der Weg verläuft. Ich finde mich hier auch im Dunkel zu recht.“ Er geht einige Meter zurück und betätigt ein überdimensionalen Hebel. Daraufhin fangen vier etwa 3000 Watt starke Scheinwerfer zu leuchten an und erhellen den ganzen Platz wie ein Fußballfeld. Die Ansammlung der Wrackund Eisenteile wirken unter diesem Licht furchterregend und gespenstisch. Wir setzen unseren Marsch durch den schmalen Gang fort, bis wir bei dem Eck mit den Kassen ankommen. Herr Zorki bindet zwei Tragegurte um meinen Tresor und hängt sich ein Ende um beide Schultern. Er gibt mir das Ende des anderen Gurtes und zu Marcus sagt er: „Sie schieben, wir ziehen!“ Mein Seil ist etwas länger als das von Zorki. Wir spannen die Tragehilfen und ich stehe nun etwa einen halbe Meter vor dem Schwergewicht. Er 87 Der eiskalte Einbrecher ruft: „Vorbeugen und auf mein Kommando ziehen, Sie dahinten, Sie schieben was Sie können. Achtung, jetzt!“ Mit aller Kraft hängen wir uns in den Gurt. Die Kassa bewegt sich langsam in Richtung Ausgang. Um den Ablauf besser zu koordinieren, schreit der dicke Mann, der kaum einen halben Meter hinter mir im selben schrägen Winkel steht, mir im Takt ins Ohr: „Und jetzt – Und jetzt – Und jetzt!“ Es muss ein kurioser Anblick sein. Nach zwanzig Minuten Knochenarbeit ist das schwere Eisending endlich auf betonierten Boden und der Schrotthändler meint jetzt kann der Stapler eingesetzt werden. Wir sind heilfroh und außer Atem. Zorki verschwindet hinter einer Ecke und kommt nach einer Minute auf einem dröhnenden Hubstapler zurück. Mit einer Brechstange kippt Marcus den Schrank und die Gabel fährt darunter. Der halbe Weg ist geschafft und der Rest ist ein Vergnügen. Der Stapler bringt das Monster zum Kistenwagen, Marcus öffnet die Ladetür und Zorki versucht die Kassa abzustellen. Dies gelingt nicht sofort, so muss er ihn abschütteln. Er kracht auf den Fahrzeugboden und die Federung schlägt durch. Ich gebe ihm die 50 Euro und wir verschwinden. Marcus fährt mich nach Hause und ich 88 Der eiskalte Einbrecher falle nach 18 Stunden schwerer Arbeit ins Bett. Auf die Eisdusche wird liebend gerne verzichtet. 89 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 7 Die Fahrt aufs Land Um sieben in der Früh steht Marcus vor meinem Bett. Er wollte anklopfen, ist jedoch gleich in die Wohnung gegangen, weil ich wieder einmal vergessen hatte abzusperren. „Steh endlich auf, sonst wird uns die Zeit zu knapp.“ Ich erschrecke nicht über den unangemeldeten Besuch. Mir macht es nichts mehr aus, wenn plötzlich fremde Leute in der Wohnung stehen, es ist mir egal was soll mir schon passieren. Eine Tasse Löskaffee muss heute genügen, sonst meldet sich die Blase bald wieder, und ich habe keine Ahnung, ob es auf der Fahrt aufs Land eine Gelegenheit gibt zum Strullen. Die erste Etappe ist zu Kelly, die wir abholen. Der Kastenwagen hat nur 90 Der eiskalte Einbrecher zwei Sitzplätze, dahinter ist die Blechwand und der Laderaum. Marcus muss fahren, von meiner Freundin kann man nicht verlangen, dass Sie hinten Platz nimmt. So bleibt nur eine Lösung, ich quetsche mich in die sitzplatzlose Kabine zwischen dem Panzerschrank und den Gasflaschen, sehr beruhigend. Der Lieferwagen hängt nun noch mehr durch und es dauert nicht lange bis ein Polizeiauto auf uns aufmerksam wird. Mit Blaulicht werden wir überholt und zum Ranfahren aufgefordert. Marcus flucht laut, ich denke mir meine Verwünschungen. Ein Polizist überprüft die Papiere, der andere schaut bei dem kleinen Fenster auf der Rückwand in den Laderaum und verlangt eine Öffnung und einer Erklärung. Der Ordnungshüter sagt: „Was würden Sie an meiner Stelle denken, wenn Sie einen überladen Kleinlastwagen um Samstag 7 Uhr in der Früh mit drei Personen, einem Tre91 Der eiskalte Einbrecher sor und einer Schweißgarnitur die Stadt verlassen sehen? Ein Insasse wir zudem verbotener Weise auf der Ladefläche transportiert. “Kelly ergreift das Wort und spinnt ein Konglomerat aus Wahrheit und Lüge: „Herr Revierinspektor,“ sagt sie (sie erkennt seinen Rang) „Ich bin Künstlerin und wir haben heute eine Performanceschow in Grundelkirchen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es einen seltsamen Eindruck macht, aber sehen Sie sich doch einmal diesen Schrank an. Glauben Sie, wir stehlen so ein verrostetes altes Ding? Unsere Vorstellung besteht darin, mit dem Schweißbrenner die Kassa bis zum Rotglühen zu erwärmen. Die anderen Gruppen versuchen ähnliche Effekte zu erreichen, die Gruppe aus Holland will einen Tresor auf minus 120 Grad kühlen und die Deutschen wollen vier Stück zusammenschweißen. Fernsehen, Zeitungen alle werden kommen. Das einzig falsche ist, dass unser Kollege hier hinten im Auto mitfährt, aber nur weil man ihm sein Auto gestohlen hat!“ Der Polizist nimmt unsere Ausweise und geht zu seinem Fahrzeug um zu funken. Nach 5 langen Minuten kommt er zurück und sagt: „Zwanzig Euro müssen Sie zahlen wegen Ihnen,“ und deutet auf mich, „außerdem dürfen Sie nicht weiter mitfahren.“ Ich gebe 92 Der eiskalte Einbrecher ihm die 20 Euro und setze mich auf denStraßenrand. Beide Auto entfernen sich, und nach 5 Minuten fährt das Polizeiauto nochmals vorbei, ob wir uns an sein Verbot halten. Er schaut kontrollierend und ich tu so, als ob ich ihn nicht sehe. Zehn Minuten später kommt Marcus zurück, ich steige hinten ein und wir fahren weiter. Die Häuser werden weniger und bald sind wir aus der Stadt draußen. Die ersten Ortschaften sind noch ganz passabel und lieblich, bis die Fassaden der Einfamilien desolater und als ganzer immer niederer werden. Im zehnten Ort sind die Häuser nur mehr maximal 3 Meter hoch. Wir machen Witze, warum die Leute früher so gebaut hatten. Die wildesten Erklärungen und Vermutungen werden geäußert, jedoch ohne ernstzunehmendes Ergebnis, schlicht: Wir wissen es nicht. Ein halbe Ewigkeit später stoppt Marcus bei einem winzigen Gebäude, in dem ein kleines Geschäft untergebracht ist. Unser Chauffeur meint. „Hier müsst Ihr euch etwas zu essen kaufen, das ist der letzte Laden bis Wladiwostok.“ Wir kaufen seltsame Brötchen, sogenannte Langsemmel, die an Katermehrahne erinnern und setzen unsere Fahrt fort. Die Strassen werden schlechter und schmaler, je weiter wir uns von der Stadt entfernen. Langsam werden 93 Der eiskalte Einbrecher Kelly und ich ungeduldig, wir können uns nicht vorstellen, dass Marcus Pflegeeltern so weit weg von der Zivilisation leben. Anstatt uns zu beruhigen meint er: „Das ist noch gar nichts, hier ist es noch paradiesisch, Ihr werdet sehen.“ Seine Worte beweisen sich als wahr, denn als wir in seinen Heimatort einfahren, starren wir wie versteinert aus dem Auto. Links und rechts stehen Abbruchhäuser, keine befestigte Strassen, von einem Gehsteig ganz zu schweigen. Aus jedem Fenster blicken hinter verschobenen Vorhänge Eingeborene zu uns heraus und verfolgen unser Auto. Es ist beängstigend und kaum zu glauben. Zu allem Überdruss lag ein strenger ekelerregender Gestank in der Luft, der an tote Tiere und Gülle erinnert. „Hier sieht es aus wie nach dem Krieg, aber nach dem ersten!“ sagt Kelly und schaut geschockt. „Hier hast du deine Kindheit und Jugend verbracht, hier bist du aufgewachsen, das geht?“ Marcus lacht und antwortet: „Wir hatten es gut hier, als ich Kind war, wir hatten regelmäßig Strom. Die im Nachbarort hatten nicht einmal das, außerdem hatte ich gute Pflegeeltern, meine Freunde mussten schon als Kleiner schwer arbeiten oder wurden geschlagen. Mama und Papa 94 Der eiskalte Einbrecher haben mich gut behandelt und mich zur immer Schule gehen lassen, wenigstens ein paar Jahre. Das wichtigste war für mich, dass wir keine Nutztiere hatten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was meine Freunde hier geweint hatten, beim Gänse schlachten. Einmal im Monat Hühner ist oder auch eine Sau gestochen worden, die hat geschrieen dass das ganze Dorf gewusst hat, beim Petscko wird geschlachtet. Die anderen Kinder mussten immer dabei sein und zusehen, auch, wenn sie tagelang geheult hatten und vor Schock nicht mehr sprechen konnten, den Leuten ist das hier egal, die haben keinen Bezug zu Kindern und Tiere gelten sowieso als Dreck.“ Kelly und ich hören uns mit Entsetzen die Geschichte an, und sind glücklich in der Stadt aufgewachsen zu sein. Er bleibt bei einem langgezogenen Bauernhaus stehen und sagt: „Ich komme gleich, wartet hier:“ Offenbar sein Pflegeelternhaus. Nach 15 Minuten kommt er zurück mit einem riesigen alten Kirchenschlüssel. Der Stall liegt etwa 200 Meter entfernt. Ich springe aus dem Lieferwagen schnappe mir den Schlüssel und öffne das Scheunentor. Marcus setzt verkehrt zurück und das ganze Fahrzeug verschwindet im Schupfen. Ich beeile mich und schließe sofort das Tor nach Marcus Aufforderung. Es muss nie95 Der eiskalte Einbrecher mand sehen, dass wir hier sind. Das Abladen ist vorerst unmöglich. Der Tresor ist zu schwer um ihn zu bewegen. Meine Freundin hat eine geniale Idee. Wir legen einen Strick um die Kassa und binden die beiden Enden an den betonierten Pfeilern des Gebäudes. Marcus fährt langsam und stückweise nach vor, die Kassa wird mit dem Seil zurückgehalten und fällt unter ohrenbetäubenden Lärm zuerst auf die Stossstange und dann auf den alten Bretterboden. Teile des Bodens lösen sich und fliegen quer durch die Halle, zum Teil sehr knapp an uns vorbei. Wir haben Glück und er ist auf die richtige Seite gefallen. Das Schweißgerät wird noch aufgestellt, dann machen wir Pause und Lagebesprechung. Wir einigen uns auf ein Vorgehensweise, die der Realität sehr ähnlich kommen soll. Kelly schaut auf mögliche Besucher und passt auf, dass uns niemand stört, sie steht Schmiere, Marcus und ich werden abwechselnd das Schweißgerät benutzen. Er fängt an, denn er hat mehr Erfahrung aus seiner Bastelzeit. Mein Kollege dreht die Sauerstoffflasche auf, dann das Acetylen, und zündet das Gemisch mit einem Feuerzeug. Das Gas fängt mit einem Knall zu brennen an. Es ist eine gelbfarbene starkrußende Flamme, die durch Drehen 96 Der eiskalte Einbrecher an den Ventilen immer länglicher und blauer wird. Als die Gasflamme weisblau brennt und beängstigend zischt, hört er mit den Einstellen auf und lächelt. „Jetzt ist die Flamme am heißesten, willst du greifen?“ „Vielleicht später, im Moment ist kein Bedarf“ antworte ich scherzhaft. „Brille auf“! befiehlt er und setzt sich ein schwarze Schweißbrille auf, meine Auge schütze ich mit einem dunklen Schirm, den man in der Hand halten muss. Marcus nähert sich mit Flammenspitze der Tresortüre etwa in der Mitte, dazu johlt er auf und brüllt: „Auf geht’s Armut ade! Los schau auf die Uhr und stopp die Zeit!“ „Gut, wird gemacht, es ist jetzt fast neun Uhr, das ist leicht zu merken.“ Wir starren wie gespannt auf das Feuer. Marcus hält den Brenner ungefähr 10 Zentimeter von der Eisenwand entfernt, so dass die Hitze auf der Oberfläche am Größten ist. In den ersten Sekunden fliegen vom Auftreffpunkt einige Funken zur Seite, die aber rasch weniger werden und nach einer halben Minute ist kein Funke mehr zu sehen. Nur mehr der heiße Flammkegel, der auf die Türe der Kasse strahlt ist zu sehen. Rund um den Punkt ist der Stahl etwas lichter. Es zischt und wir warten aufgeregt bis sich 97 Der eiskalte Einbrecher irgendetwas ereignet. Wir hoffen, dass in wenigen Minuten die Flamme die Tresorwand durchgeschnitten haben muss. Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor, bis ich das erste Mal auf die Uhr sehe. Es ist 10 nach 9 Uhr. Marcus merkt das, dreht den Brenner weg und begutachtet die erhitzte Stelle. Er stellt Armatur in die Halterung um ungestört und gefahrlos schauen zu können. Mit hochgeschobener Brille starrt er aus kurzer Distanz auf die schwach rotglühende Türe. Es ist praktisch nichts zu sehen außer einer maximal ein Millimeter tiefen Einkerbung. Kein Schnitt, kein Loch einfach nichts. Wir schauen uns verblüfft an und wundern uns. „Das geht aber nicht wie Butter zu schneiden, scheinbar war das zu wenig, ich schneide gleich weiter.“ Meint mein Freund, schiebt die Brille runter und schnappt sich die Schweißarmatur. Er kniet sich mit einem Fuß auf ein Brett und rutscht etwas hin und her bis er eine bequeme Stellung eingenommen hat. Die Flamme strahlt wiederum auf die selbe Stelle, nur diesmal bewegt er die Spitze einige Zentimeter nach links und rechts, in der Art als würde er schneiden. So verweilt Marcus fast eine dreiviertel Stunde vor der Kassa bis ich zur nächsten Pause auf- 98 Der eiskalte Einbrecher rufe. Wir schauen ungläubig auf die brennheiße Stelle. Alles was wir sehen können ist eine kleine Kerbe höchstens drei Millimeter tief. „Da stimmt doch was nicht, das kann es doch nicht geben. Normalerweise muss doch jetzt ein riesiges Loch in dem Türl sein. Und was ist? Nichts zu sehen! „Das Schweißen zeigt keinerlei Wirkung, verstehst du das?“ fragt Marcus und schwitzt fürchterlich. „Nein, wie soll ich das wissen?“ frage ich „aber ich kann es ja einmal versuchen, lass mich mal.“ „Bitte, bitte tu dir keinen Zwang an, probier du, ich kann sowieso eine Pause gebrauchen.“ Gibt er mir als Antwort und legt mir die Brille in die Hand. Ich setze sie auf, greife nach dem Brenner und fange an den Stahl zu erhitzen. Eine Stunde lang trifft die über 1000 Grad heiße Flamme fast auf die selbe Stelle, bis ich auch verzweifelt abbreche. Die ganze Kassa ist mittlerweile glühheiß geworden und steht dampfend vor uns. Jedoch sind keine fünf Millimeter von uns aufgeschnitten worden. „Ich habe eine Idee“ ruft Marcus und läuft zum hinteren Ende der Halle an dem ein Blechkasten steht. Er öffnet die Tür und nimmt eine große Trennscheibe aus dem untersten Fach. „Vielleicht können wir die erste Schicht runterschneiden und dann schweißen. Zum Glück habe ich daran gedacht, dass hier die Männer 99 Der eiskalte Einbrecher von Feuerwehr manchmal pfuschen, deswegen ist auch das Werkzeug hier im Spind.“ Marcus fordert mich auf die 50 Meter Kabelrolle neben dem Eingangstor anzustecken. Diese Gelegenheit nutze ich gleich aus um Kelly von unseren Misserfolg zu erzählen. Sie wirkt sehr gefasst und scheint diesen Bericht erwartet zu haben. Zurück beim Tresor mit dem Kabel schaltet Marcus die Flex sofort ein. Es ist keine normale Trennschleife, sondern ein richtiges Industriegerät. Die Scheibe allein hat einen Durchmesser von fast einen halben Meter. Sie wurde aus Restbeständen der Bundesbahn ersteigert, wo sie Schienen abtrennte. Die Maschine hat gut und gerne 25 Kilogramm und macht einen Höllenkrach. Wir halten das Monster gemeinsam an den vier Griffen und fangen an die Scheibe auf den Tresor zu pressen. Ein Funkenflug wie kleiner Meteoritenschwarm ergießt sich durch die Scheune und ein noch lauteres kreischendes Geräusch vernebelt unsere Sinne. Stinkende Rauchschwaden steigen auf, die den Weg in unsere Augen und Nasen suchen. Wir halten gute 10 Minuten durch. Das ist angesichts der Schwere dieser Tätigkeit eine kleine Ewigkeit. Erst als der Gestank 100 Der eiskalte Einbrecher richtig zu beißen anfängt und der Lärm schmerzt brechen wir ab um uns zu erholen und unseren Fortschritt zu sehen. Uns fallen fast die Hände ab, als wir die Maschine auf den Boden stellen. Wir starren mit offen Mund auf die Schnittstelle und können immer weniger glauben, was wir sehen. Auch diese unvorstellbar große Trennschleifemaschine, die schwere Eisenbahnschienen in wenigen Sekunden wie Brot schneiden kann, zeigte kaum sichtbare Wirkung. Nur ein 10 Zentimeter langer aber höchstens 5 vielleicht 6 oder sieben Millimeter tiefer Kratzer ist zu sehen. Dafür ist gesamte Halle mit ekeligen braun-grauen Rauch gefüllt, der schwer wie eine Asbestwolke über uns schwebt. „Los noch mal, wir geben nicht auf,“ spornt mich mein Kollege an und wir hiefen die unhandliche Flex wieder in Position. Der Lärm dröhnt von neuem los, der Funkenflug ist noch stärker als vorhin, denn wir drücken wesentlich stärker mit der Scheibe auf die Kassa. Die aufsteigende Rauchsäule nimmt uns gänzlich die Sicht, aber das macht uns nichts, wir pressen was wir können. In einem langsamen Rhythmus bewegen wir die Maschine leicht vor und zurück. Nach einer guten Viertelstunde verändert sich plötzlich das Geräusch, es wird blechener, sodass wir fast überzeugt sind, wir haben einen Schneidfortschritt. Der folgende ohrenbetäubende Kracher und die Teile der zerfetzten Trennscheibe, die haarscharf an uns vorbeifliegen ernüchtern uns wieder. Die Trennscheibe hat sich zu sehr erhitzt und explodiert. „Jetzt ist die Scheibe abgebrannt, verdammter Dreck!“ brüllt Marcus und wankt nach Luft 101 Der eiskalte Einbrecher ringend Richtung Ausgang. Ich laufe ihm nach und wir stehen beide hustend vor der Halle. Wir warten einige Minuten bis sich der Rauch und der Gestank verzogen haben und gehen wieder zum Ort des Geschehens zurück. Wie zu erwarten ist wiederum fast nichts abgetragen worden. Es ist zum aus der Haut fahren. Marcus meint, die Trennscheibe hat sicherlich die Oberfläche geschwächt, wir werden noch mal mit dem Schweißgerät weitermachen. Kelly hat ihren Pseudoposten verlassen, denn die Gefahr des entdeckt werden ist hier im Stall nicht gegeben. „Versucht es noch mal, aber ich sehe schwarz. Ihr schneidet schon fast drei Stunden an der Kiste und es ist praktisch nichts geschehen. Ich glaube nicht, dass wir durchkommen.“ Sie hat recht, viel gefruchtet haben unsere Attacken bisher noch nicht. Ich erwiderte: „Wir werden auf einer anderen Stelle schneiden. Die Vorderseite ist offensichtlich zu gut gepanzert, probieren wir es hinten. Die Rückwand ist sicher nicht so hart.“ „Du oder ich?“ fragt Marcus und sieht mich an. „Gib her“, sage ich und greife zur Schweißapparat „geh du husten oder eine Runde, es wird dir gut tun. Wenn du in einer Stunde zurückkommst, ist der Tresi offen!“ Ich setze mir die Brille 102 Der eiskalte Einbrecher auf und mache mich über die Rückwand her. Wieder trifft der heiße Flammenstrahl auf die knochenharte Stahllegierung. Die ersten Funken sprühen, dann entsteht wieder das selbe Bild. Um die Feuerspitze ein kleiner Lichtkegel, aber kein Abschmelzen des Mantels. Eine Stunde probiere ich alle möglichen Techniken durch um die Rückwand aufzuschneiden, jedoch ohne Erfolg. Ich halte den Brenner weit weg, dann wieder ganz nah, bewege ihn schnell hin und her und halte ihn minutenlang auf den selben Punkt. Nichts zeigt Wirkung, nicht funktioniert. Ich komme nicht durch. Marcus löst mich nach einer Stunde ab und probiert seinerseits alle möglichen Tricks und Methoden durch. Zuerst auf der Rückwand, dann die Seitenwände und zuletzt den Boden. Ich wechsle mich wieder mit ihm ab und wir werden immer verzweifelter, denn alle unsere Anstrengungen verlaufen im Sande. Zum Abschluss treten wir auf den Eisenwürfel ein und beschimpfen ihn lautstark und minutenlang mit den allerschlimmsten Wörter, die nicht einmal im Schimpfwörterbuch zu finden waren. Der Nachmittag geht zu Ende und wir beschließen unsere Knackversuche zu beenden. Wir haben nur ein furchtbares Problem. Hier vor uns liegt ein dreihun103 Der eiskalte Einbrecher dert Kilogramm schwerer Tresor, der von allen Seiten angeschweißt und angeschnitten ist. Das der nicht liegen bleiben kann ist uns allen klar. Wir kühlen ihn mit Wasser aus der Regentonne, die vor der Halle steht ab. Aber wie soll das Monstrum wieder weggebracht werden? Fluchend und der Verzweiflung nahe rennen wie im Kreis und überlegen wie wir ihn wieder ins Auto bekommen und was wir überhaupt damit machen sollen. Kelly hat eine Idee. Marcus und ich sollen mit zwei langen Eisenstangen unter den Tresor fahren und ihn auf einer Seite kippen. Sie legt dann eine Holzlatte darunter. Dann kippen wir die andere Seite und so weiter. Nach einiger Zeit liegt er auf der selben Höhe wie die Laderampe des Kastenwagens. Mit vereinten Kräften schieben und Zerren wir an der Kassa bis er endlich im Laderaum liegt. Marcus fährt aus der Halle, bringt den Schlüssel zurück und schweigend sitzen wir alle drei im Auto mit Tränen in den Augen. Keiner von uns sagt nur ein Wort, jeder ist sich der Bedeutung dieser verpatzten Aktion bewusst. Selbst, wenn die Trennscheibe erfolgreich gewesen wäre, hätten wir sie nie in einem Supermarkt einsetzen können. In wenigen Minuten käme die Polizei, bei diesem Lärm. Nicht einmal das Schweißgerät könnten wir so lange verwenden, wie bei den heutigen Tests. Aber es hat sowieso keinen Sinn darüber nachzudenken, denn es war ein Misserfolg, das steht jetzt fest. Was mit der 104 Der eiskalte Einbrecher angebrannten Kassa passieren soll, wissen wir noch nicht genau. Kurz vor der Stadtgrenze nach langer Fahrt fängt Kelly doch zu sprechen an: „Was machen wir mir dem Tresor? Im Auto kann er wohl kaum liegen bleiben. Ich schlage vor, wir führen ihn zu diesem Zorki zurück und schenken ihn ihm. Das ist die einfachste Lösung, was meint Ihr?“ Fast im Chor antworten Marcus und ich: „Ja einverstanden, weg ist weg.“ Marcus meint noch: „Ich bringe ihn morgen hin und bitte ihn, dass er ihn nimmt und keine Fragen stellt.“ 105 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 8 Die Depression Marcus führt meine Freundin und anschließend mich nach Hause. Ohne Worte steige ich aus und gehe in meine Substandartwohnung ohne Warmwasser und ohne Komfort. Es ist eine Qual sich mit einer kalten Dusche den Schweißstaub und den Gestank der Trennscheibe abzuwaschen. Müde und völlig deprimiert liege ich auf meinem Sofa, fürs Bett fehlt die Kraft, und starre gegen die Decke. Das war also der Traum vom menschlicheren Leben! Immer und ewig werde ich doofe Pakete ausliefern für einen Hungerlohn. Ausgebeutet von Staat und Krankenkassa. Hat dieses Leben überhaupt einen Sinn? Die Depression steigt in mir auf, wie der Nebel am Berg. Von den Füssen aufsteigend fühle ich wie die schwarze Wolke meinen Körper hinaufkriecht, bis sie meinen Kopf erreicht und die Gedanken verdunkelt. Nichts hat Sinn, 106 Der eiskalte Einbrecher jeder Gedanke eine Qual, vor mir öffnet sich der Abgrund und ich bin bereit in dieses dunkelgraue Loch mich fallen zu lassen. Noch nie war mir mein Dasein so klar, wie in diesem Moment. Es gibt für mich nur mehr den Tod! Ich wünsche mir sehnsüchtig das Ende herbei und sinniere über die in Frage kommenden Freitodarten. Was hält mich noch auf dieser Erde voller Unrecht, Not und Kriegen? Das kann nicht meine Bestimmung sein, dass ich bis zum jüngsten Gericht Botendienste für ein paar Cent verrichten muss, und das in einem der reichsten Länder. Was nützt Jugend und Gesundheit, wenn die Geisel der Armut dich peitscht? Dabei wäre meine Liste mit den Dingen, die ich mit Geld tun hätte können, so unendlich lang. Soviel müsste man ändern und verbessern, aber für Alles braucht man Geld. Ich würde ja keine Jachten mit goldenen Toiletten kaufen oder Flugzeuge, die noch mehr Dreck machen. Fast nichts von dem verdienten Geld würde ich für mich verwenden, höchstens einen verschwindend kleinen Teil. Gerade soviel um ohne Sorgen meine Bedürfnisse decken zu können. Ich würde mich einsetzen für die Tiere und Pflanzen. Würde endlich die Jagd bekämpfen. Solange Männer geachtet werden, die hilflose kleine Geschöpfe mit Blei voll pumpen und 107 Der eiskalte Einbrecher dadurch noch gesellschaftliche Stellung erlangen, solange unschuldige Hühner in 20 Zentimeter Käfigen sitzen müssen und nach 5 Monaten auf den Dreckshaufen hinter dem Haus gekarrt werden, solange verfluche ich meine Mittellosigkeit. Warum müssen frischgeborene Kälber abgetötet werden? Nur dass die Milchquote erfüllt wird! Solange die Damen der Gesellschaft mit Pelzmäntel gern gesehene Gäste sind, wobei der Pelz dem Nerz oder den anderen schnuckeligen Tierchen bei lebendigen Leib abgezogen wird und das Viecherl stundenlang noch an unendendlichen Qualen leiden muss, bis es sterben darf. Aber das macht nichts, denn die Pelzhuren schauen ja gut damit aus. Stundenlang könnte ich Ansprachen halten, endlich Gutes zu tun, endlich das Leid der Natur zu beenden. Was nimmt sich der Mensch heraus, die Schöpfung zu demütigen und zu zerstören. Aber ich kann nichts ändern, denn ich bin arm. Alle meine kreative Kraft und meine Energie wird aufgebraucht durch die Existenzsicherung. Meinetwegen würde ich weiter kalt duschen, könnte ich nur die Wildschweinjagd beenden und alle die frustrierten impotenten halbschwachsinnigen Jäger vor Gericht bringen und bestrafen. Keine Hoffnung ist in mir, meine und da108 Der eiskalte Einbrecher mit die Not der unschuldigen Lebewesen zu lindern. Warum sind die Reichen böse? Ich habe keine Antwort, dämmere so für mich hin. Mal schlafe ich ein, dann liege ich wieder wach. Die Vernebelung meines Geistes hat einen Rhythmus erlangt, und ich kann nicht mehr sagen, wann ich wach bin und wann ich träume. Mein Seelenschmerz ist nicht mehr zu ertragen, dieses Wochenende wird mein Leben und mein Leid zu Ende gehen. Ich wünsche es und werde es herbeiführen. Fast 26 Jahre Kummer, Sorgen, Leid, Not und Armut sind genug. Die wenigen Freunde und Kelly werden es verstehen, sie kenne meine Lage. Mit diesen schwarzen Gedanken schlage ich mich die Nacht herum und wälze mich bis ich doch vor Erschöpfung in den Morgenstunden einschlafe. Sonntag Mittag ruft Marcus an und ich hebe nur durch einen Reflex ab, denn hören und sehen will ich im Grunde genommen niemanden: „Hallo den Tresor habe ich zurückgegeben. Zuerst wollte der Schrotthändler nichts davon wissen, aber dann hat er doch noch 20 Euro rausgerückt. Hallo, Halloooo, bist du noch da?“ Ich raunze ins Telefon mit toter 109 Der eiskalte Einbrecher Stimme: „Es ist mir egal, kauf mir einen Kranz.“ Er merkt meine Stimmung und lenkt sofort ein. „Halt durch du Depp, ich bin in einer halben Stunde bei dir. Da reden wir einmal über die ganze Sache, wir lassen uns doch nicht so schnell demoralisieren und abbringen.“ Kaum hat er diese Worte gesagt, legt er auf und ich kann nichts mehr erwidern. Zwanzig Minuten später steht er vor meinem Sofa und fängt sofort an zu reden: „Phil, was ist los mit dir, so kenne ich dich gar nicht. Jeden geht es einmal schlecht, das ist noch lange kein Grund abzudanken.“ Ich heule wie ein Schlosshund und versuche ihm meine Lebenssituation zu erklären, obwohl ich genau weiß, dass er mein Leben kennt. Er lässt mich ausreden, hört geduldig zu und zeigt sich ehrlich interessiert. Nach meinem Schwall der Tränen setzt er sich zu mir und beginnt zu sprechen. Er redet langsam, rhythmisch und deutlich. Er geht auf meine Depression und meine schlechte Stimmung ein. Ich weiß nicht wie lange er spricht, aber seine Worte sind wie Balsam und helfen mir. Er erklärt mir, dass nicht nur die großen Taten zählen, sondern es sind die kleinen Dinge, welche die Welt verbessern. „Wenn du nur eine Amsel rettest oder nur einen Frosch, dann hat dein Leben einen Sinn. Es mag nicht viel sein, aber 110 Der eiskalte Einbrecher für den einen Vogel ist es entscheidend. Wenn du nur einen Mensch abhältst zu töten oder das System zu unterstützen, dann bist du ein Held. Dann bist du ein Gewinner! Die Rechtlosen brauchen Dich, lass Sie nicht im Stich. Du wirst spüren, bald siehst du nicht mehr schwarz, bald wird sich das Blatt wenden und du wirst deine Lage überwinden.“ Sein permanentes positives Gerede zeigt Wirkung und ich kann nach Stunden seines Monologes sogar wieder lächeln. Er macht uns Tee und lädt mich Abends zum Essen ein, obwohl er genauso pleite ist wie ich. Die zwanzig Euro vom Zorki verwandeln wir in zwei köstliche Pizzas beim Italiener. Als er erkennt, dass die Gefahr meines Selbstmordes gebannt ist, begleitet er mich wieder zurück in meine Wohnung und lässt mich alleine. Die nächsten Wochen vergehen mit Arbeit und Schlafen, ohne nennenswerte Ereignisse. Sogar an meine Hallenbadbesuche zwecks Körperreinigung kann ich mich gewöhnen. Marcus eindringliche Worte und Sätze wirken in mir fort und streben nach Verwirklichung. Ich beschließe bei allem was mir heilig ist, dass ich mein Leben den noch ärmeren Kreaturen als ich es bin widmen will und ich kein Recht habe hilflose Tiere skrupellosen Naturmördern kampflos zu überlassen. Wie hat Marcus gesagt: „Wenn du nur ein Tier oder ein Bäumchen rettest, dann hast du gesiegt!“ Langsam komme ich wieder zu Kräften und meine Gedanken werden wieder klarer und schärfer. 111 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 9 Ein Traum In meinem tiefsten Inneren entsteht eine Kraft von Hoffnung genährt, die mir Ideen und Kreativität bringt. Ein tiefer Schlaf mit einem intensiven Traum bringt die Wende. Ich träume vom Meer und Sand und mitten in diesem Traum gehe ich zu einem riesigen Panzerschrank mit vielen Schlössern. Dann stehe ich vor diesem Tresor, greife in meine Tasche und ziehe einen Schlüssel heraus. Es ist kein normaler Schlüssel, nein er ist kunstvoll verziert und wunderschön gearbeitet. Voller Ungewissheit, ob er sperren wird oder nicht stecke ich ihn in eines der zahlreichen Schlüssellöcher die auf der Tresortür zu sehen sind. Der Schlüssel lässt sich ohne Mühe einbringen und dann reiße ich allen Mut zusammen und probiere das Entscheidente: Er dreht sich! Die Stahltür öffnet sich und der Anblick, der sich mir bietet ist überwältigend. Der mannshohe Schrank ist bis oben hin mit 112 Der eiskalte Einbrecher Geld gefüllt. Ich stehe mit offenen Augen und Mund vor Millionen. Dann erwache ich, und meine erster Gedanke ist: Ein Schlüssel! Wir brauchen den Schlüssel! Im Bett sitzend denke ich weiter über die Bedeutung des Traumes nach. Es ist sonnenklar. Nicht mit schweißen, sprengen oder mit der Trennscheibe ist ein Panzerschrank zu knacken, nein nur mit dem passenden Schlüssel! Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen, verdammt! Ohne auf die Uhr zu sehen, wähle ich Marcus Nummer: „Wach auf, die Lösung ist da. Wir brauchen den Schlüssel, dann können wir alles tun, wovon wir träumen, verstehst du.“ Marcus ist völlig schlaftrunken und lallt: „Kannst du mir das Unterwasser erzählen oder von mir aus morgen.“ Und legt auf. Voller Euphorie rufe ich Kelly an, irgendwem muss ich doch von meinem Einfall erzählen. Sie muss sich die selben Wörter wie Marcus anhören. Der einzige Unterschied ist, dass sie Nachtdienst hat und deswegen hellwach. Sie antwortet sofort: „Geni113 Der eiskalte Einbrecher al! Die Idee ist genial! Du bist ein Genie. Lass uns nicht am Telefon darüber reden. Wir sehen uns diese Woche noch, das gehört besprochen. Hast du deinen Kollegen schon angerufen?“ „Ja habe ich, aber der schläft der faule Kerl.“ Sie antwortet nur mehr kurz: „Fauler Kerl, na ich weiß nicht, immerhin ist halb vier und da sollte man schlafen. Lass ihn in Ruhe heute, ihr seht euch sowieso morgen.“ Da ich nicht mehr schlafen kann, stehe ich auf und fange zum herum kraudern an. Zusammenräumen und schlichten, irgendwas damit die Zeit vergeht. Etwas später gehe ich dann arbeiten und mache mir mit Marcus einen Treffpunkt aus. Wir treffen uns manchmal untertags auf Parkplätzen oder bei Tankstellen, die auf unserer Route liegen und an denen es Automatenkaffee gibt. Mit zwei Becher sitzen wir im Auto und mein Kollege fragt nun endlich was so dringend war, dass seine Nachtruhe gestört worden ist. Aufgeregt erzähle ich ihm von meinem Traum und von den Schlüssen, die ich daraus ziehe. Er sieht mich misstrauisch an und entgegnet: „Die Idee ist gut, sehr gut, nur glaubst du nicht, dass die Filialleiter auf den Schlüssel wie auf ihren Augapfel aufpassen. Die sind doch verpflichtet 114 Der eiskalte Einbrecher das Ding Tag und Nacht um dem Hals zu tragen. Wenn der weg ist, dann schlagen die doch sofort Alarm und die merken das doch in einer Minute.“ Um mich zu verteidigen meine ich: „Das stimmt, da hast du Recht, aber im Ansatz ist die Überlegung gut. Ich weiß schon, dass die Filialleiter gut aufpassen. Es geht jetzt nicht um die Einzelheiten, sondern um das Gesamtkonzept. Ich bleibe dabei, wir brauchen den Schlüssel.“ Marcus erwidert sofort: „Stehlen kann man ihn sicher nicht, die merken das. Spätestens am Abend, wenn sie die Tageslosung sicher verwahren wollen. Vielleicht könnte man den Geschäftsführer auf dem Heimweg ablenken und so irgendwie den Schlüssel wegnehmen, aber ich glaube nicht, dass so etwas klappt. Außerdem ist das Raub und 20 Jahre muss ich auch nicht Gitterluft einatmen.“ Ich stimme ihm zu, lenke aber ein: „Hast du dir schon mal überlegt was so eine Kassiererin verdient? Vielleicht 700 Euro, das ist auch nicht die Welt. Man könnte einmal fragen, ich meine so auf unauffällig, ob sie mitmachen würde. Für sie wäre das ohne Risiko und wir würden teilen.“ Marcus antwortet: „Ein Versuch ist es Wert, aber bitte pass auf! Du weißt nie, wie die Leute denken, wenn du so was ansprichst. Am Besten ist wir fragen beide unabhängig von einander in einer Gegend, wo wir noch nie waren.“ Wir trennen uns wieder und gehen der üblichen Liefertätigkeit nach. Nächsten Tag verschlägt mich mein Job in einen Stadtteil, in dem ich sehr selten bin. Ideal um einen Versuch zu starten, eine Komplizin oder Komplizen zu finden. Wobei mir Frauen bei weitem lieber 115 Der eiskalte Einbrecher sind, als ihre männliche Kollegen. Männer nehmen alles immer so ernst, auch, wenn sie nur niedere Dienste verrichten sind. Immer glauben sie, sie werden vom Konzern entdeckt und in den Vorstand befördert. Wie kann man das nur glauben? Manche Männer sind schon sehr doof! Auf meinem Fahrtweg liegt ein mittlerer SB Laden. Hier will ich mein Glück versuchen. Bei einer Packung Waffeln zerstöre ich absichtlich den Strichcode um die Kassafrau zu zwingen die Eingabe zu revidieren, oder die Filialleiterin zu holen. Mit den Haselnussschnitten in der Hand stehe ich vor dem Foerderband. Zum Glück bin ich alleine, so kann niemand stören. Sie zieht die Packung über den Scanner und das unangenehme Störgeräusch ertönt. Sie greift in ihre Manteltasche und steckt einen kleinen flachen Schlüssel in die Elektronikkassa. Wie erwartet baumelt der Tresorschlüssel vom Bund. Ich sehe ihn und sage: „Was ist das für ein Schlüssel da? Ist das ein Tresorschlüssel?“ „Ja, der sperrt unseren Panzerschrank hinten im Büro.“ „Echt?“ frage ich scheinheilig, „für was braucht Ihr denn einen Tresor, was soll da schon drinnen sein. Ich meine, so eine Riesenlosung hat ja so ein Tante Emma Laden ja wohl kaum.“ Sie lacht auf und antwortet ohne mich anzusehen. „Na, passen Sie nur auf, dass Sie sich nicht täuschen, wir haben mehr 116 Der eiskalte Einbrecher über Nacht eingesperrt als wir zwei im Jahr verdienen.“ Jetzt muss ich auch lachen: „Das kann leicht möglich sein bei unserem Lohn! Sagen Sie haben Sie noch nie überlegt,.... Sind Sie noch nie in Versuchung gekommen, da einmal zuzulangen?“ „Sind Sie wahnsinnig, das darf ich ja nicht! Das gehört doch nicht mir. An das habe ich noch nie gedacht.“ Sagt sie entrüstet. Als Witz getarnt versuche eine Ebene zu finden. „Also ich denke nur so. Ich suche auch immer Leute, die mitmachen. Wie wäre es? Geben Sie mir den Schlüssel und wir teilen.“ Sie lacht gar nicht und erwidert bitter ernst und relativ laut. Durch die Lautstärke wird ihre Kollegin zu Hilfe gerufen. Offenbar hat sie den Witz nicht als Witz verstanden und fühlt sich bedroht und genötigt: „Mein Herr, ich weiß nicht was Sie wollen, aber wenn Sie noch ein Wort sagen, dann rufe ich die Polizei. Ich darf nicht einmal mit Ihnen reden, und schon gar nicht über so was. Bitte gehen Sie!“ Ich schaue perplex und will noch etwas sagen da sehe ich ihre Kollegin und einige Kunden hinter dem Flaschenregal auftauchen. Die etwa 50 jährige fettleibige Frau kommt direkt auf mich zu und schreit schon von dieser Entfernung. „Gibt es Problem Helga, macht der Herr Umstände?“ Um die Sache in den Griff zu bekommen ant117 Der eiskalte Einbrecher worte ich blitzschnell: „Nein, nein ich habe nur einen blöden Witz gemacht und ihre Kollegin hat ihn nicht verstanden. Aber das liegt an mir, niemand versteht mich. Ich rede einfach zu viel. Keine Sorge, ich wollte nur Schnitten kaufen.“ Die Kassafrau beruhigt sich langsam und schnauzt mich an: „Dann geben Sie mir die 59 Cent und verschwinden Sie!“ Ich schnappe die Waffeln lege 60 Cent hin und gehe. Das war wohl kein sehr erfolgreicher Versuch. Aber wer kann ahnen, dass der Trampel gleich so energisch reagiert. Marcus erzählte mir von seinem Misserfolg. Mit dem einen Unterschied, dass er sich, wie seiner Natur entspricht an die Kassiererin rangemacht hatte. Der Endeffekt war, dass er mit ihr den Abend verbringen musste dann hatte sie mit einer Anzeige gedroht, weil sie glaubte, er ist von der Mafia. Wir sind uns im Klaren, dieser Weg ist der falsche. Es ist praktisch unmöglich einen Verbündeten zu finden. Es ist schon Glück, dass wir uns gegenseitig trauen können. Abends lädt uns Kelly zu einem Essen in ein vegetarischen Restaurante ein. Sie hat einen Essensgutschein von einem Klienten geschenkt bekommen. Wir essen uns richtig an, kostet ja nichts. Zwischen den einzelnen Gängen erzählen wir meiner Freundin von unseren Aktionen. Sie lacht uns beide aus und meint: „Habt Ihr echt geglaubt, dass Ihr mit so blöden Gequatsche was erreicht? Die Mädels sind doch angewiesen nach verdächtigen Personen zu schauen und solche Vorfälle sofort zu melden. Ihr habt Glück, wenn das ohne Polizei über die Runden gegangen ist. Ihr seid wirklich zwei Idioten!“ Sie lacht dermaßen 118 Der eiskalte Einbrecher auf, dass im Lokal sämtliche Personen auf uns schauen. Die meisten Gäste grinsen ebenfalls, weil sie wissen, dass sie uns auslacht. Und das ist ansteckend. Wir genieren uns für unsere Dummheit und versinken vor Scham in unseren Sesseln. Kelly schmunzelt weiter bis sie nach einigen Minuten uns erlöst und fragt: „Ihr habt doch beide die Tresorschlüssel gesehen, haben die gleich ausgesehen, waren es die selben?“ Ich antworte ihr: „Keine Ahnung, wie der genau ausgesehen hat, zwei Bärte hat er gehabt. Ein Doppelbartschlüssel halt, so wie wir ihn bereits kennen. Wie soll ich da wissen, ob er so ausgesehen wie der von Marcus.“ Mein Kollege meldet sich sofort zu Wort: „Genau habe ich auch nicht geachtet, aber so ungefähr. Es war auch ein Doppelbartschlüssel. Wenn ich mich jetzt so erinnere, dann war eine Seite wesentlich länger als die andere. Ich meine, die Zacken waren länger als auf der gegenüberliegenden Seite. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.“ Kelly erklärt: „Wenn die Schlüssel filialübergreifend sperren, das heißt, wenn alle Tresore mit einem Schlüssel zu öffnen sind, oder zumindest, wenn die Geschäfte in Gruppen eingeteilt sind, dann bräuchten wir nur einen Schlüssel und wir könnten 10 oder 20 Kassen aufsperren.“ Das müssen wir herausfinden. 119 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 10 Der Schlüssel ist der Weg Der Trick mit dem beschädigten Strichcode funktioniert gut. Die Kassiererin ist so gezwungen, die Kassa rückzustellen. Auf diese Weise konnte ich in den nächsten Tagen Blicke auf zwei verschiedene Schlüssel werfen. Das Problem ist, dass ich mir absolut nicht merken kann, wie die Schlüssel genau aussehen. Jedoch die ungefähre Kontur kann ich behalten und schnell im Auto abskizzieren. Die Skizzen werden miteinander verglichen. Die vorderste Zacke ist bei beiden die längste und die breiteste. Die zweite Zacke ist bei einem Schlüssel ungefähr halb so lang wie die erste, beim anderen Schlüssel nur ein drittel so lang. Die dritte Stufe ist wieder anders. Beim ersten ist sie niedriger als die zweite, beim anderen Schlüssel ist die dritte Zacke höher als die 120 Der eiskalte Einbrecher zweite. Mehr kann ich mir nicht merken. Ich lege nochmals die Zeichnungen nebeneinander. Erster Schlüssel: hoch – halb hoch – niedriger. Zweiter Schlüssel: hoch – ein drittel so hoch – höher. Das ist nur eine Seite des Doppelbartes, die Gegenseite sah ich mir gar nicht an. Meine Erkenntnisse stehen fest, die Schlüssel sehen unterschiedlich aus. Es ist unmöglich, dass sie das selbe Schloss sperren. Abends treffen wir uns alle drei wieder, diesmal können wir leider nirgends umsonst essen, sondern müssen bezahlen. Also gehen wir nicht dinieren sondern sitzen nur so zusammen, das heißt, wir essen eine Margarita zu dritt. Marcus war fleißiger als ich und schaffte drei Zeichnungen anzufertigen. Jedoch unterscheiden sich ebenfalls alle drei sehr. Auch mit meinen zwei sind keine Ähnlichkeiten zu erkennen. Wir nehmen an, dass die Tresore in jedem Geschäft unterschiedlich sind. Keine Ahnung warum, aber der Grund ist uns egal. Wir sind traurig darüber, denn es wäre für einen Coup ein großer Vorteil gewesen. Zehn oder zwanzig Panzerschränke mit einem Schlüssel aufzusperren So einen Schlüssel hätten wir hundert Prozent in unsere Gewalt gebracht. Irgendeine Möglichkeit hätten wir gefunden. Es ist ärgerlich, dass bei uns alles schief läuft. Mar121 Der eiskalte Einbrecher cus meint: „Lassen wir die Kirche im Dorf. Wenn wir einen Tresor ausräumen, wird das reichen. Mehr haben wir gar nicht vorgehabt, wir müssen doch nicht gierig werden und gleich von zehn reden. Was ist, wenn wir es schaffen und uns einen Schlüssel kurz ausborgen, zu einem Schlüsseldienst flitzen und nachmachen lassen?“ Etwas zornig, weil ich die Unmöglichkeit dieses Vorhabens abschätzen kann antworte ich ihm: „Und wie bitte, willst du das anstellen. Wir haben doch schon versucht mit den Trägerinnen des heiligen Schlüssels in Kontakt zu kommen. Daran sind wir kläglich gescheitert und fast mit der Polizei konfrontiert worden. Fest steht, mitmachen tut die nie und ihr wisst, es ist unmöglich, an den Schlüssel ranzukommen. Das kannst du vergessen.“ Enttäuscht meint mein Kumpane: „Ja ich weiß, das ist nicht möglich. Ich rede ja nur und versuche alle Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen.“ Wir sitzen eine Weile zusammen und keiner sagt ein Wort. Die Situation ist gespannt und niemand will einen Streit entfachen oder sich mit einer dummen Idee lächerlich machen. Nach einigen Minuten schweigen, denken und herumspielen mit dem Salzstreuer habe ich wieder einen Einfall. Es ist mir egal, ob mich die Zwei auslachen oder als Idioten herstellen. „Hört mal zu, braucht 122 Der eiskalte Einbrecher man unbedingt ein Muster um einen Schlüssel nachmachen zu können? Wenn man genau weiß, wie er aussieht, dann müsste es doch möglich sein auch nach einer Zeichnung oder Skizze nachzuschleifen oder zu fräsen.“ Meine zwei Begleiter schauen wie die Kuh vorm neuen Tor und staunen aufgrund meiner Aussage. Nach einer Minute Funkstille meldet sich Kelly zu Wort: „Ich bin überrascht, was in dir steckt! Das ist die Lösung. Wir müssen nur Gelegenheit haben den Schlüssel zu vermessen und abzuzeichnen, dann können wir ihn nachschleifen.“ Ich antworte: „Wie man genau zu einer Zeichnung kommt, das gehört noch besprochen oder überlegt, aber grundlegend ist es sicher machbar ,was meinst du Marcus, du bist unser Handwerker?“ Er greift in seine Tasche und holt seinen Schlüsselbund hervor. Lange sieht er den Bund an und meint: „Früher habe ich mit einer Feile gearbei123 Der eiskalte Einbrecher tet, das heißt ich habe Motorradteile geschweißt und dann abgefeilt. Mit so einem Werkzeug kann man ziemlich genau arbeiten. Ich bezweifle nämlich, ob ein Schlüsseldienstler in der Lage ist nach Zeichnung einen Schlüssel nachzufräsen. Ich weiß, dass diese Leute immer ein Muster brauchen, um kopieren zu können. Ohne Vorlage, machen die das nicht. Wir müssten alles selber machen.“ „Kannst du das?“ frage ich ihn energisch? „Ich weiß nicht, es ist sicher eine Übungssache. Der Vorteil ist, dass ein Versuch nichts kostet. Wir brauchen nur eine oder zwei Feilen und einen unbearbeiteten Schlüssel.“ Kelly unterbricht ihn: „Ich glaube das heißt Rohling, im Krankenhaus sagt der Portier jedes Mal wenn wir einen neuen Schlüssel brauchen, dass er ihn selbst machen könnte, hätte er nur einen Rohling.“ „Kann sein“ sage ich „aber wir haben auch keine Rohlinge.“ Marcus antwortet sofort. „Das ist das kleinste Problem. Entweder wir können diese unbehandelten Schlüssel kaufen, oder wir machen sie auch selbst. Ein Stück Eisen, oder Messing lässt sich doch auftreiben. Das andere machen wir mit der Feile. Das geht schon, nur dauert es seine Zeit.“ „Morgen pro- 124 Der eiskalte Einbrecher biere ich was, heute ist es zu spät, ich erzähle es euch dann.“ Sage ich und breche auf. Die anderen folgen mir und verlassen das Lokal. Ich führe meine Freundin noch nach Hause und falle ins Bett. Am nächsten Vormittag komme ich bei einem winzigen Schlüsseldienst vorbei und betrete den Laden. Der Besitzer schätzt mich richtig ein und weiß sofort, dass er kein Riesengeschäft machen wird.“ „Was wollen Sie?“ Sagt er unfreundlich, weil ich ihm noch zusätzlich beim Zeitungslesen gestört habe. Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es bekanntlich wieder heraus denke ich und zeige ihm meinen alten grauen Monsterschlüssel. „Haben Sie den?“ Er setzt sich seine Brille auf, macht ein wichtiges Gesicht, und begutachtet das hundert Jahre alte Unikat und meint: „Ja den kann ich Ihnen nachmachen, sofort, wenn Sie wollen. Sie gehen eine Runde spazieren oder lesen da die Illustrierten und ich fräse ihnen 125 Der eiskalte Einbrecher einstweilen ein Duplikat. Kostet 14,50.“ „14 Euro 50?“ sage ich überrascht, „das ist Wahnsinn, das kann ich mir nicht leisten. Würden Sie mir nur den Rohling verkaufen, den Rest mache ich selber.“ „Nur den Rohling wollen Sie? Ohne Fräsmaschine können Sie da aber gar nichts machen. Aber bitte, wenn Sie wollen, meinetwegen können Sie einen haben. 3 Euro.“ Ich schaue ihn traurig an und bitte Ihn, dass er nur zwei Euro verlangen soll, ich nehme dafür zwei. „Ja ist gut, mir ist es egal. Zeigen Sie mir noch mal den Schlüssel.“ Er nimmt ihn nochmals in die Hand und messt mit einer Schiebelehre den Durchmesser des Schaftes und die Bartbreite. Dann verschwindet er hinter einem Vorhang und kommt nach zwei Minuten mit zwei Schlüssel, deren Bärte roh und unbehandelt sind. Zacken sind keine zu sehen. Jetzt weiß ich endlich, wie Rohlinge aussehen. Ich brauche noch so eine Vorrichtung zum Messen, wie der Schlosser hat, eine Schiebelehre. Mein nächster Schritt ist die Fahrt in einen Baumarkt. Da sich kein Mensch zurecht findet in den überfüllten Regalen, bitte ich einen Verkäufer mir zu helfen. Es ist ein seltsam aussehender Mensch. Ein Typus den man 126 Der eiskalte Einbrecher praktisch nie woanders sehen kann, ein typischer Baumarktmitarbeiter. Steht ständig unter Stress und wirkt abwesend. „Hallo Sie mit dem roten Mantel, arbeiten Sie hier?“ Frage ich den verstört wirkenden Mann. „Heute ja, ab morgen bin ich dann in der Karibik und kümmere mich um meine Hotelkette.“ antwortet er mit einem unterstützenden Lächeln. Es sollte ein Scherz sein. „Nein jetzt im Ernst, wie kann ich Ihnen helfen?“ „Ich möchte Feilen, denn ich will einen Schlüssel nachfeilen.“ Sage ich ihm und zeige meinen Wohnungsschlüssel. Er lacht wieder und freut sich wie ein kleines Kind über den Satz: „Wenn Sie einen Schlüssel feilen müssen, dann empfehle ich ihnen Schlüsselfeilen. Ich kann nichts dafür, die heißen so. Hier im zweiten Gang liegt ein günstiges Set, kommen Sie mit, ich zeige es ihnen.“ Ich gehe im Eilschritt hinter dem Regalbetreuer nach. Er wird immer schneller und nervöser, denn es folgt eine Lautsprecherdurchsage nach der anderen in ei127 Der eiskalte Einbrecher ner unvorstellbaren Lautstärke. „Sieben bitte auf vier melden sieben bitte auf vier melden. Diese Durchsagen dürften <meinen Verkäufer> betreffen, denn in jeder Sprechpause äfft er zurück. „Ist schon gut, du Trampel, soll ich mich zerreißen!“ Nach der dritten oder vierten Ansage reicht es der Sprecherin und sie brüllt förmlich ins Mikrofon „Was ist los Herr Verschnik, melde dich endlich bei Kassa vier, Kunde wartet auf Preis!“ Er zeigt mir dennoch die richtige Abteilung, läuft aber sofort zu einen Telefon. Die Auswahl dieser Werkzeuge ist Angesichts der Groesse dieses Gebäude lächerlich. Die Betreibern werden schon wissen was Sie tun, denke ich. Offenbar kann man mit Spagetti mehr Geld verdienen, denn diese gibt es beim Eingang in mindestens 300 Sorten. Es ist die ItaloWoche! Wie das mit einem Baumarkt zusammenhängt weiß ich nicht, es ist mir auch egal. Man denkt ja nur nach. Ich nehme das optisch hervorgehobene Set mit sechs kleinen Feilen um fünf Euro. Mittlerweile ist der Verkäufer wieder zu mir zurückgekommen und rät mir freundlich. „Für die kleinen Einschnitte sind die gut die feinen Werkzeuge, aber zum Vorarbeiten brauchen Sie unbedingt etwas gröberes. Mit diesem Doppelpack kommen Sie gut aus.“ 128 Der eiskalte Einbrecher Sagt er und zeigt auf zwei Feilen, zirka 25 Zentimeter lang, eine sehr fein und die andere rau. Die zwei Werkzeuge kosten genauso viel wie das Set. Ich kaufe beide und gehe. Die Messlehre kann ich immer noch erstehen. Bei einem Altwareneisenhändler sehe ich zufällig einen kleinen Schraubstock. Es ist ein praktisches Gerät, denn man kann ihn mit einer kleinen Zwinge auf jeden beliebigen Tisch schrauben, ideal für meine Zwecke. Der Händler verkauft ihn mir für drei Euro, ein Glücksgriff. In meiner Wohnung wird der Schraubstock sofort auf den Tisch montiert und ich bin richtig aufgeregt beginnen zu können. Ich lege mir schön säuberlich alles zurecht. Feilen, Bleistifte, Papier, Wohnungsschlüssel und Rohlinge. Der Wohnungsschlüssel wird erstmals genauer unter die Lupe genommen. Der Bart hat sieben Abstufungen. Wofür die alle sind, und ob die wichtig sind? Diese Frage lässt sich sicherlich später klären. Als erstes wird eine Zeichnung angefertigt. Ich mache das, um überhaupt feststellen zu können, ob ich in der Lage bin abzuzeichnen. Zeichnen ist nicht meine Stärke, das war mir immer bewusst. Hier geht es jedoch nicht um Gesichter oder Landschaften, sondern um Details. Ich schaue den Wohnungsschlüssel an, und versuche mir das genauer Aussehen einzuprägen. Anschließend 129 Der eiskalte Einbrecher lege ich ihn unter einen Papierstapel und fange zu skizzieren an. Schnell bin ich enttäuscht, denn ich bin unfähig mir die genauen Konturen zu merken und auf Papier zu bringen. Es ist ein einschneidendes Erlebnis, denn niemals zuvor war mir bewusst, wie wenig man beobachtet. Nicht einmal Gegenstände, die man täglich in der Hand hält, kann man detailgenau beschreiben. Mir ist sonnenklar, dass, wenn ich einen Schlüssel abzeichnen und nach dieser Skizze nachfeilen will, ein weiter und steiniger Weg vor mir liegt. Ich muss unbedingt an meiner Beobachtungsgabe arbeiten. Ich muss sehen lernen, wie ein Indianer! Ein weiterer Zeichenversuch wird gestartet. Wiederum versuche ich mir die Höhe der Zacken zu merken und dann aus dem Gedächtnis abzuzeichnen. Nach dem 130 Der eiskalte Einbrecher zehnten Durchgang fällt mir eine Symmetrie auf. Mein Schlüssel hat sieben Zacken, wobei immer zwei gleich hoch sind. Der Mittelzacken ist allein stehend und kein anderer Zinken hat seine Höhe. Die Zacken links und rechts davon sind gleich hoch. Also: Wenn man von der Mitte ausgeht dann sind Zinken 1 und 1 gleich hoch, 2 und 2 gleich, 3 und 3 sind gleich. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber ich will es in Erfahrung bringen. Für heute habe ich genug gelernt und beschließe schlafen zu gehen. 131 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 11 Ein Buch muss her Nach dem üblichen Löskaffee Frühstück rufe ich Marcus an und erzähle ihm meine Erkenntnisse vom gestrigen Abend. „Marcus, kennst du dich mit Schlössern aus?“ „Nein fast gar nicht, da musst du nachschauen, am Besten im Internet. Das ist das einfachste.“ „Ich habe doch kein Internet, das weißt du doch“ Er meint nur trocken: „Dann gehe in ein Internetcafe, das kann jeder Depp, sogar Du!“ Am Nachmittag halte ich die Augen offen auf meiner Tour, ob ich bei einem Internetcafe vorbeikomme Auf einem Geschäft steht in großen Leuchtbuchstaben Hispeeeed. .Der Bursch hinter dem Tresen ist 132 Der eiskalte Einbrecher sehr freundlich und begleitet mich zu einem Computerplatz. Er weist mich kurz ein und verschwindet diskret. In eine bekannte Suchmaschine gebe ich verschiedene Begriffe wie Schloss, Schlüssel, und so weiter ein. Dies bringt alles keine gewünschten Ergebnisse. Erst der Suchbegriff Schlüsseldienst bringt eine brauchbare Anzeige. An zweiter oder dritter Stelle der Ergebnisse der Suchmaschine steht Geheimwissen Schlüsseldienst – Eine Anleitung zum Schlossöffnen! Das ist es! Das suche ich. Mit einem Klick bin ich auf der richtigen Homepage. www.geheimwissen.at Ich schmunzle, denn das klingt schon sehr geheimnisvoll. Die Website gehört Michael Bübl einem Wiener Schlossermeister, der einen Aufsperrdienst betreibt. Er hat ein Buch geschrieben in dem es um das Schlossknacken und Aufsperren geht. Der Mann weiß, worüber er schreibt, er ist der Wunderschlosser aus Wien. Ideal für unsere Zwecke! Jetzt muss ich nur mehr rausfinden, wie das Buch heißt und wo man es bekommt. Das ist schnell erledigt. Das Buch heißt Geheimwissen Schlüsseldienst und man kann es praktischer weise gleich online bestellen. Name und 133 Der eiskalte Einbrecher Adresse eingeben und einmal klicken, fertig! Das ist angenehm, so erspare ich mir den Weg in ein Buchgeschäft. Ich stelle mich auf eine Wartezeit ein, denn meistens dauert es ewig bis Versandhändler liefern. Zu meiner großen Freude habe ich ein zwei Tage später einen gelben Zettel im Postkasten. Ich laufe am selben Tag zur Post um mir die Sendung abzuholen. Der Anblick als ich das Postamt betrete ist erschütternd. Mindestens 20 Leute stehen vor jedem Schalter. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich hinten anzustellen. Natürlich geht es in den benachbarten Schlangen besser und schneller. Eine volle Stunde muss ich warten bis ich endlich an der Reihe bin. Das ist doch die absolute Frechheit. Ein Monopolbetrieb, der viel zu wenig Personal beschäftigt. Vor lauter Ärger bekomme ich einen Gastritisanfall, der sich gewaschen hat. Mit unaushaltbaren Magenschmerzen schleppe 134 Der eiskalte Einbrecher ich mich wieder nach Hause und lege mich erst einmal hin. Das ist eine doppelte Qual, denn in mir ist die Neugier schon auf ein gewaltiges Niveau angewachsen. Ich will endlich das Buch anschauen, anderseits kann ich mich aufgrund der Schmerzen nicht konzentrieren. Die Schmerzen vergehen nach einiger Zeit und ich öffne das Paket. Ich blättere es durch und bin äußerst entzückt. Mit Bildern wird nicht gegeizt, das ist gut. So sehe ich auf einfache Weise klar worum es geht. Das Werk fasziniert mich und ich lese und schmökere fast die ganze Nacht durch, so sehr fesselt es mich. Das ist unsere Bibel! Übermüdet trete ich den Arbeitstag, treffe mich mit Marcus um ihm meine Neuanschaffung zu zeigen. Er ist genauso begeistert wie ich und will es mir gar nicht zurückgeben. Er meint: „Mit dem Wälzer ist es ein Leichtes die Schlösser zu knacken, dass das überhaupt erlaubt ist. Mir soll es reicht sein!“ „Heute werde ich nicht mehr viel tun können“, sage ich zu ihm, „denn ich 135 Der eiskalte Einbrecher habe fast die ganze Nacht gelesen, das Bett wartet auf mich. Morgen werde ich weitermachen, ich habe schon Werkzeug und Schraubstock. Ach weil wir gerade dabei sind, hast du so eine Messlehre, Schiebelehre nennt man das, glaube ich?“ „Ja habe ich, bringe ich dir morgen mit, wir rufen uns zusammen.“ Der Abend ist kurz, das Bett zieht mich sofort nach dem Betreten der Wohnung zu sich. Marcus bringt mir nächsten Tag das Messgerät und erklärt mir die Funktion. Bevor ich sie wirklich brauche, muss ich mein Gedächtnis weiter trainieren, um mir das genaue Aussehen Bild im Kopf entstehen zu lassen und dieses Bild meines Wohnungsschlüssel einzuprägen. Die Vorgangsweise ist logisch. Ich versuche ein dann präzise auf Papier zu bringen. Es geht, aber es geht langsam und die Zeichnungen werden ungenau. Ich kann mir zwar merken, wie die Zacken angeordnet sein, jedoch nicht deren genaue Abstufungshöhe. Das bedeutet, ich merke mir erste Zacke hoch, zweite höher, dritte tiefer, aber um ich kann 136 Der eiskalte Einbrecher nicht schätzen um wie viel. Es ist für mich unmöglich vorzustellen, wie groß der Unterschied zwischen ein Millimeter und einskommazwei Millimeter ist. 137 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 12 Zeichnen muss man lernen Kelly meint, ein Zeichenkurs würde mir sicherlich helfen. In solchen Veranstaltungen werden die Teilnehmer in diese Richtung trainiert. Man lernt genau zu sehen und insbesondere wird das fotografische Gedächtnis verfeinert. Zuerst bin noch skeptisch, aber im Laufe des Gespräches überzeugt sie mich und ich schreibe mich in einen Zeichenkurs ein. Am Anfang ist es etwas peinlich, dann lege ich die Scheu ab und habe große Freude. Der Kursleiter ist nett und weist uns pausenlos auf unsere schlechte Beobachtungsgabe hin. Wir müssen Alltagsgegenstände wie zum Beispiel unsere Armbanduhr aus dem Gedächtnis abzeichnen. Es ist ein schwieriges Unterfangen. Keiner der Kursteilnehmer ist am Beginn des Unterreichtes dazu in der Lage. Nach und nach lernen wir auf jede Kleinigkeit 138 Der eiskalte Einbrecher und jedes Detail zu achten. Der Leiter ist streng und lässt keine Nachlässigkeiten durch. Er ermahnt unnachgiebig, wenn jemand eine Winzigkeit vergisst, wie den kaum sichtbaren Rand auf den Zeigern. „Zeichnen Sie das was Sie sehen, sonst sehen Sie nicht das was Sie zeichnen.“ Das ist sein Leibspruch, den wir uns jede Unterrichtseinheit anhören dürfen. Zu mir sagt einmal: „Eine schöne Uhr ist das auf Ihrer Zeichnung, wem gehört denn die, denn Ihre sieht anders aus.“ Alle bemühen sich ehrlich, den netten Lehrer nicht zu enttäuschen und manche treffen sich sogar außerhalb des Kurses um zu üben. Ich selbst versuche mir immer und immer wieder ein geistiges Bild von den Gegenständen zu machen, bis es gelingt. Nach einigen Unterrichtswochen sind alle im Kurs in der Lage verschiedene Gegenständen und Utensilien detailgetreu aus der Erinnerung nachzuzeichnen. Der Kursleiter freut sich über seinen und unseren Erfolg und empfiehlt verschiedene Aufbaukurse, wie Landschaftsmalerei, Portrait oder Proportionen. Den letzteren erachte ich als sehr sinnvoll für mein Vorhaben und buche ihn. Es wird gelehrt, wie man Entfernungen und Groessen richtig erkennt und 139 Der eiskalte Einbrecher dann in der richtigen Proportion darstellt. Besonderes Augenmerk wird auf das Erkennen von Größenverhältnissen gelegt. Wie groß ist ein Bleistift im Verhältnis zu einer Hand. Oder wie viel sind vier Millimeter. Mühsam muss ich mir dieses Fachwissen erarbeiten, aber diese Kurse sind für mich von unschätzbaren Wert. Ich habe soviel gelernt, und dieses neue Wissen kann ich jetzt einsetzen in meinen Bemühungen, einen Tresorschlüssel zu erschaffen. Zwischen den einzelnen Kurstagen treffe ich mich mit Marcus und Kelly um die beiden immer auf dem Laufenden zu halten. Beide sind äußerst angetan und üben ebenfalls was das Zeug hält. Wir haben alle drei ein fantastisches Gedächtnis erworben, in diesem Bereich. Manchmal machen wir sogar kleine Wettbewerbe, nur um uns zu profilieren. Es ist unglaublich, wie viel man mit Übung und Beharrlichkeit erreichen kann. Langsam ändern sich unsere Zeichenmotive. Statt Armaturenbretter, Uhren und Schuhe zu zeichnen fangen wir an jede Art von Schlüssel nachzuskizzieren. Anfangs ist dies wiederum schwierig, aber im Laufe der Zeit lernen wir das auch. Die Zeichnungen werden exakter und präziser. Wir zeichnen auf Millimeterpapier und messen dann die Ergebnisse zusätzlich mit der Schiebelehre. Wir üben jede freie Minute und geben nicht auf ehe die Abmessungen und Dimensionen passen. Damit ist die erste Stufe erklommen auf unserem Weg. 140 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 13 Schlosstechnik Der zweite Schritt ist die Aneignung des technischen Wissens. Wir besorgen uns bei Alteisenhändlern, Schlüsseldiensten und auch im Internet jede Menge an alten Schlössern. Mancher Ladenbesitzer ist hilfsbereit und freundlich, andere sehen in uns eine Gefahr oder Terroristen und weigern sich uns auch nur einen Rohling zu überlassen. Am ergiebigsten sind diverse Plattformen im Internet. Wir ergattern viele Bartschlösser und auch so manches Tresorschloss. Diese Muster helfen uns bei unserer Lerntätigkeit. Als unverzichtbar und genial erweist sich jedoch das von mir gekaufte Buch. In wenigen Wochen lernen wir die Funktionsweise von Doppelbartschlössern und Tresorverriegelungen. 141 Der eiskalte Einbrecher Wir wissen nun was eine Zuhaltung ist, oder ein Riegel. Stiftkanal, Sackgasse, Abstufung und gebohrter Schlüssel sind für uns keine Fremdwörter mehr. Wir erweitern unsere Kenntnisse ungemein und wissen bald was eine Vorspannung und ein Hobbscher Haken ist. Ein Bartschloss heißt eigentlich Chubbschloss, weil es von einem Engländer, Herrn Chubb, erfunden worden ist. In Österreich nennt man es auch tosisches Schloss. Ein Italiener, Herr Tosini lebte damals (um 1820) in der Alpenrepublik erfand zufällig das selbe Schloss. Chubbschloss ist aber der wesentlich bekanntere Namen. Durch Zerlegen fand ich heraus, wie diese Schlösser genau funktionieren. Im Inneren eines durchschnittlichen Chubbschloss ist ein Riegel und fünf Messingplättchen. Der Riegel ist gewöhnlich so dick wie zwei Messingplatten und er wird von der vordersten Zacke gezogen. Die anderen Zacken am Schlüssel heben die dünnen Messingplatten hoch. Sind diese Zuhaltungen(das ist der Fachausdruck) in den richtigen Höhen, dann kann ein kleiner Stift in eine Aussparung, auf diesen Platten eingearbeitet sind, eindringen. Dieser Stift ist auf 142 Der eiskalte Einbrecher dem Riegel gelötet und erst mit dem richtigen Schlüssel lassen sich alle Plättchen auf die richtige Höhe heben, sodass sich der Riegel bewegen lässt. Einfach aber genial. Warum die Schlüssel symmetrisch sind, das ist eine der Urfragen, und immer zwei Zacken gleich hoch sind, klärt sich ebenfalls auf. Es ist ein sehr einfacher Grund: Damit man das Schloss an der Wohnungstüre von außen und innen mit dem selben Schlüssel sperren kann. Ein Zinken greift bei der Drehung des Schlüssel ins Leere. Es ist der Zacken neben dem der den Riegel zieht. Unsere kleine Gruppe mutierte zu Schlossspezialisten in den letzten Wochen. Wohnungsschlösser sind relativ einfach gearbeitet, das haben wir bald heraussen. Die Tresorschlösser mit Doppelbart sind schon anders gestrickt. Wir lernen jedoch auch die Geheimnisse dieser Exemplare. Viel Gehirnschmalz und viele lange Nächte sind notwendig um diese kleinen Wun143 Der eiskalte Einbrecher derwerke zu begreifen. Die Schlösser für Panzerschränke sind so präzis gefertigt, dass der Schlüssel auf ein Zehntel Millimeter stimmen muss. Bei manchen ist die Toleranz noch geringer. Ein Exemplar war auf fünf hundertstel Millimeter genau gefertigt. Ein Abweichen über dieses geringe Maß macht den Schlüssel unbrauchbar. Erschwerend kommt die Tatsache dazu, dass diese Spezialschlösser nicht mit fünf Messingzuhaltungen gesichert werden, sondern mit 12 oder 15! Alle Plättchen sind exakt gefertigt und abgestimmt. Um es den Panzerknackern noch mal zu erschweren sind die Schließplättchen federlos gelagert. Die richtige Positionierung übernimmt hier der Schlüssel. Wir bemerken bei den Doppelbartschlüssel, dass einer hohen Zacke immer ein niedrige gegenübersteht. Wenn man beide Stufen zusammenrechnet ergibt das bei allen Zacken fast immer die selbe Zahl. Zur Erläuterung: Es muss die Zahl 10 erreicht werden, um die Zuhaltung in die richtige Position zu heben. Erstes Zackenpaar hat 6 und 4. Zweites Paar, 3 und 7. Drittes Paar 2 und 8. Das ist nicht bei allen uns zur Verfügung stehenden Schlössern so, aber fast. Wir nehmen an, dass bei denen es nicht so ist, herumgepfuscht wurde und von Laien verändert. Diese Tatsache der Symmetrie 144 Der eiskalte Einbrecher nehmen wir als Konstante in unsere Planungen auf. Es ist genauso unabänderlich, wie der Durchmesser des Dornes. Der Schaft eines Schlüssel muss immer zylindrisch sein und darf niemals konisch verlaufen. Wir vertiefen unser Wissen immer weiter und sind bald auch auf dem Gebiet der Tresore richtige Fachleute. Mit diesem teils selbst teils aus dem Buch des Österreichers angeeigneten theoretischen Wissen haben wir die zweite Stufe erreicht. Wir sind in der Lage jeden Schlüssel und jedes Detail akribisch zu merken und hundert Prozent genau abzeichnen. Weiter erfahren wir durch unsere Studien und unsere Recherchen welche Funktion jeder Teil des Schlosses hat. Ein wichtiger Faktor, denn nur mit diesem Wissen können wir uns auf die ausschlaggebenden Teile konzentrieren. Die unwesentlichen Dinge, wie zum Beispiel die Groesse des Schlüssellochs, können wir getrost vernachlässigen. 145 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 14 Handarbeit und Geschick Zu unserem großen Bedauern fehlt uns trotz unseres Fleißes und unserer Energie noch ein bedeutender Faktor. Uns fehlt die handwerkliche Fähigkeit. Wir können nicht feilen, nicht schleifen und nicht polieren oder welche Handgriffe man noch können muss. Es zeigt sich, dass dies der schwierigste Teil in unserem Plan ist. Selbst wenn man genau weiß, was zu tun ist, muss man noch wochenlang oder monatelang die Motorik trainieren. Es ist zu vergleichen mit dem Erlernen eines Musikinstrumentes oder eines eins doppelten Saltos. Man weiß zwar die Noten oder man ist sich auch bewusst, dass man sich zweimal drehen muss beim Salto, aber man kann es nicht. Und das Abfeilen eines Schlüssel ist sicherlich ähnlich schwierig. Die zu machenden Fehler sind unendlich und die Verbrauchsquote der Rohlinge enorm. Wir hatten einen Eisenhändler gefunden, der mehrere Kisten alte Schlüssel uns zu einem Spottpreis verkauft hat. Marcus meint eines Abends: 146 Der eiskalte Einbrecher „Jetzt weiß ich warum man als Werkzeugmacherlehrling eine Jahr nur feilen muss .Das ist tatsächlich so schwer, und ich dachte immer meine Jugendfreunde werden schikaniert vom Lehrherren.“ Der erste passende Wohnungsschlüssel erfüllt uns jedoch mit Freude und motiviert uns zum Durchhalten. Nach all den Monaten Training und Üben habe ich natürlich haargenau im Kopf, wie mein Schlüssel aussieht. Mindestens 50 mal habe ich ihn abgezeichnet und die Zeichnung vermessen. Jetzt wird aus dem Gedächtnis gefeilt. Ich spanne einen Rohling mit dem Dorndurchmesser von 6,5 147 Der eiskalte Einbrecher Millimeter Schraubstock. Das ist der Durchmesser, den mein Wohnungsschlüssel hat. Als erste Maßnahme feile ich die Außenmaße des Bartes. Zuerst die Breite dann die Höhe. Die großen Feilen, die mir der Mann im Baumarkt empfohlen hat eignen sich hervorragend für diesen Zweck. Die Abstufungen und Zacken werden mit den dünnen Schlüsselfeilen gemacht. Ich arbeite langsam und konzentriert um alles genau nach meinem geistigen Bild zu fertigen. Sehr aufpassen muss ich, dass die Feile gerade schneidet und nicht nach links oder rechts verläuft. Mein Kurs und die getätigten Übungen in der Proportionslehre machen sich nun bemerkbar. Ich kann mit einem Blick feststellen wie viel ein halber Millimeter ist. Bei genauerem Hinsehen und mit starker Konzentration schaffe ich Abstufungen auf ein Zehntel 148 Der eiskalte Einbrecher Millimeter zu erkennen. Mit Geduld und Beharrlichkeit kann ich diese winzigen Entfernungen auf den Schlüssel zu übertragen. Nach drei Stunden feilen und geistiger Anstrengung ist der Wohnungsschlüssel fast fertig. Mit einem feinen Schmirgelpapier werden die letzten Kannten und Unebenheiten beseitigt. Der große Moment naht. Marcus und Kelly schauen aufmerksam und gespannt zu, als ich mit dem selbstgefertigten tosischen Schlüssel zu meiner Wohnungstüre gehe und ihn in das Schlüsselloch stecke. Die seitliche Kerbe passt, als hätte es eine Maschine gefräst. Ich sehe meine zwei Zuseher an und lächle. Innerlich vibriere ich vor Aufregung, lasse mir meine Nervosität aber nicht anmerken. Nur ein dünner Schweißfilm auf meiner Stirn ist der Beweis für meine Unsicherheit. Der Schlüssel dreht sich! Das Schloss lässt sich auf und zusperren! Wir haben es geschafft. Das ist der erste nur aus dem Gedächtnis gefertigte Schlüssel. Das Ganze ist ohne Zweifel eine Meisterleistung, die uns hier gelungen ist. Wir sind überglücklich und sind von unseren Fähigkeiten überzeugt. Ich brauche einen Schlüssel nur anzusehen, und kann ihn hundert149 Der eiskalte Einbrecher prozentig kopieren. Das erfüllt mich mit Stolz. Kelly sagt: „Du bist nun eine Gefahr für die Gesellschaft, wir dürfen niemanden von deinen Fähigkeiten erzählen.“ Ich beruhige sie sofort: „Keine Angst, ich werde es sicher nicht weitersagen, ich wüsste gar nicht wem.Übrigens wer ist der nächste von uns, der dieses Kunststück zusammenbringt. Los, los, wir machen erst weiter, wenn wir alle drei gleich gut sind, sonst wird das nichts. Wir sind demokratische Panzerknacker.“ Marcus lacht auf: „Demokratische Panzerknacker, was ist das für ein Blödsinn! Gib nicht so an. Nur weil dein Schlüssel der erste war, der gesperrt hat, brauchst du dich als Staatspräsident aufspielen. Kelly und ich werden uns zusammenreißen und in paar Tagen werden unsere Schlüsserln auch sperren.“ Die zwei mühen sich die nächsten Tage ab, um meine Vorgaben zu erreichen. Zuerst schafft es Kelly, einen Tag später Marcus. Wir freuen uns jedes Mal wie wahnsinnig und mit Marcus Erfolg fangen wir langsam an weiter zu planen. Unserer finanzielle Situation wird unterdessen immer dramatischer. Durch unsere private Aktivitäten vernachlässigten wir unsere Arbeit. Marcus und ich liefern immer wenige Pakete aus und das macht sich auf der Abrechnung bemerkbar. Wir verdienen nicht einmal mehr das was zum Leben brauchen. Kelly 150 Der eiskalte Einbrecher wurde von ihrem Arbeitgeber auf mieseste überrumpelt. Sie musste zwar immer Nachtdienst wir machen als Behindertenbetreuerin, bekam diesen als Nachtüberstunden ausbezahlt. Anstrengend aber halbwegs gerecht entlohnt. Ihr Chef nötigte Sie zu einem neuen Dienstvertrag. Sie ist nun nicht mehr angestellt, sondern selbständig. Das bedeutet, dass sie keine Überstunden ausbezahlt bekommt und auch keinen Nachtzuschlag. Ihr Arbeitgeber meint: „Sie sind jetzt Ihr eigener Chef, da gibt es keine Überstunden mehr. Als Selbständiger müssen Sie halt anders denken.“ Die Frechheit ist dabei, dass der Halunke die Nachtzuschläge vom Heim bezahlt bekommt und Kelly unterschlägt. 151 Der eiskalte Einbrecher Sie ist völlig fertig und frustriert. Durch diese Maßnahme hat sie fast die Hälfte ihres Einkommens verloren obwohl sie um 10 Stunden mehr in der Woche arbeitet. Weinend und mit Wut im Bauch erzählt sie mir: „Das Schwein verdient sich eine goldene Nase mit uns armen Mädchen. Wenn wir nicht parieren, dann schmeißt er uns raus und droht mit einer Anzeige. Er sagt dann der Polizei, wir bestehlen die Patienten. Das stimmt zwar nicht, aber Job bekommst du nie mehr mit so einer Anklage. So ein gieriger Unmensch! Wir zwei sind wirklich nicht auf die Butterseite gefallen. Wie soll man denn mit 700 Euro leben können?“ „Da kann sich Marcus noch anschließen, der ist auch kein Ölscheich,“ antworte ich ihr, „wird Zeit, dass wir uns weiter auf unser Vorhaben konzentrieren.“ Wir fertigen jede Menge Wohnungsschlüssel nur zur Übung an. Unsere Perfektion steigert mit jedem neuen Exemplar. Die Zeiten die wir zur Herstellung benötigen werden immer kürzer. Wir können die Dauer vom Anblick eines Schlüssel bis zum fertigen Produkt auf wenige Minuten senken. Wir sind euphorisch und siegessicher, bis das bittere Erwachen kommt. Der erste selbstgefeilte Doppel- 152 Der eiskalte Einbrecher bartschlüssel weigert sich strikt das Schloss zu entriegeln. Obwohl es sich um ein älteres Modell aus dem vorigen Jahrhundert handelt. Wir haben es sehr billig im Internet ersteigert. Keiner von uns Dreien schafft es einen passenden Schlüssel zu feilen. Wir sind frustriert und können uns unser Versagen nicht erklären, nur erahnen. Die Schlüssel sind einfach zu unpräzise, sonst kann es keinen Grund geben. Die Funktionsweise der Tresore war uns durch unser Studium sonnenklar. Der Fehler muss entweder an unseren handwerklichen Fähigkeiten liegen, wir sind einfach zu ungeschickt. Oder unsere geistigen Abbildungen sind zu ungenau, wir können die feinen Abstufungen optisch nicht erfassen. Es stellt sich heraus, dass es an beiden liegt. Die Fehler addieren sich. Wobei der größere Anteil auf die mangelnde Beobachtungsgabe zurück zu führen ist. Es ist nun mal ein riesiger Unterschied, ob eine Stufe 3, 30 Millimeter ist, oder 3, 40. Die erste Abstufung würde mit etwas Glück noch auslösen, aber bei der zweiten Zacke summieren sich die Fehler im schlechtesten Fall schon auf zwei Zehntel Millimeter. Bei zehn oder noch mehr Zuhaltungen kann der Fehler bis zu einem ganzen Millimeter anwachsen. Das ist eindeutig zu viel. Bei Wohnungsschlüssel, also bei Schlüssel die von beiden Seiten das Schloss sperren hält sich die Genauigkeit in Grenzen. Die Höhen der Zacken wiederholen sich ab der Mittelzinke. Das Abschätzen der exakten Höhe fällt deswegen leichter. Uns bleibt nichts anderes als unsere Fähigkeiten weiter auszuarbeiten und wissenschaftlich zu perfektionieren. Wir sind uns einig, dass unser Erfolg von 153 Der eiskalte Einbrecher sind uns einig, dass unser Erfolg von Erfassen der Groessen abhängt. Allerdings, und auch da sind wir uns einig, ist es unmöglich zehn verschiedene Masse auf hundertstel Millimeter zu erkennen. Als Lösung bietet sich an den Dorn des Schlüssels als Ausgangsmaßpunkt zu nehmen. Jede Zacke hat einen bestimmten Abstand zum Schaft. Wir gewöhnen uns an nicht mehr von Stufe zu Stufe zu schätzen, sondern jede Kerbe in Bezug auf den Dorn mit unseren geistigen Auge zu messen. Der Sinn dahinter ist, dass keine Addierungsfehler mehr entstehen. Den Durchmesser des Schlüsselschaftes können wir mit einiger Übung bald hundert Prozent genau auf zehntel Millimeter zu erkennen. Zum Üben besorgten wir uns Metallstifte aus einem Werkzeugbau. Der Chef schenkte uns eine Kiste mit tausenden Eisenstiften in allen möglichen Durchmessern. Die Idee ist Marcus während seiner Lieferung gekommen. Er hat die Abfallkiste gesehen, als er ein Paket abgegeben hat und hat den Verantwortlichen gefragt. Der Inhaber der Firma meinte: „Bei uns im Formenbau fallen jede Menge Eisenabfall an. Das sind Normstifte, die von den Arbeitern falsch gemessen wurden oder Reste. Die kannst du dir nehmen.“ Die runden Stiften sind für unsere Zwecke wie geschaffen. Die Länge ist egal, es geht uns um den Durchmesser, und da hatten wir Glück. Es sind praktisch alle Stärken zu finden in zehntel Millimeterabstand. Wir können mit diesen Eisenstiften optimal trainieren. Wir üben in jeder freien Minute, die uns zur Verfügung steht. Im Auto, am Abend, beim Frühstück, praktisch immer und 154 Der eiskalte Einbrecher überall hat einer von uns mehrere Eisenstäbe in der Tasche. Rausnehmen – Durchmesser schätzen – kontrollieren und in die andere Tasche stecken. Erst als wir dreimal hintereinander bei dutzenden Stifte fehlerfrei den Durchmesser erkannt haben, wagen wir uns wieder an einen Tresorschlüssel heran. Die neue Taktik erweist sich als erfolgreich und mit unseren nochmals perfektionierten Fähigkeiten schaffen wir es den ersten sperrenden Doppelbartschlüssel zu erzeugen. Einen großen Schritt brachte uns eine winzige Erscheinung, die uns aufgefallen ist. Wenn man einen gut gefeilten Schlüssel ins Schloss steckt und versucht zu drehen, so macht er annähernd eine halbe Drehung, dann sperrt er nicht immer sofort manchmal blockiert er. Drückt man vorsichtig einige Male nach, ohne ihn abzubrechen und zieht den Schlüssel anschließend heraus, dann erkennt man eine Eigenheit am Schlüsselbart. Meist ist auf einem Zacken eine kaum sichtbare glänzende Stelle zu erkennen, ein Abdruck. Wir bemerken, dass diese Kleinigkeit schuld am Versagen des Schlüssels ist. Feilt man vorsichtig diese glänzende Reibstelle weg, dann sperrt der Schlüssel! Manchmal entsteht bevor der Schlüssel endgültig sperrt auf einem anderen Zacken ein weiterer Abdruck. Mit wenigen Feilstrichen ist aber auch die zweite oder dritte Stelle bereinigt und das Schloss ist offen. Zunächst können wir uns nicht erklären, warum das so ist. Wir freuen uns trotzdem, denn diese Erkenntnis erweist sich als äußerst hilfreich. Mit dieser Technik können wir sperrende Schlüssel anfertigen, die sich lange geweigert hatten 155 Der eiskalte Einbrecher das Schloss zu öffnen. Instinktiv spüren wir, dass dies noch eine wesentliche Rolle spielen wird. 156 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 15 Der erste Versuch Wir haben Freude und ein gute, fröhliche Zeit. Es macht Spaß einen komplizierten Tresorschlüssel nur wenige Sekunden anzusehen und dann aus dem Gedächtnis nachzufeilen. Wir könnten ohne Probleme in einem Schlüsseldienst arbeiten, obwohl Marcus meint, wir seien überqualifiziert. Schade, dass es keinen Wettbewerb gibt in Tresorknacken, wir würden garantiert siegen. Marcus und ich suchen an einen der nächsten Tage einen geeigneten Supermarkt aus, von dem wir glauben, dass es sich lohnen wird. Er soll an einer frequentierten Lage platziert sein, jedoch keine Wohnhäuser als Gegenüber haben. Sonst ist das Risiko des beobachtet Werdens zu hoch. Unser Hauptaugenmerk ist die Risikominimierung. Unter keinen 157 Der eiskalte Einbrecher Umständen wollen wir entdeckt werden. Fünf oder mehr Jahre Haft abzusitzen hat keiner Lust. Nach einigen Runden durch die Stadt finden wir zwei geeignete Geschäfte. Ein Laden hat ein Firmengebäude als visavis, der andere nur eine Brachlandschaft. Beide liegen auf Hauptstrassen und versprechen eine gute Losung. Wir entscheiden uns für den mit dem Bürohaus als Gegenüber. Wir sind uns sicher, dass nachts kein Mensch in so einem Gewerbegebäude aus dem Fenster sieht. Bei dem anderen sind wir uns einig, dass man uns unter Umständen von Weitem sehen könnte. Wir losen aus, wer die Knochenarbeit machen muss. Ich verliere mit Anstand und mache mich bereit. Zusammen wollen wir nicht gehen, um möglichst unauffällig zu agieren. Zwei Männer würden auffallen, bilden wir uns ein. Äußerst nervös betrete ich das Geschäft. Es ist jetzt kein Probelauf mehr sondern bitterer Ernst. Ich provoziere wieder einen Stau an der Kassa mit dem Etikettentrick. Die Kassiererin nimmt wie üblich den Schlüssel aus der Manteltasche um die elektronische Kassa nach der Fehleingabe wieder rückzustellen. Auf dem Bund sehe ich den Tresorschlüssel und kann ihn genau betrachten. Schweißtropfen stehen auf meiner Stirn, es fällt mir schwer 158 Der eiskalte Einbrecher mich zu konzentrieren. Dennoch reiße ich mich zusammen und versuche absolut bei der Sache zu sein. Ich spüre wie meine Hände nass und kalt sind vor Aufregung. <Reiß dich zusammen, nimm Maß, lass dich nicht ablenken> Diese Gedanken schießen durch den Kopf. Eine Sekunde schließe ich die Augen, denke an nichts und mit einem Blick erfasse ich die wichtigsten Daten. Schaftdurchmesser 6,30 Millimeter, 11 Abstufungen und einen Riegelzacken. Mit meinem geschulten Auge vermesse ich die Höhen der Stufen im Verhältnis zum Dorn und merke mir die Masse bis ins Auto. Dort schreibe ich sie zur Sicherheit auf. Ich kritzle schnell um nicht etwas Wichtiges zu vergessen. Sofort rufe ich Kelly an und melde meinen Erfolg: „Ich habe es tatsächlich getan, wir haben die Masse vom KS 2490.“ Aus Vorsicht kodieren wir auch die Adressen der Supermärkte, so wie die Kundenanschriften beim Paketdienst. Wir haben uns auf eine einfache aber gut überlegte Verschlüsselung geeinigt. Beim Straßennamen nehmen wir den ersten und den letzten Buchstaben. Die Hausnummer multiplizieren wir mit zehn. „War nicht besonders schwer nur die Angst war dabei. Wir sehen uns am später.“ Sage ich und lege auf. Noch am selben Abend sitzen wir zusammen und jeder arbeiten drei Schlüssel nach meiner Vorlage aus. Das sind neun Tresorschlüssel, die sich alle geringfügigst von einander unterscheiden. Wir wissen von den kritischen Stellen und haben sie deshalb verschieden angefertigt. Natürlich können auch Messfehler von mir entstanden sein. Mit der großen Anzahl der 159 Der eiskalte Einbrecher handgefertigten Schlüssel wollen wir sicher sein, dass mindestens einer garantiert sperrt. Kelly ist die langsamste von uns dreien, aber sie feilt die schönsten und präzisersten Stücke. Es ist ein erhebendes Gefühl diese Tresorschlüssel in der Hand zu haben. In diesem Panzerschrank liegen 10000 Euro vielleicht 20000 und wir können ihn ohne Probleme öffnen und das Geld schnappen. Alle unsere Probleme scheinen gelöst und wir fühlen uns frei. Heute ist Mittwoch und wir beschließen am Freitag dem Familieneinkaufstag zuzuschlagen. Wir nehmen an, dass an diesem Tag besonders viel Losung in der Kassa ist, die nach Geschäftsschluss wegsperrt werden muss. Donnerstag schlafen wir uns aus. Freitag in der Nacht ist es dann soweit. Nach Einbruch der Dunkelheit fahren wir Richtung KS 2490 und parken unser Fahrzeug einige hundert Meter entfernt. Langsam gehen Kelly und ich die Strasse entlang bis wir zum Eingang kommen. Einige Passanten kommen uns entgegen, die uns jedoch kaum beachten, weil wir Händchen halten und als Liebespaar wahrgenommen werden. Marcus wartet im Auto und wir halten die gesamte Zeit Verbindung mit eingeschaltetem Mobiltelefon. Sobald wir das Geld haben fährt er los und ist zeitgleich mit uns beim Eingang, so der Plan. Die Zeit 160 Der eiskalte Einbrecher die er für die Fahrt benötigt ist ungefähr die selbe, die wir brauchen um vom Büro des Marktes rauszugehen. Das Herz schlägt wie verrückt als wir durch den Hof des Anliegens gehen und beim Hintereingang stehen. Kelly schätzt ihren Puls auf 200 Schläge und ich habe sicherlich auch nicht weniger. Plötzlich sehen wir sehen uns an und sind versteinert. Es fährt uns wie ein Blitz vom Scheitel bis in die Fussohlen. Völlig sprachlos starren wir uns mindestens eine Minute an. Ich nehme das Mobiltelefon und spreche mit Piepsstimme: „Marcus, wir sind die allergrößten Idioten, die jemals auf dieser Erde gelebt haben, leben und auch leben werden.“ Er antwortet sofort: „Wieso bitte, was ist los? Ist kein Geld im Panzerschrank? Hat der Geldtransporter schon alles abgeholt. Der kommt doch erst am Montag, das wissen wir doch wegen der Überstunden.“ „Nein, nein das ist es ist nicht, das Geld liegt sicher im Tresor.“ entgegne ich ihm weiter ohne Stimme, „aber wir haben etwas Wichtiges vergessen. Bei all unserer detaillierter Planung haben wir uns niemals Gedanken gemacht, wie wir die Eingangstüre aufsperren wollen um überhaupt zum Tresor hinkommen zu können.“ Am anderen Ende der Leitung ist lange nichts zu hören 161 Der eiskalte Einbrecher bis ein Urschrei die Stille zerstört. „Verdammter Dreck! Wie kann es das geben! Was sind wir für Idioten.“ Wartet dort, ich hole euch ab.“ Eine Minute später kommt er und wir steigen ein. Sofort ist eine Krisensitzung einberufen in meiner Wohnung. Wir kaufen uns drei Tafel Schokolade bei einer Tankstelle, um uns einigermaßen zu beruhigen und besprechen die Lage. Es ist uns unbegreiflich, wie man so etwas derart Wichtiges vergessen kann. Marcus meint: „Was ist, wenn wir die Eingangstüre einfach aufbrechen mit einem Brecheisen oder mit etwas Ähnlichem?“ Kelly fährt ihn an: „Sag mal spinnst du? Du glaubst doch nicht, dass wir einfach einbrechen gehen können? Das macht so einen Lärm, dass in zwei Minuten die Polizei kommt, wir sind doch keine Stümper. Erinnere dich an unsere Schweißversuche, die sind auch in die Hose gegangen, mit Gewalt erreichst du gar nichts.“ Ich unterstütze meine Freundin: „Völlig richtig, Kelly! Aufbrechen kommt nicht in Frage, wir würden zuviel riskieren. Wenn wir schon so dumm waren und einen Planungsfehler gemacht haben, dann dürfen wir jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren und eine Kurzschlusshandlung machen.“ Mein Kollege sieht ein, dass es dumm wäre 162 Der eiskalte Einbrecher einen plumpen Einbruch zu verüben und fragt: „Entschuldigt bitte, das war ein dummer Vorschlag, aber ich habe mich so geärgert über unseren Schwachsinn, dass ich diesen Blödsinn gesagt habe. Wisst Ihr vielleicht eine Lösung, sonst war all die Mühe umsonst.“ „Naja“ meint Kelly „wenn man einen Tresorschlüssel nachmachen kann, so wird es doch auch gelingen für diese Türschlösser ein Duplikat zu erzeugen.“ Da ich mich am meisten mit der Materie beschäftigt habe, antworte ich den beiden. „Für ein Zylinderschloss kann man theoretisch genauso gut einen Schlüssel anfertigen. Ich denke, dass ist sogar noch einfacher. Die Zylinder sind gewiss nicht so genau wie die Doppelbartschlösser. Morgen fangen wir an, ich gebe niemals auf. Glaubt ihr ich habe die ganzen Tortouren auf mich genommen, um wegen eines Fehlers aufzugeben.“ Alle sind einverstanden mit meinem Vorschlag und wir beenden unser Treffen. Das bedeutet, Marcus fährt Kelly nach Hause und ich lege mich nach einer Horrordusche ins Bett. Die nächsten Tage verstreichen im Nu. Wir sind alle unterwegs um einiges Wissen über Zylinderschlösser zu sammeln. Ich klappere die Schlüsseldienste ab, und es ist ähnlich der Zeit als ich mir die ersten Informationen über Tresore angeeignet habe. Viele der Laden163 Der eiskalte Einbrecher besitzer sind misstrauisch und unfreundlich, einige wenige aber sind sehr nett und es macht mir sogar Spass mit ihnen zu plaudern. Ich erfahre, dass es ungefähr 2000 verschiedene Zylinderprofile gibt. Profil nennt man die Art, wie das Schlüsselloch aussieht. Es werden jedoch nicht alle 2000 verwendet, nur ein kleiner Bruchteil steht in Gebrauch, maximal 20. Das erleichtert die Arbeit, so glaube ich. Bei einem unserer Treffen beschließen wir genauso vorzugehen, wie bei den Tresorschlüssel. Also, bei einer günstigen Gelegenheit einen Blick auf den Schlüsselbund der Filialleiterin zu werfen und danach ein Duplikat aus dem Gedächtnis feilen. Dieser Plan zeigt sich aber als undurchführbar. Ich hatte damals verloren, als es darum ging, den Tresorschlüssel abzuschauen. Diesmal ist Marcus an der Reihe, um Gerechtigkeit herzustellen. Er ist auserkoren das Aussehen des Zylinderschlüssel in Erfahrung zu bringen. Er versucht es diesmal nicht mit dem Etikettentrick, das würde vielleicht auffallen, sondern gibt einfach vor nicht genug Geld mitzuhaben. Die Kassiererin muss die Eingabe rückgängig machen. Diesen Moment will Marcus ausnutzen um den Zylinderschlüssel für die Geschäftseingangstüre zu sehen und sich zu merken. Er traut seinen Augen nicht, denn auf dem Bund der Frau sind mindestens 15 flache Schlüssel. Es ist unmöglich für ihn in den weni- 164 Der eiskalte Einbrecher gen Sekunden den richtigen Schlüssel zu finden und hundert Prozent genau zu merken. Wir sind wieder einmal an unsere Grenzen gestoßen. In langen Diskussionsrunden gehen wir alle mögliche Varianten durch, um eine akzeptable Lösung zu finden. Wir debattieren und reden, schließlich kommen wir erneut zum selben Schluss, wie am Anfang unserer Aktivitäten. Ohne absolutes fundiertes Fachwissen, werden wir keinen Erfolg haben. Wir müssen uns abfinden mit der Tatsache, dass wir alles über Zylinderschlösser lernen müssen. In dem Schlüsseldienst – Buch des Wiener Schlossermeisters finde ich wiederum jede Menge nutzvoller Hinweise. Um die Theorie in die Praxis umzusetzen besorgen wir uns viele verschiedene Zylinder. Die sind zum Glück wesentlich leichter zu bekommen als die Doppelbartdinger. Die erste Lektion, die wir lernen ist das Zerlegen. Auch da müssen wir Lehrgeld zahlen. Es kostet einigen Schlössern das Leben, bis wir den richtigen Weg finden. Um das Schloss auseinander zunehmen gehe ich anfangs falsch vor. Ich entferne den 165 Der eiskalte Einbrecher Sprengring und stecke den Flachschlüssel ganz in das Schloss. Fachlich richtig heißt es: Ich führe den Zylinderschlüssel in den Schließkanal bis zum Anschlag ein. Ohne Sprengring lässt sich der Kern aus dem Gehäuse herausziehen. Das Ganze hat nur einen Nachteil. Sämtliche winzige Einzelteile sind im ganzen Zimmer verstreut und unmöglich zum finden. Tage und Wochen später kommen die kleinen Stiften und Federn hinterm Bett oder Sofa wieder zum Vorschein. Das geht so oft bis Marcus eine zündende Idee hat. Er steckt das Schloss in durchsichtiges Plastiksackerl, ein Gefrierbeutel eignet sich bestens, und zerlegt darin den Zylinder. Die Federn fliegen zwar noch immer unkontrolliert raus, jedoch alle in die Tüte. Er lehrt den Beutel über den Tisch und wir können alle Teile auflegen und bestimmen. Ein durchschnittliches Zylinderschloss besteht aus dem Gehäuse, dem Kern, fünf Oberstiften, genauso viele Unterstiften und fünf Federn. Es erstaunt uns, wie einfach die Funktion ist. Die Stifte sind paarweise in Kanälen angeordnet. Jedes Stiftpaar wird von einer kleinen Feder in die Höhe gedrückt. Die Kerben am Schlüssel drücken das Stiftpaar ein gewisse Entfernung hinunter. Der richtige Punkt ist erreicht, wenn Oberstift noch im Kern ist und der Unterstift schon im Gehäuse ist. Das ist die Trennebene. Sind alle fünf 166 Der eiskalte Einbrecher Paare auf dieser Höhe ist das Schloss offen. Die Mechanik ist äußerst simpel gestrickt. Wir finden heraus, dass es nur 10 verschiedene Abstufungen der Stifte gibt. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass die Tresorschlüssel theoretisch einige tausend verschiedene Höhen haben, und das bei 12 Zuhaltungen. Die Zylinderschlösser sind im Vergleich zu den Panzerschränken wesentlich ungenauer gefertigt. Das theoretische Wissen eignen wir uns in wenigen Tagen an und das praktische Können haben wir bereits. Für normale gängige Zylinder kaufen wir die Übungsrohlinge bei den freundlichen Schlossern. Wir sind überrascht, wie billig die sind. So kostet ein Rohling nie mehr als 40 Cent. Die Schlüsseldienste schenken uns auch jede Menge verfräste Schlüssel. Für die Firmen würde es zuviel Aufwand bedeuten, die noch brauchbaren zu sortieren, für uns sind sie wertvoll. Unsere geschulte Beobachtungsgabe kommt uns sehr entgegen und bald können wir das Profil mit einem Blick erfassen. Eine Sekunde auf das Schlüsselloch geguckt und die Schlossmarke steht Hundertprozent fest. Umgekehrt geht das genauso gut. Kurz den Flachschlüssel gesehen, schon wissen wir die Schweifung und die Schlossmarke. Es stimmt, was die Schlüsseldienste mir gesagt haben, denn bei den Spaziergängen durch die Strassen, bei denen wir nur auf die Schlösser der Geschäfte starren, zählen wir nicht mehr als 15 verschiedene Profile. Allerdings fällt uns auf, dass wir für ungefähr die Hälfte der Zylinder Rohlinge haben, für die andere Hälfte nicht. Kelly recherchiert penibel nach und 167 Der eiskalte Einbrecher findet eine bemerkenswerte Eigenheit heraus. Es gibt eine Anzahl von Zylinderschlössern, bei denen die Schlüssel frei käuflich sind. Eine gewisse Gruppe mit spezieller Profilschweifung heißt <gesperrt> und man kann für diese keine Schlüssel bekommen. Es ist eine Sicherheitsmassnahme der Fabriken um die Besitzer vor unberechtigten Kopieren zu schützen. Viele Geschäfte auch der ausgewählte Supermarkt haben diese gesperrten Schlösser. Nachschlüssel werden gegen Ausweis und einer Sicherungskarte beim Hersteller angefertigt. Das Schlimmste ist jedoch, dass es unmöglich ist einen passenden Rohling zu erwerben. Das stellt uns wiederum vor ein großes Problem. Wie sollen wir die Zacken eines Schlüssels nachfeilen, wenn wir nicht die Rohlinge bekommen? Marcus weiß wie so oft die Lösung. „Seid Ihr vielleicht pragmatisch! Wir sind gute Handwerker geworden, das heißt wir sind Korifen, richtige Künstler mit der Feile. Wir werden uns doch so einen blöden Rohling selber machen können.Alles was wir brauchen ist ein flaches Stück Eisen oder Messing.“ „Korrekt“ antworte ich ihm, „manchmal steht man wirklich auf des Leitung. Das wir doch zu schaffen sein. Der Blödsinn mit den gesperrten Systemen ist doch eine Pseudosicherheit. 168 Der eiskalte Einbrecher Bevor ich mich mit einem Metallstück abquäle probiere ich es aus Holz.“ Meine Freundin ist begeistert von meinem Vorschlag: „Gute Idee, aus Hartholz werden wir den ersten Zylinderschlüssel anfertigen. Nur zum Test, ob das Profil sehr heikel ist.“ Ich besorge ein Stück hartes, schweres Holz und beginne es auf die Stärke eines Schlüssels zu feilen. Nach wenigen Minuten muss ich kapitulieren, denn das Werkzeug ist verklebt. Die Feile ist zu fein. Die Späne verschmieren die Zähne. Marcus meint: „Du musst eine Raspel nehmen, die ist rauer und verpickt nicht so schnell, ich bringe dir morgen eine mit. In meiner alten Werkzeugkiste liegt garantiert noch eine herum.“ Gesagt, getan, beim nächsten unserer Gaunertreffen legt er einige grobe Raspeln auf den Tisch. Wir fangen gleichzeitig an ein kleines Holzstück zu bearbeiten. In ein paar Minuten hat jeder ein flaches Holzblatt, genauso dick wie ein Schlüssel. Jetzt muss das Profil noch rausgearbeitet werden. Ich sehe mir das Musterschloss an und beginne mit einem dreieckigen Werkzeug die Längsrillen auf dem Holzstück rauszukratzen. Ich drücke das Werkstück ab und zu vorne in den Zylinder um ein Art Profilabdruck zu erzeugen. Dort wo der Schlüssel in spe noch nicht passt, entsteht ein kleiner Holzdamm. Das überschüssige Material wird etwas gestaucht. Das signalisiert mir die Stelle, wo ich noch abtragen muss. Ich könnte es auch ohne dieses Schummeln schaffen, nur aus dem geistigen Bild, aber man soll sich nicht unnötig quälen. Unglaublich schnell sind wir fertig und haben einen passenden Holzschlüssel. „Probe 169 Der eiskalte Einbrecher bestanden,“ sagt Marcus „jetzt wird es wieder ernst. Die nächsten machen wir aus Metall. Ich traue dem Holz nicht ganz, wenn es bricht, dann schauen wir blöd. Das zahlt sich nicht aus, dass wir im entscheidenden Moment, den Schlüssel abbrechen. Wenn wir aus Holz das schaffen, werden wir aus Eisen das auch können.“ Kelly meint: „Das wäre nicht sehr angenehm, wenn wir nochmals vor einer geschlossener Türe stehen, nur weil wir uns jetzt ein bisschen Zeit sparen wollen. Wir haben so viele Monate investiert, was ist da schon eine Woche? Außerdem könnten wir unser Vorhaben garantiert vergessen, wenn die Belegschaft nächsten Tag einen abgebrochenen Schlüssel im Schloss findet. Die Polizei würde das Geschäft überwachen, die wissen doch was da los ist. „ „Gut, gut“ sage ich, „wir machen den Rohling aus Metall. Ist nur geringfügig mehr Arbeit, aber das Risiko ist weg. Da kann nichts passieren. Wir brauchen nur ein passendes Eisen oder Messingstück, damit wir nicht so viel feilen müssen. Die Schweifung ausarbeiten genügt, vielleicht können wir uns die Dicke ersparen, und finden etwas passendes. Bei den Eisenhändlern wird schon was herumliegen.“ Richtig gedacht – Bei einem Eisenhändler finde ich einen idealen Messing- 170 Der eiskalte Einbrecher streifen. Zwei Millimeter dick, zwei Zentimeter breit und einen Meter lang. Es liegen ungefähr 20 von diesen Metallstangen auf einen Haufen. Ich nehme drei und gebe dem Mann 5 Euro. Er raunzt aufgrund des schlechten Geschäftes, letztlich ist ihm egal. „Glück muss der Mensch haben,“ meint mein Kollege, als er erfährt von meinem Kauf. „Zwei Millimeter hat auch ein durchschnittlicher Flachschlüssel, da ersparen wir uns eine Menge Arbeit. Wenn der Originalschlüssel um ein paar Zehntel stärker ist, so macht das überhaupt nichts aus. Wie ich gesagt habe , wir müssen nur das Profil ausarbeiten, dann haben wir jeden geschützten Rohling den wir wollen. Die Leute sind wirklich naiv, wenn sie sich auf gesperrte Schlüssel verlassen.“ Wir sägen als erstes einige Stücke von den Metallstreifen ab. Etwa doppelt so lang, wie ein Schlüssel. Länger deshalb, damit mit man es gut in den Schraubstock einspannen kann. Wir bekommen einen Lachkrampf über die Groesse der Originale. Uns 171 Der eiskalte Einbrecher fehlt einfach die Erklärung, warum die so klein sein müssen. So klein, dass kein normaler Mensch bequem aufsperren kann, geschweige denn, er ist älter. Wir lachen aus tiefsten Herzen über unserer eigenen Witze. Wir amüsieren uns über Aussagen wie: Vielleicht kann man die Schlüssel noch kleiner machen, oder das Schlüsselloch noch geheimer. So geht es eine halbe Stunde hin und her. Wir sind froh endlich wieder etwas lustig zu finden in unserem traurigen Armutsdasein. Mit kleiner Dreieck- Rundfeile machen wir uns an die Arbeit. Der Trick mit dem Aufstauchen des Materials funktioniert nicht ganz so gut wie mit Holz, es ist uns dennoch eine kleine Erleichterung. Das Metall schiebt sich nicht so stark zusammen, es lassen sich aber doch winzige Spuren erkennen. Den Grossteil der Profilausarbeitung erledigen wir mit Augenmass. Sehr genau muss man nicht sein. In das Schlüsselloch muss er passen und leicht bewegbar muss er sein. Er darf nicht klemmen und nirgendwo zwicken. Seitlich darf etwas Spiel sein, nur nach oben und unten darf der Schlüssel nicht wackeln. Das sind die einzigen Kriterien die erfüllt werden müssen. Mit diesen selbstgefertigten Spezialrohlingen machen wir uns daran für gesperrte Schlösser die Schlüssel zu feilen. Diese Tätigkeit entpuppt sich als relativ einfach. Viel einfacher als die Arbeit an den Tresoren. Zum Einprägen der Zackenabstufungen greifen wir zu einem einfachen Trick. Bei den Chubb und Doppelbartschlössern hielten wir uns an den Durchmesser des Dornes. Da dies bei Flachschlüssel nicht möglich ist, finden wir eine 172 Der eiskalte Einbrecher sehr einfache Eselsbrücke. Wir vergleichen die Einfräsungen mit dem Profil. Dieser Weg stellt sich als überaus effektiv heraus. Das Erkennen und Schätzen eines Schlüssels funktioniert in zwei Stufen und dauert höchstens zwei Sekunden. Mit dem ersten Blick erkennen wir das Profil. Von diesen Längsrillen lässt ich mühelos und genau die Stiftlängen und damit die Feiltiefen ableiten. 173 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 16 Die kriminelle Zukunft Jetzt steht unserer kriminellen Zukunft nichts mehr im Weg. Kelly macht sich auf den Weg zu KS 2490, um den Schlüssel für die Eingangstüre auszuspionieren. Sie ist die einzige, die in diesem Geschäft noch nicht bekannt ist. Zuerst geht sie unauffällig zum Hintereingang. Sie muss die Schlossmarke eruieren. Ein Blick genügt. Um den Schlüsselbund der Kassiererin zu sehen, muss sie wieder einen neuen Einfall haben. Der Etiketten- und kein <Geld haben Trick> könnte die Dame an der Kassa stutzig machen. Kelly sucht ein Produkt, dessen Haltbarkeit abgelaufen ist. In einem normalen Supermarkt ist das keine große Herausforderung. Die Eierbiskotten sind meist alt, so auch diesmal. Mit einem halben Liter 174 Der eiskalte Einbrecher Milch und den verdorbenen Keksen steht meine Freundin an Kassa und wartet. Nach dem Bezahlen entdeckt sie wie zufällig das Verfallsdatum und sagt es der Kassafrau. Diese sieht sich kurz die Packung an und meint gestresst: „Da kann ich nichts dafür, holen Sie sich andere. Sie können sich sogar zwei Packerl holen, bei uns gilt frisch oder gratis. Kelly antwortet ihr: „Nein das tue ich nicht. Ich habe kein Vertrauen mehr, die sind womöglich wieder alt. Bitte geben Sie mir mein Geld zurück.“ „Da müssen Sie warten, ich habe keinen Schlüssel. Ich muss die Chefin rufen.“ Kelly besteht auf Ihrem Recht und weicht natürlich nicht ab. „Dann tun Sie das oder soll ich rufen?“ Unterdessen fangen die anderen Kunden zu murren an und die überforderte Frau klingelt. Die Chefin kommt und weiß was los ist. Jetzt kommt der Moment auf den Kelly gewartet hat. Die Filialleiterin steckt einen kleinen Schlüssel in die Kassa und der ganze Ring baumelt. Meine Freundin sieht sofort den Tresorschlüssel und mindest 10 verschiedene Zylinderschlüssel. Zu ihrem großen Erstaunen passt jedoch kein einziger dem Profil nach zu dem Schloss im Hintereingang. Es ist auch keiner dabei, der zum Vordereingang gehört. Sie starrt auf den Bund, um sicher zu gehen, aber es bleibt dabei. Der Eingangsschlüssel ist nicht auf diesen Bund. Als Kelly diese Vorkommnisse Marcus und mir erzählt sind wir wieder deprimiert. Es ist verhext! Unser ganzes Können nutzt uns nichts, wenn wir den verdammten Schlüssel nicht sehen können. Die Filialleiterin hat ihn wahrscheinlich auf ihren Privatbund und der wird 175 Der eiskalte Einbrecher uns verborgen bleiben. Es ist zu gefährlich die gehirngewaschenen Bediensteten anzusprechen. Wir sind schon einmal nur mit Glück ohne Polizei davon gekommen. Es ist soweit, wir stehen an. Die ganze Mühe war nun umsonst. Keiner von uns kann akzeptieren, dass die Geschichte für unsere Begriffe schlecht ausgehen soll. „Wir können nicht aufgeben,“ sagt Marcus, „es muss eine Lösung geben. Mir ist es egal, ich breche die Türe auch auf. Wenn Ihr nicht mitmacht, dann ist es eure Sache. Ich kann nicht mehr zurück. Ich bin am Sand, ich habe keinen Groschen Geld. Ich muss das tun. Ich habe die Miete schon seit zwei Monaten nicht bezahlen können. Nächstes Monat delogieren die mich, dann liege ich auf dem Bahnhof und verrecke. Ich muss euch gestehen, dass ich keine Angst mehr vorm Gefängnis habe. Wir tun ja nichts Schlechtes, das haben wir ja schon besprochen. Das ganze Geld ist versichert und 176 Der eiskalte Einbrecher einer Versicherung tut es nicht weh. Also was ist mit euch?“ Marcus regt sich während seines Monologes wahnsinnig auf und nur mit Mühe können wir ihn etwas beruhigen, bevor er losstürmt und die Eingangstüre des Ladens eintritt. „Marcus,“ sage ich und halte ihn mit beiden Händen fest, „wir wissen von deinen Problemen. Glaubst du uns geht es besser? Wir haben genauso wenig wie du. Nur müssen wir jetzt die Nerven behalten und nicht durchdrehen. Möchtest du fünf Jahre sitzen? Das bereust du, das kannst du mir glauben. Im Knast ist es kein Honiglecken, da musst du erst recht schuften. Da musst du für einen Euro am Tag Suppengrün verpacken oder wirst vermietet an reiche Konzerne, die dann noch reicher werden. Glaubst du, das ist ein Zufall, dass die Multis so viel Reichtum haben. Die Gesetze sind doch von denen gemacht, um Leute wie dich und mich zu Sklaven zu machen. Die haben doch keinerlei Skrupel, dich auszubeuten bis du stirbst und schneiden sie dir noch die Nieren raus. Wenn es Krieg gäbe, dann müssten wir Soldaten spielen und für die Mächtigen der Welt Raubzüge machen und abschließend ökonomisch sterben. Schau dir an, was die Schweine mit der Welt machen! Die haben schon goldene WCs und wir verhungern fast. Jetzt dreh 177 Der eiskalte Einbrecher nicht durch! Wir finden eine Lösung, ich verspreche es dir.“ Marcus sitzt am Boden und starrt ins Leere. Er hört mich, aber kann nicht antworten. Kelly faucht mich an: „Phil, du bist auch nicht sehr klug! Wieso erzählst du ihm in seinem Zustand diese Geschichten von der ungerechten Welt. Deine menschlichen Parolen helfen hier keinen! Das bringt ihm doch nichts.“ Sie nimmt das Gespräch mit Marcus in die Hand und redet auf ihn ein. Sie ist von Natur aus wesentlich sprachgewandter und durch ihren Beruf weiß sie, wie man verzweifelte oder depressive Menschen aufrichtet. Nach einer Stunde geht es ihm besser. Kelly ist fantastisch, sie ist mein guter Geist. Alle menschlichen Probleme kann sie lösen. „Ich werde mich in der nächsten Zeit um das küm178 Der eiskalte Einbrecher mern, was ich besser kann, denn Psychologie ist nicht meine Stärke.“ Sage ich zu den beiden. „Ich finde einen Weg um zu dem Schlüssel zu gelangen.“ Die folgenden Tage verbringe ich nur mit dem Zerlegen und dem Zusammenbauen der Schlösser. In wenigen Minuten ist das Schloss in sämtliche Teile auseinandergenommen und genauso schnell wieder zusammen. Ich mache das, um irgendwas zu entdecken was mir weiterhelfen könnte. Es muss eine Möglichkeit geben nur sehe ich sie nicht. Wenn man sehr oft das selbe tut wird man unvorsichtig, und so passiert mir ein kleines Missgeschick. Ich vertausche zwei Stifte mit einander und das Schloss lässt sich nach dem Zusammenstecken nicht mehr sperren. Der Ärger kommt in mir hoch denn ein Zylinder mit falsch bestückten Stiften ist kaputt. Ich stecke den Schlüssel ganz hinein, drehe und wackle dabei voller Zorn wie ein Wahnsinniger aus Hoffnung, dass es doch auf geht. Nichts zu machen, der Zylinder bleibt geschlossen. 179 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 17 Die neue Technik Ich ziehe den Schlüssel heraus und will ihn wegwerfen. Bevor er im Mistkübel landet, sehe ich ihn mir noch einmal an. Wie der Teufel es so will entdecke ich eine glänzende Stelle. Die abgeriebene Fläche ist in einer Fräsung. Es ist die Kerbe, bei der ich Kern- und Gehäusestift vertauscht habe. Der Stift reibt an dieser Stelle. Plötzlich fährt es wie ein Blitz ein und ich erinnere mich an die Zeit als wir uns mit den Tresorschlüssel abgequält haben. Die selbe glänzende Stelle war auch an den Doppelbartschlüssel zu sehen, wenn diese nicht sperrten. Erst als wir diese Stelle wegfeilten und den Abdruck glätteten, öffnete er das Schloss. Ich bin nun überzeugt, dass zwischen den glänzenden Stellen und den nicht sperrenden Schlüssel ein Zusammenhang besteht. 180 Der eiskalte Einbrecher Diese neuerliche Erkenntnis lässt mich nicht los und fesselt mich. Ich mache die Probe und trage mit einer sehr feinen Feile die glänzenden Fläche in der Schlüsselkerbe ab. Gerade soviel, dass die Oberfläche der Fräsung wieder matt ist und führe den Schlüssel erneut in den Schließkanal. Es tut sich nichts, das Schloss bleibt geschlossen. Ich ziehe ihn wieder raus und betrachte die Oberfläche der Kerben. Es ist nichts zu erkennen. Keine aufgestauchten Stellen, nichts glänzt, er ist genauso wie er vor dem Sperrversuch war. Die Abdrücke müssen demnach von den verzweifelten und kraftvollen Wackelversuchen herrühren. Um diese Gewissheit zu erlangen, stecke ich ihn wieder bis zum Anschlag in den Zylinder und wippe, drehe, bewege ihn auf und ab und rüttle. Anschließend schaue gespannt auf die Fräsungen. Es ist tatsächlich wieder eine Stelle angerieben und glänzt! Es steht eindeutig fest: Ein zu langer Stift wird nicht in den Stiftkanal geschoben. Er verkeilt sich und drückt sich am Schlüssel ein. Dieser Abdruck ist sichtbar. Ich feile wieder die sichtbare Stelle weg, natürlich sehr vorsichtig. Mehr als ein zehntel Millimeter ist es nicht. Diesen Vorgang des Abfeilens, Probierens und Schauens wie181 Der eiskalte Einbrecher derhole ich ungefähr 10 bis 12 mal. Beim 12 Versuch, vielleicht ist es auch der dreizehnte, dreht sich der Schlüssel und öffnet. Ich bin fasziniert und mache weitere Tests. Dazu zerlege ich einen Zylinder und nehme alle Stifte heraus bis auf zwei Paare. Ein neuer Rohling wird von mir ins Schloss eingebracht und ich vollführe wiederum die Wackel- uns Wippbewegungen. Wie erwartet sind auf zwei Stellen die Oberfläche des Schlüssels angekratzt. Dort wird gefeilt. Diese Prozedur wird einige Dutzend Male wiederholt. Mir fällt auf, dass manchmal nur eine Reibstelle entsteht, dann wieder zwei. Einmal glänzt die vordere Kerbe, ein anders Mal die hintere. Der Grund liegt auf der Hand, je nachdem welcher Stift klemmt. Wenn eben nur einer klemmt, entsteht nur bei diesem ein Abdruck, der andere federt ins Gehäuse zurück. Ich arbeite mit einer feinen dreieckigen Schlüsselfeile, einer Schlichtfeile. Da ich mich sehr für dieses Verfahren interessiere, such ich gezielt nach weiteren und tieferen Informationen. Ich erfahre, dass dieses Öffnungsmethode Impressionstechnik heißt. Das wirklich geniale daran ist, dass man praktisch aus nichts einen passenden Schlüssel anfertigen kann, ohne das Schloss zu zerlegen. Impression bedeutet soviel wie Abdruck, also Abdruckverfahren. Auf einer Homepage lese ich viel, aber nicht alles nach, so bestelle ich mir das Buch in dem diese Technik ausführlich und verständlich beschrieben wird. Ein paar Tage später kommt es per Post und es ist eine große Hilfe für unser Team. Marcus und Kelly weise ich erst jetzt in das neue Verfahren ein. Ich wollte 182 Der eiskalte Einbrecher sicher sein, dass es auch wirklich funktioniert, um keine falschen Hoffnung zu erwecken. Die Frustration wäre bei einem neuerlichen Fehlschlag nicht mehr zu verkraften. Wir würden vermutlich nicht darüber hinwegkommen. Wir gehen nach dieser Buchanleitung vor und lernen in wenigen Tagen eine unglaubliche Methode. Ohne zu messen und ohne das Schloss zu zerlegen, lässt sich mit der Impressionstechnik ein Schlüssel für praktisch jedes Schloss herstellen. Reinstecken, wackeln, und feilen, das sind die Grundzüge! Wir wundern uns, dass die Öffentlichkeit von dieser genialen Einbrechertechnik nichts weiß. Die Leute sollen dumm gehalten werden, so ist unsere Erklärung, darum erfahren sie nichts wichtiges. Wir müssen lachen über die Zeitungen und deren Inhalt, und über die Nachrichten im Radio. Diese Medien sollen uns aufklären? Das einzige was im Fernsehen zu sehen ist, ist eine Politikerfreakshow mit immer den selben Gesichtern und Reden. Unser Durchblick erheitert uns und es tut gut endlich richtige Hoffnung zu haben. Hoffnung auf eine menschenwürdiges Leben, ohne permanente Existenzangst. Wir bleiben ja nicht immer Mitte zwanzig und benötigen irgendwann einmal auch einen Arzt, den wir uns momentan nicht leisten können. An eine 183 Der eiskalte Einbrecher Altersversorgung oder Pension haben wir überhaupt noch nie gedacht, aber nicht wegen unseres noch jugendlichen Alters, sondern wegen unserer sozialen Misslage. So wie wir drei leben wahrscheinlich Millionen Menschen in tiefster Armut und echter Not ohne von Politik oder Bürgertum bemerkt zu werden. Die Scham seine Not mit persönlichen Versagen zu begründen ist uns eingeimpft. Man ist überzeugt und glaubt selbst am allermeisten, dass man die Schuld für seine Not sich selbst zuordnen muss. Das ist völlig falsch, denn der Staat zerstört von frühester Kindheit jede Initiative und Individualität. Ausbeutung und berechneter Menschenwert prägen das Leben der jungen Menschen. Natürlich haben wir diskutiert, ob es falsch ist was wir vorhaben. Ja es ist falsch und strafbar, aus juristischer Sicht. Aus moralischer und menschlicher Anschauung ist es nicht falsch. Wir schädigen keinen leibhaftigen Menschen sondern nur Gesellschaften und Konzerne. Wir verstehen schon, dass es ein Verbrechen ist, aber nur für die Menschen, welche die Gesetze machen. Streng genommen bin ich ein Sklave, denn ich bin gezwungen einen gewissen Teil meines Lebens kostenlos für 184 Der eiskalte Einbrecher andere zu arbeiten. Ich meine damit die Steuern und Abgaben die verrichten muss, abgesehen von der Zeit beim Militär. Per Gesetz gezwungen zu werden ist gemein und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ein Jahr musste ich ohne Bezahlung schwer arbeiten für andere Menschen. Ich musste anderer Personen Eigentum beschützen, musste die Gleise der Bahn vom Schnee befreien. Aber billiger oder gratis fahren durfte ich nicht. Besonders schlimm waren einige Tage Hochwasser in meiner Soldatenzeit. Meine Kompanie musste einen Einkaufspark vor den Wassermassen schützen und Sandsäcke schleppen. Wir schufteten wochenlang ohne freien Tag bis zu 18 Stunden täglich. Als Verpflegung gab es jeden Tag Eintopf bis auf Sonntag, da wurde Dosenbrot ausgeteilt. Was habe ich als Dank dafür bekommen, etwa einen Einkaufsgutschein oder ein Dankeschön? Nichts, absolut nichts! Das Einkaufscenter hat sich durch meine Sklavenarbeit Millionen erspart. Deswegen kann ich an unserem Vorhaben nichts moralisch Verwerfliches oder Verbrecherisches erkennen. Mit großer Energie 185 Der eiskalte Einbrecher gehen wir es neuerlich an, die Impressionstechnik vollständig zu verstehen und zu erlernen. Wir üben wie schon in der Zeit mit den Tresorschlössern und feilen wie die Verrückten. Zuerst wird der Zylinder mit einem Stiftpaar gefüllt, dann mit zwei, bis schließlich alle Stifte eingebaut sind und wir einen Schlüssel in weniger als zehn Minuten anfertigen können. Mit dieser Fertigkeit trauen wir uns an den Supermarkt KS 2490 heran. Ich bin der erste, der die schwere Aufgabe übernehmen muss und die erste Impression abnehmen darf. Marcus führt mich kurz nach neun Uhr abends in die Nähe des Geschäftes. Von Kelly weiß ich welche Zylindermarke eingebaut ist und stecke je einen Rohling von jedem Eingang ein. Unauffällig gehe ich zum Hintereingang und beobachte die Umgebung aus den Augenwinkel. Blitzschnell ziehe ich den selbstgefeilten Rohling aus der Tasche und stecke in bis zum Anschlag ins Schloss. Mit geübter Hand vollziehe ich die notwendigen Rüttel- und Wippbewegungen um die notwendigen Spuren auf dem Schlüsselrohling zu hinterlassen. Danach begebe ich mich zum Haupteingang und mache das selbe. Ein mulmiges Gefühl ist mein Begleiter. Was ist, wenn mich wer sieht? Wie soll ich das erklären. Marcus holt 186 Der eiskalte Einbrecher mich auf halben Weg ab, obwohl ich das nicht für gut heiße. Es könnte uns irgendeine neugierige Nase beobachten und erst durch das Auto misstrauisch werden. Spazieren geht bald wer, aber der steigt sicher nicht in einen Kastenwagen ein. Wir machen uns aus, dass wir das nicht mehr tun. Der Wagen muss außer Sichtweite des Geschäftes bleiben. Wir fahren dreimal um die Ecke, das halten wir es nicht mehr aus und müssen die Schlüssel anschauen. Ein Blick und wir fallen uns um den Hals vor Freude. Es hat geklappt, es sind eindeutig drei glänzende Stellen zu sehen. Obwohl wir das erwartet haben, ist es doch ein großer Moment unsere Hoffnung bestätigt zu wissen. Ich feile vorsichtig die Reibstellen weg und fertige zur Sicherheit zusätzliche zwei solche Schlüssel an. Ein paar gebe ich meinem Freund. Morgen ist er an der Reihe mit dem Maß nehmen. Wir haben beschlossen uns 187 Der eiskalte Einbrecher diese Aufgabe zu teilen, um möglichst wenig Aufsehen zu machen. Er macht die gleiche Runde wie ich am Vortag, muss aber weiter gehen, weil ich ihn nicht abhole. Wieder sind einige Abdrücke zu erkennen, die sofort in meiner Wohnung bearbeitet werden. Kelly macht sich am dritten Tag auf den Weg. Ich parke einige hundert Meter in der selben Strasse um sie beobachten zu können. Es ist dunkel und ein Mädchen kann gefährdet sein in dieser einsamen Gegend. Im Notfall könnte ich ihr zur Hilfe eilen. Genau in dem Moment als sie zur Hintertür in den Hof des Gebäudes einbiegen will, biegt ein Polizeiwagen um die Ecke. Das Auto verlangsamt die Fahrtgeschwindigkeit, offensichtlich haben sie das Mädchen gesehen. Es gibt mir einen Stich, denn zum Warnen ist es zu spät. Bis ich sie am Mobiltelefon erreiche sind ist das Auto längst schon bei ihr. Ich sehe wie Kelly einbiegt und dann wie ihr die Polizei folgt. Ich bin geschockt und habe keine Vorstellung, was ich tun soll. Diesen Fall haben wir dummerweise nie besprochen und auch keinen Notplan. Ich kann nichts anderes tun als zu 188 Der eiskalte Einbrecher warten, alles andere wäre noch verdächtiger. Die Sekunden dauern Minuten und die Minuten werden zu Stunden. Jetzt ist alles aus, Kelly wurde garantiert verhaftet. Wir sind geliefert und kommen garantiert ins Gefängnis. Das sind meine Gedanken in der schier unendlichen Wartezeit. Der Angstschweiß fließt in Strömen und es fehlt nicht viel, um mich durchdrehen zu lassen. Ich bin fest entschlossen alles zu riskieren und Kelly aus den Fängen der Staatsgewalt zu befreien, notfalls mit Gewalt. Ich starte mein Auto und rolle langsam die Strasse entlang bis ich bei der Einfahrt zum Supermarktparkplatz angelangt bin. Ich nehme mir vor einzubiegen, und mit großer Geschwindigkeit auf die Polizei zuzufahren. In diesem Moment kommt das Polizeiauto aus der Einfahrt. Ich mustere die Insassen um festzustellen, ob meine Freundin mitgenommen 189 Der eiskalte Einbrecher wurde. Nein, das wurde sie nicht, also fahre ich im selben Tempo weiter und schaue nicht mehr hin. Die Polizisten verschwinden aus dem Blickfeld des Rückspiegel und nach einer großen Runde steht Kelly bei der Parklücke und wartet. Ich freue mich wie ein Nackerter als ich sie sehe. Sie springt ins Auto und ich gebe ihr vor lauter Glück einen dicken Kuss. „Was war los mit der Polizei, ich habe mich vor lauter Angst fast angemacht.“ Sie lächelt nur und antwortet mir. „Keine Sorge, es ist nichts passiert. Gerade als ich den Schlüssel probieren wollte, nahm ich das Auto wahr und habe noch vermeiden können, dass die was mitkriegen. Der eine Polizist hat mich gefragt ob ich Hilfe brauche, weil ich da allein unterwegs bin. Ich antwortete ihm, dass es sehr nett ist auf mich aufzupassen. Ich log ihn an und erzählte ihm morgen sei mein erster Arbeitstag hier und, um nicht zu spät zu kommen, gehe ich den Weg noch mal ab. Das wäre peinlich am ersten Tag das Geschäft nicht zu finden. Die zwei amüsierten sich über meine Einfältigkeit und boten mir an mich nach Hause zu führen, wenn die Gefahr bestünde mich zu verirren. Ich machte einen leicht dümmlichen Gesichtsausdruck und meinte, dass dies schon zu bewerkstelligen sei und dass ich für das Hilfsangebot dankbar bin. Dann kicherten sie und fuhren.“ Mir fällt ein Stein vom Herzen über den guten Ausgang. Meine Freundin hat die besten Nerven der Welt. Sie hat trotz Konfrontation mit der Staatsgewalt noch ihre Arbeit verrichtet und weitere Abdrücke gemacht. Bei den folgenden Runden lassen wir das Mobiltelefon auf- 190 Der eiskalte Einbrecher gedreht um uns vor Polizei oder Wachdienst warnen zu können. Es war unvorsichtig nicht permanent in Verbindung zu bleiben, aber wir haben dazugelernt. Der Schreck sitzt tief in den Gliedern. So eine Schrecksekunde will keiner von uns jemals wiedererleben. Die Rotation behalten wir bei. Ich bin das vierte Mal an der Reihe den Schlüssel zu impressieren. Dazu kommt es nicht mehr, denn ein kräftiges Ruck und das Schloss ist offen. Der Schlüssel sperrt! Wahnsinn! Normalerweise müsste man in so einen Moment aufjubeln. Auf diese Freudensausbrüche verzichte ich und spreche nur in die Freisprechanlage meines Telefons: „Offen, wir sind drinnen!“ Dann gehe ich im selben gemächlichen Tempo zurück zu Marcus Wagen. Ich muss mich disziplinieren, um nicht zu laufen. Das würde ungewollte Aufmerksamkeit erregen. „Wir haben es geschafft, Marcus,“ sage ich, „alle Türen sind offen. Schau was ich der Hand habe. Das ist der Schlüssel für den Hintereingang, Ha Ha! Und zu Hause liegt der für den Tresi. Wir brauchen nur mehr einen Termin und das war es! Fertig Aus Schluss Basta!“ „Ich kann es gar nicht glauben,“ antwortet er mir, „los wir müssen Kelly informieren, sie wartet sich schon. Eine kleine Feier muss 191 Der eiskalte Einbrecher auch sein, die haben wir uns verdient.“ Wir stoßen mit Pfefferminztee an. Alkohol mag keiner von uns und es wäre töricht nur wegen eines Klischees sich selbst zu belügen und Sekt zu trinken. Nach dem ersten Schluck kommt meine Freundin gleich zur Sache: „Wann? Freitag wäre gut, oder habt ihr einen besseren Tag. Wir wollten letztens auch freitags reinmarschieren, als wir die Kleinigkeit mit der Eingangstüre vergessen hatten. Wir stimmen ab“ Mein Kollege und ich sehen uns an und meinen gleichzeitig: „Freitag!“ 192 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 18 Einbruch - Abbruch Es sind noch einige Tage bis zum Tag X und die verbringen wir mit Arbeit und viel Schlaf. Wir wollen topfit sein. Ich gehe Donnerstag ins Hallenbad duschen. Freitag nach der Arbeit treffen wir uns, um endlich zuzuschlagen. Es kann nichts mehr schief gehen. Es soll genauso ablaufen, wie wir es bei unseren Fehlversuch geplant haben. Kelly und ich sollen den Panzerschrank ausräumen und Marcus wartet im Auto mit eingeschaltetem Mobiltelefon. Wir gehen die Strasse hinunter zum Geschäft und bewegen uns auf den Hintereingang zu. Ich öffne die Türe und wir betreten den Markt. Es ist ein aufregendes Gefühl sich illegal hier aufzuhalten. Es brennt nur ein Notlicht und die Regale wirken gespenstisch auf uns. Es ist für uns beide die erste richtige Straftat. Mit trockenem Mund und auf Ze193 Der eiskalte Einbrecher henspitzen schleichen wir zum Büro. Wir passen höllisch auf nirgendwo anzustreifen oder etwas umzustoßen. Die Gefahr ist beim Schummerlicht durchaus gegeben. Meine Hand zittert als ich den Doppelbartschlüssel der Tasche ziehe und in den Tresor stecke. Eine Bewegung, ja der er dreht sich vollständig. Das Schloss öffnet sich und ich kann mit der anderen Hand am Griff ziehen. Unsere Herzen schlagen wie verrückt, wir haben ein Heidenangst. Kelly steht schräg hinter mir und starrt wie gebannt über meine Schulter. Die Anspannung ist gewaltig und schon will ich die Stahlschranktüre mit einem Ruck zur Gänze öffnen, da überlege ich es mir plötzlich und schließe ihn. Kelly haucht mir wütend ins Ohr: „Bist du verrückt, was tust du? Schnapp das Geld und Abmarsch. Sag mal hast du sie noch alle?“ Ich schließe den Panzerschrank ab stecke den Schlüssel ein und flüstere zu meiner wütenden Begleiterin. „Gehen wir, ich erkläre es dir später.“ Widerwillig tut sie was ich sage und ich kann trotz des schlechten Lichts erkennen, dass ihr Kopf hochrot gefärbt ist und sie als ganzer kurz vorm explodieren ist. „Schnell raus hier“ sage ich und öffne die Türe nachdem ich vor durch einen kleinen Spalt geguckt habe, ob die Luft rein ist. Sorg194 Der eiskalte Einbrecher fältig wird die Türe abgesperrt und wir gehen zügig zurück zum Wagen. Meine Freundin reißt die Autotüre auf und schreit Marcus nieder: „Wir haben es mit einem Idioten zu tun. Alle Türen waren offen, der Tresor auch und dieser Moralist bekam Angst und hat das Geld nicht genommen. Nur dumm gegafft hat er, mit offenen Mund. Ich kann es nicht glauben. Er ist unverrichteter Dinge abgehauen.“ Dann dreht sie sich schwungvoll um und funkelt mich böse an: „So, jetzt raus mit der Sprache auf das bin ich gespannt was du zu sagen hast.“ Ich räuspere mich und sage: „Bitte hört mir zu, ich habe meine Gründe für mein Handeln. Fahren wir weg von hier, am Besten nach Hause, ich erkläre euch dann Alles. Ihr werdet mich verstehen,wenn ihr mehr wisst. Bis dahin lasst mich in Ruhe und verurteilt mich nicht.“ Marcus sagt kein Wort, er kann sich vorstellen, dass es wichtig sein muss. Er fährt schnurstracks zu mir. 195 Der eiskalte Einbrecher Obwohl die Fahrt kaum zwanzig Minuten dauert ist eine äußerst unangenehme Stimmung im Auto. Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Es ist zum vergleichen mit einer nicht enden wollenden Aufzugsfahrt in einer überfüllten Kabine. Die zwei kennen mein Motiv nicht, sie haben keinerlei Vorstellung über meine Gründe. Ich habe ihnen bis jetzt auch noch keinen Anhaltspunkt gegeben. Kaum sind wir in meiner Wohnung angelangt bestehen beide auf eine Rechtfertigung meinerseits. Marcus ergreift das Wort. Seine Stimme ist eisig und seine Gesichtszüge wie gemeißelt. Er spricht sehr leise, aber mit einer extrem deutlichen Betonung. Keine Silbe wird verschluckt: „Wir haben einige Monate im Team gearbeitet und unser gesamte Energie auf den heutigen Tag konzentriert. Wir alle brauchen hier jeden müden Euro, sonst hätten wir gar nicht diesen Coup geplant. Deine Begründung für dein asoziales Verhalten muss gut sein, verdammt gut sein. Wenn ich jetzt eine billige Ausrede höre, lasse 196 Der eiskalte Einbrecher ich dich hochgehen. Bei aller Freundschaft, deine Anständigkeit ist kriminell. Und ich habe keine Lust, keine Zeit und kein Geld deine schwachsinnigen Launen mit meiner Existenz zu bezahlen. Wenn ich mit deiner Antwort nicht zufrieden bin, dann hast mich zum Feind und damit ein Problem. Ich habe nichts, absolut nichts zu verlieren.“ Er spricht in einer Tonlage und einer Entschlossenheit, die man selten hört. Und wenn doch, dann vergisst man dieses Gespräch nie mehr in seinem Leben. Ich fühle Angst, Angst vor ihm. Er ist durchaus in der Lage mir etwas anzutun. Aus seiner Sicht befindet er sich im Recht, er fühlt sich hintergangen und. betrogen Wir stehen uns einen halben Meter gegenüber, ich lege beide Arme auf seine Schultern und hole tief Luft: „Marcus“ sage ich „und Kelly natürlich, hört mir bitte zu. Wir hätten heute 20000 oder mit viel Glück 30000 Euro erbeuten können. Was ist das schon? Für jeden von uns wäre das 10000 gewesen. Das hätte nicht mal ausgereicht um unsere Schulden und dringendste Bedürfnisse abzudecken. Dann wären wir wieder pleite. Morgen oder spätestens Montag wird der Diebstahl entdeckt und was glaubt ihr was dann los ist. Die kommen garantiert dahinter, wie wir das gemacht haben und beauftragen ein richtig gutes Sicherheitsunternehmen mit einer Risikoanalyse. Die 197 Der eiskalte Einbrecher schlagen dann vor die Sicherheitsvorkehrungen zu ändern und zu verschärfen. Infrarot Kameraüberwachung, Zeitschlösser, Alarmüberwachung, Wachdienst, das ganze Programm. Die lassen sich doch nicht bestehlen. Die wissen, wir schlagen wieder zu und binnen einer Woche sind die größten Märkte neu abgesichert. Wir können also diesen Diebstahl nur einmal durchführen, dann ist Schluss. Für so einen Pappenstiel haben wir uns zu viel abgeplagt. Als ich den Panzerschrank aufgesperrt hatte ist mir zu Bewusstsein gekommen, dass die gesamte Aktion maximal zwei Minuten dauert. Was haltet Ihr davon, wenn wir so richtig, ich meine richtig fett absahnen. Wenn Ihr nicht wollt, dann fahre ich zurück und hole alleine Losung.“ Die zwei sehen mich an und wissen nicht was ich meine. Ohne auf eine dummen Rhetorikfrage zu warten rede ich weiter: „Ok, Ihr versteht mich nicht. Ich erkläre es euch langsam, damit auch Amateure wie Ihr es seid versteht. Seid Ihr dabei, wenn wir nicht nur einen Laden ausräumen, sondern vielleicht zehn oder mehr in einer Nacht. Überlegt doch mal, wenn wir noch einen Monat investieren, dann schaffen wir es doch sicherlich auch von anderen Filialen die Schlüssel zu kopieren. Mit unseren Fähigkeiten und Fertigkeiten ist das möglich. Die Eingangsschlüssel holen wir uns mit der Impressionstechnik und die Tresorschlüssel durch Beobachtung.“ Kelly lächelt endlich wieder und fängt anschließend zu weinen an: „Phil es tut mir leid, dass ich so böse war zu dir. Ich dachte du bist durchgedreht und traust dich nicht, oder bist 198 Der eiskalte Einbrecher sonst nicht ganz dicht. Dabei hätte mir klar sein sollen, dass du weiter denkst.“ „Ist schon gut, das macht nichts wie du warst. Es ist auch meine Schuld, ich hätte ja was sagen können.“ Marcus Miene hat sich auch gelöst. Er wirkt wieder wesentlich entspannter. „Zehn Firmen sind zehn Tageslosungen sind 200 000 Euronen! Ich bin dabei, Tut mir leid, wenn ich dir gedroht habe, aber ich habe plötzlich so Angst gehabt, dass ich auf der Strasse lande. Ich vertraue dir selbstverständlich, das war nur eine Kurzschlussreaktion.“ Ich bin erleichtert über das Einverständnis und komme gleich zur Sache: „Wann fangen wir an?“ Mein Freundin meint: „Morgen oder besser noch, nächste Woche. Für heute war das genug Aufregung. Ich bin erledigt, der Nervenstress hat mich zehn Jahre meines Lebens gekostet. Ich gehe ins Bett, und schlafe bis Montag.“ Wir sind alle einer Meinung. Wir brauchen zwei, drei Tage Erholung. Es war zuviel. Die ganze Woche waren wir auf Hochtouren wegen des heutigen Vorhabens und dann dieser Wechsel der Taktik, mitten im Gefecht. Wir sind ausgebrannt und beschließen auf Montag zu vertagen. 199 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 19 Neuer Plan Montag nach der Arbeit ist das nächste Treffen geplant, jedoch ohne Kelly, sie hat Nachtdienst. Marcus und ich gehen zu einer Eröffnung eines Museums. Wir wissen nicht einmal was ausgestellt wird, wir kommen lediglich wegen des kostenlosen Essens. Bekannte Gesichte wohin man schaut. Wir verdrücken uns mit überladenen Pappendeckelteller in eine Ecke und besprechen die neue Sachlage. Nach kurzer Zeit steht unser neuer Plan fest und, obwohl meine Freundin nicht dabei ist sehen wir ihn als ideal und durchführbar an. Kelly ist garantiert einverstanden. Wir nehmen an, dass man für einen Supermarktresor ausräumen fünf Minuten benötigt, wenn man alle Schlüssel hat. Dazukommen in etwa fünf Minuten 200 Der eiskalte Einbrecher Wegzeit für den Fußmarsch vom und zum Auto. Die Fahrzeit beträgt wiederum zehn Minuten. Die ganze Stadt ist übersäht mit Supermärkten. Länger muss man nie fahren. Das sind zwanzig Minuten für einen vollständigen Ablauf. Somit können wir drei in einer Stunde schaffen sind dreißig pro Nacht. Durch unseren Beruf kennen wir die ganze Stadt. Wir kennen jede Strasse und jeden Schleichweg. Das hilft uns bei der Planung der Route. Trotz unserer Vorkenntnisse dauert es fast zwei Wochen eine ideale Strecke zu finden. Wir überlegen hin und her, denken an mögliche Rotphasen oder sonstige Hindernisse. Es sollen nur Geschäfte bestohlen werden mit guter Losung und keine Minimärkte knapp vor dem Konkurs. Dann ist die Wegführung fertig. Die Knochenarbeit steht uns noch bevor, wir müssen von jedem Laden den Schlüssel für den Eingang herstellen und den Tresorschlüssel. Der ist wesentlich schwieriger zum Nachfeilen. Wir diskutieren aus, auf welche Weise wir zu den Zylinderschlüssel kommen wollen. Am geeignetsten erscheint uns die Impressionstechnik, weil wir sie ohne die unfreiwillige Mithilfe der Angestellten ausführen können. Das opti201 Der eiskalte Einbrecher sche kopieren heben wir uns für die Tresorschlüssel auf. Das Provozieren eines Kassavorfalles ist unangenehm und risikobehaftet genug. Schließlich wollen wir dreißig verschiedene Schlüssel abschauen. Marcus hat einen Einfall, der uns viel harte Arbeit erspart. Er meint: „Pass auf was ich mir gedacht habe. Eine Supermarktkette hat doch manchmal hunderte oder tausend Filialen. Ein führender Manager hat sicherlich immer Zutritt zu jeder einzelnen. Ich bezweifle, dass der tausend Schlüssel auf seinem Bund hat. Ich sage dir, die haben ein Schliesssystem oder Schließanlage mit Gruppen-, Haupt-, und Generalschlüssel. Wir benötigen theoretisch nur den Generalschlüssel und kommen in jede Filiale.“ Ich denke eine Weile nach und pflichte ihm bei: „Stimmt! Das ist ein Haupttreffer! Das ist nicht schwierig einen Hauptschlüssel ausfindig zu machen. Ich habe mich so viel mit dem Zeug beschäftigt, ich weiß wie man den findet. Entweder man hat ein Schloss oder zwei oder noch besser drei Schlüssel. Dann gibt es keine Fehler mehr, zumindest ist die Gefahr äußerst gering. Schloss haben wir keines zur Verfügung. Wir könnten eines ausbauen aber das Risiko erwischt zu werden ist zu groß. Ich schlage vor wir besorgen uns drei Schlüssel mit Hilfe der Impressionstechnik und aus den leiten wir die Schließung der Anlage ab.“ Marcus widerspricht mir: „Auf unserer Tour sind drei verschiedene Ketten. Meinst du, wir sollten uns die Arbeit antun, oder sollen wir umdisponieren und nur eine Firma ausnehmen?“ „Ich finde wir sollten fleißig sein und mischen. Erstens ist es schwerer für 202 Der eiskalte Einbrecher die Polizei und, wenn es schief geht mit einem Universalschlüssel, dann bleiben uns immer noch die anderen Ketten. Man weiß nie bei solchen Konzernen. Die tauschen dann über Nacht die Schlösser aus, weil die was spitzkriegen und wir schauen durch die Finger.“ Wir fangen an Abdrücke zu machen. Die Filialen werden zufällig ausgewählt. Der einzige Nachteil ist, dass wir jeden Tag 9 Schlüssel probieren müssen. Pro Firma drei verschiedene Geschäfte. Dieses Programm ist abendfüllend. Jeden Tag geht ein anderer von uns dreien die Runde um nicht aufzufallen. An den Tagen an denen Kelly Nachtdienst hat, übernimmt einer von uns Männern ihre Arbeit. Wir werden dreister und mutiger. Das Hineinstecken des Schlüssels mit den nötigen Bewegungen um die Eindrücke und glänzenden Stellen zu erzeugen geht mittlerweile mit solch einer Geschwindigkeit, dass wir nicht lange vor der Türe verweilen müssen. Wir sind so routiniert, dass dieser Vorgang wortwörtlich im Vorbeigehen abläuft. Einmal kommen mir Passanten entgegen. Das Pärchen hat es nicht gemerkt, dass ich blitzschnell einen Schlüssel ins Schloss gesteckt habe und auch wieder abgezogen. Sicherlich kann es an der Dunkelheit liegen, und, dass sie doch 10 Meter entfernt waren, 203 Der eiskalte Einbrecher aber hauptsächlich an mir und meiner Professionalität. Nach dem Abdrucknehmen müssen die Schlüssel noch gefeilt werden. Meistens mach ich das am nächsten Tag, wenn ich arbeiten sollte. Marcus erledigt unterdessen einige meiner Kundenlieferungen. Ein gutes Abkommen, denn es hat sich gezeigt, dass ich mit Feile der Geeignetste bin. Kelly ist zwar minimal besser, aber sie ist für unsere Runde zu langsam. Es gibt keinerlei unangenehme Zwischenfälle. Vierzehn Tage machen wir, dann haben wir neun Schlüssel. Drei von jeder Firmengruppe. Ein Hauptschlüsselsystem ist so aufgebaut, dass je nach Position im Unternehmen die Zugangsberechtigung erteilt wird. Der Generaldirektor hat einen Schlüssel der jede Türe in der Firma öffnet. Vom Eingangstor bis zum Kunden-WC. Ein Abteilungsleiter darf alle Schlösser in seiner Abteilung öffnen, jedoch nicht in einer anderen Etage. Herr X, ein einfacher Angestellter kann nur sein Büro aufsperren. Aus diesen Anforderungen heraus ergibt sich ein komplexes System. Eine grundlegende Eigenschaft muss bei jeder Schließanlage zu finden sein. Der Generalschlüssel muss so gefräst sein, dass er aus keinem Unter- oder Gruppenschlüssel herstellbar ist. Das bedeutet, er muss die höchsten Einschnitte, oder Zacken haben. Wäre das nicht der Fall, so 204 Der eiskalte Einbrecher könnte man aus einem Lagerraumschlüssel durch abfeilen einen General machen. Das liegt nicht im Sinne der Sicherheit. Ich lege jeweils die drei Schlüssel, die wir uns in den letzten zwei Wochen mühsam besorgt haben sorgfältig auf. Der Logarithmus ist sofort zu erkennen. Ich brauche nur darauf zu achten, auf welchen Schlüssel die höchsten Einfräsungen. Nach diesen lässt sich der Hauptschlüssel leicht ableiten. So bin ich der Lage an einem Abend alle drei Generalschlüssel anzufertigen. Beim Test an einer der nächsten Tage stellt sich heraus, dass zwei anstandslos sperren, einer jedoch nicht. Ich studiere nochmals die Vorlagen, und komme zu dem Schluss, dass diese Schließanlage besser kodiert ist. Wir benötigen einen vierten Schlüssel, dann muss es klappen. Um die Sache zu beschleunigen, wollen wir in einer einzigen Nacht das fehlende Stück besorgen. Wir 205 Der eiskalte Einbrecher suchen einen gut platzierten Laden aus und parken etwa 500 Meter entfernt. Wir wollen im halben Stunden Rhythmus die Impressionen abnehmen. Alle dreißig Minuten ein anderer von uns, und im gleich im Auto abfeilen. Nach jedem Durchgang fahren wir eine Runde und parken an einer anderen Stelle. Diese Vorgangsweise erscheint als unauffällig. Während ich das dritte Mal an der Reihe bin kommt die Polizei. Ob sie mich gesehen haben, als ich beim Schlüsselloch herumwerkelte weiß ich nicht. Ich verfluche unsere Selbstsicherheit und Arroganz. Hoffentlich wird uns unsere Überheblichkeit nicht zum Verhängnis. Wahrscheinlich hat uns ein wachsamer Bürger beobachtet und die Funkstreife alarmiert. Der Wagen stoppt und zwei Polizisten steigen aus und kommen auf mich zu. Mir stockt der Atem, muss mich aber zu einer sofortigen Handlung entscheiden. Einer der Polizisten fragt forsch: „Was machen sie hier bei diesem Geschäft? Haben sie einen Ausweis?“ Von meiner Antwort hängt alles ab. Ich muss in einem Bruchteil einer Sekunde mir eine richtige Ausrede einfallen lassen. Dies ist unmöglich, deshalb sage ich nichts. Der Ordnungshüter wiederholt seine Frage mit noch festerer Stimme und ich weiß immer noch nicht was ich ihm antworten soll. 206 Der eiskalte Einbrecher Besser ich sage irgendwas als gar nichts denke ich und sehe zu meinem Glück in den Augenwinkel eine Bierwerbung auf dem Schaufenster des Supermarktes. Das ist der rettende Einfall. Ich spiele einen Besoffenen und lalle den Inspektor an: „Ich wollte Pipi machen, das ist doch die Toilette oder singen wir noch eine Strophe?“ Der Polizist rügt mich: „Es ist verboten in der Öffentlichkeit seine Notdurft zu verrichten, geben sie mir Ihren Ausweis.“ „Herr Pilot,“ lalle ich fürchterlich, fast unverständlich. „Ich habe keinen Ausweis, und keinen Sitzplatz, ich habe nur Durst!“ Ich muss meinen Zustand der Trunkenheit glaubwürdig unterstreichen. Ich denke an verstopfte öffentliche Toiletten mit schwimmenden Fäkalien und stelle mir den Gestank bildhaft vor.Um etwas Zeit zu gewinnen wanke ich hin und her. Da mir noch nicht übel genug ist vertiefe ich meine Imagination und mache in Gedanken einen kräftigen Schluck aus der Kloschlüssel der verdreckten Strassen - Toilette. Das reicht, der Brechreiz stellt sich ein und ich fange zu kotzen. Ich schaue den Polizisten an, wanke etwas und mein Mageninhalt schießt aus meinem Mund. Um den Ekel der Staatlichen noch zu verstär207 Der eiskalte Einbrecher ken, halte ich blitzschnell meine Hand vor meinen Mund. Die ganze Mischung aus Lös- und Automatenkaffe gemischt mit Spagettiresten wird durch meine Finger gepresst und tropft zu Boden. Ich sage dazu belustigt: „Entschuldigt bitte, ich wollte singen!“ Die Polizisten weichen zurück und geben mir ein Papiertaschentuch. Sie geben immer noch nicht auf und einer meint: „Wenn Sie keinen Ausweis haben, dann müssen wir Sie zur Feststellung Ihrer Personalien auf das Revier mitnehmen.“ Er geht zum Polizeiwagen und öffnet die hintere Türe. Jetzt wird es brenzlig denke ich und setze alles auf eine Karte. Ich mache einen Schritt vorwärts und halte wieder an. „Jö fein, wir machen einen Ausflug. Einen Moment noch,„sage ich und pisse mir in die Hose. Ich stemme dabei die Hände in die Hüfte und lächle. Der warme Urin läuft mir die Schenkel hinunter und färbt meine Hose in Sekunden dunkel. Aus einem Hosenbein rinnt ein dünnes Bächlein. Gut, dass ich soviel getrunken habe, denke ich und freue mich über meine Sauerei. Die Polizisten sehen mich und meine triefend nasse Hose und schlagen die Au- 208 Der eiskalte Einbrecher totüre zu. Einer meint angewidert. „Den können wir nicht mitnehmen, der verstinkt uns die ganz Wachstube und ich muss dann noch das Dienstfahrzeug reinigen. Den lassen wir da stehen.“ Sie steigen ein und fahren. Ich habe mein Ziel erreicht und watschle mit der nassen Hose zu Marcus und Kelly, die mich schon sehnsüchtig erwarten. „Was ist los, wie siehst du denn aus?“ Der Spott geht sofort los. Nach kurzer Aufklärung fahren wir in meine Wohnung. Ich sitze auf der Ladefläche und friere. Nach einer Eisdusche geht es mit frischer Kleidung wieder zurück. Es kann für den vierten Schlüssel nicht mehr viel fehlen, darum wollen wir noch in dieser Nacht fertig werden. Wir schaffen es und ich kann nächsten Abend den fehlenden Generalschlüssel anfertigen. Wir sind alle erleichtert über den glimpflichen Ausgang. Aber noch sind wir nicht am Ziel. Es fehlen noch die Tresorschlüssel. Das bedeutet, es steht uns eine Tortour bevor. Nicht jeder hat den gesuchten Tresoröffner auf ihren Bund. Abwechselnd und mit verschiedenen Tricks bringen wir die Kassiererinnen und Filialleiter zur Offenlegung der Schlüssel. Einige Exemplare sind seltsam gefräst. Es ist für uns unmöglich diese mit einem Blick zu merken. So haben wir bei einem Schlüssel Probleme, die genaue Abmessung zu erfassen und zu merken. Immerhin handelt es sich Distanzen von maximal einen zehntel Millimeter, manchmal noch viel weniger. Kelly hat die rettende Idee. Sie will die Schlüssel fotografieren und zwar nicht mental sondern wirklich. Wir besorgen uns einen Fotoapparat, zuerst einen veralteten 209 Der eiskalte Einbrecher mit Film zum Entwickeln. Das klappt überhaupt nicht. Das Gerät ist zu unhandlich und auf den Fotos ist zu nichts zu erkennen, weil wir versteckt fotografieren müssen. Die nächste Stufe ist eine Digitalkamera. Trotz der hochauflösenden Ausdrucke, die wir in der Zentrale unserer Firma machen dürfen ist genauso wenig zu sehen, weil das Problem des geheimen Fotografierens nicht verschwunden ist. Wir lichten im Prinzip nur die Jackeninnentasche ab oder die eigene Hand. Kelly löst das Problem mit einer genialen technischen Errungenschaft. Sie bestellt sich ein Mobiltelefon mit integrierter Digitalkamera bei einem Versandhandelsunternehmen auf Raten. Es lassen sich auf diese Weise gute Fotos machen, ohne dass es jemand merkt. Einer von uns verursacht den Kassavorfall und meine Freundin steht ein bis zwei Kunden dahinter und tut so als ob sie telefoniert. In Wirklichkeit macht sie Fotos vom Schlüsselbund. Das ist die eine Variante. Die andere ist, dass sie einen Trampel spielt der pausenlos ins Handy quatscht und an der Kassa hat sie dann kein Geld. Wenn die Filialleiterin ihre Eingabe in die elektronische Kassa austragen muss nutzt sie diesen Moment aus und knipst ohne das Telefon vom Ohr zu nehmen. Das klappt gut und 210 Der eiskalte Einbrecher wir erreichen auf diese Weise Bilder von schwierigen Doppelbartschlüssel. Mit hochqualitativen Fotoausdrucken lassen sie sich dann wesentlich leichter nachfeilen. Die Tiefen der Einschnitte auf dem Bart kann man einfach abmessen und den Dimensionen anpassen. Es gibt zu unserem Bedauern einige Filialen deren Tresorschlüssel wir nicht zu Gesicht bekommen, egal welchen Tanz wir aufführen. Die Geschäftsführerinnen sind zu vorsichtig oder haben andere Gründe ihn nicht herumzutragen. Wir haben die Wahl zwischen zwei Unglücken. Entweder wir lassen diese Geschäfte aus und suchen uns andere, oder wir versuchen es mit Hilfe der Impressionstechnik. Beide. Varianten sind schlecht Es sind gerade die Läden, welche die fetteste Losung versprechen und ideal liegen. Darauf zu verzichten würde uns schwer treffen. Dem steht gegenüber, dass wenn wir die Schlüs211 Der eiskalte Einbrecher sel wollen, in den sauren Apfel beißen zu haben und vorher in den Markt gehen müssen. Wir wollen dies probieren ob dies gefahrlos möglich ist und dann entscheiden. Wir fahren nachts zu einen dieser Sorgenkinder. Kelly wartet diesmal im Auto während sich Marcus und ich in die Höhle des Löwen begeben. Wie haben Werkzeug und eine kleine Taschenlampe mit starken LED Dioden in der Tasche. Es ist wieder das selbe beklemmende Gefühl, das ich schon einmal hatte, welches von mir Besitz ergreift. Wir schleichen durch die düsteren Gänge des Marktes bis wir beim Büro angelangt sind. Marcus geht wie auf weichen Eiern und ich als hätte ich die Hose gestrichen voll. Ich führe den ersten Schlüssel in den Tresor ein und fange mit den Abdruckbewegungen an, plötzlich hören wir ein Geräusch. Es klingt wie ein klapperndes Blech. Erschrocken flüstert mir Marcus ins Ohr: „Bitte lass uns gehen, ich sterbe vor Angst. Ich kann dir jetzt nicht eine Stunde zuschauen beim Feilen, das haltet kein Mensch aus. Das dauert viel zu lange, die erwischen uns. Los komm schon, weg hier!“ Ich packe sofort alles zusammen stehe auf und sage: „Bin schon weg, ich habe noch mehr Angst als du. Das ist Schwachsinn was wir hier versuchen. 212 Der eiskalte Einbrecher was wir hier versuchen. Abmarsch im Laufschritt!“ Auf der Strasse fallen wir uns in die Arme vor Erleichterung. So viel Muffensausen hatte wir noch nie in unserem Leben. Wir erzählen Kelly von unserem Erlebnis und wir beschließen es zu vergessen die Schlüssel an Ort und Stelle anzufertigen. Als Konsequenz unserer Entscheidung müssen andere Supermärkte gesucht werden. Die Fahrtroute für den Tag X wird natürlich auch geändert. In wenigen Wochen steht der neue Plan, ohne ein zusätzliches Risiko eingehen zu müssen. Die Tresorschlüssel für die neuhinzugekommenen Filialen erzeugen wir auf die uns vertrauten Methoden. Entweder durch genaue Abschätzung mit Augenmass oder mit Digitalfoto. Die Schlüssel für die Eingangstüren haben wir ja bereits. Bis auf minimale Zwischenfälle verläuft die Vorbereitung wie am Schnürchen. Nach wenigen Tagen ist unsere Sammlung komplett und wir sind im Besitz von dreißig Doppelbartschlüssel. Die Meisterwerke liegen vor 213 Der eiskalte Einbrecher uns auf dem Tisch in meiner Wohnung, und sind kodiert aber sorgfältig beschriftet. Wir sitzen herum und können unsere Tüchtigkeit gar nicht fassen, freuen uns und sind glücklich. Eine Sorge bleibt trotz der sorgfältigen und peniblen Arbeitsweise bestehen. Sperren alle Schlüssel auf Anhieb? In der besagten Nacht bleibt keine Zeit herumzufeilen. Wir müssen rein und raus. Nur drei Minuten Aufenthalt mehr pro Markt würde unseren Zeitplan vernichten. „Es wird uns nichts anderes übrigbleiben und sämtliche Schlüssel durchprobieren, von einem wissen wir ja schon dass er funktioniert.“ meint Marcus. Erschrocken sehe ich ihn an und antworte: „Was soll das heißen? Sag nicht, du willst dich vorher in Supermärkte einschleichen. Erinnere dich an das letzte Mal, wir haben fast einen Herzinfarkt bekommen.“ Er steht auf stellt sich hinter den Sessel und stützt die Hände auf die Lehne: „Wollen nicht, aber müssen! Daran führt kein Weg vorbei. Wenn wir uns beeilen, dann sind wir in ein paar Tagen durch. Die meisten werden sowieso sperren und bei den wenigen, die es nicht tun, fehlt garantiert nur eine Kleinigkeit.“ Er hat mich überzeugt. Dennoch frage ich Kelly: „Wie siehst du das? Sollen wir vorher probieren oder uns verlassen auf unsere Künste?“ Ohne zu zögern antwortet sie: „Um absahnen zu können, dürfen in der 214 Der eiskalte Einbrecher entscheidenden Nacht keinerlei Verzögerungen entstehen. Die zwei Wochen haben wir auch noch. Ja ich bin für den vorherigen Test.“ „Wenn Ihr meint“ sage ich, „dann fangen wir heute noch an. Es ist aber äußerste Vorsicht geboten. Wir müssen noch Vorkehrungen treffen, für den Fall, dass wir erwischt werden. Ich meine, wir sollten die Schlüssel verstecken. So können wir uns vielleicht rausreden und dem Richter erzählen, wir hätten einen Bund gefunden, und unsere Neugier war zu groß. Mit etwas Glück glaubt er uns und wir bekommen eine milde Strafe oder gar keine. Aber wehe, wenn die unsere Sammlung finden, sind wir fällig. Zehn Jahre sind wir dann weg vom Fenster.“ „Und wo?“ meint Marcus, das Versteck muss leicht zu erreichen sein und trotzdem unauffällig.“ Kelly meldet sich zu Wort: „Ich schlage vor, wir probieren drei Schlüssel pro Nacht, das genügt. So hat jeder von uns nur ein Stück bei sich. Die anderen werden aufgeteilt und gut versteckt in der Wohnung. Was weiß ich wo, unter der Waschmaschine oder im Fernseher, da schaut doch kein Mensch.“ „Gut jeder nimmt zehn Stück und einen Generalschlüssel“ sage ich, „und wir fangen 215 Der eiskalte Einbrecher morgen an mit dem Testen, heute sollten wir die Corpi delikti verstecken.“ Das Ausprobieren der selbstgefeilten Tresorschlüssel ist eine enorme Nervenbelastung für uns. Es kostet uns große Überwindung in die Geschäfte nachts reinzuschleichen. Die Angst ist unser Begleiter und jedes noch so winzige Geräusch versetzt uns in Panik. Das schlimmste Erlebnis widerfährt uns während des dritten Tests. Kaum sind wir in den Supermarkt eingedrungen, sieht Marcus das Einsatzfahrzeug des Wachdienstes zum Eingang fahren. Er zischt mich an: „Schnell sperr zu von innen und schmeiß dich hinter ein Regal, der Wachhund kommt!“ Ich schaffe mit Müh und Not den Schlüssel umzudrehen und mache einen Sprung hinter die Blumenerde, die beim Eingang steht. Es ist so knapp, dass der Wachmann eigentlich noch meine Füße sehen müsste. Wir hören ihn rütteln an der Tür und wieder wegfahren. Erleichtert lachen wir auf und machen uns auf den Weg zum Panzerschrank. Das ist der schlimmste Vorfall, den wir erleben. Bei ungefähr jeden dritten Schlüssel ist eine Kleinigkeit zum nacharbeiten. Einer von uns beiden erledigt das in nie mehr als 10 Minuten. 10 Minuten sind eine lange Zeit, wenn man etwas Verbotenes tut. 216 Der eiskalte Einbrecher Ein Schlüssel will absolut nicht sperren. Zuerst feilt Marcus fast zehn Minuten ohne Erfolg. Ich übernehme dann in der Hoffnung, den entscheidenden Feinschliff geben zu können. Als nach fünf Minuten sich kein Erfolg einstellt, brechen wir ab und streichen diesen Markt von der Liste. So bleiben 29 Supermärkte. Nach zehn Tagen haben wir alle ausprobiert und sind fertig. Die Nervosität steigt in uns an, denn die Nacht in der wir den besten Diebstahl des Jahrhunderts durchziehen steht unmittelbar bevor. Einer zwingt den anderen zur Ruhe und Besonnenheit. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, ist unser Leibspruch. Der Termin ist abhängig von einer besonders fetten Losung. Wir sehen auf einen Kalender nach, um den besten Tag auszuwählen. Es soll ein Freitag sein mit anschließenden Feiertag. An diesen langen Wochenende sind die Leute völlig verrückt und kaufen ein als stünde der Hungertod bevor. Wir finden einen solchen Freitag in drei Wochen. Eine lange Zeit um zu warten, aber wenn wir schon ein solches Verbrechen begehen, dann soll es sich auch lohnen. Diese Wochen ziehen sich schrecklich dahin. Wir sind gereizt und nervös. Es darf in dieser wichtigen Nacht keine Pannen geben. Jede Woche fahren wir eine Nacht die gesamte Strecke ab, um uns zu vergewis217 Der eiskalte Einbrecher sern, dass nichts übersehen wurde, oder ob eine neue Umleitung eingerichtet wurde. Die Zeit wird penibel mit drei Uhren gestoppt und niemals wird über die erlaubte Hoechstgeschwindigkeit gefahren. Es geht sich leicht aus und so haben wir sogar noch einen Puffer für unvorhergesehene Ereignisse. 218 Der eiskalte Einbrecher KAPITEL 19 Die Tat Endlich ist es soweit, der Freitag ist da. Wir wählen dunkle bequeme Kleidung um uns leicht bewegen zu können. Der Plan sieht vor, dass Marcus das Fahrzeug lenkt und Kelly und ich in die Supermärkte eindringen. Uns erscheint dies am effektivsten. Marcus ist mit Abstand der beste Fahrer, ruhig und routiniert. Er verliert sicher nicht die Nerven bei einer möglichen Verkehrskontrolle oder bei der Parkplatzsuche. Niemand kennt die Strecke so genau wie er. Ich bin auserwählt für die härteste und schwerste Aufgabe. Ich muss durch die Geschäfte schleichen, die Panzerschränke aufsperren und das Geld nehmen. Kellys Teil besteht darin, dass sie mit mir vom Wagen bis zum Laden geht. Sie sperrt die Türe mit dem Generalschlüssel auf und ich husche 219 Der eiskalte Einbrecher als erster hinein, danach sie. Um Zeit zu sparen gehe ich sofort zum Büro, und sie sperrt hinter sich zu, falls der Wachdienst kommt. Kelly wartet versteckt bei der Türe, so dass man sie von außen nicht sehen kann. Mit Marcus bleibt sie in permanenter Telefonverbindung und beide passen höllisch auf jedes Geräusch oder zufahrendes Auto auf. Sie hört mich aus dem Büro kommen schaut ob die Luft rein ist sperrt auf und wir marschieren raus zum Wagen. Soweit die Theorie. Marcus borgt sich einen Pkw von einem dritten Kollegen aus. Sein verbeulter weißer Kleinlastwagen erscheint ihm zu auffällig. Kelly ist zuständig für die Schlüsselverwaltung. Sie trägt alle Hauptschlüssel bei sich in drei verschieden extra aufgenähten Taschen. Das Auf und Zusperren muss blitzschnell gehen, sie darf sich nicht irren und zum falschen Schlüssel greifen. Die Tresorschlüssel hat Kelly in einer Art Aktentasche fein säuberlich sortiert und codiert beschriftet. Sie gibt mir immer nur einen, den benötigten. Die Fahrzeiten nützen wir um Ordnung zu halten und die Schlüssel zu tauschen. Wir riskieren bewusst das gesamte Sortiment mitzuführen. Es könnte für uns nachteilige Folgen haben bei einer möglichen Verhaftung. Jedoch erscheint es unmöglich nach jedem Diebstahl zurück in die Wohnung zu fahren und die Schlüssel aus dem Versteck zu kramen. Außerdem ist es spätestens nach dem zweiten Supermarkt egal, wenn man eine derartige Geldsumme bei sich trägt. Es blüht sowieso die Hoechststrafe. Ein äußerst wichtiger Faktor ist das Problem eines möglichen Harndranges. Jeder von 220 Der eiskalte Einbrecher uns hat schon schlechte Erfahrungen gemacht. Manchmal wird man direkt erwischt und muss davon laufen, das geht ja noch. Einige besonders eifrige Bürger schreiben die Autonummer auf und erstatten Anzeige. Es kommt zwar nichts dabei raus, aber unangenehm ist es auf die Polizei zu gehen. Das darf uns in dieser Nacht nicht passieren, es wäre für einen guten Kriminalisten möglich einen Zusammenhang zwischen einen Diebstahl und einem auffälligen Verhalten zu finden, nicht leicht aber eben möglich. Die Lösung ist qualvoll. Wir trinken 24 Stunden vorher nichts. So ist die Gefahr plötzlich und unaufschiebbar aufs Klo zu müssen wenigstens minimiert. Für absolute Notfälle wird eine Plastikflasche mitgenommen, uriniert wird im Auto, aufs Geschlecht wird keine Rücksicht genommen. Eine weitere Demütigung muss ich über mich ergehen lassen, die mich bedrückt. Ich muss mir alle Körperhaare restlos entfernen, um keinesfalls verwertbare DNS Spuren zu hinterlassen. Rasieren 221 Der eiskalte Einbrecher erscheint nicht gründlich genug zu sein, es könnte ein Härchen übersehen werden. Es bleibt nur die harte Methode. Eine Ganzkörperrasur mach ich dennoch, dann nimmt Marcus eine Wattebausch beträufelt ihn mit Wundbenzin und brennt mir die letzten Haare weg. Arme, Beine, Brust und Kopf. Sogar die Augenbrauen müssen dran glauben. Ich sehe fürchterlich aus, wie ein Außerirdischer, aber Sicherheit geht vor. Meine Freundin weigert sich diese Tourtour auf sich zu nehmen, ist auch nicht notwendig, da sie die Geschäfte kaum betritt. Chirurgenhaube, Handschuhe und nagelneue Kleidung müssen ausreichend sein. Es ist kurz vor Acht und es ist seit einer Stunde dunkel. Kahlköpfig versuche ich etwas gute Laune zu verbreiten: „Los geht`s Mädels!“ Das war nicht besonders lustig. Wortlos steigen wir in den geliehenen Pkw. Kelly sitzt hinten um mehr Platz zu haben für ihre Aktentasche Die Stimmung ist angespannt und ernst. Punkt Acht bleibt Marcus beim ersten Supermarkt stehen. Kelly wählt Marcus Telefonnummer, die Verbindung steht. Sie gibt mir den ersten Tresorschlüssel und wir steigen aus.200 Meter sind zu gehen, dann erreichen wir das erste Objekt. Es ist einer der kleinsten auf unserer Liste mit weniger Umsatz. Wir haben uns entschieden hier zu beginnen, da der Markt einen uneinsich- 222 Der eiskalte Einbrecher tigen Hintereingang hat und um diese Zeit noch viele Leute auf der Strasse unterwegs sind. Die richtig fetten Ziele kommen erst nach Mitternacht an die Reihe. Die liegen nicht ganz so geschützt. Die Angst ist verflogen und hat der Entschlossenheit Platz gemacht. Unsere perfekte Planung kommt uns nun entgegen, die erste Runde läuft wie geschmiert. Kelly und ich gehen zum Eingang. Ein Griff in die richtige Tasche, alles hundert Mal geübt, und der Generalschlüssel A öffnet die Türe. Rasch bin ich im Laden und eile in Richtung Büro. Hinter mir höre ich wie Kelly zusperrt, sonst nichts. Sie ist äußerst leise. Den Tresorschlüssel halte ich die ganze Zeit bereits in der Hand. Auf den letzten Schritten knipse ich die Taschenlampe an, die geschickt am Handrücken geklebt ist. Eine Stirnlampe wäre zwar besser, aber auf der Strasse auffälliger. Diesmal ziehe ich nicht zurück, das steht fest. Ich stecke den Doppelbartschlüssel hinein und drehe. Es ist immer wieder ein erhebendes Gefühl die Schließgeräusche des präzisen Schlosses zu vernehmen. Ein fester Ruck am Hebel der schweren Türe und offen ist der Panzerschrank. Vor meinen Augen 223 Der eiskalte Einbrecher liegen schwarze Kunststoffbehälter. Mit Filzstift sind auf die Etiketten Zahlen geschrieben. Auf einer Dose steht 30000 und das heutige Datum. Auf dem anderen 11820 und ebenfalls das Datum. Das ist das Geld, schießt es mir ein. Danke fürs Zählen. Darunter stehen noch zwei große Blechkisten mit Hartgeldrollen. Die Münzen lasse ich liegen und nehme die beiden Papiergeldbehälter und stecke sie in meine vergrößerte innere Jacketasche. Einen kurzen Blick mache ich noch durch den Tresor, aber außer Papieren ist nichts interessantes zu finden. Ich schließe die gewichtige Stahltüre und schalte das Taschenlampenlicht ab. Kelly hört mich, kommt aus ihren Versteck beobachtet die Umgebung außerhalb des Geschäftes und sperrt auf. Zwei Sekunden später verlassen wir den Tatort und stehen beide im Hinterhof. Wir blicken uns an und lächeln. 224 Der eiskalte Einbrecher Ruhig und besonnen, ohne Panik gehen wir die Strecke zu Marcus, der bereits am Handy gehört hat, dass wir es geschafft haben. Er startet, wir steigen ein und fahren. Die Telefonverbindung wird unterbrochen, man weiß ja nie wer da so belauscht. Wir rollen langsam auf das nächste Ziel zu. Ich reiche Kelly die Geldbomben und den Schlüssel auf die Rückbank. Sie gibt mir im Gegenzug den passenden für den nächsten Markt. Sie packt die Geldkassetten in eine große schwarze Sportstofftasche und stellt sie neben sich. Der gesamte Ablauf wirkt wie automatisiert, als wäre es das normalste der Welt und wir würden nichts anderes machen seit Jahren. Marcus fährt wie auf Schienen, er lenkt das Auto souverän zum nächsten Ziel. Es wiederholt sich der selbe Ablauf wie beim ersten Supermarkt, nur die Anzahl der Geldbehälter und deren Aufschrift ist unterschiedlich. Um Mitternacht begehen wir unseren dreizehnten Diebstahl ohne den geringsten Zwischenfall und haben sogar noch einen Zeitbonus. Wir sind so routiniert, dass man glauben könnte, wir sind die Geldboten und dürfen die Tageslosungen holen. Die großen Verbrauchermärkte stehen ab nun auf der Liste. Wir erhöhen unser Vorsichtig, denn zu diesen Geschäften kommt öfter der Wachdienst. Mit äußerster Obacht fährt Marcus erst 225 Der eiskalte Einbrecher einmal vorbei, um die Lage auszukundschaften, dann erst parkt er ein und Kelly und ich gehen es an. Die Wege im Markt werden länger. Es ist bei manchen ein schönes Stück zurückzulegen vom Eingang bis zum Büro und zurück. Meine Freundin ist höllisch nervös aufgrund der Verzögerungen und Marcus auch. Ich bin der einzige der nach ein Uhr noch Nerven hat, und kann die beiden beruhigen. Erst bei Diebstahl Nummer 17 gerate auch ich ins Schwitzen. Genau in dem Moment als wir den Supermarkt verlassen wollen schreit Marcus ins Telefon mit einer Lautstärke, dass ich es hören kann, obwohl ich einen Meter von Kelly entfernt stehe: „Bleibt drinnen, verdammt! Die Polizei biegt zu euch ein!“ „Was tun wir jetzt“ fragt Kelly verzweifelt. „Keine Ahnung, warten wir ab, was die wollen.“ Antworte ich ebenso erschrocken. Kaum sage ich das, sehen wir schon die Lichter 226 Der eiskalte Einbrecher des Polizeiwagens auf den Parkplatz einbiegen. Mein Mund ist staubtrocken, trotzdem schwitze wie ein Schwein. Wir verkriechen uns hinter ein Regal und beobachten die Polizisten. Der Wagen hält nur wenige Meter entfernt von der Tür und ein Beamter steigt aus. Er geht zum Kofferraum und nimmt eine starke Stabtaschenlampe. Er rüttelt an der Türe und leuchtet in das Geschäft. Wir ducken uns und der Lichtstrahl verfehlt uns nur um einen Sekundenbruchteil. Wir bleiben wie Bleigewichte einige Minuten auf dem Boden liegen, es kommt uns wie Jahre vor. Kelly flüstert ins Telefon: „Marcus, was ist los da draußen?“ Sofort meldet er sich. „Keine Ahnung, aber die haben alle Eingänge überprüft und sind dann wieder verschwunden. Vielleicht hat wer angerufen, weil er euch gesehen hat. Kommt jetzt raus.“ Mit aller größter Vorsicht verlassen wir das Geschäft und beeilen uns um ins schützende Fahrzeug zu kommen. Sofort fährt Marcus los. „Ich habe geglaubt ich mache mich an“ sage ich frei heraus. „Das ist noch mal gutgegangen, machen wir Schluss? Was meint Ihr?“ Die beiden antworten gleichzeitig wie aus der Pistole geschossen: „Nein! Wir ziehen das durch.“ Kelly fährt fort: „Jetzt kommen erst die guten, bis auf die letzten drei waren es doch Kreisler. Nur mehr zwoelf Mal Angst und es ist vorbei.“ Wir machen weiter, obwohl wir bereits soviel Geld haben wie nie zuvor. Die Gier hat uns übermannt und verjagt die Vernunft. Marcus fährt ab diesen Zeitpunkt schneller und wir zwei beeilen uns auch mehr. Es passieren keinerlei Zwischenfälle mehr und um fünf in der Früh sind wir 227 Der eiskalte Einbrecher fertig. 29 Straftaten in einer Nacht. Wir sind nun richtige Verbrecher. Das Schlimme daran ist, dass es uns nicht das Geringste ausmacht. Eine seltsame Stimmung ergreift uns. Wir spüren weder Euphorie und Stolz macht sich auch nicht breit. Wir spüren genau genommen gar nichts. Entweder es liegt an der Übermüdung, die wir jedoch nicht bewusst wahrnehmen, oder wir bergreifen unsere Tat noch nicht. Marcus fährt uns in meine Wohnung zurück. Die Tasche mit dem Geld ist dermaßen schwer, dass wir sie zu zweit schleppen müssen. Ich schiebe den Tisch 228 Der eiskalte Einbrecher und die Sessel auf die Seite um Platz zu machen. Wir leeren die Tasche auf den Fußboden aus und ein Schwall von Geldbomben ergießt sich ins halbe Zimmer. Behälter für Behälter wird aufgerissen und das Geld wird sorgfältig sortiert. Das dauert fast bis zehn Uhr am Vormittag. Dann wird gezählt und die Geldstapel beschriftet. Anschließend notiert Kelly die Beträge auf einen Block, rechnet zusammen und kontrolliert mit dem Taschenrechner. Es sind 1 590 350 Euro! Wir zählen noch mal und noch mal und noch mal. Es stimmt! Wir haben über 1,5 Millionen Euro erbeutet. Wir sind müde und erschöpft, aber dennoch glücklich. Fragen werden später gestellt und auch später beantwortet, jetzt wird einmal geschlafen. Keiner fährt mehr nach Hause, alle bleiben bei mir. Marcus schläft auf dem Sofa und Kelly bei mir. Ich schlafe ungefähr 15 Stunden und wache mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Genussvoll strecke ich und freue mich auf den Anblick des Geldes. Wir haben es tatsächlich geschafft. Ein neues, ein besseres Leben liegt vor uns. Mittlerweile sind alle munter und einer von uns muss eine Zeitung besorgen. Wie lesen die Blätter aufmerksam durch, 229 Der eiskalte Einbrecher finden jedoch keinerlei Meldung. Im Radio und Fernsehen wird auch nichts berichtet. Geteilt ist schnell, jeder ein Drittel. Das macht 530 000 für jeden. Es hat sich wirklich rentiert. Die leeren Geldkassetten zerschneiden wir mit einer starken Blechschere und werfen mehrmals am Tag die winzigen Stückchen von einer Brücke in den Fluss. Natürlich sehen wir uns vor, dass dies keiner beobachtet. Ich melde mich krank bei der Fahrerzentrale und einige Tage später teile ich ihnen mit, dass ich gar nicht mehr komme. Marcus arbeitet noch ein paar Wochen, dann macht er das gleiche. In der Zeit nach der Tat lesen wir täglich alle Zeitungen und hören Nachrichten. Kein einziges Mal wird der Diebstahl erwähnt. Das wundert uns sehr, und wir haben keinerlei Erklärung für die Geheimhaltung. Kelly kündigt ebenfalls und zieht mit mir weg. Weg aus dieser schmutzigen korrupten menschenzerstörenden Pseudogroßstadt, die seit hunderten von Jahren ohne Reformen regiert wird. Wir gehen nach Asien, wohin genau ist nicht so wichtig an dieser Stelle. Nur eines kann ich verraten: Das halbe Geld ist mittlerweile verbraucht für Tier- 230 Der eiskalte Einbrecher und Umweltschutz. Wir konnten soviel erreichen und verbessern. Viel mehr als wir uns erträumt haben. Geld ist Macht und richtig eingesetzt bedeutet Geld Leben für die Rechtlosen dieser Erde, die Tiere und die Pflanzen. Für uns selbst haben wir fast nichts ausgegeben, wir leben bescheiden. Kelly und ich verwenden jeden Euro für unsere Projekte. Marcus lebt in auch im Ausland und wir haben oft Kontakt per Email miteinander Auch er engagiert sich für die Erhaltung des Planeten. Ein bis zweimal im Jahr sehen wir uns. Ich möchte nicht sagen, dass ich stolz bin auf meine Tat. Es ist und bleibt ein Verbrechen im Sinne des Strafgesetzes. Für uns drei ist es jedoch ein Schritt für eine gerechtere Welt, wir haben den skrupellosen umweltzerstörenden und ausbeuterischen Turbokapitalisten nur die fetten Überschüsse gestutzt und lenken diese um. 231 Der eiskalte Einbrecher 232 Folgende Bücher sind in unserem Verlag erschienen: Geheimwissen Schlüsseldienst Eine Anleitung zum Schlossöffnen Geheimwissen der Einbrecher Der Raubkopierer Ausgesperrt! Schlüsseldienstkunden... -----------------------------------------------Weitere Angebote: Ausbildungscamp in der Tropen: www.lockpickcamp.com Michael Bübl hält Seminare und Vorträge zur Bekämpfung der Kriminalität ab. Jede Organisation, die Interesse an einem Vortrag oder einer Beratung des Schlossermeisters und Sicherheitsexperten hat, kann sich weitere Information zukommen lassen: Institut für wirkungsvolle Einbruchsprävention office@geheimwissen.at