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Ausgabe Nr. 174
05. Juni 2015
MilbrodtManagementConsulting
UK General Election 2015
(Folge 4)
David Cameron
will viel
bewegen
Auf Grand Tour für einen
Grand Deal
Advantages in travelling
Weder der englische Adel noch das betuchte
Bür­ger­tum des 18. Jahrhunderts mochten auf
eine kontinentale Grand Tour (1) verzichten:
mit eigenen Augen und aus erster Hand wollte
man sich kundig machen über den Stand und
Gang der Dinge auf dem Festland, die Lebens­
umstände all jener, denen ein insulares Leben
nicht vergönnt war, wollte Bezie­hun­gen knüp­
fen und Bündnisse nicht ausschließen.
There are great advantages in travel­ling, schrieb
under the reign of George III David Hume aus
Bonn seinem Bruder, and nothing serves more
to remove prejudices (2).
Und die sind selbst Anfang des 21. Jahrhunderts
noch immer nicht zu knapp – nicht zuletzt we­
gen des britischen Ansinnens, europäische
Errungenschaften in Frage zu stellen, neue
auszu­han­deln und die Wähler bis spätestens
Ende 2017 darüber entscheiden zu lassen:
“Should the United Kingdom remain a member
Compact
Geldpolitische Beschlüsse der EZB
Die Leitzinsen bleiben unverändert
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf der
Sitzung des EZB-Rats am 03.06.2015 beschlossen, die Leitzinsen nicht zu verändern – based
on our regular and monetary analyses, so
EZB-Präsident Draghi in seiner Einführung zur
Pressekonferenz, and in line with our forward
guidance: der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte beträgt also 0,05 Prozent,
die Zinssätze für die Spitzenfinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität 0,30 beziehungs­
weise -0,20 Prozent. Die Inflation erreichte zu Beginn des Jahres
mit -0,6 Prozent ihre Talsohle, lag im April bei 0,0 Prozent und
im Mai bei 0,3 Prozent. Die monatlichen Wertpapierkäufe von
60 Milliarden Euro monatlich werde die EZB in jedem Fall so
lange fortsetzen, until we see a sustained adjustment in the path
of inflation that is consistent with our aim of achieving inflation
rates below, but close to, 2% over the medium term. Zu Griechen­
land stellte Draghi auf Anfrage klar, man wolle das Land unbedingt
im Euro halten, but there should be a strong agreement. Also
eine Vereinbarung, die Wachstum ermögliche und sozial ausgewogen sei, but that is also fiscally sustainable and addresses the
remaining sources or factors of financial instability in the
financial sector.
G7-Finanzgipfel in Dresden
Schäuble und Weidmann sind zufrieden
Die Finanzminister und Notenbank­gouver­
neure Deutschlands, Frankreichs, Italiens,
Japans, Kanadas, der USA und des Ver­
einigten Königreichs trafen sich unter
dem Motto Towards a Global Dynamic
Economy vom 27. bis 29. Mai 2015 in
der sächsischen Landeshauptstadt. Auf der gemeinsamen Presse­
konferenz befand Bundesfinanzminister Schäuble, es sei ein
gelungenes Treffen gewesen, Bundesbankpräsident Weidmann
nannte es einen Erfolg. Schäuble wies darauf hin, alle Teil­nehmer
hätten die große Bedeutung von Strukturreformen betont, damit
insbesondere private Investitionen in Gang kommen, die Produk­
tivität verbessert und Forschung und Entwicklung befördert
wird. Selbstverständlich seien auch öffentliche Investitionen in
Bildung und Infrastruktur not­wendig, ohne dabei die Rückführung
von öffentlicher Verschuldung und Haushaltsdefiziten aus den
Augen zu verlieren. Nachhaltiges Wachstum erfordere schon
wegen der demografischen Entwicklung in den meisten G7-Staaten
eine solide Finanz­politik. Weidmann beschäftigte sich in seinem
Statement mit zwei Fragen: Wie gelingt es, die Weltwirtschaft
dynamischer aufzustellen? Wie gewährleisten wir ein stabiles
Finanzsystem? Schon vor der Finanzkrise sei der Wachstums­
trend der Industrieländer durch die demo­graphischen Verände­
rungen [..] und das geringe Produktivitätswachstum ge­dämpft
worden. Angesagt seien ambitionierte, zügig umge­setzte Struktur­
reformen. Auf dem Weg zu einem stabileren und widerstands­
fähigeren Finanzsystem habe man beträchtliche Fortschritte
erzielt, allerding müsse man die Regeln für das regulatorische
Eigenkapital der Banken noch verbessern, die Schattenbanken
wegen der Regulierungsarbitrage noch schärfer an die Kandare
nehmen und die Staatsanleihen risikogerechter behandeln.
of the European Union?”
Für ihn und seine Landsleute, Insulaner aber
keine Isolationisten, so Her Majesty´s Prime
Minister, sei die Europäische Union nicht Zweck
an sich, sondern Mittel zum Zweck. Für ihn und
seine Landsleute gehe es nicht um Gefühlig­
keiten, sondern um how, why, to what end (3).
Er wird viel reisen müssen für den Grand Deal,
den er mit und für Europa vorhat.
Par force
Mit der Queen´s Speech letzten Mittwoch war
das Referendum amtlich, das entsprechende
Gesetz am nächsten Tag eingebracht – und
David Cameron unterwegs: Don­nerstag in den
Haag und Paris, Freitag in Warschau und Berlin.
Und bis zur Tagung des Europäischen Rats Ende
Juni, ist zu hören, werde er auch bei den Staatsund Regierungschefs der drei­undzwanzig an­
deren EU-Europäern noch vorbei­schauen – und
sich wogegen und wofür ins Zeug legen?
Open Europe
Gegen die ever-closer-union-Klausel des EUVertrags – und gegen Regeländerungen durch
die Eurostaaten, die auch EU-Staaten außerhalb
der Eurozone in Mitleidenschaft ziehen. Für das
Recht der natio­na­len Parlamente, supranatio­
nale Gesetze abzulehnen, für einen restriktive­
ren Zugriff der Ein­­wanderer auf sozialstaatliche
Leistungen – und für eine ent­schie­denere,
eine zü­gi­gere Er­wei­terung und Vertiefung des
Binnenmarkts.
Eher par force denn grand? Eher hektisch denn
entschlossen, eher kunterbunt denn durch­
dacht?
Der Eindruck mag aufkommen, aber er täuscht.
Ein starkes Team
David Cameron begöscht die Staats- und Re­
gierungs­chefs. Finanzminister George Osborne,
nach einhelliger Meinung Camerons bester
Mann, handelt die Einzelheiten aus.
Und die strategische Planung verantwortet Mats
Persson, bis vor wenigen Tagen der Direktor
von Open Eu­rope, einem Londoner think tank
mit Büros in Berlin und Brüssel, der in den letz­
ten Jahren die eu­ropaweite Reformdiskussion
nicht unwe­sent­lich beeinflusst hat und für sei­
ne prag­ma­tischen Problemlösungen gerühmt
wird.
In ein paar Monaten wählen Dänen und Polen,
Portugiesen und Spanier ihre Parlamente.
2016 geht ohne Urnengänge ab. 2017 sind im
Frühjahr die Niederlän­der dran, im Frühsom­
mer die Franzosen und die Deutschen im
Herbst, dazwischen übernimmt das Vereinigte
Kö­nigreich turnusgemäß für sechs Monate die
Ratspräsidentschaft (4).
Und die griechische Tragödie findet immer
noch kein Ende.
Alter Schwede
Persson will weder durch Saumseligkeit ins
Hintertreffen geraten noch durch Voreiligkeit
von neuen Konstellationen hinterrücks erwischt
werden.
Persson will die Antwort auf die Frage, what´s
the best way to achieve real and lasting re­
form of the EU (5) – und nicht ein schnelles
Referendum, dessen Erfolg sich halbwegs noch
dem Schwung des überraschenden Wahlsiegs
verdanken würde.
Persson will, dass Cameron und Osborne die
nächsten Monate nutzen, um die Trasse für die­
se real and lasting reform anzulegen.
Persson will Inhalte durchsetzen, die allen nut­
zen – und ist über­zeugt, dass sich auch ohne
grundstürzenden fully-fledged treaty change
dafür immer eine Form fin­det: von den targeted
amendments, to protocols or amendments to
spe­cific pieces of legislation (6).
Persson will all das und noch viel mehr und
zwar schon lange. Cameron wusste, worauf er
sich mit diesem Schweden auf seiner Grand
Tour zum Grand Deal einlässt – und für den
Sunday Telegraph war Mats Persson schon im
letzten Jahr Osborne‘s 6‘7 Europe Guru (7).
A good trip for Britain – and all of us Europeans.
Dierk Granzow, Partner
04.06.2015
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Ausgabe Nr. 174
05. Juni 2015
MilbrodtManagementConsulting
Anmerkungen
(0) R
echtschreibung: Wir bevorzugen die Schreibweisen vor der Reform – mit ein paar Aus­
nahmen: so schreiben wir zum Beispiel dass statt daß, weil uns das Eszett bei keinem
Schrifttyp gefällt. Wir verzichten darauf, die paar anderen Ausnahmen zu listen.
Zitate setzen wir kursiv statt in Anführungszeichen.
Bildnachweise: Pitopia/EU, bundesfinanzministerium.de, MM©
(1) en.wikipedia.org/wiki/Grand_Tour
(2) lostindeutschland.blogspot.de: David Hume gets lost in Deutschland, 06. Juni 2011
(3) David Cameron: EU speech at Bloomberg, gov.uk, 23.01.2013
(4) M
ats Persson: The road to EU reform and referendum – Cameron´s challenges and opportunities following UK General Election, openeurope.org.uk, 08.05.2015
(5) M
ats Persson: The upsides and downsides of an early EU referen­dum, open­eu­rope.org.uk,
12.05.2015
(6) Mats Persson: Ja, aber: Germany and Cameron´s quest for EU reform, blog.open­eu­ropeberlin.
de, 28.05.2015
(7) L
ouise Armitstead: The EU is ripe for change, says Open Europe, The Sunday Tele­graph,
18.01.2014