Ausgabe 1971 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Ausgabe 1971 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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H Ö H ENZOLLERISCHE
HEIMAT
Herausgegeben o o m
Hohenzollerifchen Gefchichteoerein
in Verbinöung mit öen
Staatlichen Schulämtern Hechingen
u n ö Sigmaringen
Nr. I
Et. Jahrgang 1971
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Hechingen mit dem Killertal. Kupferstich aus M e r l a n s T o p o g r a p h i a Sucviae, 1643
Leg Trauer an, mein Zollerland!
Es kreiste seit viel hundert Jahren
Der Zolleraar ums Zollerschloß,
Ob's Grafen oder Fürsten waren,
Sie wehrten ah der Feinde Troß.
Was Krieg und Stürmen nicht gelungen,
Zu lähmen uns're eigne Kraft,
Mit schlauer List ist's nun errungen,
Jetzt hat es Württemberg
geschafft.
Und später, als die Preußen kamen,
Da schirmten sie mit starker Hand,
Daß Ländergier und Macht nicht nahmen,
Was uns gehört: das Zollerland.
Der dieses schöne Land zerrissen,
Der hat die „Eintracht" nie gekannt,
Die Einheit mußten wir vermissen,
Leg' Trauer an, mein Zollerland!
Dr. Hans Speidel, Landrat i. R.
65
Leg Trauer an, mein Zollerland"
Wir haben mit Bedacht dieses Gedicht des früheren H e chinger Landrats Dr. Hans Speidel auf die erste Seite
gesetzt, unter ein altes Bild von Hechingen mit dem
Zoller, (es ist zu sehen in Thorbeckes Bildband „Hohenzollern"), weil wir es in Aufbau und Versmaß gut fanden, und weil es die Stimmung wahrscheinlich Vieler ausdrückt. Diese Stimmung ist hervorgerufen durch die nun
ein J a h r lang anhaltende Diskussion um die Kreisreform,
die bekanntlich eine Auflösung Hohenzollerns mit sich
bringen soll. Es ist nicht die Aufgabe der „Hohenzollerischen Heimat", das mitzuteilen, was fast täglich die
Spalten der Tageszeitungen in Hohenzollern füllt. Außerdem dürften unsere Leser über die Zusammenhänge umso
besser unterrichtet sein, als gegenwärtig und seit langem
wohl kein politisches Thema mit solcher Anteilnahme, ja
Leidenschaft verfolgt und besprochen wird. Unmittelbarer
Anlaß zu dem Gedicht, das in der „Hohenzollerischen
Zeitung" und im „Schwarzwälder Boten" abgedruckt zu
lesen stand ist aber die unvermutete Wendung durch den
dritten Regierungsentwurf zur Neuordnung. Nach ihm
sollten die Stadt Hechingen und der Zoller voneinander
getrennt werden, die Stadt zum Anschluß an Tübingen,
die Burg und ihr Berg nach Balingen. Wir räumen ein,
daß es rational keinen Grund gibt, diese Trennung nicht
durchzuführen, aber politisches Geschehen - wenn es
vorüber ist, heißt es Geschichte - ist eben nicht nur ein
Kalkül rationaler Kräfte, sondern ein Spiel mit noch ganz
anderen, tieferen und wichtigeren Faktoren, wobei selbst
die Bezeichnung „Faktoren" wiederum viel zu rational
klingt. Mit anderen Worten: es erscheint jedem bewußt
Lebenden, mithin jedem Freund seiner Heimat und ihrer
Geschichte als schlechterdings unmöglich, den Zoller und
Hechingen zu trennen. Sie haben vielleicht ein Jahrtausend, und gewiß nicht sehr viel weniger, zusammengehört. Wir halten d a s f ü r einen so geschichtsträchtigen
Umstand, daß ihm gegenüber alle anderen Gründe
schweigen müssen. Diese Ansicht vertreten wir umso entschiedener, als keinerlei Interessen, Rechte, Lebensbereiche
oder was immer der Hechinger und ihrer Umwohner geschädigt werden, wenn der Zoller und die Stadt auch in
Z u k u n f t zu einem einzigen Landkreis gehören. Mag die
Verwaltungsreform mit vielen vernünftigen Gründen eine
bessere Ordnung bringen, kürzere Wege, bessere Förderung, erfolgreichere Infra-Strukturen, den Zoller muß
sie auf jeden Fall bei Hechingen lassen.
Die Redaktion
Register 1970
ORTS-, S A C H - U N D A B B I L D U N G S V E R Z E I C H N I S
Achberg, Abschied von Achberg (1 Abb.)
. .
33
Augsberg (b. Steinhilben) N a m e
38
Beerstein, Burg bei Hausen i. K
41
Bergmarken aus Hohenzollern (3 Abb.)
. .
8-10
Bingen, St. Euiogiuskapelle
43
Buck, Pater Fidelis Buck, Ehrenbürger
von Hornstein (1 Abb.) .
43
Denkmalpflege in Hohenzollern (3 Abb.) . .
1-4
Eisenbahn, Hohenzollern erhält Anschluß
an das Eisenbahnnetz
35-38
Gammertinger Schachfiguren und Spielsteine . .
58
Gereitherter Veesen
38
Geschichtsverein, Hohenz.
Jahresversammlung 1970
. .
58
H a n n e r Konstantin, Decken^ild in der
St.-Michaels-Kirche Gammertingen (Titelbild)
49
Hechingen mit Hohenzollern (Titeil ild)
. . .
17
Hechingen, Straßennamen
11-14
18-24
Heimat im Dorf - im Kreislauf
des Jahres (1. Teil)
50-56
Heimatliteratur, ehemalige Klöster . . .
56
Heuneburg, Buchbesprechung . . . .
.
16
Hohenzollern, Leopold v. H . (1 Abb.) . . . .
42
Hohenzollern, wie steht es um Hohenzollern? . .
17
H o r b bei Salmendingen?
. . .
15
Jungingen, Konrad und Uirich v. J., Zwei Hochmeister des Deutschen R i r terordens (l Abb.)
. 26-29
66
Kommunalverband, Bücherei . . . .
29
Krieg von 1870
41
Krieg von 1870/71, Der erste Tote des K. . . .
41
Kulturgeschichtliche Lesefruchte
. . . 44-47
Lägstein, Leckstein, Burg bei Gauselfingen . . .
43
Lindich, das Jagdschloß
6-8
Mariaberg, Besuz des ehem. Frauenklosters
in hohenz. Orten
62-64
Mundart, Bezeichnung der
Verwandtschaftsgrade in Rangendingen
. .
Rangencr igen, Vergessener Adel
von Rangendingen
Römische Funde (Ostrach, Inzigkofen) . . . .
Römischer Gutshof mit Bad in Ostrach (1 Abb.)
Sauter Walter, Nachruf
Schwedengreuel 1633
Stetten b. Hech., Kloster.
Widerstand gegen Reform
v. Steuben, Friedrich Wilh., General
. . . .
St. Nikolaus im Schwabenland
Archivar Eugen Schnell (1 Abb )
Unterschmeien, die Sage vom Eulengrubenweiblein
Veringendorf, Brennpunkt
frühmittelalterlicher Geschichte
. . . .
Veringendorf, St. Michaelspflege 1444
Weiler unter Lichtenstein (2 Abb.)
. . . .
14-15
30-32
29
39-40
5
58
25
4-5
61
56
57
57
59-60
MAXIMILIAN SCHAITEL
Von Scharfrichtern und Kleemeistern in Haigerloch
Zu einem Stand e ;ener A r t zählte in unserem Rechts- und
Gesellschaftsleben bis gegen Ende des 18. J a h r h u n d e r t s
der Scharfrichter, der mit der Schärfe des Schwerts richtet,
auch Nachrichter oder Freimann genannt. Das W o r t Nachrichter erklärt sich leicht aus der Tatsache, d a ß der Scharfrichter nach dem ergangenen U r t 1 der ordentlichen Richter die verhängten Strafen, Todes- und Leibesstrafen zu
vollstrecken hatte. Die Bezeichnung Freimann deutet wohl
auf den Ausschluß des Scharfrichters aus der menschlichen Gesellschaft hin, der aber f ü r sein Wirken doch den
Schutz des Gesetzes genoß und nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. Alle drei Bezeichnungen bedeuten dieselbe
Tätigkeit und denselben Beruf, sie stehen verhüllend und
beschönigend f ü r das W o r t H e n k e r . Der ganze Berufsstand w a r nach dem allgemeinen Volksempfinden geächtet, hatte keinen guten R u f , w a r eben ehrlos! Wer
eines Scharfrichters Tochter heiratete, mußte häufig einen
nicht immer erfolgreichen K a m p f f ü r seine berufliche Anerkennung, f ü r die A u f n a h m e in die Z u n f t führen. Den
Söhnen eines Scharfrichters blieb meist nichts anderes
übrig, als bei dem Vater in die Lehre zu gehen, sein Gehilfe zu werden und im A m t e nachzufolgen oder sich anderswo um eine freie Schärft i t e r s f e l l e zu bewerben. So
kam es, d a ß sich das „blut' ,e A m t " o f t in langer Geschlechterreihe forterbte und die Scharfrichterfamilien
durch Heiraten über weite Gebiete versippt waren. Selbst
der Umgang mit dem Scharfrichter machte „unehrlich".
Deshalb hatte er , ; ch fernzuhalten von den ehrsamen Leuten. Er trug eine eigene rote Berufskleidung oder wenigstens ein besonderes Abzeichen am Rocke. In der Kirche
hatte er seinen eigenen P l a t z und ^n Wirtshause einen
besonderen Stuhl, der o f t dreibeinig w a r , wie der Galgen.
Durch die Kunstgerechte E n t h a u p t u n g eines Verurteilten
w u r d e er Meister. D e r Scharfrichter half auch bei der
peinlichen Befragung mit, das heißt, er suchte durch Foltern des Delinquenten diesen zum Aussagen und zur Abgabe eines Geständnisses zu erpressen. Weiter vollzog er
auch die Leibesstrafen, wie Abhauen von Gliedern, Auspeitschen, B r a n d m a r k e n usw. Er mußte auch
kleinen
Missetater an den Pranger stellen, die Schandzeichen umhängen, in die Geige spannen oder mit dem Wippgalgen
in das Wasser tauchen und was der Strafen noch mehr w a ren. ö f t e r s , so auch im Bezirk Haigerloch, w a r der Scharfrichter nebenberuflich noch Abdecker, Schinder,
Wasenoder Kleemeister. Als solcher hatte er das gefallene Vieh
wegzuschaffen, die H a u t abzuziehen und die .^cht verwendbaren Teile der verendeten T ere zu beseitigen. Der
Bezirk, den der Scharfrichter als Kleemeister zu besorgen
hatte, w u r d e auch Bailei genannt, entsprechend der Abdecker auch Balleimeister. D a ß sich mancher Kleemeister
im U m g a n g mit krankem und beim Zerlegen eingegangenen Viehes auch anatomische und chirurgische Kenntnisse
aneignete, ist verständlich. So i ; es auch nicht v e r w u n d e r lich, wenn der oder jener Kleemeister sich als Tierarzt betätigte und aus oen Scharfrichter- und Abdecksippen gar
o f t hauptberufliche Tierärzte hervorgingen.
Scharfrichter und Kleemeister in Haigerloch w a r um 1670
Hans Martin Deigendesch, auch Geigendesch und im H a i geriocher Pfarrbuch einmal Steigentäsch g e s c h r i e n . Die
Deigendesch waren in Süddeutschiand ein weitverzweigtes
Scharfrichtergeschlecht. Wir finden sie in Bayern; 1684 ist
ein Deigendesch Scharfrichter in Altdorf bei Weingarten,
1719 ist ein J o h a n n De^endesch Scharfrichter in Balingen
u n d in Veringenstadt üben sie in mehreren Generationen
das ehrenrührige A m t aus. Im Jahre 1716 gibt der Scharfrichter Johannes Deigendesch bei Justus Fleischhauer in
Reutlingen des „Nachrichters nützliches und aufrichtiges
P f e r d - oder Roßarzneibuch usw. nebst einem Anhang von
Rindvieh-Arzneien" heraus, das 1752 in neuer und verbesserter Auflage erscheint. Unser Haigerlocher Deigendesch w a r übrigens verheiratet mit A n n a Maria Vollmari i aus der Scharfrichtersippe der Vollmar, die in P f u l lendorf und Löffingen bei Donaueschingen amteten. O f fenbar w a r unser Scharfrichter mit seiner Entlohnung
nicht zufrieden und w a n d t e sich an die fürstl. Regierung
in Sigmaringen. Es kam zu < ier Neufestsetzung der Gebührnisse, die im Wortlaut, aber der heutigen Rechtschreibung angepaßt, wiedergegeben werden soll:
„Auf Ihrer Hochfürstl. Durchlaucht, Unseres Gnädigen
H e r r e n , gnädigste R a t i f i k a t i o n ist d a t o im Beisein des gesamten Oberamts mit Meister H a n s M a r n n Geigentesch,
Nachrichter zu Haigerloch, seiner künftigen Verdienste
halber, bei Exekution und A b s t r a f u n g der Malef: anten,
solange er solchen Dienst versieht, nachfolgender Vergleich
getroffen w o r d e n :
T. Wenn er in malei Tsacnen von dem O b e r a m t erfordert
und durch anderes nicht gebraucht wird, als d a ß man
iiin allein der Malefizperson vorstellet oder die Justierten der T o r t u r gewiesen werden, so soll ihm jeden
Tag, es seien hernach viel oder wenig Personen, f ü r
1 G a n g bezahlt werden
45 x
2. Wenn m a n aber hn allein zu dem Ende a n f o r d e r t ,
damit er im Bedürfnisfall eine oder andere Personen
zum Schrecken vorgestellt werden und solches demnach nicht beschieht, sollen ihm des Tags gegeben
werden
24 x
3. So o f t er, Nachrichter, zum Torquieren erfordert wird,
es geschihe ein-, zwei- oder mehrmals, auch an einer
oder mehr Personen, so ist sein Verdienst des
Tags
1 fl 30 x
4. Wenn eine Person vom Leben zum Tode zu richten ist,
es sei mit dem Schwert oder Strick, ist sein Lohn f ü r
jede Person
.
2 fl
5. Wenn aber solches mit dem Radbrechen, Lebendigverbrennen, Spießen, Vierteilen oder dergleichen geschieht, so solle ihm von jeder Person gebühren . 3 fl
6. Von einer oder mehreren Personen, welche auf einmal
tot verbrennt weraen, ist sein Lohn . . . 1 fl 30 x
7. Solle er von dem H a u f e n - oder Rostmachen haben 1 fl.
Jedoch solle das Stroh und H o l z auf den Platz verordnet, auch wenn er zur E r t ö t u n g Schwefel und Pulver von Nöten, ihm solches beigeschafft oder wenn er
es selbst beischafft, nach billigen Dingen bezahlt
werden.
8 Wenn eine oder mehrere Personen auf einmal zu vergraben sind, ist sein Lohn, da er sonst an der Exekution oder T o r t u r wenig e m p f ä n g t . . . 1 fl 30 x
W a n n aber sein Verdienst ohne 'e Mahlzeit sich über
3 fl erstreckt, so stehet zu des Oberamts E r k e n n t r . s
ob man 1 hm d a f ü r viel oder wenig oder gar nichts passieren lassen wolle.
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9. W a n n eine oder mehr Personen auf einen Tag zum
Tode hingerichtet werden, so solle ihm, Nachrichter,
vor die Mahlzeit mehr nicht passiert werden als 4 fl
10. W a n n sich ein Übeltäter selbst erhängt und es die
herrschaftliche Rentei bezahlen muß, solle ihm Nachrichter v o m Stricke zu lösen, gegeben werden 1 fl 30 x.
U n d wenn von derselben zu vergraben er gehalten
werde, wie hiervon bei P u n k t 8 angezeigt worden.
11. W a n n die Gefängnisse a u f z u r ä u m e n und zu säubern
sind, soll er solches, wie recht ist, verrichten oder verrichter vom Stricke zu lösen, gegeben werden 1 fl 30 x.
und T r a n k bezahlt werden
20 x
12. W a n n wegen der Sodomiten ein oder anderes Stück
abzutun oder zu verbrennen wäre, solle er v o m Abholen nach Beschaffenheit billigen Lohn und von dem
Verbrennen und A b t u n überhaupt zu empfangen
haben
2 fl
13. Sollten aber letztlich andere hier nicht spezifizierte
Fälle sich ergeben, bleibet die Sach jederzeit zur oberamtlichen Erkenntnis gestellet, was ihm nach P r o p o r tion des Vorigen d a f ü r zu schöpfen und zu bezahlen
sei.
Zur U r k u n d dieses Vergleichs sind zwei gleichlautende Exemplaria und vorgedrückte fürstliche KanzleiSekret gefertiget, eines bei der Kanzlei behalten und
das andere ihm- Nachrichter, zugestellt worden.
Actum Haigerloch, den 6. July 1689
H a n s M a r t i n Deigendesch starb, erst 45 J a h r e alt, versehen mit den Sterbesakramenten, am hitzigen Fieber
(calida febri) und w u r d e am 18. J u n i 1695 auf dem U n terstadtfriedhof beerdigt. An K i n d e r n hinterließ er zwei
Töchter. Seine Witwe, im Volksmunde nur die „ H e n k e r M a r e y " genannt, erreichte das 70. Lebensjahr und starb
am 1. Dez. 1717.
Nachfolger im Scharfrichter arnt w u r d e der jüngere Bruder des Verstorbenen, Hans Jörg Dsigendesck, verheiratet
mit Sabine Bolthlerin. Ihm wurden die Gebühren 1 / 0 1
und 1728 jeweils erhöht. Im J a h r e 1741 legte H a n s Jörg
altershalber sein A m t nieder und bat, seinen Gehilfen und
Tocntermann Hans Jörg Steinmayer
als „Freimann" anzunehmen. D e m Ersuchen w u r d e stattgegeben, die Bestallungsurkunde ist erhalten u n d datiert vom 13. N o v .
1741. A m 22. Juli 1742 w i r d dem Scharfrichter p a a r ein
Sohn geboren, der JakoDus g e t a u f t w u r d e und als Jakob
Steinmayer dem Vater im Amte nachfolgte. J a k o b w a r in
I. Ehe mit T h e r e s a Reirhiin von Grafenhausen und nach
deren Tode im J a h r e 1769 mit Cacilia Seitin von Oberndorf, Österreich, verheiratet. Letzter Scharfrichter und
Kleemeister in fürstlicher Zeit w a r Jakobs Sohn, Johann
Georg Steinmayer,
geb. 11. 7. 1779 in H a i g e r loch und
gestorben daselbst am 31. 10. 1852 Er hatte sich im Jahre
1818 mit Helene Burkart, der Tochter des Hechinger
S c h a r f r ' J n e r s Veit B u r k a r t vermählt. Schon im J a h r e
1808 w a r die Herrschaft Glatt, die vorher von der Kleemeisterci H o r b a. N . betreut wurde, dem WasenmeistereiDistrikt Ha.gerloch zugete'lt worden. D a sei der J a h r hundertwende der Scharfi hter wohl nur noch selten In
'. ätigke.1 c zu treten hatte, w a r nunmehr mit der Vergrößerung des Bezirks, die Abdeckerei zur Hauptbeschäftigung Ste.nmayers geworden. Unter dem 30. 6. 1813 erließ d e fürstl. Regierung folgende V e r o r d n u n g : „Nach
Maßgabe der schon bestehenden Vorschriften über ( ie
H i n w e g r ä u m u n g des umgestandenen Viehes aller G a t tung wird h ' . r m i t verordnet, d a ß alles gefallene V ;h,
welches nach geschehener Schlachtung zu dem Verspcl ;en
nicht tauglich erfunden wird, dei n dem Lande aufgestell-
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ten Kleemeistern solle angezeigt, und von diesen allein die
H i n w e g r ä u m u n g des Viehes auf den in jeder Ortsbahn
befindlichen Wasen vorgenommen werden. Diejenigen,
welche gegenwärtiger entgegen, gefallenes Vieh oder zum
Vergraben gewidmetes Fleisch selbst hinwegschaffen und
darüber die Anzeige an den aufgestellten Kleerr. ister unterlassen, sollen f ü r jeden Frevel um 3 fl bestraft werden."
Unter dem 13. 10. 1855 - St inmayer w a r am 31. 10.
1852 gestorben - w u r d e die erledigte Stelle eines „Kleemeisters f ü r den Balley-Bezirk Haigerloch" zur Wiederbesetzung ausgeschrieben mit der Bemerkung, d a ß ein
fixer Gehalt mit der Stelle nicht verbunden sei. Mit Erlaß v o m 14 12. 1852 übertrug die kgl. Regierung in Sigmaringen der W i t w e des verstorbenen Wasenmeisters, der
Frau Helene Steinmayer, die Kleemeisterei Haigerloch,
weil der bisherige Gehilfe ihres verstorbenen Mannes als
geeignete, tüchtige K r a f t bei ihr blieb, Georg Ade mit N a men. Drei Jahre später, am 24. 3. 1855, erließ die kgl.
preuß. Regierung zu Sigmaringen eine „Instruktion f ü r
die Kleemeister" der 6 hohenz. Balleien, die 13 P a r a graphen umfaßte, wovon hier nur § 5 e r w ä h n t sein solle.
Danach hat der Eigentümer kleine Tiere, wie H u n d e ,
Katzen, junge Schweine u n d Geflügel aller Art, gleichv 1
ob solche eingingen oder von der Polizei getötet wurden,
selbst an einem d a f ü r bestimmten, entlegenen O r t e 3 - 4
Fuß tief zu verscharren. Sollte der Eigentümer den Kleemeister damit beauftragen, so hat er diesen auch selbst zu
bezahlen. Als die Haigerlocher Wasenmeisterstelle 1855
zur Neubesetzung ausgeschrieben wurde, meldet sich Ade,
wies auf seine bisherige Tätigkeit als Gehilfe hin und darauf, d a ß der „Schindacker und die Wasenhütte" ohnehin
sein Eigentum sei. Ade erhielt das Wasenmeisteramt, das
bis zum I. Weltkrieg bei der Sippe Ade blieb, aber durch
das Viehseuchengesetz v o m 23. Juni 1880 neue Bestimmungen erhalten hat.
Ü b *ens sei noch erwähnt, d a ß die letzte Person, die in
Haigerloch hingerichtet w u r d e - es w a r im J a h r e 1779 eine Theresia Riederer von Gengenbach w a r und d a ß das
Haigerlocher Richtschwert nach H O D L E R sich im Besitz
des Frhr. von O w in Wachendorf befindet. Das Wohnhaus
und die Wasenhütte standen um 1800 im „Klingler Wink e l ^ am Fußweg nach B a d - I m n a u , w ä h r e n d die Ade's
ihre H ü t t e im „Schindergraben" I nks des Faßweges Oberstadt Haigerloch-Gruol hatten. Interessant ist auch d j i
Tatsache, d a ß 1845 f ü r Llr.igerloch ein Tierarzt Steinriiayer nachgewiesen ist, o f f e n b a r ein Mitglied der ehemaligen Scharfrichter- und Kleemeistersippe Steinmayer.
Die Durchsicht der Haigerlocher Pfarrbücher besorgte freundlicherweise Pritz Staudacher, Hechingen.
I lohe Preise für Münzen
Einige Münzen aus Hohenzoilern erz'eien derzeit auf
Auktionen offenbar hohe Preise Ein 2-Gulden-Stück C a r l
Antons, von dem nur 1213 Exempiare geprägt w o r d e n
sind, steht in einem M ü n z k a t a l o g mit 1 300 D M zu Buche.
Ein f ü r den Geldverkehr in Hohenzoilern geprägter Gulden von 1852 ist mit 90 D M ausgezeichnet, und ein Goldstück von 20 rumänischen Lei mit dem E id Carols I. von
R u m ä n i e n - H o h e n z o l l e r n kostet 100 D M . Außerdem geht
die Rede von einem nur in vier (!) Exemplaren gep-agteri
Goldstück entweder Carls oder C a r l Antons, dessen Wert
heute um 6 000 D M liegen soll.
Fnck
J O H A N N ADAM KRAUS
Haigerlocher Adelige und Bürger
A) Grafen: Als ersten Grafen, der sich nach Haigerloch
und zugleich nach der Burg Wiesneck im Dreisamtal
nannte, findet man von ca. 1180 bis 1196 einen Adalbert,
der früher irrig mit dem Alpirsbacher Klosterstifter
Adalbert von Zollern gleichgesetzt wurde. Des Haigerlocher Grafen Bruder war Bruno, der Stifter von St. Märgen unweit der ehemaii ;en Wiesneck \ Adalberts vermutlicher Sohn war Graf Wetzel (Werner) von Haigerloch 1118-1125, sein Enkel wohl Graf Wetzel II., der
von 1133 bis 1162 auftritt, und bereits 1141 einen Sohn
Adalbert hatte 2. Es scheint kaum glaublich, daß letzterer
mit dem „über homo" der Reichenbacher Schenkung von
ca. 1166-1180 identisch ist (siehe unten). Man möchte
vermuten, ein Graf von Zollern (bzw. Zollern-Hohenberg?) habe eine Gräfin von Haigerloch als Erbin der
Herrschaft und des quergeteilten weißroten Wappenschildes geheiratet, ohne daß man freilich eine genauere Zeit
angeben kann. Lediglich ist sicher: die Söhne des Grafen
Burkart II. von Zollern (1125-1150) namens Burkart III.
(1170-1195) und Friedrich (1158-119?) nannten sich
„von Hohenberg". Ersterer hatte als Gattin eine Lugardis
von Tübingen heimgeführt, die laut Grabstein (mit den
Wappen Tübingen-Hohenberg!) am 23. November 1201
starb 3 . Wieso Hodler den 1160 bis 1194 nachweisbaren
Grafen Berthold von Zollern (Sohn des Friedrich IL)
als H e r r n zu Haigerloch angibt ist unklar. Erst 1225 tritt
Graf Albert von Hohenberg, Sohn Burkarts III., als
„Graf von Rottenburg" zusammen mit F 'ttern aus dem
Haigerlocher Gebiet auf, die wohl zu seinem Hofstaat
gehörten 4.
Graf Albert II., der Minnesänger in seinem letzten K a m p f
» a p p w i Graf B u r U r t i III, 1225
B) Niederadelige:
Wie bei vielen bedeutenden Grafenburgen findet man auch bei Haigerloch Angehörige des
niederen Adels als Vasallen des Hochadels, welche die
Burghut innehatten. Als erste erscheinen in den Wiblinger
Annalen (falls die Nachricht überhaupt stimmt) 1172 bis
1182 die Brüder Berno und Arnold von Sigburg 4a und
Haigerloch, ersterer als Stüter des Klosters Reichenbach
im Murgtal 5 . Bald darauf findet sich (1096, nicht 1006)
ein Henricus de Heigerlo als Zeuge bei der Schenkung des
Grafen Adalbert von Froburg ans Kloster St. Alban in
Basel 6 . Möglicherweise gehörte hierher auch der über
homo (freie Mann) Adalbertus de Heigerlo, der um 1166
bis 1182 ans Kloster Reichenbach sein Gut zu Hirrlingen
und Marpach (dabei abgeg.) geschenkt hat 7. Unter den
Zeugen f ndet man einen Grafen Berthold von Achalm
(-Neifen), den Erben der um 1166 ausgestorbenen Grafen
von Gammertingen-Achalm e . Aus diesem Grunde kann
diese Schenkung nicht schon um 1150 stattgefunden haben,
wie man früher meist annahm und jenen Adalbert mit
dem 1141 erwähnten gleichnamigen Sohn des Grafen
Wetzel II. von Haigerloch gleichsetzte 9. Man vergleiche
dazu die vielen liberi homines im Rotulus Sanpetrinus
aus dem 12. Jahrhundert 1 0 , die keineswegs alle hochadelige Freiherren gewesen sind, sondern eben jeweils als
freie Männer (nicht Vasallen oder Leheninhaber) über ihr
Schenkungsgut verfügen konnten! Im Jahre 1236 tritt
ein Heinrich von Haiginloch (!) als Zeuge auf 1 1 . In Urkunden von 1125 bis 1253 finden wir sodann einen Hugo
von Haigerloch, der als Vater des seligen Gottesmannes
Adalbert von Niederaltaicb (1261-1311) in Frage kommt,
der sicher kein Grafensohn war 12. Von 1284 bis 1315 läßt
sich ein Predigerbruder Walther von Haigerloch feststellen 13 und 1288 ein Johannes von Haigerloch 14, 1297 ein
Kunzo v. H., Eberlins (d. h. Eberhards) Sohn. Wohl der
gleiche Kunz v. H . besaß vor 1342 einen Zehntteil im
nahen Renfrizhausen 15, und noch 1345 bis 1351 war ein
Ruf (Rudolf) von Haigerloch Schulthaiß zu H o r b 16.
69
c. Die Steinhofer. Nach einer Urkunde des Klosters K rchberg bei Haigerloch 17 vom 2. Januar 1318 haben unter
diesem Datum die Brüder Albrecht und Heinrich die
Steinhover (nicht „Steinhauer"!), Söhne des verstorbenen
Albrechts des Steinhovers, mit Zustimmung ihrer Mutter
Zyrina und ihren Geschwistern ans genannte Kloster ihr
zu Gruol („Gruorn") gelegenes Eigengut um 10 P f u n d
Tübinger Heller verkauft. Das Gut bebaute Berthold der
Weber und lieferte davon jährl'ch dre Vlalter Vesen und
2 Malter Haber Haigerlocher Meß. Der Verkauf geschah
mit Zustimmung des Grafen Rudolf von Hohenberg, ihres
Herrn. Als Bürgen stellten sie ihren Stiefvater Kunrad
Bützelin und als Zeugen Burkart Amann, Hei irich Schultheiß, seinen Tochtermann, und den jungen Friedrich Büringer. Die Stadt Haigerloch siegelte die Urkunde.
Ein adeliger „Berchtold von Steinhofen" \var schon am
2. Februar 1241 zusammen mit Werner und Gero von Bubenhofen Zeuge für den Grafen von Württemberg und
wohl der gleiche B(ertold) von Steinhofen hatte 1268 Anteil am Zehnten im benachbarten Engstlatt 1 8 . In Steinhofen kann man sich eigentlich eine Burg nur auf dem
heu..Jen Kirchhügel vorstellen. Freilich mußten die späteren Kirchenbauten und der jahrhundertelang belegte alte
Friedhof daselbst jede Spur verwischen! Die Haigerlocher
Bürger Steinhover dürften wohl Nachkommen des ehemaligen Ortsadels von Steinhofen gewesen sein.
Ein Benz (Berthold) der Stainhover war am 25. Februar
1326 Zeuge für Bäldeli Kerus (v. Bisingen) beim Verkauf
der Oberaufsicht eines Gutes zu Owingen ans Kl. Kirchberg 19. Pfaff Kunrad der Steinhover und Benz der Steinhofer waren am 31. Mai 1352 mit noch andern Zeugen,
als die Gebrüder Berchtold und Walgger Kerus eine Leibeigene zu Engstiatt an den Zollergrafen Friedrich den älteren veräußerten 20. Ein ß u r k a r t von Steinhofen hatte
noch um 1380-1400 als hohenbergisches Lehen zu Oeschingen einen Acker auf dem Stein und eine ^ _ese auf dem
Espan 2 1 . Ein „Stainhoffer" wohnte 1393 zu Ratshausen
und wurde um 26 P f u n d Heller gebrandschatzt 2 2 . Dann
hört man nichts mehr von der Familie.
d. Die von Stetten, genannt Ganasser bzw. Esel
Ein Berthold der Esel zu Haigerloch wird 1293 23 -1296
und 1297 erwähnt, 1299 daselbst neben Ritter Wernher
Gymmerli ein Benzo dictus Ganusser mit zwei bibi.chen
Brüdern Ulrich und H(einrichP), 1300 ein Ganussarius 2J.
Eine Mie, „des von Stetten Tochter", war 1311 mit Mechtild von Gruorn (Gruol) Konventschwester im Kloster der
Dominikanerinnen zu Kirchberg b. Haigerloch 24a. Der
ehrbare H e r r Burkart der Esel zu Hai gerloch hatte einen
gleichnamigen Sohn und war um 1328 begütert ¡n H a r t ,
Tailfingen und Gruol. Im Jahre 1325 erwarb der Haigerlocher Bürger Albrecht der Ganasser von seinem Bruder
„Burkart von Stetten" Güter zu Owingen 25, und am
25. Februar 1326 besaß Albrecht von Stetten ein Lehengut von Bälderli Kerus (v. Lisingen), der unter diesem
Datum sein Eigentumsrecht um 2 P f u n d Heller ans
Kl. Kirchberg abtrat 2 6 . Am 28. März 1326 verkaufte
„Albrecht von Stetten, genannt der Ganusser", als Haigerlocher Bürger mit seiner Frau Mechtiid ihr Gut zu Owingen, das Heinrich der Huser bebaute, um 31 P f u n d Heller
ans Kl. Kirchberg. Das Gut hatten schon Albrechts Vater
und „Ehni" besessen. Zeugen waren dabei Konrad der
alte Vogt. Burkart der Ammann, Bvrkart von Stetten. Die
Stadt Haigerloch siegelte 27. Der gleiche Albrecht v. St.,
genannt Ganusser, veräußerte am 7. März 1330 dem gleichen Kloster sein Gut zu Grosselfingen, das Konrad der
Maier, Wagpens Sohn, bebaute, und zwar zu eines Seelgerät, das jährlich drei Tage nach Unser Frauen Endte
70
(25. März) zu halten war, näm' ch für des S fters Mutter
Sophie, seinen Aehni Albrecht von Ymnowe und dessen
Gattin Diemut. Auf hres Bürgers Bitte siegelte wieder
die Stadt Haigerloch 28. Ein Ulrich von Ymmenowe (Imnau) war übrigens ca. 1380 hohenbergischer Lehensmann 29. Im-Jahre 1330 gab es auch in Hechingen den N a men Esel. Nämlich Heinrich der Esel, Bürger daselbst,
verkaufte ans Kloster Stetten 1 P f u n d jährLJier Gilt aus
seinem Haus und dahinter liegendem Garten um 10 P f u n d
Heller. Seine Frau Adelhe. [ und sein Vetter, Pfaff Konrad der Esel von Killer, willigten ein. Letzterer siegelte
mit seinem Pfarrsiegel von K der, einer stehenden Madonna; Heinrich hatte kein Siegel 30 . Beide scheinen nach
Haigerloch verwandt zu sein. Im J. 1333 verkaufte Albrecht der Esel, Bürger zu Haigerloch, mit Einwilligung
seiner Frau Mechtiid ans Kl. Kirchberg seine Wiese zu
Amlahusen (abgeg. zwischen Binsdorf und Gruol 30a). Im
selben Jahr erscheint Albrecht der Ganasserais Tochtermann Konrads des Vogts von Rottenburg. Er und Albrecht der Esel führten einen Esel im Wappenschild 31, wie
Kunz von Schmiehen 1348 (Schmeien?).
Am 7. September 1337 verkaufte Albrecht, des von Stetten Sohn, Bürger zu Haigerloch, ans Kl. Kirchberg eine
Gilt aus einem Gut zu Weildorf 32. Heinrich der Esel war
1338 Richter zu Haigerioch. Die Witwe Mechtiid des verstorbenen Albrecht, des Ganussers von Haigerloch, und
ihre Kinder erwarben am 18. März 1339 von den Gebrüdern Berchtold, Walger und Bäldeli Kerus das Eigentumsrecht am Gut zu Ow.^gen, das der genannte Albrecht und
seine Vorfahren von der Familie Kerus als Lehen besaßen,
um 9 P f u n d 3 Schilling Heller, wobei die drei Kerus siegelten 33. Doch schon am 30. April dieses Jahres haben die
Witwe Mechtiid und ihre dre Kinder, nämlich „Bruder
Konrad", Berchtold und Mige, ihr Gut zu Owingen ans
Kl. Kirchberg verkauft. Das Gut bebauten Albrecht der
Herrscher, Lugart die Swigerin und Mechtiid die Krönerin
und lieferten jahrlich 9 Malter Kernen (Haigerlocher
Meß), 9 Schilling weniger 4 Heller, 2 Gänse, 4 Herbsthühner, 3 Fastnachtshennen und 3 Schultern oder Schinken. Der Kaufpr.:,s betrug 100 P f u n d Heller. Dabei waren Bürgen: Albrecht der Ganusser von Haigerloch und
Burkart von Stetten, offenbar die nächsten Verwandten.
Zeuge spielten Konrad der Vogt von Haigerloch, seine
Brüder B(urkart?) und Heinrich, B. der junge Schultheiß
und Albrecht der Esel. Die Stadt Haigerloch siegelte 34.
Am 14. August 1340 war Albrecht von Stetten zu Gruol
seßhaft. Unter diesem Datum einigte er sich mit dem
Kloster Kirchberg durch Vermittlung des Haigerlocher
Vogts Machinger von Mittelburg, Wernhers des Tieringers,
Kunrads des alten Vogts, Burkarts und Heinrichs der
Schultheißen betr. ein P f u n d Keller, das Albert (Albrecht)
der Ganasser selig zum Ewigen Licht f ü r seinen verstorbenen Bruder Konrad gestiftet hatte. Die Klosterfrauen
sollen jährlich 6 Sei II ^ng Tübinger erhalten aus der Wiese,
genannt der Vaiss Brühl und aus Canos Wiesen, sowie
4V2 Schilling aus 3 Wiesen vor Rötenberg und im Winkel,
die derzeit Benz Stähelin bebaut. Ferner 4 Schilling aus
drei Wiesen, einer unter des genannten Stähelins Wiese
vor Roetenberg, einer vor Kestelberg und e i e r dritten
vor den Swoigen gelegen, d:-r alle die Kelrerin baut. Ferner gehen 20 Tüi_inger aus der Haul
H o f s t a t t zu Gruol
(„Gruorn"), 18 Tübinger aus der dabeigelegenen Hofstatt
des Benz von Salant und 30 Tübinger aus der Hofstatt,
die der Schutter um 4 Schilling empfing. Albrecht von
Stetten bekennt weiterhin, er und seine Erben wollten
dem Kloster jährlich um Georgi 5 Schilling Tübinger aus
v e r Mannsmahd Wiesen zu Amlahusen (siehe oben) liefern, andernfalls soll die Wiese ans Kloster fallen. Er verspricht das P f u n d und die 10 Schilling, die zu einer Jahr-
Haigerloch. Kupferstich von D o m i n i k u s Stadler, u m 1825
zeit vermacht sind, nicht anzufechten. Zeugen waren:
Konrad der Dürre, Albrecht der Esel, Albrecht der Ganasser. Neben der Stadt Haigerloch siegelte auch der Vogt
Mechinger von Mittelburg 35.
Der Bürger Burkart Boyehart zu Haigerloch versetzte im
Jahre 1346 seine Roggengilt zu Trillfingen dem Albrecht
Ganusser von Haigerloch um 3 P f u n d Heller und 1347
am 23. April verkaufte er sie dem „Bruder Konrad von
Stetten" ins Kloster Alpirspach 36. Dieser ist offenbar der
1339 erwähnte Sohn des damals toten Albrechts des Ganussers! Ein Walther von Stetten war 1349 tot. Am 6. Dezember dieses Jahres verkauften dessen Kinder Walther
und Gertrud an die Priorin und den Konvent zu Kirchberg ihre halbe Mannsmahd Wiese im Zimmerner Tal (bei
Heiligenzimmern) neben Hermanns des Suters Wies gelegen. Den Tübinger Schilling, den die Wiese als Zehnten
zu geben hatte, wollten sie jährlich aus "irem vom Vater
ererbten Haus zu Haigerloch bezahlen. Der Kaufpreis betrug vier P f u n d weniger 5 Schilling, also 3 P f u n d 15 Schilling. Es bürgten Hans der Amman und ihr Oheim Hermann Haggenbrose 37. Der Haigerlocher Bürger Albrecht,
des von Stetten Sohn, veräußerte am 7. September 1356
mit Zustimmung seiner ehelichen Wirtin Adelheid von
Hohdorf dem Kloster Kirchberg seinen Teil des Holzes
Kunkgruob, das bisher schon halb den Frauen gehörte 38.
Burkart von Stetten, seßhaft zu Gruorn, und seine Frau
Agnes verkauften am 15. Okt. 1356 an Berchtold den Ganusser
Haigerloch ihren Teil des Gütleins zu Hochspach (Hospach bei Haigerloch), genannt der Auberlinen
Gut um 38 Pfund Heller unter dem Siegel der Oberstadt
Haigerloch 39. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter zu Rottweil, beurkundete am 19. Oktober 1378, daß er den Brunhof, den Auberlinshof und eine Wiese an der Stünz, alle
zu Hospach gelegen, auf Bitten Benzen des Ganussers, Bg.
zu Haigerloch, welche Benz bisher von ihm zu Lehen gehabt und jetzt aufgab, dessen Söhnen: Pfaff Kunrad und
Pfaff Peter, sowie der Frau Margreth, einer Kirchberger
Klosterfrau, Tochter des Benz, geeignet habe 40.
Um 1380/90 hatten Benz Ganesser von Haigerloch und
seine Wirtin ein Gut zu Ringingen als hohenbergisches
Lehen gehabt, genannt „der (Herren) von Ringingen
Gut", das Kunz Stähelin, Kunz Villinger und Fritz Elsensohn bebauten 41. Das Gut war offensichtlich ehemals im
Besitz des edlen Eberhard von Ringingen 1292 gewesen.
Pfaff Konrad der Ganusser von Haigerloch und seine
Stiefmutter, Schwester Guta die Ganusserin, und ihre
Tochter Greth (diese erwähnt 1378 und 1399) verschrieben am 1. Mai 1401 für die Zeit nach ihrem Tod ihr
Eigengut zu Hochspach, nämlich Bruns Gut und Auberlins
Gut, als Jahrtag für sich als Kloster Kirchberg 42.
Das Gut, das um 1380 Benz Ganesser von Hai gerloch zu
Ringingen als hohenberger Lehen innehatte, kam dann
an Heinrich von Killer, genannt Affenschmalz und seine
Frau Elsa die Unraine. Diese veräußerten das „Ganasgut"
und ein weiteres, das Fritz Hohenbergs Sohn und dessen
Frau Katharina zu Ringingen als gleiches Lehen gehabt
und das der Schottel um 1380 baute, am Luzientag
(13. Dezb.) 1404 um 312 Gulden an die Martinspflege
von Ebingen 43. Herzog Friedrich von Oesterreich belehnte
dann am 14. Dezember 1404 den Ebinger Kirchenpfleger
Kunz Plumping mit dem Ganasgut zu Ringingen. Oesterreich hatte nämlich 1381 die Grafschaft Hohenberg erworben. Bei der Stiftung des Affenschmalzer Jahrtags 1406
zu Ringingen sind noch „der Ganasserin Wiesen" zu Ringingen am Leh und unter Aigenbrots Haus angeführt 4 4 .
Doch ist damit nicht gesagt, daß diese damals noch lebte.
Ein Endres von Stetten zu Gruol hat seine Güter, die der
Herrschaft Hohenberg dienstbar waren, im J. 1394 für
200 Pfund Heller zur Steuer geschätzt 45 . Derselbe besaß
die Burg zu Gruorn mit dem Wassergraben und mit der
Schütte darum als hohenberger Lehen und des Stolken
Braite zu Rosenfeld als Träger für seine Frau Katharina
und deren Schwester Ursula 46. Weitere Nachrichten über
die Familie scheinen nicht vorzuliegen. Somit muß das
Wappen (Fisch auf Schrägbalken) in der Fensterleibung
der Haigerlocher Unterstadtkirche von 1516(?) einem
anderen Geschlecht „von Stetten" angehören
Was die Namen angeht, so darf man bezüglich „Esel" an
das Wappentier erinnern 48. Ob eine Verwandtschaft mit
denen von Riedheim-feelsburg bestand oder Gleichheit
mit den „Eseln von Dürrheim" (1092-1299) vorliegt 4 9 ,
müßte erst noch untersucht werden. Letzteres scheint mir
nicht ausgeschlossen, da der dort oft vorkommende Vorname Walther sich vor 1349 auch bei uns findet mit
„Walther von Stetten". Der N a m e Ganasser (Ganusser,
Ganesser) dagegen geht wohl auf das althochdeutsche ga71
nazzo = Gänserich zurück. Beinamen waren ehedem sehr
beliebt. Es sei nur an die Ofenrauch bei den Freibergern,
Affenschmalz bei denen von Killer, an die Vesenschmalz,
Fladenmaul, E n t e n f u ß , Eierschmalz usw. erinnert. Aus
dem N a m e n „von Stetten" darf man doch wohl schließen,
d a ß die Familie zeitweise zu Stetten (bei Haigerloch) saß.
Joh. A. Kraus
Anmerkungen:
1
H o h z . J a h r e s h e f t 1961, 1 0 - 2 2 ; Schauinsland (Freiburg) 1964, 116—
121; Zeitschr. Freibg. Diözesanarchiv 1969, 15, w o ein 1125 gen a n n t e r Vogt K o n r a d der beiden Kirchen St. Märgen u n d St. Gallen
als Sohn des G r . A d a l b e r t v . H a i g . v e r m u t e t w i r d . Jedoch ist zu
beachten, d a ß in diesem J a h r noch Graf Wetzel I. von Haigerloch
lebte. So möchte man eher an den G r a f e n K o n r a d v o n G a m m e r tingen (1122—32) denken, dessen V e r w a n d t e r , Graf Ulrich von
G a m m e r t i n g e n , bis 1166 Vogt von St. Gallen w a r : Zeitschr. f.
W ü r t t . Landesgesch. 1966, 94 u n d H o h e n z . H e i m a t 1966, 57.
2
W ü r t t . Vierteljahrsh. f. Landesgesch. 1933, 202.
3
L u d . Schmid, Aelteste Gesch der H o h e n z o l l e r n I I , 240.
4
F. X . H o d l e r , Gesch. d. O A Haigerloch 1928, 53.
4
a abgegangen links des Neckar auf G e m a r k u n g Sulzau ( H o r b ) .
5
W . Viertelj. H . 1930, 6 4 - 6 8 .
6
H o d l e r 571 mit A n m e r k . Seite 929.
7
W i r t b . UB I I , 411.
8
Zeitschr. f. w ü r t t . Landesgesch. 1966, 126.
9
H o d l e r 42 u n d 45.
10
Zeitschr. Freibg. Diöz. Archiv Band 15.
11
Fürstenbg. U B 5, Seite 96.
12
H o d l e r 60 f u n d dagegen Zollerheimat 1938, 14.
13
H o d l e r 571.
14
Wirtbg. UB 9, 191.
15
H o d l e r 579.
16
U r k u n d e n N r . 164 u. 165 des Kl. Kirchberg i. Staatsarch. Stuttg.
17
ebenda U r k . N r . 313.
18
W i r t b . UB 4, 12; Kreisbeschr. Balingen I I , 313.
Kirchberger U r k . N r . 549.
M o n . Zollerana I, Seite 187.
21
K . O . Müller, Quellen z. Grafsch. H o h e n b e r g I, 1953, 146.
22
ebenda S. 13.
23
Weitinger Kopialbuch S. 90 (Fürstl. Arch. Sigmaringen);
H o d l e r S. 400.
24
W i r t b . UB 11, 333 u n d 395.
24
a Findbuch d. Klost. Kirchberg i. Stuttg.
2
5 H o d l e r 580 u n d 781.
2
« Kirchberger U r k . N r . 549, Stuttg.
27
ebenda N r . 550.
28
ebenso N r . 296.
29
H o d l e r 772.
30
Stettener U r k . N r . 78 u. E r g ä n z u n g Seite 347: H o h z . J H e f t e 1955 f.
30
a Kreisbeschr. Balingen I I . 116; H o h z . Zeitung v o m 7. Aug. 1970,
N r . 179.
31
v. Alberti, W ü r t t b . Adels- u. Wappenbuch I, S. 214.
32
H o d l e r 781.
33
Kirchberger U r k . N r . 551.
34
ebenso N r . 552.
3
5 ebenso N r . 321.
36
H o d l e r 792; M i t t . H o h z . 11, 113.
37
Kirchberger U r k . N r . 813, Stuttg.
38
H o d l e r 781.
39
Findbuch d. Kirchb. U r k u n d e n i. Staatsarch. Stuttg.
40
ebenda, zu Kopialbuch I I , 165.
41
K . O . Müller, a. a. O . I, 135.
42
Findbuch (wi6 oben) zu K o p . I I , 166.
43
H o h e n z o l l . J a h r e s h e f t e 1954, 111.
44
ebenda 1954, 124 und näheres 1964, 355.
« K . O . Müller, a. a. O . I, 99.
« ebenda I, 143.
47
K u n s t d e n k m ä l e r w e r k Hechingen 1939, S. 112.
48
v. Alberti, a. a. O . I, 214 u n d I I , 770 („Stetten").
49
K . v. Knobloch, O b e r b a d . Geschlechterbuch I, 259.
19
20
Buchbesprechung
H A U S E N A M A N D E L S B A C H , aus der Geschichte des
Dorfes, von Josef Mühlebach, erschienen bei M. Liehners
Hofbuchdruckerei KG., Sigmaringen.
Der Besprechung dieses neuen Heimatbuches m u ß ich eine
kurze U n t e r h a l t u n g vorausgehen lassen, die der Autor
vor J a h r e n einmal im Landeshaus, sozusagen zwischen
T ü r u n d Angel, mit mir führte. Es ging darum, w a r u m
so wenige von den Leuten, die eigentlich dazu berufen
sind, heute in Hohenzollern Heimatgeschi ~iite schreiben.
(Um das wiederum vorwegzunehmen: es ist seirher doch
wieder besser geworden.) D a meinte Josef Mühlebach
sehr anschaulich: Ein Lehrer etwa auf dem Land hatte
wenig Abwechslung. So setzte er sich am Sonntag hin
u n d grub die Geschichte des Ortes aus oder setzte sich
in die Sigmaringer Bibliotheken um zu forschen. H e u t e
h a t er einen Wagen, u n d wenn das Wetter schön ist, f ä h r t
er an den Bodensee oder sonst irgendwo ins G - i n e .
N u n , meines Wissens hat der Autor dieses neuen H e i m a t buches kein Auto, d a f ü r aber ist ihm eine Arbeit gelungen, von der sich sagen läßt, daß man auf r u n d 170 Seiten
eigen "ich k a u m mehr an I n f o r m a t i o n , aber auch an Zuneigung zu einem O r t menschlichen Geschehens u n d zu
den Menschen, die da lebten u n d leben, hineinpacken
k a n n . Der Rezensent gehört zu j< nen Lesern, d ; e es nicht
le'den können, wenn ein wissenschaftliches oder Sachbuch keine, zu wenige oder schlampige Register aufweist,
und f ä n g t folglich immer hinten an zu lesen. Er k o m m t
aber hier ganz auf seine Kosten: eine klare Gliederung
des umfangreichen Stoffs, eine ebenso saubere Inhaltsangabe, dazu ein H ä u s e r - u n d Fannlienverzeichnis, eme
Zeittafel, eine Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen,
Angaben sogar über d k verschiedenen Meereshöhen u n d
g e n r 5 e n d Anmerkungen u n d Literaturhinweise
72
U n d zwischen Inhaltsangabe und Registern nun von
Landschaft u n d Lage angefangen einfach alles, was zur
Geschichte des Dorfes gehört. Der Autor hat nichts ausgelassen - jedenfalls wüßte der Rezensent nichts zu nennen was nur irgend von Belang wäre. M a n findet alle erdenkliche A u s k u n f t über die Lebensgrundlagen, über das Kirchenwesen bis hin zu Kurzbiografien von Priestern und
Glockeninschriften; über die Gemeindeverwaltung, Voru n d Frühgeschichte, Sagen u n d Wasserversorgung. Sehr
umfangreich und bis auf das J a h r 1970, in dem das Buch
erschien, ist auch nie Wirtschaftsgeschichte a u f g e f ü h r t und
selbst die Auswanderungen sind nicht zu k u r z gekommen.
N u r in einem wichtigen P u n k t m u ß cm E i n w a n d erhoben
werden. Es handelt sich um die Burg von Hausen, zu der
Mühlebach einen Beri i t an Kaiser Friedrich den Z w e i e n
aus der Zeit um 1220 heranzieht. D a r i n ist die Rede von
Veräußerungen von Königsbesitzungen. Graf Rudolf von
Pfullendorf hatte diese Besitzungen an Kaiser Barbarossa,
Friedrich den Ersten, übertragen vor ;mem Zug ns H e i lige Land, von dem er, R u d o l f , nicht zurückkam. Darin
sind auch genannt Castrum Husin cum Villa sub Castro.
Diese Burg Hausen mit darunter gelegenem Dorf nimmt
Mühlebach als Hausen am Andelsbach an. Nach anderen
Autoren ist es aber Hausen .m D o n a u t a l , über dem die
Burg heute noch iix T r ü m m e r n zu sehen ist. In diesem Zusammenhang hat der Autor, soweit ersichtlich, auch c1 :
Flur „Burgacker 'nicht identifiziert. Der Rezensent hat
sich an den Leiter des Sigmar Inger Staatsarchivs gewandt
in der Frage u n d sich von Archivc irektor D r . Eugen
Stemmler sagen lassen, d a ß seines Wissens in der T a t die
Zuordnung dieses Castrum H u s i n cum viila ungelöst sei.
J o h a n n A d a m Kraus zieht folgenden G e d a n k e n heran:
Burg u n d Dorf seien nach 1212 von Friedrich II. an die
H e r r e n von Ramsberg v e r k a u f t worden, wonach ein erst
1818 ausgestorbener Zweig der Ramsberger sich „von
Husen" nannte. Ihr Wappen zeige einen „Ram" oder
Widder. Da aber die Herren von Hausen im Donautal
von 1212 an eben diesen Widder im Wappen führten,
müsse dieses gemeint sein und nicht Hausen am Andelsbach. Der Schreiber dieser Zeilen stellt diese Ansichten zur
Diskussion.
Doch darf wohl diese Frage keine allzu große Rolle spielen angesicht des Umstandes, daß hier ein Buch vorliegt,
das man vorbildlich nennen darf. So stellt man sich eine
lebendige Heimatforschung dar, und der Rezensent
schließt mit dem Wunsch, daß recht viele dieses Buch
lesen — sie müssen dazu gar keine nähere Beziehung zu
Hausen haben - und daß sich mancher angetan finden
möge, es Josef Mühlebach nachzutun.
Frick
desgeschichte, Jahrgang 1963,1. H e f t ) diese Deutung, vielmehr geht er davon aus, daß neben den Brühlen und Breiten im späten Mittelalter die Bohlen zum Herrn- oder
Maierhofland gehörten. Auf unserer Gemarkung liegt die
Bohlgrube unmittelbar neben der Breite. Wenn nach
Jänichen außerhalb Etter die Brühle, Breiten und Bohlen
als Wiesen, Acker- und Weideland einen Ring um die
Siedlung bildeten und sich daraus der Schluß ergibt, daß
dieser Ring das Wirtschaftsland der Umsiedlung bildete,
so möchte man diese Deutung auch für unsere Gemarkung
als zutreffend bezeichnen, weil die Bohlgrube zusammen
m.i der Breite wenigstens den Te" eines Ringes um die
Siedlung darstellt.
Breite, früher häufig auch Breitie, ist die Bezeichnung für
ein ebenes, ausgedehntes Ackerland zu beiden Seiten der
äußeren Triebgasse. Die Breiten, eine blockförmige Ackerflur, waren ursprünglich, wie die Hofäcker und Brühle,
Eigenbesitz des Ortsherren und wurden von diesem im
Spätmittelalter in Teüstücken an die Bauern ausgeliehen.
JOSEF M Ü H L E B A C H
Flurnamen aus Hausen
(Leseprobe aus dem Buch „Hausen am Andelsbach")
Andelsbach. Der Andelsbach ist nach M. Buck und Otto
Springer der Bach des Andolf, Letzterer mag in der
alemannischen oder spätalemannischen Zeit Besitzer des
Baches gewesen sein oder an diesem umfangreiche oder besondere Rechte gehabt haben. Der Personennamen Andolf
erscheint auch im Ortsnamen Andelfingen (bei Riedlingen).
Annenhofer. Das sind die Äcker, die zum Annenhof oder
Annagut gehört haben. Der Lehensinhaber, später der
Eigentümer des Gutes, war der Annenhofer. Der Annahof
gehörte ebenso wie das St.-Klara-Gut einem benachbarten
Frauenkloster. Nach dem Gemeindeurbar von 1730 hatte
der Hirschwirt das Annagut (den Annahof) zu Lehen.
Band. Das Band, aufgeteilt in ein inneres, mittleres und
äußeres Band, ist aus Bann, Bannet entstanden. Mit Bann
oder Band sind Flur- und Waldteile, auch Wege bezeichnet worden, die für die allgemeine Nutzung, für die
Weide und dergleichen verboten, „gebannt" waren.
Bescheußäcker, Ein Flurname, der wegen seiner Seltenheit schwer zu erklären ist. Man kommt der Deutung vielleicht am nächsten, wenn man dem Schwäbischen Wörterbuch von Fischer folgt und den Flurnamen Beschißäcker
zu Hilfe nimmt. Beschiß ist nach dem Schwäbischen
Wörterbuch Meltau beim Getreide. Unsere Bescheußäcker
wären also ein Flurteil, in dem früher das Getreide häufig mit Meltau beschissen (vom Meltau befallen) war.
Bizaine heißen Gartengrundstücke im „Winkel" links der
Dorfstraße nach Ettisweiler. Das als Bi2aine bezeichnete
Gelände ist aucn anderwärts meistens nahe dem Dorfe
gelegen, war in der Regel eingezäuntes Gartenland und
vielfach mit Hackfrüchten, H a n f - und Flachs angebaut.
Unmittelbar neben der B'^aine auf unserer Gemarkung
liegen die Hanfgärten.
Boblgrube. Die bisherige Forschung hat vielfach - auch
nach M. Buck - Bohl = Buhl gesetzt, eine Deutung, der
fu.' unsere Bohlgrube eine gewisse Berechtigung ni;ht abgesprochen werden könnte, weil mit ßchlgrube auf der südlichen Feldgemarkung ein hochgelegenes Gewann mit einer
grubenartigen Bodensenke bezeichnet ist. Hans Jäm'chen
bezweifelt in semer Arbeit „Die Bohl im SchwäbischAlemannischen" (Zeitschrift für Wurttembergische Lan-
Der Brühl, rechts des Andelsbaches, oberhalb der Mühle,
zeigt die gleichen Merkmale, wie sie anderwärts die Brühlwiesen auch haben: feuchte, äußerst fette und ergiebige
Wiesen nahe dem Bach und in unmittelbarer Nähe des
Dorfes. Die Brühlwiesen waren früher vielfach Viehweide.
Der Brühl war im allgemeinen Wiesenland, das die
Grundherrschaft zu ihrem eigenen Bedarf aus der Acht
ausgeschieden hatte. Unser Brühl wird schon in einer Urkunde vom 4. April 1295 genannt. Nach dieser Urkunde
verkauft Burcard von Kunibach den Brühl zu Hausen
dem Spital Pfullendorf um 24 Konstanzer P f u n d .
Die Brunnadern werden schon im Urbar des Klosters
Habsthal von 1420 genannt. Der westlich der Krauchenwieser Straße liegende Flurteil war früher von Quellbrünnlein durchzogen. Am Fuße des Hanges am Ostrand
des Andelsbachtales entspringen heute noch mehrere kleine
Quellen.
Der Dreispitz östlich der Rul nger Straße entlang dem
Weithart deutet auf eine Dreiecksform hin, i ie das Ackerland früher, wohl durch einen vorspringenden Waldteil,
gehabt hat. Vielfach hat der Dreispitz, die im Mittelalter gebräuchliche Kopfbedeckung, den Namen für diese
Flurbezeichnung hergegeben.
Der Egelsee, eine breit hingelagerte, muldenartige Senkung auf der südlichen Feldgemarkung, etwa 28 Morgen
groß, war bi> ins 19. Jahrhundert h lein ein stehendes,
1 bis 8 Fuß tiefes Gewässer, ein Dorado für Blutegel,
Frösche und sonst ge Weichtiere. Noch in der letzten Zeit
seines Bestehens wurden daraus Blutegel in die Apotheken
der benachbarten Städte Mengen und Pfullendorf geliefert. Mit seiner Trockenlegung hat sich das Ortsgericht
schon um 1835 befaßt, aber erst nach jahrzehntelangem
Planen und umfangreichen Verhandlungen kam es 1874
bis 1876 zur Trockenlegung. Die Kultivierung des versumpften und verschilften Bodens war mühsam; selbst
heute noch ist der Graswuchs struppig, aber langsam und
stetig wandelt sich der Grund in ertragreiches Ackerland
und brauchbare Wiesen. Im Gemeindeurbar von 1730
wird ein Egelsee häufig auf der nördlichen Feldgemarkung
gegen Krauchem, .es genannt.
Die Embdwiese (Ohmdwiese) im Dorftal zwischen Oberund Unterdorf ist die Wiese, auf der zur Zeit des Flurzwanges geöhmdet, also "in zweiter Schnitt gemacht werden durfte. Im allgemeinen waren dif Wiesen damals einmähdig, d. h. es durfte auf ihnen nur ein Schnitt gemacht
werden, um den Weidebetrieb nicht zu beeinträchtigen
73
JOSEF MUHLEBACH
Die Hünaburg bei Weihwang und Glashütte
Seit 1950 werden vom Württembergischen Amt f ü r Denkmalpflege an der Heuneburg bei Hundeio ngen Ausgrabungen durchgeführt, die wertvollste Ergebnisse und Erkenntnisse über diesen späthallstattzeitlichen, frühkeltischen Fürstensitz erbracht haben. Mehrere bedeutsame
Veröffentlichungen geben ein eindrucksvolles Bild über die
„Residenz" keltischer Fürsten an der Donau bei Hundersingen, so u. a. die Schriften von Kurt Bittel und Adolf
Rieth, 1951, und von Wolfgang Kimmig, 1968, „Die
Heuneburg an der oberen Donau".
Wenn Wolfgang Kimmig die Auffassung vertritt, daß sich
solche Burgen im Abstand von oft nur 10-15 Kilometern
im Bereich des Bussens und „gewiß auch an anderen
Plätzen, die es nur zu erforschen gilt", finden, so wird
unsere Aufmerksamkeit unwillkürlich auf eine Heuneburg
im südlichen Hohenzollern bei Weihwang hingelenkt. Gewiß mag die Anlage bei W'ihwang-Glashütte der Heuneburg bei Hundersingen an Bedeutung weit nachstehen,
aber gerade im Blick auf Hundersingen dürfen wir uns der
Heuneburganlage bei Weihwang mit Interesse erinnern.
Wenn der Autofahrer heute in der üblichen Eile von Pfullendorf oder von Wald nach Krauchenwies fährt, ahnt er
wohl nicht, daß der Höhenrücken zwischen Weihwang
und Glashütte ein Bodendenkmal birgt, das abzuschreiten
eine Stunde Aufenthalt lohnen würde. Es ist die bewaldete Höhe, die von Glashütte her : i das Kehlbachtal hineinragt und Weihwang westlich gegenüber liegt.. Eine
glücklicherweise bereits stillgelegte Kiesgrube hat diesen
Berg, der dieses Bodendenkmal birgt, angeschnitten. Es ist
der Schloßbühl, den unsere Vorfahren mit dem viel treffenderen Namen Hünaburg, also Hünenburg, bezeichnet
haben. Gerade im Blick auf die Ausgrabungen an der
Heuneburg bei Hundersingen verc :nt die H ü n a b u r g zwischen Weihwang und Glashütte, weil sie auf hohenzollerischem Gebiet gelegen ist, unser besonderes Interesse. Sie
liegt auf der Gemarkung Weihwang und wurde im Jahr
1881 von Oberst von Cohausen entdeckt und skizziert.
Sie hat eine Länge von 194 Metern und eine Breite von
82 Metern. Die oben erwähnte Kiesgrube hat c'ie Befestigung der Nordostecke etwas angeschnitten. Gegen den
Kehlbach fällt der H a n g ganz steil ab, so daß an der Ostseite keine ehemaligen Erdbefestigungen mehr zu erkennen
sind. Die gefährdete Westseite dagegen ist von exnem doppelten Graben mit Wall halbkreisförmig umschlossen.
Diese Befestigung ist in ihrer ganzen Länge noch auff .1lend gut erhalten und zeigt deutlich den alten Zugang,
der im Norden des Ringwalles lag. Ein Zufahrtsweg aus
dem Kehlbachtal führt den Steilhang entlang zum gleichen
Nordeingang, nur ist dieser Weg durch die Kiesgrube auf
etwa 40 Meter unterbrochen. Welches Volk mag diese
Fliehburg erstellt haben? Gegen welches Volk sollte sie
Schutz bieten? Waren die Erbauer Kelten, waren es Hallstattleute? Wurde die Burg stürmender H a n d genommen?
Welches war das Schicksal dieses Volkes? Wo hatten sie
ihre Siedlungen? Wie mögen diese Menschen ausgesehen
haben? Woher kamen sie und woh.n zogen sie? Das sind
Gedanken, die sich jedem Heimatfreund beim Abschreiten
dieser in dunklen Tannenwald gehüllten Stätte auf
drängen. Unser Heimatboden hat in Treue durch die Jahrtausende hindurch dieses Geheimnis gehütet. N u r der Spaten kann ihm die Geheimnisse zum 1 _il entreißen. Das
eine kann wohl mit einiger Sicherheit gesagt werden, daß
74
die Volksburg auch als Fliehburg diente, auf die sich die
nicht wehrfähige Bevölkerung der nächsten Siedlungen mit
H a b und Gut in Sicherheit brachte, wenn der Feind in das
Land einbrach.
Der heutige Flurname lautet Schloßbühl. Da hier die
Grenzmarke zwischen dem Amt Wald und der Herrschaft
Gremiich lag, läßt sich der Flurname in den früheren Jahrhunderten leicht feststellen. Das Walder Urbar vom Jahre
1501 nennt diese Stätte wiederholt Hünaburg. In der
Grenzbeschreibung des Walder Amtes von 1602 lautet der
N a m e Hennenburg und Hünenburg, während er 1680
einigemale Hünnenburg heißt. Bei der Errichtung der
Glashütte im Jahre 1701 he .t es, daß „das Vieh um die
Glashütte und gegen die Hennenburg getrieben werden
könne." Das Walder U r b a r von 1790 kennt den Flurnamen anscheinend nicht mehr. Pfarrer Dr. Schupp, früher
in Zell a. A., jetzt in Neudingen, Kreis Donaueschingen,
hat schon vor Jahren festgestellt, daß 1624 der Flurname
„Hennenburg oder H ü n a b u r g " lautete.
Die Zeit, aus der die Hünaburg stammt, läßt sich, solange
keine Ausgrabungen daran durchgeführt sind, nicht genau
bestimmen; doch lassen
e bedeutenden Grabhügelfunde
von Kappel, die Pfarrer J. Bauer von Dietershofen bei
wiederholter Anwesenheit des Fürsten Carl-Anton im
Jahre 1882 im nahen Walddistrikt Grabenhagen, Markung Otterswang, machte und die sich in den Fürstlichen
Sammlungen zu Sigmaringen befinden und die möglicherweise wegen ihrer Nähe mit der Hünaburg zusammenhängen, vermuten, daß unsere Hünaburg etwa aus der
gleichen Zeit v ^e die üb .gen Heuneburgen stammt. Dies
dürfte die späte Hallstattzeit bzw. die frühe Keltenzeit,
also die Zeit zwischen 500 und 300 v. Chr., sein, (siehe
auch Schwäbische Zeitung vom 22. Sept. 1951).
*
Oberpostrat a. D. Dr. h. c. Peters, von 1934 bis 1948 Vertrauensmann für vor- und frühgeschichtliche Bodenaitertümer in Hohenzollern, eine in der wissenschaftlichen
Welt hochgeachtete Persönlichkeit • er hat nicht nur in
Deutschland, sondern auch in Spanien, Frankreich und
Italien Ausgrabungen gemacht - , hat einmal gesagt: „Es
ist nicht notwendig, nicht, einmal erwünscht, daß wir möglichst alle Bodendenkmale dem Erdboden entreißen. Kommende Generationen sollen auch noch etwas zu tun haben." So mag dia Klärung der Hünaburg zwischen Glashütte undWeihwang eine Aufgabe späterer Forschung sein
(siehe auch Schwäbische Zeitung vom 22. September 1952).
Der „Runde Turm" in Sigmaringen
der letzte von einst vjeren der Stadtbefest.igung aus Werdenbergischer Zeit (2. H ä l f t e des 15. Jahrhunderts) wird
gegenwärtig zu einem Heimatmuseum für Sigmaringen
ausgebaut. Der Turm ist von dem Sigmaringer Ehrenbürger, dem Juwe er und H o f r a t Georg Zimmerer im vergangenen Jahr gekauft und der Stadt f ü r diesen Zweck
zur Verfügung gestellt worden. Material f ü r ein Museum
hat die Stadt seit Jahrzehnten genügend angesammelt.
H o f r a t Zimmere: ,st dieser Tage 80 Jahre alt geworden. Auch das Sigmaringer Tierheim samt seinen laufenden
Unterhaltskosten ist eine Stiftung des Mäzens seiner
Vaterstadt.
Frick
LEOPOLD BAUSINGER
Heimat im Dorf - im Kreislauf des Jahres
(Fortsetzung)
Staatsangehörigkeit. H e u t e und schon längst gibt es ihn
nicht mehr, den w a n d e r n d e n Pfannenflicker.
U n d ob wir sangen! D a stand dann der O d e r m a t t mitten
unter uns und schwang mit dem vollen P o k a l den T a k t .
Immer wieder u n d immer noch lauter mußten wir singen,
zum guten Schluß d u r f t e n wir dann den Stiefel reihum
austrinken, wobei es nicht ohne Keilerei abging, denn
jeder wollte möglichst ein großes Maul voll Bier haben.
Der O d e r m a t t ließ dann nochmals füllen, und die
Schreierei ging wieder von vorne los.
Die „Bürstenhanne" kam aus L ü t z e n h a r d t im Schwarzwald, seinerzeit ein armes Schwarzwalddorf, heute weitbekannter L u f t k u r o r t . Die M ä n n e r verfertigten in H e i m arbeit Bürsten, und die Frauen v e r k a u f t e n sie auf dem
Hausierhandel. Die „Bürstenhanne" wohnte im Dorf bei
den Großeltern mütterlicherseits, d o r t hatte sie H e i m a t recht, obwohl nicht v e r w a n d t . Tagsüber ging sie mit ihrer
Ware über Land, abends k a m sie z u m Schlafen zurück ins
D o r f , setzte sich an den Tisch wie zur Familie gehörend. —
A n einem starken D r a h t r i n g hingen d Le Bürsten alle, den
die H a n n e auf der Achsel trug: Kleider- u n d Schuhbürsten, V '.hbürsten und Roßkartätschen, H a a r - und Bartbürsten, Bürsten f ü r die Wäsche und Bürsten f ü r alles
mögliche. — An den J a h r m ä r k t e n im Städtle hatte die
„Bürstenhanne" ihren Stand. Auf einem langen Ti.ch aus
Brettern w a r die Bürstenware ausgelegt, die v lseitigen
Zuspruch f a n d , denn die Bürstenhanne w a r als reell weit
und breit bekannt. — Auch sie sind ausgestorben, die Bürstenhändier in Lützenhardt, ozonr che L u f t v e r k a u f t ich
leichter an die Kurgäste.
D a m i t w a r f ü r uns K i n d e r die „Fasnet" zu Ende, w ä h r e n d
die Ledigen u n d auch die Alten abends auf den D o r f b a l l
gingen, w o ein K u n t e r b u n t von Masken und Vermummungen a n z u t r e f f e n war. — Manchmal ging es an Fastnachtdienstag in die nahe Stadt, wenn dort die „ N a r r halla" einen städtischen Fastnachtszug veranstaltete.
An Aschermittwoch ließen wir uns in der Kirche ein
Aschenkreuz auf unser sündiges H a u p t machen, w ä h r e n d
dann u n d w a n n die Ledigen am Nachmittag dieses Tages
noch ein besonderes Vergnügen hatten. Wenn nämlich
w ä h r e n d der „offenen Zeit", das ist die Zeit von Dreikönig bis Fastnachtsdienstag, keine Hochzeit : m Dorf
s t a t t f a n d — in den stillen Ze en d u r f t e n keine ö f f e n t lichen Hochzeiten sein —, streuten di ledigen Burschen
Spreu auf die Straßen, holten ihre ledigen Mädle und
ließen diese hinter der Spreu eine hölzerne Egge ziehen,
w o m i t symbolisiert werden sollte, d a ß die Zeit der
öffentlichen Hochzeiten unfruchtbar gewesen war. U r a l t
soll dieser Brauch se , wahrscheinlich ist er heute größtenteils ausgestorben, schade!
A m Abend des Aschermittwoch bettelten die ledigen
Burschen Eier u n d Speck in den H ä u s e r n u n d ließen sich
davon ¿m „Adler" oder im „Grünen B a u m " große Platten mit Speckpfannenkuchen machen, w o z u große Q u a n titäten Bi r getrunken w u r d e n . Das w a r dann der Abschluß der ausgelassenen Fastnachtsze , sie w a r harmios
und bot trotzdem manche Freuden f ü r jung u n d alt.
Bald begann wieder die harte Feldarbeit f ü r die Dörfler,
Lichtmeß w a r gewesen, die N a t u r verlangte wieder ihr
Recht, denn eine neue Wachstumsperiode setzte ein, ein
neuer A n f a n g und ein neues Werden.
Alltag
Aus dem dörflichen
Von Hausierern, Musikanten
und fahrendem
Volk
Sie gehören zum Dorf so gut wie seine Bewohner, diese
Menschen, die jahraus, jahrein in regelmäßigen Abständen ins Dorf kamen, um ihre Waren feilzubieten, ihr
H a n d w e r k anzupreisen oder ihre Künste zu Zeigifl. So
tauchte immer wieder der „JV ia" auf, ein P f a n n e n flicker von Beruf und aus Italien stammend. Er flickte
P f a n n e n und Kessel und Schapfen u n d E'.ner, und so hieß
er nur „der P f a n n e n f l i ter", doch die Leute waren f r o h
an ihm, denn um wenig Geld iötete er die Löchl .n und
Schadstellen zu. Seine Werkstatt schlug er bei schönem
Wetter im Freien auf. D o r t saß er auf einem Schemel bei
seiner Feldschmiede, pfiff oder sang ein Liedchen und
flickte und flickte. Wir Buben standen manchmal bei ihm
und bewunderten seine Kunst. In späteren Jahren ist der
Mina nach Deutschland gezogen u n d erwarb die deutsche
Das „Kochlöffelmannle" sei nicht vergessen. Er wai im
N a c h b a r o r t Schlatt zu Hause, ein gar lustiger und durstiger K u m p a n . M i ; selbstverfertigten Kochlöffeln und
Wäscheklammern ging er hausieren, doch w a r sein Warenbestand nie groß, es kam .im weniger auf den Verkauf
seiner W a r e an, als d a ß er vielmehr bettelte, einen Kreuzer oder auch ein Stück Brot. Der Kochlöffelhandel bildete mehr oder weniger das Scheingeschäft f ü r seine Bettelei. Manchmal m u ß t e er einige Tage brummen, wenn ihn
der G e n d a r m beim Betteln erwischte. Mit einem Zwerchsack w a n d e r t e er durch das Land, den er mit der einen
H ä l f t e nach vorn, mit der arideren auf dem Rücken über
die Achsel trug. Eines Tages, als ihm die Lehrerstante die
üblichen Kreuzer (zwei Pfennige) gab, begehrte er auf
und meinte: „A Fünferle, a Fünferle, s'hott alles aufgschlage, s'Bettla hoc au auf ufgschlage!" Das Bettelgeld
setzte er allzusehr in Schnaps um, anstatt es seinem Weib
und seinen Kindern zukommen zu lassen. Er w a r ein
fröhlicher Geselle, und wenn er beschwipst w a r , sang er
das Lied vom heben Augustin, denn auch er hieß August:
O du lieber Augustin, alles ist hin,
s'Geld ist versoffa und s ' ^ c i b ist verloffe,
O du lieber August_n, älles ist hin!
H e u t e ist er schon lange tot, nur die Alten können sich
seiner erinnern, ein Original ging mit dem „Kochlöffelm a n n l e " hin.
Regelmäßig kamen Musikanten
s D o r f . Aus der Rheinp f a l z kamen sie zu vieren und f ü n f e n , ließen auf den
Straßen und Gassen ihre Weisen ertönen und sammelten
Gaben mit dem H u t in der H a n d von H a u s zu H a u s .
„Tief drinn im Böhmerwald, w o meine Wiege stand",
„Wie die Blümlein draußen zittern . . .", „Im G r u n e w a l d ,
im G r u n e w a l d ist H o l z a u k t i o n " und w ^ die Lieder alle
hießen, bliesen sie immer wieder aufs neue. Die Musikanten wurden nicht als Bettler angesehen, sie boten ja ihre
Musikkunst f ü r die erbetene Gabe. — Auch im Dorf gab
es Musikanten, die aber hauptsächlich auf Hochzeiten zum
T a n z aufspielten, hausieren gingen i.e nicht. Musikanten
75
begegneten mir selbst an meinem Hochzeitstag zwar nicht
in der Heimat. Sie spielten beim Haus meiner Braut ein
Ständchen und erhielten gern einen Extraobolus. Auch
jene Musikanten waren auf Wanderfahrt.
Dann und wann kamen Bärentreiber ins Dorf, schwarze,
verlumpte Gesellen, wohl Zigeuner. Braune Bären führten sie am Nasenring mit, die immer wieder ihre Tanzkünste zeigen mußten, nicht ohne dabei manchen Hieb
oder Stoß mit einem Prügel zu bekommen. Ab und zu
führten solche Trupps auch mal ein Kamel oder ein Dromedar mit, wobei wir Buben uns stritten, welches dieser
Tiere ein und welches zwei Höcker hat. W a r dann noch
ein A f f e mit bei der Truppe, so war die Neugier von
uns Kindern besonders groß, und wir begle' eten diese
Trupps durch's ganze Dorf.
Auch die Drehorgelmänner von einst sind heute verschwunden. Invaliden aus dem 70er Krieg mit einem
Holzbein oder nur einem Arm, im Bergwerk zu Schaden
gekommene Bergleute, verkrüppelt an H ä n d e n oder
Füßen, manchmal auch erblindet waren sie, denen ihre
Rente nicht zum Lebensunterhalt ausreichte und deshalb
durch Drehorgelmusik zu einer zusätzlichen Einnahme
zu gelangen versuchten. Auch sie erhielten ihren Kreuzer
f ü r ihre Drehorgelmusik, die mir heute noch in den Ohren
klingt. Längst hat die soziale Gesetzgebung den Kriegsbeschädigten und Invaliden eine Rente zugesichert, daß
sie nicht mehr auf den Bettel angewiesen sind. U n d das
von Rechts wegen!
Von Wandkalendern
und einem Kirchengesangbuch,
alten Zeitungen und allerlei Geschriebenem
von
Die Innensei te des Wandschrankes in der Wohnstube war
der unverrückbare Platz des Kalenders „Lahrer hinkender
Bote". Immer einige Jahrgänge wurden dort verwahrt,
denn der Bauer wollte auch manchmal zurückblicken. So
ein Bauernkalender war in meiner Jugend eine Art Buchhaltung. Dort wurde alles festgehalten, was sich n Hof
und Stall ereignete: wann die Bless rinderte, das Nägele
kaibte, die Muttersau zum Eber geführt wurde, was aus
den Ferkeln erlöst wurde, wieviel Garben die einzelnen
Äcker brachten, wie das Druschergebnis war, und wieviel
Simmere der und jener Acker brachte, was an Kartoffeln
geerntet wurde und derlei mehr. Es wurden Vergleiche
zu den Vorjahren angestellt und also Bilanz gezogen. D a ß
die netten Kalendergescnichten außerdem interessierten,
jung und alt, ja, daß sie das J a h r über mehrfach gelesen
wurden, und daß sie sogar, wenn sie in der Wohnstube
neuen Kalendern Platz machen mußten, noch jahrelang
auf der Bühne verwahrt wurden, um in den Wintermonaten nmer mal wieder den einen und anderen herunterzuholen, soll gesagt sein. Da stand dann zu lesen von
Blitz und Ungewitter, von Hagelschlag und Unglück im
Stall, von miserablen Viehpreisen und Mißernten ebenso
wie von guten und zufriedenen Jahren.
In der alten Kommode, die der äußerst talentierte Urgroßvater anfertigte — er war Zimmermann von Beruf
und hatte beim Wiederaufbau der Zollerburg in den 50er
Jahren des vorigen Jahrhunderts di^ umfangreichen
Zimmerarbeiten übertragen erhalten —, lagen ailerhand
Gebetbücher, darunter noch solche aus dem 18. Jahrhundert mit großen Buchstaben f ü r Leute mit schlechten
Augen. Ein Buch st mir wegen seiner Größe immer wieder aufgefallen: das Konstanzer Gesangbuch. Es stammte
aus der Zeit des B'stums Konstanz, hatte eigene Lieder
mit eigener Melodie dieser Diözese. Das Gesangbuch
atmete wohl noch den Geist Wessenbergs, der als Generalvikar und ßi„tumsverweser der letzte Bistumsverwalter
76
von Konstanz war und schon damals nachhaltig f ü r die
deutsche Liturj : eintrat. 100 Jahre mußten vergehen,
bis diese Vorstellung durch das zweite Vatikanische Konzil in unseren Tagen verwirklicht wurde. Wessenberg
aber wurde zu seiner Ze't verworfen! — Auch nach der
Gründung der Erzdiözese Freiburg, zu der damals H o henzollern kam, wurden in den meisten Häusern die
Lieder und Gesänge im Konstanzer Gesangbuch weiterhin gepflegt und beim Gottesdienst gesungen. Die Alten
konnten sich mit dem Neuen so leicht nicht anfreunden
und wollten vom „Magnificat", dem Gesangbuch der
neuen Erzdiözese, wenig wissen. Wenn dann trotzdem
nach diesem Gesangbuch gesungen wurde, kritisierten die
Alten: „Heut hot me wieder dös neumodisch Zeug g'sunge,
's goht halt nichts übers Konstanzer Gsangbuch!" Besonders in der Adventszeit kam solche Kritik auf, wenn das
Lied „Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn
herab" nach dem „Magn-'icat" gesungen wurde, die Melod; im Konstanzer Gesangbuch schien den Alten weitaus schöner und rührvoller. — Aber das Konstanzer Gesangbuch hatte noch ein anderes, das ihm gewissermaßen
Ehrfurcht verschaffte. Hinten im Buch befanden sich
einige vergilbte Blätter, auf denen ein Stück Familienchronik eingetragen war. Da stand zu lesen, noch in den
ungelenken Schr'ftzügen des Urgroßvaters: am . . . ist die
Theres geboren, am . . , ist der Friedrich geboren, am . . .
ist die Theres gestorben. So folgte Eintrag auf Eintrag,
von jeder Generation fortgeführt, Geburten, Todesfälle,
Heiraten. Den letzten Eintrag im Gesangbuch machte ich
selber nach dem Tode des Vaters: am 22. Juni 1939 ist
unser guter Vater Kaspar gestorben.
Auf der Bühne steht ein großer, alter Trog, wie sie in
Bauernhäusern vielfach anzutreffen sind. Darin zu kramen, war von jeher eine Lust. Nicht nur wegen des Inhalts in dem einen der Gefache, in dem die Mutter H u t zeln und Schnitz verwahrte, sondern auch des übrigen
Inhalts wegen, der aus „geistiger* N a h r u n g bestand, aus
alten Zeitungsjahrgängen, alten Kalendern und Unterhaltungsbeilagen des „Schwarzwälder Bote". Zum Teil
waren nur die Romane aus den Zeitungen ausgeschnitten
und wurden gebündelt verwahrt. So hatte sich im Laufe
der Jahrzehnte eine ansehnliche „Bibliothek" eigener Art
angesammelt. Immer wieder wurden im Winter einzelne
Bände von der Bühne geholt und oft zum soundso vielten
Male gelesen. Schade, daß die meisten Zeitungsbände im
Laufe der Jahre den Mäusen und im zweiten Weltkrieg
der Entrümpelung zum Opfer fielen.
An einem Winterabend brachte der Vater vom Rathaus
— er war Gemeinderechner — in In Schweinsleder eingebundenes dickes Buch mit nach Hause. Da standen auf
den dicken, steifen Blättern gar merkwürdige Dinge m
für uns Kinder kaum leserlicher Schrift. Es war die sogenannte Kanzlei Schrift, die mich dann später der Großvater noch lehrte, jene Schrift mit den vielen Schnörkeln.
Auf der Titelseite J.ese Folianten stand mit großen Buchstaben: „Luckenbuch der Gemeind Stetten, angelegt und
erneuert anno 1684 durch Vogt und Gericht." Es folgten
d . 1 Namen: der Vogt Weinundbrod, dessen Sippe heute
noch im Dorf lebt, die P chter Flach, Klotz, Baum usw.,
alles Namen, die auch heute noch im Dorf vorkommen.
Aber auch N a m e n standen da, die heute im Dorf nicht
mehr zu Hause sind. — Das Lucken'buch hielt die Fahrund Trettrechte solcher Grundstücke fest, die nicht unmittelbar an einen Weg grenzten. U n d dies waren zur
damaligen Zeit 'ie meisten, denn es gab ja noch keine
Flurbereinigungen. Da marschi. rten die Grundstücke alle
auf, und es stand zu lesen: Anton Bulachcr des Steffen hat
ein Mannsmad Wiesen im Weinschlatt, stoßt auf Syivester
Klotzen Wies, fährt über diesen zum Weinschlattweg. So
war es rechtens und ist es bis auf die heutige Zeit, da im
Dorf immer noch keine Flurbereinigung stattfand. Welcher Rückschritt! So war Grundstück f ü r Grundstück mit
seinen Rechten und Belastungen im Luckenbuch eingetragen, vielfach mit Nachträgen, wenn ein Grundstück in
andere H ä n d e überging. D a n n hieß es z. B.: „Jetzt dem
Adolf Flach gehörig". Das Luckenbuch war der Vorgänger vom späteren Grundbuch. Schade, daß das Buch abhanden kam!
Im Schreibpult, das der handwerklich geschickte Urgroßvater ebenfalls anfertigte, lag in einem Gefach ein Haushaltungsbuch. Die Urahne hatte das Buch in ihrer jungen
Ehe begonnen und in dem aus gewöhnlichen Blättern
gehefteten „Journal", würde man heute sagen, alle Einnahmen und Ausgaben eingetragen, wie sie sich im Haushalt ergaben. Die Großmutter und später meine Mutter
führten diese Eintragungen fort, weitere solcher Bücher
entstanden, doch die alten wurden weiter aufbewahrt.
Diese alten Bücher bildeten ein Stück Wirtschaftsgeschichte der Heimat und zeugten vom einfachen Leben
im Dorf. Alle Verkäufe aus Hof und Stall, Vieh und
Getreide, die Einnahmen aus Lohnarbeit wurden ebenso
eingetragen wie alle Ausgaben f ü r Kleidung und Alltag.
In den ersten Jahrzehnten bis 1870 waren es Gulden und
Kreuzer, dann kamen Mark und Pfennig, und nach dem
ersten Weltkrieg tauchten Wahnsinnszahlen auf, Millionen, Milliarden, ja sogar Billionen! Bis dann wieder ganz
klein und bescheiden mit Mark und Pfennig nach der
Inflation im Herbst 1923 begonnen wurde.
Feierabend im Dorf
Am Tannenhaag vor dem Haus neben der Toreinfahrt
unter einem mächtigen Kastanienbaum stand die Sitzbank. Die Tagesarbeit war getan, das Vieh versorgt, der
Abend legte sich über Dorf und Stadt, es war Feierabend.
Die Eltern sitzen auf der Bank und lesen die Zeitung, die
Mutter ist manchmal noch mit dem Stopfen und F' ; cken
von Strümpfen und Hosen von uns Buben beschäftigt.
D a n n und wann gesellten sich die Nachbarn dazu, um
noch einen Abendschwatz zu halten. Es ging aber wortkarg zu, vom Wetter wurde gesprochen, vom Vieh und
von der täglichen Arb "t. Ab und zu aber erhitzten sich
die Gemüter, wenn es um Gemeindepolitik ging, um den
oder jenen Wegebau, den Farrenstall und derlei Dinge.
Dann und wann kamen die Alten auch ins Gespräch über
frühere Zeiten, d Männer allzugern über ihre Soldatenzeit und der Nachbar Andres über seine Wanderzeit als
Schuhmachergeselle, die ihn weithin führte bis in die
Schweiz und nach Österreich. Da saßen wir Kinder dann
mäuschenstill dabe, und lauschten neugierig den Erzählungen der Alten. Die Großmutter wußte gar manches
aus der Geschichte des ehemaligen Klosters, von einem
wundertäi'gen Altarbild, einem Flügelakar, dessen Flügel
sich jeweils vor dem bevorstehenden Tod eines Angehörigen der Zollerngrafen öffnete und die Leute in Angst
und Bange versetzte. Von jenem unglücklichen gräflichen
Diener wußte sie, der in seiner Vermessenheit auf ein
Kruzifix m' Pfeil und Bogen schoß in der H o f f n u n g , daß
ihm sodann kein Schuß mehr fehlgehen wurde U n d wie
dann aber beim dritten Schuß der Pfeil im Kruzifix
stecken blieb und nicht mehr herauszubringen gewesen
war und der unglückliche Diener ob seiner Freveltat
draußen bei Heiligkreuz, dem heutigen Friedhof, mit seinem Leben habe büßen müssen.
I ie Großmutter wußte auch, daß ihre Mutter, also unsere Urgroßmutter, auf ihrem Heimweg nachts von Gros-
selfingen das „Muotesheer" begegnet sei und ihr Angst
und Schrecken eingejagt habe. Was Wunder, wenn wir
Kinder dabei das leise Gruseln bekamen.
Auch der Schwedenkrieg spukte noch in den Köpfen der
Alten, denn das Kloster wurde in jenen Schreckenstagen
bös heimgesucht und geplündert. U n d da tauchte auch
jener spöttische und unbeugsame Zollergraf, der öttinger,
auf, der viele Wochen und Monate seinen Belagerern auf
der Burg die Stirn bot, wie eine Maid aus dem Steinlachtal die Burgbesatzung heimlich mit Nahrung versorgte, und wie dieser ö t t i n g e r zu guter Letzt, als die
Besatzung nichts mehr zu nagen und zu beißen hatte,
den Belagerern dann doch noch entkam. Auch ein Dörfler
gehörte zu der Burgbesatzung, Fuchs mit Namen.
Von manchem Streit zwischen Kloster und Gemeinde
wurde erzählt, denn das Kloster hatte gewichtige uralte
Rechte und Lehen, die zu einem beachtlichen Teil zu
Lasten der Zivilgemeinde gingen. Auch der jahrhundertealte Streit um die freie Pirsch tauchte auf, der Wildschaden
w a r oft unerträglich, denn die ganze Jagdhoheit gehörte
dem Grafen. — Von Fronen und dem Zehnten wußten die
Alten noch, alles Dinge, die hart auf der Bevölkerung
lasteten. — Und dann kam auch die 48er Bewegung zur
Sprache, wie die Bauern dem Fürsten in der Stadt vor's
Schloß rückten und freiheitliche Rechte forderten, wie
diese der Fürst dem Volk versprach und dann, als das
Blatt sich wendete, doch nicht hielt. — Die mildtätige und
sehr leutselige letzte Fürstin Eugenie wurde nicht vergessen, sie ging ein als große Wohltäterin des Volkes, dem
sie einen großen Teil ihres Vermögens in Stiftungen frü
Arme und Kranke, Kinder und Schulen vermachte. Heute
noch lebt sie im Gedächtnis des Volkes fort.
Feierabend auf dem Dorf! Heute gibt's ihn längst nicht
mehr, Radio und Fernsehen haben ihn verdrängt, schade!
Die Schriftleitung freut sich, ihren Lesern einen Beitrag
unseres hohenzollerischen Landsmannes Leopold Bausinger bringen zu können. H e r r Landrat i. R. Bausinger ist
am 20. Januar 1899 in Stetten bei Hechingen geboren.
Nach Besuch des Gymnasiums in Hechingen trat er in
die Verwaltungslaufbahn ein. Nach einer Tätigkeit in
Aachen und Sigmaringen wurde er 1927 Bürgermeister
von Haigerloch, 1932 Bürgermeister von Burladingen.
Von 1936 an war er Bürgermeister in Rüdesheim. H e r r
Bausinger wurde 1950 Landrat des Rheingaues in Rüdesheim. Seit 1965 lebt er im Ruhestand In Johannesberg im
Rheingau. Seine Jugenderinnerungen zeigen, wie eng er
seiner H e i m a t verbunden blieb.
(Unser Beitrag ist ein Nachdruck aus H e f t i/1970 der
Zeitschrift „Schwäi >ische Heimat".)
Fotos aus Alt-Gammertingen
zu Hunderten, tSlls auf Leinen bis zu QuadratmeterGröße, teils als Dias, teils auf Spanplatten geklebt, hat
der 25jähiige Computer-Fachmann Bodo Walldorf hergestellt. Es sind lauter Reproduktionen von Fotos etwa
von den 80er Jahren an. Walldorfs Eltern stammen aus
Danzig, er selbst wurde auf der ber ühmten Flucht über die
Ostsee zu Kriegsende auf Rügen geboren und wuchs in
Gammertingen auf. Die Erzeugnisse seines Steckenpferdes
sind in dem zum Abbruch bestimmten evangelischen Gemeindehaus von Gammer''.igen ausgestellt gewesen; so
gut wie alle erwachsenen Gammertinger sollen sie gesehen haben
Frick
77
OSCAR HECK
Zum Beginn der Bauarbeiten an der St. Luzenkirche zu Hechingen
Mancher, der das Geschehen um die E r h a l t u n g der St.
Luzenkirche in Hechingen in den letzten J a h r e n beobachtete, wird erfreut darüber sein, d a ß jetzt, endlich, mit der
Instandsetzung des Bauwerks begonnen wird. Möge indessen niemand glauben, es sei bis heute nichts f ü r das
beschädigte Bauwerk getan worden. Wer sich mit einem
so wertvollen Baudenkmal befaßt, das nichts Gleiches
oder Ähnliches in der deutschen Baukunst hat, ist verpflichtet, mit aller Behutsamkeit und Sorgfalt vorzugehen und nichts zu übereilen.
So hat sich also folgendes in aller Stille abgespielt:
In mehreren Besprechungen, zu denen Sachverständige
aus verschiedenen Sparten herangezogen w u r d e n
das
Regierungspräsidium Südwürttemberg-Hohenzollern, das
Staatliche A m t f ü r Denkmalpflege Tübingen, das L a n d ratsamt, das Bürgermeiseramt, das S t a d t b a u a m t , das Erzbischöfliche O r d i n a r i a t FreiL>urg sowie der Fürst von H o henzollern waren hierbei beteiligt - wurden die Schäden
an den Gewölben, der Dachkonstruktion und an den
stukkierten W ä n d e n genau untersucht und festgestellt.
V o r allem galt die Beobachtung denjenigen Stellen, oie
nach Aussehen der Details oder schon erfolgten Beschädigungen in besonderer G e f a h r waren. Zugleich w u r d e
beraten, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen
und welche A r t der Restaurierung in den einzelnen Fällen vorzunehmen sei. Entscheidend w a r die Frage, welche
Kosten sich daraus ergeben w ü r d e n . Im Laufe der Zeit
w u r d e n dann weitere Fachleute zugezogen, die sich über
die bedrohlichen Schäden an der Dachkonstruktion äußerten. Oben an der Mauerkrone, w o die Dachlast aufsetzt,
ist die G e f a h r ohne Zv» 'fei am größten. D a h e r galten
die Untersuchungen hauptsächlich dieser Zone. Die Stimmen erfahrener Fachleute w u r d e n gegeneinander abgewogen.
Danach konnten die Restauratoren in l i e Kirche gebeten
werden, damit sie sich zur notwendig werdenden Restaurierung des Innenraumes äußerten. Eines scheint sicher zu
sein: die bisherige Farbigkeit des innenraumes will dem
ursprünglichen Bild nicht entsprechen. So w u r d e n im
Chorgewölbe versc edene Farben festgestellt, die k ü n f t i g
wieder erscheinen sollen. Derartige AufgaDen sind z. B.
mit dem Restaurator besprochen worden, damit er sich
bei der Aufstellung des Kostenanschlags nach den Forderungen des Bauherrn r c h t e n kann, der ja nur das zu
machen gewillt ist, was in der Renaissance vorgeübt w o r den ist.
H a n d in H a n d mit diesen ßesicl-igungen ging ein eingehendes Studium vorhandener Akten, Aufsätze und sonstiger Schriftwerke. Alles, was in früheren Zeiten über die
St. Luzenkirche geschrieben worden ist, soll genau g e p r ü f t
und beurteilt werden. Uns ist jede Auffassung wertvoll.
D a h e r zählt heute alles, was frühere Zwten über das Bauwerk berichteten, als ein wichtiges D o k u m e n t . Schließlich
besteht der Plan, über die St. Luzenkirche zum Ende der
Instandsetzung eine umfassende Veröffentlichung herauszubringen, die auf den Wert des Bauwerks und auf seine
S t u k k a t u r e n gebührend eingeht. D a r i n sollen alle früheren
Veröffentlichungen genannt und ausgewertet werden.
Auch d a f ü r sind inzwischen wichtige Vorarbeiten gemacht worden. Die erste bezieht sich auf die Herstellung
einer zeichnerischen Bauaufnahme, die das Bauwerk in
78
14 maßstäblichen Zeichnungen im Maßstab 1:50 darstellt.
Solche Zeichnungen gehen auf die genaue Vermessung des
gesamten Gebäudes und all seiner Einzelheiten aus. Dieses
A u f m a ß hat ein einziger Fachmann, der seit einigen J a h ren in Stetten bei Hechingen ansässige O b e r b a u r a t i. R.
Dr.-Ing, H a n s G e m ü n d , mit ungeheurem Fleiß, lebendigem Verstand und peinlichster Genauigkeit ausgeführt.
Die Zeichnungen befinden sich im Besitz des Landeskonservators und werden bei der A u s f ü h r u n g der Bauarbeiten
gebraucht. D e r fleißige Zeichner hat in alle Ecken des
Bauwerks geleuchtet und stellte außer der Schönheit der
Stukkaturen und Plastiken auch alle Nachlässigkeiten und
alle aufgetretenen Mängel fest, damit sie auch v o m Bauherrn gesehen und behoben werden.
Nicht weniger wichtig w a r es, f ü r die fotografischen A u f nahmen eine erstklassige K r a f t zu erlangen: der in der
fotografischen D o k u m e n t a t i o n seit J a h r z e h n t e n hocherfahrene Kunsthistoriker D r . H e l l m u t H e l l in Reutlingen
w a r einige Zeit an und in der Kirche tätig. Schon als
Studierender sah er die St. Luzenkirche als ein Ziel seines
Studiums; seine Dissertation galt insbesondere der Plastik,
die aus der Entstehungszeit der Kirche s t a m m t : den Figuren der Seitenaltäre. D r . Hell hat ebenfalls auf Weisung des Landeskonservators, die gesamte Kirche fotografisch in großformatigen A u f n a h m e n so weit dargestellt,
d a ß das Bauwerk, sollte ihm im Laufe der Zeit etwas
zustoßen, a u f g r u n d der vorhandenen Abbildungen wiederhergestellt werden könnte. Das heißt, das Bauwerk w u r d e
außen und vor allem innen mit so vielen und so guten
A u f n a h m e n festgehalten, d a ß man sagen k a n n : der gesamte, ungeheuer reiche Stuck, die gesamten Gewölbe, die
Empore mit ihrer Orgel, die Altäre und ihre Bildwerke,
die Glocken, das Chorgestühl, die Bänke, die Sakristei
und ihr Mobiliar, die N e b e n r ä u m e samt der Treppe zur
Mesnerwohnung - k u r z : alles ist bildlich dargestellt u n d
steht f ü r eine künftige Veröffentlichung zur Verfügung.
Bevor man ein Bauwerk umzubauen beginnt, m u ß die
Frage des t i g e n t u m s klargestellt sein. D a h e r w u r d e K i t
der Stuttgarter H o f b r ä u - A G . in S t u t t g a r t wegen der
Übernahme der seu J a h r z e h n t e n in ihrem Eigentum befindlichen Mesnerwohnung verhandelt. E r f r e u ' cherweise konnte sich der bisherige Eigentümer von den bauch sehr stark lädierten W o h n r ä u m e n trennen. Die
flrauereigesellschaft
trat die Räume samt dem ehemaligen
südlichen Kreuzgangsarm, der zur Zeit als Zugang zur
Kirche dient, geschenkweise an die katholische Kirchengemeinde ab Die notarielle Anerkennung ist in der nächsten Zeit zu erwarten.
We." entscheidender waren die Verhandlungen, die mit
dem bisherigen Eigentümer der Kirche St. Luzen, also
dem Fürstlichen Hause in Sigmaringen, geführt w u r d e n .
Was hätte näher gelegen, als dem Fürsten die Bitte vorzutragen, d a ß er das seit vielen Jahren von der katholischen K'rche zu Gotteso'ensten verwendete Gotteshaus
an die Kirchengemeinde abtrat. Diesem vielfach vorgebrachten Wunsche begegnete der Fürst m L größtem Wohlwollen: im vergangenen Jahr, 1970, konnte er die Schenkungsurkunde dem katholischen P f a r r a m t Hechingen
überreichen lassen. So weiß die Kirchengemeinde jetzt
genau, daß sie auf eigenem G r u n d und Boden b a u t und
d a ß sie mit der V e r a n t w o r t u n g f ü r das Gebäude auch die
nicht zu übersehenden Lasten übernommen hat.
St. Luzen
Im Januar 1970 berief Landrat Dr. Mauser eine Versammlung aller bisher beteiligt gewesenen Ämter ein. Das
Besprechungsthema lautete schlicht: Finanzierung der Gesamtkosten der Wiederherstellung. Zuvor hatte das Erzbischöfliche Bauamt in Konstanz nach genauer Überprüfung des Bauwerks einen Kostenanschlag für sämtliche
Arbeiten aufgestellt, die als notwendig bezeichnet worden sind. Die sich hieraus ergebende Bausumme von
1 370 000 DM war also aufzubringen.
In der oben erwähnten Finanzierungsbesprechung begann
nun ein hartes Ringen, dem Landrat Dr. Mauser erst ein
Ende setzte, als die gesamte Summe von den einzelnen
Stellen genehmigt war. Danach erklärten sich die einzelnen Ämter bereit, in folgender Weise an der Restaurierung
der Kirche zu helfen:
1. Erzdiözese Freiburg
415 000 D M
2. Staatliches Amt für Denkmalpflege
3. Fürst von Hohenzollern
4. Landkreis Hechingen
und Stadt Hechingen
415 000 D M
250 000 DM
5. Katholische Kirchengemeinde Hechingen
100 000 D M
150 00Ö D M
zusammen 1 350 000 D M
Nachdem diese Summe von den verantwortlichen Stellen
finanziert war, hätte mit den Bauarbeiten begonnen werden können. Indessen wurden jetzt noch Unternehmer
gesucht und gefunden, die sich bereit erklärten, die von
ihnen verlangten Aufgaben zu übernehmen. So fanden
Besprechungen mit Orgelbauern statt, die das Instrument
bis in sein Innerstes untersuchten und daraufhin Vor-
schläge für den Umbau vorlegten. Das Erzb' :höfliche
Bauamt stellte sich mehrfach zur Verfügung, um Einzelheiten der geplanten Arbeiten am Dachwerk festzulegen.
Diese Besprechungen fanden in Gegenwart der am Ort
ansässigen Unternehmer statt.
Vergessen wir aber nicht den ersten Schritt in die neue
Kirche: seit langer Zeit konnten findige Augen sehen,
daß die reiche Stuckdekoration sich auf beiden Chorbogenwänden, also hinter den beiden Seitcnaltären, fortsetzte. Wer also die Kirche in ihrem vollen Stuck-Schmuck
zeigen will, der muß auf die allzu schmalen, hohen Seitenaltäre mit ihrer eigenwilligen Plastik verzichten. Diesen
ersten Schritt, der in der sorgfältigen Abnahme der Seitenaltäre bestand, haben wir getan, und seitdem sieht die
Kirche weitaus voller und einheitlicher aus.
Eine arge Enttäuschung bereitete es, als sichtbar wurde,
daß bei einem tags zuvor erfolgten Einbruch in die Kirche
.ne wertvolle Holzfigur des hl. Lucius, des Patrons der
Kirche, gestohlen worden war. Trotz Einschaltung der
Kriminalpolizei konnte die Figur bis heute leider noch
nicht ermittelt werden. Die Fahndung läuft jedoch weiter.
Darf ich zum Schluß noch einmal auf den oben genannten
Finanzierungsplan zurückkommen? Darin ist zu sehen,
daß das Landratsamt sich bemühen soll, zusammen mit
der Stadt Hechingen einen Betrag von 150 000 D M aufzubringen. h : dem Bauherrn ist das Landratsamt der
Meinung, daß es bei einem Werk von so hervorragender
Ausstattung nicht angeht, die gesamten Kosten dem
Eigentümer, also der katholischen Kirchengemeinde, zu
überlassen. Hierbei müsse, so wurde gesagt, auch die Einwohnerschaft des Kreises und der Stadt mithelfen. Land79
rat Dr. Mauser hat bereits 45 000 D M aus Spenden verschiedener Stellen angesammelt. Um aber die restlichen
105 000 D M zusammenzubringen, begründete er am
8. Januar d. J. im Beisein von über 100 Interessenten
einen Verein „Rettet St. Luzen". Die Zahl der inzwischen
eingegangenen schriftlichen Anmeldungen zu diesem Verein, der natürlich auf freigebige Hilfeleistung aus ist,
gibt all denen, die sich schon irgendwie als Helfer ein-
gesetzt haben, neuen Mut. Alle wollen dabei sein und zu
ihrem Teil an dieser großen Aufgabe mithelfen. Jede
Gabe und jede Hilfe ist willkommen. H e l f t alle mit, damit St. Luzen zu der Perle wird, die ihr in der Kunstgeschichte zugedacht worden ist.
Heck
Der Eintritt in den Verein kann durch ein kurzes Schreiben an Herrn Landrat Dr. Mauser in Hechingen erfolgen.
Nachträge und Berichtigungen zu Heft 4/1970
Leider sind in der letzten Nummer einige Fehler unterlaufen.
Auf Seite 51 zweitletzte Zeile unten muß es statt „Eichenbäume" richtig heißen „Ei jenbäume".
Seite 56 unten. Die Hinweise zur Heimatliteratur sind
von J. A. Kraus.
Auf Seite 59 fehlt die Bildunterschrift: Blick vom Vorderlichtenstein. Im Vordergrund in den Schleifen der Fehla
lag ein Fischweiher. Auf der anderen Fehlaseite in dem
Tälchen der Weiler unter Lichtenstein (siehe auch S. 63
„Neufra").
Auf Seite 60: Die alte Mühle bei N e u f r a .
H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
748 Sigmaringen, Karlstraße3. Druck: M. Liehners Hofbuihdruckcrei KG, 748 Sigmaiingen,
Kailstraße 10.
Die Zeitschrift „Hohenzolierische
Heimat" ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollein mit
der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.
Sie bringt neben rachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich
Konten der „Hohenzollerisdien Heimat":
802 507 Hohenz. Landesbank äigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
Auf Seite 62. Der erwähnte Weiher zu Gammertingen lag
nicht beim Hotel „Kreuz", sondern beim Schwimmbad.
Der Weiher beim „Kreuz" wird noch im 18. Jahrhundert
erwähnt, während der obere Weiher schon bald wieder
aufgegeben wurde.
Auf Seite 63 „Trochtelfingen". Inzwischen konnte festgestellt werden, daß der Mariaberger Erblehenshof in
Trochtelfingen 1287 von Swigger von Trochtelfingen geschenkt wurde (Fürstenberg Urk.Buch V 237). Nachzutragen ist Stetten u. H . 1372 gab Bernhard von Holnstein
Besitz an das Kloster, der auch im Lagerbuch von 1454
noch erwähnt wird (die Urkunde befindet sich nicht im
Klosterarchiv, sondern im Fürstl. Archiv Sigmaringen).
Die Mitarbeiter dieser
Numm"r:
Leopold
Bausinger
Landrat a. D .
Johannisberg im Rheingau
josef
Mühlebach
Landesverwaltungsrat 1. R.
Sigmaringen, Leopoldstraße
Maximilian
Scbaitel
Dipl.-Landwirt
Sigmaringen, Landeshausstraße
Oscar Heck
Hauptkonservator I. F
Landeskonservator der Hohenz. Lande
Hechingen, Hölderlinstraße
Jobann Adam Kraus
Pfarrei und Erzbisch. Archivar i. R.
78 Freiburg-Littenweiier, Badstraße 2
Walther Trick, Journalist
748 iiigmaringen, Hohe Tannen
Schriftleiter:
Dr med. Herbert Burkarth
7487 Gammernnpen, Eichertstraße
Telefon 07574/32/
Redaktionsausscbuß.
Huber' Deck, Konrektor
745 Hechingen, Tübinger Straße 28
Telefon 07471/2937
Walther Frick, Journalist
748 Sigmaringen, Hohe Tannen
Telefon 07571/8341
Die Abbildungen auf Seite 65 und 71 wurden
dem Band „Hohcnzollern in alten Ansichten",
erschienen im Jan Thorbecke Verlag, entnommen.
Die mit Namer versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schrirtleitung
sind als solche gekennzeichnet.
Manuskripte und Besprechungsexemplare wei
den an die Adresse des Schriftleiters oder Redaktionsausschusses erbeten.
Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzolierische
Heimat" weiter zu empfehlen.
Ferienkurse 1971 im Volkshochschulheim Inzigkofen
Aufgang des A b e n d l a n d e s — eine Einführung in die Vorgeschichte unseres Erdteils
Pilze unserer Heimat
Woche für Schmalfilm- und Fotoamateure
Zeichnen und Malen
Die Stadt, in der wir morgen leben
Bitte fordern Sie ausführliche P r o g r a m m e an.
Volkshochschulheim Inzigkofen
7481 Inzigkofen über Sigmaringen, Telefon (07571) 658
80
H Ö H ENZOLLERISCHE
HEIMÄT
4P 3828 F
Herausgegeben c o m
Hohenzollerilchen Gefchlchteoerein
in Verbinöung mit öen
Staatlichen Schulämtern Hechingen
2t. Jahrgang 1971
Nr. 2
u n ö Sigmaringen
J O H A N N ADAM KRAUS
Der Name Kornbühl
Der auf dem Salmendinger Heufeld östlich des Hohenzoller wie künstlich aufgesetzt erscheinende Kegelberg
Kornbühl (887 m) ist mit seiner St. Annakapelle seit dem
Jahre 1507 urkundlich nachweisbar. Schon von weitem
zieht er die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich wegen
seiner auffallig runden Form, die vielleicht auf vulkanischen Ursprung schließen läßt. Aber auch der ISiame ist
merkwürdig. Er hat einen Vetter im württembergischen
Kornberg. Die Einheimischen sagen übrigens Kornenbühl
(Koannabil), während man im Unterland um Tübingen
„Salmendinger Kapelle" stellvertretend f ü r den Berg hören kann. Der Dichter Ludwig Egler-Hechingen sprach in
seinem romantischen Gedicht „Der Klausner vom Kornbühl" von einem „kornumblühten Bühl". Doch ist bei
diesem Erklärungsversuch nicht recht verständlich, warum
nur der Kornbühl und nicht auch die südlich in Nähe
liegenden beiden anderen Bühle (auf der Karte „Bühlberge") so benannt seien, oder ferner, warum gerade die
Brotfrucht Korn (Vesen oder Dinkel) der rings herum
liegenden Äcker den N a m e n hergegeben haben soll, da
81
dieses Getreide doch nur alle drei Jahre 1 ¿er gepflanzt
wurde, bzw. wird, während m zweiten Jahr dann H a ber unc m dritten die Brache üblich war. So wäre genausogut der N a m e Haberbühl berechtigt gewesen, und dies
f ü r alle drei Bühle.
N u n hat der Wandkalender der Deutschen Lufthansa
1970 ein sehr hübsches farbiges Luftl ld (55 zu 45 cm)
des Kornbühls und des südlichen Bühls gebracht. Im zugehörigen Text wird gesagt, der N a m e Kornbühl sc i keltisch und bedeute Keltenberg. Das ist in großes Wort!
Ist doch die Sprache der Kelten, die vor den Germanen,
also vor 400 nach Christus, in unserer Gegend saßen und
zum Beispiel auf der Heuneburg bei Binzwangen-Riedlingen eine mächage Burgstelle mit naheliegenden R ;sengrabhügeln hinterließen, schon längst ausgestorben. N u r
d ^ N a m e n einiger bedeutender Flüsse und besonders
hervorragender Berge gehen wohl auf die Kelten zurück.
Die Befragung von Fachleuten betreffs des Keltischen verlief zunächst negat'v. Sowohl Dr. Fritz Langenbeck, der
inzwischen n Bühl/Baden verstorben ist, als auch Dr.
Wolfgang Kieiber am historisch-germanischen Institut der
Univer: .ät Frtiourg lehnten ohne näheres Studium einen
Zusammenhang ab. Dagegen wollten sie mit Rücksicht
auf die Lage und Form des Berges eher an das late?"ische
Wort cornu = H o r n denken, oder, weil eni diesbezüglicher urkundlicher Nachwels fehlt, ifirekt an das deutsche
Wort H o r n . Man müßte nur eine alte Form „Gehörn-"
oder „gehornin Bühl" annehmen, die dann zusammengezogen wäre. Das ergäbe als Erklärung einen hornähnlichen Bühl oder Berg. Aber auch dieser Versuch hat einen
Haken. Die Bezeichnung H o r n hängt nämlich, soweit man
sieht, mehr an horizontal vorspringenden Bergnasen,
während vertikal aufsteigende Berge anders heißen, etwa
Stauf, Stoffel, Zoller, Kapf, Köbele, Buck, Burren, Bussen,
Rucken. Dabei hat schon Mi :hel Buck in se.nem Oberdeutschen Flurnamenbuch festgestellt, daß die meisten
Bergnamen auf -horn und -köpf ganz jung sind! Den
Kornbühl aber kennen wir immerhin über 400 Jahre. In
den Jahren-1525 und 153C ^st die Flur rings um den Berg
in Güterbeschreibungen Komingen genannt. Im Jahr 1562
finden wir die Bezeichnungen Cornung, hinter Khornung,
hinter Khorningen am Hechinger Weg, 1698 KhornenbJl, 1730 Korniingen und (am Südfuß des Bergs) Kornlinger Wasen (Hohenz. Heimat 1963, 28). Interessanterweise nennt man in Burladingen einen Felsen hoch über
dem Dorf, der durch ein Kreuz ausgezeichnet isf, kurzerhand „Kreuziinger Stein", was doch wohl „Kreuz-St- in"
hej 3en soll. Korningen klingt nun wie ein Orts- oder
Siedlungsname. Doch weiß die Überlieferung von nichts
dergleichen in dortiger Gegend. Vielmehr schont die Form
Korningen einfach aus dem schon vorhandenen Kornbühl
geb ; iet zu sein.
N u n kennt der genannte Buck (a. a. O. Seite 136 unterm
Kennwort „Kern") auch e'n romanisch-keltisches Wort
com — Stein, Fels. Professor Dr. Basler, Freiburg, wies
mich auf den Namen der englischen Grafschaft C o r n w a l l hin, die nach der steil ins Meer abfallenden Steinoder Felsenwand (wall = Mauer, Wand!) benannt ist.
Unser Kornbühl ist nun im Gegensatz zu den beiden
anderen Bühlen südlich davon, deren Fuß sanft iri d i j
Ebene verläuft, ein ausgesprochener S t e i n k e g e l , der
nur eine schwache Humusdecke trägt. Sollte dieser SteinCharakter, der sicher bei diesem höchst merkwürdigen
Rundberg auch schon den Urbewohnern aufgefallen sein
muß, namengebend gewesen sein, so bedeutet der Kornbühi, obwohl er erst seit 1507 nachweisbar ist, nichts
anderes als S t e i n b u h 1.
Joh. Ad. Kraus
Aus der Heimatliteratur
Über die Herren von Bubenhofen hat vor Jahrzehnten
schon Max Dunker Forschungen angestellt und ; n der
Zeitschrift f ü r württembergische Geschi :hte 1937 Seite
335-369 seine Ergebnisse dargelegt. Der älteste Vertreter,
Volkart v, B., erscheint im Jahre 1190, der letzte des Geschlechts namens Johann Nep. Wilhelm starb 1814 in
Bamberg.
N u n hat Oberstuo.enrat Albert Gaier die Familie und
deren Besitz neu vorgenommen, viel Unbekanntes aufgespürt und in der Zeitschrift „Hohenstaufen" 7 (1969),
einet Veröffentlichung des Geschichtsvereins Göppingen,
auf 134 S _ten dargelegt und mit vielen Bildern erläutert.
So verfolgte er die Familie zu Justingen, Leinstetten,
Steinbach bei Esslingen, Donzdorf, Ramsberg und Winzingen, ohne die übrigen Besitzungen aus dem Auge zu
verl' ren. Sehr wertvoll sind seine ausführlichen Anmerkungen und Exkurse über verwandte Familien, deren
Wappen sich vielfach an den Grabsteinen finden.
Nicht folgen kann man Gaier, wenn er Seite 4 sagt, die
82
Bubenhofen hätten die beiden Burgen Lichtenstein bei
N e u f r a erbaut, oder wenn er von dem „gewaltigen Bauwerk der Hagenburg in Grosselfingen" redet, die Schalksburg ais Stammsitz der Zollern ansieht, unser Dießen als
Bubenhofer Besitz dartut und das Kloster Kirchberg als
Stiftung der Grafen von Hohenberg vorführt. Die bürgerlichen Bubenhofer gehen wob 1 meist auf Michael Ludwig von Bubenhofen zu Leinstetten zurück, der um 1630
eine Bürgerliche he : atete, worauf seine Kinder den Adel
verloren. Die H e r k u n f t Oswalds von Lichtenstein, der
aus der Lichtensteiner Linie in Neckarhausen bei Betra
stammte, sucht Gaier Seite 101 vergebens zu klären, was
schon in den Mitteilungen des Vereins f ü r Geschichte in
Hohenzollern 31 (1897) Seite 132 f. geschah. Ebenso ist
ihm die Hei>nat der Reutlinger Familie des Konrad Uelin,
der aus Trochtelfingen stammte, unbekannt geblieben
(Seite 132), die in Mitteilungen Jahrgang 32 (1898) Seite
83-91 von Theodor Schön iingehend geschildert ist.
J. A. Kraus
H E C H I N G E N : ST. L U Z E N , Kirche u n d Kloster
OSCAR HECK
Die Denkmalpflege in Hohenzollern
Jahresbericht 1970
Der Jahresbericht über die Denkmalpflege in Hohenzollern während des Jahres 1970 kommt um einige Monate
zu spat - jeaoch nicht zu spät. Geht es in erster Linie
darum zu vermerken, was an den Bau- und Kunstdenkmalen der beiden nohenzollerischen Kreise im Verlauf des
vergangenen Jahres getan worden ist.
Begi/.nen wir mit den Bauten, deren Instandsetzung schon
im Jahr 1969 behandelt worden ist und die etzt beendet
wurden.
Es ist zunächst die Pfarrkirche zu Glatt, die das zuständige P f a r r a m i jetzt auch am Äußeren instandsetzen ließ.
Bei der Untersuchung des alten Außenputzes wurden am
Chorbau kräftige Spuren einer Quadermalerei festgestellt, die einstens dem Bauwerk einen guten Maßstab
und eine Gliederung gegeben hat. Soli man sie freilegen
und restaurieren, oder soll man die Außenhaut des Chorbaues oh:ie Fugen glatt verputzen? Diese Frage wurde
nach rein historischen Gesichtspunkten beantwortet. Die
nachfolgende Kritik derer, die nicht verstehen, warum
man den Cnor mit einem „unwahren Netzwerk schwarzer
Fugen" überdeckt hat, wurde nicht gescheut, sondern in
Kauf genommen. Hier ging es mehr um die Wiederherstellung eines Zustandes der Renaissance al sum die geschmackliche Vorstellung heutiger Menschen. Die Restaurierung der E rche hatte keineswegs zum Ziel, eine künst-
lerische Einheit aller sich widerstrebenden Baute le herzustellen. Hierzu hätte außen zum mindesten der neugotische Turm stiller werden müssen, denn Chorbau und
Turm wollen nicht zusammen sti imen. U n d im Inneren:
wie stark differenziert steht hier der Chor, der seine alte
Form weitgehend wiedergefunden hat, neben dem Langhaus, dem die Zeichen des 19. Jahrhunderte .n der Deckenmalerei und in den Seitenaltären geblieben sind und das
zudem noch eine neue Empore mit - gestehen wir es
ruhig - moderner Orgel sowie eine ebenfalls moderne
Taufkapelle bekommen hat. Der Maßstab des Ganzen
blieb jedoch unverändert. U n d damit, so ist zu hoffen,
kann die von Arcl"tekt Anton Beuter in Dettingen geleitete Instandsetzung auch in den Augen des heutigen
Menschen als geglückt angesehen werden.
Was mit dem e'istigen Wasserschloß geschehen wird, gehört in den nächsten Jahresbericht. Es wechselte in andere
H ä n d e über und wird als Mitte der Gemeinde künftig
eine größere Rolle spielen, als l her
So viel kann aber schon heute gesagt werden, daß sich
die Gemeinde Glatt sehr ernsthaft um eine gründliche
Sanierung des Ortskeins bemüht. Wo der Fremdenverkehr so deutlich angefangen hat, Fuß zu fassen, muß sich
aucn das äußere Bild der Gemeinde danach richten. Glatt
ist auf einem guten Weg!
83
Auf ähnlichen Pfaden bewegt sich die Gemeinde Diessen.
Auch sie hat erkannt, welche Werte in der schönen N a t u r
des Diessener Tales liegen und wie beherrschend die alte
Burgruine über dem Orte thront. Hier ist in den vergangenen Jahren viel getan worden. Die Burgruine wurde
nahezu ganz instandgesetzt. Es fehlt nur noch das, was
ihr dazu verhelfen soll, die Verbindung zwischen Burg
und Gemeinde zu schaffen, oder besser gesagt, es fehlt
noch die Anziehungsstelle auf der Burg, also das FreilichtTheater und das Restaurant! H o f f e n wir auf das angelaufene Jahr!
Mit dem Pfarramt Diessen wurde erneut über die geplante Instandsetzung des Inneren der Kirche gesprochen.
Der Chor ist schon vor Jahren instandgesetzt worden;
doch vernimmt man davon jii :ht mehr viel, da der an sich
schon kleine Raum durch allzu viel Mobiliar verstellt
worder ist — ganz im Gegensatz zu den Empfehlungen,
die das Zweite Vatikanische Konzil ausgesprochen hat.
In Haigerlodi, der Stadt der einstürzenden Mauern, hatte
das P f a r r a m t alle H ä n d e voll zu tun, um die ebenso ungezügelten wie gefährlichen Kräfte, die im Erdreich stecken,
zur Ruhe zu bringen. Das Übel begann, vielleicht als
Folge eines Erdbebens, dicht am Haupteingang zur Schloßkirche. Dort brach eine ca. 6 bis 7 m hohe Natursteinmauer in sich zusammen. Wäre das Unglück zu einer Zeit
geschehen, da Gottesdienste stattfinden, dann hätten Verluste an Menschenleben kaum vermieden werden können.
So blieb nichts anderes, als das Mauerwerk mit sichernder
Untermauerung wiederherzustellen.
Nicht lange danach wich die große, seit langem als gefährdet angesehene Umfassungsmauer an der St. Annakirche aus ihren Fugen und hinter sß eine Mauerlücke
von mindestens 20 m Länge. Hier war die Gefahr weitaus größer: was abrutschte, überdeckte eine vielbefahrene
Straße und legte zugleich die Fundamente der Annakirche
frei. P: : er waren schnelle Hilfe und ein baufreuc ^er
Pfarrherr dringend vonnöten. Er brachte cae Geldrr :tel
in kurzer Zeil auf den Tisch, wie es ihm auch gelang, tatkräftige Handwerker heranzuschaffen, so daß die Mauer
sehr schnell wiedererstand. Zwar wurde die Lücke nicht,
wie dia bestehen gebliebenen Teile, aus Natursteinen gemauert; aus statischen Gründen mußte sie vielmehr in
Eisenbeton hergestellt werden. Das ist nun zu sehen und
muß geduldet werden.
Schon im letzten Berichtsjahr i :t mit der Instandsetzung
der Kaplanei von St. Anna begonnen worden. Das Äußere
ist jetzt fast vollendet. Dabei ergaben sich umfangreiche
und penible Arbeiten an den steinernen Gewänden des
Portals und der Fensterumrahmungen.
Das Äußere der Schloßkirche erhielt ein neues, helles
Kleid. In leuchtendem Rot steht das neugedeckte Dach
über der Kirche. Der neue Verputz von Langhaus,
Chor und Turm strahlt in gebrochenem Weiß und deutet
darauf hin, daß hier die wahre I itte der Stadt sich befindet. Das Innere des Langhauses erhielt ein neues Gestühl, das (die aiten, barocken Decken mit übernahm.
Einen kurzen Blick tat der Landeskonservator in die
Wohnung des Sdiriftstellers Wilhelm Kiefer in Trillfingen, als es galt, den 80. Geburtstag des stillen Gelehrten
zu feiern, der so viel und so gut über die suddeutschen
Bau- und Kunstdenkmale geschrieben hat Solche Männer
fehlen uns heute sehr. Wir möchten dem Aditziger audi
von dieser Stelle aus das Beste wünschen.
In Dettingen wurde erneut und ngehend über die Erhaltung des schon vor Jahren ausgebrannten Schafstalles,
in dem sich eine mittelalterliche Burg verbirgt, gespro84
chen. An seinen Fundamenten nagt ein Steinbruch, und
er würde - falls kein Einspruch erfolgte - in wenigen
Jahren die Ruine zum Einsturz bringen. Es ist zu hoffen,
daß die Ruine bald instandgesetzt wird und daß es gelingt, sie in spätere Zeiten zu retten.
In Neckarhausen ist die von W. Fr. Laur 1889 erbaute
Kapelle St. Ulri h vom Abbruch bedroht. Wenn man die
geplante Straße um ein Geringes hinter der Kapelle herum führt, ist das Bauwerk als sichtbares Ze ;nen der Zeit
um die Jahrhundertwende zu erhalten. In diesem S. ne
äußerte sich der Konservator.
In Rangern 1 ¿.igen wurde durch eine örtliche Vereinigung,
die sich die Erneuerung eines Feldkreuzes zur Aufgabe
gemacht hatte, ein neues Kreuz errichtet. Demnächst will
die Gemeinde einen neuen Dorfbrunnen schaffen.
Sickingens Kirche - 1830/31 nach Plänen des Architekten
A. von Clavel erbaut - erfuhr einen vor allem die Westseite und den Turm betreffenden Umbau.
Der Gemeinde Boll bereitet die Instandsetzung der erdbebengeschädigten Wallfahrtskirche Maria Zell erhebliche
Sorgen. N u n scheint ein Vorschlag des Erzbischöflichen
Bauamts in Konstanz zur Ausführung zu kommen, der
mit einem A u f w a n d von 160 000 D M rechnet. Die Ausführung der Arbeiten steht bevor.
Auch auf der Burg Hohenzollern gab es Erdbeben-Schäden. An der Michaelskapelle waren sie von größerem
Ausmaß. Aber auch im Inneren rissen zahlreiche Wände
und Decken. Alle diese Schäden mußten behoben werden.
In Hechingen fand eine erste Baubesichtigung im Dach
der Stiftskirche statt. Dort haben sich einige Verschiebungen im Dachwerk gezeigt, die behoben werden sollten. Das Erzbischöfliche Bauamt hat die Schäden jedoch
nicht f ü r so gravierend betrachtet, daß unmittelbare Abwendung notwendig erschiene.
Bewegender ist der geplante Neubau eines Pfarrhauses.
Der Altbau, der aus Siei-en der 1779 abgebrochenen alten Stiftskirche erbaut worden ist, hat so viele Schäden,
Unbequemlichkeiten und Nachteile, daß er zum weiteren
Bewohnen nicht mehr taugt. Der Kirchenvorstand hat
daher beschlossen, einen Neubau an derselben Stelle in
Veroiiidung mit einem Gemeindezentrum zu errichten
Der f ü r die Planung in Auss ht genommene Architekt
wurde in einem Wettbewerb ermittelt. Die Veröffentlichung seines Entwurfes brachte indessen manchen H e chinger auf di>- Beine. Man hörte in der Stadt \ el Gutes
über das alte Pfarrhaus (was man nur als Folge der U n kenntnis des Gebäudes werten kann) und viel Schlechtes
über den Entwurf f ü r das neue Pfarrhaus (was nur als
emotionaler B e t r a g zur Sache gewertec werden kann).
Tatsache ist jedenfalls, daß die Stadtverwaltung bisher
noch keine endgültige Stellung zum Projekt genommen
hat.
Mangelt es in der Bevölkerung tatsächlich an dem Vermögen, das Neubauprojekt zu „sehen", wie es wirken
würde? Und ist das alte Pfarrhaus wirklich „schöner"
als der geplante Neubau? Kann man feine Augen so
vor dem versdiiießen und kann man sich von dem Alten,
das - auch in der Fassade - nur schlecht und recht ist,
nicht trennen? Ich bin, um dies deutlich zu sagen, für
einen entschiedenen Neubau und mache keinen Versuch,
am Kirchplatz zu Hechingen einen „Alt-Bau" zu schaffen. Ein derartiger Alt-Bau würde nämlich zum Ki. :hplatz und zum Marktplatz nur schlecht: passen. Der eindeutige Neubau, wenn er gezügelt und in seinem Maßstab
angeglichen wird, wirkt auf mich ehrlicher.
Das „Weiße Häusle" in Hechingen nahm außer der
Sammlung der Bürgergarde eine kleine Ausstellung zum
Werk des Generals Steuben auf. Aus diesem Anlaß wurde
die Eingangsfront neu gestrichen.
An der Vorhalle der nach F. A. Stüler'schen Plänen 1856
errichteten evangelischen Kirche zeigten sich erhebliche
Schäden. Sämtliche Stufen und die Sandsteinsäulen mußten erneuert werden.
Erheblichen „Staub" wirbelte der Plan der Hohenzollerischen Landesbank auf, das in ihrem Eigentum befindliche „Neue Schloß" abzureißen und einen Neubau an
seiner Stelle zu setzen. Der Landeskonservator, dem das
Neue Schloß noch nie als ein „Stein der Weisen" erschien,
stellte sich auf die Seite des Bauherren. Ein rühriger Ausschuß sammelte Unterschriften und brachte die Sache vor
den Denkmalrat Südwürttemberg-Hohenzollern, der im
Grunde genommen f ü r Hohenzollern gar n'cht zuständig
war und ließ ihn entscheiden. Der Denkmalrat verneinte
gegen die Stimme des Berichterstatters, daß an dem Neuen
Schloß gerührt werde.
Die Vorarbeiten zur Instandsetzung der St. Luzenkirche
in Hechingen wurden fortgesetzt und so weit gefördert,
daß am 1. Februar 1971 mit den Bauarbeiten begonnen
werden konnte. Kurz zuvor wurde auf Betreiben von
Herrn Landrat Dr. Mauser ein „Vere' rettet St. Luzen"
gegründet. Möge es dem Verein gelingen, c e letzte noch
offene Finanzierungslücke zu schließen und das Verständnis f ü r die Wichtigkeit des Bauwerks in der Bevölkerung
zu fördern.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen konnte sich der Stellungnahme des Landeskonservators, wonach eine Werbeschrift - „Chinesenschrift" - am Hause der Hofapotheke
in Hechingen verboten werden sollte, leider nicht anschließen. Seitdem „verschönert" die ungute Leuchtschrift
das Geschäftshaus.
Kleinere Bauarbeiten an und in der Ruhe-Christi-Kapelle
zu Hechingen sind noch im Gange.
Der Untere Turm, erbaut 1579, hat seit seiner letzten
Instandsetzung eine sehr unansehnliche Außenhaut bekommen. Er soll im Jahre 1971 neu gestrichen und wiederhergestellt werden.
Die „Hohenzollernsche Landessammiung", die 1922 von
W. F. Laur gegründet und mit einem kräftigen Fundus
von Kunstwerken versehen worden ist, befand sich b ; s
1967 auf der Burg Hohenzollern. Dort geriet die Sammlung mehrfach ins Gedränge, weil der von ihr belegte
Raum anderweitig gebraucht wurde. Sch'-'eßlich wurden
die Sammiungsgegenstände vorläufig in ein Depot nach
Hechingen gebracht, wo sie bis zum Herbst 1970 lagerten.
N u n , endlich, ist ein neuer Ausstellungsraum f ü r die
Sammlung im Alten Schloß gefunden und von der Stadt
Hechingen bereitgestellt worden, H_er wird di. j Sammlung in nächster Zek aufgebaut und der Öffentlichkeit
wieder zugänglich gemacht werden.
Zwei Chorfenster der Kirche in Beuren sind schadhaft geworden. Sie wurden erneuert und bilden den Anfang für
eine hoffentlich nicht mehr lange ausstehende Gesamterneueruiig des Raumes.
In Stetten unter Holst" n, wo nach dem Ende des letzten
Krieges eine neue Pfarrkirche gebaut worden ist, ohne
daß man die Vorgänge . in, die ^.a 17. Jahrhundert erbaute
Pfarrkirche St. Sylvester, abgerissen hätte. N u n brachte
die Gemeinde Stetten den Vorschlag, die alte Kirche abreißen zu dürfen. Das Erzbischöfliche Bauamt in Kon-
stanz stellte in einer gemeinsamen Besprechung die Gegenfrage, ob Stetten eine Leichenhalle besitze. Da dies
nicht der Fall ist, eine Leichenhalle aber dringend benötigt wird, erging der Vorschlag, die alte Kirche nur
teilweise abzutragen, im übrigen aber zu einer Leichenhalle umzugestalten. Die Planung hierfür wird vorbereitet.
Auf der Ruine Stetten unter Holstein wurde ein eingestürzter Torbogen wieder aufgebaut.
Wir verlassen nunmehr das Kreisgebiet Hechingen und
wenden uns zu den Orten des Kreises Sigmaringen.
Da ist zunächst die rühr: ge Stadt Gammertingen, die seit
Jahren damit beschäftigt ist, acht dem Bildhauer J. G.
Weckenmann zugeschriebene Plastiken im Garten beim
Schloß wegen allzu starker Beschädigung kopieren zu
lassen. Eben jetzt ist wieder eine der Figurengruppen
fertig gestellt worden. Es bleibt nur mehr eine Plastik zu
erneuern.
Ein städtebai ches Vorhaben von großer Bedeutung läuft
seit einiger Zeit in Gammertingen. Bekanntlich kann die
Altstadt den Straßenverkehr der heutigen Tage kaum
mehr meis ern, da die Straßenzüge te 'weise zu eng sind.
Im Zuge der Altstadtsanierung wurde daher der Vorschlag gemacht, den Straßenzug, der sich am Hotel zur
Post vorbei b' zur katho sehen Pfarrkirche erstreckt, nach
der Bergseite hin auszuweiten. Demgemäß sollen die gesamten Häuser dieser Straßenfront abgerissen und etwa
i o m weiter nach Osten zu in neuer Weise wiederaufgebaut werden. Da keines der erwähnten Gebäude unter
Denkmalschutz steht, ist gegen diesen Plan nichts einzuwenden.
Etwas schwieriger wird sich der geplante Neubau der
Hohenzollerischen Landesbank ausführen lassen. Statt
eines vorhandenen Bankgebäudes hinter dem Neuen
Schloß (Rathaus) wird daran gedacht, einen etwas umfangt icheren Neubau direkt neben das Neue Schloß
so zu stellen, daß der Neubau sich um einige Meter vom
Schloß absetzt. Damit wird der bisher zugebaute Teil
des Schlosses freigelegt und der Alt-Bau kommt in seiner
G e s a m t h e : besser zur Geltung. Das nicht unter Denkmalschutz stehende Nachbargebäude - es enthält jetzt die
Feuerlöscngeräte und Schulräume - soll abgerissen werden und den 3aupiatz f ü r die neue Landesbank ergeben.
Es ist an verschiedene Verbesserungen beim Neubau der
Landesbank gedacht, weshalb man nicht grundsätzlich
gegen eine solche Planung sein kann. Indessen ist der
Würfel noch n ht gefaiien; der Wettbewerb zur Erlangung architekonischer Entwürfe ist noch im Gange. Aber
eines kann sicher erwartet werden: eine bessere Gesamtwirkung des freigelegten Neuen Schlosses, eine Ausweitung des Marktplatzes und die Schaffung eines Durchganges zwischen Marktplatz und dem hinter dem Bankgebäude entstehenden Baugebiet.
Im benachbarten Ort Bronnen, das kirchenrechthch zu
Gammerl' igen gehört, plant man den Neubau einer
Sakristei an der Kiiche.
Im nahegelegenen Feldhausen ist auf Wunsch des P f a r r amts die Erweiterung der 1737-39 errichteten P f a r r kirche im Gange. Die Ursache f ü r diesen Umbau lag in der
statisch unbefriedigenden Abstutzung des westlichen Dachreiters. Es wird ein lehrreiches Exempel ergeben, wenn
man die entstehenden Baukosten mit der Quadratmeterzahl des gewonnenen Raumes vergleicht. Vielleicht hätte
°ich der Umbau durch rechtzeitige Einführung der Vorabendmesse vermeiden oder verringern lassen.
85
Das Äußere der kleinen Marienkirche in Hettingen (1582
bis 1583 erbaut und um 1730 umgebaut) ist instandgesetzt und neu gefärbelt worden. Reste der alten Anstrichfarben gaben Anhaltspunkte f ü r die Färbelung.
In Veringenstadt wurde das Dach und das Türmchen des
Rathauses wiederhergestellt. Da das Bauwerk bereits um
1500 errichtet worden ist, wurden beim Umbau die alten
Formen wiederholt.
Veringendorf ist um ein schönes Fachwerkhaus reicher geworden. Bei der Instandsetzung des alten Pfarrhauses
(1746) mit seinem markanten Mansarddach wurde an drei
Seiten gut erhaltenes Fachwerk gefunden, das früher
offen gestanden hatte. Es ist jetzt freigelegt worden und
bildet seitdem eine wahre Bereicherung des Ortsbildes.
In der Pfarrkirche zu Veringendorf wurden die letzten
Reste der bisher verputzt gewesenen Wandmalereien freigelegt und restauriert. Dabei ergaben sich an einigen Stellen andere, wohl richtigere Deutungen der Malereien, die
wohl aus dem 14. Jahrhundert stammen dürften.
In Hochberg soll die 1913 erbaute Kirche durch einen
Umbau den heutigen Forderungen der Liturgie angepaßt
werden.
Benzingen bemühte sich um die Wiederherstellung des
Äußeren des von Franz Anton Bagnato 1758 erbauten
Pfarrhauses.
Die Instandsetzung des Äußeren der Pfarrkirche in Sigmaringendorf ist beendet worden.
Inzigkofen hat jetzt sein instandgesetztes Kircheninneres
wieder im Gebrauch. Mit seinen stark farbigen Altären
zeigt der Raum jetzt ein Bild heiterer Rokokokunst.
Die Hohenzolleri r che Landesbank beriet mit der Denkmalpflege einige Entwürfe f ü r einen geplanten Anbau.
Zusammen mit der Stadtverwaltung wurde der Rundturm, eines der letzten Zeugen der mittelalterlichen Stadtbefestigung, f ü r Zwecke eines Heimatmuseums umgebaut.
In der Nähe des Hauptbahnhofs S gmaringen, wo vor
einigen Jahren bereits ein ¿Mo-Hochhaus erstanden ist,
sollen etzt zwr' bis d r ' i weitere Hochhäuser gebaut werden. Die Verhandlungen sind noch im Gange.
Eines der ersten Baudenkmale von Sigmarmgen, das Fidelishaus, soll dem Vernehmen nach verkauft werden.
Nodi iit nicht geklärt, welche Folgen sich aus dem Verkauf des Anwesens ergeben werden.
Im Schloß zu Sigmaringen sind e^ne Reihe kleinerer Bauarbeiten durchgefünrt worden. Das Fürstliche Museum
klagte über Wandfeuchtigkeit. Dem soll nachgegangen
werden.
Hausen am Andelsbach hat eine Kirche, die 1853 von
I. Laur instandgesetzt und umgebaut wurde. Nach einem
weiteren. Umbau 1945/46 wird der Innenraum jetzt den
neuen Anforderungen der Liturgie angepaßt.
In Wald wollen die baulichen Veränderungen kein Ende
nehmen. Sie erfolgen in verschiedenen Wohntrakten und
jetzt im Küchenflügel. Das ehemalige Gasthaus zur Post,
1797 erbaut, erfuhr eine grundliche Instandsetzung.
Die Friedhofkirche in Vilsingen, die aus dem 15. Jahrhundert stammt, wird zur Zeit wiederhergestellt und
86
in eine Leichenhalle umgestaltet. Im Inneren werden
Wandmalereien (16. und 17. Jahrhundert) instandgesetzt.
Im Schloß Hohenfels (bei Kalkofen) wurde vor kurzer
Zeit der aus dem J a h r 1751 stammende Altar in der Kapelle wiederhergestellt. N u n sind Planungen zur Instandsetzung des Schloßhofes besprochen worden. Diese Arbeiten sollen 1971 ausgeführt werden.
In Ostrach ging es um die Erhaltung des zum Teil in
Fachwerk ausgeführten Mesnerhauses (Mitte 18. Jahrhundert). Städtebauliche Forderungen machen einen Abbruch nach Meinung des Bürgermeisteramtes erforderlich.
Man wird prüfen müssen, wieviel das Gebäude bei mehrfachen Veränderungen schon an Gewicht verloren hat.
Die Kirche in Einhart (aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts), deren Inneres vor wenigen Jahren instandgesetzt
worden ist, erhielt einen neuen Außenputz.
Im Kloster Habsthal wurde die Instandsetzung der
Außenfronten beendet. Im Kircheninneren ist das Dachgebälk über der westlichen Empore in Ordnung gebracht
worden und nun steht die Instandsetzung des durch
Wassereinbruch beschädigten Deckenbildes von G. B. Göz
(pinxit 1748) bevor. Es ist zu erwarten, daß der östliche
Teil der Kirche bald danach an die Reihe kommt.
In Ablach, Levertsweiler und Thalheim bestehen Pläne
zur Instandsetzung des Inneren der Kirchen. Ähnliches
gilt f ü r das alte Pfarrhaus in Thalheim (um 1740 als
ehemaliges Jagdschlößchen des Fürsten Josef Friedrich
von Hohenzollern erbaut).
In Magenbuch wurden Pläne f ü r die Instandsetzung des
Kircheninneren besprochen. Die Restaurierung der Kapelle in Lausheim steht immer noch aus. Verkehrstechnische Gründe wurden hauptsächlich herangezogen f ü r
den Abbruch der Kapelle St. Johannes in Steinhilben
(um 1725). Diese Sache ist noch nicht geklärt.
Diese denkmalpflege'ischen Arbeiten wären nicht möglich
gewesen ohne tatkräftige Unterstützung durch das Staatliche Amt f ü r Denkmalpflege in T ü t igen, den Hohenzollerischen Landeskommunalverband in Sigmaringen sowie die Landkreise .n Hechingen und Sigmaringen. Ihnen,
den Architekten, Restauratoren und H a n d w e r k e r n sei
f ü r ihre Hilfe herzlichst gedankt.
Der Berichterstatter hatte Gelegenheit, an einigen Tagungen teilzunehmen und dort mit Kollegen und Kunsthandwerkern ins Gespräch zu kommen. Insbesondere traf dies
zu bei der Jahrestagung der Denkmalpfleger in Lud-Wigsburg, in Südtirol, in Mainz, bei ler Stadtsanierungstagung
in Kempten und bei den S tzungen des Vereins f ü r HohenzoIler ic che Geschichte.
O. Heck
Diesem Bericht des Landeskonservators werden vermutlich nur noch zwei folgen, f ü r 1971 und 1972, da dann im
Zug der Kreisreform auch d' eigene hohenzollerische
Denkmalspflege aufgehört haben wird, zu bestehen. Ob
der Wandel in C":sem Bereich, i dem es m w . am deutlichsten erscheint, was wir späteren Generationen 1 lterlassen, zum Guten oder zum Bösen geht, bleibt abzuwarten. Es ist aber doch wohl zweirelhaft, ob ein Amt
f ü r Denkmalspflege f ü r einen größeren Bereich, das hunderte von Gemeinden zu betreuen hat, mit derselben Sachkenntnis und Liebe einen kleinen Bezirk v ie Hohenzollern behandeln wird, die , h m unter den Herren Friedrich Wilhelm Laur, Walther Genzmer und Oscar Heck
bisher in diesem Jahrhundert zuteil wurde.
HERBERT BURKARTH
Alte Volkstrachten auf der Alb
Votivtafeln zeigen die Kleidung im Wandel der Zeit
Im 18. Jahrhundert wurden zwei Wallfahrtskapellen im
Laucherttal zu Mittelpunkten der Volksfrömmigkeit. Die
bäuerliche Bevölkerung des Zwiefalter Klostergebietes
und der katholischen Reichritterschaften (TrochtelfingenGammertingen-Veringen) pilgerten mit ihren Nöten und
Sorgen zu den Gnadenbildern.
War ein Gebet sichtlich erhört worden, so ließ man eine
Votivtafel malen, um in aller Öffentlichkeit seine Dankbarkeit zu zeigen. Die Stifter legten o f t Wert darauf,
daß sie mit ihrer ganzen Familie auf der „Tafel" abgebildet wurden.
Es ist keine große Kunst, die hier gezeigt wird. Die meisten Bilder sind von Laien gemalt. Eine Ausnahme bilden die Bilder aus dem Gammertinger Raum, welche teilweise auf die Malerfamilie Reiser zurückgehen. Diese
Votivbilder sind die einzige Quelle, aus der etwas über
die alten Volkstrachten in unserem Raum zu erfahren ist.
Die Abbildungen umfassen den Zeitraum von ca. 1750
bis 1850. Ältere Bilder sind nicht erhalten und um 1850
hörte diese Art der Votivbilder auf.
Die Kleidung der Männer hat sich in dem erwähnten
Zeitraum kaum verändert. Sie trugen einen langen Rock
mit Silberknöpfen, gestickten Knopflöchern und Bortenbesatz an den Ärmelaufschlägen und laschen. Die Farbe
war anfangs braun und grün, später fast einheitlich blau.
Unter dem Rock trug man farbige Westen, meistens rot
oder grün. Die Hemden hatten oft Spitzenmanschetten;
um den Hals hatte man eine Binde aus schwarzem Samt.
Die Kopfbedeckung war ein Dreispitz aus schwarzem
Filz. Die Hosen bestanden aus kräftigem schwarzem Tuch
und reichten bis unters Knie, wo sie mit einer Schleife
gebunden wurden. Dazu trug man weiße Strümpfe und
schwarze Halbschuhe. Der Dreispitz wurde um 1840
durch einen breiten H u t mit hochgeschlagener Krempe
ersetzt. Nach dieser Zeit hörten die Männertrachten langsam auf.
Dieser A u f w a n d an Kleidung bei einer sehr armen Volksschicht, mag zunächst Erstaunen hervorrufen. Man muß
aber bedenken, daß es sich dabei nur um den Sonntagsstaat (Sonntigshäs) handelt, den man nur einmal im Leben
anschaffte, wenn man ihn nicht überhaupt geerbt hatte.
Dadurch ist auch die Kontinuität gegeben, welche aus
der Kleidung eine „Tracht" werden läßt.
Die Frauen trugen im 18. Jahrhundert schwere, gefaltete
Überröcke, 'die vorne offen waren. Der Unterrock, der
an der Vorderseite sichtbar war, war bei verheirateten
Frauen einfarbig, meistens weiß. Junge Mädchen trugen
einen farbig gemusterten Unterrock. Uber dem Rock
hatten die Frauen eine kurze Jacke, die vorn geschnürt
wurde. Um den Hals wurde ein breites Halstuch (dunkel
oder farbig) getragen. Im Sommer gab es auch ärmellose
Jadken, unter welche man weiße Blusen mit langen
Ärmeln anzog.
Die Farben der Kleider waren fast durchweg dunkel,
blau oder grün, nur die Mädchen trugen hellere Farben,
gelegentlich auch rosa, Kopfbedeckung der Frauen war
eine enganliegende, runde Haube, die nur das Gesicht
87
frei ließ. Die Haube wurde mit breiten Bändern unter
dem Kinn oder im Nacken zusammengebunden.
Arbeitskleidern entwickelt, wie sie in dieser Form schon
im 18. Jahrhundert getragen wurden.
Nach 1820 veränderte sich die Frauentracht. Die Kleider
hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen Dirndelkleidern. Über dem Kleia wurde eine weiße Schürze getragen.
Die Hauben, „Schappeln" genannt, wurden höher und
waren reich verziert. Jetzt durfte man auch das H a a r
sehen. Um 1830 wurden Radhauben üblich, die manchmal mit Goldstickerei verziert waren. Die neue Kleiderform war übrigens nicht ganz neu. Sie hatte sich aus den
Während die alte Tracht in ihrer Strenge an Nonnen
erinnert, bildet die neuere Tracht auch f ü r den heutigen
Geschmack einen sehr erfreulichen Anblick. Die Frauen,
vor allem die alten Frauen, dürften in unserem Gebiet
noch etwa bis 1870 eine Kleidung getragen haben, die man
als Tracht bezeichnen kann. Dann begannen auch sie, sich
nach der jeweiligen Mode zu kleiden.
Neue Grabungen bei Inzigkofen
Auf dem Grabungsfeld der „Krummäcker" nahe der
Laizer Markungsgrenze soll in diesem Jahr wieder gegraben werden. Dr. H a r t m a n n Reim, der auf der letzten
Hauptversammlung des Hohenzollerischen Geschichtsver"ns in Sigmaringen im Herbst vergangenen Jahres i >er
die bisherigen Grabungen referierte, sagte Anfang Februar
bei einem Vortrag, den der Albverein Inzigkofen veranstaltete, er habe das gesuchte Kastell nicht gefunden. Indessen sei ein ganz unbeschädigter Gutshof aus der Mitte
des zweiten Jahrhunderts n. Chr. herausgekommen, und
dies allein sei schon bedeutungsvoll.
rund 800 solcher
viallae rusticae in Baden-Württemberg, die man bisher
kennt, seien alle angeschnitten oder sonstwie (durch Siedlungen, Straßen usw.) verstümmelt. Außerdem aber ind
zwei Gewandfi. ein gefunden worden, die aus der Zeit
des vermuteten Kastells stammen, das etwa nach 50
88
n. Chr. im Zug des damaligen Donau-Limes gebaut worden ist, und diese Fibeln deuteten darauf hin, daß das
Kastell ganz in der N ä h e sein müsse. Zudem tauchten
innerhalb des Gutshofs die Pfostenreste eines winzigen
römischen Holzhauses auf, das bisher in seiner Bedeutung nicht sicher erkannt ist. Es ist jedoch älter als der
Gutshof und müßte auch aus der Zeit des Limes stammen.
Das Kastell wird seit Jahrzehnten immer wieder gesucht
und man glaubte, es gefunden zu haben, als die berühmt
gewordene „mansio" auf dem Gewann Dreißig Jauchert
bei Sigmaringen gefunden wurde. Der Übergang von
Laiz-Sigmaringen zu dem es gehört - und gewiß auch ein
Kastell - gilt der Römerforschung i i Baden-Württemberg
heute als der wichtigste im Land. Kastelle zu diesem
Donau-Limes sind bisher in Hüfingen und Emerkingen
gefunden worden.
WALTHER FRICK
Wer war Hans Kayser?
Leben und Werk eines Mannes aus Sigmaringen
Die Leser erinnern sich vielleicht daran, daß im April
vergangenen Jahres an der Sigmaringer Hofapotheke eine
Bildnisbüste enthüllt wurde mit dem Kopf von Dr. Hans
Kayser, der aus diesem H a u s stammt und 1894 als Sohn
des damaligen Hofapothekers geboren wurde. Ganz
korrekt muß man sagen: Kayser ist nicht in der H o f apotheke geboren, aber seine Eltern zogen aus Buchau
zu, als er noch in den Windeln lag. In Sigmaringen ist er
aufgewachsen - und natürlich liegt der Vergleich mit der
H e r k u n f t eines etwa Gleichaltrigen sehr nahe: Albert Einstein stammt auch aus Buchau, und auch er ist in einer
anderen Stadt, nämlich in Ulm aufgewachsen, sogar geboren. nachdem seine Eltern kurz zuvor dorthin gezogen
waren.
Diesen Vergleich ziehe ich aus einem anderen Grund und
wage mich dabei auf den schwankenden Boden der Prophetie vor: Einstein gelangte zu Weltruhm; Kayser ist
vermutlich posthum auf dem Weg dorthin. Diese Behauptung bedarf des Beweises, den diese Zeilen antreten
sollen. Dazu ist zunächst zu sagen, daß Einsteins Erkenntnisse sozusagen mehr in der Luft lagen als die
Kaysers. Einstein war Naturwissenschaftler, und als er
geboren wurde, stand die naturwissenschaftliche Forschung
auf ihrer Höhe; ich meine die theoretische, während die
Wucht der praktischen Erfolge erst unser Jahrhundert
richtig zu spüren bekommt. Kayser hingegen ist — wenn
man der Bezeichnung Naturwissenschaft noch einen anderen Sinn unterlegen will, auch ein Naturwissenschaftler, aber eben in anderer Weise. Er ist Harmoniker, womit die gelehrte Welt von heute noch fast nichts anfangen
kann.
Erfahrung, des Greifbaren also, des Meß- und Nachprüfbaren, vor allem, was Philosophie, Religion, Poesie, Musik, Schönheit bedeutet - und dieser Doktor Kayser findet einen Verbindungspunkt. Das ist das Eine. Das
Andere, was Kayser in mühevoller Arbeit durch Jahrzehnte herausfand, st dies: jene mathematischen Reihen
der Töne gelten exakt f ü r zahllose andere Verhältnisse,
f ü r Werke der N a t u r wie Blätter, Bäume, Kristalle,
Schneckenhäuser - und f ü r Werke des Menschen, wie etwa
griechische Tempel und gotische Dome. Es ist also so,
daß ein vom Schöpfer gegebenes Grundschema wirklich
die Schöpfung durchzieht. Selbst die Sterne machen Musik, und bei jener Denkmalsenthüllung hat es die Besucher
des Festaktes in der Sigmaringer Bilharzschule doch seltsam berührt, als Professor Dr. Haase, von dem gleich zu
sprechen sein wird, mit einem Tonbandgerät Töne erklingen ließ, die sich auf den Umlaufbahnen und -geschwindigkeiten der Planeten ergeben. Da fällt einem gleich die
„Sphärenmusik" ein, von der Johannes Kepler so überzeugt war, und gleichsam als Vorgriff auf die Bedeutung
der harmonikalen Forschung n a c h Kayser, der 1964
verstarb, sei angemerkt, daß in der Tat dieses gegenwärtige Kepler-Gedenkjahr auch Anlaß sein wird zu zwei
Symposien, bei denen die Wissenschaft vertraut gemacht
werden soll mit den Erkenntnissen Kaysers.
Die Biographie Kaysers * n einem kleinen Einschub abzuhandeln; er hatte keine großen Daten. Nach dem ersten
Weltkrieg studierte er Musik und Philosophie, arbeitete
eine Zeitlang an der Buchreihe „Der Dom", stieß in den
Hans Kayser hat die uralte, in Griechenland von Pythagoras entwickelte, vielleicht in Ansätzen schon vorgefundene, später o f t durch allerlei mystische Zusätze verdunkelte, aber nie ganz erstorbene Kenntnis der H a r monik wieder aufgeweckt. Was ist das? Wenn man eine
Saite über ein Einsaiteninstrument spannt, ein sogenanntes Monochord, was dasselbe heißt, und dann anzupft,
gibt es einen Ton. Der Klang, den wir hören, ist (von der
Spannung abgesehen) abhängig von der S; kenlänge.
Drücken wir mit dem Finger genau in die H ä l f t e der Saite,
entsteht oben und unten der gleiche Ton, aber eme Oktave
höher. Drückt man an anderen Stellen, entstehen Terzen,
Quinten, Quarten usw. Das wird täglich vieltausendmal
auf allen Saiteninstrumenten getan; jedermann weiß das,
der sich mit Musik befaßt, aber: die Saitenteilungen stehen in genauen mathematischen Verhältnissen zueinander.
Mathematik ist eine Naturwissenschaft, das Hören, ob
Saitenintervalle (also Quinten usw.) „stimmen", ist eine
Sache des Inneren, ein seelischer Vorgang. Also: Hier ist
ein Punkt, an dem Seelisches mathematisch kontrolliert
werden kann, und umgekehrt, an dem mathematische
Verhältnisse (die Längen der Saiten) mit dem Gemüt
nachgeprüft werden können.
Man überlege einmal, was das in unseren Zeiten mathematisch-mechanischer Denkweisen bedeutet! Wir sind doch
seit der Ren. ssance sozusagen von der Muttermilch an
gewohnt, säuberlich zu trennen die Bereiche der haptischen
Bildnisplakette an der Hofapotheke in Sigmaringen
89
zwanziger Jahren auf Versuche eines rheinischen Gelehrten und Zentrumspolitikers namens Albert von Thimus
zur H a r m o n i k und war ihr verfallen. Großzügige Gönner in der Schweiz sorgten dafür, daß er als Privatgelehrter in der N ä h e von Bern arbeiten konnte, und dort blieb
er auch bis zu seinem Tod. Gelegentlich hat er Sigmaringen besucht, wo er in dem ebenfalls verstorbenen Konzertmeister Theo Reiser einen getreuen Freund und Interpreten seiner Erkenntnisse fand.
Und wiederum geschah es, daß ein Musikstudent nach
dem Krieg, dem zweiten, b : seinen Arbeiten auf H a n s
Kayser stieß, in seine Nachfolge trat und bei ihm längere
Zeit arbeitete, Dr. Rudolf Haase, inzwischen außerordentlicher Professor an dem vor wenigen Jahren geschaffenen
Hans-Kayser-Institut an der Wiener Hochschule für Musik und Bildende Künste, derselbe, der den Festvortrag in
Sigmaringen, und im vergangenen Winter noch einmal
einen Vortrag hielt. - Nach dem Sprichwort, daß die
Welt ein Dorf sei, wo s :h die unmöglichsten Bekanntschaften vollziehen und man an unmöglichen Plätzen
wiederum Bekannte trifft, si 1 hier eine kleine persönliche
Marginalie eingeflochten. In einem der englischen Kriegsgefangenenlager am Suezkanal, in dem außer einigen wenigen anderen Hohenzollern auch der Hechinger Heimatschriftsteller Willy Baur und der Verfasser dieser Zeilen
saßen, war auch Rudolf Haase Gefangener. Damals noch
kein Musikstudent; und er, wie der Verfasser, wußten
nichts von Kayser, wurden aber Freunde. Und ausgerech-
net dieser ehemalige Fliegeroffizier mußte sich nachmals
mit Kayser und damit mit Sigmaringen befassen!
Der geneigte Leser muß vorlieb nehmen mit diesem kürzesten Anriß der H a r m o n i k ; das Material von Thimus,
Kayser und inzwischen von Haase füllt natürlich Bände.
Es sei mir aber erlaubt, einige neuere Aufsatz- und Büchertitel Haases zu nennen, afi denen schon abzulesen ist,
was alles in den riesigen Rahmen der Forschung hineingezogen wird: „Der Goldene Schnitt als harmonikales
Problem", „Gehörte Normen", „Keplers Weltharmonik
und das harmonikale Denken" und die „Geschichte des
harmonikalen Pythagoreismus". Es geht darin, etwas grob
vereinfacht, um nichts anderes als um die Verbreitung
der Tatsache, daß unsere Welt gar nicht in verschiedene
Bereiche und Fächer zerfallen muß, ja, daß sie es nicht
darf, sondern das es Normen gibt, die überall die gleichen sind, die die ganze sichtbare, hörbare und geistige
Welt durchziehen, die aber durch Jahrtausende meist nur
wenigen Gelehrten, Baumeistern, Musikern bekannt waren (obwohl man in der Übersicht über die Literatur auch
in Deutschland in den letzten Jahrhunderten staunen
muß, wieviel Harmonikales geschrieben wurde), und
deren Kenntnis es jetzt gilt, wieder bewußt zu machen.
Das bedeutet ohne Zweifel eine geistige Revolution allerersten Ranges, und vielleicht erscheint so die Behauptung,
daß Hans Kayser als Wiedererwecker von dem allem
wahrscheinlich einmal Weltgeltung erringen wird, nicht
mehr so abwägig.
MANFRED HERMANN
Bildhauer Egid Hochstein (1720-69),
ein vergessener Barockmeister aus Veringenstadt
Trotz der eingehenden Bearbe ung der Kunstdenkmäler
H o h e n / o l l e r n s 1 ist die Kenntnis dei barocken Bildschnitz e r n hierzulande noch recht unbefriedigend. Zwar sind
uns Leben und Werk der bedeutendsten Meister wie Joh.
Joseph Christian (1706-77) 2 aus Riedlingen, Franz
Magnus Hobs (f 1756) 3 aus Sigmaringen und Joh. Georg
Weckenmann von Haigerloch (1727-95) 4 durchaus geläufig; andererseits vermögen wir eine große Zahl unserer
Barockf ,ruren keinem Kunstler zuzuordnen. Hier gilt es
durch Stadium der Standes'uucher unser Wissen zu erweitern, vor allem jene Werkstätten kennenzulernen,
welche f ü r die Kunstwerke unserer Kirchen in Frage kommen können.
Während meiner ViKarszeit in Burladingen bin ich beim
Durchblättern der H( "igenrechnung Gauselfingen 5 für
das Jahr 1758 dem Namen „Egidi hochstein, Maller und
Bildhauer von Vehringerstatt" begegnet. Da von diesem
Künstler der Gauselfinger Kirche eine Figur erhalten
blieb, hat es m.ch gereizt, dem Leoen des bisher unbekannten Mannes nachzugehen. Leider lassen die noch vorhandenen Quellen 6 nur ein unzureichendes Bild des
Sch' itzers gewinnen.
Egid Hochstein ist nach Auskunft des Veringenstädter
Taufbuches am 22. Juni 1720 als fünftes K n d des Johann
Adam Höchsten: und der Maria Stemmerin getauft worden. Leider machen d_. Standesbücher nirgendwo Angaben
90
zum Beruf des Vaters, den der Junge bereits mit 12 Jahren verloren hat („am 21. August 1732 beschloß Adam
Hochstein in der Stadt Ravensburg seinen letzten Tag,
dort ist er auch begraben 7 "). Wir kennen nicht m"hr den
Grund, welcher die Mutter bewogen hat, Egid bei einem
Bildhauer und Faßmaler in die Lehre zu geben. Das mag
in den Jahren 1735-39 gewesen sein Längere Zeit verlieren wir den jungen Künstler aus den Augen, erst 1755
i.nden wir zum 25. Juni einen Taufeintrag für die Tochter Anna Maria, wobei die Mutter als von Hausen im
Tann stammend bezeichnet wird. Diese Spur führte mich
in den kleinen, hinter Schömberg bei Balingen liegenden
O r t Hausen am Tann, wo tatsächlich im Ehebuch der dortigen Pfarrgemeinde unterm 25. N o v . 1843 die Heirat
des 25jährigen jungen Mannes „Aegidius hohstein" mit
einer Martha Neherin aus Hausen vermerkt wird mit
dem Zusatz: Sponsus ex Ver, - gana parochia = der Bräutigam stammt aus der Veringer Pfarrei. Wie mag der I ' dhauer dortl ri gekommen sein? Jedenfalls ist des Rätsels
Lösung in einer Schnitzerwerkstätte im nahen Schömberg
zu suchen, dem kathe lischen H a u p t o r t im Baiinger Raum,
wo Hochstein als Geselle bei Valentin Karrer oder bei
Urban Faulhaber (1711-80) 8 gearbeitet haben dürfte.
Vom letztgenannten wissen wir, daß er bei der Anfer gung des Hochaltars f ü r die Pfarrkirche Harthausen auf
der Scher 1745/46 neben einem Lehrlingen auch einen
Gesellen als Mitarbeiter beschäftigt hatte 1 . Es ist nicht aus-
geschlossen, d a ß Hochstein auch nach seiner H e i r a t bei
seinem Lehrmeister in Schömberg tätig w a r .
In der Folgezeit werden dem Künstler in H a u s e n am
T a n n vier K i n d e r geboren (1748 eine Sibilia, 1750 eine
Helena und a m 23. April 1753 die Zwillinge Georg und
Johannes). I m F r ü h j a h r 1754 machte sich die Familie
Hochstein offensichtlich auf den Weg in die H e i m a t des
Vaters, nach Veringenstadt, um sich dort f ü r immer niederzulassen. Das mag f ü r Egid Hochstein der A n l a ß f ü r
die G r ü n d u n g einer eigenen Werkstatt gewesen sein, die
zu f ü h r e n ihm im kleinen Hausen am T a n n neben den
Schömberger Bildhauern k a u m möglich w a r . Leider m u ß t e
Egid die herbe Enttäuschung erleben, d a ß ihn seine H e i m a t nicht a u f n e h m e n wollte. Das Ordinari-VerhörsProthocollum der Herrschaft Sigmaringen 1 0 vermeldet
nämlich zum 7. Mai 1754 unter Vöhringenstatt: „Aegidi
Hochsteins wegschaffung von Vöhringen. - Aeg;di Hochstein einem Mahler von Vöhringenstatt gebührtig ist dato
aus ein- so anderen Ursachen, besonders aber, da er vor
jähren das Burger Recht alldaselbst verheürathet, aufgetragen worden, seinen noch zu Vöhringen habenden hausanthaill z u v e r k a u f f e n , v n n d so dann sein glickh weiters
zu suchen." Sollte der fürstliche H o f b i l d h a u e r F r a n z
Magnus H o b s in Sigmaringen, der ja über die nötigen Beziehungen verfügte, einen K o n k u r r e n t e n gefürchtet u n d
sich bei den Behörden gegen Hochsteins Zulassung ausgesprochen haben? Immerhin klingt diese E r k l ä r u n g plausibel. D e r H nweis, Hochstein habe durch eine auswärtige
H e i r a t sem Bürgerrecht zu Veringenstadt verwirkt, erscheint hier fast als ein reiner V o r w a n d . Immerhin w a r
das Stadtregiment u n d die Herrschaft in diesem P u n k t
empfindlich.
Obgleich man sich des Egid Hochstein entledigen wollte,
ist er trotz aller Schwierigkeiten, die m a n ihm bereitet
haben mag, in seiner Vaterstadt geblieben. Das Veringenstädter Taufbuch vermeldet in der Folgezeit drei weitere
T a u f e n f ü r das Bildhauerehepaar (1755 eine A n n a Maria,
die nach der Geburt wohl gestorben ist, 1756 ein K a r l
u n d 1762 ein Mathias). Wenn es damals Sitte u n a Brauch
w a r , Freunde u n d gutbekannte Nachbarn als T a u f p a t e n
auszuwählen, dann : st dieses A m t so etwas wie ein G r a d messer f ü r Beliebtheit u n d Ansehen einer Person. D a r u m
ist es a u f f a lig, wenn weder der Bildhauer noch seine Frau
je zu diesem E h r e n a m t gebeten wurden, lieber das Lebensende Hochsteins haben wir trotz des Fehlens des Veringenstädter Totenbuches f ü r jene J a h r e glücklicherweise eine
Nachricht aus dem Ehebuch. U n t e r dem 29. J u n i 1769
wurden die Sponsalien zwischen den ersamen W i t w e r
Egidius Hochstein und der Franziska Eggsteinin mit folgender A n m e r k u n g des Pfarrers eingetragen: „Zwischen
diesen w u r d e n am 29. J u r am Fest Peter u n d Paul, die
Sponsalien abgeschlossen und die Hochzeit auf den 3. Juli
bestimmt. D a fiel der Bräutigam, dessen E h e f r a u M a r t h a
Neherin von einem bösartigen und heftigen Fieber dahing e r a f f t w u r d e u n d am 1. Mai dieses Jahres 1769 verstarb,
am 1. Juli in dieselbe K r a n k h e i t u n d verschied sogleich
am 13. Juli v o r der Hochzeit." Somit n a h m der T o d
unserem Bildhauer mit 49 Jahren schon das Schnitzmesser
aus der H a n d u n d raubte den unversorgten K i n d e r n beide
Elternteile. Leider scheinen alle Quellen verloren, welche
etwas über d Erbteilung nach dem T o d der ersten Frau
und auch die Eheabsprache mit der zukünftigen zweiten
G a t t i n aussagen könnten, ferner darüber, wer als Waisenvogt über tfi 2 K i n d e r gesetzt w u r d e 6. U m so gesprächiger
zeigen sich die Unterlagen über die Franziska Eggsteinin,
die mehrere J a h r e die Behörden beschäftigte u n d sich keines guten Rufes erfreut haben d ü r f t e . Zweifellos w a r sie
in ihren jungen J a h r e n ein echtes Skandalmädchen. H i e r z u
das Verhörs-Prothocollum der Herrschaft Sigmaringen
v o m 26. April 1760 u :
„Vöhringenstatt - D e r Schulth: z e i g t . . . an, das J o seph H a u g und Francisca Eggsteinin pcto 6ti sich miteinander verfehlet und diese würcklichen seiter aller
Seelen schwanger seyn, und welche zeit derselbe z w a r
mit ihro zu thun gehabt habe, doch aber nit V a t t e r
seye, indem sie mit einem Studenten Antoni Bazer
u n d einem M a u r e r gesellen Friderich Hochstein (des
Egid Bruder), der ein loch in die w a n d gemacht, durch
welches er eben auch zu ihr hinein geschloffen, nicht
minder mit Michael Häberle, und vielleicht mit dessen
Vatter auch, den Er bey I h r o gesehen, und endlich
auch mit des Engel-würths Knecht N : schänzle, der ihr
letzterer Faßnacht die w a n d wieder eingeschlagen,
u n d t zu ihr gegangen, verdächtige bekanntschaft gehabt, wie dann der Student u n d der Maurer bey ihro
ganze Nächt gewesen, auch habe Er den Michel H ä berle einsmahls bey der Nacht in dem stall angetroffen, u n d nachgehends bay dem Kopf genommen, nicht
minder habe Er einsmahlen den Mathäus Häberle bey
ihro Nachts-zeit im haus angetroffen."
Egid Hochstein m u ß sich nach dem T o d seiner ersten Frau
zweifellos in N o t befunden haben, wenn der Künstler
f ü r seine unmündigen K i n d e r keine andere M u t t e r als die
obengeschilderte F r a n z L i a Eggsteinin gefunden hat. Vielleicht ist ihm durch den T o d selbst manches an Eheschwierigkeiten erspart geblieben.
An dieser Stelle muß noch einiges zum Künstler Egid
Hochstein gesagt werden. Die Doppelbegabung von M a lerei u n d Bildhauerei finden wir bei Barockmeistern sehr
häu r .g, wobei der Malerberuf weniger als Flachmaler-,
vielmehr als Faßmalertätigkeit a u f g e f a ß t werden muß.
Dies zeigt sich später am Beispiel Gauselfingen. Leider
sind wir über die künstlerische H e r k u n f t Hochsteins deswegen schlecht informiert, weil wir das W e r k Valentin
Karrers und U r b a n Faulhaubers aus Schömberg noch zu
wenig kennen. Für K a r r e r ist bisher die hübsche Barockkanzel von Margrethausen aus dem J a h r 1740 belegt 1 2 ,
möglicherweise hat er auch eine A n z a h l von Figuren f ü r
die Pfarrkirche v o n N e u f r a geliefert. U r b a n Faulhaber
ist der Schöpfer der H a r t h a u s e r (Scher) Kanzel u n d des
dortigen Hochaltares, ferner d ü r f t e n 1 e gesamten S t r a ß berger B. dhauerarbeiten um 1740/42 in der dortigen
Pfarrkirche von der H a n d Faulhabers stammen 13. Von
diesen M ä n n e r n her d ü r f t e Hochstein entscheidend geprägt
w o r d e n sein.
W i r müssen dann dar iit rechnen, d a ß die drei Figuren,
d a r u n t e r ein prächtiger Johannes der T ä u f e r , welche in
der Pfarrkirche von H a u s e n am T a n n aus der Zeit um
1750 erhalten geblieben s id, von Egid H ö c h s t e n herrühren. Weiter dürfen wir annehmen, d a ß unser Kunstler schon v o r 1754 A r b ten in den Veringer R a u m geliefert h a t ; erst recht müssen sich Schnitzereien nach diesem
Termin im genannten Gebiet finden lassen. So könnte
manches W e r k in der Deutstettener E irche bei Veringenstadt von Hochstein stammen. A u ß e r d e m könnte er auch
f ü r die Barockfiguren der 1751 erbauten HochbergKapelle bei N e u t r a in Frage kommen. Eine genaue U n t e r suchung soll einer späteren Arbei. vorbehalten bleiben.
N u n aber zu den urkundlich verbürgten Tätigkeit Hochsteins: In der Heiligenpflege-Rechnung Gauselfingen 5 f ü r
die Zeit v o n Martini 1756 bis Martini 1757 wird fol.
26 unter „Außgaab Geldt u m b E r k a u f t e n H a u ß u n d
V o r r a t h " folgende P o r t i o n e n a u f g e f ü h r t :
91
„Dem Bildhawer und Mahler vor zwey bilder zu
schneyden und zu fassen bezahlt
24 fl.
Obgemeltem Mahler vor 6 Ne".e Bilder zu schneyden
und fassen wie auch den Altar zu renovieren und zu
vergulden accordirter maßßen bezahlt
53 fl.
Vor einen neüen Heil. Wendelin zu schneyden und zu
fassen lauth quittung bezahlt
22 fl.
Dem Schreiner von Stetten (u. Höllstein, Baltas
Mayer) vor 5 neue Postament bezahlt
4 fl. 28xr."
In den Beilagen finden wir d: 3 O ginal-Quittung - mit
der Jahreszahl 1758 - welche von „Egidi hochstein, Maller und Bildhauer von Vehringerstatt" unterschrieben ist.
Glücklicherweise ist aus der alten Gauselfinger Kirche ein
heiliger Wendelin, zweifellos das von Hochstein gelieferte
und in der Rechnung aufgeführte Bildwerk, erhalten geblieben. Die letzte Unsicherheit wird durch die Signatur
E H , welche in die Standplatte eingeritzt ist, vollends beseitigt. Die Figur ist heute in der Bibliothek des Untergeschosses der neuen Gauselfinger Filialkirche untergebracht.
Der hl. Wendelin ist in der üblichen Weise in der Hirtentracht, den Stab in der linken H a n d , ein Rind zu seinen
Füßen, begleitet von einem hübschen, rundlichen Engelputto (H. o,48 m Br. 0,32 m), dargestellt. Die 0,96 m
hohe und 0,62 m breite aus Lindenholz geschnittene, hinten ausgehöhlte Plastik mit Standplatte besitzt durch ihre
Bewegtheit und ihr der Rokokozeit eigenes Pathos nicht
geringen Reiz. Der Oberkörper ist stark nach hinten genommen, der Blick geht nach oben, der Anschauung
Gottes entgegen, die rechte H a n d ist vor die Brust gelegt und weist auf das Liebesverlangen des Heiligen. Auch
durch das Gewand der Figur geht Bewegung, die sich in
der Beinhaltung fortsetzt. Die Gastaltung der ganzen
Figur verrät die Handschrift eines guten, versierten
Künstlers, der sich mit seinen Werken sehen lassen konnte
und zweifellos f ü r einen Mann wie Franz Magnus Hobs
in Sigmaringen ein ernstzunehmender Konkurrent war.
Leider lassen sich die übrigen in Gauselfingen erhaltenen
Barockfiguren des 18. Jahrhunderts nicht in die Werkliste Hochsteins einordnen, da sie allesamt eine andere
Stilart aufweisen.
Auch wenn wir bis heute Egid Hochstein nur diese eine
Skulptur zuweisen können, so reicht diese aus, in ihrem
Schöpfer einen interessanten und guten Vertreter der
B dschnitzerei ilf der Rokokozeit Hohenzollerns kennenzulernen.
Anmerkungen:
1
H g b n . v o n W . G e n z m e r a) Bd. I Kreis Hechingen, Hechingen
1939: b) Bd. I I Kreis Sigmaringen, S t u t t g a r t 1948.
2
G . Woeckel, J o h . J Christian von Riedlingen — Ein oberschwabi-
Heinrich von Killer, genannt Affenschmalz, über den im
H o h z . J H e f t 1954, 109 f. gehandelt wurde, nannte sich
1406 bei Stittung seines Affenschmalzer Jahrtages nach
Ringingen stolz: „Ich Heinrich v. K. gen. Affenschmalz,
des hingingen ist". Er betont also, Eigentümer des Dorfes
Ringingen zu sein. Ja, schon am 25. juli 1383 siegelte
Heinrich eine Verkaufsurkunde Burkarts von Holnstein
f ü r Anselm von Genkingen (Staatsarch. Stuttg. A 514,
N r . 92: Kl. Pfullingen) und betonte ebenfalls darin:
„Heinrich v. K., des da K'ngingen ist, den man och nempt
Affenschmalz". Hierbei ist festzuhalten, daß Heinrich, der
sich 1392 „von R lgingen" nennt, nur das Dorf, nicht aber
die Burg Ringingen (auf dem Nehberg) besaß, denn hier
wohnten 1390 noch Jerg Truchsess von Ringingen und
1402 H a n s Schwelher. Heinrich hat offenbar großen Wert
auf die (sonst selten festzustellende) Betonung gelegt: er
sei Herr von Ringingen! Im J. 1409 wurde er dann vom
92
ST. W E N D E L I N , von Egid Hochstein
scher Bildhauer (Thorbecke-Kunstbücherei Bd. 6), L i n d a u ' K o n stanz 1958.
Adolf H u b e r , Joseph Christian, der Bildhauer des schwäbischen
R o k o k o , Tübingen 1960.
3
M a r t a Schimmelpfennig v o n der O y e , S k u l p t u r u n d S t u k k a t u r
des R o k o k o s in H o h e n z o l l e r n , I. Teil. F r a n z Magnus Hobs, Berlin 1936.
4
s. A n m . 3. I I . Teil. J o h a n n Georg Weckenmann.
Dieselbe, Weckenmann, J o h a n n Georg, in: T_. ;me-Beckers K ü n s t lerlexikon Bd. 35 (1942) S. 236 f.
5
P f A r c h i v Burladingen.
6
Ratsprotokolle
1750-70,
Zunftakten,
Kontrakten-Protokolle,
N a c h l a ß a k t e n u. a. Quellen im Stadtarchiv Veringenstadt erbrachten nicht einen einzigen H i n w e i s .
7
Totenbuch im P f A r c h i v Veringenstadt.
8
D e r L a n d k r e i s Balingen — amtliche Kreisbeschreibung, hgbn v o m
Statist. Landesamt B a d e n - W ü r t t - , Bo. I 1960, S. 380 f f .
9
Staatsarchiv Sigmaringen, A b t . Sigmaringen-Grafschaft Veringen.
C . H a r t h a u s e n Hciligcnrechmingen 1745/46 „Ausgaab Kirchenornat".
10
Staatsarchiv Sigmaringen, Bd. 69/1754, S. 137 f.
11
Staatsarchiv Sigmaringen, B d . 75/1760, S. 120 f.
12
s. A n m . 8.
" vgl. A n m . l b , S. 343 f f .
Zollergrafen mit (dem Burgstall) Ringelstein (an der
Grenze gegen Burladingen gelegen) belehnt und nannte
sich hinfort „von Ringelstein". Im J. 1375 war er päpstlicher Reiterführer in Italien gewesen und hat offensichtlich die dort verdienten Gelder im Kauf des Dorfes Ringingen von den Truchsessen v R. angelegt. Die Burg zu
erwerben gelang ihm jedoch nicht. Sein Verhältnis zum
Dorf Ringingen und den Burgherren Schwelher scheint
nicht ungetrübt gewesen zu sein, wenigstens wurde Heinrich nach seinem am 14. Januar 1413 erfolgten Tode in
der Martinskirche zu Ebingen beigesetzt, wo sein Grabstein noch (in einem 'Nebengelaß) erhalten ist. Eine am
18. Mai 1413 ausgestellte Urkunde der Hechinger Heiligkreuzpfründe beginnt (nach Kernler): „Ich Wilhelm von
Killer, Heinrichs von Killer seligen, den man nennt Affenschmalz, ehelicher Sohn, bekenne . . .".
Krs.
HERBERT BURKARTH
Die mittelalterlichen Fischweiher
in der ehemaligen Herrschaft Gammertingen-Hettingen
Dem Wanderer durch das einsame Fehlatal fallen am
Unterlauf des Baches auf Markung Hettingen zwei große
Dämme auf, die sich quer durch das Tal ziehen. Auch im
Laucherttal zwischen Gammertingen und Hettingen sieht
man einen mächtigen Damm, den aber der eilige Autofahrer auf der B 32 kaum erkennen wird. Die Flurnamen
Weiher, Weiherwiesen usw. deuten darauf hin, daß es sich
es sich bei diesem Weiher ursprünglich um Privateigentum
der Herren von Lichtenstein gehandelt haben. Die späteren Inhaber ließen ihn eingehen, weil sie, wie wir noch
sehen werden, die Weiherwirtschaft ganz auf Hettingen
konzentrierten. Der Flurname Weiherwiesen ist f ü r die
Wiesen unter Lichtenstein heute noch üblich.
Durch Mariaberger Urkunden läßt sich ein Weiher bei
um Stauuämme handelt. In Hettingen wird erzählt, daß
man früher im Fehlatal das Wild in einen See getrieben
habe, um es leichter erlegen zu können. Es ist möglich, ja
wahrscheinlich, daß die Weiher für diesen Zweck benützt
wurden, denn diese Art von Jagd war vor E führung
der Feuerwaffen allgemein üblich. Aber das kann nicht
der Hauptzweck der, doch recht aufwendigen Bauten,
gewesen sein. Einen Hinweis gibt ein Verkaufsbrief von
1468. Hier heißt es von einem Weiher im Fehlatal, daß
er nicht besetzt sei. Wenn er aber besetzt sei, so bringe er
guten Nutzen. B diesem Nutzen kann es sich nur um
Fische handeln.
Gammertingen nachweisen. Er befand sich in der Gegend
des Schwimmbades bei der Stadtmühle. Obwohl dieser
Weiher offensichtlich schon f r ü h wieder aufgegeben wurde,
verdient er besondere Aufmerksamkeit, weil er ein H i n weis auf die Entstehungszeit dieser Anlagen gibt. In
einem Vergleich vom 12. Juli 1299 verzichtete Graf Heinrich von Neu-Veringen auf gewisse Abgaben zu Gunsten
des Klosters Mariaberg. Das Kloster verzichtete dafür
auf seine Rechte an den Wiesen und Äckern, die „begriffen
sind mit dem Weiher des Grafen zu Gammertingen".
Graf Heinrich hatte demnach vor 1299 einen Weiher angelegt und Grundstücke des Klosters mit einbezogen. Der
Weiher existierte 1450 nicht mehr. Wahrscheinlich war er
von Anfang an eine Fehlplanung. Durch seine Lage oberhalb der Stadtanlage von Gammertingen, konnte er bei
Hochwasser jederzeit eine Katastrophe auslösen. Spuren
dieses Weihers sind nicht mehr erhalten. Auch der Flurname Weiher geriet schon im 15. Jahrhundert in Vergessenheit.
In der Herrschaft Gammertingen-Hettingen lassen sich
urkundlich fünf Weiher nachweisen: Drei im Fehlatal
und zwei im Laucherttal. Der erste Weiher im Fehlatal
lag unterhalb der Burgen Lichtenstein bei N e u f r a (siehe
Bild Hohenz. Heimat 4/1970 S. 59). 1473 wird bei der
Verleihung des Lichtensteiner Lehens an Hans von Bubenhofen ein „Seelein unter Lichtenstein" genannt. 1550
heißt es dann in einer Güterbeschreibung: „an der Vehlen,
wo vor Jahren ein Weiher gewesen". Der Lage nach, muß
Wie schon erwähnt, sind die Staudämme auf Markung
Hettingen noch gut erhalten. Urkundlich läßt sich über ihr
93
Alter nichts nachweisen. Als die Herren von Bubenhofen
1468 d>e Herrschaft Gammertingen von Württemberg
kauften, wurde im Kaufbrief nur ein Weiher im Fehlatal
erwähnt. Den Bubenhofern mit ihrem Sinn f ü r wirtschaftliche D: ge, wäre der Ausbau der Hettinger Weiherwirtschaft durchaus zuzutrauen. Genauere Auskunft gibt nur
das Spethsche Lagerbuch von 1530. Hier ist die Rede
von dem großen und dem kleinen Weiher im Fehlatal
und dem H a u s dabei. Auch der Weiher im Laucherttal
wird genannt, mit einem Weiherhaus darin. In dem Wi I-l
herhaus bei Hettingen wurde sogar gelegentlich auf einem
Tragaltar die Messe gelesen, vielleicht dann, wenn er neu
besetzt war, um f ü r ein gutes Gedeihen der Fische zu
beten.
Weiherwärter voll ausgelastet waren. Die T erkörper
mußten herb gefahren, zerlegt und gemahlen werden.
Urkundlich ist über diese Dinge bisher nichts bekannt.
Auch über die Art der Fische wissen wir nichts. Immerhin
darf man annehmen, daß Hettingen damals schon ein
Mittelpunkt der Forellenzucht war. Auch m Oberschwäbischen Raum gab es um diese Zeit Fischteiche. Von dort
kamen wohl Fischarten, denen das Moorwasser mehr zusagte.
Eine weitere Frage ist, was mit den produzierten F chen
geschah. Für die ansässige Herrschaft war der natürliche
Fischbestand von Lauchert und Fehla mehr als ausreichend. Es muß sich demnach um ein echtes Wirtschafts-
Der kleine (obere) Staudamm im Fehlatal
Eigenartig ist, daß sich die Weiher im Fehlatal und im
Laucherttal deutlich im Profil unterscheiden. Die Dämme
im Fehlatal sind einfache, ziemlich steile Wälle, während
der Damm im Laucherttal offensichtlich von einem Fachmann gebaut wurde. Die Wasserseif.: ist ste.l, während
die Talseite flach ausläuft. So wurde dem Wasserdruck
ein großer Widerstand geboten. Am Durchlaß des Flußbettes war vermutlich eine Konstruktion aus Holzbalken
angebracht, welche ein Fischgatter enthielt und die dazu
eingerichtet war, den Wasserstand zu regeln. Die Existenz
von Weiherhausern spricht dafür, daß d i : Weiher von
hauptberuflichen Wärtern betreut wurden. Zur Besetzung der WeiHPr war naturlich eine große Menge von
Jungl ;chen notwenoig. Es ist daner anzunenmen, daß
die Weiherwärter auch c S Anzucht von Fischbrut betrieben. Kritisch 'st die Frage der Fütterung, denn der Betrieb konnte nur rentabel sein, wenn genügend pre' swertes Futter zur Verfügung stand. Vermutlich wurden
Kadaver von Pferden und anderen Tieren, die f ü r den
menschlichen Genuß nicht brauchbar waren, zu Fischfutter
verarbeitet. Auch das war eine Tätigkeit, mit der die
94
unternehmen gehandelt haben, Hauptabnehmer dürften
die Klöster gewesen se.n. Bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts durften in den Klöstern nur Kranke und Schwache Fleisch essen. Der Bedarf an Fischen war daher das
ganze Jahr über sehr groß. Die großen Klöster wie Zwiefalten hatten ihre eigenen Fischzuchten. Es gab aber noch
eine große Anzahl kleinerer Klöster, vor allem in den
Städten, die Fische kaufen mußten. Den Transport müssen
wir uns so vorstellen, wie im 19. Jahrhundert Hettinger
Forellen nach Baden-Baden transportiert wurden. Auf
den Fiscnwagen standen große Bottiche, die mi den Fischen und einer entsprechenden Menge Wasser gefüllt
waren. An jedem Bottich stand ein Fischerknecht, der mit
einem Ruder s t ä n c ; rünrte, damit die Fische genügend
Sauerstoff bekamen. Mußte unterwegs übernachtet werden, dann wurde die ganze Ladung in einen Dorfbrunnen
gefüllt. So konnten auch weiter entfernte Kunden mit
frischem Fisch beliefert werden.
Diese blühende Teichwirtschaft hörte um die Mitte des
16. Jahrhunderts auf. Zeifi'ch fällt dies so mit der Auf-
hebung des Fleischverbotes in den Klöstern zusammen,
daß man ohne weiteres einen Zusammenhang annehmen
darf. Obwohl die alten Fischweiher in Vergessenheit gerieten, lebte die uralte Fischereitradition in Hettingen
fort. Heute gibt es um Hettingen wieder drei neuzeitliche
Fischzuchtanstalten. Eine von ihnen wurde erst vor zwei
Jahren in Anlehnung an den mittelalterlichen Weiher im
Laucherttal gebaut. Wer weiß heute noch davon, daß vor
mehr als 700 Jahren die Grafen von Veringen die ersten
Forellenzüchter im Laucherttal waren?
Großer Staudamm im Fehlatal. Nach Xu ks reichte er bis in den Wald.
95
Pfeffer hieß nicht nur das bekannte Gewürz „piper" aus
Übersee (Indien) oder der Spanische Pfeffer (capsicum
oder Paprika), sondern auch die Pfefferwurf (pimpinella,
Bibernelle), das Pfefferkraut (lepidium latifolium), ehemals häufig der scharf schmeckenden Blätter wegen in den
Gärten gezogen und Ormeleute-Pfeffer genannt. Auch das
Bohnenkraut (satureja hortensis) und der Scharfe Mauerpfeffer (secum acre) sind hier zu nennen. Davon ist jedoch
in alten Berichten oder Urkunden kaum zu trennen das
mit solchen starken Gewürzen eingemachte Wildpret von
Gans, Hase, Reh, Hirsch, das einfach als „Pfeffer"
erscheint. Bei der Kapitelsmahlzeit des Dekanats Hechingen vom Jahre 1294 ist bestimmt: Der Wüstenmüller zu
Hechingen muß u. a. herrichten: „einen wohlgemachten
kernengroßen Fisch in einem Pfeffer, das ist Sulzfisch".
Beim zweiten Mahl um Pelagiustag (28. August) dann
„Brühe mit gepfeffertem Fleisch" usw. (Mitt. H o h z . 20,
125 f).
Im Kloster Heiligkreuztal hatte man 1540 eine verzinnte
Pfefferpfanne, d. h. einen Seiher f ü r Pfefferbrühe. Die
Zimmerische Chronik von 1566 schreibt an einer Stelle
(4, 224): „Der Pfeffer war versalzen", also das Wildpret.
Das Kl. Salem gab 1310 dem Kloster Buchau aus 8 J.
Acker in Altheim V2 P f u n d Pfeffer. Konrad von Membertshofen zu Andelfingen versprach 1405 dem Kl. HeiligKreuztal neben der üblichen Lehengilt f ü r ein Gut auch
Grangärten gibt es in Heiligenzimmern und Gruol. An
ersterem O r t sind es Hausgärten von 2 - 5 Ar, die früher
als Krautgärten gehackt, nicht gepflügt wurden, heute
aber Grünfutter liefern. Sie liegen etwa 600 m vom alten
Dorfkern entfernt. In Gruol findet man schon im J. 1580
und 1600 in der Gemeindeordnung Gran-, Grann-, Krangärten, die zu den Häusern gehörten und sich mit ihnen
vererbten, aber bei Aufgabe eines Hauses an die Gemeinde
zurückfielen, die sie dann neu verlieh. Um 1600 heißt es,
die Gemeinde könne die alten Granngärten um 1 V ? Gulden zurückfordern und dann f ü r 2 Gulden an Einwohner verleihen. Somit scheinen die Grangärten eine Art
Almende darzustellen. Aber woher kommt der merkwür-
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerisdien
Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
748 Sigmaringen, Karlstraße 3. Drude: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG, 748 Sigmaringen,
Karlstraße 10.
Die Zeitschrift , H o h e r zollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern mit
der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht Devorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 2,00 U M halbjährlich
96
noch der Äbtissin f ü r Schutz und Schirm jährlich auf Michaelis ein P f u n d guten Pfeffers (Wildpret?). Die Taferne
oder Schildwirtschaf!: zu Ertingen giltete 1366 jährlich
4 Pfd. Heller und ein P f u n d Pfeffer (Hasenbraten?) an
den Herrn. Laut Bickelspergs zollerischem Lagerbuch von
1435 bezog die Herrschaft Zollern aus einem Weingarten
zu Eßlingen 1 P f u n d Pfeffer (Hasenragout?), zu Fellbach
2OV2 Imi Weingilt und aus 3A Morgen Weinberg ein Vierdung eines Pfundes Pfeffer (also V4 Pfund). Vielleicht
handelte es sich ebenfalls um Ragout, denn gerade in
Weinbergen halten sich Hasen mit Vorliebe auf! Zu Starzein gab damals der Schlecht ebensoviel Pfeffer aus einem
Acker, falls er nicht brach liegt, und zu Killer gab der
Cuontzer 12 Schilling, ein P f u n d Pfeffer und 2 Hühner.
(In beiden Orten bestand, wenigstens östlich der Starzel,
Freibirschgebiet, also die Möglichkeit Hasenbraten zu bekommen.) Hans Eschinger von Frommern lieferte damals
an Zollern jährlich 1 P f u n d Pfeffer. Aus Ludwig Pfefferlins Holz (Wald) an der Hechinger Grenze gegen den
Tanbach (Freibirschgebiet gegen Mössingen!) ging ebenfalls ein P f u n d Pfeffer (Hasenbraten? Oder war Ludwig
etwa Kaufmann, der nach seiner Ware den N a m e n Pfefferli bekommen hatte?) W a r dem Inhaber eines Äckerles
oder eines Waldstücks zuzumuten, den sehr teuren ausländischen Pfeffer (piper) aus Ubersee zu besorgen und abzuliefern? Man denkt doch eher an Erträgnisse dieser Grundstücke!
Krs.
dige Name? Fischers Schwäbisches Wörterbuch bringt
nichts dazu. Michel Buck erwähnt das alte Wort grange,
das Scheuer oder Wirtschaftshof bedeutete. Ob die Grangärten darauf zurückgingen? Das mittelhochdeutsche Wort
grand = groß scheint wegen der Kleinheit der Gärten
auszuscheiden. Man redet von einem „Gran-Simpel". Das
alte Wort Krage = Hacke will wegen des nasalierten a in
Gran n—nt passen. In Würzburg gibt es laut Mitteilung
des Stadtarchivs einen Granbühl oder Grombühl, der
früher Kranbühl hieß und als „Krähenbühl l t erklärt wird.
B' ihm stand ehemals der Galgen. Auch Buck erwähnt
K r a n in der Bedeutung Krähen, Saatkrähen, d ; wir heute
Krappen nennen.
Kraus
Konten der „Hohenzollerisdien Heimat":
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
Die Mitarbeiter
dieser
Nummer:
Oscar Heck, Hauptkonservator
i. R.
Landeskonservator der Hohenz. Lande,
Hechingen
Manfred Hermann,
Neufra, Pfarrhaus
Redaktiunsausschuß:
Hubert Deck, Konrektor
745 Hechingen, Tübinger Straße 28
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Walther Frick, Journalist
748 Sigmaringen, Hohe Tannen
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Pfarrverweser
Johann Adam
Kraus
Pfarrer und Erzbisch. Archivar i. R.
78 Freiburg- Littenweiler, Badstraße 2
Walther Frick, journaiist
748 Sigmaringen, Hohe Tannen
Die mit Namen versehenen Artikel geben die
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Dr. med. Herbert Burkarth
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Heimat" weiter zu empfehlen.
4P 3828 F
H Ö H ENZOLLERISCHE
HEIMAT
Herauogcgeben o o m
21. Jahrgang 1971
u n ö Sigmaringen
Nr. 3
Hohenzollerifchen Gefchichteoerein
in Verbinöung mit Den
Staatlichen Schulämtern Hechingen
SIEGFRIED K R E Z D O R N
Das Eigentum des Hauses Hohenzollern
am
Schloß Hohenentringen
Wer schon von Tübingen durchs liebliche Ammertal nach
Herrenberg gefahren ist, der hat sicherlich hoch über der
reizvollen Ortschaft Entringen auf einem bewaldeten Ausläufer des Schönbuchs die ehemalige Ganerbenburg H o henentringen erschaut. Dieses gut erhaltene Schloß, in
welchem eine Schankwirtschaft betrieben wird, ist ein beliebtes Ausflugsziel. Zur geschieht1 chen Orientierung ist
kürzlich eine Broschüre erschienen, die über die Baugeschichte und über das Leben seiner einstigen Bewohner
Auskunft gibt. Dabei wurde aus Kostengründen ein Kapitel ausgespart, das jedoch für die Geschichte Hohenzollerns nicht uninteressant ist.
Die Zollergrafen waren nämlich - wohl durch Frauenversippung mit den ehemaligen Ortsherren von Entringen - schon um 1100 Miteigentümer des Ortes Entringen
geworden. Als Miteigentümer der Feste Hohenentringen
belehnten sie ihre Vasallen mit Teilen der Burg, so u. a.
die R ter von Stadion zu Stadion (Kr. Ehingen a. D.).
Hohenentringen, bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts
als Feste bezeichnet, war eine sogenannte Ganerbenburg,
d. h. sie gehörte lehensweise einer Gemeinschaft von erbberechtigten Familienangehörigen, zuerst den Rittern von
Hailfingen. Mit der Zeit erwarben durch Kauf oder im
Erbgang über Ehefrauen auch andere Geschlechter Teile
derselben. Als Eigentümer der Burg belehnten Grafen zu
Eberstein, Markgrafen von Baden, Pfalzgrafen von Tubingen, Grafen und Herzöge zu Württemberg sowie Grafen und Fürsten zu Zollern ihre Vasallen mit Teilen derselben und verpflichteten sie somit zu Lehenstreue und
vasallischen Diensten.
97
Die Ritter von Stadion als zollerische
Vasallen
Die Ritter von Stadion wohnten im Gegensatz zu den
anderen Anteilseignern der Ganerbenburg nie auf Hohenentringen, obwohl sie 2 Anteile der ursprünglichen Feste
besaßen. Markgraf Jakob von Baden hatte seinen H o f meister H a n s von Stadion im Jahre 1444 mit einem Anteil
der Burg belehnt und ebenso 1455 Markgraf Karl von
Baden 4 Jahre später aber den Wilhelm von S t a d i o n 1
wozu der Bruder Burkard von Stadion sein Einverständnis erklärte. Kurz vor 1472 war jedoch dieser Burgteil in zollerisches Eigentum gekommen.
Mit einem anderen Teil der Burg hatte Zollern im Jahre
1444 vorgenannten Hans von Sta _"on 2 und 1459 dessen
Vetter Wilhelm von Stadion belehnt. Am 10. Januar 1472
bat Ritter Wilhelm von Stadion den Grafen Jos Niklas
zu Zoilern, ihn rr
vorgenannten Burganteiien zu belehnen 3. Als dessen Erbe reservierte sich am 20. Juli 1507
der Sohn Hans von Stadion bei Graf Eitelfriedrich zu
Zollern
Außer dem vorgenannten Anteil am Schloß
besaßen die Ri ter von Stadion auch die sogenannten
Stadionischen Gefälle zu Entringen als zollerisches Mannlehen. Zu diesen Gefällen gehörten die Einkommen aus
der Kelter a u f m Berg", die um 1700 unter Verwendung
älterer Bauteile ihr heutiges Aussehen bekam, und aus
2 Erbiehenhöfen. Ferner bezogen die Ritter von Stadion
verschiedene Gülten von einzelnen Grundstücken und sie
besaßen auch ein Drittel der Ortsherrschaft von Entringen,
die ein Vogt in ihrem Namen ausübte. Nach Ableben des
Hans von Sta< Ion empfingen am 22. Februar 1513 die
Vormünder der Witwe Magdalena geb. Marschallin von
Pappenheim und der Kinder H a n s Simon und H a n s Walter als Lebensträger (nämiich Konrad von Stadion, Jörg
von Rechberg, Uluch von Graffenegk, Lienhart Marschall
von Honenrichen) von Graf Franz zu Zollern einen T;il
am Schloß und Dorf Entringen als Mannlehen 3 . Am
5. Mai 1527 schwor H a n s Simon von Stadion als der
Ältere für sich und seinen Bruder den Vormündern des
Grafen Christoph Friedrich zu Hohenzollern (nämlich
Georg Trucnseß von Waldburg und Markgraf Phiiipp von
Baden) den Lehenseid für den F,mpfang eines Teiles am
Schloß und Dorf Entringen 8 . Aber die bf'den Brüder
hatten kein Interesse am Mitbesitz der Ganerbenburg.
Deshalb verkauften sie am 29. Oktober 1528 mit Genehmigung des Markgrafen Phiupp von Baden und des
Georg Truchseß von Waidburg (genannt der Bauernjörg,
der damals das Herzogtum Württemberg regierte, weil
Herzog Ulrich von Württemberg vertrieben war) als Vormünder des Grafen Christoph Friedrich zu Zollern dem
Sebast'an von Gült) ngen dem Älteren zu Pfäffingen für
200 fl ihren Teil am Burgstall und Schloß zu Entringen
mit allen Rechten, Freiheiten und Gerechtigkeiten, Trieb
und Tratt, Wunn und Wa. 1 und mit den Rechten im
Schönbuch, auch 43/4 Mannsmahd W, sen, einen Baumgarten unter des Wagners Scheuer, 12 Morgen Holz in
der „Buchhalden" und 20 leibeigene Leute in verschr denen Orten als zoiieri. :hes Manniehen 7.
Sodann bat H a n s Simon von Stadion am 24. Ma> 1539
den Grafen Joatf m zu Zollern, ihn mit etlichen Gefällen
und Einkommen zu Entringen, die ihm schon dessen Vater
Christoph Friedrich Graf zu Zollern auch als Lehensträger für seinen verstorbenen Bruder Hans Walter von
Stadion lehensweise überlassen habe, wieder als Mannlehen zu belehnen. Dabei handelte es sich off er chtlich
um d"~ vorerwähnten sogenannten Stadi mischen Gefälle.
Am 8 Januar 1541 reversierte sich aber H a n s Simon von
Stadion bei Graf Jos Niklas zu Zollern für den Empfang
eines Teiles am Schloß und Dorf Entringen, was nicht
zu verstehen ist, denn der Stadionische Ante.I am Schloß
98
war am 29. Oktober 1528 an Sebastian von Gültlingen
verkauft worden. Dagegen stellte Graf Jos Niklas zu
Zollern am 26. Juli 1557 f ü r Christoph von Honburg zu
Honburg nach Ableben des H a n s Simon von Stadion als
Lehensträger der hinterlassenen Söhne Konrad, H a n s
Christoph und Wolf Dietrich von Stadion einen Lehensbrief nur über das zollerische Lehen am Dorf Entringen
aus 8 . Am 3. Juni 1576 wünschte Eitel Friedr""'(i Graf zu
Zollern den Wolf Dietrich von Stad'on, auch als Lehensträger für die Brüder Konrad und Chr toph von Stadion,
damit zu belehnen. Aoer Wolf Dief ch von Stad' )n reversierte sich am 26. Januar 1579 beim Zollergrafen für den
Empfang des zollerischen Lehens am Schloß und Dorf
Entringen 9 . Am 6. Februar schrieb Wolf Dietrich von
Stadion dem Zollergrafen, daß im neuen Lehensbrief verschiedene Lehensstücke nicht inseriert seien, so auch der
Teil am Schloß Entringen, den er zusammen mit dem
von Gültlingen lehensweise besitze. Danach versprach Graf
Eitelfriedrich zu Zollern, n Protokoll nachsehen zu lassen
und wenn dort die Lehensstücke spei f lziert seien, es t eim
Text des Lehensbriefes zu belassen. Am 7. Februar 1584
erging seitens Zollern an Hans Simon von und zu Staaion
und ebenso an Peter von Gült. : ngen zu Berneck die Aufforderung, sich nach Hechingen zu „verfügen", um dort
ihre „Aufwartung" zu machen. Nach sehr heftigen Auseinandersetzungen mußte der von Stadion dabei auf die
Belehnung mit einem Teil des Schlosses Entringen verzichten. Am 1. Juli 1605 erbat Wolf Dietrich von Stadion
vom Grafen Johann Georg zu Hohenzollern auf Ableben
des Grafen Eiteifriedrich zu Hohenzollern einen Lehensbrief für .e von Zollern herrührenden und von ihm und
seinem Bruder Konrad von Stadion ererbten Lehensgüter zu Entringen als Mannlehen. Einer Einladung zum
Lehensempfang am 28. Dezember 1608 nach Hechingen
wollte Wolf L' etr'Ch von Stadion aber wegen hohen
Alters und „Unvermüglichkeit" seines „Leibs" nicht nachkommen und bat deshalb den Zollerngrafen devot um
Entschuldigung. Aber der Zollerngraf verlangte - sicher
mit Grund - sein persönliches Erscheinen und benannte
den Sonntag Exaud. 1609 als neuen Termin. Wolf Dietrich
von Stadion weigerte sich aber wiederum aus vorgenannten Gründen, in die Zollernresidenz zu reisen, um das
Lehen „underthenig" in Empfang zu nehmen. Damit jedoch dem „gned..gen Herrn dessen ungeacht alle schul.iige
Gehorsame gelaist werde", erteilte er seinem Sohn H a n s
Jakob von Stadion d' „Gewalt und Macht", der „gebührenden Lehenpflicht" nachzukommen. Am 2. Juni 1609
unterschrieb Hans Jakob von Stadion einen Lehensrevers,
in welchem er wieder den Empfang von zollerischen Lehen
am Schloß und Dorf Entringen bestätigte 1 0 . Der Stadionische Vogt Johann Christoph Buocher bat hierauf in
einem Schreiben vom 11. August 1609 die zollerischen
Amtleute, für Johann Jakob von Stadion einen neuen
Lehensbrief auszustellen. Darin möge das Schloß Entringen „nit mehr" angeführt werden, weil die Voreltern des
Leheninhabers „gemeits Schloß vil Jahr hero nit" mehr
besitzen, „sonder solches die von Gültlingen". Am 25. J a nuar 1612 teilte H a n s Jakob von Stadion dem Grafen
Georg zu Hohenzollern mit, daß sein Vater am 21. Juli
1611 gestorben sei und er bei der brüdenichen Erbtcilung
das hohenzollerische Lehen zu Entringen bekommen habe.
Ei bitte deshalb um einen Termin zum Lehensempfang.
Aber erst am 15. September 1618 stellte er dem Grafen
Johann Georg zu Hohenzollern ;men Lehensrevers für
sich und als Lehensträger f ü r seinen Bruder H a n s Simon
aus und zwar wieder für den Empfang des hohenzollerischen Teiles am Schioß und Dorf Entringen .
interessant ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben des
Eitel Ludwig von Stadion vom 27. Mai 1639 an d'-; zol-
krischen Amtleute in Hechingen. Weil sein Vetter Wolf
Wilhelm von Stadion „dermalen der Ältere von Stadion
und Lehensträger" die teils von Zollern und teils von
Haus Württemberg „an dem Schloß und Dorf Entringen
herrierende Mannßlehen und Zuegehörden vermög
Lehensbrüefs in Anno 1637 gepierendermaßen requirirt"
und aber „darauf volgend negstabgeloffnen 1638 Jahrs
den 3. December auch auß disem zergengglichen Leben
abgeschaiden", seien ihm und seinem noch minderjährigen
ten Soldaten alle Dokumente. Nach dem Kriege sei er vor
einem jämmerlichen Ruin gestanden. Alle seine Beamten
hätten sich „verlaufen" und es seien Jahre nötig gewesen,
um alles wieder in Ordnung zu bringen. Die Requisition
des Lehens Entringen habe er wahrlich „nit aus bösem
Vorsatz unterlassen" und deshalb „lebe er der tröstlichen
Zueversicht", daß er wieder damit belehnt werde. In
einem Schreiben vom 6. Mai 1662 bat er den Fürsten
Philipp Christoph Friedrich zu Hohenzollern nochmals
Herrschaftsstuhl in der Kirche von Entringen
Vetter Hans Wolf von Stadion „angeregte Lehen, Stuck
und Güoter" zu Entringen „erblichen erwachsen" und er
bitte deshalb „bis zur könftiger würklicher Belehnung
diser" seiner „beschehenen Requisition gläublichen Schein
erthaylen und volgen zu laßen".
Damals mußte die Bevölkerung unserer schwäbischen Heimat die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges erdulden.
Württembergische und schwedische Soldateska hatten die
Herrschaft Zollern besetzt, was zwangsläufig zur Lähmung der dortigen Verwaltung führte.
Am 27. Oktober 1659 teilte Ludwig von Stadion dem
Fürsten zu Hohenzollern mit, daß er als Erbe seines Vaters Hans Jakob von Stadion einen Teil am Schloß und
Dorf Entringen lehensweise besitze. Weil am zollerischen
„Lehenhof allerhand Veränderungen" eingetreten seien,
habe er bis heute ein Ersuchen um Belehnung „verabsäumt". Schon vor einem Jahr habe er sich nach der
„Lehensbeschaffenheit" erkundigt und dabei feststellen
müssen, „daß bei dem vorgewesenen leidigen Krieg die
Kelter übel zergangen" und Soldaten alles Geschirr zertrümmerten. Zollern erklärte aber nun das Lehen zu
Entringen als verwirkt. Darob war Eitel Ludwig von
Stadion bestürzt. Von seinem Vater sei das Lehensrecht
zu Entringen stets angemeldet worden, aber leider könne
er die entsprechenden Dokumente nicht mehr finden. Im
„vorgewesenen Krieg" habe nämlich der Feind seinen
Vater im Schloß Stadion „unversehens überfallen und gefangen gehalten" und erst gegen eine Ranzion wieder
freigelassen. Sein Vater habe sodann an einem andern
O r t Sicherheit gesucht und auch er habe sich „außer H a u s "
aufgehalten und in aller Armut geiebt. In jener Zeit raub-
um Belehnung mit einem Teil des Schlosses und Dorfes
Entringen als Mannlehen und am 20. Mai 1662 besiegelte
er den entsprechenden Lehensrevers 12 .
Am 9. Mai 1671 kondolierte Eitel Ludwig von Stadion
zum Tode des Fürsten und requirierte gleichzeitig das
Entringer Lehen. Die Ladung zum üblichen Lehensempfang nach Hechingen ließ nicht lange auf sich warten.
Aber Eitel Ludwig von Stadion wollte mit Rücksicht auf
seine Gesundheit die beschwerliche Reise nach Hechingen
nicht ausführen und bat deshalb den Fürsten, es „nit zu
Ungnad aufzuenehmen", wenn er seinen Sohn Hans
Jakob dazu delegiere. Alsdann fertigte die zollerische
Kanzlei einen Lehensbrief in solenner Form aus und bekräftigte darin wiederum die Belehnung mit einem Teil
am Schloß und Dorf Entringen. Am 6. Oktober 1688
richtete Hans Jakob von Stadion an die Fürstin Maria
Sidonia zu Hohenzollern ein schriftliches Gesuch um Erneuerung des vorerwähnten Lehens. Aber erst am
24. April 1691 entsprach Friedrich Wilhelm Fürst zu H o henzollern dieser Bitte und überließ bei einem feierlichen
Investiturakt im Schloß zu Hechingen dem Josef Konrad
von Stadion, Sohn des inzwischen verstorbenen H a n s
Jakob von Stadion einen Teil am Schloß und Dorf Entringen wie immer als Mannlehen. Als Josef Konrad von
Stadion bald danach starb, fiel das Leben an Hohenzollern heim 13.
Am 11. Juli 1695 verkaufte aber Fürst Friedrich Wilhelm
zu Hohenzollern den sogenannten Stadionischen Teil am
Schloß und Dorf Entringen für 1450 fl an Georg Achatius
Mohr, Forstmeister und Oberwasservogt zu Freudenstadt.
Somit war der Käufer wunschgemäß Vasall des Hauses
99
Hohenzollern geworden. Als aber Mohr den käuflich erworbenen Anteil des Schlosses in Besitz nehmen wollte,
erhob der Eigentümer desselben - Johann Steeb, Gastgeber „zum goldenen Lamm" in Tübingen - Widerspruch
und beschwerte sich schriftlich bei Herzog Eberhard zu
Württemberg. Die Entscheidung des Herzogs ließ indessen
auf sich warten. Deshalb erklärte Steeb sich schließlich
bereit, sofern Dokumente erweisen, welcher Teil des
Schlosses zum Stadionischen Lehen gehöre, Möhrs Anspruch anzuerkennen. Danach ließen die zollerischen
Beamten die stadionischen Akten im Archiv ausheben und
übersandten dieselben zur Begutachtung und Urteilsfindung dem Obervogt in Tübingen 14.
Um die Angelegenheit aber endgültig zu bereinigen,
„restituierte" Zollern bald danach den von Mohr bezahlten Kaufpreis für den Anteil am Schloß. Gleichzeitig
bewilligte Zollern die Aliödifikation des sogenannten Stadionischen Gefälle in Entringen, worauf Mohr dieselben
dem württembergischen H a u p t m a n n Philipp Christian
von Pistorius von Reichenweiher in Poltingen veräußerte 15.
Neuneckwappen
in
Ellwangen
Wer die neu hergerichtete Bisilika zu Ellwangen besucht,
wird in der Vorhalle zweimal das Wappen der Herren
von Neuneck finden. Da sieht man den Grabstein einer
im Jahre 1473 verstorbenen Margaretha von Schwabsberg, geborener von Neueck. Der Stein zeigt die kniende
Frau, oben von zwei Engeln begleitet, unten rechts das
Wappen der Neuneck (Stern über Querbalken), links das
der Schwabsberger (rechts im Schild aufrechter Löwe, links
aufrechte Hirschstange, ähnlich wie die Stadt Gammertingen!). Schwabsberg ist ein Dorf in der Nähe von Ellwangen am alten Römerlimes. Die dortigen Herren waren
Ministerialen des Klosters Ellwangen, das schon 764 gegründet wurde und 1470 zum weltlichen Chorherrenstift
wurde. Laut Lodiers Neuneck-Regesten (Mit. Hohz. 13,
77 zum Jahr 1445) war obige Margaretha die Tochter des
Albrecht von Neuncck und seiner Frau Truchsessin Adelheid von Höfingen. Ferner findet sich das Wappen Neuneck am Grabstein eines Albrecht von Schwabsberg daselbst,
offenbar eines Sohnes der Margaretha. Die Grabsteine
scheint Locher nicht gekannt zu haben.
J. Ad. Kraus
Pfyffers
Gütlein zu Vilsingen
1436
Im fürstlich hohenzollerischen Archiv zu Sigmaringen
liegt eine Beschreibung des Pfyffers Guts zu Vilsingen
(wie der Ort damals hieß) vom 26. Juni 1436. Das Gut
gehörte an den St. Nikolausaltar zu Laiz. Wir entnehmen daraus einige auffallende Stellen: Ein Garten unter
St. Urbans Haus stoßt an der von Salmansweyl (Salem!)
Güter. Eine Wiese am ßrüel heißt das Tafelwysli. Das
Schindelholz gen Menningen. 1 juchart unten an Butzach.
Unser Frowen B o i t i n am Weg gen Dietfurt. 1 J uf den
Marstecken am Wasser, anwandend uf den von Salmanswyler Acker. Zwai Hürstli liegen unter dem Bildlin. 1 J
vorm Regelsöw (-See!); Feld ob aem Ried, 1 Acker am
Welzbach, stoßt an Weg gen Dietfurt. V2 J unter Wylun
(heute „Weiler"!). P / 2 ' J stoßen an Benzenberg unter
Wylun, anwandent uf Salmanswyler Acker. 1 J unter
Wylun liegt an St. Gallen Acker, gat an den Weg zum
Wyger (Weiher). IV2 und 2 J uf Wylun (heute Weiler!).
IV2 J stoßen an die Aichgassen an St. Gallen Acker. V2 J,
ist ein Anwander uf Sunderhart an St. Gallen Acker und
anwandet daruf.
J. A. Kraus
100
Anmerkungen:
1
FAS D H 102, 5.
2
F A S H H 102, 24.
3
F A S H H 102, 26.
4
F A S H H 102, 30.
5
F A S H H 102, 31.
6 FAS H H 102, 32.
7
FAS H H 102, 33.
8
FAS H H 102, 34.
9
FAS D H 45, 34.
10
F A S D H 45, 36; die vidimierte Abschrift eines Lehensbriefes bestätigt, d a ß a m 2. J u n i 1609 H a n s J a k o b von Stadion als G e w a l t haber seines Vaters Wolf Dietrich von Stadion von Graf J o h a n n
Georg zu H o h e n z o l l e r n mit einem Teil am Schloß und Dorf
Entringen belehnt w u r d e F A S D H 45, 35.
11
FAS D H 45, 37.
12
FAS D H 45, 38 u n d 45, 345.
13
F A S D H 45, 32.
14
FAS D H 102, 13.
15
FAS D H 102, 12; Siegfried K r e z d o r n ; H o h e n e n t r i n g e n im Schönbuch und seine Vergangenheit. Biberach 1971.
Aus der Heimatliteratur
Albführer von Julius Wais, 2. Band, 13. Auflage 1971;
836 Seiten in Taschenformat, bearbeitet von (der Tochter)
Dr. rer. nat. Ruth Wais. Mit Ubersichtkarte und 15 f ü n f farbigen Kartenausschnitten 1:50 000 (Verlag des Schwäbischen Albvereins, Stuttgart, Hospitalstraße 21 B; 19.80
DM). Der mit ungemeinem Fleiß und bewundernswerter
Belesenheit geschaffene Band behandelt den mittleren Teil
der Schwäbischen Alb von der Achalm bis zum Bussen nach
Geologie, Landschaft, Kunst und Geschichte in Form von
Wandervorschlägen. Er enthält einfach alles, was interessiert von Urach an bis Münsingen, Munderkingen, Obermarchtal, Sigmaringen, Reutlingen bis Gammertingen.
Allerdings wird der größere Te" Hohenzollerns erst im
kommenden dritten Band enthalten sein. Hier aber finden wir die Gegend vom Schatzberg, Bingen (379), H o r n stein (382), Bittelschießer Täle (387), Sigmaringen (vorerst nur kurz), ule Herren von Lichtenstein (669 f), Bärenhöhle (701), die Hintere Burg an der Haid (713), H a i d kapelle (714), Holnstein mit Stetten (733), Hörschwag
(735), Gammertingen (746 nur kurz; so ist di in Hohenz.
Heimat 1960, 51 behandelte Burgstelle Husteneck nicht
berücksichtigt), die Haid (748;, Steinhilben (755) der
Augstberg mit seiner Aussicht besonders ebevoll (759 bis
769), Feldhausen (770), Trochtelfingen mit Geschichte der
Stadt und Herrschaft (772-804), Pfarrkirche daselbst
(805), Burg- und Erhartskapelle (810 f). Die erwähnte
Hintere Burg ist die einz • nachwei bare Burgstelle an der
Haid. N u r sie kommt als die alte „ Haideck" (713, 753)
in Frage (Hohenz. Heimat 1967, 20). Die Doppelburg
Lichtenstein bei N e u f r a zeigt bestimmt, wenn man den
Waldbestand wegdenkt, ebenso einen „lichten Stein", wie
der Felsen ob Hönau (669). Ein Irrtum dürfte sich S. 731
bei dem Namen Laudiert eingeschlichen haben. Er wird
m. W. von den Eingesessenen nicht gesprochen wie das
Wort „rauh", sondern wie blau, Rauch, Lauch und Frau,
worauf auch die alte Form Loucha (n Jit Lucha!) hinführt.
Man darf ruhig sagen: d; Landschaft und deren Entstehung, die Kunstwerke, Bauten und geschichtlichen Abläufe sind meisterhaft dargetan und mit vielen Quellenangaben unterbaut. Ein herrliches Werk, dem hoffentlich
bald der dr' te Band folgen kann!
J. A. Kraus
ALBERT S C H Ä F E R
Unser Heimatflüßchen Stunzach
Das Wort Stunzach gehört deutlich zu den prähistorischen
Namen. Es wird abgeleitet aus Stunt gleich Sumpf, Moder, was sehr wahrscheinlich aus dem indogermanischen
Tunt (Kot) entstanden ist. Das Wort Stunzach besagt
weiter, daß es sich um einen Wasserlauf, einen Bach handelt, der ständig Wasser führt.
Die Stunzach wurde früher im Volksmund die Stünz oder
auch der Stünzbach genannt. Ihre Entstehung verdankt
sie mehreren Quellästen. Die beiden Hauptquelläste sind
etwa 2,5 km südwestlich von Rosenfeld, und etwa 3 km
nördlich von Leidringen auf Leidringer Gemarkung. Alle
anderen Quelläste befinden sich im Raum RosenfeldLeidringen-Isingen. Der genannte Raum gehört zum
Landkreis Balingen und liegt rund 650 m hoch über dem
Meeresspiegel.
In östlicher Richtung verläßt die Stunzach ihre sprudelnden Quellen bis zur ehemaligen Bubenhofer Burg, 2,5 km
nordöstlich von Rosenfeld. Ab dieser Burg durchfließt
sie in faßt nördlicher Richtung das Bubenhofer Tal, das
Zimmener Tal bis zur Einmündung des Nebenbächleins
Gossenbach. Von da an nimmt s e ihren Lauf in östlicher
Richtung bis zur Einmündung des Talbachs, dann weiter in nordöstlicher Richtung bis zu ihrer Einmündung
in die Eyach. Mehrere Sumpfgebiete und Morderbereiche
im Raum Heiligenziinnern und Gruol mußten durchströmt werden. Langsam und schwierig zugleich mag sich
in grauei Vorzeit das Durchstoßen durch Keuper und
bunten Mergel vollzogen haben. Teile solcher Gesteinsarten sind stellenweise an den bewaldeten Höhen des
Stunzachtales zu sehen.
Durch felsiges Massiv mußte sich die Stunzach n ihrem
Unterlauf inren Weg bahnen. Die zu beiden Seiten einmündenden Nebenbächle'n haben dazu beigetragen, daß
die Stunzach zum größten Nebenfluß der Eyach wurde.
Die wasserreichsten Zuflüsse, sowie die Einmündungsstelle, an der sie sich mit der Stunzach vereinigen, sind
hier genannt' Sulzbach bei der Schmelzlesmühle, Sießenbach bei der ehemaligen Bubenhofer Burg, Weihertalbach
zwischen Fischermühle und Pelzmühle, Grünbach beim
Gasthaus zur Stunzach (Trick), Kirnbach süd'ich, und
Rohrbach nördi.ch vom Fabrikle, Weiherbach bei Heiligenzimmern (er ist seit dem Jahr 1970 in seinem Unterlauf emgedohlt), Gossenbach, der aus dem Raum des ehemaligen Klosters Bernstein kommt und im Tal an der
Gemarkungsgrenze Hei' genzimmern-Gruol einmündet,
Mistelwiesengrabenbach, welcher aus dem Gelände des
ehemaligen Dominikanerinnen-Klosters Kirchberg zufließt und westlich des I r edhofski/chleins bei Gruol einmündet. Als letzter sei der Talbach genannt, er ist das
nördlichste Nebenbächlein und vereinigt sich mit der
Stunzach bei der unteren Mühle von Gruol.
Die gesamte Länge der Stunzach von ihren Quellen Ks
zur Einmündung i die Eyach bei Stetten-Haigerloch, beläuft sich auf rund 16 km. Der Höhenunterschied beträgt
rund 200 m.
Durch kluge ^usnützung der Wasserkraft sind verhältnismäßig viele Getreide- und Sägmühlen durch oie Stunzach
betrieben worden. Die bekanntesten sind: Rieamühle,
Walkmühle, Schmelzlesmühle, Heiiigenmühle, Fischermühle, Pelzmühle, Binsdorfermühle auch Schneckenmühle
genannt (1904 wurde der Mahlbetrieb eingestellt und ein
Pumpwerk zur besseren Wasserversorgung für die Stadt
B' .sdorf eingerichtet), Vogel- oder Heldenmühie (wurde
1962 stillgelegt), Klostermühle Heiligenzimmern, obere
und untere Mühle in Gruol.
Doch nur einige der erwähnten Mühlen sind heute noch
im Betrieb. Sie sind auf neuzeitliches Mahlen umgestellt.
Einzelnen Mühlen sind moderne Sägewerke angegliedert
worden. Fischermühle und Sägewerk Rosenfeld, Klostermühle und Sägewerk Heiligenzimmern, obere und untere
Mühle in Gruol sind die bedeutendsten entlang der
Stunzach.
Hier darf ich bemerken, daß die Klostermühle Heiligenzimmern urkundlich erstmals im Jahr 1340 erwähnt
wurde. Sehr vieles hat sich allerdings im Lauf der Zeit
an der Mühle verändert.
Eine heute noch sehr gut erhaltene, prächtig getäfelte
Stube mit gebogener Holzdecke zeugt von der Würde der
Klostermühle Heiligenzimmern. Als einzige Mühle im
Stunzachtal steht s . seit 1939 unter Denkmalschutz.
Doch nicht mehr die Wasserkraft allein, sondern der
elektrische Strom ist heute Triebkraft der Mühlen und
Sägewerke. Nicht unerwähnt sei, daß die Stunzach zur
Energieversorgung der früheren Saline, dem jetzigen
Salzwerk Stetten bei Haigerloch beiträgt. Nördlich vom
Hospacher H o f , etwa 1400 m vor ihrer Einmündung in
die Eyach, wird das Wasser durch ein Wehr abgeleitet.
In einem 950 m langen, durch Muschelkalk gebrochenen
Stollen von 1,40 m Breite und 2,20 m H ö h e fließt das
Stunzachwasser zur Saline. Das Gefälle beträgt 13,5 m.
Der Stunzachstollen wurde in mühevoller Arbeit in den
Jahren 1861 bis 1864 gebaut.
In einem unterirdischen Kanal wird das Wasser der
Stunzach wieder zugeleitet. Zwischen der Eisenbahnbrücke
der Hohenzollerischen Landesbahn, welche über die
Stunzach führt, und der Straßenbrücke Haigerioch-GruolStetten, ergießt sich das Wasser w eder in die Stunzach.
So war neben den geologischen Verhältnissen auch die
Stunzach mit entscheidend, für den Bau der Saline auf
der Gemarkung Stetten bei Haigerloch in den Jahren
1852 bis 1856. Auch heute noch "ließt das Stunzachwasser
durch den Stunzachstollen, um zur Energieversorgung des
Salzwerks beizutragen.
Land- und Forstwirtschaft sowie größere und kleinere
Handwerksbeti ;be waren schon ..nmer Haupterwerbszweige im Stunzachtal. Auch Industriebetriebe haben sich
anges delt.
Dem fröhlichen Wanderer ist das anmutige, ruhige
Stunzachtal m ft seinen bewaldeten Höhen, auf denen
einstmals Burgeu und Klausen standen, schon immer ein
gern besuchtes Wanderziel gewesen. In warmen Jahreszeiten wird an bestimmteil Stellen der Stunzach gern ein
kühlendes Bad genommen.
Nicht nur Markungsgrenze zwischen dem Städtchen Biesdorf und Rosenfeld war die Stunzach, sondern sie bildete
auch Jahrhunderte lang Territoi ialesgrenze zwischen Württemberg und Österreich. Diese Grenze wurde durch den
Preßburger Frieden von 1805 aufgehoben.
Im allgemeinen läuft das Stunzachwasser rub'g und gemächlich in dem von ihr gebildeten Flußbett. Doch bei
längerer Regendauer, wolkenbruchartigen Regengüssen,
oder bei plötzlicher Schneeschmelze wird die Stunzach,
unterstützt von den vielen Nebenbächlein. zu einem hochwasserführenden, reißenden Fluß. Schnell tritt sie dann
über ihre zum Teil niedrigen Ufer und verwandelt große
101
Gebiete in Seen. Im Wald, an Äckern und Wiesen und
teilweise auch an Gebäuden entstehen dann große Schäden.
Ein eingemeißeltes Zeichen über die Höhe des Hochwassers ist am Spitzbogen-Tor zum Mahlgang der Klostermühle Heiligenzimmern heute noch zu sehen. An der
Sankt Wendelinskapelle zeichneten sich die Spuren des
Hochwassers deutlich an den durchnäßten Wänden ab.
Durch eine Markierungstafel am Holzschuppen der ehemaligen Schreinerei Daniel Kotz, war die Höhe des Hochwassers nebst Datum ersieht :h.
Somit ist es verständlich, daß von allen Bewohnern des
Stunzachtales ein ebenso dringender als auch alter Wunsch
besteht, die Hochwasserschäden durch eine Flußkorrektur
zu beseitigen. Leider ist die Erfüllung dieses Wunsches
immer wieder verzögert worden.
Die ersehnte Erfüllung brachten erst die Jahre 1965/66.
Nach lang-w erigen Verhandlungen ist es gelungen,
:
dazu erforderlichen Mittel von den zustäncigen Bundesund Landesbehörden für die Stunzach-Flußkorrektur bewilligt zu bekommen. Umgehend wurde dann im Jahr
1966 auf Gemarkung Groul und seit Herbst 1968 auf Gemarkung Heiligenzimmern begonnen, der Stunzach ein
neues, tieferes, den Verhältnissen angepaßtes Flußbett zu
geben.
Nach Durchführung der gesamten Stunzach-Flußkorrektur einschließlich ihrer Nebenbächle
werden die Überschwemmungen im Stunzachtal der Vergangenheit angehören. Munter, klar und friedlich plätschernd wird dann
das Wasser der Stunzach in ihrem neuen Flußbett dahinfließen können.
JOSEF M Ü H L E B A C H
Ettisweiler - Eine Schau auf die Geschichte des Dorfes
Einer wenn auch nur kurzen Darstellung der Geschichte
des Dorfes Ettisweiler im Kreis Sigmaringen stellt sich
zunächst die Frage, in welchen Z träum siedlungsgeschichtlich die Entstehung des Weilers zu datieren ist. Die
Antwort auf diese Frage gibt die Siedlungsforschung mit
der Feststellung, daß die Weiler-Orte im süddeutschen
Räume im Zuge einer fränkischen Siedlungswelle in der
Karolingerzeit etwa um < s Mitte des 8. Jahrhunderts
entstanden sind. Das romanische Wort wilare, das sich
später zu weiler entwickelte, bedeutet Platz um ein Landhaus, Platz zum Bau eines Landhauses, Gebäulichkeit in
der Umgebung einer V ila und schließlich die Hofanlage
selbst. Der Wortteil Ettis geht auf den Personennamen
Otilin zurück Es sei erinnert an die früheren Schreibweisen Othelinesuuilare, Othe..neswilair, Or nsweiler,
Oetinsweiler, Otenschweiler, Oitisw' air und Entenschweiler. Im frühen M .telalter, als sich in der Karolingerzeit die. Baare, H u n t a r e und Gaugrafschaften bildeten, hat Ettiswe er zu der in unserem Raum südlich
der Donau gelegenen Goldineshuntare gehört Später hieß
die Grafschaft Ratoldesbuch.
Der siedlungsgeschichtlichen Entwicklung voraus geht für
Ettisweiler eint in die romische Ze.t verweisende Straßenanlage. Die Straße von Hausen an Ettisweiler vorb i zur
Bittelschießer Mühie soll nach Zingier auf römischen Ursprung zurückgehen. Die Breill dieser Römerstraße betrug 3,50 Meter. Die römische Straße führte jedoch auf
der Westseite des Andelsbachtales vor Ettisweiler nicht
wie der heutige Weg den H a n g hinauf, sondern 1 ' blt s .1
unterhalb desselben, um dann hinter Ettisweiler in den
Weg zur Bittelschießer Mühle sinzumünden. Damit bestand von der Römerstraße Pfullendorf-Sigmaringen eine
Verbindung zur römischen Straße Wald-3ittelschießAblach-Laiz.
Die erste geschichtliche Erwähnung von Ettisweiler fällt
- nach Heinrich Löffler in seiner Arbeit „Die Weiler-Orte
in Oberschwaben", 1968 - ins Jahr 1094. H . Löffler bezieht seine Aufzeichnung zur Gründungsgeschichte des
Klosters St. Georgen im Schwarzwald, nach der die Freien
Albert und sein Bruder Eberhard von Nend. .igen am
17. Juni 1094 ihren ganzen Besitz in Othelinsuuilare dem
hl Georg übergeben, auf das Dorf E nsweiler bei Sig102
maringen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1231, nach der
Graf Gottfried von Sigmaringen die Übergabe eines Gutes
zu Boos mit der Pfarrkirche durch den Edlen Albert von
Bittelschieß und seine zwei Söhne an die Schwestern zu
Mengen beurkundet, nennt u. a. H . de Oitiswilair als
Zeuge
1243 wird in Salemer Akten ein Waltherus de
Oetenschweiler genannt. Nach einer Urkunde des Klosters
Salem vom 14. Mai 1263 genehmigt Graf Ulrich von Helfenstein die Schenkung eines Gutes zu Hausen a. A. durch
die Hailwig von Ettisweiler, seine H ö ' ge, an das Kloster
Salem. Am 1. Juli 1264 schenkt der Edle H u g o von Bittelschieß die H ilwig, Tochter des Walter von Ettisweiler,
dem Kloster Salem 2 . Am 29. November 1297 verkaufte
Haertnid dictus Fuhse de Oetinsweiler die ihm eigentümliche Wiese bei Hausen, der akker genannt, um 7 Pfund
Konstanzer Pfen- ige an das Kloster Salem 3. Graf Hugo
von Montfort, Herr zu Tettnang, eignet am 24. September
1306 finen Hof zu Oitisweiler und am 10. Februar 1314
einen Mayerhof zu Oitisweiler dem Heiliggeistspital zu
Pfullendorf
Seiu dieser Zeit bestehen vielfältige Beziehungen von Ettisweiler zum Spital und zur Reichsstadt
Pfullendorf bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Hierüber geben die von Dr. theol. Johannes Schupp in den
Hohenz. Jahresheften, 9. Band, Jahrgang 1941 bis 1949,
veröffentlichten Regesten aus Pfullendorfer Archiven Aufschluß.
Nach dem Habsburger Urbar von 1290 besaß die- Herrschaft ;>igmaringen die Gerichtsbarkeit über die Freien
Leute ennet des Ablach zu Hausen und 11 anderen Orten,
darunter auch in Ettisweiler. Bis 1460 waren die Ettisweiler durchweg Pfullendorfer Untertanen und als solche
ins Gericht nach Zell a. A. gegangen Durch Vertrag vom
23. Juni 1460 zwischen der Grafschaft Sigmaringen und
der Re"hsstadt Pfullendorf wurde das Niedergericnt in
Ettisweiler zugunsten von Sigmaringen geregelt m ' t der
Bestimmung, daß
e Pfullendorfer Untertanen in Ettisweiler nicht mehr belastet werden sollen als bisher 5 . Die
Herrschaft-(Grafen-)Rechte über Ettisw*" ler wechselten
mit den Inhabern der Herrschaft, seit 1460, dem Jahr der
Grafschaftserhebung, der Grafschaft Sigmaringen: um die
Mitte des 12. Jahrhunderts bis etwa 1240 treten die Grafen von Helfenstein in Erscheinung: 1241 erscheint ein
Graf Gebhard von Sigmaringen aus dem bayrischen Grafengeschlecht von Hirschberg. 1258 fiel die Herrschaft
Sigmaringen an die Helfensteinen zurück: 1272 bis 1290
wurden die Grafen von Montfort Herren von Sigmaringen. Ihnen folgten 1290 das Haus Österreich, 1325 Württemberg und 1399 Werdenberg. Im Jahre 1535 gingen die
Grafschaftsrechte als österreichisches Lehen an die Grafen
von Zollern-Sigmaringen über. Grundherr von Ettisweiler war jedoch die Stadt Pfullendorf, zu deren Amt Zell
das Dorf gehörte.
Am 16. April 1445 bestätigt Herzog Albrecht II von
Österreich dem Konvent zu Hedingen den Kirchensatz zu
Krauchenwies mit dem Zehnten daselbst und zu Ettisweiler, nachdem dem Kloster Hedingen durch eme Feuersbrunst wich ge Dokumente, darunter ein Dokument des
Herzogs Friedrich von Österreich über die Gerechtsame
des Klosters Hedingen zu Ettisweiler verloren hatte 6.
Auch das Kloster Wald hatte Berechtigungen in Ettiswi ler. Vom 15. Juli 1432 datiert ein Lehensbrief der Frau
Margaretha von R-';chach, Äbtissin des Gotteshauses
Wald, f ü r Konrad (Kunz) Siglin von Otterswang über
ein Gütlein zu Ettisweiler 7.
voller Mann gewesen zu sein, wird er doch im Jahre 1658
vom Spital wegen „ausgegossenen feurigen Reden" mit
3 fl gestraft 1 0 .
Schon am 18. Juni 1652 wurde in Ettisweiler die Zehntscheuer aufgerichtet. Allerdings muß schon vorher eine
Spitalscheuer vorhanden gewesen se
da in dieser nach
der Spitalrechnung um 1624 2250 Garben gedroschen
wurden lc .
Im Jahr 1628 hat im Raum um Pfullendorf die Pest zahlreiche Opfer gefordert. Das Pfullendorfer Totenbuch verzeichnet am 3. November 1628 als 302. Opfer der Pest
Theüß Bruckher von Oetenschweyler, vulgo genannt die
Schmuzbürstin lc .
In den großen Auswanderungszug nach Südosteuropa im
17. und 18. Jahrhundert war auch das kleine Dorf Ettisweiler einbezogen. Für Ettisweiler sind folgende Auswanderer nach Südosteuropa verzeichnet 1 1 : Chr.stian
Seeger aus Ettisweiler/Hausen a. A am 7. Dezember 1689,
Philipp Zipfel aus Ettisweiler/Mottscl 'sß am 7. Dezember 1689, Melchior Schneegans 1689/90 nach Ungarn,
Christina Rösch aus Ettisweiler/Hausen a. A, am 14. Juni
1690, Peter Stadler am 24. März 1744, Ida Wetz am
1. März 1768, Wendelin Wez, „wegen Teuerung und
N o t " , am 23. Februar 1771.
Am 20. Februar 1694 verkauften die Pröpstin Maria
Dorothea und der Konvent des Klosters Inzigkofen unter
Vorbehalt des Patronatsrechts und gegen eine jährliche
E :-t wirtschaftliche Entwicklung hat den Bauern in EttisGilt den Zehnten in der Pfarrei Zell, in Et 'sweiler, Mottw^.ler im 19. Jahrhundert wie andernorts die Ablösung
:
schieß und Schwäl shausen an die Reichsstadt Pfullendes Zehnten, die Umwandlung der Lehen in Eigentümer
dorf als Oberpfleger des Gotteshauses und des Heiliggeistund die Aufhebung der Sigmaringer Leibeigenschaft,
spitals zu P f u l l e n d o r f 8 .
letztere f ü r 10 Leibeigene, gebracht. Ettisweiler kann für
Diese Aufzeichnungen lassen erkennen, daß die Herrsich in Anspruch nehmen, daß es eine gesunde wirtschaftschaftsberechtigungen und auch <i>e Zehntverhältnisse der
liche Struktur aufweisen kann, eine Struktur, die auch der
Grund- und Leibherren in Eti i weiler teilweise undurchgemeindlichen Verwaltung zugute kommt.
sichtig sind. Für den Zehntbezug allein ergibt sich die
Kirchlich hat Ettiswi ^er bis 1822 zur Pfarrei Zell a. A.
Feststellung, daß der Zehnte - wenigstens vorübergehört. Die Zugehörigkeit zu Zell geht wohl schon auf
gehend - unter mehreren Zehntherren geteilt war, daß
die Zeit der ersten Besiedlung zurück, erfahren wir doch
also die eine Art des Zehnten dahin, die andere dorthin
aus der Siediungsforschung, daß Weiler-Orte gelegentlich
geliefert werden mußte. Auf eine Untersuchung und Erin der Nähe von Zell-Orten entstanden sind. Durch Dekret
arbeitung ( 5ser und der sonstigen Gerechtsame f ü r aas
Dorf Ettisweiler und seinen Einwohnern muß hier ver- des Bischöflichen Generalvicariats Konstanz vom 11. April
1822 ist Ettisweiler als Filialort der Pfarrei Hausen a. A.
zolltet werden; diese knappe Darstellung muß rieh auf
zugeteilt worden. Gleichzeitig ist der auf 38 bis 40 fl
die Herausstellung nur einiger wichtigen geschichtlichen
berechnete Kleinzehnte in Etlsweller auf d e Pfarrei
Angaben beschränken.
Hausen übergegangen. Das Dorf hatte damals 9 Familien.
Besonders bedeutsam f ü r die Geschichte des Dorfes EttisB;i
den Verhandlungen über die Zuteilung von Ettisweiweiler war der Dreißigjäf. ge Krieg. In den Drangsalen
ler nach Hausen hat Pfarrer Dannegger in Hausen gelund Schrecknissen des großen Krieges hatte Ettisw.nler
tend gemacht, „daß die E n z w e i l e r und Weihwanger ohneseine Einwohner verloren. Nach 1631 wurden die vier
dies beständig in die Kirche von Hausen gegangen
dem Heiliggeistspital Pfullendorf gehörenden Lehenhöfe
seien" 12. - Das Bruderschaftsbuch der Wallfahrtskirche
nach dessen Akten von Max Braunwarth, Christoph BernMaria Schray bei Pfullendorf nennt als Mitglieder der
hart, Hans Irmler und Jörg Groß bebaut. Kurz darauf
Bruderschaft
aus Ettisweiler die Familien Brucker, Knoll
begann auch hier die N o t des Krieges. Die alten Namen
13
verschwanden. Die Spitalrechnungen weisen f ü r mehrere und Wetz, zusammen 6 Personen (um 1748-1794) .
Im
Jahre
1879
ist
in
Etuswsiler
zum
größten
Teil
aus
Jahre keine Leistungen mehr auf. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg kamen - aus der Schweiz - wieder neue Stiftungsgeldern der Brüder Didakus, Johann Georg
(Hans-Jörg) und Josef Wetz mit 6000, 1000 und 1000
Ansiedler. Einer der ersten war der Stammvater der Familie Wetz. Bevor er < i -h niederließ, hatten ihm die Klo- Mark - zusammen 8000 Mark, zum kleinen Teil aus
Fronleistungen der Ettisweiler Bürger - eine Kapelle ersterfrauen von Wald ihren Hof zu Steckein angeboten.
Er zeigte aber keine Lust, sich durch Frauenhand regieren
richtet worden, i^e wurde zu Ehren der Schmerzhaften
zu lassen, und begab siJi unter die Herrschaft des Heuig- Muttergottes und des hl. Georg geweiht. Auf dem Altar
geistspitals Pfullendorf, das ihm und seinen drei Söhnen
stehen neben der Statue der Schmerzhaften Muttergottes
drei H ö f e zu Ettisweiler gegen drei Laibe Brot über- rechts und links Figuren des hl Georg und des hl. Josef.
ließ.
Man kann hier, wenn die Überlegung vielleicht auch
etwas gewagt ist, an eine sinnvolle Beziehung der SchenSo erzählten alte Dorfbewohner das Geschehen in jenen
schweren Zeiten, und es wird berichtet, daß Etf'sweiler
kung von Gütern in EiL.sweiier an den hl. Georg (das
früher in der Nachbarschaft ,.<.:e kleine Schweiz" genannt
Kloster St. Georgen im Schwarzwald) im 11. Jahrhundert
wurde und die Ettisweiler r .it dem Obernamen „Schwei- denken.
zer" geheißen wurden. Dieser Übername ist dem Dorf
Schulisch gehört Ettisweiler zur Nachbargemeinde Bittelgeblieben 9.
schieß, mit der es auch die Wasserversorgung gemeinsam
Hans Wetz, der erste Inhaber eines Lehens des Heilighat. Pfarrer Dr. Johannes Schupp seht sltrtj in seinem Werk
geistspitals Pfullendorf, scheint ein sehr temperament„Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" (1967), daß
103
vor Beginn des badischen Schulzwanges nach Rechnungen
des Heiliggeistspitals Pfullendorf f ü r eine Schule in Ettisweiler um 1723/25 vom Spital Leistungen in Naturalien
oder Geld erbracht wurden.
Ettisweiler liegt - in 620 Meter Höhe - links des Andelsbaches in seinem unteren Lauf unweit der Einmündung
des in Rothenlachen entspringenden Kehlbaches in den
Andelsbach. Das Dorf mit 70 Einwohnern und einer Gemarkungsfläche von 191 ha ist die zweitkleinste Gemeinde des Landkreises Sigmaringen. (Die kleinste Gemeinde des Kreises war bisher Rothenlachen. Sie wurde
zum 1. Juli 1971 nach Wald eingemeindet). Das Dorf,
dessen wirtschaftliche und gemeindliche Verhältnisse, wie
oben bemerkt wurde, geordnet und gesichert sind, wird im Zeichen der derzeitigen Verwaltungsreform - zum
1. Januar 1972 der Gemeinde Krauchenwies eingemeindet
werden, nachdem sich die Bürgerschaft in einer Abstimmung am 11. Juli 1971 mit starker Mehrheit für den Zusammenschluß der Gemeinde Ettisweiler mit Krauchenwies ausgesprochen hat.
Anmerkungen:
1
Württembergisches Urkundenbuch Bd. 4 S. 410.
2
Sal. Urkundenbuch Bd. 1, N r . 383 u. 394.
3
Sal. Urkundenbuch Bd. 2, N r . 978.
4
D r . Johannes Schupp, Hohenzollerische Regesten aus den P f u l l e n d o r f e r Archiven, Hohenzollerisdies J a h r e s h e f t 9 Bd., Seite 39,
N r . 107 und 108.
F. Fürstenb. Urkundenbuch 6. Bd., N r . 266.
5
6
7
F. H o h e n z . H a u s - u n d Domänenarchiv Sigmaringen. G r a f s c h a f t
Sigmaringen Bd. I I I , R u b r i k 78, N r . 400.
Desgl. Bd. I , R u b r i k 45, N r . 46 und 47.
8 Desgl. Bd. I I , R u b r i k 149, N r . 20.
9
„Hohenzollerische H e i m a t " 1961, N r . 3, S. 33.
10
D r . Johannes Schupp.
N r . 141, 142 und 136.
11
W e r n e r Hacker. A u s w a n d e r u n g aus dem R a u m der späteren
H o h e n z . Lande nach Südosteuropa im 17. u n d 18. J a h r h u n d e r t .
Zeitschrift f ü r Hohenzollerische Geschichte. 1969.
Hohenzollerische
Regesten
(wie N r .
4),
12
Staatsarchiv Sigmaringen. A k t e n I I 6909, I I 6910 u. I I 6926.
13
D r . Johannes Schupp. Kulturchronik der Wallfahrtskirche M a r i a
Schray. 1952, S. 135.
KARL WALDENSPUL
Steinkohle in unserer Heimat ?
Vorbemerkung:
In der „Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte",
Jahrgang 1968, 4. Band, heißt es Seite 157:
„Eine in der zweiten H ä l f t e des vorigen Jahrhunderts
nahe Dettingen am Neckar (Kr. Hechingen) niedergebrachte Tiefbohrung erschloß zwar Steinkohle, jcdoch
nicht in bauwürdiger Menge. Die Bohrarbeiten wurden
deshalb nach längeren Unterbrechungen Ende 1889 in
einer „Teufe" von 704 m eingestellt."
In diesen Sätzen ist eine Reihe nicht zutreffender Angaben und Feststellungen enthalten.
*
Am 26. August 1844 wurde in Stuttgart der „Verein für
vaterländische N a t u r k u n d e in Württemberg" gegründet.
Er wandet sich vor allem an „solche Mäaner, welche durch
Beruf, Neigung und Liebhaberei" oder durch ihren Aufenthalt an besonders interessanten Orten „vorzugsweise
zur Mitwirkung berufen" waren. Hauptzweck war neben
der Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Erkenntn.- >e die „Erforschung der natürlichen Verhältnisse des
Vaterlands" Cd. h. Württembergs). Von der naturwissenschafr chen Erforschung erhoffte man zugleich Flinweise
für die wirtschaftlichen Förderungsmöglichkeiten des Landes. Schon bei der ersten Jahresversammlung des Vereins
1845 in Stuttgart reier irte der Tübinger Professor F. A.
Quenstedt über „die H o f f n u n g auf Kohien in Württemberg". Natürlich konnte der damals erst sechsundreißigjährige Gelehrte, der noch nicht einmal ein ganzes Jahrzehnt in Württemberg wirkte, keine absolute Voraussage machen. Dennoch wagte er die Behauptung, man
könne 10 gegen 1 darauf setzen, in der Tiefe des Neckarbeckens Steinkohle zu finden. Schon in einer Tiefe von
etwa 250 m sei em erster Aufschluß über die Kohlenvorkommen zu erhalten. Bedenken wegen der Tiefe des Bohr104
lochs zerstreute er mit dem Hinweis, daß in England viele
Schächte über 450 m hinunterreichten und ein Schacht bei
St. Andreas im H a r z bereits rund 750 m tief sei.
Die Argumentation Quenstedts gründete sich auf die Erkenntnis, daß Kohle nur dort entstehen konnte-, wo gewaltige Pflanzenmassen in sinkenden Becken abgelagert
und dann rasch von Wasser bedeckt werden; bei weitgehendem Sauerstoflabschluß vertorft und verkohlt das
angesammelte Pflanzenmaterial. Diese Bedingungen seien
in dem großen Becken zwischen Schwä ischer und Fränkischer Alb einerseits und Schwarzwald, Odenwald und
Spessart andererseits gegeben. Da am westlichen und
nördlichen Rande dieses Sektors überall Anzeichen von
Kohlevorkommen seien, so „wäre es wider alle Analogien, wenn die Steinkohlenformation weiter einwärts im
Becken des Neckars fehlen sollte. Sie wird nicht nur vorhanden ,sondern wahrsche il'ch stärker sein."
Fast leidenschaftlich forderte er dann Bohrungen; nicht
zuletzt auch aus wissenschaftlichen Gründen: „Wir kennen n unserem Stufenlande die Formation nicht eher, als
bis durch eine Reihe zusammenhängender, irr.;, wissenschaftlicher Umsicht in der Tiefe des Bodens angestellter
Versuche tatsächlich dargetan ist, was wir haben und was
uns f e h l t . . . Es ist dies der Fundamentalversuch, von dem
alles weitere Suchen abhängt, und jedes Zögern ist ein
Versäumnis, das sich straft!"
Die Versammlung nahm aiese Ausführungen mit außerordentl hem Interesse auf; der energische Widerspruch
von Professor Dr. Kurr drang nicht durch. Nach der Einführung der Dapfmaschinen und dem Bau verschiedener
Eisenbahnlinien war Kohle unerläßlich geworden, wenn
Handel und Industrie im Lande weiter gefördert werden sollten. Dazu herrschte allenthalben Besorgnis, durch
den steigenden Verbrauch an Brennmaterialien die Wälder
vorze' r ig abholzen zu müssen.
Quenstedts
Vorschlag: Bohrungen hei
Dettingen
Für die Bestimmung der Bohrpunkte nannte Quenstedt
zwei Gesichtspunkte: Einmal sollte der Bohrpunkt genügend vom Schwarzwald entfernt sein, da mit zunehmender Beckentiefe auch mächtigere Kohlenschichten vermutet wurden. Zum andern sollte aus wirtschaftlichen
und technischen Gründen dort angesetzt werden, wo tiefergelegene geologische Schichten zum Vorschein kamen.
Besonders geeignet dafür hielt er den Taleinschnitt bei
Dettingen, wo „der Neckar auf einer einzigen kleinen
Stelle mitten in der mächtigen Muschelkalkformatin den
roten Sandstein bespült". Tatsächlich liegt etwa an der
Stelle, an der der Neckar sich nach Ostnordost wendet
und von Westen her der Dießener Bach einmündet, der
geologisch tiefste Punkt des ganzen württembergischen
Neckartales. Hier konnte der Bohrer unmittelbar im
Buntsandstein angesetzt werden, ohne zusätzlich den Muschelkalk durchbrechen zu müssen.
Leider aber lag die von Quenstedt als besonders aussichtsreich bezeichnete Stelle außerhalb des württembergischen
Territoriums und schied deshalb für Württemberg aus. Es
wurde daher eine Sachverständigenkommission berufen,
die drei andere Vorschläge unterbreitete. Die Voraussagen
Quenstedts waren jedoch trot zder politischen Zerstückelung Deutschlands bis zu den maßgeblichen Persönlichkeiten in Berlin vorgedrungen. Während sich die Vorbereitungen der württembergischen Nachbarn immer weiter verzögerten, veranlaßte die preußische Regierung nach
der Übernahme der hohenzollerischen Fürstentümer im
Wissen um die politische und volkswirtschaftliche Bedeutung etwaiger Kohlenvorkommen eine nochmalige Überprüfung durch das zuständige Oberbergamt in Bonn. Wie
sehr dem preußischen Staat an der Erschließung der Bodenschätze in diesem südlichsten Landesteil gelegen war,
geht auch daraus hervor, daß fast gleichzeitig mit den
Steinsalzbohrungen in Stetten bti Haigerloch begonnen
worden war (7. 10. 1952), die sich ein halbes Jahr später
als fündig erwiesen. Die Berichte des damaligen Oberbergamts Achenbach, der 1857 die erste eingehende
„Geognostische Beschreibung der
Hohenzollerischen
Lande" veröffentlichte, f'tlen positiv aus. In einem ergänzenden Gutachten sprach .ich der Berggeschworene
Raiffeisen, < n Bruder des Begründers der Raiffeisen-Genossenschaften und damals Leiter der Saline in Stetten,
ebenfalls für den vorgesehenen Bohrpunkt aus. Allerdings
gab er im Gegensatz zu Quenstedt die vermutliche Obergrenze des Steinkohlengebirges mit etwa 470 m an.
Aufgrund dieser Gutachten erging am 22. 11. 1853 eine
königliche Kabnetsorder zum Beginn der Bohrungen in
Dettingen. Die hohenzollerischen Stände weigerten sich
) doch hartnäckig, Gelder zur Verfügung zu stellen Auch
der preußische Finanzmirister wünschte eine Verschiebung
auf 1855. Ein Dringlichkeitsantrag des Oberbergamts half
jedoch weiter: 1854 wurde Raiffeisen beauftragt, die Vorbereitungen für dir Bohrversuche zu treffen und dann die
Bohrung selbst zu überwachen.
1854: Beginn der
Bohrarbeiten
Jetzt wurde das Vorhaben energisch vorangetrieben. Die
erforderlichen Grundstucke wurden angekauft; um die
Bevölkerung über die Planungen im unklaren zu lassen,
geschah dies durch einen Mittelsmann. In aller ELe wurde
das Bohrturmgebäude errichtet, und schon am 15. Oktober 1854, dem Geburtstag Friedrich Wilhelms IV., er-
folgte, begleitet von den üblichen Feierlichkeiten und unter regster Anteilnahme der Bevölkerung der ganzen
Gegend, der erste Spatenstich für den Bohrschacht. Am
20. November konnte mit den Bohrungen selbst begonnen werden. Trotzdem nur mit Menschenkraft gebohrt
wurde, hatte der Meißel bis zum Jahresende eine Tiefe
von 110 m erreicht.
Das anstehende Gestein scheint in diesem ersten Jahr noch
keine Schwierigkeiten bereitet zu haben. Angesetzt wurde
das Bohrloch im Plattensandstein des oberen Buntsandsteins. Die hell- bis weinroten Plattensandsteine wurden
früher häufig als Werksteine abgebaut (Steinbruch in Dießen) und teilweise zu feinen Bildhauerarbeiten (Karlsbrücke in Stuttgart), dann aber vor allem für Bodenbeläge (Kirchentreppe in Dettlingen), Fenster- und Türrahmen, Garteneinfassungen, Marksteine und auch f ü r
Dachplatten verwendet. Die Plattensandsteine bilden Bodengrund und Talwände des Dießener Baches und reichen ein kurzes Stück neckarauf- und -abwärts über seine
Mündung hinaus. In der 8 m hohen Steilwand des
Neckars unweit der Mündung der Dießener Straße ist
diese Formation noch zu sehen; sonst ist sie meist durch
Gehängeschutt, Anschwemmungen und Tuffbildungen
verdeckt.
Auch anfängliche technische Unzulänglichkeiten konnten
bald behoben werden. Noch fehlte es den Bohrschmieden
an ausreichender Erfahrung in der H ä r t u n g der Bohrmeißel, Erst, als die Maschinenfabrik Reinau (DufnerGfrörer) < e Herstellung dieses wicht gen Teiles übernahm, ging die Arbeit zügiger voran. Ende März 1855
stand mit halbjäf "ger Verspätung endlich Wasserkraft
zum Bohren zur Verfügung. Zwar war die Wasserkraft
des Dießener Baches schon vor Beginn der Arbeiten aufgekauft worden; doch erst jetzt wurde der 5,7 km lange
besonders angelegte Flutgraben zwischen der unteren
Dießener Sägemühle und der „Radstube", die das Wasserrad und die Transmissionsvorrichtungen auf Bohrschwengel und Seilrolle enthielt, fertig.
Als das Jahr 1854 zu Ende ging, stand der Bohrer etwa
in der Mitte Hauptbuntstandsteins. Der Plattensandstein
(Mächtigkeit 29 m) und das Hauptkonglomerat (50 m)
waren durchstoßen. Man war dazu 31 m weit in den
Bausandstein vorgedrungen.
Es würde den Kähmen dieses Berichtes sprengen, nun im
einzelnen die geologischen Verhältnisse dazustellen und
den Fortgang der Bohrungen chronologisch zu schildern.
Die beigefügte tabellenartige Ubersicht mag diese Lücke
ausgle'Jien (Seite ???).
Zunehmende
Schwierigkeiten
Vei efen die Bohrungen anfangs im ganzen noch reibungslos, so stellen sich doch baid die ersten „Unfälle" ein. Am
harmlosesten noch war das gelegentliche Ausbleiben der
Wasserkraft. So fror in den kalten Dezembernächten des
Jahres 1855 das Aufschlagwasser ein. In der Trockenheit
des Sommers 1857 zapften die Dießener Bauern nachts
wiederholt den Wasserlauf zur Wiesenwässerung an, so
daß die K r a f t nicht mehr ausrechte. Ernster zu nehmen
waren jedoch die mit zunehmender Tiefe des Bohrlochs
sich rasch steigernden Schwierigkeiten:
Im Sommer 1855 traten m Eckschen Konglomerat die
ersten starken Nachfälle ein, die zu zeitraubendem Nachbohren und Auslöffeln zwangen. Im tieferen Rotliegenden 1 "uften sich die Nachstürze und waren nur noch mit
105
Mühe zu beseitigen. So hatte sich am 4. 4. 1856 beim Aufholen der Bohrer festgeklemmt. Es dauerte über einen
Monat, bis er wieder frei war. Im Herbst desselben Jahres
blieben durch einen Bruch über 300 m Seile im Bohrloch;
erst vier Wochen später konnten sie herausgeholt werden. Die technischen Vorrichtungen entsprachen nicht der
für die damaligen Verhältnisse beträchtlichen Tiefe. Wiederholt traten Gestängebrüche auf, zuletzt am 24. Oktober 1857 548 m unter der Erdoberfläche. Die Beseitigung des Schadens dauerte nahezu zehn Monate. Aber
kaum hatte man wieder mit den Bohrungen begonnen,
so ordnete das Oberbergamt deren vorläu' je Einstellung
an. Das Risiko war zu groß geworden. Bei weiteren Gestängebrüchen oder bei erneutem Festklemmen des Bohrers bestand die Gefahr, daß der Schaden n.cht mehr behoben werden konnte. Dies aber hätte die Aufgabe des
Bohrloches bedeutet. Inzwischen betrug die Tiefe 549,5 m.
In dieser prekären Situation halfen nur gründliche Ausbesserungen und Erneuerungen. Schon früher hatte Raiffeisen eine Verrohrung oder Auszementierung des Bohrlochs gefordert. Diese war damals im Prinzip bereits genehmigt, und nach einem Bericht des Hohenzollernschen
Wochen-Blattes sollen in Wasseralfingen die Rohre zur
Ausbüchsung des Schachtes schon hergestellt worden sein.
Wegen der Abnützung und der Brüchigkeit des Holzgestänges beantragte Raiffeisen zusätzlich Ersatz durch
eiserne Bohrstangen. In Anbetracht der neu entstehenden Kosten wollte das Oberbergamt vor einer Entscheidung h ^rüber erneut überprüfen, welche Erfolgsaussichten bei einer Fortsetzung der Bohrung bestanden.
1859 an - wahrscheinlich auch unter dem Eindruck der
Einwendungen von Fraas-, von weiteren Bohrungen und
der Verrohrung des Schachtes vorläufig abzusehen, Bohrloch, Baulichkeiten und Maschinen aber so instandzuhalten, daß die Arbeiten nach einer vorzunehmenden eingehenden geognostischen Untersuchung durch den Berghauptmann von Dechen jederzeit wieder aufgenommen
werden könnten.
Dabei blieb es. Von Dechen fand in den folgenden Jahren
keine Zeit. Inzwischen hatte Württemberg bei Dunningen
zu bohren begonnen. In 273 m Tiefe wurde dort das
Grundgebirge erreicht. In Berlin erwog man, die Dettinger Bohrung auf etwa 950 m voranzutreiben. Der Kostenvoranschlag belief sich hierfür auf 25 000 Taler. Als auch
eine Bohrung bei Oberndorf (1865-1875) wegen nicht zu
überwindender technischer Schwierigkeiten in 488 m Tiefe
aufgegeben werden mußte, wurden Gelände und Wasserk r a f t 1881 an die Gebrüder Otto und Hermann Steinhart
in Dettingen verkauft. Diese errichteten auf den neu erworbenen Grundstücken eine Schiefertafelfabrik, um der
einheimischen Bevölkerung eine weitere Verdienstmöglichkeit zu verschaffen. Die Stelle des Bohrlochs wird vom
heutigen Besitzer noch gerne gezeigt.
1888-1890 wurde noch einmal in Sulz zu Bohrungen angesetzt. In 901 m Tiefe stieß man auf das Grundgebirge.
Damit war erwiesen, daß Steinkohle in Württemberg
nicht vorhanden ist.
Bilanz
Meinungsverschiedenheiten
Zuerst sollte sich Raiffeisen zu den Chancen weiterer
Bohrungen äußern. Er hatte einst in seinem Voranschlag
die H o f f n u n g ausgesprochen, in 470 m Tiefe auf Kohle
zu stoßen. Obwohl die Bohrung nahezu 80 m tiefer stand,
zeigte der Aushub noch keinerlei Veränderungen. Die
süddeutschen Geologen Quenstedt und namentlich Fraas
bezweifelten die E rhtigkeu seines Berichtes, er habe bei
155 m das Rotliegende erreicht. Nirgendwo inSüddeutschland hatte man bisher eine solche Mächtigkeit des Rotliegenden festgestellt. Auch die Schramberger Bohrungen
(1834-1849) schienen seinen Ergebnissen zu widersprechen. Das Oberbergamt in Bonn wurde an den Berichten
Raiffeisens irre. Erst durch Beilage von Bohrproben aus
dem unteren Buntsandstein konnte er die Richtigkeit seiner Feststellungen beweisen. Spätere Bohrungen bei Sulz
(1888-1890) bestätigten die Richtigkeit seiner Darlegungen; dort war das Rotliegende beinahe 600 m mächtig.
Damit war der Bewe s erbracht, daß hier tatsächlich ein
gewaltiges, nach Norden tiefer werdendes Becken bestanden hatte, das noch im Erdaltertum mit dem Verwitterungsschutt des Variskischen Geb : "jes aufgefüllt worden
war. Theoretisch war damit die Möglichkeit der Steinkohienvorkommen bestätigt. Rai'feisen empfahl die Fortsetzung der Bohrungen.
bei der 1845 angeregten und 1854 begonnenen Tiefbohrung in Dettingen wurde eine Tiefe von 549,5 m erreicht.
Sie wurde im Rotliegenden ohne Resultat abgebrochen,
weil von schwäbischen Geologen die Richtigkeit der Deutungen der Bonrproben angezweifelt wurde. Erst die Ergebnisse benachbarter Bohrungen führten zu dem Schluß,
daß Steinkohlenlager nicht zu erwarten waren.
Insgesamt dauerten die Bohrarbeiten in Dettingen rund
47 Monate, die häufigen Unterbrechungen wegen technischer Störungen und Abfangen des Nachfalls m t eingerechnet. Die tägliche Bohrleistung (Tiefe: tatsächliche
Bohrtage) betrug durchschnittlich 0,55 m. Die Gesamtkosten des Bohrversuchs einschließlich der nachfolgenden
Unterhaltung beliefen sich auf 97 758 Mark; dies dürfte,
gemessen an den damaligen Preisen, einem jetzigen Betrag
von 300 000-400 000 D M entsprechen.
Quellen:
J a h r e s h e f t e des Vereins f ü r vaterländische N a t u r k u n d e in W ü r t t e m berg 1845, 1846, 1860, 1887.
W ü r t t . Jahrbuch f ü r Statistik und L a n d e s k u n d e 1912.
Erläuterungen zur Geologischen Spezialkarte des Königreichs W ü r t temberg, Blatt D o r n s t e t t e n / D e t t i n g e n 1912.
Zeitschrift für honenz. Geschichte 1968.
Das Oberbergamt machte sich diesen Vorschlag zu eigen.
Der Minister in Berlin ordnete jedoch unter dem 18. 11.
106
Hohenzollernsches Wochenblatt 1858, 1859
H o h e n z . H e i m a t . J a n . 1952, S. 1 - 2 .
LAMBERT H E C K
Rangendingen und der Bahnbau
Als es um den Ausbau weiterer Kleinbahnstrecken ging,
ist nach einem Pressebericht im „Zoller" vom Jahre 1903,
von einem Eisenbahnfieber, das besonders die Bevölkerung der Gemeinden erfaßte, die in den Genuß einer
Bahnverbindung auf der Strecke Stetten bei HaigerlochHeclJngen kommen wollten und sich dafür leidenschaftlich einsetzten, die Rede. Die Veröffentlichung eines Rechenschaftsberichtes vom Jahre 1901 über den Umfang
und die Rentabilität des Bahnverkehrs auf den bereits
eröffneten Teilstrecken, sollte das Eisenbahnfieber etwas
abkühlen. Darin heißt es: „Die Jahresfrequenz für Personenbeförderung betrug 247 000 Personen. An Verfrachtung wurden 31 875 Tonnen und zwar: Kohle 3 932 t,
Steine 952 t, Holz 4 737 t, Holzstoff 2 759 t, Getreide
60 t, Alteisen 4 812 t, Walzeisen 1 520 t, Salz 1 130 t
und 8 717 t sonstige Massengüter befördert. Aus dem
Personenverkehr wurden 41 609 M (auf eine Person
kamen 0,248 Pf) vereinnahmt. Im Güterverkehr gingen
47 072 M und für Viehbeförderung 7 277 M ein, Gesamteinnahme: 90 761 M, Ausgaben 86 573 M, was einen
Reingewinn von 4 097 M ergibt." D a ß man bei so geringen Einnahmen die Betriebs- und Bahnunterhaltungskosten einschränken mußte, ist verständlich. Auch der
Verkehr von 1902 blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Den Einnahmen von 104 332 M standen 84 336 M
Ausgaben gegenüber und so brachte dieses Jahr einen
Überschuß von 19 996 M, welcher eine Dividendenausschüttung nicht zuließ. Die in Aussicht gestellte Planung
des Streckenbaus Stetten bei Haigerloch-Hechingen, rief
nun einzelne Gemeinden auf den Plan, die mit allen M u tein versuchten, ihren Dörfern einen Anschluß zu erkämpfen.
lungen getroffen: Grosselfingen ist ein vom Verkehr abgelegenes Dorf. Ein großer Teil seiner Arbeiter sucht den
Verdienst auswärts. Wenn es beim Bahnbau keine Berücksichtigung findet, ist es f ü r alle Z u k u n f t ausgeschlossen, dem Verkehr näher angegliedert zu werden. Es gilt
daher jetzt eine Agitation ins Leben zu rufen, die mit
allen Mitteln arbeitet, um unsere große Gemeinde wirtschaftlich zu heben, die Industrie selbst ins Dorf zu bekommen, was durch eine Bahnlinie am ehesten gefördert
werden kann. Ein Weiterbau der Bahn über Engstlatt hält
die Versammlung für aussichtslos, weil die Hohenzollerische Kleinbahngesellschaft die Bahn durch Hohenzollern
führen will. Wird die Bahn über Rangendingen gebaut,
wird Owingen nicht berührt werden. Ein Weiterbau über
den Ort Rangendingen wäre mit denselben Kosten verbunden, da diese Gemeinde teure Felder zur Verfügung
stellen müßte. Über Grosselfingen geleitet, würde die Bahn
größtenteils auf Gemeindeeigentum, das zu dem noch
ziemlich wertlos ist, erstellt werden können. Für Industrieansiedlungen könnte Grosselfingen kostenloses Bauland zur Verfügung stellen. Außerdem besäße das Dorf
in Bausteinen und Sandbrüchen einen bedeutenden Reichtum, in ölhaltigem Schiefer und Kalksteinen Material zur
Fabrikation von Baumaterial, wenn eine Bahn die Möglichkeit zur Weiterbeförderung gäbe. Der rege Verkehr
mit H o l z aus den umliegenden Gemeinde-, Privat- und
fürstlichen Waldungen sichere die Rentabilität der Bahn
mindestens im selben Maße wie Rangendingen. Die Möglichkeit der Gründung von Getreide-Verkaufsgenossenschaften fuße ebenfalls auf der Möglichkeit einer Bahnbeförderung. Außer Grosselfingen sei auch die Gemeinde
Weilheim, der Hauser H o f , die Gemeinde Stein und der
Ort Friedrichstraße an dem erwähnten Eisenbahnprojekt
interessiert. Rangendingen mit seiner stets sauberen und
ebenen Landstraße würde mit dem Bahnhof Stein leicht in
Verkehr kommen können E' e Bahn über Stetten, Owingen, Grosselfingen (durch das Tälchen bei der Ostdorfer
Mühle), Weilheim, Stein, Friedrichstraße würde sich bestimmt besser rentieren als über Rangendingen. Es wurde
ein Komitee zur Agitation f ü r dieses Projekt gebildet.
Von Grosselfingen wurden zunächst von Einzelbürgern
folgende Planungsvorschläge m der Presse veröffenti cht:
Linienführung Stetten bei Haigerloch, Owingen, durch
das Gießbachtal nach Grosselfingen um den alten Berg
herum über Weilheim nach Hechingen. Darauf folgte ein
neuer Vorschlag: „Das Bähnlein soll über Owingen weitergeführt werden bis zur Grosseltinger-Ostdorfergrenze,
soll ein Stück durch das Tal des Krebsbaches an der
Zuglei vorbei über die Oberen Weiherwiesen, Längswiesen ins Weilheimer-Sigenthäle hinein verlaufen. Auf
der Südseite gegen Weilheim soll der Bahnhof erstellt
werden und dann soll die Linienführung dem Säuweiherle
der Friedrichstraße nach Hechingen zu verlaufen. Diese
Streckenführung sei um 3 km kürzer als die erstere.
In einer weiteren Versammlung in Grosselfingen, die cl.e
Weiterführung der Kleinbahn über Stetten bei Haigerloch-Hechingen zum Thema hatte, nahmen auch die Abgeordneten des Kommunallandtages Kraus, Bechtoldsweiler, und Maier, Wessingen, teil. Diese beiden gaben
Aufschluß über die Möglichkeit einer Linienführung wie
sie von Grosselfingen in Vorschlag gebracht wurde. Wenn
Owingen, Grosselfingen und Weilheim freies Gelände
stellen können und ein Bahnhof für Rangendingen in der
Nähe des Stauffenburger Hofes erstellt würde, wären
alle Gemeinden der Umgebung an das Bahnnetz angeschlossen und Rangendingen käme auf diese Weise am
besten weg. Der Bau über Rangendingen nähme der Gemeinde mehr Grund und Boden weg als jeder anderen.
Im August 1903 wurde in der Krone in Grosselfingen
eine Bürgerversammlung, an der auch Interessenten aus
der Umgebung teilnahmen, abgehalten, in der über d'e
Möglichkeit und Rentabilität einer Bahn über Grosselfingen Stellung genommen wurde. Diese Zusammenkunft
stand unter Leitung des dama'igen Lehrers Senner in
Frankfurt a. M. In Vortragen wurden folgende Feststel-
Der Verkehr von H a r t und Höfendorf gehe Haigerloch
zu. Höfendorf hätte nicht einmal eine eigene fahrbare
Straße nach Rangendingen und was Hirrlingen ang ige,
wenn es überhaupt berücksichtigt werden sollte, hätte am
Bahnhof Rangendingen Anschluß. Es wurde eine Petition
an den Kommunallandtag eingereicht, in der die Gemeinde Grosselfingen sich f ü r einen Bau über ihren Ort
Die heimatgeschichtlich wertvolle und interessante „Kleine
Chronik der Hohenzoller^chen Landesbahn" von KR.
Hubert Deck, Grosselfingen (H. H . 1970 N r . 3) ist, insbesondere was den Streit der beiden Gemeinden Grosselfingen und Rangendingen um die Linienführung der Verbindungsstrecke Stetten bei Haigerloch-Hechingen anbetrifft, einer Ergänzung wert.
107
darlegt, zu dem die beiden Abgeordneten ihre Unterstützung zusagten.
Darauf meldete sich Rangendingen zum Ausbau der Kleinbahn zu Wort. Der Bau über Rangendingen se. auch f ü r
den großen Marktflecken Hirrlingen und für H a r t und
Höfendorf von Bedeutung. Das gewerbereiche und strebsame Dorf Hirrlingen verfüge über eine Dampfsägerei
und über drei größere Getreidemühlen, ferner seien dort
Ziegelwarenfabriken und zwei Bierbrauereien in Betrieb
und 50-60 Arbeiter(innen) fänder in der hiesigen Fabrik
Beschäftigung. Auch zahlreiche andere Geweibebetriebe
und Kaufläden habe Hirrlingen aufzuweisen, von dem dlg
Bahn gute Einkünfte zu erwarten habe. Rangendingen
selbst verfüge über eine Getreidemühle, zwei Sägemühlen,
zwei Gipsmühlen verbunden mit Obstmostereien und Ölmühlen. Ziegelwaren und Kalk werden in zwei Betrieben
hergestellt und nach überall abgeführt. Sandgruben, Steinund Gipsbrüche seien in Rangendingen ebenfalls vorhanden Mehr als 200 Arbeiter sowie Schüler wandern täglich nach Hechingen und würden sicherlich mit der Eisenbahn fahren, wenn sie dazu Gelegenheit hätten. Die H o henzollerischen Kleinbahnen aber sollen die einzelnen
Teile unseres langgestreckten Ländchens einander näher
bringen, wobei auf Rentabilität in erster Linie Rücksicht
zu nehmen sei. Die Fortsetzung der Linie Eyach-Stetten
über Rangendingen nach Hechingen wäre zweifellos viel
rentabler als über Grosselfingen, auch in der Anlage
kürzer und billiger. Ob die Bahn über Grosselhngen oder
über Rangendingen gebaut wird, mögen die Fachleute mit
Rücksicht auf die Terrainverhältnisse entscheiden. Der
kürzere Weg über Rangendingen scheint aber trotzdem
der vorteilhaftere zu sein. Wenn nun doch die zu erwartende Frequenz der Bahn durch die Anwohner den Ausschlag geben soll, so reicht Grosselfingen nicht an Rangendingen mit s nem Gewerbefleiß und mit seinen verfügbaren Arbeitskräften heran. Der Eifer der Grosse.1 nger
an die Bahn angeschlossen zu werden, schien den Rangendingern zwar begreiflich, würden es aber bedauern, wenn
sich eine Gemeinde gegen die andere in der Bahnfrage aus
zuspielen versuchte. Auch Rangendingen bekundet seine
Bereitschaft für die Bahn die Opfer zu bringen, dies es
kann, wenn sie zu dem zu erwarteten Nutzen im rechten
Verhältnis steht und mehr tut Grosselfingen auch nicht.
„Wenn man aber Rangendingen mit einem Bahnhof beim
Stauffenberger Hof beglücken will, so danken wir bestens.
Wir begrüßen nicht alles was zur Entscheidung führen
kann, sondern nur, was e '.e glückliche, vernünftige und
darum allseitig befr' digende Losung bringt." Auch von
neutraler Seite wurde zu dem Projekt Grosseliingen Stellung genommen. Nach ihrer Meinung hat Grosselfingen
unter Anpreisung so vieler geeigneter Gegenstände, die
nur t i ier Bahn harren, um den Geldstrom über Grosselfingen zu ieiten, aufs wärmste empfohlen, daß man sich
erstaunt fragen muß, weshalb denn nicht die nahegelegene
Station Bisingen schon jetzt benutzt wird. Der Gedanke, die
Bahnlinie noch über Weilheim laufen zu lassen, hieße doch
mit der Kirche ums Dorf zu gehen. Soll die Bahn möglichst Hohenzollern zugute kommen und ein rascher Anschluß an die Killertalbahn genommen werden, so wäre
die Richtung über Rangendingen auf jeden Fall vorzuziehen, Die Befürchtung, daß daselbst der Erwerb der
nötigen Grundstücke zu teaer würde, .st grundlos, da die
Linie bis Stein am Waldrand entlang geführt werden
könnte.
Im November 1903 wurde hier ein Komitee für die Einleitung der zum Bau einer Kleinbahn Stetten-Rangendingen-Hechingen nötigen Schritte, bestehend aus Bürgermeister Georg Strobel, den Bürgern Johann Elickle, Müller,
108
Barth, Strobel, Kaufmann, Georg Wild, Maurer, Felix
Heck, Bauunternehmer, und Martin Strobel, Landwirt,
gebildet. Dieses Komitee veranstaltete im Gasthof zum
„Kaiser" eine Eisenbahnversammlung. Die große Zahl der
Teilnehmer war ein Beweis für das beachtenswerte Interesse, das Rangendingen an einer Bahn hatte. Auch Bürger
von H a r t , Höfendorf und Bietenhausen, ferner die Bürgermeister von Stein, Grosselfi- gen, Bechtoldsweiler und
der Schultheiß von Hirrlingen mit einigen Begleitern waren erschienen. Der Kommunallandtagsabgeordnete Bürgermeister Kraus, Bechtoldsweiler, referierte über die Geschichte der hohenzollerischen Kleinbahnen und zeigte die
Hindernisse auf, die zu überwinden wären, um zu einer
vernünftigen Lösung der Eisenbahnfrage Stetten-Hechingen unter Zurückstellung unerfüllbarer Sonderwünsche zu
kommen. Pfarrer Witz erläuterte, die vom Komitee festgelegten und zu verfolgenden Ziele und wies auf die N o t wendigkeit hin, für den schönen Gedanken der Herstellung einer einheitlichen hohenzollerischen Kleinbahn die
nötigen Oofer nicht zu scheuen, auch wenn Sonderinteressen einzelner Gemeinden nicht berücksichtigt werden
könnten.
Nachdem in Hohenzollern die Strecken Eyach-Stetten
und die Killertalbahn Hecbingen-Burladmgen fertiggestellt waren, stellte sich c : Aufgabe, c ':sen Bahnen einen
Anschluß zu verschaffen. Dieses Bauvorhaben stieß aber
auf allerlei Hindernisse, wie das Gelände oder der Widerstand oder das Nichtentgegenkommen der Bewohner einzelner Ortschaften, weil sie fürchteten einen Streifen Land
zu verlieren, ja am Ende gar noch einen Zuschuß zahlen
zu müssen. Die verschiedensten Meinungen und Interessen
spielten bei der Planung und Verwirklichung der Bahnstrecke Stetten bei Haigerloch-Hechingen eine Rolle. Viele
sahen im Personenverkehr, n Anschluß des Dorfes an
die Stadt, die Hauptbedeutung einer Bahnverbindung und
meinten, wer in die Stadt will, kann ja wie bisher zu Fuß
gehen, wobei übersehen wurde, daß durch die Erleichterung eines billigen Personenverkehrs die Beweglichkeit
der arbeitenden Bevölkerung erhöht und daß die Trennung der Wohnsitze von den Arbeitsstätten durch den
Bahnverkehr ermöglicht Vird. D a ß aber oie Eisenbahn
im Güter- und Warenverkehr eine verkehrssteigerr.de und
preisregelnde Wirkung ausübt, die Entwicklung der Industrie fördert, neue Wirtschaftsräume, Absatzmärkte und
Rohstoffquellen erschließt und deshalb von hoher volkswirtschaftlicher, politischer und sozialer Bedeutung ist,
kam im Streit kleinlicher Sonderinteressen einzelner Gemeinden und Bevölkerungsgruppen im Raum HaigerlochHechingen kaum zum Ausdruck. Wenn Grosselfingen für
den billigsten Bau und kürzesten Weg plädierte, aber mit
ihrem Plan von Stetten bei Haigerloch-Owingen-Alte
Mühie bei Ostdorf durch das Gießbachtal nach Grosseliingen, hinter dem alten Berg nach Weilheim-Friedrichstraße-Hechingcn leidenschaftlich kämpfte, dann ging es
an den Realitäten vorbei, und gab seiner Absicht, um
jeden Preis an die Bahn zu kommen, kund.
Für die maßgebenden Stellen, die mit der Planung, Finanzierung und Ausführung der Anscnlußstrecken beauftragt
v/aren, galt das Ziel, die Hohenzollerische Landesbahn
unter Berücksichtigung der Terrai.iverhältnisse und der
R e n t a b ' J t ä t fertigzustellen.
Bei der Planung der Anschlußstrecke Stetten-Hec ingen
konnte Rangendingen als wirtschaftlich bedeutsamer Ort,
in dem die Industrie bereits Fuß gefaßt hatte, über überschüssige Arbeitskräfte verfügte und sich gewerblich gut
entwickelt hatte, als Bahnstation nicht übergangen werden
und zudem konnte die Bahn über Rangendingen auf der
genannten Strecke auf dem kürzesten Weg, ohne nennens-
werte Geländeschwierigkeiten überwinden zu müssen, gebaut werden und f ü r Hirrlingen blieb in seinem Nachbarort zu jeder Zeit die Möglichkeit offen, Bahnanschluß
zu bekommen.
Die von H a r t , Höfendorf und Bietenhausen erstrebte
Heranführung der Bahniinie an ihre Orte, die von Regierungspräsident Dr. Beizer gegen den Geheimen Baurat
Leibbrand hartnäckig vertreten wurde, konnte der Mehrkosten wegen nicht erfüllt werden und hätten den Bahnbau verzögert.
Für Rangendingen als Bahnstation waren z w c Projekte
ausgearb tet worden, nach dem einen sollte die Bahnlinie südlich um den O r t geführt werden, nach dem
anderen sollte diese in nördlicher Richtung um den O r t
verlaufen. Im Jahre 1911 machte si '1 unter den hiesigen
Landwirten und den Anwohnern der Starzel gegen das
Nordprojekt eine große Unzufriedenheit bemerkbar.
Ihren Protest begründeten sie rr. t folgenden Feststellungen: „Eine nach ciiesem Projekt ausgeführte Bahnlinie
wird im Falle einer Überschwemmung die Gefahr f ü r das
Dorf erhöhen, da sie (u.'e Bahn) den freien Abzug des
Wassers verhindert. Sie würde der Landwirtschaft gerade
die schönsten Grundstücke entz ehen und außerdem in
Arbeitszeiten den landwirtschaftlichen Betrieb bedeutend
stören, da sie über sämtliche drei Hauptwege, wcche die
Verbindung zu den Feldern herstellen, führt. Wer schon
die langen Reihen von Wagen gesehen hat, der kann siui
vorstellen, welche Ungelegenheiten und Störungen c : ese
Bahnlinie verursachen wird! Die Stimmung, welche hier
herrscht, kam in den letzten Tagen m zwei Eingaben mit
vielen Bittschriften zum Ausdruck, worin uie Königliche
Regierung ersucht wird, die zuerst projektierte südliche
Richtung zur Ausfuhrung zu bringen, wobei alle die genannten Nachteile wegfallen. Ein Laie kann sIcK schwer
vorstellen, welches Interesse ^leßahnbaugesellschaft daran
hat, die B a h r - n i e mitten durch ein Überschwemmungsgebiet zu führen, wobei noch zwei wr ; :ere Brücken notwendig werden."
Da das Landesbauamt die Wünsche der Rangendinger Bevölkerung, die Bahn in südlicher R'chtung zu bauen, unberücks . gt ließ, wandten sie S'ch mit der Bitte an den
Minister ; ßer'in, die Bahnbaufrage noch einmal zu überprüfen. Vierfünftei der Bürgerschaft des Dorfes wehrten
sich mir allen nur verfügbaren Mitteln gegen die nördliche
Linienführung mit folgender Begründung: Der Bahndamm
erhöht die Hochwassergefahr zum Schaden des Dorfes,
weil er den freien Abzug der Wasserfluten in das Wiesengelände der Au hemmt, ferner beeinträchtigt er den landwirtschaftlichen Verkehr und durchschneidet die besten
Äcker und W esen. Die folgenschwere Hochwasserkatastrophe im Mai 1924 hat gezeigt, daß die Rangendinger
mit ihrem Einspruch in punkto Hochwassergefahr die Situation durchaus richtig erkannt hatten.
Das Südprojekt war durch m i.iderertragreiches Gelände
geplant, welche zum Teil Gemeindeeigentum war. welches
im Ankauf viel billiger war und die Landwirtschaft nicht
spürbar beeinträchtigte, weshalb unsere Bürgerschaft sich
f ü r die südliche Linienführung einsetzte. Geheimer Baurat
Leibbrand wurde der Vorwurf gemacht, er habe die örtlichen Verhältnisse zu wenig beiücksichtigt und versucht,
der Gemeindevertretung die Bewilligung des Areals für
die Norubahn in diplomatischer Weise abzuringen. Hierauf entgegnete die Hohenzollerische Landesbahn AG, daß
von einem diplomatischen Abringen der Bewilligung des
Areals f ü r die nördliche Linienführung der Bahn keine
Rede sei. Es sei zu beachten, daß f ü r die Nordlinie ebenso
wie f ü r die Südlinie genaue Erhebungen über den Wert
der Grundstücke gemacht wurden und dabei sei festgestellt
worden, daß die Grunderwerbskosten auf beiden Linien
deshalb gleich seien, weil f ü r das Südprojekt unverhältnismäßig größere Flächen erforderlich wären als f ü r das
Nordprojekt. Letzteres führe auf ganz niederen Dämmen
mit wenig . efen Einsch „tten durch das teuere Geiände,
was zur Folge habe, daß nur e- e geringe Breite f ü r die
Bahn erfordert h sei, dte' Südlinie aber müsse fast durchweg auf 1 5 zu 9 Meter hohen Dämmen und bis zu 9 Meter
tiefe Einschnitte geführt werden, so daß die vier- bis
fünffache Breite des Areals auf lange Strecken erforderlich sei. Außerdem müßte bei der Südlinie die Ziegelhutte
erworben oder eine erhebliciie Minderentschädigung an
den Be-itzer bezahlt werden. Diese Verhältnisse seien den
Bürgerkollegien an H a n d der Pläne und Berechnungen
unter Angabe der zu bezahlenden Grunderwerbspreise
eingehend erörtert worden. Für die Nordlinie seien die
Bau und Grunderwerbskosten niederer und zudem bliebe
bei der Nord 1 nie ein Anschluß nach Rottenburg möglich.
Außerdem sei der Bahnhof bei der Nordi;nie viel besser
zugängig. Der Anschluß von Fabriken auf der Südlinie
wäre ausgeschlossen, weil diESS über hohe Dämme und
iefe Einschnitte geführt werden müßte. Ebenso würden
die Zugänge zu den landwirtschaf .liehen Grundstücken
jenseits der Südii".e wesentlich erschwert. Der Ankauf der
Grundstücke für die Südlinie sei zwar rund 2000 Mark
b'lliger. dagegen aber wären 6000 t 8000 M Entschädigungen an Gebäudebesitzer zu zahlen, so daß sich die
Mehrkosten f ü r den Grunderwerb auf 4000 bis 6000 M
beliefen. Trotzdem vertraten di-: kangenc Inger leidenschaftlich und mit allem Nachdruck I iren Standpunkt, die
Süd)¡nie zu bevorzugen. Hierbei führten sie ins Feld, daß
der Präsident der Kleinbahn AG. in Frankfurt ganz außer
sich war, als Leibbrand f ü r die Nordlinie plädierte und
ausgerufen haben soll: „Die Nordl-iie st undurchführbar, sonst müßte infolge des Bahndammes das Dorf bei
Hochwasser ersaufen."
Große Enttäuschung löste d.e Nachricht aus, daß der Minister als letzte Instanz, die südliche Führung der Eisenbahn abwies. Dagegen entsprach derselbe dem Wunsche
der Bevölkerung, anstelle von zwei Rohrdurcnlässen, die
die Gemeinde nicht f ü r genügend erachtete, um das zwischen Bahndamm und Starzel gelegene Gelände schnell
zu entwässern, zwei Flutbrücken mit 6 Meter Lichtwe :
in den Eisenbahndamm einzubauen.
Nach langwierigen und zähen Verhandlungen zwischen
den amtlichen Stellen und den Bürgern der einzelnen Gemeinden waren nun endlich aile Hindernisse aus dem Weg
geräumt und so konnte im Jahre 1911 mit dem Ausbau
der Strecke Stetten bei Haigerloch-Hechii.gen n der
Jetzigen L inienführung begonnen werden. Trotz aller Einwände gegen die nördliche Route bestand in Rangendingen, insbesondere in den Familien, die auf auswärtige Verdienstmöglichkeiten angewiesen waren, großes Interesse.
Ein damaliger Gemeinderat befürwortete den Bahnoau
mit den Worten: ,,D' Eisebah muaß hear ond wenn se
dur(ch) mei Stub' dur(ch) fährt."
M t dem Bahnbau kam Leben ins Dorf. Zahlreiche italienische Gastarbeiter, d'e in Privatquartieren untergebracht waren, lenkten besonders die Aufmerksamken der
Kinder auf sich. Wie sehr wir auch zunächst die Fremdlander bestaunten, mußten wir doch bald erkennen, daß
sie Menschen waren wie wir. Wenn sie an Feierabenden
oder sonntags gruppenweise durch das Dorf zogen und
in ihrer Sprache Lieder ihrer Heimat sangen, freuten wir
uns an den temperamentvollen Weisen, welche teilweise
Jugendliche unseres Dorfes übernommen hatten und solche
noch lange nach dem Bahnbau in geselliger Unterhaltung
in hiesigen Wirtschaften zu Gehör brachten. Während des
109
Bahnbaus herrschte in einer Kantine im Haigerlocher Weg,
die von der früheren Zoller- und späteren Bahnhofwirtin
betreut wurde, aber auch in allen Gaststätten des Dorfes,
reges Leben. Auf den Baustellen gab es für die Dorfkinder viel Neues zu sehen und zu erleben. Am Sonntag,
wenn der Bahnbaubetrieb ruhte, lockte uns das Baugelände
auf den Plan. Es machte den Dorfbuben großes Vergnügen, sich an den abgestellten Loren zu schaffen zu
machen und auf diesen verbotener Weise auf den ausgelegten Geleisen zu fahren, wobei es nicht zu vermeiden
war, daß die eine oder andere aus den Schienen sprang,
aber an abschüssigen Stellen auf der Au verstanden wir es
schon ganz gut mit dem Bremsprügel die Rollwagen zum
Stehen zu bringen oder sie mit „Hauruck" wieder in die
Geleise zu wuchten. Glücklicherweise kam keiner von uns
waghalsigen Jungen bei unseren Fahrten zu Schaden.
tingent der täglichen Fahrgäste stellte, war der tägliche
Fahrbetrieb, obwohl zur Gewohnheit geworden, doch
nicht ohne besondere Reize. Da wir uns von zu Hause
weg freier und unbeschwerter fühlten und zu mancher
Ausgelassenheit neigten, konnten wir uns doch dem strengen Auge des Schaffners nicht entziehen und wenn es im
Schülerabteil manchmal zu laut herging, brachte uns derselbe durch seine saure Amtsmine mit einem nicht gerade
schmeichelnden Ohrzupfen oder mit seinem harten Billetkasten, besonders aber mit der Drohung, die Sünder dem
Stationsvorsteher in Hechingen zur Rüge vorzuführen
oder gar Anzeige bei der betreffenden Lehranstalt zu erstatten, zu einem geordneten Verhalten. Mit dem Mann
mit der roten Mütze und dem steifen Kinnbart, der ihn
noch strenger zeichnete, wollten wir es als Repräsentationsperson am Hechinger Bahnhof keineswegs ver-
A n k u n f t des ersten Zuges in Haigerloch
Außer einem Unglücksfall, der sich beim Bau der Bruckbachbrücke, als eine Lore in den Pfeilerschacht abstürzte,
wobei ein hiesiger Bürger verletzt wurde, verlief der Bau
ohne folgenschwere Unglücksfälle.
Mit der Inbetriebnahme der Bahn schlug dem täglich von
Haigerloch nach Hechingen und zurückverkehrenden Postwagen sein letztes Stündlein. Die Postillonsromantik, die
so treffend in Lenaus Gedicht „Der Postillon" zum Ausdruck kommt, wirkt tief und nachhaltig als Erinnerung
in uns weiter. Der Klang des Posthorns und der H u f schlag der Pferde verrieten schon vom Langen Zug her
die A n k u n f t des Postgefährts. In das friedliche und einfache Leben unseres Dorfes hatte sich nun das Ki ;inbähnle
eingeschlichen, gleichsam als wollte es seine Bewohner zu
einem neuen Lebensrhythmus, zum Beginn eines neuen
Zeitalters erwecken.
Der Bahnbau 1911/12 war für unser Dorf von unschätzbarer verkehrstechnischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Außer Hechingen wurden durch sie weitere auswärtige
Industrieorte für immer mehr Auspendler erschlossen.
Die regelmäßig verkehrenden Arbeiterzüge brachten Jahrzehnte den Großteil der Arbeiterschaft unseres Dorfes
einschließlich Lehrlingen und Schülern zu und von ihren
Arbeitsplätzen und Ausbildungsstätten. Für uns Schüler
von hier und auswärts, die ein nicht unbedeutendes Kon110
derben, denn während der Wartezeiten waren wir froh,
wenn wir .<n Wartesaal Unterschlupf finden konnten.
Auch im Güter- und Warenverkehr erfüllte unser Bähnle
bis heute seine Aufgabe. Zur Zeit überwiegt der Transport der langen Güterzüge mit Salzwagen von Stetten
bei Haigerloch und der vielen Spezialwagen mit Roheisen ins Hüttenwerk Laucherthal den übrigen Bahnverkehr.
Der Eröffnungstag, der 24. Dezember 1912, ist den älteren Dorfbewohnern, die damals noch die Schulbank drückten und mit der Lehrerschaft das erste Zügle auf der
Strecke Hechingen-Stetten bei Haigerloch mit Vertretern
der Staats-, Kommunal- und Eisenbahnverwaltung auf
dem hiesigen Bahnhof begrüßen durften und nachher von
der Gemeinde mit Wurst und Brot beschenkt wurden,
noch lebhaft in Erinnerung.
Durch die weitgehende Zurückverlagerung des Verkehrs
von der Schiene auf die Straße muß unsere Landesbahn
unterschiedlich starke Einbußen im Gesamtverkehr hinnehmen, wird sich aber, so hoffen wir zuversichtlich, trotzdem als wichtiges Verkehrsunternehmen weiter behaupten können. Unser Bähnle ist aus unserem Lebens- und
Wirtschaftsbereich nicht mehr wegzudenken. Was mühsam
erkämpft und geschaffen wurde, möge sich auch in der
Z u k u n f t erhalten.
LEOPOLD BAUSINGER
Von alten Haigerlocher Meistern
Die nachfolgenden Zeilen schrieb der Verfasser - als er Bürgermeister von Haigerloch war - im Jahre 1931
Alljährlich am Kirchweihmontag findet in der schönen,
wildromantischen Eyachstadt Haigerloch in Hohenzollern
alter Sitte gemäß der sogenannte „Handwerkerjahrtag"
statt. Die Entstehung dieses Tages geht in die Zeit zurück, in der das Zunftwesen in Deutschland aufgehoben
und die Gewerbefreiheit eingeführt wurde. Wenn wir
nachher sehen werden, wie sehr die Haigerlocher H a n d werker von echtem, strengem Zunftgeist beseelt waren,
wie jede Zunft ihre genau beobachteten, geschriebenen und
ungeschriebenen Gesetze hatte, wie die einzelnen Zünfte
das Jahr hindurch ihre Zusammenkünfte hatten, die mehr
oder weniger in einem ehrbaren Trünke endeten, so können wir verstehen, daß es die damaligen Meister schwer
ankam, alte und festeingewurzelte Überlieferungen und
Gewohnheiten sang- und klanglos preiszugeben. Und als
damals das Zunftwesen endgültig begraben werden sollte,
ja mußte, da vereinigten sich die Ha.gerlocher H a n d werker, und sie beschlossen, einmal im Jahre alter Sitte
und bisherigem Brauche gemäß zusammen zu kommen,
um die Erinnerung an das begrabene Zunftwesen in etwa
wachzuhalten. So entstand der „Handwerkerjahrtag" in
Haigerloch, der f ü r jeden rechten Meister und Gesellen
als ein Lokalfeiertag gilt.
Wie schon die alten Zünfte stark religiös eingestellt waren,
und wie auch die alten Meister :hr Tagwerk „in Gott's
N a m e n " begannen, so geben die Haigerlocher am H a n d werkerjahrtag zunächst Gott die Ehre durch gemeinsamen
Besuch des Gottesdienstes, der den verstorbenen Meistern
geopfert ist. Anschließend hieran erfolgt unter Mus1 k und
unter Vorantritt der noch vorhandenen alten Zunftfahne
geschlossener Abmarsch in einen Gasthof. Dort werden die
im Laufe des Jahres angefallenen geschäftlichen Angelegenheiten erledigt, es wird in ernstem Gedenken der
verstorbenen Meister gedacht, in frohem und fröhlichem
Beisammensein wird beraten und getagt, gesungen und gescherzt, so wie es alter Handwerkerbrauch ist. Und wie
schon Hans Sachs so treffend gesungen hat: „Ehrt Eure
deutschen Meister, dann bannt Ihr gute Ge rer", so werden auch am Handwerkerjahrtag " sveils die alten und
verdienten Meister durch Geschenk und Ansprache besonders geehrt. Stolz und leuchtenden Auges sitzen sie da,
die alten und weißbärtigen Männer von 70, 80 und mehr
Jahren, und man sieht es ihnen an, wie wohl es hnen
tut, nochmals in ihren alten Tagen im Kreise Gleichgesinnter zu se'n und dort zu erzählen von einstigen Zei en,
von einstigem Schaffen und Wirken, von Leid und Freud
im Berufe. Und es ist gut, daß solche Bräuche auch in der
„modernen" Zeit beibehalten werden, denn sie bilden den
Boden der Freundschaft und des F r o h r ins, und es darf
mit Sicherheit angenommen werden, daß auf diesem Boden nur gute Saat aufgeht, .de in dieser oder jener Form
Frucht b* igen wird.
Haigerloch als ehemalige Res ienz- und Oberamtsstadt
bildete von ,eher den wirtschaftlichen Mittelpunkt des
ganzen Bezirkes. Und wie in anderen Fürstenstädten so
hatten H a n d w e r k und Gewerbe auch in Haigerloch von
jeher >hren Hauptsitz. Wir finden daher schon frühzeitig
einen guten und in den einzelnen Zünften zusammen-
geschlossenen Handwerkerstand in Haigerloch. Nicht ganz
einfach und nicht jedem H a n d w e r k e r war es gestattet,
in Haigerloch ein H a n d w e r k zu betreiben. Hierzu war
vor allem erforderlich, daß er „Bürger" war. Der fremde
oder gar ausländische Handwerker - und das war bei den
damaligen süddeutschen Staatenverhältnissen keine Seltenheit - wurde n der Regel zur Ausübung se'nes Berufes
nicht zugelassen. Das war streng befolgtes Zunftrecht, von
dem nur selten Ausnahmen zugelassen wurden. N u r die
„Liebe" konnte manchmal die Herren Stadtväter sanfter
und nachgiebiger stimmen, wobei allerdings der Hintergedanke eine recht beachtliche Rolle spielte, eine Haigerlocher Bürgerstochter an den Mann zu bringen. Hieraus
folgt aber, daß die Meister in hohem Ansehen gestanden
sein mußten, was auch daraus hervorgeht, daß im Jahre
1721 die Tochter des Stadtschultheißen einen Barbiergesellen heiratete, der, trotzdem er „Ausländer" war, aus
besonderer Reflektion gegen den Herrn Stadtschultheißen
und seine Tochter in Haigerloch aufgenommen wurde.
Und ein Tiroler Flor- und Seidenwarenhändler heiratete
gar die Tochter des Ratsschreibers und Oberamtmanns.
So hatte also damals, wie schon so o f t im Leben, die
„Liebe" gesiegt, sicherlich nicht zum Nachteil der Haigerlocher Schönen. Wenn man heute die Haigerlocher Heiratsregister durchblättert, so möchte man wünschen, daß
auch heute wieder manche „Ausländer" oder „Fremde"
nach Haigerloch kommen möchten, um sich dort eine Lebensgefährtin auszuwählen. Sie dürften überzeugt sein,
daß auch die heutigen Stadtväter ebenso nachsichtig sein
und jeden rechtschaffenen Fremden gerne als „Haigerlocher Bürger" aufnehmen werden.
Kein Zweifel, daß das H a n d w e r k in Haigerloch durch den
gewesenen Grafen- und Fürstenhof manche Anregung und
Belebung erfuhr; das beweist schon ein Rundgang durch
die Stadt mit ihren vielen, aiten Bau- und Kunstdenkmälern. Und mir will scheinen, daß die Regierungszeit
des kunstsinnigen und frommen Fürsten Josef zugleich
auch die Blütezeit Haigerlochs gewesen sei. Damals, um
die Mitte des 18. Jahrhunderts, war das Dre gestirn:
Großbayer, der Baumeister, Weckenmann, der \ l d h a u e r ,
und Meinrad von Ow, der Maler, schaffend und sinnend
am Werke, wovon noch heute die herrliche, kühn auf einen
Felsen hingebaute Schloßkirche, die prächtige und liebliche
St. Annakirche, der Nepomuksbrunnen auf dem Marktplatz, der Gasthof zum „Schwanen" mit seinem mächtigen reliefgeschmückten Giebel und dem schönen Barockeingang, das Großbayernaus, der Aufsatz auf dem Römerturm u. a. zeugen. Es war damals eine Glanzperiode
künstlerischen and handwerklichen Schaffens und Wiikens, und zweifellos hat das hei rnsche H a n d w e r k aus
jener „Meisterzeit" manche Anregung erhalten, die lange
befruchtend wirkte.
Kehren wir nochmals kurz zum Zunftwesen zurück. Wie
in den me ; ten Städten bildete auch Ii Haigerloch die
Metzgerzunft eine der vornehmsten und reichsten. Die
Metzger in Haigerloch gehörten meist ein und derselben
Familie Lenz an, von der P. Ansgar PÖilmann schreibt:
„Wer mit aufmerksamen Augen die Stammbäume übersieht, der wird gestehen müssen, daß es sich hier um ein
111
klassisches Beispiel von Zuchtwahl handelt. Diese zweihundertjährige Metzgerdynastie Lenz weist ein Rassegefühl auf, wie kaum ein ältestes Adelsgeschlecht. Sie
beginnt in den Tagen des fürstlichen Glanzes einer ihrer
ganzen Anlage nach auf Inzucht gestellten Kleinstadt und
verschafft sich durch einen prachtvollen, zielbewußten Familienklüngei eine allumfassende Hausmacht. Diese Metzger und Metzgersöhne sind im Laufe von ein paar Jahrzehnten im Besitze fast aller "VC rtshäuser Haigerlochs
oder beherrschen doch deren geschäftliches Leben durch
ihre Gevatterschaft. Und ^ i e diese Lenz wußten, daß si:
mit der Hausmacht auch ein Schicksal, ein Fatum aufstellen, das hinauf, aber auch eines Tages wieder hinab
führen mußte! Heute noch läuft das Sprichwort: „D'Zeit
zwingt d'Leut, sagt der Metzgerjergle." Der Metzger.rgle war der Großvater des P. Desiderius Lenz und
stand an der Glückswende seiner Familie: zu seiner Zeit
starb Andreas III. im Armenhaus und andere folgten,
aber keiner hatte das Bewußtsein verloren, einer einst
mächtigen Familie angehört zu haben. Der „Metzgerstolz" ist sprichwörtlich. Eines blieb den Mitglie lern der
Familie Lenz bis ins letzte Glied treu, sicher als Lohn für
die Beobachtung des 4. Gebotes: eine unverwüstliche Lebenskraft, die das 80. und 90. Lebensjahr als eine gewöhn che Erscheinung r it sich bringt.
Aus dieser Metzgerdynastie ging, wie schon vorher
angedeutet, der große Malermönch und Begründer
der weltbekannten Beuroner Kunstschule, Pater Desiderius Lenz, der im Alter von 96 Jahren vor drei Jahren
als Ehrenbürger der Stadt Haigerloch verstorben ist, hervor. Seltsam aber: dieser Große steht am Ende seines
Geschlechts, gleichsam als weithin leuchtender Stern und
alle seine Ahnen himmelhoch überragend. Und mit ihm,
dem greisen Malermönch, gingen die Lenz „leuchtend
nieder". Die ganze Geschichte der Metzgerdynastie erweist
sich, wie P. Pöllmann schreibt, nur als eine Vorbereitung
auf diesen Einzigen, die Basis der Grundpfeiler der
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein in V e r b i n d u n g mit den S t a a t lichen Sdiulämtern Hechingen und Sigmaringen. V e r l a g : Hohenzollerischer Geschichtsvercin
748 Sigmaringen, K a r l s t r a ß e 3. Drude: M. Liehners Hofbuchdruckerei K G , 748 Sigmaringen,
K a r l s t r a ß e 10.
Die Zeltschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in H o h e n z o l l e r r n i t
der Geschichte ihrer H e i m a t v e r t r a u t machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beitrage aus der Geschichte unseres
Landes Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " :
802 507 H o h e n z . Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt S t u t t g a r t
112
Die Mitarbeiter
dieser
Desiderianischen Kunst aber ist vor mehr als 250 Jahren
am Anfang der Geschichte der Metzgerdynastie deutlich
erkennbar.
Altes und Ehrwürdiges aber, das wollen wir uns eingestehen, auch manch Unerfreuliches ist längst verschwunden. Eine neue Ze.. ist auch für den Handwerkerstand
herangebrochen, die Maschine verdrängte nicht nur den
Menschen, sondern vielfach auch den Geist, und für jene
von uns an den alten Meistern so bewunderte Handarbeit
mit ihrer starken Prägung des Persönlichen bietet sich
heute kaum noch Raum, wo alles und jedes bald abgestellt
ist auf einen „Typ", auf „moderne Sachlichkeit", wo es
darauf ankommt, möglichst in drei Schichten des Tages
in je 8 mal 60 Minuten am fließenden Band rasch und
(viel zu erzeugen. Kein Wunder, daß viele und manche
von den Alten, die sich nicht umzustellen vermögen, sicherlich nicht die schlechtesten - zurückbleiben und untergehen, daß ganze Berufe verschwinden. So sind auch in
Haigerloch ehemalige in hoher Blüte gestandene H a n d werkerberufe ausgestorben, und heute gibt es weder Tuchweber, noch Seifensieder, noch Goldschmiede, noch
„Pitschierstecher" (Stempel- bzw. Siegelverfertiger), noch
Färber, Walker, Nagelschmiede, Siebmacher u. a. Für sie
alle hat die heutige Zeit keinen Raum mehr, die Maschine
verfertigt deren Erzeugnisse viel rascher und billiger. Gleichwohl aber ist in Haigerloch auch heute noch em
gesunder und leistungsfähiger Handwerkerstand vorhanden, der in neuer Z ;it mit neuem Werkzeug und mit neuen
Formen, jedoch im guten, alten Geiste wirkt und schafft,
und zwar in einer schönen, romantischen Stadt, aus deren
Mauern noch die gute, alte Zeit auf Schritt und Tritt den
Beschauer grüßt. Und wer im Schloßhofe oder im idyllischen Kirchgarten zu St. Anna zu lauschen versteht, der
wird die Sprache einer großen und kunstreichen Vergangenheit, an der das H a n d w e r k nicht geringen Anteil hat,
ebenso wahrnehmen, wie in den engen Straßen und Gassen und verträumten Winkeln der Stadt.
Nummer:
Dr. Siegfried Krezdorn,
Gewerbeschulrat
Abt-Rohrer-Straße
Albert Schäfer, Reutlingen
Josef
Mühlebach
L a n d e s v e r w a i t u n g s r a t .. R.
Sigmaringen, L e o p o l d s t r a ß e
Lambert Heck, O b e r l e h r e r i. R.
Rangendingen, Zollerstraße 2
Leopold Bausinger, L a n d r a t a. D .
Johannisberg im R h e i n g a u
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Kraus
P f a r r e r und Erzbisch. Archivar i. R.
78 Freiburg-Littenweiler, Bachstraße 2
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Rektor
Rangendingen
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W a l t h e r Frick, Journalist
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persönlidie Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen f ü r den I n h a l t der Beitrage verantwortlich. Mitteilungen der Schriftlcitung
sind als solche gekennzeichnet.
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M a n u s k r ; p t e und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftlciters oder Re
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Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische
H e i m a t " weiter zu empfehlen.
H Ö H ENZOLLERISCHE
HEIMAT
21. Jahrgang 1971
Nr. 4
W 3828 F
Herausgegeben o o m
Hohenzollerifchen Gelchichtooerein
in Verbinöung mit öen
Staatlichen Schulänitern Hechingen
u n ö Signiaringcn
E I N G U O T SELIG I O R ,
wie dieser Einblattdruck aus der Frühe der Druckerkunst
im 15. Jahrhundert,
wünscht die
Hohenzollerische Heimat allen ihren Lesern. Das Chr.istuskind aus der mystischen Rose, ein
damals oft gebrauchtes Motiv, soll unsere guten Wünsche zu Weihnachten und zum guten
neuen Jahr zusammenfassen.
Wir meinen, daß wir der Aufmunterung,
Besinnung und guten
Wünsche um diese Jahreszeit so sehr bedürfen wie die Generationen zuvor ihrer bedurft haben.
|
JOSEF MÜHLEB A C H
Vom winterlichen Brauchtum auf dem Lande
Das ehemalige Brauchtum ist zum großen Teil ein Opfer
des heutigen Industr .-Zeitalters geworden, das will sagen, daß in der sogenannten Wohlstandsgesellschaft von
heute das einstige Brauchtum auf dem Lande keinen Platz
mehr hat oder höchstens nur noch recht bescheiden gepflegt wird. Jahrhundertealte Gebräuche hatten in der
einfachen, bescheidenen und geruhsamen Lebensweise der
Altvordern ihren Grund. Mit der Technisierung und dem
Wohlstand sind Wesen und Gehalt des Brauchtums vergessen worden und verloren gegangen. Es ist deshalb gewiß reizvoll, am Bf spiel des Dorfes Hausen am Andelsbach eine kleine Schau auf das einstige Brauchtum, wie es
im W iter in Erscheinung trat, zu versuchen.
Am Anfang des Winters stand früher f ü r die Jugend der
Klosentag als der höchste Freudentag des Jahres. Es war
für die Kinder das Hochfest des Jahres; im Rang und in
der Bewertung überragte der Nikolaustag Weihnachten,
zumal man früher das große Schenken zu Weihnachten
nicht kannte. Der Klosentag hat die ganze Jugend in seinen Bann gezogen. Schon beim ersten Flockenfall Ende
November oder Anfang Dezember sangen die Kinder begeistert: „Es schneit, es schneit, daß Fetze geit, dr Santiklos
ist nimme weit." Dem Klosentag aber gingen die Kinder
erregenden, geheimnisumwitterten Vorbereitungen f ü r
das Schenken voraus. Da war - nach Beendigung der
herbstlichen Feldarbeiten - der lockende Martin Markt
im benachbarten Städtchen. Dort gab es - das wußten die
Kinder - in Fülle und reicher Auswahl schon all die begehrten Dinge, die zum Klosentag gehörten. Der MartiniMarkt war eben schon ein verheißungsvoller Künder und
Vorbote des Nikolaustages.Und wenn es dann so weit
war, stellten die Kinder am Abend vor dem Klosentag,
bevor sie ins Bett gingen, einen leeren Teller auf dem Eßplatz am Famii'°ntisch bereit. Am folgenden Morgen war
der Teller vom Nikolaus gefüllt mit Lebzelta (Lebkuchen), die mit dem Nikolauslied verziert waren, mit
Walnüssen, Äpfeln und nützlichen Beigaben. Dieses nächtliche Geschenk gab es in jedem Haus, während der Besuch des gestrengen und trotz seiner Nachsicht wegen der
Ruten etwas gefürchteten St. Nikolaus nicht jede Familie
mit Kindern erreichte. Zur Freude der Kinder erfuhr der
Festtag noch eine Steigerung, als der Götte und die Gotta
ihren Patenkindern Geschenke ins Haus brachten oder
bringen ließen. Da gab es vielerlei nützliche Dinge, die
jedes Kinderherz erfreuten: farbige Taschentücher, vielleicht eine Gnffellade, eine Schieferschreibtafel, Strümpfe,
ein Taschenmesser oder eine Mundharmonika für die Buben, Schürzen und ein Halsband f ü r die Mädchen, wohl
auch ein Spielzeug für gemeinsame Spiele an den langen
Winterabenden, einfach alles, was Kinderglückseiigkeit
ausmachte. Konnte man es den Kindern verdenken, daß
sie den N i olaustag höher schätzten als Weihnachten?
An Weihnachten stand früher und steht heute noch der
Christbaum im Blickpunkt des Interesses jeder Familie,
vor allem aber der Kinder. Er wurde geschmückt mit farbigen Glaskugeln, Engelsfiguren aus Wachs, „vergoldeten"
oder „silbernen" Nüssen und Tannenzapfen, mit kleinen
Lebkuchen, Marzipanstücken in spielerischen Figuren, gläsernen Eiszapfen und Springerle. All dies bunte Schmuckwerk ist in neuerer Zeit den Glaskugeln gewichen. Die
Weinnachtskrippe unter dem Ch stbaum war einstens
nur mit einigen Krippenfiguren angedeutet. Heute ist die
vielfach selbst gebastelte Krippe in den Vordergrund der
114
wtihnachthchen Schau ;n der Bauernstube getreten. Als
wohl die schönste und wichtigste Schau in der Weihnachtszeit bot aber in der Kirche die Krippe mit der heiligen
Familie im Stall inmitten der gebirgigen bethlehemitischen
Landschaft mit Ochs und Eselein, Hirten, Schafen, Gebirgspfaden und Grotten. Immer wieder zog es die Kinder vor d Krippe zu bewunderndem Anschauen, besonders wenn dann noch die heiligen Dreikönige das Weihnachtsbild vervollständigten.
Als „Gutsjahr" erhielten an Neujahr die Paten der Kinder als Gegengabe für die Geschenke zum Klosentag von
den Eltern der Patenkinder einen großen Brotring aus
blühweißem Weizenmehl. Das würzige Birnenbrot, auch
Hutzelbrot genannt, war in der Weihnachtszeit eine bei
der ganzen Familie beliebte Beigabe zum Morgenkaffee
und zum Abendessen.
In der Silvesternacht, wenn ein dröhnender Böllerschuß
den Beginn des neuen Jahres angezeigt hatte, zog eine
Gruppe sangsfreudiger junger Männer durch das Dorf,
um den Bewohnern, vorab dem Pfarrer, Bürgermeister
und Lehrer das Neujahr anzusingen. Das in langer Tradition von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gesungene Lied hatte
folgenden Wortlaut:
Ob das alte manche Sorgen,
manchen Kummer euch gebar,
grüßt euch froh der erste Morgen
in das neue Lebensjahr.
Schaffet Mut im Geiste milder,
froher, schöner Zukunftsbilder.
Eine bessere Zeit wird lachen
unter des Allmächtigen Wachen.
Wir wünschen euch fröhliche Zeit
und einst das himmlische Reich.
Wir wünschen guten Morgen das N e u j a h r euch an.
Ein Jahr ist vorüber, kaum denkt man daran.
So kommen die Jahre heran,
bis der Tod klopft bei uns an.
So kommen die Jahre und ziehen dahin.
Und wie sie verwelken und wie sie verblühn,
und wie alljährlich fallet das Laub,
so zerfallen wir alle zu Staub.
Dem Lied fügen die Sänger denNeujahrswunsch an:
A guets neus J a h r !
Am Tag vor dem Dreikönigfest zog eine j igendliche
Gruppe in morgenländischem H a t ' mit dem Dreikönigsstern auf der Spitze eines Stabes durch das Dorf von
Haus zu Haus, um gegen eine bescheidene Gabe der besuchten Familien das Dreikönigfest mit folgenden Versen
anzusagen:
T'ie heiligen Dreikönig mit ihrem Stern,
sie suchen das Kindlem und hätten es gern.
Sie kamen vor Herodes' Haus,
Herodes schaut zum Fenster heraus.
Ach Gott, ach Gott, der H " tere ist schwarz.
Ja, er ist schwarz, er ist wohlbekannt,
es ist Kaspar, König aus dem Mohrenland.
So gib mir doch die rechte H a n d .
Die rechte H a n d , die geb' ich dir r : cht,
du bist Herodes, wir trauen dir nicht,
Dann kamen sie vors Hüttelein
und fanden das Kind im Krippelein.
Sie fanden es ganz nackt und bloß
und legten es Maria auf den Schoß.
U n d wenn ihr was gebt, so gebt es bald,
wir müssen noch durch den finstern Wald,
durch den finstern Wald, durch den tiefen Schnee,
das tut den heiligen Dreikönig so weh.
Am Dreikönigsfest selbst - 6. Januar - läßt nahezu jede
Familie in der Kirche in einer Schale Salz mit Kreide
weihen. Das geweihte Salz wird im Laufe des Jahres
immer wieder in kleinen Dosen dem Gebrauchssalz im
Haushalt zugesetzt. Mit der geweihten Kreide wird auf
dem oberen Querbalken am Hauseingang oder an der
Stubentür ein K + M + B gezeichnet. Dieses Zeichen
(Kaspar, Melchior, Balthasar) soll den bösen Geistern den
Zutritt zum Haus wehren. Der ursprüngliche Sinn des
Zeichens C + M + B ist längst dem Volk verloren gegangen; gehen doch die drei Buchstaben auf den alten
Segensspruch zurück: Christus monsionem benedicat Christus möge dieses Haus segnen.
An Winternachmittagen trafen sich Frauen in kleinem
Kreis zu erholsamen Plauderstunden in der Hostube, bei
der die Bäuerin ihre Gäste mit goldgelbem Gugelhopf und
köstlich duftendem Bohnenkaffee bewirtete. Sonst gab es
im Bauernhaus ja nur Malzkaffee. In der Hostube war
man aber nicht müßig; die Frauen nutzten die Stunden zu
fleißigem und emsigen Stricken von Socken für den Mann
oder von Strümpfen für die Kinder. Das Wort Hostube
kommt von Hofstube, das ist die große Stube des Bauernhauses für die gemeinsamen Mahlzeiten der Familie.
Die Bauern hielten ehemals treu zu ihrer Sippe. An einem
Sonntag in der ruhigen Jahreszeit trafen sich die Familien einer Sippe einmal im Jahr wechselnd in den Dörfern, in dem zur Sippe gehörenden Bauernhof zu einem
Familientag. Die auswärtigen Familien kamen mit dem
gelbfarbenen „Bernerwägele" oder mit der schmuck hergerichteten „Chaise", im Winter, in dem mit Woll- und
Pelzdecken ausgestatteten Chaise-Schlitten angefahren.
Der winterlichen Fahrt gab das lustige Schellengeklingel
vom Rücken der trabenden Pferde fröhlichen Rhythmus.
Von Mitte bis Ende Januar ging die Wachsfrau mit dem
mit einem flachen Wollbauschchen auf dem Kopf getragenen ovalen Korb von Haus zu Haus, um Kerzen und
weiße oder goldbraune Wachsrodel zur Weihe am Lich:meßtag anzubieten.
Wenn man von Lichtmeß etwas sagen will, so muß man
sich der Zeit vor dem ersten Weltkrieg erinnern. I " :htmeß
war damals der wichtige Tag des Dienstbotenwechsels.
Teilweise war Dienstbotenwechsel freilich schon an Martini, weil mancher Bauer sich im Winter, in dem es kaum
Feldarbeiten zu verrichten gibt, den oder wenigstens einen
D' :nstboten ersparen wollte. Solche Wechsel der Dienstboten, auch Ehehalten, genannt, konnte ja nur geschehen,
Stiftung des „Tenebrae" zu Hettingen
Eine Urkunde im Pfarrarch'v Hettingen vom Freitag vor
Quasimodo (8. Apr.) 1491 berichtet: Otilia von Bubenhofen, gb. von Bach, stiftet zum Gedächtnis Jesu unseres
„Behälters" und seiner Mutter, der Himmelskönigin und
Magd Maria f ü r die Seelen ihrer Vorfahren und Nachkommen, ihrer selbst und ihres verstorbenen Gatten Hans
von Bubenhofen, des Landhofmeisters des Grafen Eberhard von Wirtemberg, in die Pfarrkirche Hettingen auf
alle Freitage des Jahres folgendes: Nach dem Amt (!) soll
der Mesner ein Z liehen mit der großen Glocke geben zum
Gedächtnis des Sterbens Christi und erhält als Lohn je
1 Heller. Drauf soll der Kirchherr und die Kapläne das
Responsorium singen „Tenebrae factae sunt" („Es sind
Finsternisse entstanden") samt Vers und Gloria Patri und
Versikel „Proprio filio suo" (seines eigenen Sohnes hat
als es noch Dienstboten gab. Tatsächlich hatte damals, als
man landwirtschaftliche Maschinen noch nicht kannte,
jeder größere Bauernhof einen Knecht und eine Magd
oder wenigstens einen Knecht oder eine Magd. Wenn wohl
auch nicht jeder Knecht oder jede Magd die Stelle wechselten, so war der Lichtmeßtag doch ein wichtiges Ereignis,
sowohl für den Bauernhof wie für die Dienstboten. Heute
hat der Lichtmeßtag nur noch die Bedeutung, daß man in
der Kirche Kerzen und Wachs f ü r den Gebrauch eines
Jahres weihen läßt.
Lichtmeß deutet schon auf das kommende Ende des Winters hin. Zwar noch zaghaft, aber doch zuversichtlich läßt
Lichtmeß eine Ahnung des Lichtes des nahenden Frühlings
verspüren Der Bauer sagt: „L'chtmeß - bei Tag eß". Das
he: 3t, die Morgen- und Abendmahlzeiten sollen wieder
bei Tageslicht eingenommen werden.
Zum Ausklang des Winters gehört im Brauchtum unseres
Dorfes noch die Fastnacht. Wir zeichnen hier, wie eingangs bemerkt, ja ein Bild des winterlichen Brauchtums
des Dorfes Hausen am Andelsbach. Die Fasnet vollzieht
sich in ähnlicher Weise wie im ganzen dörflichen Bereich
des schwäbischen Raumes. Am „Auseligen Donschtig" ist
nach Abholung der Schuljugend durch die Narrengesellschaft das Dorf belebt von den bunten Masken der Schuljugend und der Ledigen, die in einem Umzug den Beginn
der Fastnacht kund tun. Dabei werden oder vielmehr
wurden die auf einem Plakat in Form eines Transparentes
als Moritat aufgezeichneten „Übeltaten" von Mitbürgern
glossiert und gebührend apostrophiert. Am Nachmittag
des Fastnachtssonntags wurde bei gutem Wetter auf einer
im Hof eines Bauernhauses an der Dorfstraße aufgeschlagenen Bühne, bei schlechtem Wetter im „Adler" oder im
„Hirsch" ein Fastnachtsspiel aufgeführt, das spektakuläre
Schauertaten mit lustigem Untergrund und Ende zum
Gegenstand haben mußte. Vor dem Spiel und während
der Pausen bot der Hanswurst in bunter, farbenprächtiger
Kostümierung seine witzigen, humorvollen I llagen.
Nach dem Fastnachtsspiel, bei dem Frauenrollen immer
von Männern gestielt wurden, erhielt die Spielgesellschaft vom Gastwirt die verdiente Bei rtung mit Freibier, Heringsalat, Käse und ßrot. Am Fastnachtssonntag
war dann noch „Bürgerball" und am Fastnachtsmontag
„Ledigenball" mit Maskentreib"n. Den Ausklang der
Fasnet brachte der Aschermittwoch mit der „Geldbeutelwäsche" im Dorfbrunnen. „D'Fasnet wird vergrabe".
Damit ist die Zeit des v, •iterlichen Brauchtumr .m allgemeinen zu Ende. Es geht jetzt machtvoll dem Frühling
und der beginnenden Feldarbeit entgegen. Palmsonntag
und Ostern sind schon in Sicht, und die gehören dem
Frühjs hr.
Josef Mühlebach
Gott nicht geschont), samt der Collekt „Respice quesumus
domine" (schau bitte her o Herr). Darum sollen die Heiligenpfleger der St. Martinspfarrkirche zu Hettingen als
Präsenz dem Kirchherrn 4 Heller und den dreien
Kaplänen je 3 Heller geben, sobald der Gesang zu Ehren
des Leidens Christi vollbracht ist. Während des Ganzen
sollen zwei Kerzen brennen. Otilie stiftet hierzu 50
rheinische Gulden. Das Siegel der Stadt hängt an: l'm
Schild eine Hirschstange quer über aufgerichtetem Löwen.
Ferner das Siegel des Kirchherrn Heinrich Bittel: Im
Schild undeutlich drei Kreuze (?) auf Dreiberg. Die Umschrift scheint auf ,,-huser" zu enden. (Die Ürk. wurde
frdl. durch H e r r n P f r . Gust. Scharm zum Lesen gegeben.)
Wie aus dem Rodel der Fauler-Frühmeß von 1491/98
hervorgeht, hat Kirchherr Heinri h Harthuser ( = Bittel!)
im Jahre 1496 einen Jahrtag zur Kapianei ges irtlt.
J. A. Kraus
115
HARTMANN
REIM
Ein römischer Gutshof bei Inzigkofen
Mit der Niederlage des augusteischen Legaten Publius
Quinctilius V a r r o gegen den germanischen Feldherrn
Arminius und der vollständigen Vernichtung seiner Legionen im Teutoburger W a l d im Herbst des Jahres
9 n. Chr. scheitert der Plan des Augustus, Germanien bis
Abb. 1
R e k o n s t r u k t i o n des H a u p t g e b ä u d e s (Zeichnung J. Spindler,
Tübingen).
zur Elbe dem römischen Imperium einzugliedern, ein
Kapitel römischer Offensivpolitik geht zu Ende. Die in
Vindelicien gelegene Garnisonsstadt Augsburg-Oberhausen, die Ausgangsbasis f ü r den Angriff nach N o r d e n ins
freie Germanien, wird aufgegeDen, eine der beiden dort
stationierten Legionen an den Niederrhein verlegt, die
andere in das neugegrünaete Legionskastell Vindoni^sa,
das heutige Windisch bei Brugg a. d.Aare in der Schweiz.
Die Anlage von BL:nenlandgarnisonen i n Süden Vindeliciens zum Schutze des Alpenvorlandes, Bregenz, K e m p ten, der Auerberg, der Lorenzberg bei Epfach und G a u ting in augusteisch-tiberischer Zeit gehört mit in den R a h men der neuen, mehr auf Sicherheit bedachten Politik '.
Zu einem erneuten Vorrücken k o m m t es dann in der
Regierungszeit des Claudius (41-54 n. Chr.), als eine K a stellreihe der D o n a u entlang, der sogenannte D o n a u limes, errichtet wird. Diese Kastellreihe reicht von Osten
über Oberstimm, K r . Ingolstadt, Burghöfe, K r . D o n a u w ö r t h . £ Clingen, K r Dillingen, welches schon in spättibc ischer Zeit gegründet wurde, Unterkirchberg, K r .
Ulm, R.'i rissen, K r . Ehingen, Mengen-Ennetach, Kr. Saulgau u n d Tuttlingen, bis nach Hüfingen, K r . Donaueschingen 2 . Ein weiteres Donaukastell w i r d im R a u m LaizInzigkoren, K r . Sigmaringen v e r m u t e t 3 .
U n t e r Kaiser Domitian (82-86 n. Chr.) w i r d diese K a stellinie von der D o n a u auf die Schwä' ische Alb vorgeschoben. Es entsteht der sogenannte Alblimes mit den
Kastellen Burladingen, K r . Hechingen, Gomadingen, K r .
Münsingen, Donnstetten, K r . Münsingen, Urspring, K r .
U l m u n d Heidenheim 4. Dies als kurze Skizzierung der
Vorgänge, " : e ue historische Entwicklung a:n der oberen
D o n a u im 1. nachchristlichen J a h r h u n d e r t bestimmten,
östlich von Inzigkofen auf einem flachen Höhenrücken,
der nach N o r d e n und Osten sanft abfällt und im Süden
von der heutigen Straße Laiz-Inzigkofen begrenzt wird,
w u r d e n schon 1848 in der Flur „Krummäcker" römische
116
Mauern angegraben 5. D a dieses Gelände in den nächsten
J a h r e n bebaut werden soll, w a r eine vorherige archäologische Untersuchung unbedingt erforderlich. Die G r a b u n g
w u r d e vom Staatlichen A m t f ü r Denkmalpflege Tübingen
durchgeführt und dauerte von April bis Ende Oktober
1970°. Ziel der G r a b u n g w a r di Fr ..legung der Gebäude, die sich durch hochgepilügte Kalksteine -• in einem
Moränengebiet fremdes Gestein - und sogenannte Leistenziegel bereits an der Bodenoberfläche abzeichneten; weiterhin wurde von der G r a b u n g ein Beitrag zur K l ä r u n g
der Lage des im R a u m Laiz-Inzigkofen vermuteten D o naukastells erhofft.
Die frühesten Funde des untersuchten Geländes stammen
aus der mittleren Bronzezeit, etwa aus dem 15./14. vorchristlichen J a h r h u n d e r t , einer Zeit, die nach dem damals
vorherrschenden Bestattungsbrauch der Beisetzung der
Toten unter einem Grabhügel, Hügelgräberbronzezeit gen a n n t wird. Einige D u t z e n d dieser mittelbronzezeitlichen
Gefäßscherben zeigen uns, d a ß sich im Bereich des G r a bungsarreals °ine Siedlung befunden hat. Hausgrundrisse
oder andere Bebauungsspuren konnten nicht festgestellt
werden. W itere Funde stammen aus der spätkeltischen
Zeit und gehören ins 1. vorchristliche J a h r h u n d e r t .
Die Steinbauten erwiesen sich als Teile eines römischen
Gutshofes, einer sogenannten villa rustica 7 (Abbildung 1).
Das H a u p t g e b ä u d e , 37 auf 27 m, zeigte an der nach
Osten gerichteten Frontseite zwei seitlich aus der Fassade
hervortretende T ü r m e Eckrisaiite genannt, sieben weitere
W o h n r ä u m e gruppieren sich um den Innenhof herum.
Die Frontseite zwischen den be".en Risaliten w a r
Abb. 2
Keramik aus der Mitte des 2. nachchristlichen J a h r h u n d e r t s .
Sogenannter rätischer Becher.
auf ihrer ganzen Länge unterkellert. Der Keller war
durch zwei seitliche Zugänge vom Innenhof her erreichbar. Im rückwärtigen Teil des Hofes fanden sich
drei Pfeilerfundamente. Ein Nebengebäude, wahrscheinlich eine Stallung, war 20 Meter lang und 17 Meter
breit. An keinem der beiden Gebäude waren Teile des
aufgehenden Mauerwerks, sondern nur noch die Fundamente erhalten. Diese bestanden im untersten Bereich
aus kleinteiligen Kalksteinbrocken, die teilweise in Mörtel gebunden waren. Im oberen Teil des Fundaments,
einem Zwischenmauerwerk, waren die Außenseiten aus
grob zugerichteten Kalksteinquadern aufgeführt, der
Zwischenraum war mit in Mörtel gebundenen Kalksteinen
ausgefüllt. Versuchen wir uns, vom Grundriß ausgehend,
eine Vorstellung vom vermutlichen Aussehen des H a u p t gebäudes zu machen 8 . Die seitlichen Eckrisalite waren
wohl zweigeschossig und mit einem flachen Pyramidendach überdeckt. Eine der wenigen überlieferten bildlichen Darstellungen zeigt diese Zweigeschossigkeit 9 .
Über dem Keller befand sich eine offene Säulenhalle,
der Eingang des Gebäudes, über eine Treppe erreichbar.
Wir kennen römische Gutshöfe, wo die Säulen dieser Eingangshalle gefunden w u r d e n l ü . Diese eindrucksvolle
Schauseite, die sogenannte Porticus könnte mit einem
Satteldach überdeckt gewesen sein. Die seitlich gelegenen
Wohn- und Schlafräume wird man sich eingeschossig vorstellen. Aus Wandverputzresten können wir schließen,
daß diese Räume verputzt und teilweise mit einfachen
geometrischen Motiven bemalt waren. Bruchstücke von
Abb. 3
den, dem Hauptgebäude, der Wohnung des Gutsherrn
oder Gutsverwalters, dann aus Nebengebäuden, oftmals
einer kleinen Badeanlage, Stallungen und Scheunen sowie
den Unterkünften des Dienstpersonals. Oft wird der Gutshof von einer Mauer u m f a ß t 1 2 . Im Innenhof des H a u p t gebäudes fand sich noch ein Holzbau, dessen heute vergangenen Pfosten als dunkle Verfärbungen im gelben
Moränenlehm deutlich sichtbar waren. Er mißt 9 auf 6 m.
An der Stirnseite befinden sich zwei Räume, 3 auf 3 m,
in der Mitte des Hauptraumes war eine Feuerstelle.
Dieser Bau hat eine andere Orientierung als der Steinbau
und wird zudem noch von einer Kellermauer überschnitten, ist also älter als das Steingebäude. Die aus den
Pfostengruben geborgenen Funde weiser, ihn jedoch ebenfalls als römisch aus. Ob wir diesen Holzbau als Vorgängerbau des im Stein errichteten Gutshofs ansehen können, muß zum jetztigen Zeitpunkt noch offen bleiben.
Nach den Funden, der Feinkeramik, vor allem der mit
einem roten Überzug versehenen sogenannten terra
sigillata, kann der Gutshof in die Zeit zwischen der Mitte
des 2. und der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts
datiert werden 13 (Abbildung 2). Sehr häufig sind Gefäßbruchstücke, die in römischen Töpferfabriken im pfälzischen Rheinzabern hergestellt worden sind 14. Oftmals
sind diese Sigillaten vom Hersteller mit seinem Namenszug versehen worden. In Inzigkofen wurde das gestempelte Bodenbruchstück einer Schale gefunden, die vom
Töpfer S E V E R I A N U S am Ende des 2. oder zu Beginn
Südlicher Eckrisalit mit Resten eines Estrichbodens.
Hohlziegel (tubuli) zeigen uns, daß einige Räume eine
Wandheizung hatten, Reste eines Estrichbodens weisen
auf eine Fußbodenheizung hin 11 (Abbildung 3). Den rückwärtigen Abschluß des Gebäudes bildet eine offene Säulenhalle. Bei diesen drei Gebäudeseiten glauben wir, daß
die Dächer - den italienischen Atriumhäusern vergleichbar - ihre Schräge zum Innenhof hin hatten. Eine römische Hofanlage besteht zumeist aus mehreren Gebäu-
Aufnahmen: Dr. Hartmann
Reim
des 3. nachchristlichen Jahrhunderts in Rheinzabern gefertigt wurde 15.
Einige Sigillaten, die aufgrund der Tonbeschaffenheit und
ihrer Verzierungsmotive in südgallischen Töpferwerkstätten hergestellt wurden und ins späte 1. nachchristliche
Jahrhundert datiert werden müssen, können wahrscheinlich mit dem Holzbau in Verbindung gebracht werden 10.
An weiteren Funden sind ein Löffel aus Bronze, eine
117
Bronzenadel, eiserne Hausschlüssel, Messer, Meisel und
eine Lanzenspitze zu erwähnen. Zwei Münzen wurden
gefunden, ein As des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.),
welches nach 22 n. Chr. in Rom geprägt wurde, weiter
eine Bronzemünze des Marcus Aurelius (161-180),
eventuell eine hybride barbarische Prägung
Diese beiden Münzen können zur näheren Datierung wenig aussagen. Die Tiberiusmünze ist sehr stark abgegriffen und
folglich lange im Umlauf gewesen und wurde zweifellos
noch von den Gutsbewohnern als Zahlungsmittel benützt.
Im Nebengebäude fand sich ein eisernes Hundehalsband.
Es besteht aus sechs beweglichen rechteckigen Einzelteilen, die zusammengenietet und auf den Außenseiten und
den Verbindungsstegen mit spitzen Stacheln versehen
worden sind. Die nach außen gerichteten Stacheln
sollten den H u n d vor den Bissen wilder Tiere schützen.
Wir konnten bei unserer Untersuchung nachweisen, daß
der Gutshof nach einer Brandkatastrophe verlassen und
nicht wieder aufgebaut wurde. Sein Ende kann im Zusammenhang n r einem der ersten Vorstöße der Alamannen in das Gebiet der römischen Provinz Raetien gesehen werden, wohl dem, der um 233 n. Chr. erfolgte 1 8 .
Um diese Zeit scheint auch die römische Straßenstation
in Flur „Dreissig Jauchert" bei Sigmaringen verlassen
worden zu sein. Einen chronologischen Anhaltspunkt haben wir dort durch einen Versteckfund von 44 Denaren,
die in den Estrichboden eines Raumes eingegraben wurden. Fünf dieser Münzen gehören in die Zeit des Kaisers
Severus Alexander (222-235 n. Chr.), d späteste wurde
228 n. Chr. in Rom geprägt 1 9 . Dieser Versteckfund ist
für uns ein Zeugnis einer kriegerischen Unruhezeit, er
spricht von der H o f f n u n g der Bewohner auf Rückkehr
nach der Flucht vor den einfallenden alamannischen
Scharen, einer Rückkehr, die es nicht mehr geben sollte.
Vom vermuteten Auxiliarkastell wurden bislang keine
baulichen Spuren gefunden. Auch ein 280 m langer, OstWest bi zum Friedhof verlaufender Suchschnitt, brachte
keine Klärung. Mehrere Gewandspangen, sogenannte
Fibeln, die aus der Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts stammen, zeitlich also nicht zum Gutshof gehören,
können jedoch auf die unmittelbare Nähe eines solchen
Kastells hinweisen, wenn man nicht annehmen will, daß
diese Fibeln als Erbstücke von den Bewohnern des Gutshofs getragen wurden.
Es wird versucht werden, die Lage dieses Kastells durch
Luftaufnahmen zu erfassen, auch werden zur letztlichen
Klärung noch einige Suchschnitte angelegt werden müssen.
Die Aufdeckung eines solchen Kastells wäre für die provinzialrömische Forschung insofern von ganz besonderer
Wichtigkeit, da es noch nicht durch Überbauung in Mitleidenschaft gezogen wäre und so eine archäologische
Untersuchung über die Erforschung der Frühgeschichte des
Inz, kofer Raumes hinaus bedeutsame Neuerkenntnisse
zum Aufbau und zur inneren Gliederung eines römischen
Kastells erbringen könnte.
Anmerkungen:
1
2
3
G . Ulbert, D i e römischen D o n a u - K a s t e l l e Aislingen und Burghöfe.
Limesforsdiungen Band 1 (1959), 78 ff. (mit ausführlichen Literat u r a n g a b e n ) . — P h . Filtzinger, Bemerkungen zur römischen O k k u pation Südwescdeutschiands, Bonner Jahrbücher 157, 1957, 181 It. —
H . Schönberger, T h e r o m a n f r o n t i e r in G e r m a n y : an archaeological
survey, J o u r n a l of R o m a n Studies 69, 1969, 144 ff.
G. U l b e r t , a. a. O . 83 ff. — ders., Das römische D o n a u - K a s t e l l
Rißtissen, Teii 1, Die F u n d e aus Metall, H o r n und Knochen. U r k u n d e n zur Vor- u n d Frühgeschichte aus S ü d w ü r t t e m b e r g - H o n e n zollern, H e f t 4 (1970). — P h . Filtzinger, Kastell E m e r k i n g e n ,
F u n d b e r . aus Schwaben N . F . 16, 1962, 85 ff. (besonders A n m e r k u n g 6—10). — Ders., Wehranlagen am Donaulimes in BadenW ü r t t e m b e r g im Luftbild, F u n d b e r . aus Schwaben N . F . 18 I,
106 ff. - H . Schönberger, a. a. O . 151 ff.
F u n d b e r . aus Schwaben N . F . 16. 1962, 86 A n m . 10.
(m:. vielen G r u n d r i ß a b b i i d u n g e n ) . H . H i n z , Zur Bauweise der
Villa rustica, a. a. O . , 15 ff. — D e r G r u n d r i ß des H a u p t g e b ä u d e s
von I n z i g k o f e n läßt die ÜDerdachung des I n n e n h o f e s aus k o n struktiven G r ü n d e n unwahrscheinlich erscheinen. Hinweise zu
f r a g e n der B a u k o n s t r u k t i o n v e r d a n k e ich meinem V a t e r , D i p i . I n g . Architekt Eugen Reim, Esslingen.
8
Im Rheinischen Landesmuseum m Trier befindet sich eine Wancimalere : aus einem vorkonstantinischen P a l a s t in Trier, die einen
römischen Gutshof zeigt.
10
D
Römer in W ü r t t e m b e r g , Teil 3: O . P a r e t , Die Siedlungen des
römischen W ü r t t e m b e r g (1932), 44 ff. (mit zahlreichen Abbildungen).
11
Zu Fußbodenheizung, sogenannter H y p o k a u s t c n h c i z u n g : Saaiburg - Jahrbuch 12, 1953, 7 ff
15, 1956, 38 ff, Eine gut rekonstruierte H y p o k a u s t e n a n l a g e befindet sich im Museum der Stadt
Rottweil.
13
4
Die R ö m e r in W ü r t t e m b e r g . Teil 1: F. H e r t l e i n , Die Geschichte
der Besetzung des römischen W ü r t t e m b e r g (1928), 38 ff. — H . S c h ö n berger, a. a. O . 156 ff.
Die R ö m e r in W ü r t t e m b e r g , Teil 3: O P a r e t , Die Siedlungen des
römischen W ü r t t e m b e r g (1932), 115 ff. (mit zahlreichen Abbildungen).
13
5
Die R ö m e r in Württemberg, Teil 3: O . P a r e t , Die
des römischen W ü r t t e m b e r g , (1932), 325.
Einen hervorragenden Oberblick bei: F. O s w a l d — T . D . Price, An
introQuction t o the S t u d y of T e r r a Sigillata (1920).
14
Einen umfassenden Überblick über die Verzierungsmotive der
Sigillaten von R h e i n z a b e r n : H . Ricken. Die Bilderschüsseln der
römischen T ö p f e r von R h e i n z a b e r n . (1948). — H . Ricken — C h . l i scher, Die Biiderschüssein der römischen T ö p f e r von R h e i n z a b e r n .
Materialien zur römisch-germanischen K e r a m i k , H e f t 7 (1963).
O . Roller. Die römischen Terra-Sigiliata-Töpfereien von Rheinzabern Kieine Schriften zur K e n n t n i s der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands, H e f t I (1965).
15
F Oswald, I n d e x of p o t t e r s stamps on T e r r a Sigillata
W a r e " (1931), 295.
10
Zu südgallischen T ö p f e r w e r k s t ä t t e n : R . K n o r r , T ö p f e r und Fabriken verzierter T e r r a - S i g i l l a t a des ersten J a h r h u n d e r t s (1919).
17
Die Bestimmung der M ü n z e n v e r d a n k e ich H e r r n D r . D . Mannsperger, Archäologisches I n s t i t u t der U n i v e r s i t ä t Tübingen.
18
R. Roeren, Zur Archäologie und Geschichte Südwestdeutschlands
im 3. bis 5, J a h r h u n d e r t n. C h r . , Jahrbuch des Rom.-Germanischen
Zentralmuseums M a i n z 7, 1960, 214 ff.
19
P h . Filtzinger Die römische Straßenstation bei Sigmaringen, Zeitschrift f ü r Hohenzollcrische Geschichte 90, 1967, 19 ff.
Siedlungen
1 Die G r a b u n g w u r d e bis E n d e Mai von Fräulein cand. phil. Sabine
Rieckhoff, Freiburg, die restliche Zeit vom Verfasser geleitet. D e r
G e m e i n d e v e r w a l t u n g I n z i g k o f e n , an ihrer Spitze H e r r n Bürgermeister Sailer, w i r d f ü r die freundliche U n t e r s t ü t z u n g gedankt,
weiterhin den Grundstückseigentümern u n d Pächtern des betreffenden Geländes f ü r die Grabungserlaubnis. H e r r n A . Bede d a n k e
Ich f ü r vielfältige U n t e r s t ü t z u n g . G a n z besonderer D a n k gi'r den
Grabungsarbeitern, den H e r r e n H a a s , Ortlieb, W a l t e r und den
Bauarbeitern der F i r m a H e n s e l m a n n , I n z i g k o f e n , sowie den beteiligten S t u d e n t e n .
7
8
H H i n z , Zur Bauweise der Villa rustica. in: G y m n a s i u m (Beihefte) Heft 7 (197Ü) G e r m a n i a R o m a n a I I I : Römisches Leben auf
germanischem Boden, 15.
Rekonstruktionsvorschläge einer Villa rustica mit überdachtem
I n n e n h o f : F. O e i m a n n , Die Villa rustica bei Stahl u n d Verwandtes, G e r m a n i a 5, 1921. 64 tf. — O . P a r e t Ein H e r r e n h a u s
römischer Zeit bei Mundelsheim. F u n d b e r . aus Schwaben N . F 9,
1935
38, 105 ff. Abb. 59. - ders., Die R ö m e r in W ü r t t e m b e r g
Teil 3: Die Siedlungen des römischen Württemberg (1932), 26 ft.
118
„Sam'an
J O H A N N ADAM KRAUS
Das Bisinger Herrengeschlecht 1188-1385
Heinrich Faßbender hat (ohne Namensangabe) in dem
von Buhl und Knaus im Jahre 1953 herausgebrachten
„Heimatbuch von Bisingen-Steinhofen" Seite 44 f. zwei
Linien der Herren von Bisingen unterschieden, die seit
1229 nachweisbaren Walger und die Kerus, die man seit
1284 kennt. Letztere nannten sich seit etwa 1337 ebenfalls „von Bisingen". Faßbender vermutete, der N a m e
Kerus könne aus Walkerus entstanden sein. Möglich wäre
aber auch ein Übername „Kehr-aus". Seit Erscheinen des
Heimatbuches haben sich noch mehr urkundliche Nachrichten gefunden, so daß die Familie neu untersucht werden kann.
Als ersten Vertreter der Familie „von Bisingen" nennt
(von F. unbeachtet) eine Urkunde ums Jahr 1188 einen
Wernher. Damals gestattete der Graf Egino von Urach
seinen Dienstleuten Schenkungen ans Kloster Bebenhausen
zu machen. Unter den Ministerialen erscheinen dabei Berthold von Egesheim, Leutfried von Metzingen, Hugo von
Geislingen, Gottfried von Nürtingen, Rudolf von Urach,
Wernher von Bisingen, Heinrich von Empfingen und
Eberhard von Metzingen Vermutlich um 1200 nennt der
Rotulus Sanpetrinus einen K r a f t von Bissingen, der wohl
in der Nähe der Teck beheimatet war, sowie einen zu uns
gehörigen Ritter Rudolf von Bisingen, der dem Kloster
St. Peter auf dem Schwarzwald sein Gut (predium) bei
Aldingen (b. Spaichingen) schenkte 2. Am 2. April 1228
verkaufte ein Truchseß (nicht Schenk, wie Faßbender
irrig meint) Baldabertus als Ministeriale des Grafen von
Zollern mit dessen Zustimmung ein Gut im nahen Thanheim an die Brüder des Hospitals der Deutschen zu
Jerusalem. Dabei wird BaldabertsBruder Burkart Flizzing
(der Fleißige?) genannt 3 . Fin Truchseß von Zolr schenkte
schon vor 1189 ein Gut zu Wernshausen (abgeg. bei Steinhilben) ans Kloster Marchtal 4 .
Faßbender hält mit guten Gründen diesen Truchseß Baldabert f ü r identisch mit jenem Baldebertus, der 1229 mit
seiner Gattin Willebirg laut Inschrift ii der Bisinger Kirche dem Gotteshaus einen Hof zu MÖssingen und einen
zu Rangendingen schenkte 5 . Hier fehlt freilich der Titel
Truchseß. Dagegen kommt Baldebert der Truchseß noch
1251 neben dem zollerischen Schenken Wernher vor was
eine Gleichsetzung mit dem Bisinger Wohltäter wohl n : cht
fraglich macht. Ein Baldebert ist 1262 als Bruder des H u g o
von Stauffenberg nachzuweisen, der 1266 Truchseß des
Zollergrafen heißt 7 . Der Name Baldebert ist somit sowohl
bei den Bisingern als bei den Stauffenbergern jener Zeit
gebräuchlich gewesen.
Ein 1251 vorkommender „Sifrid genannt Bisinger" ist
schwer '.inzureihen, gehört aber wohl doch hierher 8 . Am
16. Juli 1255 urkundete Ritter Walger von Bisingen in
Rosenfeld, daß sein verstorbener Vater Baldebertus
(offenbar der Wohltäter von 1229) und sein verstorbener
Bmder und er selbst zu Rosswangen (b. Balingen) vor
längerer Zeit eine Burg gebaut gehabt, wozu sie eine große
Anzahl Äcker bei der Burg n it Gewalt an sich gerissen,
die vor allem dem Kloster St. Blasien gehörten. Nach Zerstörung der Burg und dem Tod des Vaters habe er mit
seinem Bruder die \ : derrechtlich erworbenen Grundstücke je halb geteilt. Auf Protest des Klosters gegen ihn
und semes Bruders Sohn Baldebertus schlug ihm das Gewissen, worauf er seine H ä l f t e dem Kloster und den
andern Eigenti'i-iern zurückgab. Unter den Zeugen finden
wir den Dekan Wernher von Haigerloch und Walther Scholasticus von Hechingen 9. Nach dem St. Blasianer Mönch
Neugart hieß der verstorbene Bruder Walgers ebenfalls
Baldebertus. Man darf annehmen, daß dieser Ritter Walger (I.) um diese Zeit schon bejahrt war und nicht mehr
lange lebte. Am 2. Januar 1263 beurkundete Graf Friedrich von Zollern, daß sein Dienstmann Walger von Bisingen (nicht Ritter, also Walger II.) dessen Mühle zu
Ahausen (abgeg. an der Eyach oberhalb Owingens bei
Ostdorf) dem Kloster Kirchberg übergeben habe. Unter
den Zeugen sind zwei weitere Angehörige der Familie
erwähnt: Herbrecht von Bisingen und Heinrich von Bisingen 10. Allein am 26. Dezember 1277 verkaufte Ritter
Walger von Bisingen erneut seine Mühle apud villam
Ahusen (beim Dorf A.), diesmal mit Einwilligung Baldebrechts von Zainingen, der Walgers Besitz angefochten
hatte, ans Kl. Kirchberg. Der Verkauf geschah in Bisingen in der Behausung Walgers. Baldebrecht war wohl der
Brudersohn des Verkäufers und der ebenfalls als Zeuge
genannte Heinrich von Zainingen (b. Urach) sein nächster
Verwandter, Sohn oder Bruder
Am 8. November 1276
ist in einer Bebenhauser Urkunde die Rede von Grundstücken zu Ichenhausen, die dem Ritter H(einrich) von
Zainingen gehören und unter den Zeugen finden sich
A. der Vogt (preco) von Gruren und Brendlin von Zainingen n a . Statt Brendlin dürfte Bäldlin (Baldebert) zu
lesen sein! Die Zaininger Linie der Herren von Bisingen
hält Faßbender für identisch mit den Kerus, die jedoch
zwei Widderhörner im Schild und als Zier führten, während Walger von Bisingen im Schild einen Topfhelm mit
zwei langen Mützenzipfeln darauf führt, die später sich
deutlicn als Mitra (Bischofsmütze) finden 12.
Walger II. (ohne den Rittertitel) hat am 27. Januar 1269
seinen Hof mit Mühle bei H o l z h a m (abgeg. bei Schömberg) seinem Herrn, dem Grafen Albert von Hohenberg
aufgelassen und n t dessen H a n d zu seinem und st ier
Eltern Seelenheil dem Kloster Kirchberg übergeben 1 3 .
Am 25. Oktober desselben Jahres übergaben dann di Grafen Albert, Burkart und Ulrich von Hohenberg den
Degenhartshof mit Mühle ans genannte Kloster als Erblehen. Hof und Mühle lagen beim Schömberg und der
edle Walger (II.) von Bisingen hatte sie von ihnen und
ihren Voreltern als Lehen gehabt und ans Kloster verkauft. Als Zeuge fungierte der St< nhofer Leutpriester
(Pfarrer), Wernher genannt Zimerii, aiso ein Angehöriger
des Adels von Heiligenzimmern 14. Eine weitere Urkunde
aus demselben Jahr meldet unter gleichen Umständen und
Bestimmungen einen Hof bei Schömberg, vielleicht den
gleichen. Auch erfahren wir aus einer Urkunde vom
12. Januar 1271, daß Waltger (!) von Bisingen (i cht
Ritter) einen Hof zu Endingen b Balingen besaß Iä .
Dagegen erscheint ein Ritter Walherus (Walgerus) von
Bisingen zw chen 1273 und 1291 in einer Rottweiler
Urkunde 16. Es wird der gleiche sein, den wir mit seinem
Domizil (Wohnung) zu Bisingen oben schon zum Jahre
1277 erwähnten. D :ser W o n n i t z war zweifellos das noch
1435 genannte „Bürglin am H o f b r u n n e n " zu Bisingen in
unmittelbarer Nähe des heutigen katholischen P f a r r hauses. Derselbe Ritter Walker (irrig „Walther") v. B.
verkaufte am 15. Jur . 1282 an den Rottweiler Bürger
Heinrich Scnapel mit Zustimmung seines Herrn, des Zollergrafen, seine Mühle zu Schömberg um 42 Pfund Rott119
weiler 17. Ritter Walger ist im gleichen Jahr (ohne Tagesangabe) Zeuge f ü r die Zollergrafen, welche Güter zu
Heselwangen verkaufen l e .
Am 14. Juni 1284 finden wir einen „Baldebert genannt
Kerus" als Zeugen f ü r den Grafen Albert von Hohenberg 19. Der am 2. Januar 1292 . l einer Urkunde des Johanniterhauses zu Villingen genannte Wernher von Bisingen kann nicht von Biesingen bei Donaueschingen stammen, wie Faßbender meinte, denn dieser Ort hieß noch
bis ums Jahr 1500 Boasinhain bzw. Büsenhain 20. Wernher
gehörte vermutlich zu unserer Familie.
Ein Konrad von Blumenberg auf Burg Tannegg an der
Wutach (später auf Blumenegg) schloß am 28. Dezember
1293 einen Ehevertrag mit seiner Gattin Elisabethun von
Bisingen. H e r r (also Ritter!) Walger von Bisingen unterschrieb als einer der Zeugen 11. Faßbender hält die Braut
mit gewissen Gründen für eine Schwester Walgers III. Ihr
Gemahl war bereits im Jahre 1315 tot, vermutlich ohne
Kinder zu hinterlassen. Denn Johann von Blumenegg
übereignete am 15. November dieses Jahres der Frau
Elisabeth v. B., Witwe seines verstorbenen Vetters Konrad von Blumenegg, seine Güter 2 2 . Am 14. Februar und
10. Mai 1316 erhält sie nochmal Güter aus der Familie
ihres Mannes 2 3 . Sie stiftete am 28. Februar 1316 als
„Elisabeth von Blumenberg" mit vielen Gütern das Johanniterhaus zu Lenzkirch zum Heil ihrer Vorfahren.
Demnach waren Vater und Mutter nicht mehr am Leben.
Noch am 1. Februar 1331 übergab Elisabeth v. B. den Johannitern Güter und Leute 24. Dabei ist angegeben, ihr
stark beschädigtes Siegel zeige im Schild einen Helm mit
zwei Büffelhörnern
als Kleinod. (Diese Büffelhörner bezweifelt Faßbender mit Recht). Am 29. Oktober 1334
wohnte sie in einem von ihr erbauten Hause zu Lenzkirch.
Heinrich von Blumenegg nennt sie seine Muhme. Das
Johanniterhaus Lenzkirch führte fortan ihr Wappen: In
Rot eine goldene Bischofsmitra mit zwei hängenden Bändeln. Noch am 27. April 1336 stntete Frau Elisabeth von
Bisingen an die Johanniter zu Villingen einige Einkünfte
f ü r einen Tahrtag f ü r sich und ihren verstorbenen Mann •".
Dann hört man nichts mehr von .hr.
Doch kehren wir nun zu ihrem vermutlichen Bruder, dem
Ritter Walger von Bisingen (III.) zurück. Er erscheint
am 13. August 1298 als Zeuge des Grafen Friedrich von
Zollern betr. Güter zu Entringen und Breitenholz, die ans
Kloster Bebenhausen kommen 28. Ritter Walger v. B. findet sich als Bürge am 20. Januar 1300, als Konrad von
Wartenberg Gülten aus dem Fronhof zu Nendingen (bei
Tuttlingen) an Konrad von Balingen v e r k a u f t 2 7
Am 1. März 1303 schenkte Ritter Walker von Bisingen
(wohl III.) mit Einwilligung sc nes Herrn, des Grafen
von Zoilern, dem Kloster Kirchberg 1 P f u n d 4 Schili.ng
jährlichen Zins aus 2 H o f e n zu Rosswangen als Jahrtag
für seine verstorbene Gatt n Ha.lwig von Blumberg, ferner 30 Schilling aus des Seilers Hof und aus Walthers selig
des Seilers Hof zu 'Weilheim als Jahrtag f ü r seine Mutter.
Zeugen waren die Ritter Kunrad von Blumberg und
Wernher Schenk von Nüwenzell, ferner die Ordensbrüder
Jakob und Wilhelm vom Predigerhaus Rottweil, auch
Wernher und Hug, Gebrüder vor. Babenhofen. Die Urkunde wurde zu Roere auf der Burg ausgestellt 28 , der
heutigen Burgstelle ,,Raur" an der südwestlichen Markungsgrenze von Bisingen im sog. Schlößlewald.
Am 9. Februar 1306 ist Ritter Walker von Bisingen
(ob II.?) Zeuge, als die von Bottingen ihre Güter zu Buchheim ans Kloster Beuron verkauften 20. Nach einer verlorenen Urkunde des Klosters Rottenmünster (bei Rottweil) hat Ritter Waither (Walker) von Bisingen ans Klo120
ster zu seinem und seiner Vorfahren Seelenheil im Jahre
1308 einen Acker im Rottweiler Bann geschenkt 30 . Herr
¡Walgger v. B., Ritter, erscheint am 22. Juli 1309 als
Schiedsrichter zwischen dem Kloster St. Gallen und dem
Grafen Friedrich von Zollern betr. die Klosterhöfe zu
Frommern und Truchtelfingen 31.
Um 1311 sind im Reichskrieg gegen den G r a f e n Eberhard
von Wirtemberg die Burgen Jungingen, Haideck ( H ntere
Burg b Trochtel igen) und Greifenstein (bei Hönau)
durch die Reutlinger Bürger zerstört worden und um Ror
wurde hart gekämpft. Wenigstens berichtet ein lateinisches
Gedicht: „Die tapferen Reutlinger führten ihre Scharen
nach Ror. Dort kamen viele um 32 ", Dreißig Jahre später
erscheint Burg Ror als Burgstall, das heißt unbewohnbare
Ruine.
Eine Urkunde ir» Staatsarchiv Sigmaringen, die aus dem
zollerischen Gebiet stammt, blieb bisher fast unbeachtet.
Sie besagt: Am Tag nach Mariä Verkündigung (26. März)
1312 stellte der Priester Johannes, Kirchherr zu Steinhofen, an den Bischof Gerhard von Konstanz eine Pergamenturkunde aus mit dem Inhalt: Der ehrenfeste Ritter
und H e r r Walgerus von Bisingen und der H e r r Hermann,
genannt von Stainhoven, als Priester haben an den Altar
der heiligen Stephanus und N'kolaus in der Kapelle zu
B.. "gen einige Guter ges ftet, damit von den Erträgnissen der genannte Priester Hermann, der im besten Rufe
stehe, sein Leben lang ohne Nachteil der Pfarrkirche Steinhofen leben könne. Johannes bittet anmit um bischöfliche
Bestätigung. Ritter Walger hat den Amanshof gestiftet,
der jährlich 6 Malter Spelz oder Vesen, 4 Malter Haber
(Burgmeß), 10 Schilling Heller, 1 Viertel Eier ( = 120
Stück), 2 Gänse, 2 Schultern (Schinken) und 4 Junghühner
liefert. Ferner gab er eine Wiese, genannt die Hindaichs,
die jähr!" h 1 P f u n d Heller abwirft. Herr Hermann
schenkte den Z, lingerhof zu Bisingen mit allen Abgaben,
ferner ehie Mühle, genannt die Ahusers Muhli. die jährlich 1 Pfund und 9 Schilling liefert. (Ein weiterer Posten
ist unleserlich gemacht). Ferner stiftete er Äcker und Wiesen, genannt Mundenchsgut, ferner in Thanheim
des
ScbiMlins Gut und die Saillinhofstatt. Johannes siegelt
(Bild des stehenden hl. Johannes mit Palme) und mit ihm
der Dekan von öschingen (Siegel unkenntlich) 3 3 . Dabei
ist interessant: H e r m a n n von Steinhofen w a r ein Vertreter
des dortigen Ortsadels, der uie Bisinger Kapelle besorgte.
Sein ZäinitigSF Hof geht sicher auf die Zaininger Linie
der Bisinger Herren zurück, Angemerkt sei hier noch eine
weitere Nachricht, die auch die Bisinger Kapelle betrifft:
Am 30. September 1424 verkauften die Brüder Benz und
Dietz die Widmer zu Weilen unter der Lochen an die
N'Mlauskapeile Bisingen 7V2 Schilling und 1 Pfund
hellerzinsen aus Haus und Gütern zu Wessingen um
27 P f u n d 5 Schilling Heller. Die Güter hat Heinrich Hans
inne; sie stoßen an Aberii Engeischalks und der Oschwalda Gesäß 33.
Im Jahre 1318 wird ein Zins erwähnt, der aus dem Hof
des Bäidm Kerus zu Balingen zu geben w a r 3 4 . Die von
Bisingen waren am 20. März 1325 neben den Grafen von
Wirtemberg Lehensherren über Grundstücke zu Rottweil 3 S .
Bäldeli Kerus urkundete am 25. Februar 1326, er habe
das Lehen, das Albrecht von Stetten (bei Haigerloch) von
ihm innehatte und das der Huser in Owingen bebaut, dem
Kloster Kirchberg als freies Gut übergeben. Letzteres
liefert jährlich 4 Mit Kernen (Haigerlocher Meß) und
5 Schilling abzüglich 4 Heller, 2 Gänse, 4 Herbsthühner,
1 Fastnachtshuhn, Va Viertel Eier ( = 60 Stück) und zwei
Schulterstücke ab. Das Kloster habe ihm d a f ü r 2 P f u n d
Heller bezahlt. Unter den Zeugen findet sich Benz (Bertold) der Stainhover 30 Dieser gehörte zu einem Haiger-
locher Bürgergeschlecht, das auf den Steinhofer Adel zurückgeht 36a.
im Jahre 1331 schenkte Walger von Bisingen (ohne Rittertitel) ans Kloster Rottenmünster sein Eigentum an 3 Jauchert Acker bei Lizelstetten auf dem Hochgesträß (bei
Rottenmünster) 3 7 .
Am 6. Oktober desselben Jahres gelobten die Brüder
Wernher und Burkart die Schenken von Stauffenberg, den
Klosterfrauen zu Kirchberg wegen des Seelgerats von 30
Schilling, die das Kloster aus ihrem Hof zu Weilheim (bei
Hechingen) bezog, den man „des von Bisingen H o f "
nannte, keine Schwierigkeiten zu machen 3 8 . Vermutlich
war Walger v. Bisingen Vorbesitzer gewesen.
Am 26. Mai 1337 (am Gutemtag, d. i. Montag!) verkaufte
Ritter Walger von Bisingen seinen Anteil eines Hofes zu
Grosselfingen an den Edelknecht Sifrid den Sachs um
38 Pfund Pfennige. Dabei nennt er den Grafen Friedrich
von Zollern-Schalksburg seinen Herrn, den Ritter Heinrich von Tierberg seinen guten Freund. Walgers Wappensiegel zeigt die Mitra 3Sa. Als Konrad Megunssa von Balingen am 14. September 1337 ans Kloster Stetten bei
Hechingen sein Gut zu Ostdorf, genannt Bollers Gut, veräußerte, wirkte als Bürge auch der Kirchherr Walger von
Roßwangen m ^ , der Sohn des Bäldeli Kerus von Bissigen 39. Pitter Walker von Bisingen verkaufte am 16. Mai
1338 dem gleichen Kloster 10 Schilling jährl"-her Gilt
aus seinem Mayerlin-Gut zu Onstmetten, wobe. Berthold
Kerus Zeuge war 40.
Am 18. März des folgenden Jahres 1339 verzichten die
drei Brüder Berthold, Walger und ßeldeli Kerus nach Erhalt von neun Pfund und 3 Schilling Heller auf die Lehenschaft der Güter zu Owingen, welche die ehrbare Frau
Mech' ld, Albrechts des Ganussers sei. Witwe von H a erloch und ihre Kinder, sowie ihre Vorfahren als Lehen der
Gebrüder Kerus und ihrer Voreltern innehatten. Die Güter bauten damals Albrecht der Harscher, q ; Sängerin
und die Broumerin. Sie gaben daraus jährlich 9 Mit Kernen, 9 Schilling weniger 4 Heller, 4 Herbsthühner, 3 Fastnachtshühner, 2 Gänse und 3 Schulterstücke. L s drei Aussteller siegelten nach frdl. Auskunft von H e r r n Staatsarc livdirektor Dr. Eberhard Gönner, Stuttgart, wie folgt:
Siegel 1 und 3 zeigen in einer kreisförmigen PerlstabUmrandung (ohne Schild) einen Kübelhelm mir 2 gegeneinander gestellten Widderhörnern als Helmzier. Umschriften: „S(igiilum) BER(htolai) K E R V S " und „S(igilium)
Bal(deli) KERVS". Das zweite Siegel ist soitzoval mit der
Umschrift: „S(igillum) W A L G E R I P E C T O R I S ECC(lesie)
I N ROSSWA(ng)" (d.h. Kirchrektor oder Pfarrer in R.;
Eszeigt e- ien Kelch und darunter einen kleinen Wappenschild mit den zwei Widderhörnern darin 41. Walger gehörte somit dem geistlichen Stande an.
Benz (Berchtold) Kerus von Bisingen verkaufte am
23. August 1340 mit Zustimmung seiner beiden Brüder,
des Kirchherrn Walger zu Roßwangen und Bäldiis, dem
Kloster Stetten 4 Schilling ew ;er Gilt aus einer Wiese zu
Thanheim. Bürge war ihr Ohe'm Heinrich von Schalksburg der alte, und Zeuge ein AuDrecht von Truchtelfingen
(ob Trochtelfingen? ) 4l a. Das Siegel des Ausstellers zeigt
wiederum einen Kübelhelm mit zwei zueinander geneigten Widderhörnern (ohne Schild), wie es Alberti N r . 1401
abbildet 4 2 .
Dorf Bisingen mit Zubehör zu Steinhofen und Grosselfingen (mit Ausnahme von Heselwangen), wie alles Ritter
Waiger v. Bisingen selig, seiner Schwester Mann, besaß
und er f ü r Betun (Elisabeth) seiner Schwester Tochter,
vom Grafen Friedrich von Zollern-Schalksburg zu Lehen
trug, der nun darauf verzichtet. Auch Betun von Bisingen
stimmt zu und verzichtet auf die Güter 43.
Wenn Faßbender weiterhin die Truchsessin Guta, die
Gattin des Schenken Rudolf von Andeck, als Tochter des
Ringinger Truchsessen Cuon ansah, so war dies ein Fehlschluß. Sie stammte vom Salmendinger Truchsess Cuon u .
Das in ihrem Besitz befindliche Burgstall lag bei Semdach
(abgeg. bei Stetten und Boll), hieß aber nicht so, sondern
vielleicht ursprünglich Neuen oder Niederzell 4Ja.
Benz und Bäldeli Kerus von Bisingen verkauften am
17. April 1343 den Lichtmeistern und Pflegern U. Lb. Frau
und st. Nikolaus zu Balingen ihren 1 beigenen Heinz
K chmaier zu Thanheim um 30 Schilling Heller 45. Auch
am 31. Mai 1352 veräußerten d.e Brüder Berhtold und
Walger Kerus die zu Engstlatt sitzende lemeigene
Mächtild, Eberhards Tochter von Hechingen, an den
Gr. Friedrich den älteren von Zollern. Zeugen waren
Pfaff Konrad der Stainhofer, Pfaff Berhtold Snelle, Heinz
Albrechts und Benz der Steinhofer (Nachkommen des
Steinhofer Adeis). Das noch anhängende S^gel des Walger
Kerus ist nach Wappen und Umschrift das von
Bisingen'sche 40. Demnach muß es die M ~ra zeigen, die
vordem e'e Walger v. B. "n Wappen führten! Walgger
Kerus von Bisingen" war am 7. September 1365 Zeuge
f ü r den Edelknecht Burkart von Schalksburg 47 . Am
29. Januar 1377 sind Walger Kerus v. B. und Heinrich
von Werenwag Diener der Zollergrafen Friedrich von
Schalksburg des älteren und des jüngeren, der Müll
heißt 4 8 . Diese beiden, Vater und Sohn, gewährten am
20. Dezember 1378 den Bürgern von Balingen Erbfreiheit.
Unter den Zeugen findet sich „der Kirchherr von Roßwangen, unser Rat", doch wohl der schon 1339 genannte
Kirchherr Walger 49. Walger von Bisingen (doch wohl ein
Kerus) siegelte am 24. Mai 1381 für Wernher von Rosenfeld, einen Nachkommen der I > : tter von Schalksburg 50 .
Die Brüder Bäldelin und Walger von Bissingen (wohl
legrimierte) Söhne des verstorbenen Firchherrn von Roßwangen, verkauften im Jahr 1385 am 25, Februar Leibeigene zu Engstlatt an aas Kloster Bebennausen 51.
Dies ist a.e letzte Nachricht über c1'e Herren von Bisingen. Lediglich am 16. Februar 1390 veräußerte Wernher
Schenk (wohl von Stauffenberg) und mit mm p • ie H a l b schwester Ursel dem Kloster Stetten bei Hechingen einige
Güter. D a f ü r mußten uie Klosterfrauen einen Jahrtag
halten lassen für die verstorbenen Bruder Walger und
Bäldlin von Bisingen 52. Das Seelbuch des Klosters meldet
denn auch um 1650 unterm J a n u a r : „Requiemsmesse mit
Vig,:l f ü r die Brüder Balthasar (irrig statt Bäldeli) und
Walger von Bisingen" 53.
Kaum begründet scheint mir die Vermutung Faßbenders,
die 1428 erwähnte Stettener Nonne Ursula K r t in habe
etwas mit den Kerus zu tun. E i Verschrieb statt Kerussin
ist unwahrscheinlich, da der N a m e zudem zum Schluß
nur noch „von Bisingen" lautete.
Anmerkungen:
1
Ritter Walger von Bisingen (wohl III.) war im Jahre 1342
tot und seine Burg Ror ein „Burgstall", d. h. zerstört.
Am 24. Juli nämlich verkaufte Truchseß Cuon von Urach,
zu Ringingen gesessen, f ü r 500 P f u n d Heller an die drei
gräfl' hen Brüder Friedrich, Friedrich und Ostertag von
Zollern als „Herren zu Zollern", das Burgstall Roer, das
Fürstenb. UB ! . S. 71, Das W i r t e n b g . UB 3, 208 setzt diese
U r k u n d e irrig mit M a r t i n G e r b e r t u m 1227 an.
Freibg. D i ö z . Archiv, Jg. 15, 171 K r a f t ; R i t t e r Rudolf v. Bisingen
S. 174.
3
WUB
226.
4
F D A 4, 164 und 170.
» H o h z . H e i m a t 1952, 55.
6
M o n u m . Zoll. I, S. 67.
2
121
7
H o h z . J H e f t 1954, 142.
Knoblodi, O b e r b a d . Geschl. Buch 1, 91.
9
W U B 11, S. 490.
'» M o n . Zoil. I, S. 81; W U B 6, S. 92.
11
WUB 8, 71; Zeitsch. f. w ü r t t . LGesch. 1937, 338.
]1
- W U 3 7, 46S; Es ist eine nur als Kopie erhaltene U r k u n d e !
12
v Alberti, W ü r t t . Adels- u. W a p p e n b u c h ; Bisingen u n d Kerus.
13
W U B 7, 8.
14
W U B 7, 52.
15
M o n . Zoll. I, Seite 89.
16
R o t t w e i l e r U B 1896, S. 9.
17
M o n . Zoll. I, S. 91; W U B 8, 353.
18
M o n . Zoll. I . S. 94.
19
W U B 8, 482. O b er tatsächlich aus der Zaininger Linie s t a m m t ,
wie F a ß b e n d e r a n n a h m , sdieint ziemi.ch unsicher!
20
Fürstbg- U B 5, S. 223.
21
Fürstbf: UB I. N r . 631; Zeitschr. Oberrhein 10. 248.
22
N e u g a r t , C o d . dipl. Alem. T. S. 388.
23
Fürstenbg. UB 5, S. 327 f.
24
Fürstbg. UB 5, S. 331.
25
N e u g a r t , C o d . dipl. Alem. I I , S. 432.
2r
> Moi Zoll. I, S. 107; W U B 11, S. 156.
27
R o t t w . UB S. 23.
28
Regest im Findbuch t ü r Kl. Kirchberg i. S t a a t s a r m Stuttg,, nach
dem im 2. Weltkrieg zerstörten Kirchberger K o p a l o u d i .
29
M o n . Zoll. I, S 121.
30
Stuttg. Staatsarch. ß 495, Seite 360.
M o n . Zoll. T, S. 123
32
W ü r t t . V J a h r s h e f t e f. Landesgesch. 1883, S. 3.
33
Staatsarch. Sigmaringen: G r a f s d i . Zollern.
34
Kreisbeschr. Balingen I I , S. 31.
35
R o t t w . U B S. 660 A n m e r k u n g .
8
36
Staatsarch. Stuttg. B 462, U r k . N r . 549.
a H o h z . H e i m a t 1958, 2 8 - 2 9 .
Si^he N o t e 30; Seite 375.
38
Staatsarch. Stuttg. B 462, U r k . N r . 714.
38
a M o n . Zoll. I, S. 149.
4l
37
39
U r k u n d e n d. Kl. Stetten ( H o h z . J H e t t 1955 f.) N r . 108. H i e r
heißt -in Kerus erstmal „von Bisingen". Er w o h n t e wohl hier.
O b er Erbe der Waiger war?
40
U r k u n d e n Stetten N r . 111. D e r Ritter Walger v. ß . w i r d hier
letztmals lebend genannt.
41
Staatsarch. Stuttg. B 462, U r k . N r . 551.
41
a H o h z . H e i m a t 1953, 2 8 - 2 9 .
42
U r k Stetten N r . 120 m n N a c h t r a g S. 349; Alberti, W ü r t t b g .
Adels- u. Wappenbuch.
M o n . Zoll. I. Seite 153.
44
H o h z . J H e f t 1952, 79.
44
a H o h z . H e i m a t 1969 N r . 4, A n h a n g S. 3: Boll.
45
W ü r t t b g . Regesten N r . 6730, Seite 252.
46
Mon. Zoll. I S. 1S6 nach dem Orig. im f. hohz. H a u s -Auch. Sigm a r i n g e r : R. 103, 4. Doch ist Kerus zu lesen, nicht K e r n . Im
J 1350 siegelte J o h a n n von Estetten mit dem bisherigen K e r u s schild: Alberti I, S. 153.
47
U r k . Stetten N r . 255.
43
48
M o n . Zoll. I . S. 232; R o t t w . U B Seite 168.
49
M o n . Zoll. 8. S. 43. Falsbender hält diesen „ R a t " f ü r einen Sohn
des 1339 genannten Kirchherrn.
5° Staatsarch. Stuttg. B 476, U r k . N r . 35.
51
v . Alberti, W ü r t t b . Adels- u. Wappenbuch I, S. 64; Staatsarch.
Stuttg. A 474, U r k . N r . 2400, vom 25. Febr. 1385.
52
U r k . Stetten N r . 329.
53
U r k . Stetten Seite 326.
immer seltener werden die Ausdrücke und "Wendungen in unserer heimischen Mundart.
Am Rande erlauscht
Rangendingen. In gegenwärtiger 2'¿Tt wird unsere hochdeutsche Sprache mit zahllsoen Fremdwörtern durchsetzt.
Die Ausweitung des gesamten Lebens heraus aus dem ehemals so geschlossenen Rahmen von Dorf und Stadt in
weltweite Rereiche bringt auch sprachliche Änderungen
aller Art mit sich. Sogar die Muudart wird hiervon betroffen. Manches uralte, treffliche Wort wird von der Fülle
des Neuen, aber nicht immer besseren - an den Rand, die
Außenseite der so vertrauten heimischen Mundart gedrängt, um dann über kurz oder lang der Vergessenheit
anheimzufallen.
Nachstehend einige Wörter und Wendungen aus unserer
Mundart, die heute teilweise nur noch ganz selten im
Sprachgebrauch vorkommen Da hieß es früher allgemein
Kehner statt Dachrinne und Kear für Keller. Eine Tüte
gab es auch nicht, dafür aber den spitz zulaufenden
Gucker aus meist braunem Papier, Die Kehriiiitschaufel
hieß Ätfiimchaufel, und die Stube wurde nicht ausgekehrt, sondern ausgfurbet. Die Leistengegend nannte man
's-Gmäch. Ein einfältiger und ungeschickter Kerl war ein
Lalle oder ein Dralaram. Im Kleiderschrank hing das
Haß. Knechte und Mägde erhielten in früheren Zc-iten als
Lohn '- Has und 's Essa. Wenn die Glocke einen Riß hat,
dann sekätteret sie. Ein etwas loses Brett garret, und der
hartgefrorene Schnee gauret unter den Füßen, E : n Wasser,
hahn, der nicht mehr ganz c' :ht ist, drädeiet. Wenn man
dem Kinde Angst machte, so hieß man dieses Tun naita.
Beim Essen soll man n'cnt ti 'la, d. h. Speiseteile ständig
aus dem Mund laufen lassen und damit die Kleider beschmutzen. Den Kleinen hat man deswegen einen Trialer
oder einen Trialsdiurz umgebunden. An deren Stelle ist
heute das Latzchen getreten. Wem das Essen wenig
schmeckt und er dann nur mit geringer Eßlust daran herumstochert, der ist schleckig oder ein Schnaiker. Einer
122
aber, der ziemlich trinkfest ist und sich ständig wacker
daran hält, der dudlet oder duderet aubacha. Wer mit
Arbeit so überhäuft ist, daß er bald keine Minute mehr
zur Ausspannung und Ruhe findet, ist überlenkt. H a t jemand Jnglück ,eder Art, so ergreift einen das Mitgefühl
und der oder die Betreffende dauret einen. Ahnen Erwachsene irgend etwas Gutes oder Schiechtes im voraus und
wii'd dies vielleicht
-.'khchkeit, dann heißt es freudig
oder bekümmert: „'s hot mr au aodderet." Wer nach getaner Arbeir ganz ausgepumpt oder erschöpft ist, der ist
ganz grea (fertig). Ein Ei, das keinen Dotter hat, bezeichnet die Mundart als lauterig. Dieser Ausdruck wird auch
im übertragenen Sinne vi lsagend verwendet.
Kommt emand ans Haus, den man nicht kennt, so sagt
man: „'S kommt Ebber". Und mit Äbbes bezeichnet die
Mundart alles wie: Tiere, Pflanzen. Geschehnisse und Vorkommnisse, die man entweder r.cht genau kennt, sieht,
hört, oder die man besonders bewundert. Was in der Zeit
soeben vorbei ist, geschah bearig - und was schon ein Jahr
zurückliegt, das war fend. Wenn ein Kind nicht einmal
ein Weilchen still sitzen kann, dann ist es giefitzig. Eine
Schraube, welche nicht mehr fest sitzt, ist lodderig und
muß angezogen werden Wer durch Krankheit oder Alter
sich arg geschwächt zeigt, der ist auch lodderig geworden
und sitzt oft mauteng umeinander.
Die Sprachscnöpfungen der Mundart entstammen dem
Urgrund unseres eigentlichen Wesens. Fast jedes Wort hat
eine lange Gescb'chte und schließt Verstand, Geist und
Gemüt in einmaliger We e in sich. Wenn heutzutage mit
Recht soviel von dem Wert und dem Sdiucz der Umwelt
geschrieben und gesprochen wird, so darf auch die Erhaltung und Pflege der Mundart als eines der ältesten Kulturgüter in diesen Schutz miteinbezogen werden.
Joh. Wannenmacher
WALTHER FRICK
Aus der Geschichte von Schloß Hohenfels
Nach Achberg scheidet auch dieses Schloß aus dem Kreis
Sigmaringen. In Heft 70/3 hat die „Hohenzollerische Heimat" „Abschied von Achberg" genommen, nachdem die
Exklave mit dem alten Schloß in der ersten, kleineren
Kreisreform Hohenzollern verlassen mußte. Im Sommer
dieses Jahres nun ist endgültig durch den Stuttgarter
Landtag beschlossen worden, daß auch das Hohenfelser
Ländchen vom Kreis Sigmaringen abgetrennt wird. Es
wird dem Konstanzer zukünftigen großen Landkreis eingegliedert, obwohl die Hohenfelser alles Erdenkliche
taten, um in letzter Minute doch noch beim Kreis Sig-
Hohenfels ist, wie Achberg, ein Bereich, dem ein Schloß,
das heißt ein Herrschaftssitz, Namen und Geschichte gab.
Und auch dies scheint gleich zu sein: beide sind vielen
Bewohnern Hohenzollerns fast unbekannt und das, obwohl Hohenfels immerhin innerhalb Hohenzollerns liegt
und nicht weitab im Südosten wie Achberg. Während
aber das Schloß von Achberg heute eigentlich ein Mehrfamilienhaus ist, beherbergt Hohenfels eine Schule, eine
Dépendance der berühmten Schloßschule von Salem.
Wenn man dazu eine Parallele in Hohenzollern anziehen
will, so vielleicht das einstige Kloster Inzigkofen, das
Hohenfels, Aquarell um 1840 (mit freundlicher Genehmigung des Thorbecke Verlags, Sigmaringen)
maringen bleiben zu können. Es ist also auch hier ein
Abschiedslied zu singen, allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, den Oberarchivdirektor Dr. Eugen
Stemmler 1970 auf der Jahresversammlung des Geschichtsvereins machte: gerade weil Hohenzollern jetzt zerteilt
wird, sind der Verein, die Hohenzollerischen Jahreshefte
und die Hohenzollerische Heimat auch weiterhin die Träger der geschichtlichen Überlieferung. Es ist also nicht nur
möglich und wahrscheinlich, sondern erwünscht, daß auch
in Zukunft Heimatforscher sich mit dem Hohenfelser
Land befassen. Denn, um noch einmal Dr. Stemmler zu
zitieren, die Ortenau oder der Hegau sind auch keine
politischen Einheiten mehr, dennoch gibt es dort Geschichtsvereine und Veröffentlichungen; und das sind nicht
die einzigen Beispiele.
auch eine Stätte des Lehrens und Lernens geworden ist,
allerdings f ü r Erwachsene, die nur wenige Tage, höchstens
Wochen bleiben. Hohenfels hat mehr als hundert Jahre,
von 1806 an gerechnet, leergestanden. Im ersten Weltkrieg
wurde hier eine Kindererholung eingerichtet, später ein
Teil von Salem, da diese Schule aus ganz Europa ungemein starken Zuzug erhielt und noch immer erhält. Unweit davon liegt übrigens noch ein historisches Haus, das
gleichfalls als Salemer Schule, das Kloster Hermannsberg,
im Kreis Überlingen.
Hohenfels muß eigentlich heißen Neu-Hohenfels und
taucht unter diesem Namen 1292 oder 1295 in der Geschichte auf. Alt-Hohenfels ist heute eine Ruine, vielen
Wanderern am Bodensee bekannt, oberhalb von Sipplingen gelegen, unfern den modernen Wasserbereitungs123
anlagen der Bodensee-Versorgung für Stuttgart. Der H a l denhof dicht neben Alt-Hohenfels bewahrt in einer Stube
das Gedächtnis an Burkart von Hohenfels, den Minnesänger, der aus diesem Geschlecht stammte. Im 13. Jahrhundert gab es also zwei Burgen mit Namen Hohenfels,
und beide lagen innerhalb eines Herrschaftsgebietes. Zu
Neu-Hohenfels gehörten u. a. Deutwang und Oberndorf,
Sigmaringer Kreisgemeinden also, und Seeinngen und
Mahlspüren, zum Kreis Stockach gehörig. Zwischen den
beiden Namengruppen verläuft der teilweise sehr steile
Abbruch der schwäbisch-bayerischen Hochfläche zum Seebecken. Alt-Hohenfels hörte etwa um die Mitte des 14.
Jahrhunderts zu bestehen auf, während Neu-Hohenfels
ein für Hohenzollern recht interessantes Schicksal fand;
die Tochter eines Konrad von Hohenfels, der keine Söhne
hatte, heiratete 1354 den Ritter Wolf von Jungingen, und
so kamen die Herren aus dem Killertal zu diesem Besitz.
1506 kaufte die Deutschordenskommende Altshausen die
Herrschaft Hohenfels, die genau 300 Jahre in ihrem Besitz
bleiben sollte, bis 1806 das Haus Hohenzollern den Besitz zugeteilt erhielt. - Was für eine Burg in früherer Zeit
Neu-Hohenfels darstellte, wissen wir nicht. Das älteste,
in Stein gehauene Datum befindet s h am Treppenturm
des Südwestflügels und lautet auf 1553. Nach den „Kunstdenkmälern Hohenzollerns", denen wir hier folgen, soll
die Kapelle möglicherweise älter sein. Sie wurde 1589
(neu?) geweiht. Was heute als Schloß dasteht, ist ein Bau
aus den 173Öer Jahren, samt Zubauten und Renovierungen im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts. Einen Teil
dieser Arbeiten leitete der große Johann Caspar Bagnato,
der Baumeister des Ordens. Ein Teil allerdings, so der
Südostflügel, geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Der
Grundriß sieht merkwürdig verzogen aus. N u r der Östflügel bildet mit dem Südwestflügel einen rechten Winkel.
Der nördliche Flügel sitzt in spitzem W! ikel daran, und
der kleinere Nordostflügel hängt ganz schräg versetzt
zwischen Ost- und West-Teil. Das hängt mit dem Standort zusammen, denn das Schloß sitzt auf einem Sporn des
erwähnten Abbruchs zum Seebecken. - Große Ereignisse
scheinen s;ch auf Hohenfels nicht abgespielt zu haben,
jedenfalls ist uns nichts davon bekannt. Hier ging das
Leben offenbar immer seinen ruhigen Gang, kein Schade,
wenn man weiß, was „große" Zeiten so alles mit sich zu
bringen pflegen.
Ein altes Veringer Gedicht
Glich denen andern Vögeln 10 allen,
U n d ließt nit Dine Federn fallen,
Im Jare so gar oft und dick 2.
Das wär Diner Kirchen groß Gelick n ,
Und dazu haben allen Rat,
Und was der Kirchen wol anstaht 1 2 .
Das würd man alles by Dir sechen 13
Uf nochzytlich Tag 14 mag ich jechen 15.
Darumb Du haiiger Erzengel:
Schliegst ainmal drin mit aim Bengel,
Oder ließest Du din Wage schnellen,
Daß ainsmals dann dieselben Gsellen
Fielent rus us Diner Wag,
Und über sy kern aine Plag,
Als 1 6 do geschach den Azottern 97 ,
Die da nammet die Arch Gotts des Herrn,
Und stöllten sy zu Dagons Saalen 1S.
Darum würdent sy zur Erde falen."
Seine h o l p r ^ e n Reime finden sich in einer Renovation
des Einkommens des hl. M'chael, des Kirchenpatrons zu
Vermgendorf, vom 1. Dezember 1523 (Fürstl. Arch. Sigm.:
VerLigen R 78, 34 Seite 4). Vermutlich ein Kleriker der
Kirche, der ich mit den Zensiten des Heiligenfonds offenbar ungern öfter herumschlagen mußte, hat sie verfaßt.
Er sähe lieber, die Abrechnung würde nur 1 mal jährlich unter der weltlichen Geriditslinde vorgenommen.
Dann hätte der Heilige auch pirht so große Unkosten.
„Sant Michel, der Erzengel gut,
Der macht gar oft ain guten Mut
Im Jar herum gar vil und dick 2,
Und wie es sich auch dann nun schickt,
Wenn man (oft) tut zusammen kummen
Und mit der Kriden 3 macht die Summen
Uf dem Tische hin und har,
Das ain Dings und das ander bar.
Das dritt schribt man ins Rechenbuch:
Anno dni. 1000 vierhundert such 4 !
Da findest Du es alls geschrieben,
Was vormals ist noch über blieben,
Rubis und stubis, Batzen und Stil,
Als es mich dan bedünken wil,
So kosts Sant Micheln wol 10 P f u n d ,
bis ain jetlicher netz 5 den Mund:
Durch 6 sant Michels N u t z und Ehr.
Ach Du mein vil lieber Her 7 !
Welte man Dich nit seninden,
So erriet mans dick 2 under der Linden 8 .
Da würd es necher 9 gerichtet us,
Und tätest des jars nur ain Muß,
124
D a ß vor über 400 Jahren auch im Laucherttal ein Verseschmied saß, war vielen bisher unbekannt!
Anmerkungen:
1
gute Stimmung bei den Z a h l e n d e n 2 häufig, oft. 3 Kreide. 4 die
J a h r z a h l 1400 l ä ß t v e r m u t e n , d a ß die Verse schon ins 15. J h . zurückreichen. 3 benetzen mit dem v o m Heiligen zu stellenden W e i n !
6
zu 7 H e r r entstanden aus „hehr". 8 wohl Gerichtslinde, nicht im
P f a r r h a u s . -im Wein. 9 näher. 1 0 Zinseinnehmer; gewagte Anspielung auf die Flügel des hl. Michael. 1 1 Glück. 1 2 ansteht, n ü t z t .
13
sehen. 1 4 Hochfeste. 1 5 sagen, v e r k ü n d e n . 1 6 so wie. 1 7 I m 1. Buch
der Könige K a p . 5 w i r d e r z ä h l t : Die Bewohner v o n A z o t stellten
die den Israeliten abgenommene Bundeslade in ihren T e m p e l v o r die
Statue d :s Götzen D a g o n , die d a n n immer wieder herabstürzte.
18
T e m p e l r a u m (Vgl, M i t t l . H o h z . 1916 (Jg. 50) 101).
Joh. Adam Kraus
J O H A N N ADAM KRAUS
Hechinger Bürgersöane im Kloster Allerheiligen,
davon zwei bedeutende Äbte
N u r mit Wehmut kann der Wanderer, der die Schönheiten des Schwarzwaldes bei Oppenau genießend die
dortigen Wasserfälle hinaufgestiegen ist, die Ruinen des
ehemaligen Prämonstratenserklosters Allerheiligen (Gemarkung Lierbach bei Oberkirch) betrachten, in dem 600
Jahre lang die regulierten Chorherren des hl. Norbert von
Pr< montre das Lob Gottes verkündeten. Im Jahre 1803
wurde das auf eine Stiftung einer Gräfin von Schauenburg zurückgehende Kloster aufgehoben, und die Gebäude fielen kurz darauf einem Blitzschlag zum Opfer.
Die Ruinen der 1260 erbauten und 1470 erneuerten Kirche sind Zeugen bedeutenden Kunstschaffens. Oft ist Allerti „iigen auch das Ziel von Ausflügiern aus Hohenzollern und Hechingen.
D a ß auch t lige Bürgersöhne aus Hechingen im 17. und
18. Jahrhundert hier dem Orden beitraten und zwei von
-inen zur Würde des Abtes erhoben wurden, scheint bei
uns weiterhin unbekannt zu sein. Das Erzbischöf. ""he
Archiv in Fre '<urg verwahrt einen schmalen Band (Signatur H a 561), in dem a e Chorherren des 18. Jahrhunderts
die Namen von Insassen und Vorstehern des Stiftes mit
ihrem Profeßjahr aufgeze hnet haben. Es finden sich:
N r . 272 Rev. Pater Edmundus Kipp, Hechinganus, prof.
1696.
N r . 273 R. P. Franciscus Moser, Hechinganus, prof. 1698.
N r . 278 R. P. Joachimus Baehr, Hechinganus, prof. 1706,
abbas 38.
N r . 284 R. P. IfTridus Baehr, Hechinganus, prof. 1710.
N r . 292 R. P. Carolus Pulser, Hechinganus, prof. 1718,
abbas 40.
N r . 298 R. P. Joannes Baehr, Flechinganus, prof. 1726.
N r . 303 Frater Josephuc Baehr, Hechinganus, diaconus,
prof. 1738.
Auf Seite 8 steht nun näheres über den 38. Vorsteher des
Klosters: „Er hat auf diesen Blättern di? Geschichte seiner Vorgänger beschrieben und seinen, der ewigen Seligkeit würdigen, Namen noch hinzugefügt: Joachimus
Baehr, zum Abt gewählt am 20. Jun 1718. Er stammte
aus Hechingen, war vor der Wahl Subprior, Novizenmeister und mehrere Jahre Professor der Philosophie und
Theologie. Er regierte 28 Jahre, war ein Mann von ge-
fälligem heiteren Wesen, bei den Seinen wie auch bei den
Fremden (besonders den Fürsten) wegen seiner guten
Sitten und frommem Leben sehr geliebt, ein Vorbild im
Studium und Beten, sowie in den geistlichen Übungen
f ü r unsere Gemeinschaft. Unter ihm stieg nicht nur die
Zahl der Mitbrüder, sondern auch die klösterliche Zucht,
die Studien und das familiäre Zusammenleben ungemein.
Die zum Weinbau nötigen Gebäude und Ställe, die durch
vorausgehende K ege zerstört waren, hat er teils repariert, teils neu errichtet. Er baute auch das Pfarrhaus in
Appenweier und hier in Allerheiligen das Gästehaus neu
wie auch andere Gebäude in und außer dem Kloster und
renovierte dii Kirche. Er stattete auch die armselige
Sakristei reichlich mit Paramenten aus, tat sich hervor
durch Freigebigkeit und Hilfsbereitschaft gegen die Armen. Er leuchtete hervor durch Sittenreinheit und von
jung an durch Reinheit und übte bewundernswerte Zuri khaltung und Vorsicht gegenüber den Frauen. Seine
hervorragenden Werke der Oekonomie sind im Protokoll
des hochw. Abtes Carl weiter unten beschrieben. Er starb
hier im Kloster an einer kleinen Wunde am Fuß, die
durch einen Nagelriß verursacht war, wozu nachher eine
iL 'liehe Blutvergiftung (?) kam, am 18. Mai des Jahres
1776. Beerdigt wurde er im Heiligtum, wo sich die Cnorstühle befinden."
Der 40. Vorsteher und 8. Abt: „Der hochwürdigste H e r r
Carolus Pulser aus Hechingen wurde am 19. August 1756
(nach dem Tode des Abtes Laurenz Schlecht) gewählt und
erst am 10. Juli 1757 geweiht vom hochw. Prälaten
Benedikt (Rischer) von Gengenbach unter Assi :enz der
Benediktineräbte Bernhard (Beck) von Schwarzach und
Carolus (Vogel) von Schuttern, und zwar in der Pfarrkirche von Oberkirch Die Weihe hatte sich wegen Schw.'1rigkeiten mit dem zuständigen bischof von Straßburg
verzögert. Abt Carolus Pulser le::ete das Stift in hervor
ragender Weise zu höchstem Nutzen der \ "ssenschaft und
Oekonomie. Er starb selig im H e r r n am 16. September
1766 im Alter von 66 Jahren, im 42. Jahre seines Priestertums. Sein L e i j ruht am Eingang des neuen H e gtums (sanetuarium) unter der Ampel. Es möge ihm leuchten das Ewige Licht. Amen."
Wappenbuch der H A G AG, Bremen
bildet das Werk nicht nur eine interessante Lektüre, sondern auch ein wichtiges Nachschlagewerk.
B.
In den letzten Jahren wurde von der H A G A G das bekannte, von Prof. O. H u p p verfaßte Sammelwerk „Deutsche Ortswappen" neu aufgelegt. Als Band 8 erschien 1971
das Bundesland Baden-Württemberg. Die Neubearbeitung
besorgte Klemens Stadler. Nach einem kurzen Überblick
über d ; e Geschichte der einzelnen Landesteile foigt eine
sehr lesenswerte Ausführung über das gemeindliche Wappen- und Siegelwesen ' i Baden-Württemberg, Der spezielle Teil bringt auf 100 Seiten ca. 400 Ortswappen von
Baden-Württemberg, ,eweils mit einer kurzen Beschreibung der Ortsgeschichte, des Wappens und seiner Herkunft. Von Hohenzollern finden wir c :e sieben Städte
Gammertingen, Haigerioch, Hechingen, Hett.ingen, Sigmaringen, lYochtelfingen und Veringenstadt, außerdem
die Orte Bingen und Burladingen. Für den Heimatfreund
Die Flur Beltmur, über die Michael Walter (Hohz. JHeft
1955, S. 31) ausfuhrlich schrieb, lag nicht auf Gemarkung
Veringenstadt, w er meinte, sondern 1444 in der Flur
Stetten, die zu Veringendorf gehört (Freibg. Diöz. Arch.
1968, 436). Der Stettener Berg "egt mitten im Laucherttal
und zeigt oben eine künstliche Zui.chtung, vielleicht von
einer Befestigung oder Kirche. Wie neulich wieder bei der
Archivartagung 1970 in Leutkirch betont wurde, bedeutet Betmur (anderwärts Betbur) soviel wie Kapelle,
eigentlich „Gebets-Mauer"
Aus dieser Bezeichnung
möchte man schließen, die Betmur habe ursprünglich eine
offene Gebetsnische oder n n halboffenes Hei_igtum bedeutet. Ob diese Stätten in aie älteste Zeit des Christentums zurückreichen, wie Walter vermutete, ist schwerlich
glaubhaft, da jeder Beweis fehlt.
Kraus
125
J O H A N N ADAM KRAUS
Die Zimmerer und das Bruderhaus Bernstein
Der von 1269 an nachweisbare Ortsadel von Heiligenzimmern ist von Max Schaitel in Zollerheimat 1936,
18-19 behandelt worden. Ihre Burg lebt zwar nicht einmal mehr in der Erinnerung der Einwohner, aber t ' n e
..Burghaide" über dem ehemaligen Herren- und späteren
Kirchberger Hof ist im Jahre 1560 noch nachzuweisen.
Herrenhof und Burg : nd deutliche Zeugnisse der ehemaligen niederadeligen Herren. Ursprünglich hießen sie
Herren „von Zimmern", aber bald Zimmerer oder Zlmmerli, um nicht mit den ebenfalls am Ort begüterten hochadeligen Herren (späteren Grafen) von Zimmern (d. i.
Herrenzimmern bei Rottweil) verwechselt zu werden.
Nach dem Schwesternbuch des Frauenklosters Kirchberg
unweit Heiligenzimmerns hätten c. e ade gen Damen
Elisabeth von Büren (a'bgeg. i Beurener Tal nebenan:
Gemeinde Vöhringen) und die beiden leiblichen Schwestern Willburgis und Kunigundis von Zimmern das Kloster kurz vor 1237 gegründet (Honz. J H e f t 1964, 341).
Man darf bei diesen beiden an Heiligenz.mmern denken,
das alt „Zimmern in Horgun", Horgenzi nmern, Holgenzimmern hieß. Als erster männlicher Sproß wird „Wernher
genannt Zymerli" 1269 mit Walger von Bisingen erwähnt. Im Janre 1296 war ein gieichnan ger Ritter
Wernher Zimmerer hohenberj eher Vogt zu Haigerloch
und 1318 ersehe .'t Wernher der Zimmerer mit seinem
Sohne Heinrich als Bürger zu H o r b (Urk. 138 des Kl.
Kirchberg im Stuttg. Staatsarchiv). Schon 1308 hatte ein
Priester Konrad der Zimmerer einen Hof zu Schietingen
(Kop. Kirchb. II, 23). Konrad wird auch am 20. Juni
1317 mit diesem Hof und zwe 1 leiblichen Brüdern
Albrecht und Wernher aufgeführt (Mon. Hohbg. 211).
Am 1. Mai 1364 war Conrad Zimerb Bürge für Heinrich
den Buwenburger zu Haigerloch (Urk. 367 Kirchbg.) und
1369 f ü r Renhard von Berstigen (ebenda U 732). Vielleicht der gle..he Konrad Zymerli hatte 1389 als hohenbergisches Lehen das Dorf Imnau Hno der Vogtei und
einem Haus in der Unterstadt Haigerloch (Müller, Quellen Hohenbg. I, 134: Kodier Haigerloch 774). 1418 und
1419 nennt Alberti einen Georg und Anshaim Zimerer
zu H a m m e t w t 1. Schaitel bringt noch weitere Daten, wozu
noch zu ergänzen ist: Am Sonntag Vocem jueunditatis
(26. April) des Jahres 1478 erhielt H e r - ch Zimmerer,
dessen Familienzweig wohl seit Beginn des 15 Jahrhunderts in Hammetweil bei Neckartenzlingen wohnhaft war,
als österreichisches Lehen das Schloß und die Güter zu
Hammetweil mit 44 Jauchert Acker, 30 Mm Wiesen,
20 J Egerten, 400 Mg Wald, 6 Mg Weingärten. Dies alles
hatte jedoch schon fünf Jahre später e n Hans von Kaltental inne. Um diese Ze> verschwinden die Zimmerer aus
den Urkunden. Ihr Wappen zeigte ein oder drei Zimmerbeile im Schild (einmal einen Flügel mit 1 Beil; vgl.
Albertis Wappenbuch).
Schaitel nimmt mit Recht an, daß die Familie bereits um
1300 den Ort Heiligenzimmern verl.' 'ß, dortigen und benachbarten Besitz stieß sie jedoch erst später ab, was zu
beachten bleibt: Am 19. Februar 1351 verkauften die
Brüder Konrad, Hermann und Heinrich die Zimmerer
ans Kloster Kirchberg alle Lire Äcker und Wiesen, die sie
und hr Vater im Banne von (Heiligen-)Z.mmern hatten,
um 10 Pfund Heller. Bürge ist Ritter Marquard von Ow.
Dabei wird angemerkt, daß die 3 Brüder knapp zu ihren
Tagen gekommen (großjährig) seien (Kirchb. U 814).
Wichtig ist die Nachricht Hodlers (nach Theod. Schön):
Am 2. Januar 1361 habe Hermann von Ow von denselben Zimmerern Kunz, Hermann und Heinz, genannt
„von Höfarts- (d. i. Hamniet-)weiler", um 45 Pfund Heller den bei Heiligenzimmern gelegenen Wald Bernstein
samt etwa 90 Jauchert Feld gekauft, habe es als bisheriges
Lehen des Klosters Reichenau freigemacht und am 21. Juli
1361 den Waldbrüdern geschenkt, was wohl den Anfang
des Bruaerhauses Bernstein (zwischen Heihgenzimmern
und Kirchberg) bedeutete. Denn laut Glatter Chronik
übergab Abt Eberhard von Reichenau am 12. November
1361 dein Bruder Ulrich (Ulin) die Hofstatt Bernstein
mit der Bedingung, daß die Waldbrüder dafür jährlich
auf Lichtmeß Va Pfund Wachs reichen müßten. Im Jahre
1370 weilte dann Bischof Heinrich von Konstanz die
erste Kirche zu Bernstein (Hodier, 274 und Anmerkungen).
Vertrag über die Heiligkreuzkapeile bei Hechingen 1406
Die gräflichen Brüder von Zollern Friedrich der Schwarzgraf und Ostertag einigen sich mit dem Hecninger Dekan
Heinrich Boll und ihrem Vetter Fritz von Zollern (dem
Oettinger) wegen der Kapelle des hl. Kreuzes auf dem
Uchtat, die neulich erbaut und geweiht wurde, laut Urkunde vom 3. April 1406. Sie mv'nten, die Kapelle gehöre in die Pfarrkirche gen Hech' .gen und die Kastenvogtei daselbst. Der Vetter aber bringt vor, .e Kapelle
stehe auf dem Seinen und des Klosters zu Stetten Eigentum und er hab die Kapelle gebaut und soll sie auch verleihen und besetzen. Es wurde dann vereinbart: Aus den
Einkünften der Kapelle ist ,ährin h im Herbst an den
Kirchherrn zu Hechingen 1 Pfund Heller zu geben. Graf
Fritz (der Oettinger) soll der Kapelle und des Opferstockes zuständig sein, sie besetzen und entsetzen n t
Pfleger, Priester und allen Sachen. Der oder die Priester
126
der Kapelle sind dem Kirchherrn zu Hechingen zu nichts
verpflichtet, weder zu Dienst, noch Zehnt, noch Opfer,
noch sonst etwas, außer es würde etwas zur Kapelle gestiftet, was vorher der Pfarrkirche Hechingen oder den
genannten Brüdern von Zollern zehntbar war. Dieser
Zehnt soll wie bisher ble' ien, außer Zinsen, Korngilt und
Hellergilten. Die Brüder verzichten auf alle Ansprüche
an die Kapelle. Pfaff Heinrich Boll, Dekan des Kapitels
Hechingen und Kirchherr daselbst, stimmt dem förmlich
zu. Alle drei Grafen und der Dekan siegeln und dazu
noch Konrad Eminger, Dekan und Kirchherr zu Ebingen,
Wernher Gnaister als Meister der freien Künste und
Kirchherr zu Balingen, sowie Hans H ü r n i n g (Hüring)
als KLchherr zu Weilheim. (Kopie im f. hohz. Hausarchiv R. 78 N . 66.)
J. A. Kraus
Der Begriff Burgstall
Das Wort Burgstall bedeutet nicht einen Viehstall bei
einer Burg, sondern wörtlich „die Stelle, an der eine Burg
steht oder stand". Es wird meist gebraucht von einer vergangenen Burg oder Burgruine, an die das Recht des
Wiederaufbaus geknüpft war. Interessanterweise ist der
Begriff Burgstall wesentlich erweitert in einer lateinischen
Urkunde des Bischofs Rudolf von Konstanz vom 15. N o vember 1278 mit Bezug auf Jungingen. Es heißt da:
„Eberhard von Jungingen habe ans Johanniterhaus
Jungental (bei Starzein i. Killertal) eine Schenkung gemacht, nämlich die Hälfte des Dorfes Jungingen und den
ganzen Landbereich der Burg Jungingen (municipium
castri J.), der gewöhnlich Burgstall genannt werde, und
zwar mit allem seinem Zubehör, wie er auch heißen möge,
nämlich Vogtei, Wiesen, Weiden, Wälder, Haine, Gewässer, Wasserläufe, Mühlen, Wege, Unwegsames, Bannrechte, Jurisdiittion genannt Zwing und Bann."
Demnach bedeutete Burgstall nicht nur Stelle einer Burg
oder Burgruine mit dem Recht des Wiederaufbaus, sondern umfaßte den ganzen rechtlichen Bereich, der zu einer
Burg gehörte. Deshalb ist bei Veräußerung oder Besitzwechsel einer Burg manchmal unterschieden zwischen Burg
und Burgstall, wie z. B. 1405, wo Ritter Jörg Truchseß
von Ringingen und seine Frau Ursel von Hörningen die
Feste Habsberg bei Langenenslingen samt dem Burgstall
an Stephan von Gundelfingen verkauften. ( H J H e f t 1952,
18; Die Urkunde betr. Jungingen liegt im Staatsarchiv
Stuttgart B 352, U 406. Vgl. auch Berner, Dorf und Stift
Oehningen 1966, S. 227.)
J. A. Kraus
Neuer Strüb-Kalender
Die Hohenzollerische Landesbank hat auf 1972 wiederum in Zusammenarbeit piit der Erzabtei Beuron einen
Kalender herausgegeben. Er ist dem Maler Peter Strüb
aus Veringenstadt (gest. 1540) gewidmet, hier identifiziert
als „Mi ! ster von Meßkirch". Die Bank, die solche wertvollen Kalender mit Kunstwerken verklungener Epochen
in Südwestdeutschland herausgibt, erwirbt sich damit
ebenso ein kulturelles Verdienst wie d'e Kunstanstalt in
Beuron mit der hervorragenden Ausstattung. Sie schreibt
auch die Texte in drei Sprachen - französisch, englisch
und deutsch - wodurch der Kalender einen interna analen
Anstrich erhält. Es soll aber nicht verhehlt werden, daß
die im Text geäußerte Meinung, Peter Strüb sei der
„Meister von Meßkirch", nach wie vor heftig umstritten
ist. Was den Verlag dazu veranlaßte, diese Identität als
so selbstverständlich vorauszusetzen, wie es hier geschieht,
wissen wir nicht. Neuere Erkenntnisse in der StrübForschung dürften es nicht sein, sonst wäre die Rede
davon. In dieser Frage ist schon viel Tinte verspritzt worden, und wir wollen ihn nicht von neuem entfachen.
Wir weisen ledigl :h auf das Problematische hin, den
letzten der Strüb in Veringenstadt ohne weiteres mit dem
namenlosen Meßkircher Meister gleichzusetzen.
Frick
Eremitenleben
Bekanntlich lebten auch in Hohenzollern im 16. und 17.
Jahrhundert bei einsam gelegenen Kapellen Eremiten oder
Einsiedler als Wächter und Mesner, aie teils von milden
Gaben, teils von ihrer H ä n d e Arbeit lebten. Was kirchlich von ihnen gefordert wurde, geht aus einem Schreiben
im Erzbischöflichen Arch'v Freiburg hervor, daß sich in
der aus Konstanz vom Bischofshof stammenden H a n d schrift N r . 330, Seite 2u8 findet:
„Vor mir (dem Generalvikar des Bischofs von Konstanz)
erschien der geliebte Frater Nikolaus aus der Stadt H o r b
und brachte vor, er wolle ein Eremitenleben führen und
zwar auf dem Berg der hl. Uttha bei dem Kloster Uttenweiler (b. Riedlingen) mit den Statuten, wie sie f ü r Einsiedler gelten und dem vorgeschriebenen H a b i t oder
Ordendskleid. Erbrachte gute Empfehlungen von gesetzten und glaubwürdigen Personen betreffend seinen Lebenswandel. Somit gestatten wir ihm hiermit kraft bischöflicher Autorität, an dem besagten O r t Eremit zu
werden und daselbst Gott treu zu dienen. Zu seinem
Lebensunterhalt soll er (in der Armut des hl. Franziskus)
milde Gaben frommer Leute erbitten. Damit jedoch f ü r
seine Aufführung eine gewisse Sicherheit gegeben ist, muß
er sich verpflichten:
1. Das Gelübde der freiwilligen Armut, steter Keuschheit
und des Gehorsams gegen den Oberhirten abzulegen.
2. Täglich das kl^ tie Offizium (Stundengebet) zur allerseligsten Jungfrau Maria zu beten, und soweit er am
O r t und seiner Gesundheit nach möglich ist, täglich die
hl. Messe besuchen.
3. Auf jeden ersten Sonntag im Monat zu beichten und
kommunizieren, falls nicht sein Beichtvater anderes bestimmt.
4. Jeden Freitag des Jahres und an andern von der Kirche bestimmten Tagen zu fasten, außer wenn er krank
ist oder durch sonst einen vernünftigen Grund verhindert wird.
5. Muß er geloben, seinen H a b i t nicht abzulegen oder zu
andern ohne Zustimmung der Obern.
Zur treuen Erfüllung dieser Vorschriften hat er sich in
einem feierlichen E. Ischwur vor uns und unserem N o t a r
verpflichtet. Hierauf haben wir ihn in unseren bischöflichen Schutz und unter die „klerikale Kriegerschar" aufgenommen. Seinen Beichtvater, der gelehrt und fromm
sei, darf er aus dem Klerus der Umgegend selbst auswählen, wie er jetzt den Dekan des Kapitels wählte. Damit er bis an sein Lebensende in seinem hl Beruf verharre, ermahnen wir alle, deren L lfe er angeht, ihm
freigebig Gaben der cf stlichen Liebe zukommen zu lassen, damit alle von Gott dem Vergelter alles Guten daf ü r einen reichen Lohn erlangen. Zu Urkund dessen haben
wir dieses Schriftstück ingehöndig unterzeichnet und mit
dem gewöhnlichen Siegel unseres Vikariats bekräftigt.
Konstanz im b^chöfl. hen Palais am 7. September 1615."
In Hohenzollern fanden sich ehemals Eremiten auf der
Trocntelfinger H a i d , im Bittelschießer Täle, auf dem
Kornbühl, auf den Hennenstein, bei Deutstetten-Veringenstadt, bei der Allerheiligenkapeiie in Glatt und (nach
J. Wetzel) auch bei Weilheim. (J. Wetzei, Gesch. i. k.
Kirche i. Hohz. 1928, 313.)
J. Adam Kraus
127
Urgeschichte im Schmeiental
Constantin Feck er zum Gedächtnis
Die sogenannte Zigeunerhöhle zwischen Unterschmeien
und dem Viadukt bei Inzigkofen war im vergangenen
Sommer das Ziel von Arbeiten des Tübinger Institutes
f ü r Urgeschichte. Dr. Wolfgang Taute, der die Arbeiten
leitete und nächstes Jahr fortsetzen will, bezeichnete die
Periode um 12 000 bis 8 000 vor Christus als „weiße
Flecken" auch im gut durchforschten Baden-Württemberg.
Hier liege die Nahtstelle zwischen Alt- und Mittelsteinzeit, die noch wenig erkundet sei. die Arbeiten erbrachten
mehrere Brandhorizonte tief unter dem jetz-gen Höhlenboden, auf dem in Sommernächten oft feuchtfröhliche Gelage stattfinden, was Dr. Taute veranlaßte, alles wieder
bis zum nächsten Jahr zuzuschütten. In den verschiedenen
Horizonten wurden winzige Steinwerkzeuge gefunden,
außerdem viele Knochen, die Aufschluß geben über die
Ernährung der Siedler. Die Forscher wissen jedoch noch
nicht, ob die Horizonte nur wenige Jahre oder Jahrhunderte auseinanderliegen. Sie vermuten, daß die Höhle
periodisch zugeschwemmt wurde sowohl von der (damals
höher liegenden) Schmeie, als auch von einem jetzt verschwundenen Bach, der aus dem Kirchtal herunterschäumte. Den Platz selber nannte Dr. Taute ideal f ü r
Fischer und Jäger, so nahe an der Schmeie, die damals
noch nicht von der Ebinger Industrie abgetötet war! Mitgenommen wurden auch Holzkoh'lenreste, um aus ihnen
die Holzarten zu analysieren, di/2 damals hier wuchsen.
Die genannte Periode war zugleich die des letzten zurückweichenden Eises.
fr.
In seinem 76. Jahr ist Oberlehrer in Ruhe Constantin
Fecker in seiner Heimat Steinhofen verstorben. Aus der
Präparandie in Hechingen führte ihn sein Lebensweg
durch den ersten Weltkrieg zum weiteren Studium in St.
Wendel und zu mehren Stationen im Schuldienst in H o henzollern. Er war Schulleiter in Unterschmeien, später
in Bisingen und endlich in seiner Heimat Steinhofen.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit widmete sich der Verstorbene, in bester hohenzollerischer Lehrertradit.on, der
Heimatforschung und schrieb unzählige heimatgeschichtliche Arbi ;en, sowohl f ü r Zeitungen als auch für die H o henzollerische Heimat. Auch über berühmt gewordene
Steinhofer be ichtete Constantin Fecker und trug so in
fleißiger Arb t dazu bei, die Heimat und ihre Geschichte
bewußt zu machen und ihre Kenntnis zu vertiefen. Sit
ei terra levis.
Fr.
Adel von Imnau ist bisher n -it bekannt. Jedoch führt
Hodler (OA Haigerloch S. 774) als Hohenbergische Lehensleute um 1380 auf: Ulrich von Ymmenowe und den
Maiger von Ymmenowe, d. i. den Meier (villicus) eines
hohenbergischen Hofes. Schon am 7. März 1330 nennt
Albrecht von Stetten, benannt der Ganusser, als Bürger
zu Haigerloch seine Mutter selig Sophy, seinen Großvater Albrecht von Ymnowe und dessen W)rtin sei
Diemut (Urk. Kirch'berg N r . 296), was immerhin zu beacnten sein dürfte.
Kraus
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
herausgegeben vom Hohenzollerischen
Geschichtsverein in Verbindung mit den Staatlichen Schulämtern Hechingen und Sigmaringen. Verlag: Hohenzollerischer Gesehichtsverein
748 Sigmaringen. Karlstraße 3. Druck: M. Liehners Hofbuchdrudcerei KG, 748 Sigmaringen,
Karlstraße 10.
Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat"
ist
eine heimatkundliche Zeitsehl : ' t . Sie
besonders die Bevölkerung in Hohenzollen mit
der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen.
Sie bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres
Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge,
die im Schulunterricht verwendet werden können.
Bezugspreis: 2,00 D M halbjährlich
Konten der „Hohenzollerische.i Heimat":
802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen
123 63 Postscheckamt Stuttgart
128
Die Mitarbeiter
dieser
Maximilian Müller aus Hechingen,
Jörg Zürn in Überlingen
Bildhauergeselle
bei
In einer Urkunde vom 24. Mai 1625 bezeugt Maximilian
Müller, Bildhauergeselle bei Jörg Zürn in Uberlingen, daß
er in seiner Vaterstadt zu Hechingen die freie Kunst der
Bildhauerei fünf Jahre lang gelernt habe. Am 20. Juli
1628 wurde Mixirn'Han Müller lt. Überlinger Ratsprotokoll wegen eines Raufhandels um 20 Pfd. und wegen
„grewlichen Gottslästern" um 42 Pfd. gestraft. (Nach
Claus Zoege von Manteuffel, Die Bildhauerfamilie Zürn).
Müller hat vermutlich bei Taubenschild in Hechingen gelernt. Er dürfte ein wichtiger Mitarbeiter am Überlinger
Hochaltar gewesen sein.
B.
Die Flurnamen Rauns (Runs, Runz) werden von manchen ohne Begründung als keltische Uberreste angesehen.
So wurde z. B. auch auf der Archivartagung 1970 in
Leutinreh geäußert. In Freiburg heißt die Wasserzuleitung zu den bekannten Stadtbächie „Runz". Das Wort
Wasserrauns (Ringingen) läßt sich jedoch einfach auf das
Zeitwort „rinnen" zurückführen und bezeichnet einfach
einen (bzw. einen ehemaligen) Wasserlauf. Die Ringinger
Flur dieses Namens hat nur nach starken Regenfallen
noch etwas Wasser.
J. A. Kraus
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Sigmaringen, Leopoldstraßc
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Tübingen
Walther Frick, Journalist
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Rangendingen
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