Persönliche PDF-Datei für M. F. Langer, B. Wieskötter, S
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Persönliche PDF-Datei für M. F. Langer, B. Wieskötter, S. Oeckenpöhler, S. Breiter www.thieme.de Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien DOI 10.1055/s-0034-1365029 Handchirurgie Scan 2014; 3: 69–85 Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Verlag und Copyright: © 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN 2194-8976 Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags Fortbildung Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Martin Franz Langer, Britta Wieskötter, Simon Oeckenpöhler, Sarah Breiter Übersicht der Nagelregion, der Infektionsausbreitung und Einleitung Diagnostik Therapie Komplikationen 69 72 74 80 der schonenden Zugangswege. Grundsätzlich sollte bei der operativen Therapie der Infektionsherd gewebeschonend eröffnet und das infizierte Gewebe möglichst vollständig entfernt werden. Die Wundheilung kann dann sofort einsetzen. Bei den „einfachen Abszess-Inzisionen“ werden nur die Zusammenfassung bereits verflüssigten infizierten Anteile entfernt Infektionen im Bereich des Fingernagels (Parony- und im Körper müssen die noch fest ansitzenden chien) sind aufgrund der exponierten Lage ver- infizierten Gewebeanteile verflüssigt oder in gleichsweise häufig. Die Paronychien sind aber Narbengewebe umgewandelt werden, bevor nicht einheitlich, sondern je nach Lokalisation Heilungsvorgänge einsetzen können. Daher ist sehr variabel und sollten je nach Typ und Aus- die gezielte Exzision des infizierten Gewebes die prägung auch unterschiedlich behandelt werden. schnellste, schonendste, kostengünstigste und Außerordentlich wichtig für die Diagnose und sowohl funktionell als auch kosmetisch beste Behandlung sind genaue Kenntnisse der Anatomie Behandlung. Einleitung Obwohl die Paronychie zu den häufigsten Erkrankungen der Hand gehört, finden sich in der Literatur ver- Der Nagelbereich ist aufgrund der exponierten Lage gleichsweise nur sehr wenige spezielle Publikationen und der natürlichen Vertiefungen des Nagelfalz am zur pathologischen Anatomie und Therapie. Entspre- Übergang von der Nagelplatte zum Nagelwall prädesti- chend häufig sind leider die langwierigen Verläufe und niert für das Eindringen von Fremdkörpern. Dadurch ist die kosmetisch oder funktionell ungünstigen Resultate die Fingerspitze mit Abstand der am häufigsten von nach falscher Schnittführung. Schon A. B. Kanavel [14] Infektionen betroffene Bereich der oberen Extremität. schrieb in seinem klassischen Buch von 1914 „Infections of the Hand“ über die Behandlung der Paronychie: Die Paronychie hat mit 35 % bis zu 63 % [1, 18, 27] den „Among the infections of the distal phalanx, is none größten Anteil unter den Infektionen an der Hand. apparently so simple as the paronychia and yet they baffle treatment for some weeks, since the pathology Merke: Trotz hoch spezialisierter Antibiotikathera- may not be understood.“ pie ist die operative Intervention die schnellste, effektivste und in der Regel auch kostengünstigste Einige Fachdisziplinen, die eher nicht chirurgisch Therapieform. tätig sind, behandeln Paronychien nur mit Antibiotika. Jeder Handchirurg, der einem von einer Paronychie Wie in zahlreichen Publikationen [11, 15] immer wie- schmerzgeplagten Patienten in wenigen Sekunden der betont wird, ist die profunde Kenntnis der topo- ohne großen Aufwand von seinen Qualen erlöst hat, grafischen Anatomie bei Infektionen an der Hand für wird es nicht nachvollziehen können, dass die die gezielte Behandlung der entscheidende Faktor. Beschwerden dieser Patienten durch alleinige Antibiotikatherapie nach 1 Woche nur etwa halbiert Handchirurgie Scan 1 ê 2014 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1365029 ê VNR 2760512014144214003 69 70 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Abb. 1 Oberflächenanatomie der Nagelregion. richtig chirurgisch-anatomisch interpretieren zu könProximaler Nagelwall nen, müssen sehr detaillierte anatomische und pathologisch-anatomische Kenntnisse der Nagelregion vor- Eponychium handen sein. Daher wird die Anatomie dieser Region „gelbe Linie“ Onychocorneales Band vorab genauer dargestellt. Lunula Freier Nagelrand Cuticula (Nagelhäutchen) Lateraler Nagelwall Nagelfalz Anatomie der Nagelregion Die Nagelplatte (Corpus unguis) ist am Finger am freien distalen Rand (Margo liber) etwa 0,5 mm dick. Etwa Dreiviertel der Nagelplatte sind sichtbar, ein Viertel ist vom proximalen Nagelwall zu etwa 4 – 6 mm und vom Abb. 2 Verdeckter Anteil der Nagelplatte. lateralen Nagelwall zu 1 – 2 mm bedeckt. Die kleine Umschlagfalte der Nageltasche mit Mörike’schem Halfter Furche am Übergang von der Nagelplatte zum Nagelwall wird Nagelfalz genannt (Abb. 1). Dorsaler Anteil der Nageltasche Der unter dem proximalen Nagelwall liegende Anteil Eponychium der Nagelplatte erscheint weißlicher und ist deutlich Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung weicher. Häufig reicht der weiße Anteil noch „möndPars occulta der Nagelplatte chenförmig“ über den proximalen Nagelwall (Vallum unguis) hinaus und wird als Lunula bezeichnet. Der nicht sichtbare Abschnitt der Nagelplatte (Margo occultus) liegt in der Nageltasche (Sinus unguis). In dieser Nageltasche wird der Nagel gebildet, anschließend nur noch nach distal vorgeschoben. Die Nageltasche besteht aus 2 Blättern (Abb. 2): Abb. 3 Aufsicht auf das Nagelbett. █ Germinative Matrix Oberhalb (dorsal) der Nagelplatte findet sich das Eponychium, das am freien Nagelrand endet, █ unterhalb (palmar) der Nagelplatte das Hyponychium, das die gesamte Nagelplatte mit dem Nagelbett (Lectulus unguis) verbindet. An der Bildung der Nagelplatte ist vor allem der palSterile Matrix mit Cristae lectuli unguis mare Anteil beteiligt. Der proximale Anteil des Nagel- Onychocorneales Band Lunula genannt und hebt sich durch die helle Färbung betts wird daher auch die germinative Matrix oder von dem distalen, rosa gefärbten Nagelbett (sterile Matrix) ab. Dieser distale Anteil des Nagelbetts ist durch längsverlaufende Leisten (Cristae lectuli unguis) werden [29]. Daher ist es auch nicht verwunderlich, gekennzeichnet, die für den festen Halt der Nagelplatte dass chirurgisch tätige Kollegen bei eindeutigen Infek- sorgen (Abb. 3). tionen sich nicht nur auf Antibiotika verlassen. Ergo fehlen Studien für einen Vergleich und deshalb gibt es Kurz vor dem distalen freien Rand des Nagels laufen im Zusammenhang mit „Evidence-based-Medicine“- Nagelplatte, Hyponychium und die Hornhaut der Fin- Untersuchungen wissenschaftlich keinen Nachweis, gerkuppe zusammen und bilden eine feste Verbindung, dass eine alleinige Antibiotikatherapie besser oder die dafür sorgen muss, dass unterhalb des Nagels keine schlechter als eine operative Maßnahme ist [6]. Fremdkörper eindringen können. Diese Zone erscheint auf dem Nagel als gelbe Linie (Pinkus-Linie), unterhalb Die Formen und Ausprägungen von „Paronychien“ sind des Nagels als verdickte Hornschicht und wird Sohlen- sehr unterschiedlich und auch die Behandlung variiert horn genannt (Abb. 4). sehr stark von Lokalisation und Stadium. Um diese verschiedenen Formen vor dem Ansetzen eines Skalpells Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Fortbildung Der Übergang vom Nagelwall zur Dorsalseite des Nagels wird durch das Eponychium, das sich etwas auf Abb. 4 Längsschnitt durch die Nagelplatte und das Nagelbett mit Aufsicht auf den Endgliedknochen mit Blutversorgung. Palmarer Anteil der Nageltasche die Nagelplatte schiebt, sowie ein weiteres dünnes Häutchen, die Kutikula, abgedichtet (Abb. 5). Die Endgliedschaft Abdichtung durch das Eponychium ist so effektiv wie die Silikonmasse in den Fugen in Duschen und Bädern. Da das Eponychium relativ schnell wieder mit der 71 Nagelbett Hyponychium Flint’sches Band Nagelplatte verklebt, können eingedrungene Fremd- Gefäßversorgung des Nagelbettes Retinacula cutis körper und Bakterien nur sehr schlecht vom Körper wieder eliminiert werden – es kommt zur Infektion. Sohlenhorn Nagelkranz Nomenklatur Abb. 5 Querschnitt durch das Nagelbett. Die Infektionen im Bereich des Nagelwalls werden meist sehr ungenau und verallgemeinernd („Panarihäufig dazu, dass alle unterschiedlichen Infektionen unkritisch stereotyp operiert werden. Die folgenden Hyponychium Nagelbett Begriffe werden häufig synonym gebraucht, bezeich- Eponychium und Nagelfalz nen aber meist unterschiedliche Infektionsorte und Infektionsstadien: █ Paronychie, █ Bulla infecta, █ Panaritium, █ Panaritium parunguale, █ Nagelpanaritium, █ Panaritium intracutaneum, █ periunguales Panaritium, █ epitheliale Eiterblase, █ Umlauf, █ Run-around, █ Paronychia, █ Whitlow, █ Eponychie, █ Hyponychie, █ Kragenknopfpanaritium [21]. Seitliche Nageltasche Retinacula cutis Endgliedknochen Abb. 6 Ätiologie der Paronychien. Zu weites Zurückschieben der Kutikula bei der Maniküre Einrisse am Eponychium Niednagel Splitter, Dornen etc. dringen in den Nagelfalz ein Subunguale Eiterbildung: Panaritium subunguale, „Floater“ [8]. Epidemiologie Ätiologie Die Paronychie tritt mit einem Verhältnis von 3:1 ver- Die häufigste Entstehungsursache sind kleine unbe- mehrt bei Frauen auf. Jedes Alter vom Säugling bis merkte Verletzungen bei handwerklichen Tätigkeiten ins hohe Alter kann vorliegen, am häufigsten im Alter aller Art durch Eindringen von Splittern, Dornen oder zwischen 15 und 65 Jahren. ähnlichem in den Nagelfalz, die Umschlagfalte des Nagelwalls (Abb. 6). Ellis [8] wies auf die Entstehung der Infektion durch Verletzung der Kutikula und des Eponychiums bei übertriebener Maniküre hin. Kleine Einrisse des Eponychiums führen zu winzigen, aber störenden Eponychiumspornen (Niednagel, Neidnagel, Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung tium“) bezeichnet. Diese Ungenauigkeit führt leider 72 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien „Hangnail“), die gerne mit den Zähnen abgerissen oder Diagnostisches Vorgehen abgekaut werden. Dadurch können Infektionen mit Bakterien der Mundflora entstehen. Merke: Die Diagnose wird klinisch anhand der Symptomatik gestellt. Keimspektrum Nur bei anamnestischen Hinweisen (z. B. Metallfremdkörper) und längerer Krankheitsdauer (Osteitis) sind Mit Abstand am häufigsten sind ubiquitäre Keime, vor auch Röntgenaufnahmen hilfreich. In einigen Fällen allem Staphylokokken, Streptokokken oder Misch- kann eine Diaphanoskopie (Durchleuchten mit einer infektionen (aus dem Mund), seltener Pneumokokken, hellen Lampe) [26] oder auch eine Ultraschallunter- Neisserien, Gonokokken [3], Escherichia coli, Proteus suchung schnell weitere Aufschlüsse geben. [20]. Pohl (1948) [20] fand in seinen Proben Staphylokokken Differenzialdiagnose etwa 20-mal häufiger als Streptokokken: █ Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung █ Er bezeichnete Staphylokokkeninfektionen als „gut- Die akute Infektion ist meist sehr eindeutig und hat artiges Panaritium“, da diese Infektionen abgegrenzte kaum Differenzialdiagnosen. In der Frühphase kann die Herde mit dickem Eiter bilden, wenig Neigung zur Abgrenzung von einer beginnenden Herpesinfektion Ausbreitung in die Tiefe zeigen und nach einem stür- sehr schwierig sein [10]. Länger andauernde Infektio- mischen Verlauf nach der Operation rasch abklingen. nen können ungewöhnliche Keime enthalten, aber Streptokokkeninfektionen seien dagegen eher „bös- auch durch Tumoren [13] und Metastasen vorgetäuscht artige Panaritien“, da die Infektionen sich schneller in werden. Ähnlichkeiten mit einer akuten Paronychie die Tiefe ausbreiten, keine Tendenz zur Abgrenzung können auch bei der Psoriasis und dem Morbus Reiter zeigen und nur ein trübes Exsudat oder dünnflüssi- auftreten [22]. gen Eiter bilden. Bei chronischen Fällen sollte an Trichophyten, Monilia- Bildgebende Diagnostik sis, Mykobakterien oder Syphilis gedacht werden [5]. Bei einer Infektion mit Pseudomonas aeruginosa kann Eine Röntgenaufnahme ist nur dann notwendig, wenn es zu einer Grünfärbung des Nagels („green nail syn- sich anamnestisch Hinweise auf Frakturen, Fremdkör- drome“) kommen. per oder Infektionen des Knochens herausstellen. Im Anfangsstadium sind radiologische Untersuchungen nicht erforderlich. Diagnostik Symptomatik und Klinik Labordiagnostik Die Infektionen beginnen mit einer leichten Rötung Die Entnahme von Gewebematerial für die mikrobio- und Berührungsempfindlichkeit am Nagelwall. Die logische Untersuchung ist nicht einfach, da sehr schnell Schmerzen nehmen ständig zu und es kommt auch zu Hautkeime mit in die Proben gelangen können. Grund- einem nächtlichen Pochen und stark schmerzhafter sätzlich gilt, dass entnommenes Gewebe günstiger ist Berührungsempfindlichkeit. Die Rötung wird intensi- als Eiter. Blutuntersuchungen sind nur in ungewöhnli- ver und unter die Hornhaut schiebt sich dann meist chen Fällen erforderlich. Bei den meisten Paronychien eine gelbliche Eiteransammlung. Mit zunehmender sind im Blut die Anzahl der Leukozyten und das CRP im Dauer und Ausbreitung der Infektion schwellen auch Normbereich und bieten somit keine Hilfe für die Diag- das gesamte Fingerendglied und später der ganze Fin- nose oder die Indikation zur Operation [7]. ger an. Die Rötung verläuft mit dem Lymphabfluss eher zur Streckseite nach proximal. Fieber tritt meist nur dann auf, wenn tiefere Infektionen vorliegen. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 73 Prinzipien Allgemeine Regeln für Inzisionen im Bereich des Nagelwalls Die Haut des Nagelwalls weist eine Abb. 8 Abb. 9 Durchblutung der Dermis am Fingerendglied. strengen Rahmen (Abb. 8, Abb. 9, bei der Wahl der Inzision unbe- Abb. 10). Muss der seitliche Nagel- dingt berücksichtigt werden muss wall inzidiert werden, so sind (Abb. 7). Die Haut des proximalen Schnitte parallel zum Nagel günsti- Nagelwalls wird durch Gefäße ver- ger als quere radiäre Schnitte. Der sorgt, die längs und leicht radiär Abstand vom Nagelfalz muss aber auf den proximalen Nagelfalz verlaufen. Hier sind auch die Schlau- so gewählt werden, dass die nagelseitige Haut keine Durchblutungs- fen der Kapillaren einschichtig und störungen bekommt. Für einen bieten einen sehr guten Ort für die 1 cm langen Hautschnitt muss Kapillaroskopie. Die seitlichen nach der 1:1-Regel daher ein Nagelwälle weisen dagegen keinen Abstand von 5 mm eingehalten radiären Gefäßverlauf auf den werden. Nagelfalz auf, sondern einen streng Schnitte am proximalen Nagelwall parallelen Verlauf [24]. Für die Hautschnittführung gelten werden dagegen radiär angelegt, wobei meistens eine einzige Inzi- die allgemeinen Regeln der Lap- sion für die Exzision des Abszesses penplastiken (z. B. die 1:1-Längen- ausreichend ist. Aufgrund der Breiten-Regel für Lappen mit zufäl- unterschiedlichen Durchblutung liger Durchblutung) – nur auf sehr sollten am proximalen Nagelwall viel kleinerem Raum und mit keine Schnitte parallel zum proxi- bereits vorliegenden Begrenzun- malen Nagelfalz angelegt werden. Günstige Schnittführung am Nagelwall. a b c d Ungünstige Schnittführung am Nagelwall. Abb. 10 1:1-Regel bei Schnittführungen am Nagelwall und Folgen einer ungünstigen Schnittführung. a Schema der 1:1-Regel. b Durchblutungsstörung zeichnet sich langsam ab. c Zentraler Bereich der Hautbrücke ist nekrotisch. d Defekt des lateralen Nagelwalls nach 8 Wochen, sichtbar ist jetzt auch eine Verletzung der germinativen Matrix. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 7 gen durch die Nagelplatte in einem besondere Durchblutung auf, die 74 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Therapie verwenden wir nur einen singulären Einstich von der Palmarseite durch die Grundgelenkbeugefurche) zu Anästhesie signifikanten Komplikationen bei der Paronychie geführt hätte [7]. Für die Befreiung des Eiters ist nicht bei allen Paronychien eine Anästhesie erforderlich. Weitere proximale Leitungsanästhesien (Medianus, Ulnaris, Plexus) sind möglich, allerdings sollte in der Merke: Eine lokale Injektion am Endglied oder Achselhöhle keine Injektion vorgenommen werden, Mittelglied sollte nicht nur aufgrund der Nähe zum wenn eine Lymphangitis oder Lymphadenitis vorliegt. Infektionsort, sondern auch wegen der Schmerzhaftigkeit unterlassen werden. Ebenso ist die intravenöse Regionalanästhesie nach Bier durch das erforderliche gründliche Auswickeln In der Literatur finden sich aber keine Hinweise, dass und die Platzierung der Verweilkanüle am Handrücken, eine Oberst-Anästhesie an der Basis des Fingers (statt also im Lymphabstromgebiet der Hand, grundsätzlich der klassischen doppelten Einstichmethode von dorsal ungünstig. Konservative Behandlung In vielen Publikationen wird eine konservative Thera- Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung pie empfohlen, wenn noch kein definierter Abszess zu sehen ist. Es werden dann warme Seifenbäder, protektive Verbände, Antibiotika und früher sogar tiefe Röntgenbestrahlungen [5] empfohlen. Eine Ruhigstellung ist dabei immer erforderlich. a Bei (leichteren?) Formen der Paronychie kann eine b konsequente Antibiotikatherapie die Infektion zur Abb. 11 a Klinisches Bild einer beginnenden Bulla infecta. b Ausbreitung der Eiterblase entlang des Nagelwalls (Umlauf). Ausheilung (Vernarbung) bringen. Die Aussage, dass die Beschwerden nach 1 Woche alleiniger Antibiotikatherapie etwa halbiert werden [29], kann einen Handchirurgen nicht zufrieden stellen. Operative Behandlung gemäß Stadieneinteilung/Klassifikation Die Stadieneinteilung/Klassifizierung [17] wird am typischen Fall einer seitlichen Nageltascheninfektion dargestellt und die Beschreibung der entsprechenden a b Behandlungsart direkt angeschlossen. Die Eingriffe bei Infektionen am proximalen Nagelwall (auch Eponychie genannt) und distalen Nagelrand (auch Hyponychie genannt) werden exemplarisch dargestellt. █ Stadium/Typ I (Bulla infecta, Umlauf) Der Splitter oder die Bakterien haben das Eponychium durchbrochen, sind aber nur bis an die Lederhaut gekommen und haben die Lederhaut nicht durchbroc d Abb. 12 Stadium I der Paronychie (Bulla infecta). a Schemazeichnung der Eiteransammlung (grün) im Querschnitt. b Klinisches Bild. c Eröffnung der Blase. d Abtragung der Blasenhülle und Untersuchung auf Perforationsstellen. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 chen. Es entsteht reichlich Eiter um den Fremdkörper. Der Eiter kann durch das bereits wieder verschlossene Eponychium nicht nach außen transportiert werden und breitet sich zwischen den unteren Schichten der Fortbildung Hornhaut in die Breite aus (Bulla infecta). Am leichtes- 75 Abb. 13 Klinisches Bild einer Paronychie Stadium II. ten kann sich die Eiterblase entlang des Nagelwalls ausbreiten und scheint den Fingernagel zu umlaufen (Umlauf, „Run-around“) (Abb. 11, Abb. 12). Therapeutisch reicht es in der Regel aus, die Blase abzutragen. Dies kann meist ohne Betäubung durchgeführt werden, da die Hornschicht weder Blutgefäße noch Nerven enthält. Der Wundgrund sollte nach Splittern, Fremdkörpern usw. abgesucht werden. Ist der Wundgrund noch stark gespannt, ist es wahrscheinlich, dass Bakterien doch noch durch die Lederknopfpanaritium vorliegt. Dies ist ein höheres Stadium der Erkrankungen und wird unter Stadium III beschrieben. Nach Abtragung der Blase ist das Spannungsgefühl sofort beseitigt und es reicht ein Feuchtverband für 1 – 2 Tage zur weiteren Behandlung. Eine Antibiose ist nicht notwendig. █ Stadium/Typ II Ist der Splitter tief in die Nageltasche eingedrungen, wird dort Eiter gebildet und in der Nageltasche entsteht erst sichtbar werden, bevor man eine Druckentlastung ein hoher Druck. Der Nagelwall ist deutlich gerötet und vornimmt. Ein Abszess bedeutet auch, dass Gewebe druckschmerzhaft, aber nirgends kann ein Abszess nekrotisch geworden ist. Handchirurgisches Ziel ist ein oder eine Fluktuation ausgemacht werden (Abb. 15, Einschreiten, bevor Gewebe geschädigt wird. Abb. 13). Viele Autoren raten in diesem Fall zunächst zur konservativen Therapie mit warmen Feuchtver- Daher sollte bei der Operation das Eponychium vorsich- bänden und Antibiotikatherapie. Der Sinn dieser war- tig mit einem kleinen Elevatorium, einer anatomischen men Feuchtverbände ist lediglich, dass verkrustete und Pinzette oder einem Blatt einer Präparierschere von verschlossene Öffnungen des Eponychiums aufge- der Nagelplatte gelöst oder sogar mit einem Skalpell weicht werden und der eingeschlossene Eiter dadurch unter Lupenbrillenvergrößerung lokal exzidiert und der befreit werden kann [14]. Ein Abszess muss aber nicht seitliche Nagel vorsichtig abgehoben werden (Abb. 14). a b c d Abb. 15 Stadium II der Paronychie. a Schema der Eiteransammlung im Querschnitt. b Klinisches Bild ohne sichtbaren Eiter. c Eponychiektomie und Anheben des lateralen Nagelwalls. d Befreiung des Eiters. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 14 Operatives Vorgehen im Stadium II. Ablösung des Eponychiums mit dem Skalpell und vorsichtiges Abheben des Nagelwalls von der Nagelplatte mit dem Elevatorium. haut in die Tiefe gelangt sind und dass ein sog. Kragen- 76 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien a Abb. 17 Zunächst sollte versucht werden, den Abszess von der Verletzungsseite aus zu eröffnen und zu exzidieren. Dabei kann auch ein kleiner Scharfer Löffel gute Dienste leisten. b Abb. 16 a Klinisches Erscheinungsbild einer Paronychie Stadium III. b Querschnitt mit Verteilung des Eiters im Stadium III. OP-Schritte und Tricks Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Eine Blutsperre (ohne Auswickeln des Fingers/Armes) oder reduzierte Blutleere (ohne Auswickeln des infizierten Bereichs) erleichtert die Identifikation der infizierten und nekrotischen Gewebeanteile. █ Stadium/Typ III Sind Bakterien durch die Lederhaut in das subkutane a Fettgewebe gelangt, entsteht ein echter Abszess im Nagelwall (Abb. 16). Ziel der Operation, die nicht mehr ohne adäquate Betäubung (Oberst-Anästhesie, Plexusb anästhesie oder Vollnarkose) auskommt, ist es, das Abb. 18 Vorgehen bei drohender Perforation am Nagelwall. a Das Skalpell wird auf die Nagelplatte aufgesetzt und durch die Nageltasche durch den Nagelwall geschoben. Dadurch kann das Nagelbett nicht verletzt werden. b Schnittrichtung im Querschnitt. Das Messer darf auch nicht zu steil gestellt werden, um keine Gefäße oder Nerven auf der Beugeseite zu verletzen. infizierte und nekrotische Gewebe möglichst schonend und vor allem vollständig zu entfernen. Die frühere Lehrmeinung „Inzision, Gegeninzision und Laschendrainage“ ist überholt. Der Körper kann erst mit Reparaturarbeiten beginnen, wenn das nekrotische und infizierte Gewebe vollständig entfernt ist. Dies Dies ist in der Regel ohne Betäubung und Fingerblut- kann und muss der Handchirurg bei dem Eingriff leere möglich. Ogunlusi [19] verwendet hierzu eine erreichen. Dadurch wird der Prozess der Wundheilung 21-G- oder 23-G-Kanüle, gefolgt von einer 5-tägigen ernorm verkürzt. Bei einer „Inzision, Gegeninzision oralen Antibiotikatherapie. und Laschendrainage“ kann nur das bereits verflüssigte Gewebe ablaufen, während das noch fest anhaftende In den meisten Fällen entleert sich dann der in der Tiefe nekrotische, infizierte Gewebe in den folgenden Tagen/ versteckte Eiterherd und der Patient spürt sofortige Wochen erst verflüssigt werden muss. Erleichterung. Die Höhle sollte ausgespült, gereinigt und auf verbliebene Fremdkörper untersucht werden. Es ist naheliegend, dass die Eindringpforte über die Ein Feuchtverband für 2 – 3 Tage und Fingerbäder in Nageltasche erfolgte und der Abszess hier am scho- Seifenlösung reichen als Weiterbehandlung vollkom- nendsten eröffnet werden kann. Nach Inzision mit dem men aus, eine Antibiose ist nicht erforderlich. Skalpell kann die Abszesshöhle mit einem kleinen scharfen Löffel ausgekratzt oder das nichterholungs- Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 77 a b auch hier noch eine Inzision/Exzision der geschädigten Haut (Abb. 18, Abb. 19). Es ist vorteilhaft, wenn der Schnitt von der Nagelplatte aus begonnen wird, da dadurch das Nagelbett besser geschont werden kann (s. a. Abb. 10 d). Aufgrund der Durchblutungssituation sollte auf jeden Fall immer ein Abstand zum lateralen Nagelwall von etwa 5 mm gehalten werden. Ein Feuchtverband und 3 – 4 Fingerbäder für 5 – 10 Minuten pro Tag verhindern, dass sich Krusten bilden, die ein Ablaufen von Sekreten verhindern könnten. Abb. 19 a Laterale Inzisionserweiterung mit sofortiger Eiterentleerung. b Weitere Eiterentleerung bei geringem Druck. c Großzügige Schnitterweiterung zur kompletten Exzision des Abszesses. Die Wunden heilen dann sekundär innerhalb von 2 – 3 Wochen ab. █ Stadium/Typ IV Bei dieser Infektion hat sich der Abszess zusätzlich fähige Gewebe mit einer feinen Schere ausgeschnitten noch unter die Nagelplatte ausgebreitet (Abb. 20). Die werden (Abb. 17). Es folgt eine Spülung mit NaCl 0,9 % Operation muss um eine (Teil-)Entfernung der Nagel- oder einer antiseptischen Lösung (Vorsicht beim Ein- platte erweitert werden. Die Nagelplatte muss meist satz von Octenisept®!). Octenisept® kann bei längerer nicht komplett entfernt werden. Die eigene Nagelplatte Einwirkzeit direkt auf Gefäße, Nerven, Muskeln und ist immer der beste Schutz für das Nagelbett. Wenn nur Fettgewebe Schwellungen und Rötungen der Gewebe kleine Anteile der Nagelplatte unterminiert sind, so hervorrufen, die eine weitere Infektion vortäuschen, reicht es, wenn nur dort die Nagelplatte entfernt wird, wochenlang bestehen bleiben können und die drin- ist mehr als 50 % des Nagelbetts unterlaufen, so sollte gend notwendige Handtherapie erschweren [9, 12]. die gesamte Nagelplatte entfernt werden. Meist ist die Haut an der Lateralseite des Fingerend- Der laterale Nagelplattenrand wird in ausreichender glieds noch so stabil, dass hier keine Inzision bzw. Betäubung angehoben und die Nagelplatte über dem Exzision vorgenommen werden muss. War die Infek- Abszess mit einer kleinen kräftigen Schere oder einem tion schon kurz vor dem Durchbruch, empfiehlt sich Skalpell exzidiert (Abb. 21). Damit das Nagelbett nicht Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 20 a Klinisches Erscheinungsbild einer subungualen Eiterausbreitung (Stadium IV). b Querschnitt durch eine Paronychie Stadium IV. 78 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 21 Der laterale Rand der Nagelplatte wird angehoben und mit einer kleinen Schere lokal begrenzt herausgeschnitten. Abb. 23 Klinisches Bild einer Eponychie. Abb. 24 Klinisches Bild einer Hyponychie. a Amputation des betroffenen Fingergliedes ist allerdings sehr groß. Die operative Vorgehensweise ist auch hier eine schonende, aber kompromisslos radikale Infektionsexzision. b █ Abb. 22 a Stadium V der Paronychie, das Fingerendglied ist ganz gerötet und geschwollen, seitlich steht der Abszess vor der Perforation. b Querschnitt mit Ausbreitung des Abszesses in tiefer gelegene Strukturen (Knochen). Eponychie und Hyponychie Siehe hierzu Abb. 23 bis Abb. 28. Eine Infektion unterhalb des proximalen Nagelwalls kann leichter als die seitlichen Nagelwallinfektionen austrocknet, sollte bis zum Überstehen der Infektion innerhalb der Nageltasche auch unter die weiche ein Feuchtverband, anschließend ein nichtklebender Nagelplatte gelangen und daher hier zu Nagelwachs- Verband (Silikon, Fettgaze) aufgelegt werden. Nach tumsstörungen führen (Abb. 23). Auch der Abstand etwa 3 Wochen ist das nichtbedeckte Nagelbett ausrei- zum Endgelenk ist nur kurz und es ist möglich, dass chend stabil, um nur noch von einem trockenen Pflas- durch eine weitere proximale Ausbreitung ein End- ter geschützt zu werden. gelenkempyem entsteht [25]. █ Stadium/Typ V Merke: Die früher häufig empfohlene doppelseitige Bei dieser Maximalform hat sich die Infektion in tiefer Inzision des proximalen Nagelwalls kann durch liegende Strukturen wie Knochen oder Sehnenschei- Retraktion und durch zu langes Belassen von Drai- den [16, 23] ausgebreitet (Abb. 22). Diese Form der nagen zu Komplikationen führen. Eine einseitige Infektion ist heute aufgrund der begleitenden Antibio- Inzision reicht fast immer vollkommen aus, um den tikatherapie und des aggressiveren chirurgischen Vor- gesamten Infektionsherd zu beseitigen. gehens insgesamt seltener geworden. Das Risiko zur Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 79 Abb. 28 Queroder T-förmige Inzisionen am distalen Nagelrand können zu erheblichen funktionellen und kosmetischen Störungen führen. Abb. 25 Längsschnitt durch eine Hyponychie und Eponychie. Bei der Hyponychie haben sich meist kleine Splitter durch das Sohlenhorn gebohrt und subungual einen Abszess gebildet (Abb. 24). Ein subunguales Hämatom bietet eingedrungenen Bakterien einen besonders guten Nährboden. Der leichteste und schonendste Zugang ist die partielle Entfernung der Nagelplatte, was führt werden kann [4] (Abb. 27). Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem Zustand des distalen Nagelbetts. █ Abb. 26 Eröffnung der proximalen Nageltasche. Umgang mit Drainagen bei der Paronychie Drainagen sollen dafür sorgen, dass nach Eröffnung eines Eiterherds die Wundränder miteinander nicht verkleben und ein leichter Abfluss von Sekreten weiter gewährleistet ist. Dies war eine notwendige Maßnahme zu Zeiten, als man die Abszesse nur inzidiert, aber nicht exzidiert hat, da sich das noch vorhandene infizierte nekrotische Gewebe über Tage hinweg noch weiter verflüssigt hat und vom Körper ausgestoßen werden musste. Gelingt die weitgehend vollständige Exzision der infizierten und nekrotischen Gewebeanteile, so reichen meistens ein Feuchtverband und tägliche Fingerbäder vollkommen aus, um einen Sekretstau durch vorzeitiges Verkleben der Wundränder zu vermeiden. Abb. 27 Dreieckförmige Exzision der Nagelplatte zur Exzision des Abszesses. Nur in bestimmten Fällen mit tief reichenden Wundhöhlen und unzuverlässigen Patienten, bei denen weder regelmäßige Fingerbäder noch das Feuchthalten der Verbände gesichert sind, können Drainagen sinnvoll sein. Darüber hinaus bringt der Anblick von Drainagen auch den Patienten eher dazu, sich zu Kontrolluntersuchungen vorzustellen. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung mit einer kleinen Schere dreieckförmig leicht ausge- 80 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Wenn der Verdacht auf eine Infektion durch Keime der Abb. 29 Hier wurde eine Drainage so lange belassen, dass die Wundränder vom Epithel überwuchert sind. Die mikrochirurgische Korrektur dieser Komplikation ist sehr aufwendig. Mundflora vorliegt, sollte besser auf eine Breitspektrumkombination aus Clindamycin plus Amoxicillin/ Clavulansäure gewechselt werden [2, 23]. In Regionen mit sehr hohem MRSA-Anteil empfehlen einige Autoren Clindamycin oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol [28]. Komplikationen Bei anatomie- und stadiengerechter Vorgehensweise Merke: Drainagen können meist nach 2 – 3 Tagen sind in den meisten Fällen keine kosmetischen oder entfernt werden. Werden die Drainagen länger funktionellen Störungen zu erwarten. Die meisten belassen, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Komplikationen haben wir nach unsachgemäßer Inzi- Drainagekanal epithelialisiert und es zu bleibenden sion gesehen (s. Abb. 28). Nagelwachstumsstörungen, kosmetisch störenden Ergebnissen kommt Verziehungen des Nagelwalls und Tunnelbildungen (Abb. 29). Die Korrektur solcher Folgezustände ist durch zu langes Belassen von Drainagen sind die häu- aufwendig. figsten iatrogenen Komplikationen (Abb. 29). Das End- Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung ergebnis hängt aber auch von dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ab. Kommt der Patient zu spät, Antibiotikatherapie kann nur noch versucht werden, die weitere Schädigung des Gewebes aufzuhalten und den Finger zu Zunächst wird mit oralen staphylokokkenwirksamen erhalten. Antibiotika begonnen, bis das mikrobiologische Ergebnis der Kultur (aerob, anaerob, Pilze?) vorliegt. Dazu gehören Cepholosporine, Clindamycin oder Amoxicillin und Clavulansäure. Die Dauer der Antibiotikatherapie liegt in Abhängigkeit von der Ausprägung der Infektion bei 7 – 10 Tagen. Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Interessenkonflikt: Es liegt kein Interessenkonflikt vor. Fortbildung Über die Autoren 81 Simon Oeckenpöhler Studium der Humanmedizin an der Martin Franz Langer Albertus-Magnus Universität Köln, Priv.-Doz. Dr. med. Studium an der seit 09/2011 Wissenschaftlicher Westfälischen Wilhelms-Universität Mitarbeiter der Klinik und Poliklinik Münster. 1992–1995 Klinik für Allge- für Unfall, Hand- und Wiederherstel- meine Chirurgie (Prof. Dr. Hermann lungschirurgie Universitätsklinik Bünte), Universitätsklinikum Münster, Münster (Prof. Dr. med. Michael J. 1996–1998 Klinik für Handchirurgie Raschke). 09/2012–07/2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik und Plastische Chirurgie (Prof. Dr. Jörg Grünert), Universitätsklinikum Erlangen, 1998–2000/2001–2003 und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie Universitätsklinikum Münster (Prof. Dr. med. Klinik für Unfall- und Handchirurgie (Prof. Dr. Erwin Brug), G. Gosheger) und Abteilung für Kinderorthopädie, Defor- Universitätsklinikum Münster, 2000–2001 Klinik für mitätenrekonstruktion und Fußchirurgie (Prof. Dr. med. Handchirurgie (Prof. Dr. Ueli Büchler), Inselspital Bern, R. Rödl). seit 2003 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Münster (Prof. Dr. Michael Raschke). Sarah Breiter Habilitation 2008 zum Thema Beugesehnennähte. Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnungen Dr. med. 10/2002–12/2008 Studium Handchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie. Sektionsleiter Handchirurgie und Mikrochirurgie, Stellvertretender Bochum. Dissertation 2011 in der Neurophysiologie. 01/2009–12/2012 Klinikdirektor. Assistenzärztin in der Klinik für Unfallund Wiederherstellungschirurgie des St. Vincenzhospital Coesfeld, seit Britta Wieskötter 01/2013 Assistenzärztin in der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstel- Dr. med. Studium der Humanmedizin an der Westfälischen Wilhelms-Uni- lungschirurgie des Universitätsklinikums Münster (Prof. versität Münster und Universidad de Dr. M. Raschke). Valencia, Spanien. Seit 01.08.2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Universi- Korrespondenzadresse tätsklinikum Münster (Prof. Dr. Sektionsleiter Handchirurgie und Mikrochirurgie Michael Raschke). Fachärztin für Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Orthopädie und Unfallchirurgie seit 29.09.2013. Priv.-Doz. Dr. med. Martin Langer Universitätsklinikum Münster Waldeyerstraße 1 48149 Münster Tel. +49 251/8356337 Fax: +49 251/8356318 E-Mail: langer.martin@ukmuenster.de Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung der Humanmedizin, Ruhr Universität 82 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien Literatur 15 Kanavel AB. Infections of the Hand. 7th ed. Philadelphia: Lea & Febiger; 1939 1 Bell MS. The changing pattern of pyogenic infections of the hand. Hand 1978; 8: 298 – 302 2 Brook I. Paronychia: a mixed infection. Microbiology and management. J Hand Surg 1993; 18B: 358 – 359 3 Browder J. Paronychia and felons. Am J Surg 1929; 6: 535 – 537 4 Brug E. Die pyogenen Infektionen der Hand und ihre Behandlung. Handchirurgische Taschenbücher. Band 1. Erlangen: Mikrochir Plast Chir 2009; 41: 256 – 270 17 Langer MF, Lötters E, Wieskötter B et al. Die Nageltascheninfektion der Finger – Behandlung der Paronychien. Operat Orthop Traumatol 2011; 23: 204 – 212 18 Lemerle JP. Panaris et phlegmons de la main. Cahiers Enseignement SOFCOT 1986: 37 – 46 19 Ogunlusi JD, Oginni LM, Ogunlusi OO. DAREJD simple technique of draining acute paronychia. Tech Hand Up Extrem Perimed; 1977 5 Butler ED. The treatment of acute infections of the hand. Californ Med 1950; 73: 481 – 488 6 Carley SD, ed. Towards evidence based emergency medicine; best BETs from the Manchester Royal infirmary – Shaw J, Body R. Incision and drainage preferable to oral antibiotics in acute paronychial nail infection? Emerg Med J 2005; 22: 813 – 816 7 Dumontier C, Le Viet D. Pulp and Paronychial infections of the hand. In: Malizos KN, Soucacos PN eds. Infections of the Hand and upper Lim. Paschalidis Athen: FESSH; 2007 8 Ellis M. Infections of the hand – 2. Br Med J 1965; 2: 1415 – 1416 9 Franz T, Vögelin E. Aseptic tissue necrosis and chronic inflammation after irrigation of penetrating hand wounds using Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung 16 Langer M. Die Beugesehnenscheideninfektion. Handchir Octenisept . J Hand Surg Eur 2012; 37: 61 – 64 ® 10 Gross G, Doerr HW. Atypische Herpes-simplex Virus Typ IIManifestation an der Hand. Hautarzt 2001; 52: 807 – 811 11 Hankiss J. Pyogene Infektionen der Hand. Bremen: Uni-Med; Surg 2005; 9: 120 – 121 20 Pohl W. Das Panaritium. Wiener Beiträge zur Chirurgie. Band II. Demel R Hrsg. Wien: Maudrich; 1948 21 Rieger H, Brug E. Das Panaritium. Die pyogenen Infektionen der Hand – Diagnose, Differentialdiagnose und Therapie. Mit Illustrationen von Martin Langer. München: Hans Marseille; 1992: 79 – 90 22 Rigopoulos D, Larois G, Gregoriou S et al. Acute and chronic paronychia. Am Fam Physician 2008; 77: 339 – 348 23 Ritting AW, O´Malley MP, Rodner CM. Acute paronychia. J Hand Surg 2012; 37A: 994 – 996 24 Sagiorni S, Manelli A, Congiu T et al. Microvascularization of the human digit as studied by corrosion casting. J Anat 2004; 204: 123 – 131 25 Saegessser M. Das Panaritium. Berlin: Springer; 1938 26 Samuel EP. Transillumination of whitlows of the terminal phalanx. Lancet 1950; 255: 763 – 765 27 Thornton DJA, Lindau T. Hand infections. Orthopaedics 2009 12 Hülsemann W, Habenicht R. Schwere Nebenwirkungen nach ® Octenisept -Spülung von Perforationswunden im Kindesalter. Handchir Mikrochir Plast Chir 2009; 41: 277 – 282 13 John HT. Primary skin cancer of the fingers simulating chronic infection. Lancet 1956; 270: 662 – 664 14 Kanavel AB. Infections of the Hand. 2nd ed. Philadelphia: Lea & Febiger; 1914 Handchirurgie Scan 1 ê 2014 Trauma 2010; 24: 186 – 196 28 Tosti R, Ilyas AM. Empiric antibiotics for acute infections of the hand. J Hand Surg 2010; 35A: 125 – 128 29 Wollina U. Acute paronychia: comparative treatment with topical antibiotic alone in combination with corticosteroid. J Eur Acad Dermatol Venerol 2001; 15: 82 – 83 Fortbildung 83 . CME thieme.de CME-Fragen CME-Teilnahme " Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de " Bitte informieren Sie sich vorab online über die Gültigkeitsdauer. " Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung. █ 1 Welche der folgenden Aussagen zur Behandlung der Paronychie ist richtig? A Wenn der Nagelwall ohne sichtbare Eiterbildung nur gerötet ist, darf am Nagel nicht manipuliert werden. B Bei einer Paronychie mit sichtbarer Eiterblase muss eine schmale Keilexzision des lateralen Nagelbetts und des Nagelwalls (Emmert-Plastik) wie beim Unguis incarnatus erfolgen. C Die beste Therapie bei Infektionen des Endglieds ist immer ein großzügiger Froschmaulschnitt. D Wenn sich Eiter unterhalb der Nagelplatte befindet, ist immer auch der Knochen betroffen und es sollte die Indikation zur Endgliedamputation großzügig gestellt werden. E In einigen Fällen kann die operative Behandlung der akuten Paronychie ohne Anästhesie und Fingerblutleere durchgeführt werden. █ 2 A Staphylococcus aureus B Proteus vulgaris C Pseudomona spyocyanea D Streptococcus E Pilze █ 3 Bei Verdacht auf eine Infektion mit MRSA sollte bei einer Paronychie vorrangig welches Antibiotikum verabreicht werden? A Penicillin G B Cepholosporin C Gentamicin D Ciprofloxacin E Clindamycin █ 4 Welche Aussage zur Schnittführung bei der akuten Paronychie ist richtig? A Der seitliche Hautschnitt sollte so nah wie möglich an dem Nagelfalz gesetzt werden. B Der Hautschnitt sollte grundsätzlich in einem Zug bis auf den Knochen reichen. C Bei der Entlastung einer Bulla infecta müssen auch die palmaren Fingerkuppensepten mit eröffnet werden, der Schnitt also auch bis palmar des Nagelkranzes reichen. D Bei zwei parallelen Entlastungsschnitten ist bei der Paronychie grundsätzlich eine Laschendrainage hindurchzuziehen. E Eine Inzision und Gegeninzision ist nicht notwendig, wenn der Abszess von einer Seite komplett ausgeräumt werden kann. █ 5 Welche Aussage zur Anatomie des Nagelapparats ist falsch? A Das Sohlenhorn dichtet den distalen palmaren Abschnitt des Nagels zusammen mit dem Hyponychium ab und erscheint auf der Oberfläche des Nagels als gelbe Linie. B Das Eponychium bedeckt den proximalen und seitlichen dorsalen Abschnitt der Nagelplatte unterhalb des Nagelwalls. C Die Lunula ist der weiße distale halbmondförmige Rand der Nagelplatte, der monatlich gekürzt werden muss. D Die germinative Matrix des Nagelbetts liegt proximal, ist weißlich und bildet hauptsächlich von palmar die Nagelplatte. E Die Cristae lectuli unguis (Nagelbettleisten) sorgen für den festen Halt der Nagelplatte. CME Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Welcher Keim wird bei der akuten Paronychie am häufigsten angetroffen? 84 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien CME-Fragen Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien █ 6 Welche Aussage zur Epidemiologie und Ätiologie der Paronychie ist falsch? A Auch Säuglinge können bereits eine Paronychie bekommen, obwohl sie nicht mit Holzsplittern o. ä. in Berührung kommen. B Ein regelmäßiges Entfernen und Zurückschieben des Nagelhäutchens kann weitgehend verhindern, dass eine Paronychie entsteht. C Frauen sind etwa 3-mal häufiger von einer Paronychie betroffen als Männer. D Nägelkauen kann zu Infektion mit Keimen der Mundflora führen. E Die Paronychie stellt mit 35 – 63 % den größten Anteil unter den Handinfektionen. █ 7 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Welche Aussage zur Behandlung der Paronychie ist richtig? A Bei einer Rötung und Schwellung des proximalen Nagelwalls sollte die Nagelplatte entfernt werden, um die proximale Nageltasche ausspülen zu können. B Bei einer Eiterblase, die bereits die Mittellinie des Fingers überschritten hat, sollte der gesamte Nagelwall zirkulär eröffnet werden, das es sich um einen Umlauf (Run-around) handelt. C Die akute und die chronische Paronychie werden operativ gleich behandelt, nur die Wahl des Antibiotikums ist anders. D Die Stich- oder Schnittrichtung des Skalpells bei einer Abszesseröffnung im Nagelbereich ist grundsätzlich von seitlich in Richtung des Nagelbetts. E Hinter einer „Bulla infecta“ kann sich eine so genannte Kragenknopfinfektion verbergen, daher muss nach Entfernung der Blase der Wundgrund nach einer tiefer gehenden Infektion untersucht werden. █ 8 Wie sollte man den günstigsten Zeitpunkt für eine operative Intervention bei einer akuten Paronychie vorbereiten? A Ein geröteter druckempfindlicher Nagelwall muss mit Zugsalbe verbunden werden, bis eine sichtbare Eiterbildung vorliegt. B Ein geröteter druckempfindlicher Nagelwall muss mit Feuchtverbänden behandelt werden, bis eine deutliche Fluktuation tastbar ist. C Ein geröteter druckempfindlicher Nagelwall kann sofort durch eine Ablösung des Eponychiums und eine Abhebung des Nagelwalls behandelt werden. D Ein geröteter druckempfindlicher Nagelwall sollte nach der zweiten schlaflosen Nacht operativ eröffnet werden. E Ein geröteter druckempfindlicher Nagelwall darf erst operativ angegangen werden, wenn eine Antibiotikatherapie nach 1 Woche keinen Fortschritt gebracht hat. █ 9 Welche Aussage zur Anästhesie bei Paronychien trifft zu? A Eine Oberst-Anästhesie ist bei einer Paronychie immer kontraindiziert. B Eine Vollnarkose ist bei allen Infektionen an der Hand zwingend erforderlich. C Eine intravenöse Regionalanästhesie nach Bier ist bei Infektionen am Finger ideal. D Bei einer Paronychie darf auf keinen Fall eine Blutsperre angelegt werden. E Eine Blutsperre (ohne Auswickeln des Fingers/Armes) oder reduzierte Blutleere (ohne lokales Auswickeln des infizierten Bereichs) ist bei ausreichender Anästhesie möglich und erleichtert die Identifikation der infizierten und nekrotischen Gewebeanteile. CME Fortbildung CME-Fragen 85 Akute Infektionen im Bereich des Fingernagels – die akuten Paronychien █ 10 A keine Panaritiumoperation ohne Drainage! B Die Drainage muss so lange liegen gelassen werden, bis absolut trockene Verhältnisse am Finger vorliegen. C Für eine Drainage bei Infektionen wird immer eine Gegeninzision benötigt. D Drainagen sollten mindestens so breit sein wie die Hälfte der Schnittlänge. E In den meisten Fällen kann auf eine Drainage bei der Behandlung der Paronychie verzichtet werden. Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Welche Aussage zu Drainagen bei der Paronychie ist richtig? CME