Exkursionsbericht 2007 - Universität Stuttgart
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Exkursionsbericht 2007 - Universität Stuttgart
2 Impressum Layout und Satz: Jonas Schmidinger Lektorat: Benjamin Rabenstein David Hoffmann Andreas Sihler Gemeinsame Kommission Umweltschutztechnik c/o Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart Bandtäle 2 D-70569 Stuttgart Kontakt: Telefon: +49 685-65498 Fax: +49 685-65460 Email: WWW: sihler@umw.uni-stuttgart.de http://www.uni-stuttgart.de/stg-umw/inhalt.html Druck: medien-fischer.de, Fellbach-Oeffingen Vorwort unterbrochen durch Hochgebirgsatmosphäre, kreierten die Exkursionsteilnehmen weitere unvorhergesehene Programmpunkte wie z.B. nächtliches Baden in eisViele Institute unserer Universität bieten kalten Seen. den Studierenden des Studienganges Umweltschutztechnik seit Jahren Exkursionen Ich habe die sechs Tage der Exkursion als an. Eine große, mehrtägige Umweltschutzausgesprochen anregende, angenehme, technikexkursion fehlte bisher allerdings. erlebnisreiche Zeit empfunden, die auch Also musste sie endlich erfunden werden. mir viele neue bisher unbekannte EindrüAm 8. Oktober 2007 war es soweit, die erscke vermittelt hat. Alle Teilnehmer waren te „Große Umweltschutztechnikexkursiimmer bester Stimmung, unsere Gastgeon“ startete mit 9 Teilnehmerinnen und 17 ber haben uns gastfreundlich und aufgeTeilnehmern, begleitet von Herrn Dipl.-Ing. schlossen empfangen und hatten nicht erSihler und mir. lahmende Geduld mit allen Detailfragen, und unser Busfahrer hat alle HerausfordeFür die folgenden 6 Tage war die Schweiz rungen einschließlich teilgesperrter Passmit den Stationen Rheinfelden, Zürich, straßen mit bereits demontierten LeitplanRhônegletscher, Gotthard-Tunnel, Anderken gemeistert. matt, Chur, Sargans und vielen anderen das Ziel. Die Teilnehmer erhielten ungeahnte, Ich möchte allen Beteiligten ausdrücklich überwiegend unterirdische Einblicke in die dafür danken, dass sie zum perfekten GeWasserversorgung, Abwasserentsorgung, lingen der ersten Großen UmweltschutzAbfallwirtschaft, Wasserkraftgewinnung technikexkursion beigetragen haben. Alaus Flüssen und im Hochgebirge, Endlalen Sponsoren, die die Durchführung der gerung von radioaktiven Abfällen, TunExkursion unterstützt haben, ebenfalls nelbau, Tunnelsicherheitsforschung, um herzlichen Dank. nur die wichtigsten zu nennen. Auch zu Ganz besonderer Dank gilt Herrn Sihler, der später Stunde nach erlebnisreichen Tagen die Exkursion mit allen Details sorgfältig wussten unsere Gastgeber zu begeistern vorbereitet hat und mit seiner umsichtiund eröffneten insbesondere den jüngegen Leitung wesentlich für den Erfolg und ren Semestern die geradezu unglaubliche für die gute Stimmung von frühen Morgen Vielfalt späterer Berufsmöglichkeiten für bis spät in die Nächte gesorgt hat. Dafür Umweltschutzstudierende. wurde er von den Teilnehmern mit dem einmaligen Ehrentitel „StudiengangsonNeben den Fachbesichtigungen boten kel“ ausgezeichnet. aber auch weitere Highlights wie eine Wanderung durch die Aareschlucht, eine Viel Spaß beim Lesen und bei der Erinneschwankende Hängebrücke, eine der rung an eine tolle Woche, die hoffentlich steilsten Bergbahnen, die Eishöhle im zu den Glanzpunkten Ihres Studiums zähRhônegletscher und zur besonderen Freulen wird. de des Unterzeichners eine Fahrt im Glacier-Express; Erlebnisse der besonderen Art. Offensichtlich inspiriert durch die VielUlrich Rott zahl der Aufenthalte in Höhlen, Kavernen, Stollen, Tunnels, Schächten und Kanälen, 4 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Prof. Dr.-Ing Ulrich Rott Andreas Sihler Andrea Adam Alexander Axarlis Katherina Baber Kathrin Barbi Samuel Beisel Manuel Bickel Tamara Bös Maren Burkert David Hoffmann Sebastian Kaiser Alexander Kilian Julian Mehne Hannes Meyer-Schönbohm Tobias Mosthaf Julia Oetken Benjamin Rabenstein Sebastian Roos Julian Sauterleute Jonas Schmidinger Heiko Schuller Johannes Schütz Michael Sinsbeck Silvia Thumm Sarika Wahi Christine Wüst Markus Zinkhahn 6 Dank an die unterstützenden Institutionen Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich bei allen Unterstützern, Sponsoren und Spendern dieser erlebnisreichen und interessanten Exkursion bedanken. Ohne die finanzielle, ideelle und „kulinarische“ Hilfe wäre eine solche Große Exkursion Umweltschutztechnik nicht realisierbar gewesen. Unser Dank gilt auch allen Beteiligten der besuchten Exkursionsziele. Wir wurden stets sehr freundlich empfangen, obwohl so mancher seinen Feierabend für eine Führung für uns opfern musste. Wir hoffen, dass die nachfolgend genannten Institutionen auch weiterhin Exkursionen dieser Art für den Studiengang Umweltschutztechnik mit tragen werden. Dank für einen finanziellen Beitrag: DAIMLER AG ADOLF WÜRTH GMBH & CO. KG LBBW STUTTGART ENBW REGIONAL AG ED. ZÜBLIN ENERGIEDIENST AG SIEMENS BUILDING TECHNOLOGIES GMBH & CO. OHG SBT HQD FIRE SAFETY & SECURITY PRODUCTS Bedanken möchten wir uns auch bei Herrn Prof. Fuchs, Geographisches Institut der Johannes Gutenberg Universität Mainz, für den engagierten Dank für die Gastfreundschaft und den herzlichen und interessanten Einführungsvortrag zur Pro- Empfang: blematik der Gletscherschmelze infolge des Klimawandels mit dem Titel „Gletscherwelten des WASSERVERSORGUNG ZÜRICH Schweizer Wallis – Faszination und Sorge“. ENTSORGUNG UND RECYCLING ZÜRICH – ERZ Hervorzuheben ist die Gesprächsrunde mit Herrn Neuhold, dem Direktor der Züricher ERZ, der sich KRAFTWERK OBERHASLI AG – KWO viel Zeit für uns nahm und uns in einzigartiger Weise mit seinen Visionen und seinem unkonven- NATIONALE GENOSSENSCHAFT FÜR DIE LAGEtionellen Führungsstil fesseln konnte. RUNG RADIOAKTIVER ABFÄLLE - NAGRA Unser besonderer Dank gilt dem Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Industrie- und Siedlungswasserwirtschaft sowie Abfallwirtschaft e.V. (FEI) für die hervorragende Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Umsetzung der Exkursionsreise. ALP TRANSIT GOTTHARD AG VERSUCHSSTOLLEN HAGERBACH AG –VSH UNIVERSITÄT STUTTGART; FAKULTÄT BAU- UND UMWELTINGENIEURWISSENSCHAFTEN PROFESSORENSCHAFT DER FAKULTÄT 2, UNIVERSITÄT STUTTGART KONTAKT UMWELTSCHUTZTECHNIK STUTTGART E.V. 8 Reiseroute Quelle: Google Maps Exkursionsziele (1) Wasserkraftwerk Rheinfelden Seite 11 (2) Züricher Wasserversorgung Seite 15 (2) Abwasserbehandlung Zürich (ERZ) Seite 19 (2) Kehrichtverbrennung Zürich Seite 23 (3) Aareschlucht Seite 29 (4) Grimselstausee KWO Seite 33 (4) Felslabor Nagra Seite 39 (5) Rhônegletscher Seite 43 (6) Gotthard-Basistunnelbaustelle Seite 47 (7) Untertage Versuchsstollen Hagersbach Seite 53 10 Wasserkraftwerk Rheinfelden Sebastian Kaiser Samuel Beisel 12 als einzige im Vollbetrieb genutzt werden. Rheinfelden stellt deshalb eine Ausnahme dar, weil hier 2003 ein Jahrhundertbauprojekt begonSchon früh auf den Beinen und fast pünktlich um nen wurde, mit dem Ziel einer Leistungssteige8 Uhr morgens am 08.10.07 trafen Herr Sihler, rung auf 600 Mio. kWh, was einer Versorgung von Herr Rott und 26 Studenten an der Universität ca. 200.000 Haushalten entspricht. Stuttgart ein, um die „Große Umweltschutztech- Doch diese Entscheidung war nicht ganz freiwillig, da Konzessionsauflagen eine Leistungssteinikexkursion 2007“ in die Schweiz zu starten. gerung verlangten, die mit dem alten Kraftwerk nicht auszuführen gewesen wäre. Darum wurde entschieden, das alte Kraftwerk still zu legen und ein neues Kraftwerk weiter flussaufwärts zu bauen. Der Bau dieses Kraftwerks soll 2010 beendet sein und wird insgesamt rund 380 Mio. Euro kosten. In der 15-jährigen Planungszeit wurden verschiedene Maßnahmen, wie z.B. der Bau eines Fischaufstiegs, einer Bootsumsatzstelle und dem „Schützen“ der dort vorhanden Felsen im Flussbett, wie uns Herr Waldkircher mit Augenrollen berichtete, getroffen. Wasserkraftwerk Rheinfelden Nach fast staufreier Fahrt war die erste Station unserer Bildungsreise das Wasserkraftwerk in Rheinfelden. Dort wurden wir herzlichst von Frau Trapp-Brüstle und Herrn Waldkircher im Namen der Energiedienst Holding AG mit einem „kleinen“ Imbiss und Getränken empfangen. In seinem Vortrag gab uns Herr Waldkircher zuerst einen groben Überblick über die Firmenstruktur der Energiedienst AG, die ihren Sitz zwar in der Schweiz hat, jedoch zu 76% in baden-württembergischer Hand (EnBW) ist. Die Firma produziert nur Strom aus regenerativen Energiequellen. Sie bieten „Natur Energie Silber“, sog. „Silberstrom“ an, der nur aus der Wasserkraft gewonnen wird und „Natur Energie Gold“, sog. „Goldstrom“, der sowohl aus Sonnenenergie als auch aus Wasserenergie gewonnen wird. Damit werden 756.000 Kunden im südbadischen Teil Deutschlands, aber auch Teile der Schweiz mit „sauberem“ Strom versorgt. Zudem war es nötig, den Rhein um 1,40 Meter anzustauen, um den erforderlichen Durchfluss von 1,5 Mio. Liter Wasser pro Sekunde zu erreichen. Nach einem kurzen Informationsfilm über die Geschichte des alten Kraftwerks Rheinfelden und dessen Inbetriebnahme wurden wir mit Helmen und Funkkopfhörern ausgestattet und von Frau Trapp-Brüstle über die, quer über den Rhein verlaufende, Baustelle geführt. Die große Herausforderung beim Bau war das Arbeiten in dem, an dieser Stelle 360 Meter breiten, Rhein. Deshalb konnten die Arbeiten nur abschnittsweise durchgeführt werden, wodurch lange Bauphasen zur Befestigung und für den Aushub erforderlich waDas Stromnetz hat eine Gesamtlänge von knapp ren. Allein für das Maschinenhaus musste eine 14000 km. Allein am Hochrhein befinden sich Grube mitten im Rhein von 35 Meter Tiefe ausge11 Kraftwerke, wovon Wyhlen und Rheinfelden hoben werden. Dass sehr genau gearbeitet wird, verdeutlicht schon die Tatsache, dass die Bagger mit GPS ausgestattet sind, um eine Genauigkeit von 3-5 Zentimeter zu erreichen. Imposant waren die großen Schütze, die je 90 Tonnen wiegen und von 140 Hydraulikpumpen mit je 230 bar innerhalb von 6 Minuten angehoben werden. Viele zusätzliche Informationen erhielten wir in Einzelgesprächen mit unseren Begleitern, wie z.B. die Besonderheit eines beheizten Mauerwerks, welches das Dichtungsgummi der Schütze im Winter vor Porosität schützt. Nach der Führung gingen wir zurück zum Bus, wo wir uns bei Frau Trapp-Brüstle und Herrn Waldkircher verabschiedeten. An dieser Stelle nochmal ein großer Dank an die Mitarbeiter für die informative und interessante Vorstellung des Jahrhundertprojekts Rheinfelden! 14 Wasserversorgung Zürich Hannes Meyer-Schönbohm Markus Zinkhahn 16 Besuch bei der Wasserversorgung Zürich Als zweiter Programmpunkt unserer Exkursion stand ein Besuch bei der Züricher Wasserversorgung auf dem Programm. Da die eigentliche Zufahrt jedoch gesperrt war, gestaltete sich unsere Anfahrt etwas komplizierter, so dass wir leider mit einer kleinen Verspätung eintrafen. Wie sich dann jedoch herausstellte, standen unsere Umwege bereits direkt mit der Wasserversorgung in Verbindung, denn unter der Zufahrtsstraße gab es einen Wasserrohrbruch, der von den Wasserwerken repariert werden musste. Dies war also das erste Beispiel für die Aufgaben eines Wasserversorgungsunternehmens. Die Wasserversorgung Zürich ist für die Aufbereitung und Verteilung des Wasser für 800 000 Menschen in der Stadt und Region Zürich zuständig. Dies bewältigt sie mit: 3 Wasserwerken 29 Pumpstationen 21 Reservoire 1200 Brunnen 1600 km Rohrleitungen 9300 Hydranten Durch die günstige Lage Zürichs hat die Wasserversorgung den Vorteil 70% des Wasserbedarfs mit Seewasser zu decken, welches aus 30 Metern Tiefe gewonnen wird und somit eine relativ konstante Temperatur von 4 bis 8 Grad Celsius aufweist. Die verbleibenden 30% werden jeweils zu 15% durch Grundwasser und Quellwasser gedeckt. Im Anschluss an den Vortrag führte uns Herr Huber durch das Hardhofer Grundwasserwerk, welches fast komplett in die Erde gebaut wurde und mit vier Horizontalfilterbrunnen ausgestattet ist. Unser anfängliches Gefühl, einen Bunker zu betreten, nachdem wir durch Meter dicke Betonwände steigen mussten, betrog uns nicht, denn In der Hauptzentrale Hardhof empfing uns Herr Huber, technischer Betriebsleiter, und stellte uns in einem kleinen Vortrag die Organisation und Aufgaben des Unternehmens sowie die verschiedenen Wassergewinnungsstandorte in Zürich vor. Im Folgenden wollen wir auf die oben genannten Themen näher eingehen. Die Wasserversorgung Zürich ist ein Unternehmen mit 280 Mitarbeitern, die alle Aufgaben wie Planung, Bau und Instandhaltung, Qualitätsüberwachung bis hin zu den Finanzen selbst übernehmen. Sie gehört zur Stadt Zürich, trägt sich jedoch zu 100% selbst, d.h. sie stützt sich auf keinerlei Steuergelder. Der Auftrag der Wasserversorgung umfasst das Bereitstellen ausreichender Mengen an Trinkwasser, dessen hervorragende Qualität, für genügend Druck in den Leitungen zu sorgen und all dies zu geringen Kosten. die Anlage wurde beim Bau während des Kalten Krieges so ausgelegt, dass sie Anschlägen und Sabotageakten Widerstand leisten könnte. Sogar zwei 14-Zylinder-Dieselstromagregate, die eine Stromversorgung der Anlage für 3 Wochen sicher stellen, fehlen nicht. Hinter den dicken Wänden liegt ebenfalls das Herzstück der Wasserversorgung, die Steuerungszentrale. Zur Überwachung und Steuerung der voll automatisierten Anlagen ist nur eine Person zuständig, die bestens mit den Anlagen vertraut ist und im Notfall alle notwendigen Entscheidungen trifft und Maßnahmen koordiniert. Unser weiterer Weg führte uns zum Seewasserwerk Moos. Was wir dort erlebten, sollte für die gesamte weiter Exkursion bestimmend sein. Und zwar, dass nicht nur der Schweizer Käse Löcher hat, sondern die Schweizer auch ihre Berge langsam aber sicher mehr und mehr durchlöchern. Dort ging es nämlich das erste Mal Untertage, um die Baustelle für einen neuen Druckrohrstollen zu besichtigen. Dieser Stollen ist das letzte Stück einer großen Transportleitung, die alle Wasserwerke und Reservoirs miteinander verbindet. Durch den Besuch in den Wasserwerken Zürich ist uns deutlich geworden, dass das Wasser nicht von selbst aus dem Wasserhahn sprudelt, sondern sehr viel mehr dahinter steckt! 18 Züricher Abwasserreinigung Julia Oetken Sarika Wahi 20 Züricher Abwasserreinigung Die Kanalisation: Die Suche nach dem verschollenen Schatz Zahlreiche, die kleiner sind, was die Instandhaltungsmaßnahmen erheblich erschwert. Genauer gesagt sind das 750 km von insgesamt 900 km. Ein bis fünf Mal jährlich wird ein Kanal gereinigt, beziehungsweise inspiziert. In der Innenstadt er- Züricher Zeitung, 9. 10. 2007 : „Banküberfall in der Züricher Innenstadt: Am Nachmittag des 8. Oktober überfiel ein bislang Unbekannter einen Geldtransporter. Der Täter konnte mitsamt seiner Beute fliehen. […]“ Mit großen Bedenken und den Erwartungen eines Goldgräbers wurde die Gruppe verängstigter Studenten mitsamt ihrer Exkursionsleiter zunächst in farbenfrohe Ganzkörperanzüge und unglaublich sexy, bis an die Hüften reichende Stiefel gesteckt und im ERZtler Tourbus zu dem tiefschwarzen, angsteinflößenden Loch verschleppt, dem Tor zum „kollektiven Unterbewusstsein“, und hoffentlich Versteck des erbeuteten Schatzes…. Übel folgt dies alle fünf Wochen. Jede hundert Meter riechende, gelbgrünliche Dämpfe stiegen auf. Im befindet sich aus Sicherheitsgründen ein Schacht. Bus wurde schon der mutigste Mann ermittelt, Jeder Arbeiter ist mit einem Luftmessgerät ausder als erster den Einstieg wagen sollte. gestattet, das den Gehalt von Sauerstoff und toxischen Gase ständig misst. Als nach und nach immer Zehn Minuten vor jedem mehr der Studenten im Abstieg muss der Kanal geDunkel verschwunden walüftet werden.“ ren, blieb auch Herrn Sihler keine Wahl: Mit zitternden Nach Erhalt dieser InforKnien stieg er die schier mationen machte sich endlose Leiter hinab. die Gruppe auf die Suche. In der Tiefe erwartete ihn Gefährlichen, Abwasser und sein Trupp ein nahezu speienden Seitenarmen reißender Strom, von dem geschickt ausweichend, erstaunlicher Weise kein durchsuchten sie die Züallzu unerträglicher Gericher Katakomben Meter ruch ausging, der jedoch für Meter. zahlreiche undefinierbare Stücke mit sich riss. Es wurde zwar nicht die erhoffte Million geborgen, Der Führer stattete die Stuaber das Abenteuer hinterdenten mit dem nötigsten ließ nichts desto Trotz eiGrundwissen aus: nen gewaltigen Eindruck, sodass jeder seitdem nach „Der Bau der ersten modem Toilettenbesuch ein dernen Abwasserkanäle schlechtes Gewissen beim Züricher Quartier Selkommt. nau ist im Jahr 1860 zu datieren. Das Abwasser braucht maximal drei bis vier Stunden vom Verbraucher bis zur Kläranlage. Die Kanäle sind ab 80 cm Durchmesser begehbar, jedoch gibt es auch Das Klärwerk: Von Ratten und Schlämmen angelegt. Die Schlammbehandlung ließ die Gruppe aus Zeitgründen links liegen. Insgeheim war aber jeEndlich wieder am Tageslicht und ermutigt von der froh, dieser Geruchsprobe glücklich entkomden (Geruchs-) Erfahrungen aus der Kanalisation, men zu sein. ahnten die Studenten nichts Schlimmes, als sie zur Besichtigung des Klärwerks Werdhölzli aufbrachen. Die Tour führte entlang des Reinigungsprozesses, also startete man am Grobsandfang und der Waschanlage. Bis dahin also nichts Spektakuläres… doch dann wurde der Idylle ein jähes Ende gesetzt, als die Tür der Rechenanlage aufging: Eine Wand des Übelgeruchs kam der Gruppe entgegen. Nichts konnte ihn von der Nase fernhalten; dennoch wurde die Anlage ausführlich inspiziert und die ein oder andere tote Ratte und weitere interessante Dinge entdeckt. „Die Rechenanlage hält Textilien, Papier, Holz, Speisereste und Ähnliches zurück. Dieses Rechengut wird in einer Presse verdichtet und anschließend in den Kehrichtheizkraftwerken verbrannt.“, erklärte die Führerin. Wieder an der frischen Luft ging es weiter zu dem belüfteten Öl- und Feinsandfang, vorbei an dem Voreindicker zum Vorklärbecken. Die in der Rechenanlage zunächst auf einem Tiefpunkt angelangte Stimmung der angehenden Ingenieure hellte sich besonders beim Anblick der Hebewelle wieder auf: endlich eine Mechanik, die man schon einmal auf dem Papier gesehen hatte… In der biologischen Abwasserbehandlung angekommen, gab die Führerin weiteres Wissen preis: „Hier werden feinst verteilte, nicht sedimentierfähige Schmutzstoffe und ein wesentlicher Teil der gelösten Inhaltstoffe aus dem Abwasser entfernt. Für die Abbauprozesse sind Mikroorganismen, insbesondere Bakterien, verantwortlich, die im Belebtschlamm vorhanden sind. Dieser wird danach im Nachklärbecken vom Wasser getrennt. Gleichzeitig zur biologischen erfolgt auch die chemische Reinigung, wodurch vor allem Phosphate entfernt werden.“ Die Mitarbeiterin des ERZ erklärte dazu, der Fang scheide –selbstredend- Öle und Fette sowie Feinsand ab. Das Abwasser beruhige sich danach in dem Vorklärbecken so stark, dass sich die noch vorhandenen ungelösten Stoffe wie Fäkalien, Papier- und Speisereste usw. auf dem Beckenboden absetzen würden. Dies sei der so genannte Primärschlamm, der in die Schlammbehandlung gepumpt werde. Die Vorklärbecken seien als radial durchströmte Rundbecken mit Rundräumern Nach Besichtigung der letzten Klärstufe vor Einleiten in die Limmat, der Filtration, traten die Studenten, obwohl mit so vielen Informationen gefütterten, hungrig den Rückweg an. Dabei entdeckten sie die „Heilbäder“, in denen sich die ERZ Mitarbeiter von den üblen Gerüchen in der Mittagspause kurieren konnten: Alte Vorklärbecken, nach der Erweiterung nicht mehr gebraucht, wurden zu Badeteichen umfunktioniert. 22 Die Idylle war wieder perfekt. Die Gerüche fast vergessen… …doch der Schein trog. Der Besuch im Wirbelfallschacht stand noch bevor. Kehrichtverbrennung Zürich Manuel Bickel Andrea Adam 24 Kehrichtverbrennung Zürich Die Eindrücke des Morgens konnten sich bei einem vorzüglichen Mittagessen in der angenehmen Atmosphäre der Kantine der Abfallverbrennungsanlage Zürich setzen. Doch Moment, auch an dieser Stelle konnten wir unser Schweizer Vokabeltraining fortsetzen – in der Schweiz wird nicht Abfall oder gar Müll verbrannt, nein, es heißt hier Kehricht. Nach der Pause war es wieder daran, die Helme aufzusetzen. Sperrgut, zu dem auch mal ein Rollcontainer gehören kann, zerkleinern soll. Trotz anfänglichem Abraten einiger Ingenieure wird ein relativ hoher Anteil von 10% Klärschlamm zugesetzt. Das Beeindruckendste in der Kehrichtanlieferungszone war wohl der Blick in den Müllbunker mit 11.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, aus dem die zwei 100.000 t Ofenlinien gespeist werden. Noch besser war der Blick hinein aus den oberen Etagen. Leider war der Aufzug auf 11 Per- Die Verbrennung läuft nun problemlos bei 900 sonen begrenzt, aber die Treppen schreckten den °C ab, dabei verbleiben pro Tonne Kehricht durchschnittlich 220 kg Schlacke und 35 kg Gefahrstoffe Rest der Studenten nicht ab. wie Flugasche und Schwermetalle. Letztere werden mit großer Sorgfalt kooperativer deutscher Umweltschutztechniker (wie uns beispielsweise) im Salzbergwerk bei Heilbronn endgelagert. Die Prozesse im Ofen liefern pro Zug bis zu 48 MW, die neue Gegendruckgasturbine liefert zusätzliche 17 MW. Dazu steht ein Lufkondensator bereit, der jedoch aufgrund einer ausgeklügelten Kühlwabenstruktur die meiste Zeit nicht zum Einsatz kommen muss. Mehr oder weniger schwer atmend schauten wir anschließend in den riesigen Müllbunker hinunter - der Schritt auf den vergitterten Plexiglasboden am Rande der Kranführerkabine gab so manchem ein mulmiges Gefühl. Der Kranführer erklärte uns mit Begeisterung, welche Arbeitschritte er durchzuführen hat und wie er die Infrarotkameras nutzt, um durch homogene Müllverteilung der Entzündung des Mülls vorzubeugen und die Kunststoffteile so zu verteilen, dass keine überhöhten Verbrennungstemperaturen resultieren. Mit dem 4-Kubikmeter-Greifer muss er 10 t/h auf die Förderbänder schaffen. Diesen ist ein Schredder vorgeschaltet, der das Natürlich ist die Anlage auch an ein Fernwärmenetz angeschlossen und liefert dafür 400 Gigawatt pro Jahr. Wärme bekamen wir anschließend zu Genüge zu spüren, als wir die Rauchgasreinigungsanlage besichtigten. Die Mutprobe bestand für einige von uns jedoch nicht darin sich ent- sprechend zu entkleiden, sondern in dieser doch recht ansehnlichen Höhe über den nur aus Gittern bestehenden Boden zu gehen. Eine gewisse Ablenkung bot die Technik des Elektrofilters, der Katalysatoren und des Nasswäschers, welche bei 200 °C beziehungsweise 160 °C arbeiten. weilrekord in der Kammer aufgestellt hat ist noch ungeklärt, aber er dürfte nicht weit über 30 Sekunden liegen. Der Abwassertransport geschieht über zwei Rohre mit jeweils 1,5 Quadratmeter. Damit der Tunnel zum Stolz Schweizer Baukunst heranwachsen Dies war auch schon die letzte Station in der Keh- konnte, wurden verschiedenste Kommunikatirichtverbrennungsanlage und wir fuhren weiter onsleitungen sowie Leerrohre installiert, so dass zur ehemaligen Kläranlage für Zürich Nord. Als ob er letztendlich für unsere Truppe von etwa 30 die Mitarbeiter der ERZ unsere Gedanken lesen Personen problemlos begehbar ist und von den könnten, bereiteten sie uns vor der nächsten In- Mitarbeitern mit Motorrollern befahren werden formationsflut eine gemütliche Kaffeepause mit kann. Imbiss in ihrem Konferenzzentrum. Wie wir noch lernen sollten haben Spaß und ein gutes Klima einen hohen Stellenwert im Züricher Entsorgungsunternehmen. Wir hatten am Abend nämlich die Möglichkeit einen Geschäftsleiter des ERZ kennen zu lernen und von ihm zu erfahren, wie er das Unternehmen in einen solch soliden Zustand gebracht hat. „Mein Name ist Neuhold wie Unhold“ begann er seinen Bericht und erläuterte den schlechten Zustand in dem er die Züricher Entsorgung bei seiner Ankunft vorgefunden hatte. Leider bestätigte er uns, dass auch in der Schweiz in öffentlichen Betrieben die Bürokratie ein großes Hindernis für den Arbeitsfluss und die Effizienz ist. Frisch gestärkt warfen wir dann einen Blick auf die Anlage, die nun nur als Regenrückhaltebecken genutzt wird. Zürich ist hydraulisch in zwei Gebiete getrennt, da die Glatt im Norden das Maximum ihrer Wasserkapazität erreicht hatte, lag der Gedanke nahe den gesamten Abwasserstrom umzuleiten und das Klärwerk Werdhölzli zum einzigen Hauptklärwerk Zürichs auszubauen. Da das Tunnelbauen wohl eine der Lieblingsvorhaben von Schweizern ist, wurde das Problem durch einen Stollen gelöst, der die Weiterleitung gewährleistet. Um diesen zu Gesicht zu bekommen mussten unsere Nasen noch eine unangenehme Erfahrung machen. Der ungeklärte Abwasserstrom fließt durch eine Rechenhalle, die Strapazierfähigkeit unseres Geruchsorgans wurde jedoch in der Kammer des Wirbelfallschachts am härtesten auf die Probe gestellt. Er dient zur Energiedissipation um die Verbindungsrohre vor Schäden aufgrund zu hoher Strömungsgeschwindigkeiten und Impulse zu schützen – aufgewirbelt wird dabei so einiges und schön fein in die Luft emittiert. Wer den Ver- 26 Herr Neuhold übernahm den Betrieb mit einem riesigen Schuldenberg und betrachtet ihn nun nicht mehr im Kontext eines öffentlichen Dienstleisters, sondern wie ein eigenständiges Unternehmen. Seine Reorganisation startete mit einer Veränderung der Personalstruktur, so dass die Arbeit nicht an mehreren Posten vorbei läuft ohne wirklich bearbeitet zu werden. Vor allem die Posten in den oberen Etagen schnitt er einfach ab, sie wurden in anderen Bereichen der öffentlichen Arbeit untergebracht. Nun waren die „Operative Managers“, also z.B. der Leiter der Kläranlage oder Kehrichtverbrennungsanlage, die Chefs und nicht mehr die Dienstleistungsbereiche. Weiterhin wurde das Potential schon vorhandener Arbeitskräfte besser ausgeschöpft. Einige der Straßenkehrer bekamen eine koordinierende Rolle, d.h. „einfache“ Arbeiter, die Erfahrung mit ihrer Sache hatten, konnten diese nun organisieren. Das Konzept funktioniert in Zürich bisher sehr gut. Da der Kontakt von den Managementetagen zu den Arbeitern gepflegt wird, entstand ein hohes gegenseitiges Akzeptanzniveau. Um die gute Laune zu sichern ließ sich Herr Neuhold einiges einfallen: ein gemeinsames zweitägiges Kulturprogramm jedes Jahr; eine schicke blonde Lehrerin für die Deutschkurse, um vor allem die Motivation der Mitarbeiter mit südländischer Mentalität zu steigern; ein Gesundheitsmanagement, zu dem auch gehört, dass überall im Unternehmen Körbe mit frischem Obst zur freien Verfügung bereit stehen, „15.000 CHF kostet das Obst, das sind Peanuts im Jahresbudget“, meint Herr Neuhold. Für den Bau der Kehrichtsverbrennungsanlage musste er seine Mitarbeiter sogar überzeugen, dass sie den Hauptteil der Arbeit selbst schaffen und keine Berater brauchen – nun gut, er argumentierte, dass er sonst einfach die Berater einstellen könnte statt den Mitarbeiter, aber er konnte die Mitarbeiter aus der Reserve locken und jetzt sind alle stolz auf ihre Leistung. Er geht einfach nach dem Prinzip vor, dass jeder sich selbst genau klar machen muss, was er eigentlich wirklich leisten kann und was die persönlichen Bedürfnisse sind. Auf diese Weise wird die A r b e i t s k ra ft optimal eingesetzt. Zusätzlich sollte nach Herr Neuholds Auffassung ein Unternehmen relativ offene Personalstrukturen haben, so dass keine Stagnation entsteht. Dies fordert zwar immer wieder einen neuen Aufwand, doch auf jeden Fall einen lohnenswerten. Mit seiner sehr aktiven Art hat er die Entsorgung und Recycling Zürich vor dem Ruin gerettet und dabei sogar den Kunden günstigere Preise beschert. Eine solche Geschichte und der Erfolg hängen natürlich von vielen Gegebenheiten ab. Man kann nicht einfach jedes beliebige Unternehmen reorganisieren und sanieren, außerdem steckt ein erheblicher persönlicher Einsatz sowie Verzicht dahinter, trotzdem waren Herr Neuholds Worte sehr motivierend für uns. Das war ein schöner Abschluss des zweiten Exkursionstages, den einige noch beim traditionellen Schweizer Käsefondue oder am Züricher See ausklingen ließen. 28 Aareschlucht Johannes Schütz Tamara Bös 30 Aareschlucht: Geschichte und Mythos Beeindruckend und vor allem eine nette Abwechslung von den ganzen Stollen war der Besuch der im Haslital gelegenen Aareschlucht. Schon vor langer Zeit, als die Gletscher tief ins Tal reichten, entstanden dort tiefe Einschnitte unter dem Eis. Geschiebe und Wasser wirkten kontinuierlich als Feile und ließen über Jahrtausende die Aareschlucht entstehen. Durch die Unterspülungen sind große Flächen abgebrochen, was sich an den glatten, fast senkrechten Felswänden sehr schön erkennen lässt. An der engsten Stelle sind die gewaltigen Felsen kaum 1 Meter auseinander. Die ersten Menschen, die den fast mystischen Boden der Aareschlucht betraten, waren Reiseabenteurer und Einheimische. Damals war das im Gegensatz zu heute allerdings mit hohen Risiken verbunden, da man in die Aareschlucht nur über eine Seitenschlucht, die so genannte „Finstere Schlucht“, gelangen konnte. was einen Anstieg der Besucherzahl auf 34000 zur Folge hatte. Im Jahre 1942 wurden durch den Ausbruch eines Gletschersees im Grimselgebiet große Teile des Laufstegs durch Hochwasser zerstört. Eine erneute Straßenöffnung, nämlich die Sustenstraße, führte nach Kriegsende 1947 zu einem Besucherrekord mit 180000 Eintritten. Wer mit wachsamen Augen in der Schlucht unterwegs ist kann mit viel Glück den Tatzelwurm sehen. Seit jeher gab es immer mal wieder Leute, die ihn gesehen haben wollten, jedoch handelte es sich immer nur um flüchtige Begegnungen ohne Beweise. Bis dann eines schönen Tages dem Berliner Fotografen Balkin das schier Unmögliche gelang. Heute kann die 1400 Meter lange und 200 Meter Und wer sich fragen sollte wer oder was der Tattiefe Schlucht über einen Steg und einen Tunnel zelwurm war oder ist, hier das von Balkin geschosbequem durchwandert werden. Die Weichen für sene Foto: den Bau der Anlagen wurden am 28. September 1887 gelegt, als der Regierungsrat des Kantons Bern eine Konzession für die Anlage „einer Galerie und eines Fußwegs durch die Aarlamm“ erteilte. In den Gemeinden Schattenalb & Meiringen wurde eine Gesellschaft gegründet, die sofort mit dem Bau des Fußwegs begann, welcher ab dem Jahre 1888 begehbar war. Bereits im selben Jahr wurde die Schlucht von 12000 Personen besucht. 1895 wurde die Strasse über den Grimselpass eröffnet, Die „Berliner Illustrierte Zeitung“ wollte aber noch stichhaltigere Beweise und setzte eine Belohnung von 1000 Mark aus für denjenigen, der ihn bei der Zeitung ablieferte. Trotz der hohen ausgesetzten Belohnung wurde der Tatzelwurm bis heute nie abgeliefert. Allerdings gibt es den Tatzelwurm heute noch in auserlesenen Konditoreien als Bisquitspezialität zu kaufen. 32 Grimselstausee KWO Silvia Thumm Heiko Schuller 34 Der Tag begann mit einem Spaziergang durch die Aareschlucht die uns die Natur in ihrer Einzigartigkeit zeigte. Nach dem darauffolgenden typisch schweizerischem Geschnetzeltem machten wir uns auf zur „Kraftwerke Oberhasli AG“ (KWO). Dort wurden wir bereits sehnsüchtig von Susanne Lüthi, unserer Betreuerin bei der KWO, erwartet. Sie führte uns kompetent in die Geschichte des Unternehmens ein und informierte uns über Zahlen, Daten, Fakten und Visionen. So erfuhren wir, dass die KWO bereits 1925 im Zuge der Elektrifikation auf Initiative der bernischen BKW gegründet wurde. Heute befinden sich 50 % des Aktienkapitals in den Händen der BKW FMB Beteiligungen AG, Bern und 50 % zu je gleichen Teilen in den Händen der Städte Bern, Basel und Zürich. Rund 365 Mitarbeiter werden bei der KWO beschäftigt, wobei sich das Beschäftigungsgebiet von der Kraftwerkstechnik bis hin zum Tourismus erstreckt. So wird z.B. die Gelmerbahn mit 106 % Steigung, eine der steilsten Standseilbahnen der Welt, von der KWO betrieben. Die KWO besitzt ein Netz aus 7 Stauseen, einem Natürlichen See und 9 Kraftwerken mit 26 Turbinen, die zur Abdeckung der Spitzenlasten bis zu 1062 MW beisteuern. Jährlich wird von den Stauwasserkraftwerken eine Energiemenge von 2350 GWh produziert, was 7 % der Gesamtproduktion der Schweizer Wasserkraftwerke entspricht und womit der Bedarf von ca. eine Millionen Menschen genüge getan werden kann. Die Kraftwerke Oberhasli sind Bedarfskraftwerke, die nur zu Zeiten besonders hohen Bedarfs kurzzeitig Strom produzieren und ins Netz einspeisen. Dies ist möglich, da die Turbinen lediglich 30 Sekunden Anlaufzeit benötigen. Herkömmliche Grundlastenkraftwerke, wie Kohle- und Kernkraftwerke, liefern ständig Strom, da die Regulierung ihrer Leistung technisch nicht immer möglich, ineffizient und mit hohen Kosten verbunden ist. Nachts wird dieser Strom nicht vollständig benötigt, sodass er von Kraftwerksbe- treibern wie der KWO günstig eingekauft wird, um das zur Stromerzeugung abgelassene Wasser wieder zurück in die Stauseen pumpen zu können. Nach den zahlreichen Fakten und einem Film mit beeindruckenden Bildern waren wir nun heiß darauf, die Stauseen und Kraftwerke live zu sehen. Also begaben wir uns auf ca. 1767 m ü.M. zum Stausee Räterichsboden, dessen Mauer in diesem Sommer von einem Künstler verziert wurde. Ursprünglich wollte er die gesamte Staumauer bemalen, stellte dann jedoch fest, dass es aufgrund der riesigen Fläche und der begrenzten Zeit nicht möglich war. Rechter Hand des Sees begaben wir uns in den Stollen, der zu den Kraftwerken Grimsel 1 und Grimsel 2 führt. Die Strecke von 2,8 km unter Tage bis zum Grimsel 2 Kraftwerk durften wir entweder per Fahrrad oder per Elektromobil bewältigen, da unser Bus 5 cm zu hoch war, was sich allerdings als spannende Abwechslung herausstellte und allen Beteiligten viel Spaß brachte. Auf dem Weg passierten wir den Zugang zum Versuchslabor für atomare Entlagerung NAGRA was wir Tags drauf besichtigten. Am Kraftwerk Grimsel 2 angekommen bildeten wir zwei Gruppen, deren Führung Susanne Lüthi und ihr Mann Hans-Rudolf Lüthi übernahmen. Da sich das Kraftwerk gerade in Revision (Wartung) befand, konnten wir der Führung auch ohne technische Verstärkung folgen und hatten außerdem das Glück in eine teilweise geöffnete Turbine sehen zu können Es gibt drei Turbinen-Typen die in Wasserkraftwerken Verwendung finden: die Pelton-, Francisund Kaplan-Turbine, wobei nur die ersten Zwei in Stauwasserkraftwerken genutzt werden und Letztere nur in Flusskraftwerken vorkommt. Bild(v.l.n.r.) In Grimsel 2 befinden sich 4 Francis-Turbinen, die die Generatoren zur Stromerzeugung antreiben. Auf der anderen Seite der Generatoren befindet sich jeweils eine Pumpe, bei deren Betrieb der 36 Generator als Elektromotor fungiert und so den Strom für die Pumpe liefert. So liegt der Wirkungsgrad bei diesem Turbinen/Pumpsystem bei 75%. Würde man die Turbine umgekehrt auch als Pumpe benutzen, wäre der Wirkungsgrad wesentlich geringer. Das Wasser nimmt seinen Weg vom Oberaarsee durch den Treibwasserstollen ins Druckrohr, wo es vor der Turbine einen Druck von 50 bar besitzt. In der Turbine wird das Wasser auf 10 bar entspannt und in den Grimselsee entlassen. Der im Generator gewonnene Strom wird über Verteiler nach Innertkirchen geleitet, wo er ins Netz eingespeist wird. Wieder an der frischen Luft, bekamen wir die Gelegenheit unsere Bergsteigerambitionen beim Erklimmen der Staumauer zu testen. Von der Staumauer aus konnte man den Stausee Räterichsboden in seiner ganzen Größe überblicken. Ist die Strombedarfsspitze überstanden, d.h. der Strombedarf hat sich wieder auf das Normalniveau abgesenkt, wird der Strombedarf über die Grundlastenkraftwerke ausreichend gedeckt. Nun müssen die Turbinen runtergefahren werden. Dazu muss auf der Hochdruckseite ein Kugelschieber und auf der Niederdruckseite ein Klappenschieber geschlossen werden. Der dabei auf der Hochdruckseite entstehende Druckstoß wird über das Wasserschloss abgefangen. Vor erneutem Öffnen der Schieber wird das System über ein Vorfluter geflutet um Materielschäden durch den hohen Druck und den daraus resultierenden Kräfte zu vermeiden. Im Inneren des Gemäuers stiegen wir zahlreiche Treppen hinunter und waren dabei fasziniert von der Konstruktion der Mauer. Am Ende kamen wir zur Überraschung aller wieder im Eingangsbereich des Stollen heraus, durch den wir schon zum Grimsel 2 Kraftwerk gelangt waren. Nach dem kleinen Spaziergang auf der Staumauer, begaben wir uns etwas unterhalb der Mauerkrone in die nur aus Beton gefertigte Mauer hinein. Lediglich an den Seiten und am Boden ist sie durch Eisenverstrebungen im Felsmassiv verankert. Die nötige Stabilität und Festigkeit erhält sie durch ihre Geometrie und ihr Eigengewicht. Auf dem Rückweg vom Grimsel 2 Kraftwerk durch den Stollen machten wir Halt an einer Kristallkluft, die beim Kraftwerksbau 1974 entdeckt wurde. Sie ist die einzige Kluft der Alpen, die in dieser natürlichen Form begehbar ist. Abschließend bedankte sich Prof. Rott bei Susanne und Hans-Rudolf Lüthi mit einem kleinen Präsent und wir machten uns auf zum von der KWO betriebenen Kinder- und Familienhotel Handeck, wo wir mit kulinarischen Spezialitäten und gutem Wein verwöhnt wurden. Für die Zukunft plant die KWO eine Erhöhung der Staumauern am Grimselsee um 23 m. Durch den erhöhten Wasserspiegel stünde das doppelte Speichervolumen zur Stromerzeugung zur Verfügung. Der damit zu erwirtschaftende Mehrgewinn erlaubt dieses teure Projekt, das mit zahlreichen Umbauten der bestehenden Kraftwerksanlage, der Verlegung der Passstraße und der damit verbundenen Bau einer Brücke über den Grimselsee, sowie den ökologischen Ausgleichsmaßnahmen. Diese wären nötig, da durch die Staumauererhöhung 0,87 Quadratkilometer Land überflutet würden (dies entspicht 1% der Fläche des Unteraartales). Einige dieser Ausgleichsmaßnahmen wären zum Beispiel die Umsiedlung sämtlicher durch die Überflutung bedrohten Tierarten, die Neupflanzung von 2500 Arven (eine Kiefernart) für die 46 Überfluteten und die Erschließung eines 2,1 Quadratkilometer großen Naturschutzgebietes. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Ausgleichsmaßnahmen die durchgeführt werden müssten. Dies zeigt, dass Unternehmen verpflichtet werden nach solch gravierenden ökologischen Eingriffen der Natur wieder etwas zurück zu geben. 38 Ein Bericht von Alexander Axarlis Michael Sinsbeck 40 NAGRA Felslabor Die Atomkraft hat in Deutschland und auch in der Schweiz einen schlechten Ruf. Im Allgemeinen wird sie nicht als saubere Energie bezeichnet. Momentan sind wir allerdings darauf angewiesen Atomkraft zu nutzen, um unseren Energiebedarf zu decken. Deshalb ist der Bereich Kernenergie interessant für uns als Umweltschutztechniker. Aus diesem Grund stand ein Besuch bei der NAGRA auf dem Programm, der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Die NAGRA betreibt ein unterirdisches Felslabor, das durch den Stollen erreichbar ist, durch den wir schon am Vortag zum Wasserkraftwerk Grimsel 2 gefahren sind. Ein unterirdisches Felslabor, in dem mit Radioaktivität geforscht wird – unter diesen Worten stellten wir uns anfangs ein futuristisches Hochsicherheitslabor vor, in dem etliche hochspezialisierte Forscher in Sicherheitsanzügen herumlaufen, Forschungsprojekte betreiben und Uran in Sicherheitstransportern herumfahren, ähnlich wie im James Bond „The world is not enough“. In dieser Hinsicht wurden unsere Erwartungen komplett enttäuscht. Bei unserem Aufenthalt waren nur zwei Mitarbeiter von NAGRA anwesend und das auch nur, um uns herumzuführen. Wenn keine Führungen stattfinden, ist normalerweise nur ein Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen da. Die Forscher sitzen alle bequem in Tokio am Computer und erfassen ihre Messungen online. Auch das Labor an sich war weniger spektakulär als erwartet; es besteht aus einem 1,5 km langen Stollensystem, das in den Berg gesprengt wurde. Die Versuche werden meist mit Hilfe von Bohrungen direkt in der Wand oder in einzementierten Kesseln durchgeführt. Da es sich bei den Experimenten um Langzeitversuche handelt, ist hier nur bei der Installation von neuen Versuchen etwas los. Eine der Versuchsreihen, die in diesem Labor durchgeführt wurden, waren Versuche mit einer neu entwickelten mehrfachen Sicherheitsbarriere. Mit Barriere ist dabei die Kapsel gemeint, die die radioaktiven Abfälle umschließt. In diesem Fall werden die Abfälle in einem Stahlbehälter gelagert, der mit Ton ummantelt ist und mit einem „Betonkorken“ verschlossen wird. Um die radioaktive Strahlung zu simulieren werden die Stahlbehälter beheizt. Dabei wurde hauptsächlich untersucht, wie sich der Behälter und die Qualität der Ummantelung bei erhöhter Temperatur verhalten. Ein großes Problem bei der Endlagerung ist meistens auch der Schutz der Abfälle vor Sickerwasser, so dass keine Radioaktivität in den Wasserkreislauf gelangt. Die NAGRA wurde 1972 gegründet von Verursachern radioaktiver Abfälle. Nach dem Kernenergiegesetz sind diese dafür verantwortlich, dass die Abfälle so entsorgt werden, dass sie keine Gefahr für Menschen und Umwelt darstellen. Die NAGRA wird hauptsächlich von den Betreibern der Schweizer Kernkraftwerke aus den Strompreisen finanziert. Ziel der Genossenschaft ist es, Endlagerstätten für radioaktiven Abfall zu entwickeln, die in der Lage sind, die Abfälle für etwa 1 Mio. Jahre sicher zu lagern. Nach dieser Zeit ist die radioaktive Strahlung auf einen Wert gesunken, der auch in der Natur bei radioaktivem Gestein gefunden werden kann. Bei diesem Wert wird die Strahlung nicht mehr als schädlich für die Umwelt gewertet und die Abfälle werden Teil vom geologischen Kreislauf. Endlager sind so konzipiert, dass sie ohne aktive Eingriffe sicher sind. Dem gegenüber stehen Zwischenlager, die ständig erneuert, gesichert und bewacht werden müssen. Diese sind nur eine vorübergehende Lösung, bis zum Bau von ausreichenden Endlagern. Obwohl es nicht allgemein bekannt ist, gibt es schon Endlager, die mit radioaktivem Abfall gefüllt sind, in Finnland, Norwegen, Schweden, Frankreich, den USA und Japan. 42 Der Rhônegletscher Julian Mehne Tobias Mosthaf 44 Der Rhônegletscher Nach den unzähligen, oft nicht beplankten Serpentinen über den Grimselpass quälte sich der Bus die letzten Meter zum Hotel Belvédère hinauf. Einige waren froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und wir machten uns auf den Weg zum RhôneGletscher. Dieser liegt 2250 m über dem Meer. Dort findet man sich schließlich direkt an der Gletscherzunge wieder – welche der Ursprung des wasserreichsten Flusses Frankreichs ist. Die ehemalige Größe des Gletschers erschließt sich einem, wenn man bedenkt, dass die Eisdicke jährlich um 25 cm abnimmt und der Gletscher selber 8,5 m an Länge verliert. Zum Höhepunkt der kleinen Eiszeit im 19. Jahrhundert reichte die Gletscherzunge noch bis auf 1750 m in das Tal hinunter. Leider ist das Begehen des Gletschers ohne Führer mit entsprechender Ortskenntnis lebensgefährlich, doch die Eisgrotte, die alljährlich in den Gletscher geschlagen wird, tröstete uns darüber hinweg. Das durch das Eis hindurchschimmernde Licht erzeugte mit seinen faszinierenden Farbtönen eine ganz besondere Stimmung, die einige zu lustigen Man erahnt die Dimensionen der Rhône vielleicht, Photoshootings animierte. wenn man direkt an der Quelle am Fuße des Gletschers steht. Das Wasser schießt über eine Felskante einige hundert Meter in das Tal und bahnt sich seinen Weg in Richtung Arles um dort schließlich in das Mittelmeer zu münden. Die Wagemutigsten unter uns, die sich bis ganz vorne an die Kante wagten, wurden mit einer spektakulären Aussicht über das junge Rhônetal belohnt. Bei einem Kamingespräch mit Prof. Fuchs wurden wir vorab über die Folgen des Klimawandels auf die Gletscher informiert. Die Schilder unterhalb der Gletscherzunge machte uns darauf aufmerksam, wie schnell die Schmelze tatsächlich fortschreitet. Eine Folge dieser ist der Anstieg des Meeresspiegel. Den Berichten des IPCC zu Folge ist bis zum Jahre 2100 ein weltweiter Anstieg zwi- schen 0,19 m und 0,58 m möglich (nicht berücksichtigt bei diesen Prognosen sind die Eismassen Grönlands und der Antarktis). Nimmt man einen Anstieg von 1 m an, würden weltweit 150000 km Landfläche überflutet werden, dabei wären 180 Millionen Menschen betroffen und der weltweite volkswirtschaftliche Schaden wäre enorm. Gletscher stellen Trinkwasserquellen zahlreicher Städte dar, sollten sie weiter abschmelzen wäre die Wasserversorgung zahlreicher Menschen gefährdet. Da Gletscher die anfallenden Niederschläge zunächst in Form von Eis binden und kontinuierlich über das Jahr wieder freigeben, tragen sie dazu bei die Folgen extremer Wetterereignisse zu mildern. Das fehlende Wasser würde auch den Energiehaushalt einiger Regionen verändern, da Wasserkraftwerke nicht mehr oder nur noch bedingt Strom produzieren könnten. Was sind nun die Gründe dieses Gletscherschwunds? Grundlage für das Bestehen eines Gletschers ist seine Massenbilanz, welche die Differenz von Wachstum des Gletschers (durch Schneefall) und dessen Abnahme (z.B. durch Schmelze) darstellt. Laut dem Sachstandsbericht des IPCC im Jahr 2007 hat die durchschnittliche Lufttemperatur von 1906 bis 2005 weltweit um 0,74 °C (± 0,18 °C) in Bodennähe zugenommen. Für die weltweiten Niederschläge gibt es jedoch keine eindeutige Aussage, da in Regionen wie Nordeuropa mehr, in anderen, südlicheren Gebieten weniger Niederschlag gemessen wurde. Wir sollten darauf achten, die Zunahme der weltweiten Durchschnittstemperatur nicht durch unser Zutun zu verschärfen. Die Mehrheit der Wissenschaftler geht davon aus, dass der Klimawandel hauptsächlich durch den Menschen verursacht wird, und dass der Gletscherschwund auf diesen zurückzuführen ist. Diese Erkenntnis sollte uns allen vielleicht als Anlass dienen unseren Umgang mit unserem Lebensraum zu überdenken. Trotz dieser ernsten Sachlage gehörte dieses Exkursionsziel zu den absoluten Höhepunkten unserer Reise. Leider durfte der Bus wegen Übergewicht seitens der Passagiere nicht über den Furkapass und musste einen Umweg über den Grimselpass und seine Serpentinen nehmen. 46 Gotthard Basistunnelbaustelle Julian Sauterleute Sebastian Roos 48 Mit der Tunnelbahn zur Großbaustelle unter Tage: Der Gotthard-Basistunnel messer, die alle 40 m über sog. Querschläge als Fluchtmöglichkeit miteinander verbunden sind. Zudem werden zwei Multifunktionsstellen in Sedrun und Faido erstellt, um Spurwechsel, Nothalt, Abluftabsaugung im Brandfall und Flucht in NotAm Freitagmorgen wurden wir auf der Tunnelbau- fällen zu ermöglichen. stelle in Amsteg von Alois Inderkum im Besucherzentrum empfangen und mit zahlreichen Informationen über das Tunnelgroßprojekt AlpTransit versorgt. Der Gotthard-Basistunnel war ein weiterer Programmpunkt unter Tage, aber sicher war dies der größte und eindrucksvollste Tunnel, den wir besichtigen konnten. Zur Realisierung der bautechnischen und logistischen Meisterleistung wurde der Gotthard-Basistunnel in fünf Bauabschnitte unterteilt (siehe Bild rechts). An den Zwischenangriffen wird über Zugangs- und Kabelstollen die Versorgung mit Material, Wasser und Energie sowie die Entsorgung von Ausbruchmaterial sichergestellt. Beim Bau des Tunnels wurde je nach den geologischen Verhältnissen entweder mit Sprengvortieb oder einer 450 Meter langen Tunnelbohrmaschine (TBM) gearbeitet. Wegen abschnittsweise schwierigen geologischen Verhältnissen musste der Wandausbau z.T. nachprofiliert und mit Stahl verstärkt werden. Die Multifunktionsstelle in Faido musste um einen Kilometer verlegt werden. Der größte Teil des Tunnels wird mit Folie abgedichtet, um Wassereintritt aus dem umliegenden Das Jahrtausendprojekt mit seinen drei Eisen- Gestein zu verhindern. bahntunnels wird ab 2017 den Alpentransitverkehr revolutionieren. So verkürzt sich die Reisezeit von Zürich nach Mailand von 3:40 h auf 2:40 h. Der Güterverkehr wird sich bei Vollausbau auf ca. 300 Züge pro Tag verdoppeln lassen und so entscheidend den Wirtschaftsgütertransport zwischen Nord- und Südeuropa beeinflussen und wesentlich dazu beitragen, dass mehr Güter von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Der Gotthard-Basistunnel ist mit seinen 57 Kilometern Länge der größte der drei sich im Bau befindlichen Tunnel. Er wird nach Fertigstellung der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Er besteht aus zwei Röhren von ca. 8,9 m Durch- Linienführung Gotthard-Basistunnel Übersicht Gotthard San Gottardo Altdorf Erstfeld Länge 7,4 km Erstfeld Amsteg Amsteg Länge 11,4 km Sedrun Sedrun Länge 6,8 km GotthardBasistunnel Gesamtlänge 57 km Faido Länge 14,6 km Faido Bodio Länge 16,6 km offene Tunnel Strecke Gotthard-Basistunnel zurückgestellt bestehende Bahnlinie Schacht, Stollen Sondiersystem Pioramulde Bodio Biasca 50 Die riesigen Mengen an Ausbruchmaterial werden mit Förderbändern zur Zwischenlagerung, Bahnverladung oder Kiesverarbeitung transportiert. Ein Viertel des Materials wird zu Baumaterial aufbereitet. Ein weiterer Teil wird in Hangzonen deponiert oder zur Zuschüttung von ehemaligen Steinbrüchen verwendet. Außerdem sind als ökologische Ausgleichsmaßnahme im Urner See Inseln aufgeschüttet worden. Sie stellen das Reussdelta nach jahrelangem Kiesraubbau an der Mündung des Flusses wieder her. Mit Badeinseln und nicht begehbaren Inseln wurde sowohl Freizeitwert als auch bedeutende Naturlandschaft geschaffen. der unter Überdruck steht. So kam beim Passieren der dicken Stahltüren ein Luftsog zustande, dass man meinte gegen einen Orkan ankämpfen zu müssen. An der Materialtransportmaschine vorbei führte uns Herr Inderkum an die Stelle in der Oströhre, an der in ca. zwei Jahren der Durchbruch der Tunnelbohrmaschine von Erstfeld her erwartet wird. Durch die Montagekaverne gelangten wir in die Aufweitung der Weströhre zurück, wo uns ein „Betonbomber“, eine mit zigarrenförmigen Betontanks beladene Stollenbahn, passierte. Herr Inderkum wies uns auf einige Container hin, die mit Überdruck, Telekommunikation und Sauerstoffversorgung im Notfall Leben retten können. Als Umweltschutztechniker interessierten wir uns auch für die Tunnelwasseraufbereitungsanlage. Das 40 bis 50 °C warme Wasser aus dem Gestein wird gereinigt und abgekühlt, um es schadlos in die Reuss einleiten zu können. Schließlich fuhren wir mit der Stollenbahn wieder in Richtung Amsteg und erblickten nach einigen Minuten das Tageslicht. Besichtigungen unter Tage waren wir inzwischen ja gewohnt, aber trotzdem waren wohl alle froh, dass wir die Tunnelbaustelle sehen konnten ohne stundenlange harte Arbeit unter Tage verrichten zu müssen. Nach dem theoretischen Teil wurden wir mit Schutzkleidung, Stiefeln, Helmen und Selbstretter-Rucksäcken ausgestattet, um mit der Tunnelbahn die Fahrt tief hinein in das Bergmassiv antreten zu können. Als wir uns in die kleinen Waggons der Tunnelbahn zwängten, kam ein Gefühl auf als würden wir zu einer Schicht antreten, um acht harte Stunden unter Tage zu schuften. Nach der holprigen, lauten, zwei Kilometer langen Reise erreichten wir durch den Zugangsstollen Amsteg die über 200 Meter unter Tage liegende Tunnelbaustelle. Dort erwartete uns aber nicht harte Arbeit, sondern die Besichtigung diverser Tunnelröhren. Um zum Sprengvortriebbereich in der Weströhre zu gelangen durchquerten wir den zur Sicherheit durch einen Schott abgetrennten Kabelstollen, Bilder: © AlpTransit Gotthard AG & Privat 52 Untertageversuchsstollen Hagerbach Christine Wüst Maren Burkert 54 Die Faszination des Untertage-Versuchstollens Hagerbach Auch die Letzte Station unsere Exkursion, der Versuchsstollen Hagerbach bei Sargans sollte uns noch mit einigen spektakulären Shows ins Staunen versetzen. Der anfangs durch Tüftelei und Experimentierfreudigkeit entstandene Tunnel, stellt heute ein großes Versuchsstollensystem dar, dass von der Hagerbach AG selbstständig ohne staatliche Subventionen bewirtschaftet wird. Hierin begründet sich die vielfältige Nutzung innerhalb des Versuchsstollens. Um die Attraktion des Stollens stets zu bewahren und sogar zu steigern, haben sich die drei Bereiche; Baustoffprüfung, Forschung & Entwicklung und Anlässe & Events herauskristallisiert. Die Besichtigung des über 5 km langen Stollensystems mit Herrn Roland Weiss begann für uns im Bereich der Baustoffprüfung. In dem Prüflabor werden Baustoffe, vor allem Beton, auf ihre mechanischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften wie z.B. die Dauerhaftigkeit, Frostbeständigkeit, Zug-/ Druckfestigkeit, Wasser- und Luftporengehalt untersucht. Auch in Bezug auf Forschung und Entwicklung von Betonmischungen und zementgebundene Baustoffe kommt dem Labor große Bedeutung zu. Der neuentwickelte Beton kann in den Testbereichen des Stollens direkt am Fels unter Realbedingungen getestet werden. In Zusammenarbeit mit dem ICST ‚Internationalen Centrum für Sicherheit in Tunnels’ wird z.B.nach einem feuerbeständigen Beton für den Tunnelbau geforscht. Doch hängt die Sicherheit im Tunnel nicht nur von Material und Technik ab, sondern auch vom menschlichen Verhalten. So erhielten auch wir im „Untertage-Seminarraum“ einen ausführlichen Vortrag über die Ursachen und Auswirkungen von Tunnelunfällen und ereignissen im Straßenverkehr, sowie das richtige Verhalten in einer solchen Situation. Neu für uns war, dass die Radio-Frequenz welche am Tunneleingang ausgeschildert ist, über aktuelle Ereignisse im jeweiligen Tunnel berichtet. Ebenso das Steckenlassen des Autoschlüssels im Zündschloss bei fluchtartigem Verlassen des Tunnels. Im Bereich der Forschung und Entwicklung für die Sicherheit im Tunnel wurden uns Versuchsprojekte die im Versuchsstollen durchgeführt wurden gezeigt wie z.B. die Umfahrung Paris A 86. Damit sich für uns nicht alle Informationen auf der Leinwand abspielen, wurde uns anschließend eine spannende Live-Branddemonstration geboten. Hierzu wurden wir in den Stollenbereich der Brandforschung geführt. Interessiert verfolgten wir die Rauchentwicklung an der Stollendecke und die Hitzeabstrahlung. Nicht nur für Demonstrationen bei Besichtigungen, sondern auch für die praxisnahe Ausbildung von Feuerwehrleuten für den Realfall wird dieser Stollenbereich genutzt. Denn vor allem bei Rettungskräften muss im Ernstfall jeder Griff sitzen. Unerlässlich dazu ist „üben, üben, üben“ und zwar unter Dunkelheit, Enge, Qualm und Hitze. Auch andere Firmen aus dem Bereich des Untertag-, Hoch- und Tiefbaus können ihre Forschungsprojekte und Produkte unter Realbedingungen testen. Schon öfters musste man erkennen, dass die speziellen Bedingungen Untertage großen Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit einer Maschine haben können; so manche Maschine stand im Stollen still, obwohl sie außerhalb schon problemlos lief. Die Firmen können sich einen Bereich des Stollens mieten und darin experimentieren, forschen und ihre Produkte dem Kunden vorstellen. Auch hier hatten wir das Vergnügen einen kleinen Einblick in diesen Bereich zu bekommen. Im Namen der Firma Siemens stellte uns Julian Engelhardt das „Fibro Laser System“ vor. Hierbei handelt es sich um ein lineares Brandmeldesystem basierend auf Laser Technologie, dass Temperaturen auf große Distanzen messen kann. Hauptsächlich wird dies in Verkehrs- und Güterzugtunnels genutzt. Nach einer interessante Präsentation und kurzer Diskussion wurde uns das Produkt „live“ vorgeführt. Zwischen Brandherd und Monitoren konnten wir einerseits die Feuerentwicklung real und gleichzeitig die Reaktion des Systems beobachten. Nach erfolgreicher Löschaktion und netter Plauderrunde, erwartete uns noch das Highlight dieser Tunnelführung, eine Live-Sprengung. Anstelle der üblichen 150-200 kg TNT zur Felssprengung wurden bei uns nur 48 g PETN- Schnüre eingesetzt. Um uns den Steinschutt und eine Schaufelaktion zu ersparen, war für uns eine Auflegersprengung vorbereitet, wo die Zündung außerhalb des Gesteins erfolgte. Die normalerweise nur in einem Knall hörbar abgestuften Zündungen der einzelnen Sprengsätze waren nun extra durch größere Verzögerung für uns einzeln fühlbar. Die Sprengung durfte sogar von unserer Kommilitonin ausgelöst werden. Dann hieß es nur noch: „Ohren zu! - 3, 2, 1….Sprengung!“ Wir danken Herrn Weiss für die interessante Führung, die uns noch einmal abschließend die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit der Untertage-Welt hautnah erleben ließ. 56 2