Exkursionsbericht 2007 - Universität Stuttgart

Transcription

Exkursionsbericht 2007 - Universität Stuttgart
2
Impressum
Layout und Satz: Jonas Schmidinger
Lektorat:
Benjamin Rabenstein
David Hoffmann
Andreas Sihler
Gemeinsame Kommission Umweltschutztechnik
c/o Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart
Bandtäle 2
D-70569 Stuttgart
Kontakt:
Telefon: +49 685-65498
Fax:
+49 685-65460
Email:
WWW:
sihler@umw.uni-stuttgart.de
http://www.uni-stuttgart.de/stg-umw/inhalt.html
Druck:
medien-fischer.de, Fellbach-Oeffingen
Vorwort
unterbrochen durch Hochgebirgsatmosphäre, kreierten die Exkursionsteilnehmen
weitere unvorhergesehene Programmpunkte wie z.B. nächtliches Baden in eisViele Institute unserer Universität bieten
kalten Seen.
den Studierenden des Studienganges Umweltschutztechnik seit Jahren Exkursionen
Ich habe die sechs Tage der Exkursion als
an. Eine große, mehrtägige Umweltschutzausgesprochen anregende, angenehme,
technikexkursion fehlte bisher allerdings.
erlebnisreiche Zeit empfunden, die auch
Also musste sie endlich erfunden werden.
mir viele neue bisher unbekannte EindrüAm 8. Oktober 2007 war es soweit, die erscke vermittelt hat. Alle Teilnehmer waren
te „Große Umweltschutztechnikexkursiimmer bester Stimmung, unsere Gastgeon“ startete mit 9 Teilnehmerinnen und 17
ber haben uns gastfreundlich und aufgeTeilnehmern, begleitet von Herrn Dipl.-Ing.
schlossen empfangen und hatten nicht erSihler und mir.
lahmende Geduld mit allen Detailfragen,
und unser Busfahrer hat alle HerausfordeFür die folgenden 6 Tage war die Schweiz
rungen einschließlich teilgesperrter Passmit den Stationen Rheinfelden, Zürich,
straßen mit bereits demontierten LeitplanRhônegletscher, Gotthard-Tunnel, Anderken gemeistert.
matt, Chur, Sargans und vielen anderen das
Ziel. Die Teilnehmer erhielten ungeahnte,
Ich möchte allen Beteiligten ausdrücklich
überwiegend unterirdische Einblicke in die
dafür danken, dass sie zum perfekten GeWasserversorgung, Abwasserentsorgung,
lingen der ersten Großen UmweltschutzAbfallwirtschaft, Wasserkraftgewinnung
technikexkursion beigetragen haben. Alaus Flüssen und im Hochgebirge, Endlalen Sponsoren, die die Durchführung der
gerung von radioaktiven Abfällen, TunExkursion unterstützt haben, ebenfalls
nelbau, Tunnelsicherheitsforschung, um
herzlichen Dank.
nur die wichtigsten zu nennen. Auch zu
Ganz besonderer Dank gilt Herrn Sihler, der
später Stunde nach erlebnisreichen Tagen
die Exkursion mit allen Details sorgfältig
wussten unsere Gastgeber zu begeistern
vorbereitet hat und mit seiner umsichtiund eröffneten insbesondere den jüngegen Leitung wesentlich für den Erfolg und
ren Semestern die geradezu unglaubliche
für die gute Stimmung von frühen Morgen
Vielfalt späterer Berufsmöglichkeiten für
bis spät in die Nächte gesorgt hat. Dafür
Umweltschutzstudierende.
wurde er von den Teilnehmern mit dem
einmaligen Ehrentitel „StudiengangsonNeben den Fachbesichtigungen boten
kel“ ausgezeichnet.
aber auch weitere Highlights wie eine
Wanderung durch die Aareschlucht, eine
Viel Spaß beim Lesen und bei der Erinneschwankende Hängebrücke, eine der
rung an eine tolle Woche, die hoffentlich
steilsten Bergbahnen, die Eishöhle im
zu den Glanzpunkten Ihres Studiums zähRhônegletscher und zur besonderen Freulen wird.
de des Unterzeichners eine Fahrt im Glacier-Express; Erlebnisse der besonderen
Art. Offensichtlich inspiriert durch die VielUlrich Rott
zahl der Aufenthalte in Höhlen, Kavernen,
Stollen, Tunnels, Schächten und Kanälen,
4
Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Prof. Dr.-Ing Ulrich Rott
Andreas Sihler
Andrea Adam
Alexander Axarlis
Katherina Baber
Kathrin Barbi
Samuel Beisel
Manuel Bickel
Tamara Bös
Maren Burkert
David Hoffmann
Sebastian Kaiser
Alexander Kilian
Julian Mehne
Hannes Meyer-Schönbohm
Tobias Mosthaf
Julia Oetken
Benjamin Rabenstein
Sebastian Roos
Julian Sauterleute
Jonas Schmidinger
Heiko Schuller
Johannes Schütz
Michael Sinsbeck
Silvia Thumm
Sarika Wahi
Christine Wüst
Markus Zinkhahn
6
Dank an die unterstützenden
Institutionen
Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich bei allen Unterstützern, Sponsoren und Spendern dieser erlebnisreichen und interessanten Exkursion
bedanken. Ohne die finanzielle, ideelle und „kulinarische“ Hilfe wäre eine solche Große Exkursion
Umweltschutztechnik nicht realisierbar gewesen.
Unser Dank gilt auch allen Beteiligten der besuchten Exkursionsziele. Wir wurden stets sehr
freundlich empfangen, obwohl so mancher seinen
Feierabend für eine Führung für uns opfern musste. Wir hoffen, dass die nachfolgend genannten
Institutionen auch weiterhin Exkursionen dieser
Art für den Studiengang Umweltschutztechnik
mit tragen werden.
Dank für einen finanziellen Beitrag:
DAIMLER AG
ADOLF WÜRTH GMBH & CO. KG
LBBW STUTTGART
ENBW REGIONAL AG
ED. ZÜBLIN
ENERGIEDIENST AG
SIEMENS BUILDING TECHNOLOGIES GMBH & CO.
OHG
SBT HQD FIRE SAFETY & SECURITY PRODUCTS
Bedanken möchten wir uns auch bei Herrn Prof.
Fuchs, Geographisches Institut der Johannes Gutenberg Universität Mainz, für den engagierten Dank für die Gastfreundschaft und den herzlichen
und interessanten Einführungsvortrag zur Pro- Empfang:
blematik der Gletscherschmelze infolge des Klimawandels mit dem Titel „Gletscherwelten des WASSERVERSORGUNG ZÜRICH
Schweizer Wallis – Faszination und Sorge“.
ENTSORGUNG UND RECYCLING ZÜRICH – ERZ
Hervorzuheben ist die Gesprächsrunde mit Herrn
Neuhold, dem Direktor der Züricher ERZ, der sich KRAFTWERK OBERHASLI AG – KWO
viel Zeit für uns nahm und uns in einzigartiger
Weise mit seinen Visionen und seinem unkonven- NATIONALE GENOSSENSCHAFT FÜR DIE LAGEtionellen Führungsstil fesseln konnte.
RUNG RADIOAKTIVER ABFÄLLE - NAGRA
Unser besonderer Dank gilt dem Forschungs- und
Entwicklungsinstitut für Industrie- und Siedlungswasserwirtschaft sowie Abfallwirtschaft
e.V. (FEI) für die hervorragende Zusammenarbeit
und Unterstützung bei der Umsetzung der Exkursionsreise.
ALP TRANSIT GOTTHARD AG
VERSUCHSSTOLLEN HAGERBACH AG –VSH
UNIVERSITÄT STUTTGART; FAKULTÄT BAU- UND
UMWELTINGENIEURWISSENSCHAFTEN
PROFESSORENSCHAFT DER FAKULTÄT 2, UNIVERSITÄT STUTTGART
KONTAKT UMWELTSCHUTZTECHNIK STUTTGART
E.V.
8
Reiseroute
Quelle: Google Maps
Exkursionsziele
(1) Wasserkraftwerk Rheinfelden
Seite 11
(2) Züricher Wasserversorgung
Seite 15
(2) Abwasserbehandlung Zürich (ERZ)
Seite 19
(2) Kehrichtverbrennung Zürich
Seite 23
(3) Aareschlucht
Seite 29
(4) Grimselstausee KWO
Seite 33
(4) Felslabor Nagra
Seite 39
(5) Rhônegletscher
Seite 43
(6) Gotthard-Basistunnelbaustelle
Seite 47
(7) Untertage Versuchsstollen Hagersbach
Seite 53
10
Wasserkraftwerk Rheinfelden
Sebastian Kaiser
Samuel Beisel
12
als einzige im Vollbetrieb genutzt werden.
Rheinfelden stellt deshalb eine Ausnahme dar,
weil hier 2003 ein Jahrhundertbauprojekt begonSchon früh auf den Beinen und fast pünktlich um nen wurde, mit dem Ziel einer Leistungssteige8 Uhr morgens am 08.10.07 trafen Herr Sihler, rung auf 600 Mio. kWh, was einer Versorgung von
Herr Rott und 26 Studenten an der Universität ca. 200.000 Haushalten entspricht.
Stuttgart ein, um die „Große Umweltschutztech- Doch diese Entscheidung war nicht ganz freiwillig, da Konzessionsauflagen eine Leistungssteinikexkursion 2007“ in die Schweiz zu starten.
gerung verlangten, die mit dem alten Kraftwerk
nicht auszuführen gewesen wäre. Darum wurde
entschieden, das alte Kraftwerk still zu legen und
ein neues Kraftwerk weiter flussaufwärts zu bauen.
Der Bau dieses Kraftwerks soll 2010 beendet sein
und wird insgesamt rund 380 Mio. Euro kosten. In
der 15-jährigen Planungszeit wurden verschiedene Maßnahmen, wie z.B. der Bau eines Fischaufstiegs, einer Bootsumsatzstelle und dem „Schützen“ der dort vorhanden Felsen im Flussbett, wie
uns Herr Waldkircher mit Augenrollen berichtete,
getroffen.
Wasserkraftwerk Rheinfelden
Nach fast staufreier Fahrt war die erste Station
unserer Bildungsreise das Wasserkraftwerk in
Rheinfelden. Dort wurden wir herzlichst von Frau
Trapp-Brüstle und Herrn Waldkircher im Namen
der Energiedienst Holding AG mit einem „kleinen“ Imbiss und Getränken empfangen.
In seinem Vortrag gab uns Herr Waldkircher zuerst einen groben Überblick über die Firmenstruktur der Energiedienst AG, die ihren Sitz zwar in der
Schweiz hat, jedoch zu 76% in baden-württembergischer Hand (EnBW) ist. Die Firma produziert
nur Strom aus regenerativen Energiequellen. Sie
bieten „Natur Energie Silber“, sog. „Silberstrom“
an, der nur aus der Wasserkraft gewonnen wird
und „Natur Energie Gold“, sog. „Goldstrom“, der
sowohl aus Sonnenenergie als auch aus Wasserenergie gewonnen wird.
Damit werden 756.000 Kunden im südbadischen
Teil Deutschlands, aber auch Teile der Schweiz mit
„sauberem“ Strom versorgt.
Zudem war es nötig, den Rhein um 1,40 Meter anzustauen, um den erforderlichen Durchfluss von
1,5 Mio. Liter Wasser pro Sekunde zu erreichen.
Nach einem kurzen Informationsfilm über die
Geschichte des alten Kraftwerks Rheinfelden und
dessen Inbetriebnahme wurden wir mit Helmen
und Funkkopfhörern ausgestattet und von Frau
Trapp-Brüstle über die, quer über den Rhein verlaufende, Baustelle geführt. Die große Herausforderung beim Bau war das Arbeiten in dem, an
dieser Stelle 360 Meter breiten, Rhein. Deshalb
konnten die Arbeiten nur abschnittsweise durchgeführt werden, wodurch lange Bauphasen zur
Befestigung und für den Aushub erforderlich waDas Stromnetz hat eine Gesamtlänge von knapp ren. Allein für das Maschinenhaus musste eine
14000 km. Allein am Hochrhein befinden sich Grube mitten im Rhein von 35 Meter Tiefe ausge11 Kraftwerke, wovon Wyhlen und Rheinfelden hoben werden.
Dass sehr genau gearbeitet wird, verdeutlicht
schon die Tatsache, dass die Bagger mit GPS ausgestattet sind, um eine Genauigkeit von 3-5 Zentimeter zu erreichen.
Imposant waren die großen Schütze, die je 90 Tonnen wiegen und von 140 Hydraulikpumpen mit je
230 bar innerhalb von 6 Minuten angehoben werden. Viele zusätzliche Informationen erhielten
wir in Einzelgesprächen mit unseren Begleitern,
wie z.B. die Besonderheit eines beheizten Mauerwerks, welches das Dichtungsgummi der Schütze
im Winter vor Porosität schützt.
Nach der Führung gingen wir zurück zum Bus, wo
wir uns bei Frau Trapp-Brüstle und Herrn Waldkircher verabschiedeten. An dieser Stelle nochmal
ein großer Dank an die Mitarbeiter für die informative und interessante Vorstellung des Jahrhundertprojekts Rheinfelden!
14
Wasserversorgung Zürich
Hannes Meyer-Schönbohm
Markus Zinkhahn
16
Besuch bei der Wasserversorgung
Zürich
Als zweiter Programmpunkt unserer Exkursion
stand ein Besuch bei der Züricher Wasserversorgung auf dem Programm. Da die eigentliche Zufahrt jedoch gesperrt war, gestaltete sich unsere
Anfahrt etwas komplizierter, so dass wir leider
mit einer kleinen Verspätung eintrafen. Wie sich
dann jedoch herausstellte, standen unsere Umwege bereits direkt mit der Wasserversorgung in
Verbindung, denn unter der Zufahrtsstraße gab
es einen Wasserrohrbruch, der von den Wasserwerken repariert werden musste. Dies war also
das erste Beispiel für die Aufgaben eines Wasserversorgungsunternehmens.
Die Wasserversorgung Zürich ist für die Aufbereitung und Verteilung des Wasser für 800 000
Menschen in der Stadt und Region Zürich zuständig. Dies bewältigt sie mit:
3 Wasserwerken
29 Pumpstationen
21 Reservoire
1200 Brunnen
1600 km Rohrleitungen
9300 Hydranten
Durch die günstige Lage Zürichs hat die Wasserversorgung den Vorteil 70% des Wasserbedarfs
mit Seewasser zu decken, welches aus 30 Metern Tiefe gewonnen wird und somit eine relativ
konstante Temperatur von 4 bis 8 Grad Celsius
aufweist. Die verbleibenden 30% werden jeweils
zu 15% durch Grundwasser und Quellwasser gedeckt.
Im Anschluss an den Vortrag führte uns Herr Huber durch das Hardhofer Grundwasserwerk, welches fast komplett in die Erde gebaut wurde und
mit vier Horizontalfilterbrunnen ausgestattet ist.
Unser anfängliches Gefühl, einen Bunker zu betreten, nachdem wir durch Meter dicke Betonwände steigen mussten, betrog uns nicht, denn
In der Hauptzentrale Hardhof empfing uns Herr
Huber, technischer Betriebsleiter, und stellte uns
in einem kleinen Vortrag die Organisation und
Aufgaben des Unternehmens sowie die verschiedenen Wassergewinnungsstandorte in Zürich vor.
Im Folgenden wollen wir auf die oben genannten
Themen näher eingehen.
Die Wasserversorgung Zürich ist ein Unternehmen mit 280 Mitarbeitern, die alle Aufgaben wie
Planung, Bau und Instandhaltung, Qualitätsüberwachung bis hin zu den Finanzen selbst übernehmen. Sie gehört zur Stadt Zürich, trägt sich jedoch
zu 100% selbst, d.h. sie stützt sich auf keinerlei
Steuergelder.
Der Auftrag der Wasserversorgung umfasst das
Bereitstellen ausreichender Mengen an Trinkwasser, dessen hervorragende Qualität, für genügend
Druck in den Leitungen zu sorgen und all dies zu
geringen Kosten.
die Anlage wurde beim Bau während des Kalten
Krieges so ausgelegt, dass sie Anschlägen und
Sabotageakten Widerstand leisten könnte. Sogar
zwei 14-Zylinder-Dieselstromagregate, die eine
Stromversorgung der Anlage für 3 Wochen sicher
stellen, fehlen nicht. Hinter den dicken Wänden
liegt ebenfalls das Herzstück der Wasserversorgung, die Steuerungszentrale. Zur Überwachung
und Steuerung der voll automatisierten Anlagen
ist nur eine Person zuständig, die bestens mit den
Anlagen vertraut ist und im Notfall alle notwendigen Entscheidungen trifft und Maßnahmen koordiniert.
Unser weiterer Weg führte uns zum Seewasserwerk Moos. Was wir dort erlebten, sollte für die
gesamte weiter Exkursion bestimmend sein. Und
zwar, dass nicht nur der Schweizer Käse Löcher
hat, sondern die Schweizer auch ihre Berge langsam aber sicher mehr und mehr durchlöchern.
Dort ging es nämlich das erste Mal Untertage,
um die Baustelle für einen neuen Druckrohrstollen zu besichtigen.
Dieser Stollen ist das letzte Stück einer großen
Transportleitung, die alle Wasserwerke und Reservoirs miteinander verbindet.
Durch den Besuch in den Wasserwerken Zürich
ist uns deutlich geworden, dass das Wasser nicht
von selbst aus dem Wasserhahn sprudelt, sondern
sehr viel mehr dahinter steckt!
18
Züricher
Abwasserreinigung
Julia Oetken
Sarika Wahi
20
Züricher Abwasserreinigung
Die Kanalisation:
Die Suche nach dem verschollenen
Schatz
Zahlreiche, die kleiner sind, was die Instandhaltungsmaßnahmen erheblich erschwert. Genauer
gesagt sind das 750 km von insgesamt 900 km.
Ein bis fünf Mal jährlich wird ein Kanal gereinigt,
beziehungsweise inspiziert. In der Innenstadt er-
Züricher Zeitung, 9. 10. 2007 :
„Banküberfall in der Züricher Innenstadt:
Am Nachmittag des 8. Oktober überfiel ein bislang Unbekannter einen Geldtransporter. Der Täter konnte mitsamt seiner Beute fliehen. […]“
Mit großen Bedenken und den Erwartungen eines
Goldgräbers wurde die Gruppe verängstigter Studenten mitsamt ihrer Exkursionsleiter zunächst
in farbenfrohe Ganzkörperanzüge und unglaublich sexy, bis an die Hüften reichende Stiefel gesteckt und im ERZtler Tourbus zu dem tiefschwarzen, angsteinflößenden Loch verschleppt, dem Tor
zum „kollektiven Unterbewusstsein“, und hoffentlich Versteck des erbeuteten Schatzes…. Übel
folgt dies alle fünf Wochen. Jede hundert Meter
riechende, gelbgrünliche Dämpfe stiegen auf. Im
befindet sich aus Sicherheitsgründen ein Schacht.
Bus wurde schon der mutigste Mann ermittelt,
Jeder Arbeiter ist mit einem Luftmessgerät ausder als erster den Einstieg wagen sollte.
gestattet, das den Gehalt von Sauerstoff und toxischen Gase ständig misst.
Als nach und nach immer
Zehn Minuten vor jedem
mehr der Studenten im
Abstieg muss der Kanal geDunkel verschwunden walüftet werden.“
ren, blieb auch Herrn Sihler
keine Wahl: Mit zitternden
Nach Erhalt dieser InforKnien stieg er die schier
mationen machte sich
endlose Leiter hinab.
die Gruppe auf die Suche.
In der Tiefe erwartete ihn
Gefährlichen,
Abwasser
und sein Trupp ein nahezu
speienden
Seitenarmen
reißender Strom, von dem
geschickt
ausweichend,
erstaunlicher Weise kein
durchsuchten sie die Züallzu unerträglicher Gericher Katakomben Meter
ruch ausging, der jedoch
für Meter.
zahlreiche undefinierbare
Stücke mit sich riss.
Es wurde zwar nicht die
erhoffte Million geborgen,
Der Führer stattete die Stuaber das Abenteuer hinterdenten mit dem nötigsten
ließ nichts desto Trotz eiGrundwissen aus:
nen gewaltigen Eindruck,
sodass jeder seitdem nach
„Der Bau der ersten modem Toilettenbesuch ein
dernen Abwasserkanäle
schlechtes Gewissen beim Züricher Quartier Selkommt.
nau ist im Jahr 1860 zu datieren. Das Abwasser
braucht maximal drei bis vier Stunden vom Verbraucher bis zur Kläranlage. Die Kanäle sind ab 80
cm Durchmesser begehbar, jedoch gibt es auch
Das Klärwerk:
Von Ratten und Schlämmen
angelegt.
Die Schlammbehandlung ließ die Gruppe aus
Zeitgründen links liegen. Insgeheim war aber jeEndlich wieder am Tageslicht und ermutigt von
der froh, dieser Geruchsprobe glücklich entkomden (Geruchs-) Erfahrungen aus der Kanalisation,
men zu sein.
ahnten die Studenten nichts Schlimmes, als sie
zur Besichtigung des Klärwerks Werdhölzli aufbrachen.
Die Tour führte entlang des Reinigungsprozesses, also startete man am Grobsandfang und der
Waschanlage. Bis dahin also nichts Spektakuläres… doch dann wurde der Idylle ein jähes Ende
gesetzt, als die Tür der Rechenanlage aufging:
Eine Wand des Übelgeruchs kam der Gruppe entgegen. Nichts konnte ihn von der Nase fernhalten;
dennoch wurde die Anlage ausführlich inspiziert
und die ein oder andere tote Ratte und weitere
interessante Dinge entdeckt. „Die Rechenanlage
hält Textilien, Papier, Holz, Speisereste und Ähnliches zurück. Dieses Rechengut wird in einer Presse
verdichtet und anschließend in den Kehrichtheizkraftwerken verbrannt.“, erklärte die Führerin.
Wieder an der frischen Luft ging es weiter zu dem
belüfteten Öl- und Feinsandfang, vorbei an dem
Voreindicker zum Vorklärbecken.
Die in der Rechenanlage zunächst auf einem Tiefpunkt angelangte Stimmung der angehenden Ingenieure hellte sich besonders beim Anblick der
Hebewelle wieder auf: endlich eine Mechanik, die
man schon einmal auf dem Papier gesehen hatte…
In der biologischen Abwasserbehandlung angekommen, gab die Führerin weiteres Wissen preis:
„Hier werden feinst verteilte, nicht sedimentierfähige Schmutzstoffe und ein wesentlicher Teil
der gelösten Inhaltstoffe aus dem Abwasser entfernt. Für die Abbauprozesse sind Mikroorganismen, insbesondere Bakterien, verantwortlich, die
im Belebtschlamm vorhanden sind. Dieser wird
danach im Nachklärbecken vom Wasser getrennt.
Gleichzeitig zur biologischen erfolgt auch die chemische Reinigung, wodurch vor allem Phosphate
entfernt werden.“
Die Mitarbeiterin des ERZ erklärte dazu, der Fang
scheide –selbstredend- Öle und Fette sowie Feinsand ab. Das Abwasser beruhige sich danach in
dem Vorklärbecken so stark, dass sich die noch
vorhandenen ungelösten Stoffe wie Fäkalien,
Papier- und Speisereste usw. auf dem Beckenboden absetzen würden. Dies sei der so genannte
Primärschlamm, der in die Schlammbehandlung
gepumpt werde. Die Vorklärbecken seien als radial durchströmte Rundbecken mit Rundräumern
Nach Besichtigung der letzten Klärstufe vor Einleiten in die Limmat, der Filtration, traten die Studenten, obwohl mit so vielen Informationen gefütterten, hungrig den Rückweg an.
Dabei entdeckten sie die „Heilbäder“, in denen
sich die ERZ Mitarbeiter von den üblen Gerüchen
in der Mittagspause kurieren konnten: Alte Vorklärbecken, nach der Erweiterung nicht mehr gebraucht, wurden zu Badeteichen umfunktioniert.
22
Die Idylle war wieder perfekt. Die Gerüche fast
vergessen…
…doch der Schein trog. Der Besuch im Wirbelfallschacht stand noch bevor.
Kehrichtverbrennung
Zürich
Manuel Bickel
Andrea Adam
24
Kehrichtverbrennung Zürich
Die Eindrücke des Morgens konnten sich bei einem vorzüglichen Mittagessen in der angenehmen Atmosphäre der Kantine der Abfallverbrennungsanlage Zürich setzen. Doch Moment, auch
an dieser Stelle konnten wir unser Schweizer Vokabeltraining fortsetzen – in der Schweiz wird nicht
Abfall oder gar Müll verbrannt, nein, es heißt hier
Kehricht. Nach der Pause war es wieder daran, die
Helme aufzusetzen.
Sperrgut, zu dem auch mal ein Rollcontainer gehören kann, zerkleinern soll. Trotz anfänglichem
Abraten einiger Ingenieure wird ein relativ hoher
Anteil von 10% Klärschlamm zugesetzt.
Das Beeindruckendste in der Kehrichtanlieferungszone war wohl der Blick in den Müllbunker mit 11.000 Kubikmeter Fassungsvermögen,
aus dem die zwei 100.000 t Ofenlinien gespeist
werden. Noch besser war der Blick hinein aus den
oberen Etagen. Leider war der Aufzug auf 11 Per- Die Verbrennung läuft nun problemlos bei 900
sonen begrenzt, aber die Treppen schreckten den °C ab, dabei verbleiben pro Tonne Kehricht durchschnittlich 220 kg Schlacke und 35 kg Gefahrstoffe
Rest der Studenten nicht ab.
wie Flugasche und Schwermetalle. Letztere werden mit großer Sorgfalt kooperativer deutscher
Umweltschutztechniker (wie uns beispielsweise)
im Salzbergwerk bei Heilbronn endgelagert. Die
Prozesse im Ofen liefern pro Zug bis zu 48 MW,
die neue Gegendruckgasturbine liefert zusätzliche 17 MW. Dazu steht ein Lufkondensator bereit,
der jedoch aufgrund einer ausgeklügelten Kühlwabenstruktur die meiste Zeit nicht zum Einsatz
kommen muss.
Mehr oder weniger schwer atmend schauten wir
anschließend in den riesigen Müllbunker hinunter
- der Schritt auf den vergitterten Plexiglasboden
am Rande der Kranführerkabine gab so manchem
ein mulmiges Gefühl.
Der Kranführer erklärte uns mit Begeisterung,
welche Arbeitschritte er durchzuführen hat und
wie er die Infrarotkameras nutzt, um durch homogene Müllverteilung der Entzündung des Mülls
vorzubeugen und die Kunststoffteile so zu verteilen, dass keine überhöhten Verbrennungstemperaturen resultieren. Mit dem 4-Kubikmeter-Greifer muss er 10 t/h auf die Förderbänder schaffen.
Diesen ist ein Schredder vorgeschaltet, der das
Natürlich ist die Anlage auch an ein Fernwärmenetz angeschlossen und liefert dafür 400 Gigawatt pro Jahr. Wärme bekamen wir anschließend
zu Genüge zu spüren, als wir die Rauchgasreinigungsanlage besichtigten. Die Mutprobe bestand
für einige von uns jedoch nicht darin sich ent-
sprechend zu entkleiden, sondern in dieser doch
recht ansehnlichen Höhe über den nur aus Gittern bestehenden Boden zu gehen. Eine gewisse
Ablenkung bot die Technik des Elektrofilters, der
Katalysatoren und des Nasswäschers, welche bei
200 °C beziehungsweise 160 °C arbeiten.
weilrekord in der Kammer aufgestellt hat ist noch
ungeklärt, aber er dürfte nicht weit über 30 Sekunden liegen.
Der Abwassertransport geschieht über zwei Rohre mit jeweils 1,5 Quadratmeter. Damit der Tunnel
zum Stolz Schweizer Baukunst heranwachsen
Dies war auch schon die letzte Station in der Keh- konnte, wurden verschiedenste Kommunikatirichtverbrennungsanlage und wir fuhren weiter onsleitungen sowie Leerrohre installiert, so dass
zur ehemaligen Kläranlage für Zürich Nord. Als ob er letztendlich für unsere Truppe von etwa 30
die Mitarbeiter der ERZ unsere Gedanken lesen Personen problemlos begehbar ist und von den
könnten, bereiteten sie uns vor der nächsten In- Mitarbeitern mit Motorrollern befahren werden
formationsflut eine gemütliche Kaffeepause mit kann.
Imbiss in ihrem Konferenzzentrum.
Wie wir noch lernen sollten haben Spaß und ein
gutes Klima einen hohen Stellenwert im Züricher
Entsorgungsunternehmen. Wir hatten am Abend
nämlich die Möglichkeit einen Geschäftsleiter des
ERZ kennen zu lernen und von ihm zu erfahren,
wie er das Unternehmen in einen solch soliden
Zustand gebracht hat. „Mein Name ist Neuhold wie Unhold“ begann er seinen Bericht und erläuterte den schlechten Zustand in dem er die Züricher Entsorgung bei seiner Ankunft vorgefunden
hatte. Leider bestätigte er uns, dass auch in der
Schweiz in öffentlichen Betrieben die Bürokratie
ein großes Hindernis für den Arbeitsfluss und die
Effizienz ist.
Frisch gestärkt warfen wir dann einen Blick auf
die Anlage, die nun nur als Regenrückhaltebecken
genutzt wird. Zürich ist hydraulisch in zwei Gebiete getrennt, da die Glatt im Norden das Maximum
ihrer Wasserkapazität erreicht hatte, lag der Gedanke nahe den gesamten Abwasserstrom umzuleiten und das Klärwerk Werdhölzli zum einzigen
Hauptklärwerk Zürichs auszubauen. Da das Tunnelbauen wohl eine der Lieblingsvorhaben von
Schweizern ist, wurde das Problem durch einen
Stollen gelöst, der die Weiterleitung gewährleistet. Um diesen zu Gesicht zu bekommen mussten
unsere Nasen noch eine unangenehme Erfahrung
machen.
Der ungeklärte Abwasserstrom fließt durch eine
Rechenhalle, die Strapazierfähigkeit unseres Geruchsorgans wurde jedoch in der Kammer des
Wirbelfallschachts am härtesten auf die Probe
gestellt. Er dient zur Energiedissipation um die
Verbindungsrohre vor Schäden aufgrund zu hoher Strömungsgeschwindigkeiten und Impulse
zu schützen – aufgewirbelt wird dabei so einiges
und schön fein in die Luft emittiert. Wer den Ver-
26
Herr Neuhold übernahm den Betrieb mit einem
riesigen Schuldenberg und betrachtet ihn nun
nicht mehr im Kontext eines öffentlichen Dienstleisters, sondern wie ein eigenständiges Unternehmen. Seine Reorganisation startete mit einer
Veränderung der Personalstruktur, so dass die Arbeit nicht an mehreren Posten vorbei läuft ohne
wirklich bearbeitet zu werden. Vor allem die Posten
in den oberen
Etagen schnitt
er einfach ab,
sie wurden in
anderen Bereichen der öffentlichen Arbeit
untergebracht.
Nun waren die
„Operative Managers“, also
z.B. der Leiter
der Kläranlage oder Kehrichtverbrennungsanlage,
die Chefs und
nicht
mehr
die Dienstleistungsbereiche.
Weiterhin wurde das Potential schon vorhandener Arbeitskräfte besser ausgeschöpft. Einige der
Straßenkehrer bekamen eine koordinierende Rolle, d.h. „einfache“ Arbeiter, die Erfahrung mit ihrer
Sache hatten, konnten diese nun organisieren.
Das Konzept funktioniert in Zürich bisher sehr
gut. Da der Kontakt von den Managementetagen
zu den Arbeitern gepflegt wird, entstand ein hohes gegenseitiges Akzeptanzniveau.
Um die gute Laune zu sichern ließ sich Herr Neuhold einiges einfallen: ein gemeinsames zweitägiges Kulturprogramm jedes Jahr; eine schicke
blonde Lehrerin für die Deutschkurse, um vor allem die Motivation der Mitarbeiter mit südländischer Mentalität zu steigern; ein Gesundheitsmanagement, zu dem auch gehört, dass überall im
Unternehmen Körbe mit frischem Obst zur freien
Verfügung bereit stehen, „15.000 CHF kostet das
Obst, das sind Peanuts im Jahresbudget“, meint
Herr Neuhold.
Für den Bau der Kehrichtsverbrennungsanlage
musste er seine Mitarbeiter sogar überzeugen,
dass sie den Hauptteil der Arbeit selbst schaffen
und keine Berater brauchen – nun gut, er argumentierte, dass er sonst einfach die Berater einstellen könnte statt den Mitarbeiter, aber er konnte die Mitarbeiter aus der Reserve locken und jetzt
sind alle stolz auf ihre Leistung. Er geht einfach
nach dem Prinzip vor, dass jeder sich selbst
genau
klar
machen muss,
was er eigentlich wirklich
leisten kann
und was die
persönlichen
Bedürfnisse
sind. Auf diese
Weise wird die
A r b e i t s k ra ft
optimal eingesetzt. Zusätzlich sollte nach
Herr Neuholds
Auffassung ein
Unternehmen
relativ offene Personalstrukturen haben, so dass
keine Stagnation entsteht. Dies fordert zwar immer wieder einen neuen Aufwand, doch auf jeden
Fall einen lohnenswerten.
Mit seiner sehr aktiven Art hat er die Entsorgung
und Recycling Zürich vor dem Ruin gerettet und
dabei sogar den Kunden günstigere Preise beschert. Eine solche Geschichte und der Erfolg hängen natürlich von vielen Gegebenheiten ab. Man
kann nicht einfach jedes beliebige Unternehmen
reorganisieren und sanieren, außerdem steckt ein
erheblicher persönlicher Einsatz sowie Verzicht
dahinter, trotzdem waren Herr Neuholds Worte
sehr motivierend für uns. Das war ein schöner Abschluss des zweiten Exkursionstages, den einige
noch beim traditionellen Schweizer Käsefondue
oder am Züricher See ausklingen ließen.
28
Aareschlucht
Johannes Schütz
Tamara Bös
30
Aareschlucht: Geschichte und Mythos
Beeindruckend und vor allem eine nette Abwechslung von den ganzen Stollen war der Besuch der
im Haslital gelegenen Aareschlucht. Schon vor
langer Zeit, als die Gletscher tief ins Tal reichten,
entstanden dort tiefe Einschnitte unter dem Eis.
Geschiebe und Wasser wirkten kontinuierlich
als Feile und ließen über Jahrtausende die Aareschlucht entstehen. Durch die Unterspülungen
sind große Flächen abgebrochen, was sich an den
glatten, fast senkrechten Felswänden sehr schön
erkennen lässt. An der engsten Stelle sind die gewaltigen Felsen kaum 1 Meter auseinander.
Die ersten Menschen, die den fast mystischen
Boden der Aareschlucht betraten, waren Reiseabenteurer und Einheimische. Damals war das im
Gegensatz zu heute allerdings mit hohen Risiken
verbunden, da man in die Aareschlucht nur über
eine Seitenschlucht, die so genannte „Finstere
Schlucht“, gelangen konnte.
was einen Anstieg der Besucherzahl auf 34000
zur Folge hatte. Im Jahre 1942 wurden durch den
Ausbruch eines Gletschersees im Grimselgebiet
große Teile des Laufstegs durch Hochwasser zerstört. Eine erneute Straßenöffnung, nämlich die
Sustenstraße, führte nach Kriegsende 1947 zu einem Besucherrekord mit 180000 Eintritten. Wer
mit wachsamen Augen in der Schlucht unterwegs
ist kann mit viel Glück den Tatzelwurm sehen.
Seit jeher gab es immer mal wieder Leute, die ihn
gesehen haben wollten, jedoch handelte es sich
immer nur um flüchtige Begegnungen ohne Beweise.
Bis dann eines schönen Tages dem Berliner Fotografen Balkin das schier Unmögliche gelang.
Heute kann die 1400 Meter lange und 200 Meter Und wer sich fragen sollte wer oder was der Tattiefe Schlucht über einen Steg und einen Tunnel
zelwurm war oder ist, hier das von Balkin geschosbequem durchwandert werden. Die Weichen für sene Foto:
den Bau der Anlagen wurden am 28. September
1887 gelegt, als der Regierungsrat des Kantons
Bern eine Konzession für die Anlage „einer Galerie
und eines Fußwegs durch die Aarlamm“ erteilte.
In den Gemeinden Schattenalb & Meiringen wurde eine Gesellschaft gegründet, die sofort mit dem
Bau des Fußwegs begann, welcher ab dem Jahre
1888 begehbar war. Bereits im selben Jahr wurde
die Schlucht von 12000 Personen besucht. 1895
wurde die Strasse über den Grimselpass eröffnet,
Die „Berliner Illustrierte Zeitung“ wollte aber noch
stichhaltigere Beweise und setzte eine Belohnung
von 1000 Mark aus für denjenigen, der ihn bei der
Zeitung ablieferte. Trotz der hohen ausgesetzten
Belohnung wurde der Tatzelwurm bis heute nie
abgeliefert. Allerdings gibt es den Tatzelwurm
heute noch in auserlesenen Konditoreien als Bisquitspezialität zu kaufen.
32
Grimselstausee KWO
Silvia Thumm
Heiko Schuller
34
Der Tag begann mit einem Spaziergang durch die
Aareschlucht die uns die Natur in ihrer Einzigartigkeit zeigte. Nach dem darauffolgenden typisch
schweizerischem Geschnetzeltem machten wir
uns auf zur „Kraftwerke Oberhasli AG“ (KWO).
Dort wurden wir bereits sehnsüchtig von Susanne
Lüthi, unserer Betreuerin bei der KWO, erwartet.
Sie führte uns kompetent in die Geschichte des
Unternehmens ein und informierte uns über Zahlen, Daten, Fakten und Visionen.
So erfuhren wir, dass die KWO bereits 1925 im Zuge
der Elektrifikation auf Initiative der bernischen
BKW gegründet wurde. Heute befinden sich 50 %
des Aktienkapitals in den Händen der BKW FMB
Beteiligungen AG, Bern und 50 % zu je gleichen
Teilen in den Händen der Städte Bern, Basel und
Zürich. Rund 365 Mitarbeiter werden bei der KWO
beschäftigt, wobei sich das Beschäftigungsgebiet
von der Kraftwerkstechnik bis hin zum Tourismus
erstreckt. So wird z.B. die Gelmerbahn mit 106 %
Steigung, eine der steilsten Standseilbahnen der
Welt, von der KWO betrieben.
Die KWO besitzt ein Netz aus 7 Stauseen, einem
Natürlichen See und 9 Kraftwerken mit 26 Turbinen, die zur Abdeckung der Spitzenlasten bis zu
1062 MW beisteuern. Jährlich wird von den Stauwasserkraftwerken eine Energiemenge von 2350
GWh produziert, was 7 % der Gesamtproduktion
der Schweizer Wasserkraftwerke entspricht und
womit der Bedarf von ca. eine Millionen Menschen genüge getan werden kann.
Die Kraftwerke Oberhasli sind Bedarfskraftwerke,
die nur zu Zeiten besonders hohen Bedarfs kurzzeitig Strom produzieren und ins Netz einspeisen.
Dies ist möglich, da die Turbinen lediglich 30 Sekunden Anlaufzeit benötigen.
Herkömmliche Grundlastenkraftwerke, wie Kohle- und Kernkraftwerke, liefern ständig Strom, da
die Regulierung ihrer Leistung technisch nicht
immer möglich, ineffizient und mit hohen Kosten verbunden ist. Nachts wird dieser Strom nicht
vollständig benötigt, sodass er von Kraftwerksbe-
treibern wie der KWO günstig eingekauft wird,
um das zur Stromerzeugung abgelassene Wasser
wieder zurück in die Stauseen pumpen zu können.
Nach den zahlreichen Fakten und einem Film mit
beeindruckenden Bildern waren wir nun heiß darauf, die Stauseen und Kraftwerke live zu sehen.
Also begaben wir uns auf ca. 1767 m ü.M. zum
Stausee Räterichsboden, dessen Mauer in diesem
Sommer von einem Künstler verziert wurde.
Ursprünglich wollte er die gesamte Staumauer
bemalen, stellte dann jedoch fest, dass es aufgrund der riesigen Fläche und der begrenzten Zeit
nicht möglich war.
Rechter Hand des Sees begaben wir uns in den
Stollen, der zu den Kraftwerken Grimsel 1 und
Grimsel 2 führt.
Die Strecke von 2,8 km unter Tage bis zum Grimsel 2 Kraftwerk durften wir entweder per Fahrrad
oder per Elektromobil bewältigen, da unser Bus 5
cm zu hoch war, was sich allerdings als spannende
Abwechslung herausstellte und allen Beteiligten
viel Spaß brachte. Auf dem Weg passierten wir
den Zugang zum Versuchslabor für atomare Entlagerung NAGRA was wir Tags drauf besichtigten.
Am Kraftwerk Grimsel 2 angekommen bildeten
wir zwei Gruppen, deren Führung Susanne Lüthi
und ihr Mann Hans-Rudolf Lüthi übernahmen.
Da sich das Kraftwerk gerade in Revision (Wartung) befand, konnten wir der Führung auch ohne
technische Verstärkung folgen und hatten außerdem das Glück in eine teilweise geöffnete Turbine
sehen zu können
Es gibt drei Turbinen-Typen die in Wasserkraftwerken Verwendung finden: die Pelton-, Francisund Kaplan-Turbine, wobei nur die ersten Zwei
in Stauwasserkraftwerken genutzt werden und
Letztere nur in Flusskraftwerken vorkommt.
Bild(v.l.n.r.)
In Grimsel 2 befinden sich 4 Francis-Turbinen, die
die Generatoren zur Stromerzeugung antreiben.
Auf der anderen Seite der Generatoren befindet
sich jeweils eine Pumpe, bei deren Betrieb der
36
Generator als Elektromotor fungiert und so
den Strom für die Pumpe liefert. So liegt der
Wirkungsgrad bei diesem Turbinen/Pumpsystem
bei 75%. Würde man die Turbine umgekehrt auch
als Pumpe benutzen, wäre der Wirkungsgrad
wesentlich geringer.
Das Wasser nimmt seinen Weg vom Oberaarsee
durch den Treibwasserstollen ins Druckrohr, wo es
vor der Turbine einen Druck von 50 bar besitzt. In
der Turbine wird das Wasser auf 10 bar entspannt
und in den Grimselsee entlassen. Der im Generator
gewonnene Strom wird über Verteiler nach
Innertkirchen geleitet, wo er ins Netz eingespeist
wird.
Wieder an der frischen Luft, bekamen wir die
Gelegenheit
unsere
Bergsteigerambitionen
beim Erklimmen der Staumauer zu testen.
Von der Staumauer aus konnte man den
Stausee Räterichsboden in seiner ganzen Größe
überblicken.
Ist die Strombedarfsspitze überstanden, d.h.
der Strombedarf hat sich wieder auf das
Normalniveau abgesenkt, wird der Strombedarf
über die Grundlastenkraftwerke ausreichend
gedeckt. Nun müssen die Turbinen runtergefahren
werden. Dazu muss auf der Hochdruckseite ein
Kugelschieber und auf der Niederdruckseite ein
Klappenschieber geschlossen werden. Der dabei
auf der Hochdruckseite entstehende Druckstoß
wird über das Wasserschloss abgefangen. Vor
erneutem Öffnen der Schieber wird das System
über ein Vorfluter geflutet um Materielschäden
durch den hohen Druck und den daraus
resultierenden Kräfte zu vermeiden.
Im Inneren des Gemäuers stiegen wir zahlreiche
Treppen hinunter und waren dabei fasziniert von
der Konstruktion der Mauer. Am Ende kamen wir
zur Überraschung aller wieder im Eingangsbereich
des Stollen heraus, durch den wir schon zum
Grimsel 2 Kraftwerk gelangt waren.
Nach dem kleinen Spaziergang auf der Staumauer,
begaben wir uns etwas unterhalb der Mauerkrone
in die nur aus Beton gefertigte Mauer hinein.
Lediglich an den Seiten und am Boden ist sie durch
Eisenverstrebungen im Felsmassiv verankert. Die
nötige Stabilität und Festigkeit erhält sie durch
ihre Geometrie und ihr Eigengewicht.
Auf dem Rückweg vom Grimsel 2 Kraftwerk durch
den Stollen machten wir Halt an einer Kristallkluft,
die beim Kraftwerksbau 1974 entdeckt wurde.
Sie ist die einzige Kluft der Alpen, die in dieser
natürlichen Form begehbar ist.
Abschließend bedankte sich Prof. Rott bei Susanne
und Hans-Rudolf Lüthi mit einem kleinen Präsent
und wir machten uns auf zum von der KWO
betriebenen Kinder- und Familienhotel Handeck,
wo wir mit kulinarischen Spezialitäten und gutem
Wein verwöhnt wurden.
Für die Zukunft plant die KWO eine Erhöhung
der Staumauern am Grimselsee um 23 m.
Durch den erhöhten Wasserspiegel stünde das
doppelte Speichervolumen zur Stromerzeugung
zur Verfügung. Der damit zu erwirtschaftende
Mehrgewinn erlaubt dieses teure Projekt, das
mit zahlreichen Umbauten der bestehenden
Kraftwerksanlage, der Verlegung der Passstraße
und der damit verbundenen Bau einer Brücke
über den Grimselsee, sowie den ökologischen
Ausgleichsmaßnahmen.
Diese
wären
nötig,
da
durch
die
Staumauererhöhung 0,87 Quadratkilometer Land
überflutet würden (dies entspicht 1% der Fläche
des Unteraartales).
Einige dieser Ausgleichsmaßnahmen wären
zum Beispiel die Umsiedlung sämtlicher
durch die Überflutung bedrohten Tierarten,
die Neupflanzung von 2500 Arven (eine
Kiefernart) für die 46 Überfluteten und die
Erschließung eines 2,1 Quadratkilometer großen
Naturschutzgebietes. Dies ist nur ein kleiner
Ausschnitt der Ausgleichsmaßnahmen die
durchgeführt werden müssten. Dies zeigt, dass
Unternehmen verpflichtet werden nach solch
gravierenden ökologischen Eingriffen der Natur
wieder etwas zurück zu geben.
38
Ein Bericht von
Alexander Axarlis
Michael Sinsbeck
40
NAGRA Felslabor
Die Atomkraft hat in Deutschland und auch in
der Schweiz einen schlechten Ruf. Im Allgemeinen wird sie nicht als saubere Energie bezeichnet.
Momentan sind wir allerdings darauf angewiesen
Atomkraft zu nutzen, um unseren Energiebedarf
zu decken. Deshalb ist der Bereich Kernenergie interessant für uns als Umweltschutztechniker.
Aus diesem Grund stand ein Besuch bei der NAGRA
auf dem Programm, der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Die
NAGRA betreibt ein unterirdisches Felslabor, das
durch den Stollen erreichbar ist, durch den wir
schon am Vortag zum Wasserkraftwerk Grimsel 2
gefahren sind. Ein unterirdisches Felslabor, in dem
mit Radioaktivität geforscht wird – unter diesen
Worten stellten wir uns anfangs ein futuristisches
Hochsicherheitslabor vor, in dem etliche hochspezialisierte Forscher in Sicherheitsanzügen herumlaufen, Forschungsprojekte betreiben und Uran
in Sicherheitstransportern herumfahren, ähnlich
wie im James Bond „The world is not enough“.
In dieser Hinsicht wurden unsere Erwartungen
komplett enttäuscht. Bei unserem Aufenthalt waren nur zwei Mitarbeiter von NAGRA anwesend
und das auch nur, um uns herumzuführen. Wenn
keine Führungen stattfinden, ist normalerweise
nur ein Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen da.
Die Forscher sitzen alle bequem in Tokio am Computer und erfassen ihre Messungen online. Auch
das Labor an sich war weniger spektakulär als erwartet; es besteht aus einem 1,5 km langen Stollensystem, das in den Berg gesprengt wurde. Die
Versuche werden meist mit Hilfe von Bohrungen
direkt in der Wand oder in einzementierten Kesseln durchgeführt. Da es sich bei den Experimenten um Langzeitversuche handelt, ist hier nur bei
der Installation von neuen Versuchen etwas los.
Eine der Versuchsreihen, die in diesem Labor
durchgeführt wurden, waren Versuche mit einer
neu entwickelten mehrfachen Sicherheitsbarriere. Mit Barriere ist dabei die Kapsel gemeint, die
die radioaktiven Abfälle umschließt. In diesem
Fall werden die Abfälle in einem Stahlbehälter gelagert, der mit Ton ummantelt ist und mit einem
„Betonkorken“ verschlossen wird. Um die radioaktive Strahlung zu simulieren werden die Stahlbehälter beheizt. Dabei wurde hauptsächlich untersucht, wie sich der Behälter und die Qualität der
Ummantelung bei erhöhter Temperatur verhalten. Ein großes Problem bei der Endlagerung ist
meistens auch der Schutz der Abfälle vor Sickerwasser, so dass keine Radioaktivität in den Wasserkreislauf gelangt.
Die NAGRA wurde 1972 gegründet von Verursachern radioaktiver Abfälle. Nach dem Kernenergiegesetz sind diese dafür verantwortlich, dass
die Abfälle so entsorgt werden, dass sie keine
Gefahr für Menschen und Umwelt darstellen. Die
NAGRA wird hauptsächlich von den Betreibern
der Schweizer Kernkraftwerke aus den Strompreisen finanziert.
Ziel der Genossenschaft ist es, Endlagerstätten für
radioaktiven Abfall zu entwickeln, die in der Lage
sind, die Abfälle für etwa 1 Mio. Jahre sicher zu lagern. Nach dieser Zeit ist die radioaktive Strahlung
auf einen Wert gesunken, der auch in der Natur
bei radioaktivem Gestein gefunden werden kann.
Bei diesem Wert wird die Strahlung nicht mehr als
schädlich für die Umwelt gewertet und die Abfälle
werden Teil vom geologischen Kreislauf. Endlager
sind so konzipiert, dass sie ohne aktive Eingriffe
sicher sind. Dem gegenüber stehen Zwischenlager, die ständig erneuert, gesichert und bewacht
werden müssen. Diese sind nur eine vorübergehende Lösung, bis zum Bau von ausreichenden
Endlagern. Obwohl es nicht allgemein bekannt
ist, gibt es schon Endlager, die mit radioaktivem
Abfall gefüllt sind, in Finnland, Norwegen, Schweden, Frankreich, den USA und Japan.
42
Der Rhônegletscher
Julian Mehne
Tobias Mosthaf
44
Der Rhônegletscher
Nach den unzähligen, oft nicht beplankten Serpentinen über den Grimselpass quälte sich der
Bus die letzten Meter zum Hotel Belvédère hinauf.
Einige waren froh, wieder festen Boden unter den
Füßen zu haben und wir machten uns auf den
Weg zum RhôneGletscher. Dieser liegt 2250 m
über dem Meer. Dort findet man sich schließlich
direkt an der Gletscherzunge wieder – welche der
Ursprung des wasserreichsten Flusses Frankreichs
ist.
Die ehemalige Größe des Gletschers erschließt
sich einem, wenn man bedenkt, dass die Eisdicke
jährlich um 25 cm abnimmt und der Gletscher
selber 8,5 m an Länge verliert. Zum Höhepunkt
der kleinen Eiszeit im 19. Jahrhundert reichte die
Gletscherzunge noch bis auf 1750 m in das Tal hinunter. Leider ist das Begehen des Gletschers ohne
Führer mit entsprechender Ortskenntnis lebensgefährlich, doch die Eisgrotte, die alljährlich in
den Gletscher geschlagen wird, tröstete uns darüber hinweg.
Das durch das Eis hindurchschimmernde Licht erzeugte mit seinen faszinierenden Farbtönen eine
ganz besondere Stimmung, die einige zu lustigen
Man erahnt die Dimensionen der Rhône vielleicht, Photoshootings animierte.
wenn man direkt an der Quelle am Fuße des Gletschers steht. Das Wasser schießt über eine Felskante einige hundert Meter in das Tal und bahnt sich
seinen Weg in Richtung Arles um dort schließlich
in das Mittelmeer zu münden. Die Wagemutigsten unter uns, die sich bis ganz vorne an die Kante
wagten, wurden mit einer spektakulären Aussicht
über das junge Rhônetal belohnt.
Bei einem Kamingespräch mit Prof. Fuchs wurden
wir vorab über die Folgen des Klimawandels auf
die Gletscher informiert. Die Schilder unterhalb
der Gletscherzunge machte uns darauf aufmerksam, wie schnell die Schmelze tatsächlich fortschreitet. Eine Folge dieser ist der Anstieg des
Meeresspiegel. Den Berichten des IPCC zu Folge
ist bis zum Jahre 2100 ein weltweiter Anstieg zwi-
schen 0,19 m und 0,58 m möglich (nicht berücksichtigt bei diesen Prognosen sind die Eismassen
Grönlands und der Antarktis). Nimmt man einen
Anstieg von 1 m an, würden weltweit 150000 km
Landfläche überflutet werden, dabei wären 180
Millionen Menschen betroffen und der weltweite
volkswirtschaftliche Schaden wäre enorm.
Gletscher stellen Trinkwasserquellen zahlreicher
Städte dar, sollten sie weiter abschmelzen wäre
die Wasserversorgung zahlreicher Menschen
gefährdet. Da Gletscher die anfallenden Niederschläge zunächst in Form von Eis binden und kontinuierlich über das Jahr wieder freigeben, tragen
sie dazu bei die Folgen extremer Wetterereignisse
zu mildern. Das fehlende Wasser würde auch den
Energiehaushalt einiger Regionen verändern, da
Wasserkraftwerke nicht mehr oder nur noch bedingt Strom produzieren könnten.
Was sind nun die Gründe dieses Gletscherschwunds? Grundlage für das Bestehen eines
Gletschers ist seine Massenbilanz, welche die
Differenz von Wachstum des Gletschers (durch
Schneefall) und dessen Abnahme (z.B. durch
Schmelze) darstellt. Laut dem Sachstandsbericht
des IPCC im Jahr 2007 hat die durchschnittliche
Lufttemperatur von 1906 bis 2005 weltweit um
0,74 °C (± 0,18 °C) in Bodennähe zugenommen. Für
die weltweiten Niederschläge gibt es jedoch keine eindeutige Aussage, da in Regionen wie Nordeuropa mehr, in anderen, südlicheren Gebieten
weniger Niederschlag gemessen wurde.
Wir sollten darauf achten, die Zunahme der weltweiten Durchschnittstemperatur nicht durch
unser Zutun zu verschärfen. Die Mehrheit der
Wissenschaftler geht davon aus, dass der Klimawandel hauptsächlich durch den Menschen verursacht wird, und dass der Gletscherschwund auf
diesen zurückzuführen ist. Diese Erkenntnis sollte
uns allen vielleicht als Anlass dienen unseren Umgang mit unserem Lebensraum zu überdenken.
Trotz dieser ernsten Sachlage gehörte dieses Exkursionsziel zu den absoluten Höhepunkten unserer Reise. Leider durfte der Bus wegen Übergewicht seitens der Passagiere nicht über den
Furkapass und musste einen Umweg über den
Grimselpass und seine Serpentinen nehmen.
46
Gotthard
Basistunnelbaustelle
Julian Sauterleute
Sebastian Roos
48
Mit der Tunnelbahn zur Großbaustelle
unter Tage:
Der Gotthard-Basistunnel
messer, die alle 40 m über sog. Querschläge als
Fluchtmöglichkeit miteinander verbunden sind.
Zudem werden zwei Multifunktionsstellen in Sedrun und Faido erstellt, um Spurwechsel, Nothalt,
Abluftabsaugung im Brandfall und Flucht in NotAm Freitagmorgen wurden wir auf der Tunnelbau- fällen zu ermöglichen.
stelle in Amsteg von Alois Inderkum im Besucherzentrum empfangen und mit zahlreichen Informationen über das Tunnelgroßprojekt AlpTransit
versorgt. Der Gotthard-Basistunnel war ein weiterer Programmpunkt unter Tage, aber sicher war
dies der größte und eindrucksvollste Tunnel, den
wir besichtigen konnten.
Zur Realisierung der bautechnischen und logistischen Meisterleistung wurde der Gotthard-Basistunnel in fünf Bauabschnitte unterteilt (siehe Bild
rechts). An den Zwischenangriffen wird über Zugangs- und Kabelstollen die Versorgung mit Material, Wasser und Energie sowie die Entsorgung
von Ausbruchmaterial sichergestellt.
Beim Bau des Tunnels wurde je nach den geologischen Verhältnissen entweder mit Sprengvortieb oder einer 450 Meter langen Tunnelbohrmaschine (TBM) gearbeitet. Wegen abschnittsweise
schwierigen geologischen Verhältnissen musste
der Wandausbau z.T. nachprofiliert und mit Stahl
verstärkt werden. Die Multifunktionsstelle in Faido musste um einen Kilometer verlegt werden.
Der größte Teil des Tunnels wird mit Folie abgedichtet, um Wassereintritt aus dem umliegenden
Das Jahrtausendprojekt mit seinen drei Eisen- Gestein zu verhindern.
bahntunnels wird ab 2017 den Alpentransitverkehr revolutionieren. So verkürzt sich die Reisezeit
von Zürich nach Mailand von 3:40 h auf 2:40 h.
Der Güterverkehr wird sich bei Vollausbau auf ca.
300 Züge pro Tag verdoppeln lassen und so entscheidend den Wirtschaftsgütertransport zwischen Nord- und Südeuropa beeinflussen und
wesentlich dazu beitragen, dass mehr Güter von
der Straße auf die Schiene verlagert werden.
Der Gotthard-Basistunnel ist mit seinen 57 Kilometern Länge der größte der drei sich im Bau befindlichen Tunnel. Er wird nach Fertigstellung der
längste Eisenbahntunnel der Welt sein.
Er besteht aus zwei Röhren von ca. 8,9 m Durch-
Linienführung Gotthard-Basistunnel
Übersicht
Gotthard
San Gottardo
Altdorf
Erstfeld
Länge 7,4 km
Erstfeld
Amsteg
Amsteg
Länge 11,4 km
Sedrun
Sedrun
Länge 6,8 km
GotthardBasistunnel
Gesamtlänge 57 km
Faido
Länge 14,6 km
Faido
Bodio
Länge 16,6 km
offene
Tunnel Strecke
Gotthard-Basistunnel
zurückgestellt
bestehende Bahnlinie
Schacht, Stollen
Sondiersystem Pioramulde
Bodio
Biasca
50
Die riesigen Mengen an Ausbruchmaterial werden mit Förderbändern zur Zwischenlagerung,
Bahnverladung oder Kiesverarbeitung transportiert. Ein Viertel des Materials wird zu Baumaterial aufbereitet. Ein weiterer Teil wird in Hangzonen
deponiert oder zur Zuschüttung von ehemaligen Steinbrüchen verwendet. Außerdem sind
als ökologische Ausgleichsmaßnahme im Urner
See Inseln aufgeschüttet worden. Sie stellen das
Reussdelta nach jahrelangem Kiesraubbau an der
Mündung des Flusses wieder her. Mit Badeinseln
und nicht begehbaren Inseln wurde sowohl Freizeitwert als auch bedeutende Naturlandschaft
geschaffen.
der unter Überdruck steht. So kam beim Passieren
der dicken Stahltüren ein Luftsog zustande, dass
man meinte gegen einen Orkan ankämpfen zu
müssen. An der Materialtransportmaschine vorbei führte uns Herr Inderkum an die Stelle in der
Oströhre, an der in ca. zwei Jahren der Durchbruch
der Tunnelbohrmaschine von Erstfeld her erwartet wird. Durch die Montagekaverne gelangten
wir in die Aufweitung der Weströhre zurück, wo
uns ein „Betonbomber“, eine mit zigarrenförmigen Betontanks beladene Stollenbahn, passierte.
Herr Inderkum wies uns auf einige Container hin,
die mit Überdruck, Telekommunikation und Sauerstoffversorgung im Notfall Leben retten können.
Als Umweltschutztechniker interessierten wir uns
auch für die Tunnelwasseraufbereitungsanlage.
Das 40 bis 50 °C warme Wasser aus dem Gestein
wird gereinigt und abgekühlt, um es schadlos in
die Reuss einleiten zu können.
Schließlich fuhren wir mit der Stollenbahn wieder in Richtung Amsteg und erblickten nach einigen Minuten das Tageslicht. Besichtigungen unter Tage waren wir inzwischen ja gewohnt, aber
trotzdem waren wohl alle froh, dass wir die Tunnelbaustelle sehen konnten ohne stundenlange
harte Arbeit unter Tage verrichten zu müssen.
Nach dem theoretischen Teil wurden wir mit
Schutzkleidung, Stiefeln, Helmen und Selbstretter-Rucksäcken ausgestattet, um mit der Tunnelbahn die Fahrt tief hinein in das Bergmassiv antreten zu können. Als wir uns in die kleinen Waggons
der Tunnelbahn zwängten, kam ein Gefühl auf als
würden wir zu einer Schicht antreten, um acht
harte Stunden unter Tage zu schuften. Nach der
holprigen, lauten, zwei Kilometer langen Reise
erreichten wir durch den Zugangsstollen Amsteg
die über 200 Meter unter Tage liegende Tunnelbaustelle. Dort erwartete uns aber nicht harte
Arbeit, sondern die Besichtigung diverser Tunnelröhren.
Um zum Sprengvortriebbereich in der Weströhre
zu gelangen durchquerten wir den zur Sicherheit
durch einen Schott abgetrennten Kabelstollen, Bilder: © AlpTransit Gotthard AG & Privat
52
Untertageversuchsstollen
Hagerbach
Christine Wüst
Maren Burkert
54
Die Faszination des
Untertage-Versuchstollens Hagerbach
Auch die Letzte Station unsere Exkursion, der Versuchsstollen Hagerbach bei Sargans sollte uns
noch mit einigen spektakulären Shows ins Staunen versetzen.
Der anfangs durch Tüftelei und Experimentierfreudigkeit entstandene Tunnel, stellt heute ein
großes Versuchsstollensystem dar, dass von der
Hagerbach AG selbstständig ohne staatliche Subventionen bewirtschaftet wird. Hierin begründet
sich die vielfältige Nutzung innerhalb des Versuchsstollens. Um die Attraktion des Stollens stets
zu bewahren und sogar zu steigern, haben sich
die drei Bereiche; Baustoffprüfung, Forschung &
Entwicklung und Anlässe & Events herauskristallisiert.
Die Besichtigung des
über 5 km langen Stollensystems mit Herrn
Roland Weiss begann
für uns im Bereich der
Baustoffprüfung.
In dem Prüflabor werden Baustoffe, vor allem
Beton, auf ihre mechanischen,
chemischen
und physikalischen Eigenschaften wie z.B. die
Dauerhaftigkeit, Frostbeständigkeit,
Zug-/
Druckfestigkeit, Wasser- und Luftporengehalt untersucht. Auch
in Bezug auf Forschung
und Entwicklung von
Betonmischungen und
zementgebundene
Baustoffe kommt dem
Labor große Bedeutung
zu.
Der neuentwickelte Beton kann in den Testbereichen des Stollens direkt am Fels unter Realbedingungen getestet werden. In Zusammenarbeit mit
dem ICST ‚Internationalen Centrum für Sicherheit
in Tunnels’ wird z.B.nach einem feuerbeständigen
Beton für den Tunnelbau geforscht. Doch hängt
die Sicherheit im Tunnel nicht nur von Material
und Technik ab, sondern auch vom menschlichen
Verhalten.
So erhielten auch wir im „Untertage-Seminarraum“ einen ausführlichen Vortrag über die Ursachen und Auswirkungen von Tunnelunfällen und ereignissen im Straßenverkehr, sowie das richtige
Verhalten in einer solchen Situation. Neu für uns
war, dass die Radio-Frequenz welche am Tunneleingang ausgeschildert ist, über aktuelle Ereignisse im jeweiligen Tunnel berichtet. Ebenso das
Steckenlassen des Autoschlüssels im Zündschloss
bei fluchtartigem Verlassen des Tunnels.
Im Bereich der Forschung und Entwicklung für die
Sicherheit im Tunnel wurden uns Versuchsprojekte die im Versuchsstollen durchgeführt wurden
gezeigt wie z.B. die Umfahrung Paris A 86.
Damit sich für uns nicht
alle Informationen auf
der Leinwand abspielen,
wurde uns anschließend eine spannende
Live-Branddemonstration geboten. Hierzu
wurden wir in den Stollenbereich der Brandforschung geführt. Interessiert verfolgten wir
die Rauchentwicklung
an der Stollendecke und
die Hitzeabstrahlung.
Nicht nur für Demonstrationen bei Besichtigungen, sondern auch
für die praxisnahe Ausbildung von Feuerwehrleuten für den Realfall
wird dieser Stollenbereich genutzt. Denn vor
allem bei Rettungskräften muss im Ernstfall
jeder Griff sitzen. Unerlässlich dazu ist „üben, üben, üben“ und zwar
unter Dunkelheit, Enge, Qualm und Hitze.
Auch andere Firmen aus dem Bereich des Untertag-, Hoch- und Tiefbaus können ihre Forschungsprojekte und Produkte unter Realbedingungen
testen. Schon öfters musste man erkennen, dass
die speziellen Bedingungen Untertage großen
Einfluss auf die Funktionstüchtigkeit einer Maschine haben können; so manche Maschine stand
im Stollen still, obwohl sie außerhalb schon problemlos lief.
Die Firmen können sich einen Bereich des Stollens
mieten und darin experimentieren, forschen und
ihre Produkte dem Kunden vorstellen.
Auch hier hatten wir das Vergnügen einen kleinen
Einblick in diesen Bereich zu bekommen. Im Namen der Firma Siemens stellte uns Julian Engelhardt das „Fibro Laser System“ vor. Hierbei handelt
es sich um ein lineares Brandmeldesystem basierend auf Laser Technologie, dass Temperaturen
auf große Distanzen messen kann. Hauptsächlich
wird dies in Verkehrs- und Güterzugtunnels genutzt. Nach einer interessante Präsentation und
kurzer Diskussion wurde uns das Produkt „live“
vorgeführt. Zwischen Brandherd und Monitoren
konnten wir einerseits die Feuerentwicklung real
und gleichzeitig die Reaktion des Systems beobachten.
Nach erfolgreicher Löschaktion und netter Plauderrunde, erwartete uns noch das Highlight dieser
Tunnelführung, eine Live-Sprengung. Anstelle der
üblichen 150-200 kg TNT zur Felssprengung wurden bei uns nur 48 g PETN- Schnüre eingesetzt.
Um uns den Steinschutt und eine Schaufelaktion
zu ersparen, war für uns eine Auflegersprengung
vorbereitet, wo die Zündung außerhalb des Gesteins erfolgte. Die normalerweise nur in einem
Knall hörbar abgestuften Zündungen der einzelnen Sprengsätze waren nun extra durch größere
Verzögerung für uns einzeln fühlbar. Die Sprengung durfte sogar von unserer Kommilitonin ausgelöst werden. Dann hieß es nur noch: „Ohren zu!
- 3, 2, 1….Sprengung!“
Wir danken Herrn Weiss für die interessante Führung, die uns noch einmal abschließend die Vielfältigkeit und Einzigartigkeit der Untertage-Welt
hautnah erleben ließ.
56
2