Anstifter 2-2012 - Stiftung Liebenau
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Anstifter 2-2012 - Stiftung Liebenau
Anstifter Infos aus der Stiftung Liebenau 2012 Ausgabe 2 Stiftung Liebenau Pfarrer Dieter Worrings erhält Ehrennadel Seite 7 Helfen und Spenden: Hilfen im Gefahrenbereich Seite 11 Altenhilfe Immer was los für Menschen mit Demenz Seite 16 Menschen mit Behinderung Fortbildung bringt Aha-Erlebnisse Seite 18 Bildung Vom Praktikum zur Festanstellung Seite 25 Kinder und Jugend Kinder erinnern sich an wichtige Dinge Seite 27 Betriebe und Dienstleister LiSe optimiert Arbeitsplätze Seite 29 Unsere Autoren in diesem Heft: Dr. Berthold Broll Vorstand Stiftung Liebenau Wolf-Peter Bischoff Chefredakteur Stiftung Liebenau Inhalt Inhalt Anne Oschwald Titelfoto: Reittherapie stärkt junge Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Menschen mit Behinderung Foto: Felix Kästle 3Meine Meinung Ulrich Dobler Stiftung Liebenau Martina Noppel Liebenau Service GmbH Menschen mit Behinderung von Dr. Berthold Broll 4kurz und knapp 18Fortbildung mit Aha-Erlebnissen 26www-Adressen 19Genussradeln mit Pedelecs 31Das letzte Wort 20Fachtag: Sag mir erst wie alt du bist von Wolf-Peter Bischoff 22Hilfe-Mix für selbstständiges Leben 32Spot an Bildung Johanna Wurm Stiftung Liebenau 23Erfahrungen beim Klettern helfen Liebenau Service GmbH 7 Pfarrer Dieter Worrings erhält auch im Alltag Susanne Droste-Gräff Ehrennadel der Stiftung 25Porträt: Nach dem Praktikum folgt die Redakteurin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH 8Dank an langjährige Mitarbeiter Festanstellung 10 ZustifterRente ist ausgezeichnet 26Max-Gutknecht-Schule online Helga Raible Gefahrenbereich Redakteurin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH 12Spielgeräte fördern Begegnungen 14Ökumene: „Kirche findet Stadt“ 27Kinder erinnern sich an wichtige Dinge Elke Benicke 15Partner der Feuerwehr 28Prävention für Geschwister Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH 11Fundraising: Frühzeitige Hilfen im Kinder und Jugend 13Inklusion: Mittendrin sein Altenhilfe Betriebe und Dienstleister Sabine Centner Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Felix Kästle Freier Mitarbeiter Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Christof Klaus Freier Mitarbeiter Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Lioba Scheidel Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Claudia Wörner Freie Mitarbeiterin Teamwork Kommunikation und Medien GmbH 16Im Heim ist immer was geboten für 29LiSe optimiert Arbeitsplätze Menschen mit Demenz 30Kleine Gourmets kommen zu Tisch 17Miteinander statt nebeneinander Anstifter Meine Meinung LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, woran immer es liegen mag: In jüngerer Zeit verstärkt sich mein persönlicher Eindruck, dass die Einebnung von Unterschieden in unserer Gesellschaft zunimmt. Dabei denke ich nicht vorrangig an Äußerlichkeiten, wie Mode oder Ähnliches. Vielmehr sehe ich die Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen, Lebensstile und Vorlieben in Gefahr. Menschen drohen immer mehr an vermeintlichen gesellschaftlichen Normen gemessen und anhand gesellschaftlicher Durchschnittswerte verglichen und normiert zu werden. Dabei ist es gerade die Vielfalt der Meinungen, der Sichtweisen, der Vorlieben und Abneigungen, der unterschiedlichen Lebensgestaltung und insgesamt die Art zu denken, zu handeln und zu empfinden, die den eigentlichen Reichtum unserer Gesellschaft ausmacht. Und diese Vielfalt, so meine Meinung, steht von mehreren Seiten unter Druck. Da sind zum einen die rechtlichen Vorgaben. Was noch vor Jahrzehnten dem Einzelnen oblag, ist heute vielfach seiner eigenen Entscheidung entzogen und von Vorgaben bestimmt, welche die politischen Institutionen im Namen der Mehrheit der Gesellschaft erlassen haben. Und dies betrifft heute nahezu alle Lebensbereiche, bis in ihre kleinsten Verästelungen hinein. Dr. Berthold Broll Vorstandsvorsitzender der Stiftung Liebenau Über die rechtlichen Regelungen hinaus, und das scheint mir das Wichtigere zu sein, gibt es in unserer Gesellschaft einen – von wem auch immer ausgelösten – Druck hin zu einheitlichen Ansichten und Meinungen. Und hat sich erst einmal eine bestimmte Sichtweise oder Haltung in unserer Gesellschaft zu irgendeinem Thema festgesetzt, so muss man gehörig aufpassen, wenn man anders denkt und dies gar ausspricht. Schnell stellen die Sprachrohre der Gesellschaft einen in die Ecke, werfen einem dies und das vor oder feinden einen gar an. Da dies den allermeisten Menschen keine große Freude bereitet, entsteht dadurch rasch ein deutlicher Druck zu einheitlichen Meinungsäußerungen, konformen Bewertungen und damit ein Verlust an Urteilskraft, die unterschiedliche Sichtweisen respektvoll einschließt. Beinahe jedes Thema unterliegt diesen Prinzipen des vermeintlichen gesellschaftlichen Konsenses. Vielfach muss man aber davon ausgehen, dass es sich hierbei nur um eine gefühlte Mehrheit handelt. Die große Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann hatte vor Jahren erstmals diese Zusammenhänge erforscht und den Begriff der „Schweigespirale“ geprägt. Dieser besagt, dass die als Mehrheitsmeinung wahrgenommene Meinung Einfluss darauf hat, ob Menschen sich zu ihrer eigenen Meinung bekennen oder nicht. Besonders schädlich für eine Gesellschaft wird es dann, wenn dadurch Kreativität verloren geht. Wenn die Freude daran, Neues zu entwerfen und in einen fruchtbaren Austausch in der Gesellschaft zu bringen, zurückgeht. Denn genau hiervon leben wir. Besonders negativ wirkt sich diese gesellschaftliche Nivellierung von Verschiedenheiten auf all jene Menschen aus, die nicht in das Raster gesellschaftlicher Standards passen. Dies betrifft ganz zuvorderst eine Vielzahl jener Menschen, für die die Stiftung Liebenau tätig ist: Menschen mit Einschränkungen aller Art, körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen. Je stärker ein Mensch von den schleichend gesetzten gesellschaftlichen Maßstäben abweicht, umso mehr droht ihm die Gefahr der Ausgrenzung, des Abgestempeltwerdens, des „Andersseins“. Ich plädiere daher sehr stark für die Vielfalt, ihre Möglichkeiten und Grenzen, für den Respekt der Sichtweise anderer, insbesondere jener, die nicht in großer Zahl und lautstark mit ihren Meinungen auftreten. Ich rate zur Achtsamkeit, wo immer die Gesellschaft etwas „normieren“ möchte und wünsche mir einen sehr sorgfältigen Umgang mit den Eigenheiten, Sichtweisen und Vorlieben jedes einzelnen Menschen. Insgesamt tut unserer Gesellschaft die Offenheit für anders Meinende und Denkende gut. Denn wer möchte schon in einem gesellschaftlichen Einerlei versinken? Das meint Ihr Berthold Broll kurz und knapp Liebenau Liebenau Neue Trikots für Dynamo Lukas Position zum Thema Pflege Über ihre neuen Trikots freuen sich die Hobbykicker des Lie- Die Bewältigung des demografischen Wandels stand auch beim benauer Fußballteams Dynamo Lukas. Überreicht wurden die Frühjahrstreffen der Steuerungsgruppe „Netzwerk: Soziales neu von der Sepp-Herberger-Stiftung gespendeten Jerseys vom Prä- gestalten (SONG)“ im Mittelpunkt: Beschlossen wurde ein Positi- sidenten des Württem- onspapier zur Pflege, das zwei Stufen vorsieht, um die Gesellschaft bergischen Fußball- in der Bundesrepublik nachhaltig stark zu machen für die zuneh- verbandes (WFV), Her- mende Pflegebedürftigkeit. Vorgeschlagen werden kurzfristige und bert Rösch. Der WFV- mittelfristige Maßnahmen. Zu den kurzfristigen zählen beispiels- Präsident hatte loben- weise Änderungen in den heutigen Leistungsgesetzen sowie die de Worte: „Das, was Reduzierung von Mehrfachzuständigkeiten. Mittelfristige Ände- sie hier tun, ist für rungen sollen nach Ansicht der SONG-Partner vor allem darauf uns ganz besonders abzielen, ineffiziente Abgrenzungen zwischen Sektoren und Siche- wertvoll und wichtig.“ rungssystemen aufzuheben. Ein Ansatzpunkt dazu könnte die Rösch würdigte das strukturelle Unterscheidung zwischen medizinisch-pflegerischer langjährige Fußballen- Behandlung und sozialer Sorge sein. Dazu müssten Pflege- und gagement der Krankenkassen zusammengelegt werden und das Verhältnis von St. Lukas-Klinik und strich die positiven Effekte des Sports Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und Sozialversicherungsleis- heraus: „Fußball hat eine Kraft, die man nicht hoch genug tungen neu bestimmt werden. In den kommenden Monaten werden schätzen kann.“ Deshalb sei es das Ziel der vom Deutschen Fuß- die Positionen noch detaillierter ausgearbeitet. Beschlossen wurde ball-Bund (DFB) ins Leben gerufenen Sepp-Herberger-Stiftung, in der Sitzung auch, die Laufzeit des Netzwerkes, die bis Ende 2012 soziale Projekte zu fördern und „auch dahin zu gehen, wo nicht geplant war, zu entfristen. der große Fußball ist, sondern der kleine.“ Download unter: www.stiftung-liebenau.de unter „Sozialpolitik“. Gänseblümchenfest am 23. Juni Bereits zum sechsten Mal öffnet das Kinderhospiz St. Nikolaus am 23. Juni zum Gänseblümchenfest seine Pforten. In diesem Jahr wird noch größer gefeiert: Das Kinderhospiz wird fünf Jahre alt und der Förderverein Kinderhospiz im Allgäu e.V. feiert sein 10-jähriges Bestehen. Eine Möglichkeit für alle, die Einrichtung im Allgäu zu besichtigen, denn während der restlichen Zeit im Jahr können keine Führungen für die Öffentlichkeit angeboten werden. Das Kinderhospiz St. Nikolaus – das einzige im süddeutschen Raum – ist eine Anlauf- und Erholungsstätte für Familien mit lebensbegrenzt und unheilbar erkrankten Kindern und Jugendlichen. Das Haus begleitet die gesamte Familie im Leben, in der Sterbephase und über den Termine 29. Juni 2012 Cook & Swing Liebenau 7. Juli 2012 Gartentrödelei Liebenau 7. Juli 2012 Fußballturnier und Open-Air-Disco Liebenau 8. Juli Liebenauer Sommerfest Liebenau Tod des erkrankten Kindes hinaus. www.kinderhospiznikolaus.de 4 Stiftung Liebenau 30. September 2012 BBW Open Ravensburg Liebenau Friedrichshafen Kassieren für den guten Zweck Neues Ethikkomitee Das neue „Ethikkomitee der Stiftung Liebenau“ hat am 1. Januar seine Arbeit aufgenommen. Das sechsköpfige Gremium unter dem Vorsitz von Stiftungsaufsichtsrat Dr. Bruno Schmid (rechts) wird künftig zwölfmal im Jahr zusammen kommen, um sich mit den ethischen Aspekten der Entwicklung der Stiftung Liebenau, ihrer Gesellschaften und des politischen Umfeldes zu befassen und diese auf der Grundlage ihrer Satzung und ihrer Unternehmensphilosophie zu reflektieren. Die Auseinandersetzung mit moralischen Fragen hat in der Stiftung eine lange Tradition. Bereits die Gründungssatzung von 1873 verwies auf ein ethisches Handeln im Sinnhorizont des christlichen Glaubens. Die wachsende Vielfalt sozialer Dienst-leistungen der Stiftung und die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedin- Marion Behrendt, Koordinatorin von „wellcome“ im Bodenseekreis, gungen führten schließlich 1995 zur Gründung einer Ethikkom- schlüpfte am 29. Februar für eine halbe Stunde in die Rolle einer dm- mission, die das Handeln der Stiftung fortan begleitete und Mitarbeiterin und setzte sich an die Kasse der Filiale in der Rhein- unter anderem Schriften zur Präimplantationsdiagnostik oder straße in Friedrichshafen. Insgesamt nahm sie 828 Euro ein, die vom der Begleitung Sterbender veröffentlichte. Aus diesem Gremium dm-Markt auf 900 Euro aufgerundet wurden. Im Rahmen der Aktion ging jetzt das Ethikkomitee hervor. Das neue Ethikkomitee mit „Ideen, Initiative, Zukunft“, eine Kooperation des dm-Markts und der Stiftungsvorstand Prälat Michael H. F. Brock (3.v.re.): (v.l.) Deutschen UNESCO-Kommission, wurde dieser Tag deutschlandweit als Dr. Helmut Schädler (Chefarzt i. R. der St. Lukas-Klinik), zusätzlicher Tag für nachhaltiges Engagement genutzt. Dr. Hans-Martin Brüll (Stabstelle Ethik der Stiftung Liebenau), Zugute kommt das Geld „wellcome“, einem Dienst der Stiftung Liebe- Marie-Therese Selbitschka (Pflegedienstleiterin Haus St. Iris nau. In Form von moderner Nachbarschaftshilfe unterstützen Ehren- Eriskirch), Ruth Hofmann (Pädagogischer Fachdienst der amtliche Familien stundenweise nach der Geburt eines Kindes. Damit St. Gallus-Hilfe) und Prof. Dr. Bruno Schmid (Prof. i. R. der aus der großen Freude über das Baby kein Stress wird, verhelfen die Kath. Theologie/Religionspädagogik an der PH Weingarten). ehrenamtlichen wellcome-Engel zu kleinen Pausen, in denen die Auf dem Foto fehlt Matthias Haag (Vorsitzender Richter am Eltern wieder Kraft schöpfen können. Oberlandesgericht Stuttgart). „wellcome“ Bodenseekreis hat seinen Sitz beim Familientreff INSEL e. V. in der Meistershofenerstraße 11a in Friedrichshafen. Wellcome gibt es auch im Landkreis Ravensburg in Kooperation mit Stiftung St. Anna in Leutkirch. Anlaufstelle in Ravensburg ist die Herrenstraße 43, in Leutkirch in der Kemptenerstraße 11. Der Dienst finanziert sich über Spenden. Wer von den Familien kann, leistet einen geringen Unkostenbeitrag. www.wellcome-online.de Impressum Anstifter Auflage: 6 000 Herausgeber: Stiftung Liebenau Redaktion: Wolf-Peter Bischoff (verantwortlich), Anne Oschwald Teamwork Kommunikation und Medien GmbH Siggenweilerstraße 11 88074 Meckenbeuren Tel.: 07542 10-1181 Fax: 07542 10-1117 E-Mail: vera.ruppert@ teamwork-kommunikation.de Spendenkonto: Stiftung Liebenau Kt. 20 994 471 Sparkasse Bodensee BLZ 690 500 01 Bereich Liebenau Stiftung 5 kurz und knapp Stiftung Liebenau erforscht Heimalltag der Nachkriegszeit LIEBENAU – Erzieherische Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderung im Nachkriegsdeutschland – ein Thema, das bislang noch viel zu wenig öffentliche Beachtung fand. Mit einem Forschungsprojekt stellt sich die Stiftung Liebenau ihrer ethisch-historischen Verantwortung und nimmt den Heimalltag in ihren Einrichtungen zwischen 1945 und 1975 unter die Lupe. Während die Situation von Menschen mit Behinderung und die an ihnen begangenen Verbrechen während des NaziRegimes in Deutschland recht umfangreich dokumentiert sind, waren die ersten Jahrzehnte nach Kriegsende bislang noch kaum Gegenstand der Forschung. Doch wie gestaltete sich die Lebenswirklichkeit dieser Menschen von Kriegsende bis Mitte der 1970er Jahre? Unter welchen Umständen fand der Alltag in den Heimen der Stiftung Liebenau statt? Wo, wie oft und warum wurden Betreute dabei auch Opfer struktureller oder persönlicher Gewalt? Der Stiftungsvorstand hat sich dieses Themas angenommen und ein Forschungsprojekt dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule in Stuttgart in Auftrag gegeben. „Gewalterfahrungen. Der Umgang mit Gewalt im lebensweltlichen Kontext von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern der Stiftung Liebenau zwischen 1945 und 1975“, lautet das Projekt, das nach Gründen, Anlässen und Bedingungen erzieherischer Gewalt suchen und die damaligen Gegebenheiten aus allen Perspektiven systematisch beleuchten will. Den Verantwortlichen kommt es dabei darauf an, „sich kritisch mit der eigenen, selbst verantworteten Praxis gegenüber Menschen mit Behinderung nach Kriegsende auseinanderzusetzen“, wie Dr. HansMartin Brüll (links) von der Stabstelle Ethik der Stiftung Liebenau erläutert, und damit einer „ernsthaften Aufarbeitung der Heimerziehung“ in jener Zeit gerecht zu werden sowie begangenes Unrecht öffentlich zu machen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit sollen dazu dienen, aus der Vergangenheit Schlüsse für den heutigen Umgang mit Gewalt zu ziehen und diese für den erzieherischen Alltag fruchtbar zu machen. Ergebnisse aus dem Forschungsgremium sollen im kommenden Jahr im Rahmen eines Fachtages präsentiert werden. Mit im Team Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann (Mitte) und Dr. Constanze Störk-Biber (rechts), Institunt für angewandte Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule in Stuttgart. Foto: Oschwald Wangen/Meckenbeuren Protestaktion für Gleichstellung Im Rahmen des Tags der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung fanden auch in der St. Gallus-Hilfe Aktionen statt: Werkstattund Heimbeiräte gingen in Meckenbeuren auf die Straße und diskutierten mit Bürgermeister Andreas Schmid (Foto). Auf dem Kirchplatz informierten sie über menschengemachte Barrieren im Alltag, luden zum Quiz durch ihre Welt ein. Sie besuchten die Geschäfte und Einrichtungen rund um den Kirchplatz, verteilten Informationsmaterial und verschenken Luftballons im Kindergarten. In Wangen las die Journalistin und Autorin Liane von Droste zusammen mit Lesepartnern aus ihrem Buch „Neele ist da geblieben“. Darin beschreibt sie einfühlsam Menschen, die anders sind. Nicht alle Menschen in diesem Buch sind im klassischen Sinn „behindert“. Alle aber werden behindert - von unüberwindlichen Stufen, Vorurteilen, von zu kleinen Buchstaben oder von Menschen, die über die Kosten für die Rollstuhlreparatur, einen Platz im Kindergarten oder den Neigungswinkel einer Rampe zu entscheiden haben. Der europaweite Tag für weniger Barrieren im Alltag wird unterstützt von „Aktion Mensch“. Mit Veranstaltungen rund um den 5. Mai wird die Umsetzung der UN-Konvention eingefordert: das Recht von Menschen mit Behinderung auf barrierefreie Gebäude und Verkehrsmittel, auf Kommunikation und Information in leichter Sprache. 6 Stiftung Liebenau Tiefe Spuren hinterlassen Dieter Worrings mit Ehrennadel der Stiftung Liebenau ausgezeichnet Stiftung Liebenau, Aufsichtsräte, ehemalige Vorstän- von Felix Kästle de, weitere Geistliche sowie leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Liebenau. Zur Ehrung geladen waren auch langjährige MinisLIEBENAU – Für seine Lebensleistung hat die Stiftung Liebenau das tranten und Kommunionhelfer, die Pfarrer Worrings langjährige ehemalige Vorstandsmitglied und den ehemaligen Vorsitzen- auf seinem Weg in der Stiftung Liebenau begleitet den der Ethikkommission, Pfarrer Dieter Worrings, mit ihrer Ehrennadel und viele Gottesdienste mitgestaltet hatten. „Dieter ausgezeichnet. Zwölf Jahre, von 1996 bis 2008, gehörte Worrings dem Worrings hat die Menschen stets ernst und sich für Vorstand der Stiftung Liebenau an. In dieser Zeit hat der Seelsorger tiefe den Einzelnen Zeit genommen“, würdigte Broll des- Spuren hinterlassen. sen vorbildlichen Umgang mit den Frauen und Männern in der Stiftung Liebenau. Und noch heute, drei Jahre nach seiner Pensionierung, sei Worrings der Als Vorsitzender der Ethikkommission war Pfarrer Stiftung eng verbunden. Worrings an der Verfassung wichtiger Stellungnah- Pfarrer Dieter Worrings ist Vorsitzender des Förder- men zu grundsätzlichen ethischen Fragen beteiligt, vereins der St. Gallus-Hilfe, er unterstützt das Bulga- die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren risch-Deutsche Sozialwerk St. Andreas als Beirat und hätten, betonte Vorstand Dr. Berthold Broll vor rund ist nach wie vor in der Seelsorge tätig. hundert geladenen Gästen bei der Verleihung der Zum 18. Mal seit dem Jahr 2002 hat die Stiftung Lie- Ehrennadel im Schloss Liebenau. Unter den Gästen benau ihre Ehrennadel zur Würdigung besonderer befanden sich zahlreiche Ehrenzeichenträger der Leistungen vergeben. Sichtlich erfreut über die Ehrennadel der Stiftung Liebenau sprach Pfarrer Dieter Worrings zu den Gästen. Foto: Kästle Stiftung Liebenau 7 Langjährige Mitarbeiter geehrt LIEBENAU – Mit verschiedenen Veranstaltungen ehrten die Entscheidungsfreude, Engagement und auch die vielen Stiftung Liebenau und ihre Gesellschaften die langjährigen kleinen Handgriffe der verdienten Mitarbeiter. „Durch diese Mitarbeiter. Prälat Michael H. F. Brock (Vorstand der Stif- Feier wollen wir deutlich machen, dass hinter allem, was tung Liebenau) würdigte Kreativität, Treue, Teamgeist, hier bei uns geschieht, ein Mensch steht, dem wir danken.“ Die Jubilare der Stiftung Liebenau „Wir zählen beim Jubiläum nicht die nackte Jahreszahl, sie allein ist kein Qualitätsmerkmal. Vielmehr soll gefeiert werden, was sich hinter den Zahlen verbirgt. Und das tun wir mit Freude und großer Wertschätzung.“ Die Jubilare des Berufsbildungswerks Adolf Aich Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau „Mitarbeiter sind der größte Schatz, worauf ein Unternehmen bauen kann.“ Albert Erb, Leiter der BBW-eigenen Josef-Wilhelm-Schule 10 Jahre: Marianne Seeger, Anita Zacher, Matthias Schyra, Sonja Schäfer 15 Jahre: Hubert Elbs, Susanne Nahrmann, Helga Raible, Elisabeth Schneider, Annette Staiber, Pfarrer Dieter Worrings, 20 Jahre: Wolf-Peter Bischoff, Bernhard Deiß, Andreas Hiemer, Kurt Metzger 25 Jahre: Tilmann Wetzel 10 Jahre: Heiko Beermüller, Matthias Braun, Anneliese Domberg, Tanja Flechsler, Monika Gaiser, Milena Licul, Armin Stieler, Dolores Garcia Tafel, Jutta Uhlhaas, Mathias Wätzig, Pamela Weiß 20 Jahre: Ursula Baldauf, Roswitha Egger, Sonja Götz, Jutta Kubitscheck, Andre Münchow, Ursula Weißgerber 25 Jahre: Lothar Achenbach, Hans-Jürgen Gregor, Hilde Kienle 30 Jahre: Andrea Beck, Rainer Goetz, Thomas Höschele, Erwin Koch, Lutz Nischelwitzer, Gerhard Riek, Hubert Rieser, Erika Truckenmüller, Marlies Unterberger, Klaus Wohlhüter Die Jubilare der Liebenau Service GmbH 10 Jahre: Diane Bail-Hermeneit, Jacqueline Brückner, Irene Kienle, Christa Lemm, Sabine Maucher, Kerstin Maxa, Angelika Schneck, Stefanie Trump, Oliver Tschismarov, Benjamin Utz, Renate Vonbach, Lucia Wank, Carolin Wilbold, Valentina Wolf, Dorothea Zuber 20 Jahre: Martha Giray, Uwe Lang 25 Jahre: Amara Keck, Tanja Stöckler 30 Jahre: Siglinde Amerein, Beate Amma, Erika Autenrieth, Sylvia Ziege 35 Jahre: Cornelia Kaupp, Marianne Maier, Klaus Reinecke 40 Jahre: Roland Zentgraf 45 Jahre: Elisabeth Mayr 8 Stiftung Liebenau „Sie geben der LiSe ein Gesicht und haben wesentlich zur Entwicklung unserer Gesellschaft beigetragen.“ Frank Moscherosch, Geschäftsführer Liebenau Service GmbH Die Jubilare der St. Gallus-Hilfe „Dankbar kann man sein, in einer Gesellschaft zu leben, die diese Art von sozialer Hilfe möglich macht. Dass es so ist, wie es ist, hat auch viel mit Ihrer Arbeit zu tun. Sie gestalten Gesellschaft mit.“ Jörg Munk, Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe. 20 Jahre: Waltraud Baur-Viertel, Sylvie Besnard, Emilia Bohl, Joachim Bucher, Thomas Bürkle, Heiderose Bürkle, Sylvia Christberger, Sonja Czerwinski-Ritzer, Irmgard Demmler, Hildegard Feil, Irene Figilister, Olaf Fischer, Christina Gaupp, Carla Gitschier, Richard Gorski, Annette Gostner, Grazyna Gradzka, Susanne Hartleb, Martina Hengge, Petra Hillebrand, Heidrun Homeister, Necmiye Kalyoncu, Uwe Keßler, Heinz Lechleitner, Danuta Marczak, Andjelka Oschmann, Matthias Rueckgauer, Brigitte Sauter-Notheis, Anatoli Schepeta, Bernhard Schrapp, Gerlinde Schuster, Sylvia Unseld, Gerlinde Walka, Christine Weber, Irmgard Wimmer, Markus Wursthorn 25 Jahre: Barbara Ackermann, Armin Büchele-Gerster, Melanie Fisel, Vera Föhr, Bernd Klee, Petra Menner-Knörle, Rita Nell, Die Jubilare der St. Lukas-Klinik 10 Jahre: Fehmi Akin, Walter Beyrle, Ivana Czogalla, Jasmin Danckert, Mareike Hundt, Nicola Kager-Hägele, Angela Kuckertz, Jerica Nedic, Gabriele Pitzmann, Sabine Schampel, Paul Schmidtgal, Oliver Sturm, Bettina Schorr 20 Jahre: Helga Brummert, Rita Boy, Sonja Fedhila, Peter Fröhlich, Ellen Hirschle, Angela Jonat, Hans Kittler, Angelika Krämer, Dr. Wolfgang Joh. Luger, Sibylle Müller, Daniel Mutzhaus, Markus Oberhofer, Margot Pietsch, Helge Rozanowske, Marion Willbold, Iris Seelhorst, Marion Stoll, Ulrike Straub, Simone Zeller 25 Jahre: Stefan Bartl, Armin Binder, Dr. Dorothea Ehrmann, Gabriele Horcher-Koch, Christiane Müller, Reinhilde Reger, Ursula Schönegg, Christina Sonntag, Daniela Wengert, Michael Wilson 30 Jahre: Susanne Brandmeier 35 Jahre: Ute Baganz Rita Nußbaum, Walter Reichenberger, Andrea Sauter-Martin, Elke Schätzle, Brigitte Schmatz, Heinz Silbereis, Roland Steinbeck, Sybille Zenker 30 Jahre: Lucia Adam, Gisela Burkhardt, Margarete Crönert, Sylvia Daiber, Barbara Deiringer, Theresia Horcher-Tradowsky, Monika Kästle, Christel Kurella, Ingeborg Noll, Bruno Ott, Margarete Pfister, Ulrich Schleicher, Ferdinand Schwarzer, Thomas Vetter, Helmut Zeiler 35 Jahre: Sonja Abt, Anna Beck, Reinhard Donau, Ursula Frenzel, Franz Gitschier, Caroline Janezic, Angelika Lukes, Ingrid Renz, Rita Rothmund 40 Jahre: Brigitte Baur „Danke dafür, dass sie aktiv dem Anliegen der St. Lukas-Klinik treu geblieben sind, sich engagiert für die Belange, Bedürfnisse und die persönliche Entwicklung von Menschen mit Behinderung einzusetzen.“ Werner Klinger, Prokurist und Heimleiter der St. Lukas-Klinik Stiftung Liebenau 9 Immobilienverrentung mit Zukunft „ZustifterRente“ bietet lebenslanges Wohnrecht von Susanne Droste-Gräff nen Haus zu wohnen. Je nach Vereinbarung erhalten die Verkäufer eine lebenslange oder befristete monatliche Zahlung. Gegebenenfalls werden notwendige Reparaturen und größere Instandhaltungen von LIEBENAU – Die Stiftung Liebenau hat für ihr Konzept der Immobili- der Stiftung Liebenau getragen. enverrentung für Senioren eine Auszeichnung erhalten: Sie gehört mit „Der Clou aber, und das ist bei vielen unserer Zustif- ihrer „ZustifterRente“ zu den Preisträgern im Wettbewerb „365 Orte im ter auch einer der ausschlaggebenden Gründe, uns Land der Ideen“, der von der Bundesregierung in Kooperation mit der ihre Immobilie zu verkaufen, ist, dass ein möglicher deutschen Wirtschaft ausgelobt wird. Jährlich werden 365 herausragende Ertrag aus der Immobilie langfristig einem gemein- Projekte und Ideen, die einen nachhaltigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit nützigen Zweck zugutekommt. Denn was zu Lebzei- Deutschlands leisten, prämiert. ten von der Altersvorsorge nicht verbraucht wird und auch nicht in die Erbmasse einfließen soll, wird den gemeinnützigen Zwecken der Stiftung Liebenau 10 „Wir freuen uns, dass unserer ZustifterRente mit der gewidmet“, erläutert Christoph Sedlmeier, Entwickler Auszeichnung diese Innovationskraft bescheinigt der ZustifterRente und Verantwortlicher für die Ver- wurde“, so die Reaktion von Vorstand Dr. Markus marktung. Nachbaur. „Nach zaghaften Anfängen hat sich rasch Seit Anfang der ZustifterRente vor etwa sieben Jah- herausgestellt, dass wir ein Angebot entwickelt ren haben bundesweit fast 50 Eigenheimbesitzer ihr haben, welches sich bundesweit gut etabliert hat und Haus auf diese Weise verkauft. „Nach steigender ebenso gut nachgefragt ist. Sowohl die Senioren als Resonanz in Presse und Fernsehen sind die Anfragen auch die Stiftung Liebenau profitieren von der in vergangener Zeit rasant gestiegen. Immer mehr ZustifterRente.“ Menschen müssen sehen, wie sie ihr Alter gut absi- Die ZustifterRente ist im Grunde ein Modell der chern“, stellt Sedlmeier fest. Die Vereinbarungen Altersversorgung. Sie basiert darauf, dass Eigenheim- rund um den Verkauf der Immobilie sind sehr indivi- besitzer, die möglichst lange in ihrem eigenen Haus duell und können an die Lebenssituation der Verkäu- wohnen möchten, dieses gegen eine laufende Zah- fer angepasst werden. Auch deswegen freut sich lung und die Einräumung eines dinglich gesicherten Sedlmeier, bisher nur zufriedene Partner zu beglei- lebenslangen Wohnrechtes an die Stiftung Liebenau ten. Der berufliche Hintergrund und die finanzielle verkaufen. Oft ist im Rentenalter aus den verschie- Situation der Zustifter seien ganz verschieden. Sedl- densten Gründen der bisherige Lebensstandard in meier: „Vom ehemaligen Postbeamten bis hin zum Gefahr. Unter Umständen wären ein Verkauf und Saal-Chef im Spielcasino sind viele Berufssparten damit in der Regel auch das Verlassen des gewohnten dabei. Auch für viele Selbstständige, deren Alters- Lebensumfeldes eine notwendige Folge. Die Zustifter- versorgung Lücken aufweist, ist die ZustifterRente Rente ermöglicht es nun, mietfrei weiterhin im eige- sehr interessant“. Stiftung Liebenau „Wir bieten Hilfen im Gefahrenbereich“ Warum „Frühe Hilfen“ so wichtig sind Die Fragen stellte Helga Raible Familien oder Familien mit schwerkranken und sterbenden Kindern begleiten, durch Fachkräfte, die als „Fallmanager“ mit den Familien zusammen die nötigen professionellen Hilfen organisieren. Durch Frei- LIEBENAU – Seit zwei Jahren wirbt die Stiftung Liebenau intensiv um zeitangebote, die Kindern aus diesen Familien unbe- Spenden für ihren Kinder- und Jugendhilfebereich. Über Hintergründe schwertes Spielen ermöglichen. Und was mit das und Bedarf sprachen wir mit Christoph Gräf, Koordinator des Liebenauer Wichtigste ist, sie geben die Gewissheit: „Es ist Netzwerks Famlie. jemand für uns da.“ Dieser Rückhalt gibt viel Kraft für den oft schweren Alltag. Herr Gräf, für welche Projekte sind Spenden Können Sie den Bedarf beziffern? besonders wichtig? Zwischen Überlingen und Isny kommen pro Jahr 40 Unsere finanziellen „Sorgenkinder“ sind vor allem Kinder extrem früh zu Welt und brauchen nach die „Frühen Hilfen“. Das sind niedrigschwellige einem oft langen Klinikaufenthalt zuhause noch eine Angebote zur Beratung und Begleitung von Familien längere Zeit Pflege. 40 von 4 000. Ebenfalls 40 Kin- in belastenden Lebenssituationen: das Projekt Well- der kommen mit einer geistigen Behinderung zur come, die sozialmedizinische Nachsorge, die famili- Welt. 100 Kinder und ihre Familien müssen damit enunterstützenden Dienste der Eingliederungshilfe, zurechtkommen, dass sie lebensbedrohlich erkrankt die Angebote für Geschwisterkinder oder der ambu- sind. 100 von 100 000. 20 von ihnen wissen, dass sie lante Kinderhospizdienst. bald sterben werden. Es sind wenige Betroffene, gemessen an der Anzahl Wer nimmt diese Hilfen in Anspruch? der Bevölkerung. Im Landkreis Ravensburg leben 33 Prinzipiell kann jede Familie in eine Überforderungs- Minderjährige auf einem Quadratkilometer. In Stutt- situation kommen. Die Familie, deren Kind mit einer gart sind es 430. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wie nicht behandelbaren Epilepsie und einer Lebenser- erreicht das Hilfsangebot die Betroffenen, und mit wartung von ein paar Wochen zur Welt kommt, die welchem Aufwand kommt die Hilfe zur Familie? Wie Eltern, deren Kind an Leukämie erkrankt, die Eltern, organisiert man diese Hilfen und wie finanziert man deren Kind mehrere Wochen zu früh zur Welt kommt sie? und das lange mit hohen gesundheitlichen Risiken leben muss. Es trifft Eltern mit einer tragfähigen Stichwort Finanzierung: Gibt es für solche Hilfen Beziehung und gutem familiären Rückhalt und keine sozialrechtlichen Leistungen? Alleinerziehende, Eltern mit und ohne Migrations- In der Nachsorge und der Hospizarbeit haben die hintergrund. Und es trifft Eltern, die darüber hinaus Kranken- und Pflegekassen Pflichtaufgaben. Diese in prekären Verhältnissen leben, weil sie selbst früh Leistungen decken aber nur einen Teil der Kosten. aus der Bahn geworfen wurden. Die Welt steht für sie Andere Hilfen setzen zu einem Zeitpunkt ein, zu alle aus heiterem Himmel Kopf. dem es noch keine eindeutigen Ansprüche innerhalb der Sozialleistungssysteme gibt. Man könnte diesen Wie helfen diese „Frühen Hilfen“ konkret? Zeitpunkt den „Gefahrenbereich“ nennen, in dem Sie bieten Sicherheit – auf ganz verschiedene Weise. sich Krisen erst anbahnen. Unser Leistungssystem, Durch den Einsatz von Ehrenamtlichen, die junge im Gesundheitswesen ebenso wie in der Kinder- und Stiftung Liebenau 11 Jugendhilfe oder Eingliederungshilfe, greift aber in vielen Fällen erst, wenn das Kind „in den Brunnen Ihre Hilfe für die Frühen Hilfen gefallen“ ist. Deshalb fördert die Stiftung Liebenau Spendenkonto der Stiftung Liebenau viele Hilfen für belastete Familien aus eigenen Mit- Sparkasse Bodensee, Konto-Nr. 20 994 471 teln und mit Spendengeldern. BLZ 690 500 01, Stichwort „Frühe Hilfen“ Neue Spielgeräte fördern Begegnungen GISOTON spendet 3.000 Euro für Spielplatz Hegenberg von Helga Raible artige Ausgaben sind in den Tagessätzen nicht enthalten. Im Kinderdorf Hegenberg leben rund 100 Kinder und HEGENBERG - Die Firma Gisoton Wandsysteme (Aichstetten) unterstützt Jugendliche mit Behinderungen. Der Spielplatz ist mit einer Spende von 3.000 Euro den Spielplatz Hegenberg. Einen sym- das Herz von Hegenberg – ein echter Treffpunkt für bolischen Scheck überreichte Roland Teufel, Vertriebsleiter der Firma die Ortschaft. Auch die Kinder aus der Umgebung Gisoton Wandsysteme Baustoffwerke Gebhart & Söhne GmbH & Co. KG, an kommen gern auf den schön gelegenen Platz. Beim Dr. Berthold Broll, Vorstand der Stiftung Liebenau, und Christoph Gräf, gemeinsamen Spiel ist es völlig egal, ob mit oder Koordinator Liebenauer Netzwerk Familie. ohne Behinderung – die Kinder finden zueinander, und unbehinderte Spielfreude ist täglich Realität. „Die großzügige Spende ist ein wichtiger Baustein für die Anschaffung einer Seilpyramide für unseren Spielplatz“, so Dr. Broll. „So ein Klettergerüst steht Für die Seilpyramide werden noch weitere ganz oben auf der Wunschliste der Kinder!“. Mit Spenden benötigt. Hilfe der Gisoton-Spende ist die Erfüllung des Spendenkonto: Stiftung Liebenau Wunsches ein Stück näher gerückt. Für die Deckung Sparkasse Bodensee, Konto: 20 994 471 der Anschaffungskosten ist die Stiftung Liebenau BLZ: 690 500 01, Stichwort: Spielplatz Hegenberg jedoch weiterhin auf Spenden angewiesen. Denn der- Bei der Scheckübergabe: (v.l.): Christoph Gräf (Koordinator Liebenauer Netzwerk Familie), Roland Teufel (Vertriebsleiter der Firma Gisoton), Dr. Berthold Broll (Vorstand der Stiftung Liebenau), Schüler und Lehrer der Sonderschule Don Bosco. Foto: Niethammer 12 Stiftung Liebenau Inklusion bedeutet mittendrin zu sein Amtschef des Sozialministeriums tauscht sich mit Bürgermeistern aus Betreuungsangebote auch verschiedene Förderricht- von Ulrich Dobler linien und einige ordnungsrechtliche Anforderungen angepasst werden müssten, um dem Inklusionsgedanken gerecht werden zu können. Nicht finanziert seien LIEBENAU – Das Thema Inklusion stand im Zentrum des Besuchs von auch die Mehrbelastungen für die Infrastruktur in der Ministerialdirektor Jürgen Lämmle (Ministerium für Arbeit- und Sozi- Übergangsphase. alordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg) in der Nach Ansicht der Bürgermeister aus verschiedenen Stiftung Liebenau. Mit dabei waren Bürgermeister aus den Kommunen, in Standortkommunen gibt es einige wesentliche denen die Stiftung Liebenau Dienste und Einrichtungen anbietet. Erfolgsfaktoren für das Gelingen eines Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Behinderung: Dazu gehört es, positive Beispiele öffentlich zu machen, Begegnungen bereits im Kindesalter zu ermöglichen und Freizeit- und Bildungsangebote für die Bürger Inklusion – der fachliche und politische Schlüsselbe- inklusiv zu gestalten. Die Nachfrage nach (sozialem) griff bei der Diskussion über die Weiterentwicklung Mietwohnungsraum, der im Zuge der Regionalisierung der Hilfen für Menschen mit Behinderung ist heute in von Wohnangeboten für Menschen mit Behinde- aller Munde. Für Menschen mit Behinderung bedeutet rungen steigen wird, sei eine Herausforderung, der Inklusion konkret, mitten drin in der Gesellschaft zu sich alle Beteiligten stellen müssten. Auch seitens leben, zu wohnen, zu arbeiten. Doch welche Heraus- des Landes müssten die Kommunen hierin weiter forderungen für Trägerorganisationen und Kommunen gestärkt werden, fasste Dr. Berthold Broll, Vorstand sind mit einer entsprechenden Ortsentwicklung ver- der Stiftung Liebenau, zusammen. bunden? Am Beispiel der Ortsentwicklung Rosenharz machte Sozialministerium moderiert Konversionsprozess Jörg Munk (Geschäftsführer der St. Gallus-Hilfe) klar, Ministerialdirektor Jürgen Lämmle betonte, dass die dass für diesen Prozess ein gemeinsames Verständnis Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung die aller beteiligten Akteure notwendig sei. Neben der weitere Umsetzung des Inklusionsgedankens und die sozialplanerischen Abstimmung zwischen Landkreis Konversionsthematik als wichtige landessozialpoli- und Kommune seien vor allem eine positive Grund- tische Ziele benannt hätte. Bis Ende des Jahres soll haltung kommunaler Verantwortlicher, eine möglichst eine erste Zielvereinbarung erarbeitet werden. Ange- barrierearme Gestaltung kommunaler Infrastruktur sichts der Herausforderungen für Träger und Kommu- sowie eine kommunale Entwicklungsplanung mit nen werde dies, wie jegliche politische Entscheidung, Partnerschaften im Gemeinwesen von zentraler Augenmaß erfordern. Bedeutung. Schutzräume für Menschen mit besonders In erster Linie müssen die Landkreise und die Kom- schweren körperlichen oder geistigen Einschrän- munen den Konversionsprozess steuern. Das Sozial- kungen müssten bei der Regionalisierung und Ambu- ministerium strebe in diesem Prozess jedoch eine lantisierung von Wohn- und Betreuungsangeboten zentrale Moderationsrolle an. Generell festzuhalten aber weiterhin bestehen bleiben, betonte Prälat sei, dass man von einer umfassenden inklusiven Michael H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau. Gesellschaft noch weit entfernt sei, auch wenn sich Stiftungsvorstand Dr. Markus Nachbaur wies zudem die Akteure in der Region bereits erfolgreich auf den darauf hin, dass bei der Gestaltung neuer Wohn- und Weg gemacht hätten. Stiftung Liebenau 13 „Kirche findet Stadt“ Gemeinsam für eine nachhaltige Stadtentwicklung lung bereits jetzt durch das Engagement der Kirchen von Christof Klaus unterstützt wird. Einer von solchen insgesamt 36 bundesweiten Referenzstandorten ist Meckenbeuren mit den dortigen „Lebensräumen für Jung und Alt“. LIEBENAU – Bürgergemeinde trifft auf Kirchengemeinde, Stadtentwick- Diese generationsübergreifenden Wohnprojekte der lungspolitik auf kirchliche Wohlfahrt: Bei dem ökumenischen Projekt Altenhilfe der Stiftung Liebenau stehen für eine „Kirche findet Stadt“ werden neue Ansätze einer Zusammenarbeit auf Kombination aus professioneller Gemeinwesenarbeit lokaler Ebene diskutiert. Als Referenzstandort mit dabei: die „Lebensräu- und gelebter Nachbarschaftshilfe mit enger lokaler me für Jung und Alt“ der St. Anna-Hilfe in Meckenbeuren. Vernetzung und Einbindung in das Quartier. Und dazu zählen neben Bürgerschaft oder Vereinen eben auch die kirchlichen Akteure. Durch die Arbeit ihrer Wohlfahrtsverbände und „Lebensräume“ als beispielhaftes Modell der örtlichen Kirchengemeinden tragen die beiden „Die Lebensräume-Projekte werden somit auch im großen christlichen Kirchen in Deutschland einen kirchlichen Raum als beispielhaftes Modell hervorge- großen Teil zur Gestaltung und Stabilisierung von hoben“, sagt Ulrich Kuhn von der Stabsstelle Sozial- Wohnquartieren und Dorfgemeinschaften bei. Doch politik der Stiftung Liebenau zur Aufnahme des welche konkrete Rolle spielen sie für die zivilgesell- Meckenbeurener Hauses in das KfS-Programm. So schaftliche Entwicklung? Wie und mit wem lassen gelten die Lebensräume für Jung und Alt mittlerwei- sich an den Schnittstellen kommunalen und kirch- le als wichtiger Impulsgeber für die soziale Gemein- lichen Handelns nachhaltige Strukturen in den deentwicklung. Erfahrungen aus der alltäglichen Pra- Stadtteilen aufbauen? Mit solchen Fragen beschäftigt xis, die Kuhn auch auf einer KfS-Veranstaltung im sich die Initiative „Kirche findet Stadt“ (KfS), ein Februar 2012 in Berlin vorstellte. Namhafte Teilneh- ökumenisches Kooperationsprojekt, das von katho- mer wie Ex-Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter lischer und evangelischer Kirche sowie ihren jewei- Steinmeier diskutierten über das Thema „Wie viel ligen Wohlfahrtsverbänden – Caritas und Diakonie – Kirche braucht die Stadt? Moderne Subsidiarität und getragen wird. die diakonische Dimension der Kirchen im Gemein- Anhand von Praxisbeispielen aus ganz Deutschland wesen“. soll dabei aufgezeigt werden, wie Stadtteilentwick- www.kirche-findet-stadt.de Die Lebensräume in Meckenbeuren gehören zu den 36 Referenzstandorten des ökumenischen Projekts „Kirche findet Stadt“. Foto: Kästle 14 Stiftung Liebenau Die Stiftung Liebenau ist nun auch offiziell „Partner der Feuerwehr“. Über diese Auszeichnung freuen sich die Feuerwehrmänner und Stiftungsmitarbeiter (v.l.n.r) Stefan Sprenger, Bernd Dannemann, Florian Müller, Michael Staiber, Thomas Rudert ebenso wie die Stiftungsvorstandsmitglieder (Mitte v.l.) Prälat Michael H. F. Brock, Dr. Markus Nachbaur und Dr. Berthold Broll. Foto: Oberhauser Treuer Partner der Feuerwehr Liebenauer Feuerwehrleute im Einsatz für die Gemeinde Eingang der Stiftung Liebenau, die unter dem Bei- von Christof Klaus sein mehrerer „Floriansjünger“ aus Liebenau und dem dreiköpfigen Stiftungsvorstand – Prälat Michael H. F. Brock, Dr. Berthold Broll und Dr. Markus NachLIEBENAU – „Einer für alle – alle für einen.“ Nach diesem Feuerwehrleit- baur – angebracht wurde. spruch engagieren sich seit vielen Jahren auch Menschen aus der Stiftung Neben Personal konnte die Feuerwehr im Laufe der Liebenau für die freiwilligen Einsatzkräfte ihrer Gemeinde. Jetzt wurde Jahre aber auch auf Sachressourcen zurückgreifen, die Einrichtung offiziell als „Partner der Feuerwehr“ ausgezeichnet. welche die Stiftung „großzügig und selbstverständlich zur Verfügung gestellt“ habe, so Gemeindekämmerer Simon Vallaster. „Zusammen mit der Gemeinde hält die Stiftung Lie- Stiftungsvorstand Dr. Nachbaur betonte ebenfalls die benau die Infrastruktur der Feuerwehr für die Men- „langjährige Freund- und Partnerschaft“ zwischen schen im Oberen Bezirk vor“, hatte Bürgermeister der Stiftung und der örtlichen Feuerwehr und ver- Andreas Schmid schon beim jüngsten Festakt zum sprach auch für die Zukunft, einen lebendigen Bei- 125-jährigen Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr trag aus Liebenau zur Unterstützung der lokalen Ein- Meckenbeuren diese aktive Zusammenarbeit gewür- satzkräfte zu leisten: „Wir wollen auch weiterhin digt. Als deren Zeichen ziert jetzt eine Plakette den alles für den Nachwuchs tun.“ Stiftung Liebenau 15 „Auf Wiedersehn!“ – Nach eineinhalb Stunden Erinnerungsarbeit singt Betreuungsassistentin Ingrid Längst mit den Teilnehmern jedes Mal ein Abschiedslied. Foto: Sabine Centner Hier ist immer was los Erinnerungsarbeit und Betreuungsangebote für Menschen mit Demenz haarige Frau am Tisch wiederum erinnert sich an ihre von Sabine Centner Zeit in der Glasfabrik: „Das war eine schwere Arbeit“. Als es darum geht, Sprichwörter zu ergänzen und Gedichte oder Verse aus dem Poesiealbum aufzusagen BAD WURZACH – Morgens um zehn ist die Welt in Ordnung. Zumindest – da wird rezitiert und erinnert, was das Langzeitge- für die Senioren im Stift zum Hl. Geist in Bad Wurzach, denn morgens dächtnis hergibt. um zehn kommt Ingrid Längst und macht Programm. Dann ist was los im Ruckzuck sind die eineinhalb Stunden Erinnerungs- Pflegeheim der Heilig Geist – Leben im Alter. Fünfmal die Woche, von arbeit vorbei. Am Nachmittag wartet das nächste Montag bis Freitag, gibt es regelmäßige Gruppenangebote, je einmal vor- Angebot. „Ja, es passiert wirklich viel“, sagt die und einmal nachmittags. gelernte Altenpflegerin zum Programm, das sie zusammen mit ihrer Kollegin Eva Madonia in einem festen Rhythmus für die Senioren gestaltet: Gymna- 16 Mittwochs um zehn steht Erinnerungsarbeit auf dem stik oder Sitztanz, Besuch des Wochenmarkts, Kegeln Plan. 15 Senioren, 13 Damen und zwei Herren, haben oder Ballspiele, religiöse Begleitung und Singen von bereits Platz genommen im Mexiko-Zimmer, „der Kirchenliedern, gemeinsames Aufräumen oder gemütlichsten Stube des Hauses“. Ingrid Längst Wäschesortieren am Nachmittag. „Die Bewohner wis- kennt sie alle, weiß um ihre Vorlieben und Abnei- sen, unter der Woche gibt es eine Struktur“, sagt gungen, kennt ihre Biografie und die gesundheit- Ingrid Längst. Und: „Man kann aus den Leuten so lichen Probleme, die bei fast allen mit der Diagnose viel herausholen, wenn sie etwas zu tun haben und Demenz zu tun haben. Weil aber auch diese Men- die Langeweile weg ist. Sie werden aufgeschlossener schen ein anderes Leben hinter sich haben, jung und und es gibt weniger Machtspielchen untereinander.“ gesund waren und ihren Alltag in Beruf und Familie Die Angebote sind unerschöpflich: Ob Wellness, Däm- bewältigt haben, tut es ihnen gut, wenn Erinne- merschoppen, Tanznachmittag oder Maiwanderung, rungen daran wach bleiben. ob Zirkus, Modenschau, Besuch auf dem Bauernhof „Was haben Sie früher gemacht, im Beruf?“, fragt oder Mitfeiern des Heilig-Blutfests – die Bewohner Ingrid Längst an diesem Morgen in die Runde und des Stifts zum Hl. Geist sollen teilhaben am Leben. bekommt so manche rasche Antwort: „Büroangestell- Dass sie dabei auch von ihrem Standort direkt neben te war ich und hab’ alles gemacht, was anfiel.“ „Ich dem Schloss in Bad Wurzach profitieren, freut Ingrid war in der Landwirtschaft und Hausfrau, hab’ d’ Stall Längst besonders: „Wir haben das Glück, dass wir g’macht und Mann und Kinder versorgt.“ Eine weiß- mittendrin sind!“ Altenhilfe „Miteinander, nicht nebeneinanderher leben“ Sven Kästle ist jüngster Bewohnerbeirat von Sabine Centner RAVENSBURG - „Das Aufwachsen hier war sehr behütet. Von der Wohnsituation wird man richtig verwöhnt.“ Wenn Sven Kästle auf seine Kindheit und Jugend im Mehrgenerationenhaus der St. Anna-Hilfe am Ravensburger Gänsbühl zurückschaut, dann fallen ihm viele Vorzüge ein: Das Leben mitten in der Stadt, die kurzen Wege zur Schule und zum Einkaufen, nette Nachbarn im Haus, der Spielplatz direkt vor der Tür. Vor allem aber dies: „Man lernt hier viele sozial wichtige Kompetenzen.“ Sven Kästle ist 19 Jahre alt und jüngster Bewohnerbeirat der 19 Jahre alt ist Sven Kästle heute und seit seinem Lebensräume für Jung und Alt Gänsbühl in Ravensburg. vierten Lebensjahr in den „Lebensräumen für Jung Foto: Centner und Alt“ am Gänsbühl daheim. 1997 ist er mit seiner Mutter und der älteren Schwester in die Lebensräume für Jung und Alt eingezogen, hat von dort aus Kin- und dem gleichberechtigt jeweils zwei Familien- und dergarten und Schule besucht und viele Freunde vier Bewohnerbeiräte angehören. „Ich empfinde uns gefunden. Im nächsten Frühjahr wird er sein Abitur als Team und kann deshalb auch manches abgeben“, am Wirtschaftsgymnasium schreiben, vielleicht ein sagt Susanne Weiss. Regelmäßig einmal pro Monat Auslandsjahr zwischenschalten und dann studieren. trifft man sich, wenn Vermietungen anstehen auch Ans Ausziehen aus der Herrenstraße 43 allerdings öfter. Für die Gemeinwesenarbeiterin ist der Bewoh- mag er derzeit noch gar nicht denken. nerbeirat „der Versuch, ein demokratisches Prinzip Er hat dort ja auch noch seine Verpflichtungen: Seit einzuführen“: „Wer mitmacht, hat die Möglichkeit, dem vergangenen Jahr ist Sven Kästle gewählter selbst etwas zu gestalten und bekommt nicht nur Bewohnerbeirat, der jüngste überhaupt. Eine Famili- etwas vorgesetzt.“ entradition gewissermaßen, denn auch seine Mutter Susanne Weiss weiß aber auch: „Die Richtung, in die hat sich in diesem Gremium engagiert. Bis zur Wahl man fährt, hängt immer von den beteiligten Per- 2011: „Da habe ich sie mit einer Stimme über- sonen ab.“ Über das jüngste Mitglied ihres Bewoh- trumpft.“ Seitdem also kümmert sich Sven Kästle um nerbeirats sagt sie anerkennend: „Sven ist sehr gut die Belange seiner Mitbewohner, entscheidet mit, sozialisiert.“ Schon als Kind habe er Aufgaben für wenn es um die Auswahl neuer Mieter geht, sucht die Hausgemeinschaft übernommen, etwa den Reini- nach Lösungen, wenn sich Konflikte auftun. Ein gungsdienst auf dem Spielplatz. Und heute ist es für Thema derzeit ist die Parksituation: Rund um die den jungen Mann absolut selbstverständlich, offen Wohnanlage gibt es Kindergärten, einen Hort und auf andere zuzugehen, ein Gespräch zu beginnen, viele parkende Autos – so viele, dass bisweilen Roll- sich für die Gemeinschaft zu engagieren oder zu hel- stuhlfahrer blockiert werden, wie Kästle sagt. fen, wenn jemand in einer Notlage ist. Gemeinwesenarbeiterin Susanne Weiss ist stolz auf „Das soziale Element in diesem Haus ist groß“, sagt die Bewohnervertretung am Gänsbühl. Seit 15 Jah- Sven Kästle. Kein Wunder, lautet doch das Motto in ren, also seit Fertigstellung der Lebensräume, gibt es der Anlage: „Miteinander, nicht nebeneinanderher dieses Gremium, das alle zwei Jahre gewählt wird leben.“ Altenhilfe 17 Bei den Fortbildungen machen die Ehrenamtlichen besondere Erfahrungen durch Selbstversuche, wie beim Lenken eines Rollstuhls. Foto: Oschwald Ein Mittag mit Aha-Erlebnissen Durchgängige Begleitung für Ehrenamtliche ihrer Familie oder begleiten samstags Freizeiten. von Anne Oschwald Einige haben schon längere Zeit Erfahrung, einige möchten ihr Ehrenamt starten. Bei der Fortbildung Anfang März ging es um den LIEBENAU – Wer sich ehrenamtlich bei der St. Gallus-Hilfe engagieren Umgang mit Nähe und Distanz, die Unterstützung möchte, erhält dauerhafte Begleitung sowie Fortbildungen, die nicht nur bei Mahlzeiten und den sicheren Umgang mit dem helfen, sich Wissen anzueignen, sondern auch den Dienst zu reflektieren. Rollstuhl. Eine der beiden Referentinnen der St. Gallus-Hilfe, Christine Türk, sensibilisierte die Teilnehmer dafür, dass es wichtig ist, genau hinzuhören, 18 Unsicher und unkoordiniert fahren die beiden Frauen wenn es um die Wünsche von Menschen mit Behin- in ihren Rollstühlen durch den Raum. Die Tür zu öff- derung geht. nen, ist für sie eine Herausforderung, die kleine Bedeutend sind auch die Ressourcen der Menschen Schwelle zu überwinden, ist harte Arbeit und die Tür mit Behinderung: Die Ehrenamtlichen sollen ihnen hinter sich zu schließen, fast nicht machbar. In den nicht alles abnehmen, sondern sie vielmehr aktivie- Gesichtern der Zuschauer steht Verunsicherung und ren und fördern. Die jüngste Teilnehmerin schilderte Ungläubigkeit geschrieben. Zum Glück handelt es ihre Erfahrungen: „Die Kinder können oft viel mehr, sich um einen Selbstversuch. als die Eltern meinen.“ Während die beiden Frauen ihre Rollstühle bedien- Referentin Ivonne Ciravolo übernahm den anderen ten, erfuhren sie selbst und ihre Zuschauer hautnah, Teil der Fortbildung. Sie vermittelte Inhalte rund um welchen Barrieren und Schwierigkeiten Menschen im Ernährung und Trinken. Ebenfalls in einem Versuch Rollstuhl ausgesetzt sind. Der Perspektivwechsel bei ließ sie die Anwesenden sich gegenseitig Wasser mit der Fortbildung für Ehrenamtliche bei fortbilden & dem Löffel reichen. Wer Essen reicht, kann dies entwickeln der Stiftung Liebenau sorgte für Aha- nicht ohne Kommunikation oder stehend machen, so Erlebnisse bei den neun Teilnehmerinnen und einem fanden die Ehrenamtlichen heraus. „Es ist demüti- Teilnehmer. gend und von oben herab.“ Dabei waren die meisten Anwesenden schon vertraut Die Teilnehmerinnen gaben durchweg positive Rück- im Umgang mit Menschen mit Behinderung und wis- meldungen zur Fortbildung. „Ich habe sehr viel sen, was es heißen kann, wenn zum Beispiel ein Kind Informationen erhalten, die mir so nicht bekannt behindert ist. Über den Familienunterstützenden waren“, meinte eine Ehrenamtliche, die seit zwei Dienst betreuen sie Kinder mit einer Behinderung in Jahren tätig ist. Menschen mit Behinderung Genussradeln auf Pedelecs Gallus-Werkstatt bietet Vermietungsservice aber nicht ermittelt werden. In Kooperation mit der von Anne Oschwald Region Waldburg, die ein Radwegenetz von 320 Kilometern bietet, vermietet die St. Gallus-Hilfe die Pedelecs. Sie erleichtern es, die hügelige Landschaft ROSENHARZ – Touren durch die hügelige Alpenvorlandschaft der Region zu erradeln. Kartenmaterial ist beim Gästeamt Wald- Waldburg werden seit Mitte April zum Genuss mit den Pedelecs, die von burg erhältlich. der St. Gallus-Hilfe in Rosenharz verliehen werden. Zur Infoveranstaltung „Das geht ja fast von alleine“, meinte eine Frau beim kamen viele Interessierte, um die modernen elektrounterstützten Räder Anfahren. Zuvor erhielt sie eine Einführung von zu testen. Highlight war das Geschicklichkeitsfahren der beteiligten Albert-Jan Brunzema, dem Leiter der Gallus-Werk- Bürgermeister der Region Waldburg. statt Rosenharz. Bei schönstem Wetter und klarster Alpensicht erklärten er und seine Kollegen vielen Besuchern die Funktionsweise. Am Start waren die Bürgermeister, deren Gemeinden Pedelecs – alle mit tiefem Einstieg – können tage-, gemeinsam die Region Waldburg bilden: Clemens Moll wochenend- oder wochenweise gemietet werden. (Amtzell), Christof Frick (Bodnegg), Holger Lehr Vermietet werden auch Jugendräder. Helme, Kinder- (Grünkraut), und Peter Smigoc (Vogt). Anstelle von sitze und -anhänger gehören ebenfalls zur mietbaren Reimund Hausmann (Bürgermeister Schlier) und Ausrüstung. Mitarbeiter und Beschäftigte mit Behin- Michael Röger (Bürgermeister Waldburg) traten Jörg derung der Gallus-Werkstatt reinigen und warten die Munk (Geschäftsführer St. Gallus-Hilfe) und Stefan Gefährte und sorgen dafür, dass die Akkus vor Inbe- Fricker (Leiter Bereich Arbeit und Bildung St. Gallus- triebnahme vollständig aufgeladen sind. Als beson- Hilfe) in die Pedale. Mit viel Spaß drehten die Wett- deren Service bieten sie gegen eine zusätzliche streiter ihre Runden. Ein eindeutiger Sieger konnte Gebühr die Zustellung und die Abholung. Die Bürgermeister der Region Waldburg beim Start zum Pedelec-Verleih (v.l.n.r.): Clemens Moll (Amtzell), Peter Smigoc (Vogt), Holger Lehr (Grünkraut) und Christof Frick (Bodnegg). Links: Albert-Jan Brunzema, Werkstattleiter in Rosenharz.Foto: Oschwald Menschen mit Behinderung 19 Sag mir erst wie alt du bist … Fachtagung der Stiftug Liebenau von Anne Oschwald und Christof Klaus LIEBENAU – „Der Mensch steht in Gefahr unterzugehen, die Splitter scheinen bedrohlich, spitz, nicht angenehm, gar verletzend“, interpretierte Prälat Michael H. F. Brock (Vorstand der Stiftung Liebenau) das Titelbild der Einladung für den Fachtag der Stiftung Liebenau Ende März. Das Mädchen im Kapuzenpulli wirke wie hinter einem zerbrochenen Spiegel: auffällig und tieftraurig. „Wer gibt Halt?“ möchte der Betrachter wissen. Wie kann Erziehung, die in einem solchen Fall scheinbar an Grenzen stoße, überforderten Jugendlichen helfen? Wie könnte Hilfe aussehen, um eine demütigende Ausgrenzung zu verhindern und Jugendliche zu eigenständigen Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen? Dem Thema des Fachtags „Identitätsentwicklung und -krisen bei jungen Menschen mit Intelligenzminderung“ stellten sich rund 100 Teilnehmer, darunter Fachleute der Stiftung Liebenau und ihrer Gesellschaften sowie externer Einrichtungen, aber auch Eltern von Kindern mit Behinderung. Zum Tagungsprogramm gehörten die wissenschaftlichen Referate von Prof. Dr. Andreas Lange (Hochschule Ravensburg-Weingarten) und Prof. Dr. Theo Klauß (Pädagogische Hochschule Heidelberg) ebenso wie sechs verschiedene Workshops – geleitet von Fachkräften aus verschiedenen Einrichtungen der Stiftung Liebenau – in denen diskutiert wurde und ein reger Austausch von Erfahrungen stattfand. Organisiert wurde der Tag von Christoph Gräf, dem Leiter des Liebenauer Netzwerks Familie, der auch als Moderator durch den Tag führte. Der Vortrag „Das Aufwachsen junger Menschen heute – Wie werde ich, der ich bin?“ (Lange) ist in seiner gesamten Länge im Internet zu finden unter www.stiftung-liebenau.de oder www.netzwerkfamilie.de 20 Menschen mit Behinderung „Was brauchen Kinder und Jugendliche, um gut ins anderem auch junge Menschen mit einer Autismus- Leben hineinzukommen?“ Geleitet von dieser Frage Spektrum-Störung ausgebildet werden. Gerade bei gab Moderator Christoph Gräf eine Zusammenfassung dieser Klientel spiele der Aufbau persönlicher Bin- der Arbeit in insgesamt sechs Fachforen, um noch ein- dungen zwischen Jugendlichen und ihren Betreuern, mal „den ganzen Blumenstrauß an Hilfen“ für junge Lehrern und Ausbildern eine bedeutende Rolle: „Eine Menschen mit Intelligenzminderung bei ihrer Identi- gute Beziehung ist das A und O“, so Dr. Thelemann. tätsentwicklung deutlich zu machen. Mit frühen Hil- Klar sei, dass dies einen hohen personellen Aufwand fen für Eltern und Kinder hatte sich das Forum „Wie erfordere: „Mit einem Betreuungsschlüssel von eins soll es jetzt weitergehen?“ auseinandergesetzt. Diese zu 20 ist das nicht möglich.“ Ob denn ein besserer müssten laut Katharina Kraft, Fachärztin für Kinder- Ausbau der Regelsysteme Sondereinrichtungen wie und Jugendmedizin in der St. Lukas-Klinik Liebenau, das BBW überflüssig machen könne? „Ein Wunsch- „so früh wie möglich“ einsetzen, idealerweise schon traum“, verwies Dr. Thelemann auf die tatsächlichen im Kleinkindalter „von null bis drei“ Jahren. Dabei Gegebenheiten. Zudem werde es immer genug Aus- spiele die Stärkung der Elternkompetenz eine große nahmen geben, wo dieser Weg nicht funktioniere: Rolle, zudem bedürfe es einer „sehr guten Vernetzung Menschen, die ganz besondere Hilfen benötigen und aller Beteiligten“, wie Kraft betonte. derart spezielle Bedarfe haben, „die allein durch das Unter dem Titel „Familie tut gut“ hatten die Mitar- Regelsystem nicht gelöst werden können.“ beiter der St. Gallus-Hilfe ihr Konzept des Betreuten Wohnens in Pflegefamilien vorgestellt. Für die Syste- Ruhe, Schutz und Rückzug mische Familientherapeutin Martina Metzler-Weissen- Ein Beispiel, wie junge Menschen auch in einer Son- rieder beinhalte dies auch inklusive Aspekte, da den dereinrichtung gut auf das „richtige“ Leben draußen jungen Menschen die Chance geboten werde, sich „in vorbereitet werden können, brachte Heilpädagoge einem normalen familiären Umfeld zu entwickeln.“ Stephan Becker aus seinem Workshop mit. Auf die an Dort – so die Heilpädagogin – erfahren die Kinder einen ehemaligen Heimbewohner gerichtete Frage, Struktur, Verlässlichkeit und Bindung, aber ebenso was ihm am meisten geholfen habe, habe dieser Autonomie. geantwortet: „Enge Regeln, enge Grenzen.“ So könnten befristete stationäre Hilfen den Jugend- Wie viel Inklusion ist möglich? lichen den nötigen Halt vermitteln und sie quasi Das Thema Inklusion stand auch im Mittelpunkt des „wieder auf den Boden zurück holen“. von der Koordinatorin des Integrationsfachdienstes, Konkrete Fallbeispiele diskutiert wurden auch im Doris Hog, geleiteten Forums. Profitieren Kinder mit Fachforum der St. Lukas-Klinik, das den Beitrag der Teilhabeerschwernissen vom Besuch von Regelkinder- Kinder- und Jugendpsychiatrie bei der Bewältigung garten und -schule? Braucht es hier überhaupt noch von Krisen beleuchtete. Auslöser für solche Situati- ein Sondersystem? Wohin ein Kind komme, sei „zual- onen seien oft zu hoch gesteckte Ziele, wie Stefan lererst die Entscheidung der Eltern“, meinte Hog, die Meir, Leitender Psychologe der Psychiatrischen Insti- selbst die Erfahrung gemacht habe: „Inklusion ist in tutsambulanz der St. Lukas-Klinik, erläuterte. Hier- vielen Kindergärten möglich“. Mit der unterstüt- bei könne die Psychiatrie – sei es ambulant oder zenden Arbeit von Fachkräften in den jeweiligen Ein- auch stationär – einen Platz für Rückzug und Ruhe richtungen sei es gleichwohl nicht getan. Denn: „Die bieten und die Betroffenen gegebenenfalls auch vor eigentliche Integrationsleistung findet im Alltag sich selbst schützen. statt.“ In Sachen schulische Inklusion sei man dagegen noch in den Anfängen, auch was die finanziellen Menschen nicht alleine lassen Ressourcen angehe: „Es gibt noch keine klaren Struk- Bei allen Hilfen – so das Schlusswort von Christoph turen.“ Gräf – gehe es letztendlich in erster Linie darum, Mit der Frage „Wie viel Spezielles braucht es noch, „die Menschen nicht alleine zu lassen“ und den wie viel Regelhaftes geht?“ wandte sich Christoph Betroffenen die Gewissheit zu geben, „dass es auch Gräf dann an Dr. Stefan Thelemann vom Berufsbil- in der Krise immer noch Systeme gibt, die für einen dungswerk Adolf Aich Ravensburg (BBW), wo unter da sind.“ Menschen mit Behinderung 21 Anita B. aus Lindau wird von den Ambulanten Diensten der St. Gallus-Hilfe im Alltag unterstützt. Das Persönliche Budget ermöglicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Foto: Wörner Als Mensch wahrgenommen werden Hilfemix ermöglicht Leben in den eigenen vier Wänden gen. „Das genieße ich sehr.“ Auch beim Einkauf von Claudia Wörner neuer Kleidung war Eva Sasse bereits behilflich. Nun freut sich Anita B. schon auf die wärmere Jahreszeit und gemeinsame Unternehmungen im Freien. LINDAU – Anita B.* ist körperlich stark eingeschränkt und lebt in ihren Im Rahmen des Persönlichen Budgets – ein Geldbe- eigenen vier Wänden in Lindau. Möglich ist dies durch einen Hilfemix, trag, mit dem sich Menschen mit Behinderung oder der auf ihre individuelle Situation abgestimmt ist. Mit im Boot sind die chronischer Erkrankung selbst Leistungen einkaufen Ambulanten Dienste der St. Gallus-Hilfe, die Sozialstation und das Deut- können – kommen ehrenamtlich Tätige für eine Auf- sche Rote Kreuz. wandsentschädigung weitere sieben Stunden pro Woche zu Anita B.. Ziel des Persönlichen Budgets ist, Die Frühlingssonne strahlt durch das Fenster, und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern. der Blick geht hinaus ins Grüne. So schön die Aus- „Es ist tatsächlich so – seit ich wieder mehr unter sicht vom Balkon auch ist, die Wohnung im ersten Leute komme, habe ich das Gefühl, am Leben teilzu- Stock ist für Anita B. alles andere als ideal, da sie sie nehmen“, so ihre Erfahrung. Anita B. hat vielfältige allein fast nicht mehr verlassen kann. Sie leidet seit Interessen und besucht gemeinsam mit den Ehren- zwölf Jahren unter Polyarthritis, einer entzündlichen amtlichen diverse Veranstaltungen, geht ins Kino Gelenkserkrankung. Wobei – die Worte leiden und oder auch mal ins Café. Über die Sozialstation erhält Krankheit hört Anita B. nicht gern. „Ich spreche viel sie Hilfe im Haushalt und bei der Körperpflege. lieber von Herausforderungen.“ Eine davon ist, das Außerdem kaufen Mitarbeiter des Deutschen Roten Leben in den eigenen vier Wänden mit entspre- Kreuzes mit Anita B. zusammen Lebensmittel ein chender Unterstützung zu meistern. „Das ist mir und können für spezielle Fahrten angefordert wer- sehr, sehr wichtig. Ich könnte mir nicht vorstellen, den. in einer stationären Einrichtung zu leben“, sagt die „Wichtig ist mir, dass ich als Mensch wahrgenom- 53-Jährige. men werde“, betont Anita B. Im Alltag wird sie oft Seit September 2011 wird Anita B. von den Ambu- genug an ihre Herausforderung erinnert. Die Schmer- lanten Diensten der St. Gallus-Hilfe in Lindau beglei- zen lassen sich nicht ignorieren. „Ich versuche, tet. Mitarbeiterin Eva Sasse kommt ein Mal pro jeden Tag neu anzunehmen und mich darüber zu Woche für drei Stunden zu ihr, um sie im Alltag zu freuen, dass ich da bin.“ Ein großer Lichtblick wäre unterstützen. „Wir kochen zum Beispiel gemeinsam eine barrierefreie, bezahlbare Wohnung im Erdge- ein Gericht, das ich alleine nicht zubereiten kann, da schoss. „Damit wäre mir unglaublich geholfen.“ ich die Karotten oder Kohlrabi nicht mehr schneiden kann“, erzählt Anita B. An manchen Tagen werde einfach nur geredet oder auch mal gemeinsam gesun- 22 Menschen mit Behinderung * Name von der Redaktion geändert Erfahrungen in der Wand helfen im Alltag Therapeutisches Klettern im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) von Claudia Wörner „Klettern erfordert eine hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem eigenem Körper und mit Gefühlen“, sagt Simone Krafcsik, die seit fünf Jahren die Kletter-AG im BBW-Wohnheim leitet. Die Gruppe RAVENSBURG – Klettern ist ein ganzheitliches Erlebnis und spricht fuhr regelmäßig in die Kletterhalle nach Friedrichs- Körper, Geist und Seele an. Jeder, der schon mal auf dem Gipfel eines hafen oder nutzte Gelegenheiten zum Klettern in der Berges stand, kennt dieses Gefühl. Im Berufsbildungswerk Adolf Aich Natur. Seit Oktober 2011 gibt es nun auch in der (BBW) hat das Therapeutische Klettern einen hohen Stellenwert. Die BBW-Turnhalle eine Kletterwand. „Gerade für unsere Erfahrung zeigt, dass ganz unterschiedliche Jugendliche für diesen Sport Jugendlichen ist dieser Sport wertvoll, da er Grenz- zu begeistern sind und dass das Klettern positive Auswirkungen auf ihren erfahrungen bietet, die sie in ihrer Freizeit immer Alltag hat. wieder suchen und brauchen“, weiß die Jugend- und Klettern macht Spaß, verleiht Körperbeherrschung und Gleichgewicht. Es dient auch der Überwindung von Ängsten und Unsicherheiten. Bildung 23 Heimerzieherin. Beim Klettern können sie sich aus- schiedlichsten Jugendlichen im Rahmen der Kletter- probieren und erzielen schnell Erfolgserlebnisse. Auf- AG miteinander zu Recht kommen. „Ich hatte sowohl merksamkeit, Konzentration und die Übernahme von Jugendliche mit ADHS, Autismus, Störung des Sozi- Verantwortung sind gefragt. alverhaltens oder Borderliner in der Gruppe.“ Alle Dies bestätigt Jens Boison, der das Klettern im Rah- seien im Rahmen einer Klettereinheit sehr gut mitei- men der Ergotherapie einsetzt. „Neben den moto- nander ausgekommen, konnten sich gegenseitig rischen Fähigkeiten wie Kraftausdauer, Körperbeherr- unterstützen und voneinander lernen. „Im anderen schung und Gleichgewicht geht es um das Überwin- Kontext verhalten sich die Jugendlichen oft völlig den von Unsicherheiten und Ängsten“, so Boison. anders, können ihre gewohnten Rollenmuster durch- Eine ganz wichtige Rolle spiele auch das Vertrauen. brechen und sich neu ausprobieren.“ Zum einen das Selbstvertrauen, aber auch das Ver- Wichtig ist beiden der Transfer in den Alltag. An trauen in die Person, die einen sichert. „Nicht erster Stelle nennt Jens Boison das gestärkte Selbst- umsonst spricht man von einer lebensverbindenden vertrauen als Basis für die Ausbildung. Schreiner- Seilschaft“, sagt der Ergotherapeut. Viel Wert legt er Azubi Benjamin Schenk kann das nur bestätigen: auf die anschließende Reflexion, wie sie in der Erleb- „Ich konnte meine Angst vor der Höhe überwinden. nispädagogik üblich ist: Wie fühle ich mich, was hat Außerdem lernt man im Team, den anderen zu ver- mir geholfen, was war hinderlich? trauen.“ Stefan Fischer, ebenfalls in der Ausbildung zum Schreiner, lernte an der Kletterwand eine Eigen- Senkrechtstarter und Sprücheklopfer schaft von sich kennen, die er in den Alltag übertra- Interessant und spannend sei die Arbeit mit den gen konnte. „Ich habe gemerkt, dass ich ehrgeizig Klettergruppen. „Ruhige Jugendliche entpuppen sich bin, nicht so schnell aufgebe und es schaffen will“, oft als Senkrechtstarter, und so manchem Sprüche- erzählt er. Außerdem nennen die beiden Jugend- klopfer geht auf dem Weg nach oben die Luft aus“, lichen übereinstimmend den Spaß, den sie bei dieser berichtet Jens Boison. Für Simone Krafcsik ist es Sportart haben. immer wieder beeindruckend, wie gut die unter- Teamgeist und Vertrauen beim Klettern lassen sich auch auf andere Bereiche übertragen. Mit Knoten für die Sicherheit kommt auch das handwerkliche Geschick nicht zu kurz. Fotos: Kästle 24 Bildung Fachlagerist und BBW-Absolvent Marcel Neumann beim Staplerfahren auf dem Leergutplatz der AL-Logistik GmbH in Isny. Foto: Butscher Zuerst Praktikum, dann Festanstellung BBW-Absolvent Marcel Neumann fährt den Stapler, be- und entlädt die LKWs. Bei von Elke Benicke Bedarf übernimmt Marcel Neumann auch gerne die Regie. Seine Probleme mit der Theorie habe er in der Praxis jedenfalls mehr als wett gemacht, sagt Stefan RAVENSBURG/ISNY – Drei Jahre sind es nun schon, die Marcel Neumann Sutter, Fuhrparkleiter und Ausbilder bei der AL- bei der AL-Logistik GmbH in Isny arbeitet – zunächst als Auszubildender Logistik , einem traditionsreichen Allgäuer Logistik- des Berufsbildungswerks Adolf Aich Ravensburg (BBW), seit September unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern, das sich auf vergangenen Jahres als ausgelernter Fachlagerist. Die Nähe zur Praxis, die Verteilung von Obst und Gemüse spezialisiert „das wirkliche Leben“, wie Marcel Neumann es nennt, hat dem heute hat. „Marcel Neumann ist ein wirklicher Praktiker, 23-Jährigen gut getan, hat ihn gefordert und gefördert. „Lehrjahre sind ein Mitarbeiter, der sich voll einbringt und dem keine Ehrenjahre“, bemerkt er und ist stolz, dass er sie gemeistert hat. keine Arbeit zu schmutzig ist. Wenn er so weitermacht, geht er einen guten Weg, dann stehen ihm viele Türen offen – intern wie extern.“ „Es freut mich, dass Marcel im Unternehmen und Zukunftspläne hat Marcel Neumann allerdings noch damit in der Gesellschaft Fuß gefasst hat“, sagt Klaus keine. Im Moment „passt alles“. Auch schätzt er Bussenius, Betriebsleiter für Wirtschaft und Verwal- sehr, dass sein Arbeitsplatz nur fünf Minuten von tung im BBW. Es freut ihn gleich doppelt: Zum einen, seiner Wohnung entfernt sei. Er weiß, wovon er weil er ihm vor drei Jahren die Praktikumsstelle bei redet: Als er nach einer abgebrochenen Ausbildung der AL-Logistik vermittelt und ihn zusammen mit zum Verkäufer seine Ausbildung zum Fachlageristen dem Bildungsbegleiter betreut hat, zum anderen, am BBW begann, fuhr er täglich zwei Stunden von weil eine solche Kontinuität heute nicht selbstver- Scheidegg nach Ravensburg und zurück – ein Leben ständlich sei. „Marcel hat seinen Platz gefunden, ist im Internat kam für ihn nicht in Frage. Dennoch ist der richtige Mann am richtigen Ort“, lobt Bussenius. Neumann überzeugt: „Ins BBW zu gehen, war der „Ich geh‘ halt arbeiten, fertig aus“, relativiert der richtige Weg, war mein Glück! Ich war betreut und junge Mann. gleichzeitig gefordert.“ Hinzu kommt, dass ihm sein Beruf „Spaß macht“, Zudem kümmert sich das BBW von Anfang an darum, und er sich mit den Kollegen gut versteht. In seinem dass möglichst jeder Auszubildende einen Prakti- Bereich, dem Leergutplatz der AL-Logistik, erledigt kumsplatz in der Nähe des jeweiligen Wohnortes der ausgebildete Fachlagerist alle Aufgaben gern: bekommt. Für Marcel Neumann klappte es zum zwei- Gemeinsam und im Wechsel mit den fünf Kollegen ten Lehrjahr bei der AL-Logistik – in räumlicher und dort kontrolliert und kommissioniert er das Leergut, auch in beruflicher Hinsicht. Bildung 25 Neuer Internetauftritt: Max-Gutknecht-Schule Ulm im Netz ULM – Seit 2011 ist die Max-Gutknecht-Schule des nahme (BvB) oder den weiteren schulischen Angebo- Berufsbildungswerks Adolf Aich (BBW) in Ulm als ten wie Stütz- und Förderunterricht? Aktuelle Mel- eigenständige Schule staatlich anerkannt – zuvor dungen, eine Bildergalerie sowie Infos über die war sie eine Außenstelle der Ravensburger Josef-Wil- Anmeldung samt Formularen zum Download runden helm-Schule. Nun präsentiert sich die unter einem die kompakte Internetpräsenz der Max-Gutknecht- Dach mit dem Regionalen Ausbildungszentrum (RAZ) Schule ab. Klicken Sie sich rein! und der St. Gallus-Hilfe in der „Schillerstraße 15“ untergebrachte Bildungseinrichtung auch im Internet mit einem eigenen Auftritt. Unter www.max-gutknecht-schule.de erfährt man alles Wissenswerte über die Ulmer Sonderberufs- und Sonderberufsfachschule: Welche Ausbildungsberufe werden dort begleitet, wie ist der Unterricht strukturiert, was verbirgt sich hinter dem Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf (VAB), der Berufsvorbereitenden Bildungsmaß- Weitere Informationen finden Sie unter: Stiftung Liebenau www.cafe-miteinander.de Dienstleister und Stiftungsbetriebe www.stiftung-liebenau.de www.fortbilden-entwickeln.de www.lise-gmbh.de www.christliche-hospizstiftung.de www.max-gutknecht-schule.de www.kochwerk-rv.de www.zustifterrente.de www.raz-ulm.de www.lbu-gmbh.com www.ifsb.rv.schule-bw.de www.lbu.ag Altenhilfe www.ligas-gmbh.de www.st.anna-hilfe.at Hilfe für Kinder und Jugendliche www.liebenauer-landleben.de www.altenhilfe-liebenau.de www.netzwerkfamilie.de www.liebenauer-brennholz.de www.pflegeheim-helios.ch www.akrobat-hilft.de www.teamwork-kommunikation.de www.dorfplatz-sg.ch www.kinderhospiz-nikolaus.de www.liebenauer-brennholz.de www.casa.or.at www.kindernachsorge-rv.de www.kinderhospizdienst-amalie.de Hilfe für Menschen mit Behinderung www.st.gallus-hilfe.de www.schloss-badwurzach.de www.bulgarisch-deutsches-sozialwerk.de www.christliches-sozialwerk-ggmbh.de Gesundheit www.bruesseler-kreis.de www.don-bosco-schule.de www.st.lukas-klinik.de www.netzwerk-song.de www.kjp-bernsteinstrasse.de www.stiftung-heilig-geist.de Bildung www.bbw-rv.de www.bbw-produkte.de 26 Sonstige Tätigkeiten WWW www.wellcome-online.de Bildung Erinnerung an die wichtigen Dinge Vorlesestunde zum Tag der Kinderhospizarbeit im Medienhaus am See von Claudia Wörner FRIEDRICHSHAFEN – Zum bundesweiten Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar las Lesementorin Jeanette Schild-Rauch im Friedrichshafener Medienhaus am See für Kinder ab fünf Jahren das Bilderbuch „Die wichtigen Dinge“ von Peter Carnavas. Bei der anschließenden Bastelaktion wurde sie von Christiane Röhner unterstützt. Sie ist Koordinatorin beim Ambulanten Kinderhospizdienst AMALIE, eine Kooperation des Malteser Hilfsdienstes und der Stiftung Liebenau. W Gemütlich sitzen die Kinder auf runden Kissen im Kreis im „Ausguck“ des Friedrichshafener Medienhauses und lauschen aufmerksam der Geschichte von Im Anschluss an die Lesung bastelten die Kinder zusammen Christopher und seiner Mama. Sie muss alles alleine mit Lesementorin Jeanette Schild-Rauch (rechts) und Chris- machen, weil Papa nicht mehr da ist. Irgendwann tiane Röhner vom Ambulanten Kinderhospizdienst AMALIE packt sie Papas alte Sachen in eine Kiste, um sie auf ihre eigene Erinnerungskiste. Foto: Wörner den Trödelmarkt zu bringen. Aber wie durch ein Wunder taucht ein Stück nach dem anderen wieder auf: die Kaffeetasse mit dem Sprung, alte Schuhe, Landkreis Ravensburg unterstützt der Kinderhospiz- ein grüner Schlapphut und sogar das Glas mit dem dienst Familien, in denen ein Kind lebensbegrenzt Goldfisch. „Ich wollte mich erinnern“, sagt Christo- erkrankt oder ein Elternteil gestorben ist. pher, der die Sachen heimlich wieder nach Hause Bei der Arbeit von AMALIE gehe es weniger darum, holte. „Und ich wollte vergessen“, meint die Mama. Fragen nach dem Warum in der belastenden Situati- Die Kinder nahmen es mit großer Selbstverständlich- on zu beantworten oder ausschließlich das schwerst- keit hin, dass Christophers Papa nicht mehr da ist, kranke Kind zu begleiten. Es sind oft die ganz alltäg- und es leuchtete ihnen ein, wie wichtig die Erinne- lichen Dinge, für die den Eltern die Zeit oder die rung ist. Gern bastelten sie sich eine Erinnerungskiste. Kraft fehlen. „Lachen und Freude haben trotz allem Lesementorin Jeanette Schild-Rauch und AMALIE- Leid Platz in den Familien“, weiß Christiane Röhner. Koordinatorin Christiane Röhner unterstützten die Kinder bei der Auswahl von bunten Federchen, kuscheligem Pelzstoff, Treibholzstückchen, bunten Glitzersteinchen, Muscheln und Wolle. Eifrig beklebten sie ihre Kistchen mit dem Material, das das Friedrichshafener Spielehaus zur Verfügung gestellt hat. Für die Familien ist der Kinderhospizdienst kostenlos. Deshalb ist AMALIE auf Spenden ange- Umgang mit einem Tabuthema wiesen: Stiftung Liebenau, Sparkasse Bodensee, Den deutschlandweiten Tag der Kinderhospizarbeit Konto 20 994 471, Bankleitzahl 690 500 01, nahm auch AMALIE zum Anlass, die Arbeit der Stichwort: AMALIE. Öffentlichkeit vorzustellen. Im Bodenseekreis und im Kinder und Jugend 27 Auf großes Interesse stieß die Fachtagung zur Stärkung der Geschwister von chronisch kranken oder behinderten Kindern. Foto: privat Prävention durch bedarfsgerechte Projekte 2. Fachtagung „Gemeinsam für Geschwister“ setzt neue Impulse Privatdozent Dr. Michael Kusch, Leiter des Instituts von Anne Oschwald für Gesundheitsförderung und Versorgungsforschung Bochum, stellte das Früherkennungsinstrument LARES vor. Mit Hilfe der LARES-Fragebogen kann die NÜRNBERG – Auf der größten deutschen Fachtagung „Zugänge, Inhalte individuelle Belastung und der Leidensgrad des und Methoden in der Arbeit mit Geschwisterkindern“ am 16. und 17. jeweiligen Geschwisterkindes ermittelt werden. „Das März in Nürnberg tauschten sich Wissenschaftler und Praktiker aus dem Verfahren wurde in einer Studie mit 141 Eltern-Kind- Medizin- und Sozialbereich über die Begleitung von Geschwistern chro- Paaren geprüft und ist so konzipiert, dass anhand nisch kranker oder behinderter Kinder aus. Eingeladen hatten im Namen der Befragungsergebnisse gezielte Beratung und wei- der Initiative FamilienBande das Institut für Sozialmedizin in der Pä- tergehende Hilfen angeboten werden können“, diatrie Augsburg (ISPA) sowie die Stiftung Liebenau. Auch im zweiten erläuterte Kusch. Derzeit wird LARES Fachkräften aus Jahr zog diese Veranstaltung wieder über 100 Experten aus Deutschland, dem medizinischen Bereich sowie dem Sozialbereich Österreich und der Schweiz an. vorgestellt. Es besteht zudem für Fachkräfte die Möglichkeit, über die Homepage der Initiative (www.initiative-familienbande.de) den Fragebo- Aus wissenschaftlicher Perspektive erläuterte Prof. gen auszufüllen und auswerten zu lassen. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff vom Zentrum für Kinder- 28 und Jugendforschung der Hochschule Freiburg die Angebot „Geschwisterzeit“ Thematik der Resilienz, also der seelischen Wider- Die Stiftung Liebenau bietet zusammen mit den Ko- standskraft bei Kindern mit besonderen Belastungen: operationspartnern St. Jakobus Behindertenhilfe in „Gute Problemlösekompetenzen und Selbststeue- Zußdorf und der Schule für Blinde und Sehbehinder- rungsfähigkeiten spielen eine Schlüsselrolle in der te in Baindt ein regelmäßiges Angebot für Geschwis- Bewältigung der Herausforderungen, denen ein terkinder an. Auf dem Programm stehen Veranstal- Geschwisterkind ausgesetzt ist.“ Die meisten gesun- tungen wie ein Hüttenwochenende, kreative und den Geschwisterkinder sind Studien zufolge in ihrer erlebnispädagogische Unternehmungen, Seminare zu Lebensqualität nicht beeinträchtigt. Ein Zustand, der speziellen Fragen und Anliegen der Geschwister- dennoch als fragil gilt und sich, abhängig von den kinder, Elternabende und ein Tag für die ganze Fami- individuellen Umständen, schnell ändern kann. Prä- lie. Da die Geschwisterzeit nicht von einer Regelfi- vention nimmt daher in der Geschwisterkinderarbeit nanzierung getragen wird und von den Eltern ledig- eine Schlüsselposition ein, um die Geschwisterkinder lich geringfügige Unkostenbeiträge verlangt werden, nachhaltig zu stärken. ist dieses Angebot auf Spenden angewiesen. Kinder und Jugend Arbeitsplätze optimal gestaltet Menschen mit Behinderung erhalten optimierte Arbeitstische teil ist die ergonomisch ideale Anpassung der von Johanna Wurm Arbeitsplätze an die Mitarbeiter. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Optimierung des Arbeitsablaufes. Die Beschäftigen werden zum Beispiel so aufgeteilt, LIEBENAU – Nach ausgiebiger Planungsphase sind sie nun im Einsatz: dass sie nur mit denjenigen zusammenarbeiten, mit die neuen Arbeitstische für die WfbM-Beschäftigten im Textilservice denen sie gut auskommen. So werden Konfliktsitua- der Liebenau Service GmbH (LiSe). Hier wird frisch gewaschene Wäsche tionen zu Gunsten einer deutlichen Reduktion des zusammengelegt und anschließend nach den einzelnen Wohngruppen der Geräuschpegels im Raum vermieden. St. Gallus-Hilfe sortiert. Trotz des nun eher „starren“ Systems kann der Textilservice sich problemlos auf die Bedürfnisse des Einzelnen einstellen. Hat jemand zum Beispiel Im Gegensatz zum vorherigen Gruppentisch gibt es Schwierigkeiten, den ganzen Tag stillzusitzen, für die LiSe-Beschäftigten einige positive Neue- bekommt er die Aufgabe, die gefaltete Wäsche in die rungen. Was früher an einem quadratischen Tisch einzelnen Wagen der verschiedenen Gruppen zu sor- passiert ist, wird heute an Zweier-Tischen geleistet, tieren. Andere Beschäftigte, die zu bestimmten Uhr- die in der Mitte mit einem Rollband verbunden sind. zeiten oder Tagen lieber für sich sind, haben die Jeder Kollege aus der WfbM hat in diesem Bereich Möglichkeit, an einem der ebenfalls neuen Einzel- seinen eigenen festen Arbeitsplatz. Ein großer Vor- tische zu arbeiten. Neben den ergonomischen und arbeitsorganisatorischen Vorteilen werden mit dem neuen System auch Verantwortung und Teamfähigkeit der Beschäftigten gefördert. Sie kümmern sich unter anderem darum, dass immer genug Wäsche zum Falten an ihrem Tisch vorhanden ist. Kann jemand durch verschiedene Einschränkungen diese Verantwortung nicht übernehmen, gibt es Kollegen, die frische Wäsche mitbringen. Durch die Aufteilung der Arbeitsplätze hat jeder Mitarbeiter einen „Arbeitspartner“. Bei all den Möglichkeiten haben jedoch immer die Fachkräfte für Arbeit und Bildung (FAB) die Kompetenz, situativ zu entscheiden, wie viel Forderung und Förderung je nach Tagesform bei den Beschäftigten möglich ist. Auch hier wirkt sich die neue Arbeitsplatzgestaltung positiv aus. Die neu gewonnene Übersichtlichkeit und die konfliktvermeidende Aufteilung fördern nämlich die Effizienz der ganzen Gruppe. Durch die ergonomisch angepassten Arbeitsplätze im Textilservice läuft die Arbeit noch besser von der Hand. Foto: privat Dienstleister und Betriebe 29 Von Naschkatzen und hungrigen Wölfen Kindergartenkinder von Liebenau essen in der Kantine wir hier auf die Bedürfnisse der Eltern und Kinder von Martina Noppel eingehen. Gerade für Berufstätige, egal ob alleinerziehend oder Elternpaare, ist dieses Angebot sehr attraktiv“, erklärt Benzinger. LIEBENAU - Es ist Mittagszeit in der Kantine Liebenau. Von Weitem Ein Tisch in der Ecke der Cafeteria wird bewusst für nähert sich lachend eine kleine, bunte Gruppe der Kantine der Liebe- die Kinder frei gehalten, damit sie nicht zu stark nau Service GmbH. Egal ob Sonnenschein oder Wind und Wetter: sieben vom Kommen und Gehen der anderen Gäste abge- Kinder zwischen zwei und sechs Jahren machen sich mit ihren beiden lenkt werden. Eine Mitarbeiterin der Kantine Liebe- Erzieherinnen vom Kindergarten Liebenau auf den Weg zum Mittagessen. nau rollt das Essen auf einem Servierwagen direkt an den Tisch. Mit großen Augen beobachten alle, wie Claudia Forstenhäusler, eine Erzieherin, die Teller verteilt – ganz wie im Märchen deckt sich der Tisch mit Gläsern, Wasser und Fruchtsaft sowie dem heißen Essen. Hungrig soll hier niemand bleiben. Benzinger lächelt beim Beobachten der Kinder: „Nicht jedes Gericht kommt bei unseren kleinen Gourmets gleich gut an.“ Toni und Julie essen gerne Salat, während sich andere völlig reserviert zeigen. Nur bei einem Gericht sind sich alle Kinder einig: Schnitzel mit Pommes sind toll. „Die Kantine Liebenau kümmert sich sehr gut um uns, wenn wir mit den Kindern zum Essen kommen“, erwähnt Benzinger lobend. Manchmal kommt es vor, dass ein Kind ein Gericht nicht mag, dann bekommt es eine Portion des anderen Tagesgerichts. Schließlich sollen alle zufrieden sein. Dazu tragen auch die Gemeinsam schmeckt es den Kindern und den beiden Erzieherinnen vom Kindergarten beliebten Vorspeisen wie Suppen und Salate sowie Liebenau in der Kantine. Foto: privat die leckeren Desserts bei. Das Projekt Kantinenbesuch hat mehrere positive Aspekte. Neben dem Spaziergang an der frischen Luft und dem besonderen Erlebnis, außer Haus zu 30 Auf die ungewöhnlichen Kantinengäste wartet hier essen, bietet das Mittagessen in der Kantine Liebe- drei Mal pro Woche ein warmes Gericht. Kindergar- nau auch Begegnungen mit Menschen mit Behinde- tenleiterin Jutta Benzinger beschreibt die Begeiste- rung als wichtige Erfahrung. Positiv ist auch eine rung der Kinder: „Für unsere Kleinen ist das Mittag- weitere Zusammenarbeit zwischen Kindergarten Lie- essen in der Kantine wie ein Restaurantbesuch etwas benau und der Stiftung Liebenau: Regelmäßig kön- ganz Besonderes. Entsprechend groß ist daher immer nen Praktikanten aus der Werkstatt für Menschen die Vorfreude.“ Seit September 2010 kommen sie mit Behinderung in den Alltag der Erzieherinnen gemeinsam zum Essen. „Uns ist ganz wichtig, dass schnuppern. Dienstleister und Betriebe Das letzte Wort Die Qual der Wahl LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, vor einigen Jahrzehnten war der Umgang mit Informationen und Medien mit Sicherheit einfacher. Da gab es nur wenige Fernsehprogramme, viele hörten Radio oder lasen Tageszeitung und vielleicht das eine oder andere Buch. Das Wichtigste aus der Welt erfuhr man abends aus der Tagesschau oder am nächsten Morgen aus der Zeitung. Die zwischenmenschliche und auch die geschäftliche Kommunikation lief über Gespräche, Briefe und das Telefon. Letzteres verfügte damals noch über keine weiteren Funktionen. Menschen und Institutionen, die etwas zu sagen hatten, Firmen, die etwas verkaufen wollten, Politiker, die um Stimmen warben, wussten daher, was zu tun ist, wenn man Menschen flächendeckend erreichen und mit wichtigen oder weniger bedeutsamen Informationen beglücken wollte. Aber der Fortschritt hat auch vor den Kommunikationsmedien nicht Halt gemacht. Verbesserte Übertragungstechniken, der Einzug des digitalen Fernsehens und Hörfunks, Internet, E-Mail, Intranet, Smart Phones, die Sozialen Medien sorgten für die globale Vernetzung der Menschen und den einfachsten Zugang zu täglich wachsenden Informationspools. Dies führte zu atemberaubenden Veränderungen in der pri- Medienkompetenz wird zentral vaten und geschäftlichen Kommunikation. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Folgen sind spürbar und gravierend. Die Beschleunigung der Kommunikation und die leichte Verfügbarkeit von Informationen aller Art muss von jedem Nutzer erst einmal bewältigt werden. Wer nicht mit- und von elementarer Bedeutung, Unterscheidensfähigkeit ist notwendig, die Sensibilität kommt, ist früher oder später abgeschnitten. Während sich früher jeder selbst darum kümmern musste, wie sie für die Fallstricke und die oder er an persönlich relevante Informationen kommen konnte, sind heute Abermillionen damit beschäftigt, tagaus, tagein aus dem un- Gefahren im Netz muss überblickbaren und dauerhaft flutenden Infostrom das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Sie haben zunehmend Mühe, sich einen pri- entwickelt werden. vaten Freiraum zu erhalten und „echte“ Beziehungen zu real existierenden Menschen aus Fleisch und Blut zu pflegen. Denn die Sogkraft der virtuellen Welt ist groß. Dabei steht nicht zur Diskussion, dass die aktuellen Kommunikationsangebote, vernünftig verwendet, das Wolf-Peter Bischoff, Chefredakteur eigene Leben erleichtern, die Lebens- und Arbeitsqualität deutlich erhöhen können, dass sie Spaß machen und auch soziale Beziehungen befruchten können. Auf Eltern, Kindergärten, Schulen, Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen kommt eine nachhaltige und anspruchsvolle Aufgabe zu. Medienkompetenz wird zentral und von elementarer Bedeutung, Unterscheidensfähigkeit ist notwendig, die Sensibilität für die Fallstricke und die Gefahren im Netz muss entwickelt werden. Die neuen Kommunikationsangebote bieten Freiheit wie nie zuvor. Im Guten und im Bösen. Diese sinnvoll zu nutzen, erfordert aber, mit der Freiheit auch umgehen zu können. Was bedeutet das für die Stiftungskommunikation? Ich meine zweierlei: Wer nicht mitmacht, wird nicht wahrgenommen. Wir kommunizieren deshalb unsere Botschaften online und offline in professioneller Qualität, aber so, dass die Würde aller dargestellten Personen in jedem Fall gewahrt wird und Mediennutzer gleichzeitig emotional und intellektuell angesprochen werden. Und zweitens prüfen wir sehr sorgfältig, welche Medien dem Stiftungszweck dienlich sind und welche Medien Risiken beinhalten: für unsere Mitarbeiter, für die Menschen, um die wir uns kümmern, und für unser eigenes Image. Erscheint uns das Risiko zu hoch, verzichten wir. Hype hin oder her. Wolf-Peter Bischoff Chefredakteur Das letzte Wort 31 Spot an Spot an Ihre Meinung ist gefragt, Matthias Friedetzky! Matthias Friedetzky, alleinerziehend, drei Kinder, Ausbilder der Kaufleute für Bürokommunikation im BBW Ihr größtes Talent? Ihre Meinung zum „Anstifter“? Beredsamkeit. Ich hätte gerne die Zeit, ihn häufiger und umfangreicher zu lesen. Welche Fähigkeit möchten Sie besitzen? Christliche Werte in der Gesell- Empathie. schaft sind für mich... … wichtig. Sie geben uns Sinn und Wie halten Sie es mit der Reli- Orientierung. gion? Ich glaube und ich toleriere die Soziale Berufe sind wertvoll, Einstellungen aller Mitmenschen. weil ... Seit wann arbeiten Sie in der …mechanistische und ökono- Stiftung? Haben Sie ein Lebensmotto? mische Persönlichkeitsmodelle 2006 Es gibt nichts Gutes, außer man nicht stimmen. tut es (Erich Kästner). Was lesen Sie am liebsten? Das Image sozialer Berufe könnte Ernest Hemingway, Günter Grass, Was schätzen Sie an der Stiftung verbessert werden, wenn ... John Irving, Kurt Vonnegut. Liebenau? …die lange Ausbildung, her- Vielfalt und Tradition. vorragende Qualifikation sowie Welche Musik hören Sie gerne? psychisch und körperlich herausfor- Bis auf deutsche Volksmusik so Was gefällt Ihnen besonders an dernde Tätigkeit ihre Entsprechung ziemlich alles. ihrer Tätigkeit? in einer angemessenen Honorie- Der tägliche Umgang mit Jugend- rung fänden. Ihr Traum vom Glück? lichen lässt mich jung fühlen, und Zeit für die wichtigen Menschen in ich brauche keine Angst zu haben, meinem Leben zu haben. in Routinen zu verfallen. Haben Sie Vorbilder? Was möchten Sie mit ihrer Arbeit Ja – Eltern und Freunde, die mich erreichen? unerschrocken durch mein bishe- Es ist mir wichtig, dass die Welt riges Leben geleitet haben und jeden Tag ein kleines bisschen bes- dabei nie müde wurden und auf- ser wird. gaben.