Medikamente bei der Behandlung von
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Medikamente bei der Behandlung von
Medikamente bei der Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen Jürgen Unger Bezirkskrankenhaus Landshut/Niederbayern 2013 Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) 2013 • Alkohol-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 3,3 Mio Bundesbürger (Alkoholkonsum bei ca. 9,6 Liter reinen Alkohol oder 140 Liter alkoholiche Getränke pro Jahr weitgehend unverändert) • Medikamenten-Mißbrauch und Abhängigkeit: ca. 1,4 Mio Menschen • Cannabis ca. 2,4 Mio Menschen (ca. 380.000 mit unmittelbar schädlichen Folgen im Alltag) • Sonstige illegale Drogen (u.a. Heroin, Amphetamine): ca. 645.000 Personen • 16 Mio Raucher, davon ca. 5 Mio “starke Raucher” Alkohol im Kontext zu Drogen (Quelle: DHS) • Zahl der Rauschgift-Todesfälle (Opiate/Polytoxikomanie) 2011: 986 • Zahl der Alkohol- und/oder Tabakbezogenen Todesfälle 2011: ca. 74.000 Nikotin und Alkohol sind Suchtmittel Nr. 1! Qualifizierte Entzugsbehandlung • • • • • Ziel: Erreichen einer Suchtmittel-freien Zeit Behandlung des Entzugssyndroms Somatische und psychiatrische Diagnostik Behandlung von Folge- und Begleiterkrankungen Information über die Abhängigkeitserkrankung (Krankheitsverständnis) • Vermittlung erster Techniken im Umgang mit der Suchterkrankung • Motivation zu weiterführender Behandlung Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon) Zufriedene Abstinenz Abstinenzphasen Krankheitseinsicht Sicherung sozialer Umgebung Verhinderung bleibender Schäden Sicherung des Überlebens Das bio-psycho-soziale Modell der Sucht Person, Psyche: Erleben, Bewerten, Verhalten (Neuro-)Biologie: Wirkung der Substanz auf Körper u. Gehirn Soziales Umfeld Wechselwirkung Entstehung von (Alkohol-) Abhängigkeit „Jeder Abhängige hat seinen individuellen Weg in die Suchterkrankung.“ Gemeinsam ist der Wunsch nach positiver Erfahrung („Belohnung“), Lernprozess. „Positive Reinforcement Hypothese“ Neurobiologische Korrelate „Belohnende“ Wirkung von Suchtmitteln Substanz Synapse Wirkung „Belohnung“ Opiate Opiatrezeptor Schmerzlinderung, Wohlbefinden, Euphorie Sedativa, Alkohol GABA-Verstärkung Beruhigung, Angstlösung (Glutamat-Hemmung) Kokain, Amphetamin Dopaminerhöhung Stimulierung, Euphorie, Selbstüberschätzung Halluzinogene Serotoninerhöhung Verstärkung von Sinneseindrücken Cannabis Cannabinoid-Rezeptor Stimmungsaufhellung, Wohlbefinden Nikotin Acetylcholin-Rezeptor Beruhigung Neurobiologische Wirkung von Suchtmitteln Substanz Effekt auf Nervenzellen Alkohol Hemmt erregende Glutamatwirkung Verstärkt hemmende GABA-Wirkung Indirekte Aktivierung von Dopamin, endogenen Opioiden und Serotonin Amphetamine Blockade von Serotonin- und DopaminRücktransportern, noradrenerg Kokain Blockade von Dopamin-Rücktransporter Ecstasy Hemmung v.a. Serotonin-Transporter Heroin Aktiviert μ-Opiatrezeptor des hirneigenen Endorphinsystems Cannabis Akiviert endogenes Cannabinoidsystem LSD Aktiviert Serotoninrezeptoren Benzodiazepine Aktivierung von GABA-A-Rezeptoren GHB, GBL („Liquid Ecstasy“) Aktivierung von GABA-B-Rezeptoren Wirkung von Alkohol auf Neurotransmitter Akuter Alkoholkonsum Glutamat (keine Adaptation) Glutamatrezeptor (GABA ↑) GABA-A Rezeptor Chronischer Alkoholkonsum Glutamat (Adaptation) Glutamatrezeptor (GABA ↑) GABA-A Rezeptor↓ Alkoholentzug Glutamat (Sensitivierung) Glutamatrezeptor (GABA ↓) GABA-A Rezeptor↓ Klinische Bedeutung von Entzugssensitivierung durch Glutamat Klinische Entzugssymptome: Unruhe, Gereiztheit, Angespanntheit, Schlafstörung „Kindling-Effekt“ Wahrscheinlichkeit für komplizierte Alkoholentzüge steigt mit deren Zahl. Epileptische Anfälle werden mit Häufigkeit der Entzüge wahrscheinlicher. Pat. „lernt“: „Ohne Alkohol geht es mir schlecht!“ Klinische Relevanz: Unterbrechung des Lernprozesses 1. Die Entzugssymptomatik muss rasch und ausreichend behandelt werden! 2. Antikonvulsiva mit antiglutamaterger Wirkung reduzieren Kindling Effekt (z.B. Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproat, Topiramat, Lamotrigin) Rolle des hirneigenen „Belohnungssystems“: Dopamin und Endorphine • Meso-limbisches Dopaminsystem (Ventrales Tegmentum → Nucleus accumbens) • Positive Reize führen zu erhöhtem Dopamin und endogenen Opiaten im Nucleus accumbens. (Klinisch: Wohlbefinden bis Rauschzustand) Hohes Suchtpotenzial von Substanzen, die direkt Dopamin und/oder Endorphine aktivieren (Heroin, Amphetamine, Kokain) Alkohol aktiviert indirekt Dopamin, Endorphine und Serotonin Suchtgedächtnis - Hirnregionen Schematische Darstellung des Informationflußes beim Lernen: Bedeutung des glutamatergen und dopaminergen Neurotransmittersystems beim Entstehen von „Suchtgedächtnis“ NEOCORTEX Informationsverarbeitung Assoziationscortex Informationsspeicherung Dopamin Motorisch sensibel Visuell Akustisch Glutamat Entorhinalctx Hippocampus LTP Funktionelle Veränderungen Chronischer Suchtmittelkonsum: funktionelle Bildgebung: “Das Hirn passt sich an” z.B. Kokain • Orbitofrontalcortex: Aktivität nimmt ab • Dopaminrezeptoren werden weniger Genetische Disposition Warum haben wir ein „Belohnungssystem“? • Aktivierung von Dopamin und Opioiden im Gehirn führt zu Interesse und Suche nach belohnendem Neuen, d.h. es ermöglicht Lernprozesse. • Interaktion dopaminerger Neurone mit dem Glutamatsystem: Verknüpfung von Belohnungssystem mit (Sucht)Gedächtnis. „Suchtgedächtnis“ • Glutamaterge und dopaminerge Mechanismen • Implizites Gedächtnis (nicht bewußt) • Ähnelt dem Schmerz- und Angstgedächtnis • Verantwortlich für „Craving“ und Rückfallgefahr 3 Hauptwege zum „Craving“ und Rückfall - individuelle Risikosituation • „Priming“ durch kleine Alkoholmengen (sensitiviertes Glutamatsystem und Dopaminfreisetzung) • Konditionierung durch alkohol-assoziierte Reize („Suchtgedächtnis, Belohnungssystem“) • Negativer Affekt, Angst, Stress (glutamaterges, katecholaminerges und HypophysenHypothalamus-Nebennierenrinden-System) Suchttherapie in neurobiologischem Sinn Suchttherapie ist auch Extinktionstraining, d.h. Trennung der (Vor-)Erfahrung mit Alkohol oder assoziierten Reizen (z.B. „Bierglas“) von der Dopaminaktivierung Extinktion = „Um- und Neulernen“ nicht „Löschen des Suchtgedächtnisses“ Sucht ist keine ausschließliche RezeptorFehlfunktion, aber das biologische Verständnis kann Patient und Therapeut helfen Suchttherapie Abstinenz ist Ziel und therapeutisches Mittel; wichtiger Baustein um Erfahrungen zu verändern. Abstinentes Intervall erreichen Einführung alternativer Handlungsverstärker, in Konkurrenz zur Motivation Suchtmittel zu konsumieren („positive Gefühle“) Coping Strategien (Umgang mit Stressoren und Affekten) Einsatz von Medikamenten • Medikamentöse Behandlung akuter Entzugssyndrome • Abstinenzunterstützende Medikamente • Psychopharmaka bei Comorbidität Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon) Zufriedene Abstinenz Abstinenzphasen Krankheitseinsicht Sicherung sozialer Umgebung Verhinderung bleibender Schäden Sicherung des Überlebens Behandlung von Alkoholentzugssyndrom und Delir Medikamente und Reizabschirmung: • Clomethiazol (Distraneurin®) oder • Benzodiazepine (Diazepam, Lorazepam, Oxazepam) • Thiamin (Vitamin B1) • • • • Clonidin (zentrale Sympathikusdämpfung) Antikonvulsiva (Carbamazepin) zur Anfallsprophylaxe Haloperidol (v.a. bei prä-deliranter Symptomatik) Flüssigkeit, Elektrolyte (Na, K, Mg), Glucose, Pantozol Clomethiazol (Distraneurin®) Wahrscheinlich über GABA- und Glyzin-Rezeptoren Symptom-orientierte Gabe und Dosierung ab 1,0 (1,5) Promille, Patient muss immer erweckbar sein Ausschleichende Behandlung (5 – 7 Tage, max. 10 – 14 Tage) Sedierend, hypnotisch, antikonvulsiv, vegetativ stabilisierender Effekt, gute „Steuerbarkeit“ der Dosis Benzodiazepine als Alternative zu Clomethiazol bei Clomethiazol-Unverträglichkeit, obstruktiver Atemwegserkrankung, Clomethiazolabusus oder zusätzlicher Bezodiazepinabhängigkeit. Empfohlen werden kurzwirksame Benzodiazepine (Oxazepam oder Lorazepam = Tavor®). guter sedierender und antikonvulsiver Effekt Zusätzliche Medikation im Alkoholentzug Thiamin (Vitamin B1): Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie Carbamazepin (zugelassen bei Alkohol-Entgiftung): Bei Patienten mit Entzugsanfällen in der Vorgeschichte 90 % innerhalb von 48 Std. nach abrupter Abstinenz Clonidin bei hypertoner bzw. tachycarder Herz-Kreislauf-Situation Pantoprazol bei Gastritis und Risikopatienten Thromboseprophylaxe bei bettlägerigen Patienten Lebensbedrohliches Delir (kardiale und pulmonale Komplikationen, schwere Bewusstseinsstörungen) → Internistische Intensivstation Neuroleptika im Alkoholentzug • bei prädeliranter und deliranter Symptomatik (z.B. flüchtige Halluzinationen, Schreckhaftigkeit, Suggestibilität, schweres vegetatives und delirantes Entzugssyndrom) • Dosierung 1 x 5 mg bis 2 x 10 mg Haloperidol i.d.R. oral • Dosisreduktion um mind. 50% bei geriatrischen Patienten Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon) Zufriedene Abstinenz Abstinenzphasen Krankheitseinsicht Sicherung sozialer Umgebung Verhinderung bleibender Schäden Sicherung des Überlebens Medikamentöse Unterstützung der Abstinenz Alkohol: Pharmakologischer Versuch einer Entkopplung von Alkohol und Alkohol-assoziierten Reizen von der Dopamin-Freisetzung. Antidipsotropika („Anticraving-Substanzen“) Bei Alkoholabhängigkeit: Metaanalysen (Soyka 1999): Acamprosat (Glutamatantagonist): ca. 16% Risikoverringerung für Rückfall Naltrexon (Opiatantagonist): ca. 21% Risikoverringerung Einsatz nur als Baustein in bestehendes mehrdimensionales psychosoziales Therapieumfeld Disulfiram (hemmt Stoffwechsel beim Alkoholabbau): Einsatz nur in engmaschiger ambulanter Kontrolle nach allen anderen stat. oder amb. Therapieversuchen Wichtig: Adäquate Behandlung von Comorbidität, z.B. affektive Störungen …. Acamprosat - Campral® Tabletten mit jeweils 333 mg (bis 60 kg Körpergewicht 2x2 Tbl., > 60 kg 3x2 Tbl. Indikation: Abstinenzaufrechterhaltung bei Alkohlabhängigkeit Beginn nach körperlichem Entzug, Anwendungsdauer: 1 Jahr Nebenwirkungen: Diarrhoe, Übelkeit, Bauchschmerzen… Acamprosat - Campral® (2) Wirkmechanismus: Erregungshemmende Wirkung im ZNS, hemmt Glutamat, verstärkt GABA und Taurin Effekt: Abstinenzrate nach 1 Jahr etwa doppelt so hoch wie unter Placebo (PRAMA-Studie, 1994) Acamprosat - Campral® (3) Klinische Einschätzung: seit 1989 eingesetzt, Rückfallprophylaktische Wirkung bestätigt, gute Verträglichkeit Compliance-Probleme (Patient verspürt keine Wirkung, Häufigkeit der Einnahme) Ausführliche Aufklärung über Wirkweise! Einsatz im Rahmen therapeutischen Gesamtkonzepts (psychosozial und soziotherapeutisch) Disulfiram - Antabus® (1) Nur noch über internationale Apotheke erhältlich Hemmung der Acetaldehyd-Dehydrogenase, d.h. Anhäufung von Acetaldehyd Acetaldehydsyndrom, d.h. Übelkeit, Erbrechen, Palpitationen, Gesichtsröte (Flash), Tachykardie, Blutdruckanstieg Disulfiram - Antabus® (2) Wirkungseintritt bei Alkoholkonsum innerhalb von 10 – 30 Min., Unwohlsein bleibt mehrere Stunden Acetaldehyd-Syndrom bereits ab Alkoholaufnahme von 3g (ca. 80 ml Bier, 5%) oder “alkoholfreiem” Bier (0,5 %) Einsatz nur in engmaschigem suchtspezifischen Behandlungsregime. Naltrexon – Adepend® oder Nemexin® • Opiatantagonist (v.a. µ-Rezeptoren) • 50 mg Tbl. 1x1 Tbl. pro Tag • Nemexin zugelassen für die Behandlung abstinenter Opiatabhängiger im Rahmen der Langzeittherapie, auch ambulant • Adepend seit 2010 zur Rückfallprophylaxe Alkoholabhängiger in Deutschland zugelassen (in USA seit 1995) Adepend (2) • 36%ige Senkung des Rückfallrisikos im Rahmen umfassenden Therapieprogramms • Reduktion von “Craving” und Unterstützung von Abstinenz • Ähnliches Präparat – Nalmefene 20 – 25mg/d, ab Herbst 2013 in Deutschland zugelassen – Gabe “on demand” Antagonist der µ-, kappaund delta-Opiatrezeptoren im Gehirn Adepend (3) • Therapiedauer 3 Monate bis zu 1 Jahr, in Einzelfällen länger • Belohnungsgefühle und Euphorisierung durch Alkohol wird unterdrückt • Nebenwirkungen: gastrointestinale Störungen, Gelenk- und Muskelschmerzen • Klinische Einschätzung: Wahrscheinlich das derzeit wirkungsvollste Präparat? Fallbeispiel 1 • 48j. Patient, langjährig alkoholabhängig, zwischen 2007 und 2011 in ca. 1 – 2 Monatsabständen in körperlicher Entzugsbehandlung. • Campral über 6 Monate ohne Effekt. • Adepend ab Juni 2011: Anfangs NW, dann gut verträglich, deutliche Reduktion von “Craving”. • “trocken” bis 12/2011, dann Entzug, seither Abstinenzintervalle von 4 - 5 Monate Dauer. • Weiterhin Rückfälle mit erheblicher Intoxikation. Fallbeispiel 2 • 39j. Patientin, langjährige Alkoholabhängigkeit • Vor 2010 Langzeittherapie, danach 2 Jahre “trocken” • Aufnahme zum körperlichen Entzug Herbst 2012 • Beschreibung von erheblichem “Craving” in häuslichen Belastungserprobung • Nach Adepend innerhalb von 2 Wochen “Suchtdruck” gemildert, seither in ambulanter Suchtberatung, “trocken” (?) Fallbeispiel 3 • 54j. Patient, seit Jahrzehnten alkoholabhängig, Langzeittherapie ohne Erfolg • Schwerste Alkoholintoxikationen, multiple körperliche Entzüge • Therapieversuch mit Campral erfolglos • Therapieversuch mit Adepend erfolglos • Soziotherapie (6 Monate) – in der Therapie “trocken” • Danach ambulant aufsuchende Suchtbehandlung • Darunter Abstinenzphasen wochenweise verlängert • bei Rückfall sofortige Einweisung zum Entzug (“harm reduction”) Opiatabhängigkeit • Buprenorphin – Subutex® • Buprenorphin + Naloxon - Suboxone® • Methadon und L-Polamidon (Levomethadon) – Saft oder Tabletten (Methaddict®) Buprenorphin – Subutex®, Buprenorphin + Naloxon - Suboxone® • Heroinentzug • Substitutionstherapie bei Opiatabhängigen im Rahmen üblicher Qualitätskriterien (psychosoziale Begleitung, Beikonsumkontrollen) • Sublingualtabletten 2 – max. 24 mg/Tag • Wirkdauer: 24 – 72 Stunden • Sättigungs-(Ceiling) Effekt, d.h. geringes Risiko der Atemdepression Levomethadon (L-Polamidon) und Methadon • Reiner µ-Opiatrezeptoragonist • Seit 2005 von der WHO in die “Liste nicht entbehrlicher Arzneistoffe” aufgenommen. • Einsatz seit 1960er Jahren in USA • Einnahme in Fruchtsaft o.ä. (nicht injizierbar!) • Langsames Anfluten – wenig euphorisierender “Kick-Effekt” • Dosierung: ca. 100 mg Methadon als Einmaldosis pro Tag Naltrexon - Nemexin® • Nemexin zugelassen als medikamentöse Unterstützung für die Langzeitbehandlung abstinenter Opiatabhängiger • 50 mg/Tag (1 Tbl.) oder • 100 mg Mo und Mi, 150 mg Fr Tabak - Nikotin • 30 % der Deutschen rauchen • Entzugssyndrom mit Unruhe, vermehrtem Appetit und Schlafstörungen. • Nach zwölf Monaten sind etwa 9 von 10 Rauchern rückfällig • Unterstützung, z.B. Verhaltenstherapie, Hypnose erhöht die Erfolgsquote auf 25 bis 40 Prozent. • Nikotinersatzpräparate erhöhen bei starken Rauchern die Erfolgsrate. • Pflaster, Kaugummis, Lutschpastillen oder Inhalatoren geben Nikotin dosiert an den Körper ab und lindern Entzugssymptome, machen aber selbst nicht abhängig. Vareniclin - Champix® • Raucherentwöhnung • 1 bzw. 0,5 mg • Einnahmebeginn noch während Patient raucht • Rauchstopp innerhalb von 14 Tagen • Weitere Einnahme für 12 Wochen Vareniclin - Champix® (2) • Partialantagonist von Nikotinrezeptoren, d.h. teilweise Stimulation (Unterdrückung von Entzugssymptomen), zusätzlich Blockade von exogen zugeführtem Nikotin (Rauchen ist weniger wirksam) • Nebenwirkung: Fälle von Übelkeit, Kopfschmerzen, unangenehme Träume, Suizidgedanken, Aggressivität Vareniclin - Champix® (3) • Belohnender Effekt von Rauchen wird blockiert über α2ß2-Subtyp des nicotinergen Acetylcholinrezeptors und Verhinderung der mesolimbischen Dopaminstimulierung • Klinische Beurteilung: Abstinenzchancen werden verdreifacht (jeder 4. hört auf zu rauchen) – keine Langzeitstudie unter “Alltagsbedingungen”, Vergleich mit Nikotinpflaster fehlt Bupropion – Zyban®, Elontril® • Verwandt mit Amphetamin • 150 – 300 mg pro Tag • Selektiver Dopamin- und NoradrenalinWiederaufnahmehemmer • Antidepressivum und Raucherentwöhnung • 150 – 300 mg ca. 7 – 14 Tage vor Rauchstopp • Anwendungsdauer 7 - 12 Wochen Bupropion – Zyban®, Elontril® • Signifikante Effekte hinsichtlich Abstinenz • Nebenwirkungen: Psychostimulanzien-Wirkung (Mundtrockenheit, Schlafstörung, Appetitlosigkeit, Hypertonie, Tachykardie, “High-Gefühl”, epileptische Anfälle, Suizidalität) • Klinik: Pat. berichten schon nach Tagen: “Zigarette schmeckt komisch” • 30% Raucher sind nach 1 Jahr noch abstinent; Einsatz nur unter psychiatrischer Kontrolle Psychiatrische Comorbidität von Sucht Affektive Störung • Depression • Bipolare Erkrankung • Angst-, Panikstörung Psychose: Drogeninduziert (z.B. Amphetamine, Kokain, Cannabis), Schizophrenie Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, selbstunsicher, abhängig, kombiniert) Störungsspezifische Therapie • Antidepressiva (SSRI, NSRI u.a.) • Mood Stabilizer (Lithium, Valproat u.a.) • Antipsychotika/Neuroleptika • …... das Wichtigste: Suchtmittelfreie Zeit Häufige Psychopharmaka • Antidepressiva: Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Venlafaxin, Duloxetin, Agomelatin, Bupropion… • Mood Stabilizer: Valproat, Lithium, Lamotrigin, Topiramat, Carbamazepin… • Neuroleptika: Quetiapin, Olanzapin, Flupentixol, Aripiprazol, Amisulprid… • Bei generalisierter Angststörung: Pregabalin (Lyrica®) Fallbeispiel • 26j. Patientin, akute Aufnahme wegen Suizidalität und Alkoholintoxikation • Nach körperlichem Entzug anamnestisch Stimmungswechsel beschrieben, zeitweise erhöhte “Kauflaune”, “voller Energie”, dann wieder “lustlos”, Rückzug und zuletzt auch Suizidgedanken • vermehrt Konsum von Wein und Prosecco, fühlt sich unter Alkohol “ausgeglichener” • Diagnose? • Behandlung? • Prognose? Fallbeispiel • 53j Patientin, langjährige Angststörung mit Panikanfällen und diffusen Ängsten • Seit Jahren ärztlich verordnet Benzodiazepine (aktuell Tavor 4 – 5 x 0,5 mg/Tag • Sozialer Rückzug, “klammert” sich an Ehemann, multiple somatische Symptome (Schlafstörung, Übelkeit, Kopfschmerzen…), im Kontakt “jammrig” bis vorwurfsvoll • “Unverträglichkeit” aller Psychopharmaka in niedrigster Dosierung, Abdosierung von Tavor mehrfach erfolglos • Diagnose? • Therapie? • Prognose? Ziele in der Suchttherapie • Besserung komorbider psychischer und körperlicher Störungen. • Beseitigung, Reduzierung oder Kompensation von somatischen, psychischen und psychosozialen Folgen. Zielpyramide bei Suchtkranken (nach D. Schwoon) Zufriedene Abstinenz Abstinenzphasen Krankheitseinsicht Sicherung sozialer Umgebung Verhinderung bleibender Schäden Sicherung des Überlebens Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und weiterhin viel Erfolg!