PSA -basiertes Prostatakarzinom-Screening: ein Weg

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PSA -basiertes Prostatakarzinom-Screening: ein Weg
fortbildung · MEDIZIN FORUM
Die individuelle Risiko-adaptierte Früherkennung
PSA-basiertes Prostatakarzinom-Screening:
ein Weg zur Reduktion der «Harms» Seite
Die gesundheitspolitische Diskussion zur Prostatakrebsvor­
sorge sieht auf der einen Seite durch PSA-Screening einen
deutlichen Überlebensbenefit, der mit längerer Nachbeobach­
tungszeit (11, 13 Jahre) zunimmt. Andererseits zeigt sich das
der generellen Vorsorgemedizin innewohnende Problem der
Überdiagnostik und Übertherapie. Das «Individuelle Risikoadaptierte PSA Screening» reduziert dieses deutlich.
B
La discussion de la politique de santé sur le dépistage du can­
cer de la prostate voit d’un côté un bénéfice de survie significa­
tif par le dépistage du PSA qui augmente avec la longueur de
la période de suivi (11, 13 années). D'autre part, le problème
inhérent à la médecine préventive général de surdiagnostic et
de surtraitement apparaît. Le «dépistage de PSA adapté au
risque individuel» a réduit cela de manière significative.
U
nnötig erlittene Lebensqualitätseinbussen von Patienten durch
Überdiagnostik und Übertherapie reduzieren den Überlebensbenefit. Die Harms/Benefit Relation wird je nach medizinischer
Gesellschaft oder aber Blickwinkel unterschiedlich gewertet. Das
im Rahmen des prospektiven Schweizer Arms der European Randomized Screening Study of Prostate Cancer (ERSPC) entwickelte
„Individuelle Risiko adaptierte PSA Screening“ reduziert Überdiagnosen und Übertherapien deutlich. Bei über der Hälfte der Männer
können die Kontrollintervalle neu auf bis zu 6–7 Jahre verlängert werden, umgekehrt werden Risiko-Gruppen frühzeitiger einer Abklärung zugeführt. Neben PSA (Prostata spezifisches Antigen) spielt
auch das freie PSA als Laborparameter eine wichtige Rolle. Die mit
der Universität Zürich entwickelten o.g. Risikokalkulatoren stehen
in Form einer neuen App – „ProstateCheck“ – Hausärzten, Spezialisten und Interessierten zur Bestimmung des individuellen Risikos
zur Verfügung. „Weg von der jährlichen Kontrolle für alle, hin zu
Kontrollen für Risikogruppen“!
PSA-basiertes Screening
PSA Screening senkt die Prostatakarzinom-spezifische Mortalität
und reduziert die tumorspezifische Morbidität. Die neuen 13-Jahres-Daten der ERSPC dokumentieren eine zunehmende Reduktion
der Mortalität. Erstmals ist der Rückgang auch auf den gesamten
Altersbereich von 50–69 Jahren bezogen. Die „number necessary
to invite (NNI) and diagnose (NND)“, um ein Leben zu retten, hat
sich in einer "intention to screen" Analyse von der ersten Beurteilung nach 9 Jahren im Vergleich zu jetzt 13 Jahren beinahe halbiert
(NNI 1410 → 781) (NND → 48 → 27) (1, 2).
Unberücksichtigt ist bei diesen Daten einerseits die Kontamination der Kontrollgruppe, andererseits die fehlende Compliance der
info@onkologie _ 02 _ 2015
Prof. Dr. med. Franz Recker
Aarau
Screening Gruppe. Der niederländische Arm der ERSPC hat unter
Berücksichtigung dieser beiden Einflussfaktoren eine Reduktion
des Mortalitätsrisikos statt von 21% von 51% gezeigt (3).
PSA wesentlich besser als sein Ruf
Zur grössten Verunsicherung über den PSA-Wert trug der Prostate
Cancer Prevention Trial bei (3).“Es gäbe keinen PSA-Wert, bei dem
man sicher sein könnte, frei von Krebs zu sein“. Diese Fehlinterpretation basierte auf den Prostata Biopsien von Männern mit PSAWerten von 0–4 ng/ml, bei denen man selbst bei Werten < 1,0 ng/ml
in knapp 10% der Fälle ein Karzinom nachweisen konnte. Man übersah dabei, dass es sich ausschliesslich um eine bioptische Momentaufnahme einer histologischen Prävalenz handelte. Es ist bekannt,
dass mit zunehmendem Alter 40–60% der Männer Tumorzellen
der Prostata besitzen, die Mortalität aber schlussendlich nur 4%
beträgt. Das fehlende klinische Follow-up dieser Biopsie-Befunde
in niedrigen PSA Bereichen des PCPT Trials wurde negiert und die
vermeintliche Aussageschwäche des PSA postuliert.
Eine fundamentale Neubetrachtung der Wertigkeit des PSA
Wertes stellen die retrospektiven Daten des Malmö Preventive Project (Vickers Lilja) dar, bei denen in den Jahren 1974–1985 die
Blutseren von 21 000 Männern konserviert wurden (4, 5). Diese
Population wurde nie einem Vorsorgeprozedere unterzogen, sodass
man anhand der sich klinisch entwickelnden Karzinome und
Metastasen über 27 Jahre den Zusammenhang zwischen initialem
PSA-Wert und Karzinomentwicklung überprüfen konnte. Diese
retrospektiven Daten dokumentieren die Höhe des initialen PSAWertes als idealen Parameter für die Langzeitentwicklung eines
klinisch relevanten Karzinoms und damit die Rolle des PSA als
Langzeit-Risiko-Stratifizierers (z.B. tragen Männer mit einem PSAWert von >1,6 ng/ml im Alter von 45-50 Jahren zu 44% der Toten
infolge Prostatakarzinoms bei).
ERSPC Schweiz bestätigt prognostischen Wert des
PSA und freien PSA
Die Daten des Schweizer Arms der ERSPC mit einer Verlaufsbeobachtung von 14 Jahren konnte den Langzeit prognostischen Wert
erstmals auch prospektiv bestätigen (7). Der negative prädiktive
Vorhersagewert zum Ausschluss klinisch relevanter Gleason > = 7
37
PSA
55.5%
Verteilung PSA Werte
NPV (Gl>=7)
<0.4
99.8%
0.4-0.56
99.8%
0.56-0.74
100 %
0.75-0.99
99.5%
Anteil ohne Prostatakarzinom
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Monate
Abb. 1: Anzahl der innerhalb von 8 Jahren aufgetretenen Prostatakar­
zinomen (high grade (rot), intermediate grade (grün), low grade (gelb)),
abhängig vom initialen PSA Wert <1,0 ng/ml
Vergleich individuelles Prostatakrebsrisiko:
PSA1-1.9ng/ml
1.1ng/
ml
35%
60
0.4% high grade
1.1% overall
1.9ng/
ml7%
60
4.1% high grade
Abb. 2: Anteil der Männer ohne Entwicklung eines Prostatakarzinoms
über 14 Jahre, abhängig vom initialen PSA Level (n=4350; ERSPC
Aargau)
Vergleich individuelles Prostatakrebsrisiko
PSA>3
3.1g/
ml
17%
62
9.8% overall
6.2ng/
ml
29
Overall : 22.5%
unauffällig
Kontrolle direkt
Overall:
7.3%
High risk: 0.7%
unauffällig
72
31
Kontrolle 3/4Jahre
59
High risk: 3.6%
Direkte Abklärung
KeineAbklärung
oder 1 Jahr
Abb. 3: ProstateCheck App
Abb. 4: ProstateCheck App
Prognostisches Beispiel für die multiparametrisch dezidiertere Vorher­
sage des Kontrollintervalls am Beispiel PSA Bereich 1-2 ng/ml durch
Hinzufügen der Werte für freies PSA, des Alters und der familiären
Vorgeschichte
Im diagnostischen Teil (PSA>3,0 ng/ml) ist die Biopsie-Indikation
erst oberhalb von 11% Overall Risk zu stellen. In der ERSPC Schweiz
wurden dabei keine relevanten Tumoren übersehen, jedoch konnten
ca. 1/5 der Biopsien eingespart werden
Karzinome über 12 Jahre betrug beispielsweise 99,8% für PSAWerte < 0,4 ng/ml oder 99,2% für PSA-Werte von 0,56–0,75 g/ml.
Immerhin haben ca. die Hälfte der Männer PSA-Werte von 0–1,0 ng/
ml, sodass hier eine deutliche Verlängerung des Kontrollintervalls
(bis zu ca. 7 Jahren) nahegelegt werden kann (Abb. 1) (6, 7). Die
Karzinom Entwicklung der Aargauer Population abhängig von den
PSA Spiegeln < 3 ng/ml innerhalb von 12 Jahren ist in Abbildung 2
festgehalten. Kürzere Daten aus der Rotterdamer ERSPC Gruppe
unterstützen diese Befunde.
Im Bereich 1–2 ng/ml PSA, was 25% der Männer betrifft, zeigte
sich anhand der Schweizer Daten, dass ausserdem das freie PSA ein
signifikanter Prädiktor für die Entwicklung eines aggressiven Karzinoms ist (HR = 2,9) (8). Je kleiner die Prostata, umso bedeutender
der risikoreiche niedrige freie Anteil des PSA, der durch einen nicht
vorhanden benignen Anteil noch nicht „kaschiert“ wird! Umgekehrt ist ein hoher Anteil an freiem PSA (z. B. 35%) bei niedrigen
Gesamt-PSA-Werten ein Risiko-Minimierer und macht eine Verlängerung der Kontrollintervalle möglich.
Diese Daten sind zusammen mit den Ergebnissen der PSA
basierten Biopsien (> 3,0 ng/ml) aus der Gruppe von 5000 Teilnehmern des Schweizer ERSPC Arms in eine Risikokalkulator App
eingegangen (ProstateCheck). PSA und freies PSA wurden zudem
ergänzt durch die familiäre Vorgeschichte, das Alter, das Prostatavolumen und den digitalen Tastbefund der Prostata.
An das individuelle Risiko adaptiertes Screening:
«ProstateCheck»
„Weg von der jährlichen Kontrolle für alle, hin zu Kontrollen für
Risikogruppen“. Die Zusammenfassung der multiparametrischen
Risikobestimmung (maximal: PSA, freies PSA, Alter, familiäre Vorgeschichte, digitaler Tastbefund und Volumen der Prostata) für die
„Prostatakrebsgesundheit“ einerseits bzw. für das Risiko des Vorliegens eines Karzinoms andererseits liegt nun in Form einer (kostenpflichtigen) App („ProstateCheck“) vor.
So können einerseits die Kontrollintervalle bei 75% der Männer, weg vom jährlichen Check-up, bis zu 6/7 Jahre verlängert werden, andererseits müssen die Biopsieindikationen effektiver gestellt
werden (Abb. 3). Neu ist, dass nicht mehr ein bestimmter PSA Level
("one size fits all"), z. B. 4,0 ng/ml, der Grund für weitere Abklärungen darstellt, sondern ein Risikoprozentsatz von ca. 11%, entwickelt aus den o.g. ERSPC Parametern. Bei Initiierung einer weiteren
Abklärung ab 11% Prozent im Kalkulator wurden anhand der
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Schweizer ERSPC Daten 17% der Biopsien gespart, ohne dass ein
relevantes Karzinom übersehen wurde (Abb. 4). Dieser diagnostische Teil der App ist mit dem Rotterdamer Risikostratifizierer vergleichbar, der jedoch nicht auf das freie PSA zurückgreifen kann.
Dies äussert sich in einer leicht geringeren AUC für aggressive Karzinome von 0,86 in Rotterdam verglichen zu 0,89 im Aargau.
Prof. Dr.med. Franz Recker
Dr. med. Marco Randazzo
Dr. med. Maciej Kwiatkowski
Urologische Klinik und Prostatazentrum
Kantonsspital Aarau
Tellstrasse 15, 5001 Aarau
Franz.Recker@ksa.ch
Prof. Dr. med. Andreas Huber
Institut für Labormedizin, Kantonsspital Aarau
Tellstrasse 15, 5001 Aarau
Prof. Dr. med. Burkhardt Seifert
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI)
Universität Zürich, Hirschengraben 84, 8001 Zürich
B Interessenskonflikt: Die Autoren haben keine Interessenskonflikte
in Bezug auf diesen Artikel deklariert. Prof. Dr. med. F. Recker wird im
Rahmen von Vortragsreisen von Polaris, Roche, GSK unterstützt.
Literatur:
1. Schroder FH et al. Screening and prostate cancer mortality: Results of
the european randomised study of screening for prostate cancer (erspc) at 13 years of follow-up. Lancet 2014;384:2027-35
2. Schröder FH et al. Screening and prostate-cancer mortality in a randomized european study. N Engl J Med 2009;360:1320-8
3.Thompson IM et al. Prevalence of Prostate Cancer among Men
with a Prostate specific Antigen leven <4.0 ng/ml. N Engl J Med
2004;350:2239-46
4. Vickers AJ et al. Strategy for detection of prostate cancer based on relation between prostate specific antigen at age 45-55 and long term
risk of metastases: case control study BMJ 2013;346:f2023
Take-Home Message
◆„Weg von der jährlichen Vorsorge für alle, hin zur Kontrolle für Risikogruppen!“
◆Die Benutzung der in der „ProstateCheck“ App eingebauten multiparametrischen Risikokalkulatoren (wesentlich: inkl. des freien PSA)
a) kann die Kontrollintervalle bei über 50% der Männer bis hin zu 6/7
Jahren verlängern
b) führt ein effektiveres diagnostisches Screening der Risikogruppen
durch mit gleichzeitiger Reduktion der Prostatabiopsien
c) vermindert Überdiagnosen/-therapien und damit die „Harms“ Seite
der Screening Bilanz
d) sendet Ihnen via Mail die persönlichen Ergebnisse zu
Message à retenir
◆Ecartant la prévoyance annuelle pour tous, au profit de la vérification
pour les groupes à risque!“
◆Utilisez lapplication des calculateurs de risque multiparamétrique
„ProstateCheck“ intégrés (notamment: y compris le PSA libre.)
a) peut étendre les intervalles d'inspection de plus de 50% des
hommes jusqu’à 6/7 ans
b) permet des résultats à un examen préalable de diagnostic plus efficace des groupes à risque avec une réduction simultanée de biopsies
de la prostate
c) réduit le surdiagnostic / le surtraitment et donc le côté „harms“ du
bilan de screening
d) vous envoie par courriel vos résultats personnels
5. Carlsson S et al. Influence of blood prostate specific antigen levels and harms of
prostate cancer screening: population based cohort study. BMJ 2014;348:g2296
6. Randazzo M et al. A "PSA Pyramid" for Men with Initial Prostate-specific Antigen
<=3 ng/ml: A Plea for Individualized Prostate Cancer Screening. Eur Urol 2014;
pii: S0302-2838(14)00318-2
7. Randazzo M et al. Is further screening with baseline PSA <1ng/ml worthwile? The
discussion continues- Results of the Swiss ERSPC (Aarau). Int J Cancer 2015; in
press
8. Randazzo M et al. Future risk of intermediate or high risk Prostate Cancer in Men
with baseline PSA 1-3ng/ml and low free to total ratio in a prospective population
based study. EAU Stockholm 2014, MP69-04