Serie Entsendung Indien
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5|2015 AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN [ Personal in Indien ] SERIE: ENTSENDUNG Russland USA Golfstaaten China Indien Brasilien Serie als Download: Suchcode AE15 www.sparkassen-shop.de/verlag Gelassenheit ist Trumpf Arbeit. Indien gilt als Markt der Zukunft. Als Investitionsstandort punktet der Subkontinent vor allem mit attraktiven Lohnkosten. Doch es ist nicht leicht, Fachkräfte zu finden und zu binden. Auch für deutsche Entsandtkräfte hält Indien immer wieder Überraschungen bereit. 32 AUSSEN WIRTSCHAFT 5/2015 32-35 indien 151001-1905 SG.indd Str-3sp:32 2.10.15 14:14 Fotos: Brüllau, dpa/Picture Alliance E s rauscht und knackt in der Telefonleitung. Philipp Bäcker hat sich an die Störgeräusche schon gewöhnt. Täglich fährt er rund eine Stunde zum Büro, für die Rückfahrt benötigt er bis zu drei Stunden. Für 30 Kilometer. Wie die meisten deutschen Expats lässt sich der Manager deshalb fahren und nutzt die Zeit zum Arbeiten. Vor gut vier Jahren entsandte ihn sein Arbeitgeber, der Fahrwerksspezialist Bergische Achsen KG (BPW), zunächst nach Gurgaon bei Neu-Delhi. Damals hatte der heute 31-Jährige gerade sein BWL-Studium in Münster und zuvor bei BPW eine Ausbildung als Industriekaufmann abgeschlossen. Ins Ausland zu gehen stand auf seiner Prioritätenliste ganz oben. An Indien hatte Bäcker dabei allerdings nicht gedacht. Doch ausgerechnet in dem Land, das Expats vor größte Herausforderungen stellt, wurde eine Stelle frei. Bäcker ergriff die Chance. Seitdem vermisst er die frische Luft und reizvolle Natur des Oberbergischen Landes, schätzt dafür aber Annehmlichkeiten wie Dienstwagen mit Fahrer und Haushälterin sowie die Gastfreundschaft der Inder – und übt sich Tag für Tag in Geduld. „Wenn man glaubt, jetzt habe man einen Deal abgeschlos- „Personal ist der Schlüsselfaktor zum Erfolg“ Heinrich Brüllau, COO bei Schmersal India in Pune sen, kommt oft etwas dazwischen“, sagt er. Trotzdem hat Bäcker seinen Vertrag bei der BPW Trailer System Pvt. Ltd. kürzlich verlängert. Seit April dieses Jahres lebt er mit seiner Frau im westindischen Pune. In die Hochburg der Automobilzulieferer und Maschinenbauer verlagerte BPW seinen Sitz, um dort Komponenten für indische Kunden zu montieren. In Pune leben rund sechs Millionen Menschen. In etwa. Denn so genau weiß das niemand. Zu schnell wächst auch diese Stadt zur Megacity heran. Im Jahr 2050 wird Indien mit 1,6 Milliarden Menschen der bevölkerungsreichste Staat sein. Allerdings haben viele Inder keine oder nur eine schlechte Ausbildung. Um das Wirtschaftswachstum dauerhaft zu steigern, muss das Land die Qualifikationslücke schließen. Laut einer auf dem Jobportal HR Katha veröffentlichten Umfrage gaben 69 Prozent der Manager in Indien an, dass sie Schwierigkeiten hätten, Positio- Zweistelliges Gehaltsplus ist die Regel Qualifiziertes Personal ist nicht nur rar, es wird auch jedes Jahr deutlich teurer. Durchschnittliche Lohnerhöhung 2015 Firmen, die dieses Personal nur schwer finden Untere Führungsebene Ausbildungsabschluss 11,2 Personal insgesamt 10,6 Mittleres Management 10,5 Büroangestellte 10,5 Oberste Führungsebene Angaben in Prozent. Quelle: AON Hewitt 9,6 67 Universitätsabschluss Ungelernte Arbeiter 44 24 Angaben in Prozent aller befragten Firmen. Quelle: AHK nen im mittleren Management zu besetzen. Zudem falle es ihnen nicht leicht zu bewerten, wie gut die in Bewerbungen angegebenen Qualifikationen wirklich seien. Die Regierung unter Premier Narendra Modi hat das Problem erkannt. Bis 2022 will sie mehr als 500 Millionen junge Menschen ausbilden. Mit dem Export des dualen Ausbildungssystems versuchen unter anderen die deutschen Auslandshandelskammern, das Land dabei zu unterstützen. Im Rahmen ihrer Initiative Vetnet – Vet steht für Vocational Education & Training – wird auch am AHK-Standort in Pune die Einführung von Elementen der dualen Ausbildung gefördert. In diesem Herbst startet ein erster einjähriger Lehrgang mit 15 Industriemechanikern, die bei deutschen und indischen Firmen lernen. Für Mitarbeiter wird viel getan Mittelfristig könnten davon auch deutsche Mittelständler profitieren. Für Heinrich Brüllau, Chief Operating Officer bei Schmersal India in Pune, steht fest: „Das Thema Gewinnung von Personal ist der Schlüsselfaktor zum Erfolg in Indien.“ Der 65-Jährige kennt sich im Land bestens aus. Seit 2007 in Indien, zunächst für eine VWTochter, managt er seit 2012 für Schmersal, einen Produzenten von Sicherheitsschaltern für Maschinen und Fahrstühle, den Aufbau eines Werks in Maharashtra im Westen des Landes. 75 Mitarbeiter beschäftigt die Firma, mittelfristig will Brüllau auf 120 aufstocken. „Wir suchen Ingenieure und Mitarbeiter für die Produktion, die wir selbst anlernen. Außerdem bilden wir ab 2016 Industriemechaniker aus“, erzählt er. 5/2015 AUSSEN WIRTSCHAFT 33 32-35 indien 151001-1905 SG.indd Str-3sp:33 2.10.15 14:14 AUSSENHANDEL & INVESTITIONEN [ Personal in Indien ] Probleme, Personal zu finden, hat der Kaufmann nicht. Schmersal arbeitet mit PlacementAgenturen zusammen, die eine Vorauswahl treffen, bevor das Unternehmen die Interviews übernimmt. Online-Jobportale wie Monster nutzt Brüllau nicht. „Da geht man schnell unter in einer Flut von Bewerbungen“, weiß er. Wie viele deutsche Mittelständler profitiert Schmersal vom guten Ruf der deutschen Arbeitgeber, für den diese auch viel tun. Brüllau: „Wir schließen Krankenversicherungen für die Mitarbeiter und ihre Familien ab, geben bei Bedarf Personalkredite, kümmern uns um den Transport zur Arbeit und haben eine gute Kantine.“ Vor allem aber begegne man den Mitarbeitern mit Fürsorge und Respekt. Headhunter helfen Nach Verlagerung des BPW-Firmensitzes von Gurgaon nach Pune musste auch Philipp Bäcker sein Team von fünf Mitarbeitern um Monteure, Vertriebsexperten und Ingenieure vergrößern. Die Monteure fand er über Kontakte zu einem französischen Fahrzeugbauer. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach einem Vertriebsleiter. Erstmals schaltete Bäcker einen Headhunter ein. Mit ihm machte er gute Erfahrungen. „Sechs Kandidaten wurden vorgeschlagen, vier haben wir eingeladen, einer passte perfekt“, sagt Bäcker. Die Firmen profitieren auch davon, dass indische Mitarbeiter binnen eines Monats kündigen können. Den ungewöhnlichsten Coup landete der BPW-Direktor aber in seiner Heimat, wo sich das Unternehmen nach Nachwuchskräften umgeschaut hatte und an der TU Kaiserslautern fündig wurde. Dort Fremde Welt. Das Leben in Indien kann für Expats sehr stressig sein. kommen 90 Prozent der internationalen Studenten aus Indien. Einer von ihnen, ein 26-jähriger Masterstudent aus Pune, der fließend Deutsch spricht, wird Bäcker beim Aufbau der indischen Tochter als Ingenieur unterstützen. Bei der Suche nach Fachkräften hilft deutschen Unternehmen auch das German Centre in Gurgaon bei Neu-Delhi, ein Gemeinschaftsunternehmen von BayernLB und LBBW (siehe Kasten). Dessen Geschäftsführerin Jana Helbig, die den indischen Markt seit Langem kennt, verfügt über ein dicht geknüpftes Netzwerk im höheren Management und hält zudem Kontakt zu deutschen Universitäten ebenso wie zu den zahlreichen Austauschprogrammen. Nur auf einheimisches Personal wollen sich die deutschen Unternehmen nicht verlassen. Vorübergehend werden auch immer wieder Expats aus der Heimat eingeflogen. Doch wer in Indien arbeiten will, braucht gute Nerven. Klima, Verkehr, Umweltverschmutzung und große Mentalitätsunterschiede sind nur einige Herausforderungen. Dennoch nimmt die Zahl der deutschen Arbeitgeber ab, die einen Aufenthalt als besonderen Härtefall einstufen. Martin Wörlein, Partner Unterstützung im German Centre Standort. Das German Centre Delhi Gurgaon unterstützt seit 2008 mittelständische deutsche Unternehmen bei ihrem Engagement in Indien. Die Infrastruktur aus Büro- und Konferenzräumen sowie Serviceleistungen rund um Markteintritt und Tagesgeschäft helfen Firmen, in Indien Fuß zu fassen. Auf Veranstaltungen zu Wirtschaftsthemen oder Social Events – etwa dem Tanz in den Mai – bringt das Zentrum lokale Institutionen und deutsche Firmen zueinander. Das German Centre im Industriegürtel südlich von NeuDelhi ist vom internationalen Flughafen schnell zu erreichen. In einem Ratgeber auf seiner Website hat das German Centre 100 Antworten zu Fragen rund um Arbeitserlaubnis, Visum und Lebenshaltung zusammengefasst. 34 AUSSEN WIRTSCHAFT 5/2015 32-35 indien 151001-1905 SG.indd Str-3sp:34 2.10.15 14:14 Klaus Maier, Gründer der Beratung Maier + Vidorno, die bei der Personalsuche in Indien unterstützt Genau hinschauen. Indische Mitarbeiter sind Kontrollen gewohnt. bei der Anwalts- und Beratungsgesellschaft Roedl in Nürnberg, beobachtet: „Die Zahl der LuxusExpats mit einer Rundum-sorglosEntsendung sinkt auch in Indien deutlich.“ Die Unternehmen schickten verstärkt Young Professionals, um die Gesamtkosten des Aufenthalts zu drücken. Fotos: BASF, Corbis, Maier Ein halbes Jahr Vorbereitung Für die Vorbereitung einer Entsendung hält der Anwalt sechs Monate für realistisch. „Es muss genau geklärt werden, wo die Anstellung erfolgt, ob der Mitarbeiter in der deutschen Sozialversicherung verbleiben kann oder ob er in die indische Rentenversicherung einzahlen muss“, betont Wörlein. Eine für Expats angemessene Krankenversicherung muss stets als Auslandskrankenversicherung abgeschlossen werden. Anders als etwa in den arabischen Staaten müssen Expats in Indien Steuern zahlen. „Der Spitzensteuersatz ist zwar deutlich niedriger als in Deutschland. Dafür gibt es weder die Möglichkeit, pauschale Werbungskosten geltend zu machen, noch ein Ehegattensplitting. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die Steuerlast oft höher ausfällt als zu Hause“, sagt Wörlein. Auch die Kosten für Essen, Trinken und Wohnen sind nicht niedrig. In den großen Metropolen sind die Ausgaben mindestens so hoch wie in einer europäischen Großstadt. Wegen des dichten, oft chaotischen Verkehrs und meist zeitraubender Fahrten sind Expats zudem in der Regel auf Fahrer angewiesen. Reisen Kinder mit, besuchen sie internationale oder deutsche Schulen, die Schulgeld verlangen. „Es muss genau geklärt werden, wer diese Kosten trägt, wie viel Urlaub gewährt wird und wer die Heimflüge zahlt“, rät Wörlein. Philipp Bäcker hat ein kleines Haus mit Garten bezogen. Leicht war die Suche nicht. Seitdem sich immer mehr Automobilzulieferer und Maschinenbauer ansiedeln, hält die Nachfrage mit dem Angebot nicht mehr Schritt. Die Mieten schossen in die Höhe. Nach wie vor fehlt Bäcker die bergische Natur, und die Geduld beim Geschäftemachen wird oft stark strapaziert. Dennoch will er die Erfahrung eines Expats nicht missen und sagt: „Nach Indien könnte ich mir durchaus eine weitere Auslandsstation vorstellen.“ Eli Hamacher „Ich schaue Bewerber dreimal an“ AUSSEN WIRTSCHAFT: Wie schwierig ist es, gutes Personal für Ihre Kunden zu finden? Maier: Wir konzentrieren uns auf Führungsfunktionen im gehobenen Management mit Jahreseinkommen ab gut 20 000 Euro, für die wir ausschließlich Inder suchen. Da haben wir keine Schwierigkeiten. AW: Worauf achten Sie? Maier: Ich schaue mir alle Bewerber dreimal an. Neben Hindi sprechen die Inder Englisch, das vermittelt eine Nähe, die über die kulturellen Unterschiede hinwegtäuscht. AW: Wie machen sich diese bei einer Bewerbung bemerkbar? Maier: Viele Inder erscheinen extrem gut vorbereitet zum Gespräch. Manche präsentieren sogar einen Businessplan, um zu zeigen, was sie alles ändern wollen. Beim zweiten Termin merkt man oft, dass wichtige Kompetenzen fehlen. AW: Worauf kommt es bei Führungskräften an? Maier: In Indien dominiert ein sehr hierarchischer Führungsstil. Die Mitarbeiter erwarten klare Anweisungen. Und für den Chef ist eine engmaschige Kontrolle unerlässlich. AW: Wie sieht es im mittleren Management aus? Maier: Da ist der Markt extrem eng. Die Mitarbeiter muss man oft selbst noch aus- und weiterbilden. 5/2015 AUSSEN WIRTSCHAFT 35 32-35 indien 151001-1905 SG.indd Str-3sp:35 2.10.15 14:14