lesen - Laufmagazin

Transcription

lesen - Laufmagazin
Billigste und wirksamste
Form der Fitness
Die zehn Gebote des Laufens, aufgezeichnet von
Manfred Steffny 2008, sind ein Markstein für Läufer
und Läuferinnen. Jetzt geht es ins Detail.
2. Du sollst deine Ausdauer verbessern!
E
in Schüler, der einen Schlagball in der Sportstunde
30 m weit werfen kann, wird in den seltensten Fällen
mit viel Training 60 m oder doppelt so weit werfen
können. So ist es auch mit der Ausdauer. Wer 10 km in 60
min laufen kann, wird wohl eine halb so schnelle Zeit von
30 min über diese Strecke niemals erreichen können.
Doch durch Training ist auch für weniger Talentierte
vieles möglich. Der Ballwerfer wird vielleicht eines Tages
45 m weit werfen können. Der Läufer wird vielleicht eines
Tages 45 min über 10 km laufen können. Das ist möglicherweise seine limitierte Leistungsfähigkeit. Er wird
Jahr für Jahr trainieren, sich vielleicht noch um 2-3 min
verbessern, aber dann stößt er an seine Grenzen.
Doch die existieren umso weniger, je länger die Distanz wird, mit der er sich beschäftigt. Die Ausdauer lässt
sich sozusagen gesetzesmäßig verbessern. Der Fortschritt
ist an die vorhandene Grundschnelligkeit gekoppelt, die
sich nur geringfügig verbessern lässt. Mit der Länge der
Strecke fällt das Tempo beim Trainierten zwar gleichmäßig, aber nicht rapide ab. Dass dem so ist, empfinden
viele Menschen als Aha-Erlebnis. Dass sie auf einmal
stundenlang an einem Stück laufen können, sehen sie als
Geschenk an, das sie sich erabeitet haben, so schnell in
keiner anderen Sportart erreichbar.
Genau das ist die Faszination des Dauerlaufs bis hin zu
„Marathon und mehr“. Über eine Million Menschen haben es im letzten Jahrzehnt weltweit jährlich geschafft,
diese einst als mörderisch geltenden 42,195 km erfolgreich zurückzulegen. Es werden jedes Jahr mehr. In hochzivilisierten Ländern läuft 1% der Bevölkerung Marathon.
Die Läuferschlangen werden trotz der Karawanen von 2,1
Milliarden Autos weltweit immer länger.
Im Leben heißt es oft, man solle zunächst die eigenen
Stärken ausbauen und dann erst die Schwächen. Tu zuerst, was du kannst! Ist es im Laufen umgekehrt? Nur auf
den ersten Blick würde man dies bejahen. Jeder oder nahezu jeder zwischen 7 und 70 kann 3 x 50 m hintereinaner
relativ schnell laufen oder zehn Kniebeugen machen. Wer
aber kann acht Minuten an einem Stück laufen? Eine Zigarettenlänge sozusagen. Die wenigsten in einer überfütterten und bewegungsarmen zivilisationsgeschädigten
Gesellschaft, mit bald 40% Adipösen von Kindesbeinen
an. Es ist beschämend, dass es weltweit mehr freiwillig
sich vollstopfende Dicke als unfreiwillig am Hungertuch
nagende Menschen gibt. Auf 2 Milliarden Übergewichtige kommen 800 Millionen Unterernährte.
Doch die vorherrschende eklatante Ausdauerschwäche
ist nur ein scheinbarer Makel. Denn in uns schlägt ein nie
schlummerndes, unaufhörlich pochendes Herz, 60 bis 80
Mal in der Minute. Das ergibt mal 100.800 Schläge für den
Tag, knapp 37 Millionen Kontraktionen im Jahr, fast drei
Milliarden Schläge in einem Leben von 80 Jahren. Und
die Kapazitäten dieses, unseres ausdauerndsten Muskels
werden nur eingeschränkt genutzt. Als Ergänzung zu diesem von uns in seinem Wirkungsgrad verdopplungsfähigen Muskel haben wir den Blasebalg Lunge im Leib,
der fünfmal mehr Sauerstoff aufnehmen und verarbeiten
kann, als wir im Sitzen von ihm verlangen.
Das ist die wahre Stärke des „homo sapiens“, dessen
Ausrichtung in die Horizontale geht mit seinem aufgerichteten Körper, dem Blick nach vorne, der freien Brust durch
das Vorhandensein von zwei Händen, die ihn zugleich
zum einzigen erdverbundenen Zweibeiner machen. So
24
Steffnys Lauftipps
Was läuft
Die zehn Gebote des Laufens
Das gesamte Laufwissen kann man in zehn Gebote zusammenfassen. Wichtig ist dabei besonders die Wertigkeit der einzelnen Punkte und die Reihenfolge, wo der
Hebel anzusetzen ist. Wer mehr als zwei dieser Gebote
ungenügend erfüllt, kann seine individuelles Leistungspotenzial nicht erreichen. Die Gebote sind unabhängig vom
Geschlecht und vom Alter.
VON MANFRED STEFFNY
I. Du sollst Dich beim Training ausreichend
auf- und abwärmen.
Muskeln und Organe müssen allmählich an die Belastung angepasst werden, dazu sind mindestens 10 min erforderlich. Oft hat man erst nach 3040 min das Gefühl, wohlig unter Volldampf zu laufen und dass die Trainingswirkung einsetzt. Genauso wichtig ist es, dass die Belastung abklingen muss. Der Puls kann sich so beruhigen und das Nachschwitzen wird
nicht als ungenehm empfunden.
Todsünde: 40 min aus dem Haus raus „kloppen” bis zurück vor die
Haustür.
Lässliche Sünde: Nach dem Training
nicht auslaufen, nur duschen.
II. Du sollst Deine Ausdauer
verbessern!
rung gewachsene Laufschuhe.
Todsünde: Kaputtes oder ungenügendes Schuhmaterial.
Lässliche Sünde: Gymnastik vergessen.
V. Du sollst Dich gesund ernähren und kleiden!
Slow Food statt Fast Food, nachhaltige Kost, vollwertig, aber ohne vegetarisches Diktat, kohlenhydratreich, aber keine Pudding-Diät, fettarm.
aber nicht ohne hochwertige Pflanzenöle, das sind die Stichworte.
In unseren gemäßigten, regenreichen Zonen spielt eine funktionelle Kleidung eine Rolle. Wer stundenlang läuft, sollte seinen Körper ebenso vor
Nässe und Kälte wie auch vor Wärme schützen.
Todsünde: Fettes Essen mit Alkohol und Zigaretten runterspülen.
Läßliche Sünde: Bestzeit mit ein paar Bier feiern.
VI. Du sollst Deine Tempohärte verbessern!
Wer aus dem Anfängerstadium heraus ist, erlernt Tempolaufen zunächst
durch ein schnelleres letztes Drittel beim Dauerlauf, später durch gezielte Tempoläufe im Renntempo, hilfsweise im Gelände durch errechnete
Herzfrequenzbelastung. Eingestreute Läufe über 1.000 m oder 2.000 m
dienen der Anpassung, besser ist ein klassisches MRT-Training über beispielsweise 3 x 5.000 m im Marathontempo bzw. 4 x 2.000 m im 10.000m-Tempo oder 5 x 1.000 m im 5.000-mRenntempo.
Todsünde: Immer nur ein Tempo laufen.
Lässliche Sünde: Zu schnelle Tempoläufe.
VII. Du sollst Deine
Schnelligkeit verbessern!
Egal in welchem Tempo, jeder Schritt ist
wirkungsvoll. Langsames, längeres Laufen
wirkt als homöopathische Dosis für alle Systeme, schnellere Dauerläufe sprechen
Muskulatur und Organe stärker an. Die
rechte Mischung macht es. Für Schritt- und
Rhythmuswechsel beim Gefühl der Gleichmäßigkeit sorgt der Bodenwechsel: Straße, Waldboden, Sand und Gras als Untergrund, auch schon mal die Laufbahn. Die
Dauer: für Marathon 1-3 Stunden, für 10
km 45 bis 90 min.
Todsünde: Nur scharfes Intervalltraining machen.
Lässliche Sünde: In der Trainingsgruppe jedem Tempo folgen.
Wer als Gesunder die 100 m langsamer als
20 sec läuft, kann nicht erwarten, Marathon
unter 3:45 h zu laufen. Auch eine nicht ausgebildete FT-Muskulatur (schnellkräftiger Fasern) muss ausgebildet werden durch Steigerungsläufe und kurze Sprints. Auch leichtes Bergablaufen auf gerader Strecke ist hilfreich. Sprungläufe dienen der Erhöhung der
Schrittfrequenz, Kniehebeläufe verlängern
den Schritt.
Todsünde: Immer nur ein Tempo laufen.
Lässliche Sünde: Nur auf der Straße laufen.
III. Du sollst Dein Körpergewicht regulieren!
VIII. Du sollst Dich ausreichend erholen!
Junge Männer haben einen durchschnittlichen Fettanteil von 15-18%,
junge Frauen von 25-30%. Wer über diesen Werten liegt, sollte abspekken. Bei gut trainierten Langstreckenläufern liegen die Werte unter 10
bzw. 20%, in der Weltelite weit darunter. Der Body Mass Index (BMI) sollte für Marathon-Wettkämpfer unbedingt unter 25 liegen, bei Männern
idealerweise um 20 und bei Frauen zwischen 18 und 20. Umgekehrt gelten Werte unter 18 bei Männern und unter 17 bei Frauen als untergewichtig und leistungsmindernd mit negativen Folgen für zunächst den
Stoffwechsel bis hin zu Ermüdungsbrüchen, bei Frauen einhergehend
mit Menstruationstörungen.
Todsünde: Niemals auf die Waage steigen.
Lässliche Sünde: Unkontrollierte Zwischenmahlzeiten.
Bedenklich ist es, wenn sich beruflicher und familiärer Stress summieren
und Laufstress dazu kommt. In solchen Situationen muss das Lauftraining zurückgeschraubt werden, regenerativ sein. Jede Stunde körperlicher Belastung erfordert gleich lange Ruhezeiten, wobei regelmäßige
leichte Dauerläufe das Schlafbedürfnis herabsetzen können.
Todsünde: Mit Fieber und Verletzung laufen.
Lässliche Sünde: Seinen Ruhepuls nicht kennen.
IV. Du sollst Verletzungen vermeiden!
Wer ein scharfes Training mit Verspannungen, Muskelkater oder Schmerzen als Folge der letzten Belastung beginnt, gefährdet sich. Ein härter
bzw. ein leichterer Trainingstag oder ein Ruhetag sollten sich abwechseln. Belastung und Entlastung müssen in Balance sein, um eine stetige
Entwicklung zu ermöglichen. Dazu gehören auch Aktivitäten wie Gymnastik, Sauna, Massagen und Aquajogging sowie der jeweiligen Anforde-
Julius Schnorr v. Carolsfeld
Steffnys Lauftipps
IX. Du sollst Deine Wettkämpfe sorgfältig planen!
Wer nur Marathon läuft, sollte sich vorher mit mindestens einem Rennen
auf kürzeren Strecken aufbauen. Der 10-km-Spezialist oder Bahnläufer
muss auch die Nachbarstrecken im Griff haben. Erfolgversprechend sind
Schwerpunkte im Frühjahr und Herbst mit gezieltem Aufbau.
Todsünde: Untrainiert bei schönem Wetter spontan nachmelden
Lässliche Sünde: Unüberlegt aussteigen.
X. Du sollst vielseitig sein!
Radfahren und schwimmen bilden die Muskulatur vielseitig aus FitnessTraining kann die Kraftausdauer und Gymnastik die Flexibilität erhöhen.
Lässliche Sünde: Nur laufen.
�
Laufmagazin SPIRIDON 10/08
19
konnte er den biblischen Auftrag „Machet euch die Erde untertan“ erfüllen, übererfüllen, bis ihm nur die Vertikale übrig blieb,
mit sich erhebenden Hochhäusern, Flugzeugen, Raketen und
Satelliten bis zur Cloud des Internets.
Wieder horizontaler werden, sich von vier rollenden Rädern
auf die eigenen Füße zu stellen, ist eine Aufgabe des 21. Jahrhunderts.
„Zum Laufen braucht man nur einen Weg und zwei Beine“,
postulierte Dr. med. Ernst van Aaken, der Vater des langsamen Dauerlaufs, wenige Tage bevor ihm bei einem nächtlichen
Lauftraining im Anschluss an einen langen Arbeitstag in seiner
ärztlichen Praxis beide Beine oberhalb der Knie abgefahren
wurden. Wie Hiob nahm er sein Schicksal hin, gefesselt an den
Schreibtisch schrieb fortan eine Vielzahl von Büchern und Fachartikeln über Laufen und Gesundheit, erreichte schließlich die
Anerkennung des Laufsports für alle, jedes Lebensalter, Kind,
Mann und Frau. Senioren laufen seit 1974 in Toronto bei Weltbestenkämpfen und schließlich Weltmeisterschaften um die
Wette. Frauen durften endlich 1984 erstmalig bei den Olympischen Spielen in Los Angeles Marathon laufen. Diesen letzten
Triumph, den er durch die Organisierung der ersten Marathonläufe nur für Frauen in seinem Heimatort Waldniel als Pionier
vorantrieb, hat van Aaken nicht mehr erlebt.
Sein Waldnieler Ausdauertraining war die Umsetzung von
Schlagwörtern wie „Zwanzig Jahre vierzig bleiben“, „Laufen
von 7 bis 70“ für eine breite Masse, wie es vorher undenkbar
war. Die Dauerlaufwelle ging von Deutschland aus, Anfang der
1970er Jahre war der Schwarzwald-Marathon mit über 2.000
Läufern im Ziel der größte der Welt, mehr als beim Dauerbrenner Boston und Jahre vor dem ersten New York City Marathon
1976. Bill Bowerman, der in den USA als Vater des Joggens galt,
kam erst später und experimentierte übrigens mit einem Intervalltraining auf der Bahn, wo van Aaken schon jedermann und
jederfrau täglich eine Stunde laufen ließ. Sein Grundsatz „Laufe
so, dass du dich stets dabei unterhalten kannst“ gilt noch heuLaufmagazin SPIRIDON 3/15
Steffnys Lauftipps
te, und wer sich daran hält, kann seine
Pulsuhr oder seinen Kilometerzähler
vergessen. So einfach, so simpel ist
das, ohne an irgendwelchen Knöpfen
zu drehen. Der Mensch der Vorzeit hat
sich über Tausende von Generationen
so bewegt, sonst hätte er als Art nicht
überlebt.
Die Ausdauer-Methode musste lange
gegen das von der Sportwissenschaft
favorisierte Intervalltraining ankämpfen, trug dann aber von den Siegerlisten der Olympischen Spiele bis zum
Volkslauf einen weltweiten Siegeszug
an, als Wettkampfform populärer als
Fußball. Daneben ist der Dauerlauf die
billigste und wirksamste Form der Fitness, die biomechanisch das Hirn aktiviert, Arme und Beine im Takt kontinuierlich belastet und die Peristaltik des
Darms in Gang hält. Von Einseitigkeit
keine Spur, vor allem, wenn man in der
Lage ist, die verschiedenen Spielarten
des Dauerlaufs zu beherrschen und vernünftig einzusetzen.
Vor einer gedrängten Darstellung
der fünf Formen des Dauerlaufs sei
erwähnt, dass die Methoden Intervalltraining, Tempolauf, Fahrtspiel in ein
vorherrschendes
Dauerlauftraining
eingebaut werden können, wenn dies
in Maßen erfolgt. Man lasse sich aber
nicht blenden von Leistungsdiagnostikern und Sportausrüstern, die die Welt
der Arbeit auf den Freizeitsport übertragen wollen mit einer Übertechnisierung
und mit dem Ticken ihrer Apparaturen
dem Laufsport die schönsten Werte
nehmen, ja buchstäblich stehlen:
O die Bewegungsfreiheit unabhängig von
Raum und Zeit
O das wiedergewonnene Verhältnis zur
Natur
O die Erweiterung aller fünf Sinne.
Die fünf Spielarten des Dauerlaufs:
Der langsame Dauerlauf:
Bei diesem kommoden Tempo kann
man sich jederzeit gut unterhalten. Im
Allgemeinen sollte man so mindestens
eine Stunde am Stück laufen, um eine
positive Wirkung auf Organismus und
Muskulatur zu erzielen. Der langsame
oder mäßige Dauerlauf (LDL), in USA
LSD genannt wie Long Slow Distance
oder die entsprechende Droge, eignet
sich besonders für den Lauf in Gruppen, weil niemand an seine Grenzen
stößt. Für Anfänger ist er zunächst die
einzige Trainingsform, die man aus kleinen Laufabschnitten mit kurzen Pausen
zusammensetzt. Dabei sollte man Laufstrecke und Pausen nicht durch die Uhr
festlegen, sondern durch die Distanz.
Es geht darum, zeitunabhängig zu werden: bis zur nächsten Laterne, bis zum
dritten Baum, bis zur nächsten Abzweigung. Dann horcht man auch besser
in sich hinein und kann auch die Erholungspause besser dosieren als sich
Laufmagazin SPIRIDON 3/15
Rat + Tat
von der Uhr abhängig zu machen.
Erfahrene Läufer, die 4-5 Mal in der
Woche trainieren, sollten davon zirka
zwei Trainingseinheiten im langsamen
Dauerlauf einplanen.
Ich empfehle, nach dem Lauf das
Befinden nach der Borg-Skala festzuzurren. Diese Skala geht wie ein Thermometer von 10 bis 20. LSD steht für
10-12. Mit einer Null dran kommt man
auf die ungefähre Pulsbelastung, dies
ist aber erfahrungsgemäß ungenauer
als das erworbene Laufgefühl. Nachteil: wer immer so läuft, gewöhnt sich
einen Dauerlaufschlappschritt an und
achtet vermutlich auch wenig auf seine
Laufhaltung. Nicht wenigen Menschen
ist diese Form des Laufens einfach zu
langweilig, man kann sich aber daran
gewöhnen.
Der Supersauerstofflauf:
Dieser ist zwar noch langsamer als
LDL, aber erst für erfahrene Läufer und
Läuferinnen in den Griff zu bekommen.
Hier geht es um Durchflutung des Köpers mit Sauerstoff, die Wirkung auf
Organe und aktive Beinmuskulatur ist
gering, jedoch wird bei einer langen
Einheit der Fettstoffwechsel aktiviert
und die Kapillarisierung der Beinmuskulatur gefördert. Das Blut wird nicht
schnell durch den Körper gejagt, sondern kann in den feinen Verästelungen
verweilen und diese mit Sauerstoff
versorgen. Bei Ermüdung und Überlastung, etwa bei einem Marathonlauf,
hat man so z.B. durch Schrittwechsel
einsetzbare Reserven. Der Supersauerstofflauf (SSL) kann zwei, drei und mehr
Stunden andauern. Er wird oft verwechselt mit einem schnellen Long Jog, der
eher ein Testlauf ist. Borg-Skala 10.
SSL kann als Regenerationslauf vor
oder nach einem Wettkampf oder bei
Verspannungen in der Muskulatur, Sehnen- oder Knieschmerzen als kürzerer
Lauf eingesetzt werden. Dann spricht
man eher von „langsamen Joggen“
von zirka 30 min. Wird von manchen
praxisfernen
Leistungsdiagnostikern
als wirkungslos bezeichnet wie auch
die Homöopathie von manchen Ärzten.
Der mittlere Dauerlauf:
Er ist das eigentliche Brottraining des
Dauerläufers. Er stellt eine DreiviertelBelastung ausgehend von der 1.000-mBestzeit dar. Wer die nicht weiß, kann
sie ermitteln, indem er/sie die 10-kmBestzeit durch zwölf teilt. MDL bringt
Muskulatur und Organismus auf Trab,
verbrennt in erster Linie Kohlenhydrate. Wenn ich von Dauerlauf als 300-Tage-Trip im Jahr spreche oder schreibe,
so veranschlage ich 200 Tage (entsprechend zwei Drittel) für den MDL. Dauer: im Allgemeinen 60 bis 90 min. Bei
längeren Läufen in diesem Tempo wird
auch der Fettstoffwechsel trainiert. Auf
der Borg-Skala ist die Einstufung 13-15.
Nachteil des mittleren Dauerlaufs:
man läuft sich immer nur die Kohlenhydrate runter und gewöhnt sich an einen
Einheitsschritt.
Schneller Dauerlauf:
Alles ist relativ. Für den Anfänger
in einer MDL-Gruppe ist dies oft schon
ein schneller Dauerlauf. Diesen grenzt
man ein durch das Atem-Empfinden.
Man kann sich noch so eben unterhalten. Die langsameren Spielarten sind
allesamt klar aerob = Laufen mit dem
Sauerstoff, der SDL (das S kann auch
für submaximal stehen) ist an der anaeroben Schwelle, die im Allgemeinen
gut spürbar ist, jedenfalls besser als
messbar nach Laborwerten. Kann man
nicht mehr voll durchatmen und zugleich beginnen Waden und/oder Stirn
zu brennen, läuft man im anaeroben
Bereich, der nichts mit Dauerlauf zu tun
hat. Am besten kann man dies beim
Berganlauf testen, wo man schnell zum
Gehen gezwungen wird, wenn man in
den anaeroben Bereich kommt.
Ein vernünftiger schneller Dauerlauf
sollte zwischen 45 und 60 min Dauer
liegen. Er sollte von erfahrenen Läufern höchstens einmal in der Woche
eingeschaltet werden, am besten in ein
Fahrtspiel eingekleidet werden oder in
ein Crescendo. Vorteil: Schub für alle
Systeme, zwingt auch zu einem sauberen ökonomischen Laufstil. Nachteil:
Übertraining, macht anfällig für Verletzungen. Borg-Skala: 16-18.
Crescendo:
Dies ist für erfahrene Läufer die Mischung aller vier genannten Typen des
Dauerlaufs. Für erfahrene Langstreckenläufer ein wichtiges Trainingsmittel
in der Vorbereitung auf Rennen über 5
und 10 km oder Crosslauf. Je nach Leistungsstand auf einer Runde von 2,5 bis
4 km abzuwickeln. Erste Runde Supersauerstofflauf, zweite Runde langsamer
Dauerlauf, dritte Runde MDL und vierte
Runde SDL. Der Übergang ist fließend
und nicht ohne Weiteres auf Anhieb erlernbar. Die Runde (bitte keine Wendepunktstrecke, die wirkt irritierend beim
Crescendo) kann durchaus kupiert
sein.
Es ist hilfreich, die jeweiligen Rundenzeiten oder auch das Tempo mit
der GPS-Uhr zu vergleichen. Wird im
Frühjahr mit dieser Trainingsform begonnen, kann man auch durch Stoppen
der letzten Rundenzeit eine Formverbesserung oder –verschlechterung feststellen. Höchstens alle 14 Tage und mit
jeweils fünf Tagen Abstand nach und
vor einem Rennen einsetzbar. Auf der
Borg-Skala eine 18. Fertig? Nein, bitte
das erste Gebot beachten!
Diese Darstellung der Trainingsformen gilt für den läuferischen Alltag.
Die Wettkampfplanung kommt erst im
9. Gebot.
Dennoch soll hier eine weitere Form
des Trainings genannt werden: MRT, das
Marathon-Renntempo. Dieses sollte in
der Vorbereitung auf einen Marathon
eingeübt werden. Es liegt zwischen MDL
und SDL und auf der Borg-Skala bei 15.
25