können Sie das gesamte Interview herunterladen
Transcription
können Sie das gesamte Interview herunterladen
Tengelmann informiert Im Gespräch für den Nachhaltigkeitsbericht 2011 der Unternehmensgruppe Tengelmann: Prof. Dr. Maximilian Gege und Karl-Erivan W. Haub Erhalten, bewahren und an zukünftige Generationen weitergeben Prof. Dr. Maximilian Gege: Herr Haub, vor 22 Jahren habe ich hier in Mülheim mit Ihrem Vater gesprochen, der damals vom WWF und der Zeitschrift Capital mit dem Titel „Ökomanager des Jahres“ ausgezeichnet worden war. Das war nicht die einzige Auszeichnung, die er erhalten hat, denn Erivan Haub hat sich stets für den Umwelt- und Naturschutz eingesetzt und viele Pionierleistungen im Handel gehen auf ihn zurück. Welche Werte hat Ihnen Ihr Vater vermittelt? Karl-Erivan W. Haub: In erster Linie wurde uns vermittelt, stets verantwortungsvoll mit den uns anvertrauten Ressourcen umzugehen, sei es mit der Natur oder mit materiellen Gütern. Ein sehr alter Leitsatz in unserer Familie lautet: „Haben kommt von Halten.“ Damit ist ein umsichtiges Wirtschaften gemeint, das darauf basiert, nicht alle Gewinne abzuschöpfen, sondern sie ins Unternehmen zurückfließen zu lassen, um stets die Mittel zu haben, um mit Kreativität, Engagement und Fleiß das Unternehmen voranzubringen und einen Mehrwert für die nachfolgenden Generationen zu schaffen. Diese Haltung ist im besten Sinne nachhaltig und gilt mittlerweile in der fünften Generation. Gege: Sie haben im Jahr 2000 die Leitung für das Unternehmen in Europa übernommen und sich sogleich als Turnaround-Manager bewährt, indem sie es durch eine schwere Krise geführt und ökonomisch wieder erfolgreich gemacht haben. Das ist ein entscheidender Punkt, den man nicht vergessen darf: Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn ein Unternehmen ökonomisch erfolgreich ist. Haub: Das ist richtig. Kurz vor der Jahrtausendwende war unser Unternehmen aufgrund einer wirtschaftlich schwierigen Phase nicht mehr in der Lage, sich wie zuvor auf den Umweltschutz zu fokussieren. Wir mussten uns zunächst vollkommen auf die Restrukturierung konzentrieren. Unser Unternehmen hat zwei Weltkriege, zwei Weltwirtschaftskrisen, die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt. Dabei haben wir eines gelernt: Veränderungen geschehen – wir müssen uns darauf einlassen und erfinderisch bleiben. Deshalb begreifen wir den Online-Trend nicht als Gefahr, sondern als Chance und richten einen Teil unserer Strategie darauf aus. Gege: Der Textildiscount KiK, der zur Unternehmensgruppe Tengelmann gehört, ist in den letzten Jahren durch sein nicht nachhaltiges Wachstum in die Kritik geraten. Haub: KiK steht wie kein anderes Unternehmen im Fokus der kritischen Öffentlichkeit. Das ist zum Teil berechtigt, weil KiK sehr schnell gewachsen ist und in den Expansionsjahren die Berücksichtigung anderer Faktoren zu kurz gekommen ist. Andererseits existiert ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich Discount und Nachhaltigkeit ausschließen. Wahr ist, dass sich das Discountprinzip konsequent nach den Wünschen seiner Kunden ausrichtet und dies mit einem hohen Maß an Effizienz und der Realisierung von 2 Mengenvorteilen verbindet. Auch der erste Nachhaltigkeitsbericht von KiK zeigt, dass Qualität und Verantwortung durchaus mit dem Discount-Prinzip vereinbar sind. Gege: Sie expandieren ja gerade mit KiK und OBI stark nach Osteuropa. Gelten die Umwelt- und Sozialstandards der Unternehmensgruppe auch dort? Haub: Unsere Verantwortung endet nicht an den Grenzen unseres Betriebsgeländes. Aber in Osteuropa, wo man sich dem Thema erst ganz langsam nähert, ist Grünstrom z. B. noch gar kein Thema, wir können also unsere Filialen nicht damit versorgen. Aber das wird hoffentlich eine der nächsten Entwicklungsstufen sein können. Gege: Und wie sieht es mit der Verantwortung in den Herstellungsländern aus? Haub: Durch unsere internationalen Lieferantenbeziehungen standen wir ja schon immer in einem regen Austausch mit Geschäftspartnern in anderen Ländern. Früher kauften wir Kaffee und Kakao ein, heute sind es T-Shirts, Bohrmaschinen, Spielwaren und viele andere Konsumgüter. Es gehört zu unseren Aufgaben, auch darauf zu achten, dass diese Produkte unter Einhaltung von sozialen Mindeststandards und der Berücksichtigung gesetzlicher Arbeitsnormen gefertigt werden. Gege: Sie haben den Klimawandel als die große Herausforderung unserer Zeit definiert und sich auf die Fahnen geschrieben, die CO2-Emissionen Ihres Unternehmens zu senken. Seit 2006 erheben Sie für alle nationalen und europäischen Aktivitäten der gesamten Unternehmensgruppe eine Emissionsbilanz, das ist eine sensationelle Maßnahme und auch hier sind Sie Vorreiter im Handel! Der letzte veröffentlichte Klimabericht der Unternehmensgruppe bildet das Jahr 2009 ab – warum? 3 Haub: Wir erstellen die Klimabilanz jährlich und veröffentlichen sie alle zwei Jahre. In diesem Jahr werden neben OBI, TEDi und Kaiser’s Tengelmann auch wir als Unternehmensholding es KiK gleichtun und unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Dieser enthält auch die Angaben aus der Klimabilanz 2011 und wird im Zweijahresrhythmus neu erstellt. Daher werden wir von nun an alternierend fortfahren: im kommenden Jahr veröffentlichen wir eine neue Emissionsbilanz und im darauf folgenden Jahr die aktuellen Nachhaltigkeitsberichte. Gege: Mit der Veröffentlichung Ihrer ersten Klimabilanz des Jahres 2006 haben Sie sich selbst verpflichtet, im Rahmen der europäischen Aktivitäten der Unternehmensgruppe, die Klimaziele des Kyoto-Protokolls zu erfüllen und die CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Dem Klimabericht entnehme ich, dass Sie bereits jetzt 16,2 Prozent an CO2Emissionen einsparen. Wenn Sie schon so weit sind, könnte und sollte Ihr Ziel für 2020 deutlich ehrgeiziger sein. Haub: Wir müssen selbstkritisch zugeben, dass diese relativ große Einsparung vor allem der Umstellung auf zertifizierten Grünstrom zuzuschreiben ist. Wenn wir als Unternehmen jedoch wachsen, wenn wir mehr Standorte bauen und diese, wie im Lebensmittelbereich, umfangreiche Kühlanlagen benötigen, dann steigt automatisch der absolute Energieverbrauch, und das wirkt sich negativ auf unsere Emissionsbilanz aus. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir hauptsächlich nach Osteuropa expandieren, wo wir keinen Grünstrom beziehen können. Gege: Das ist es eben – Sie sind in vielem schon sehr gut, aber Sie brauchen eine ausgefeilte Energieeffizienzstrategie für die gesamte Unternehmensgruppe, also eine Analyse, welche Maßnahmen in welchen Bereichen eine relevante Einsparung von Energie und damit von CO2Emissionen und letztendlich auch von Kosten zeigen würden. Hier sehe ich in der Unternehmensgruppe noch viel Potenzial. 4 Haub: Ich stimme Ihnen zu, dass es in der gesamten Unternehmensgruppe noch Einsparungspotenziale gibt. Und Ihre konstruktive Aufforderung, uns noch ehrgeizigere Ziele zu setzen, nehme ich aus unserem Gespräch gerne mit. Im Moment arbeiten wir ja daran, alle Maßnahmen, die wir im Nachhaltigkeitsbericht definieren und darstellen, auch umzusetzen und gut zu dokumentieren. Und anschließend werden wir uns zusammensetzen und überlegen, wo wir in fünf Jahren zum 150. Jubiläum der Unternehmensgruppe stehen wollen. Dafür wünsche ich mir eine große, sichtbare Idee, die wir der Öffentlichkeit und auch unseren Kunden gut vermitteln können. Gege: Mit dem Tengelmann Klimamarkt hier in Mülheim haben Sie ja in Bezug auf die Senkung von CO2-Emissionen ein echtes Leuchtturm-Projekt für den Handel geschaffen: der Klimamarkt läuft CO2-neutral. Wie kommunizieren Sie das nach außen? Haub: Wir behalten das Know-how, das in den Klimamarkt eingeflossen ist, nicht für uns, sondern machen diesen Markt interessierten Besuchern zugänglich und erklären, wie er funktioniert. Seit 2008 haben wir weit mehr als 100 Besuchergruppen durch den Markt geführt: Wettbewerber, Ingenieure, Studenten und Schulen. Auch die Bundeskanzlerin hat ihn im Jahr 2009 besucht und war fasziniert davon, dass hier CO2 genutzt wird, um Kühlgeräte zu betreiben. Mit diesem Klimamarkt wollten wir etwas in Bewegung setzen, ganz im Sinne der Philosophie meines Vaters, der sagte: „Wir können die Welt nicht alleine verändern, aber wir können ein Beispiel geben und Anreize setzen.“ Und wenn die Mitbewerber sehen, dass eine Maßnahme funktioniert und nachziehen, dann sind wir froh darüber. Gege: Sind denn weitere Klimamärkte geplant oder sind „Bausteine“ aus dem Klimamarkt auch in anderen Märkten zu finden? Haub: Ja, wenn wir neu bauen oder umbauen, setzen wir unsere Erfahrungen aus dem Klimamarkt um. Da wir die meisten Märkte jedoch nur 5 als Mieter nutzen, haben wir nur begrenzte technische Möglichkeiten. Wir können die Kühlanlagen verschließen, und Wärmetauscher einbauen, aber die Außenanlagen und das Dach können wir nicht nutzen, um z. B. Glasflächen zu integrieren oder eine Photovoltaikanlage zu installieren. Gege: Sie bewegen ja auch im reinsten Wortsinn viel: Warentransporte aber auch die Dienstwagenflotten sind ein großer Faktor in Ihrem Unternehmen. Was unternehmen Sie denn im Bereich der nachhaltigen Mobilität? Haub: Also zunächst einmal freuen wir uns, dass wir mit OBI und KiK bei den transportbedingten CO2- Emissionen recht gut abschneiden. OBI kauft sehr viel regional ein und KiK transportiert fast alles per Schiff und Bahn ins Zentrallager nach Bönen. Erst von dort werden die Waren per LKW in die Filialen gebracht. Um bei solchen Transporten Treibhausgasemissionen zu verursachen, testen möglichst wir geringe verschiedene Möglichkeiten. So schafft TEDi gerade den ersten Elektro-LKW an. Auch für unsere Dienstwagenflotte gibt es seit Ende 2011 neue CO2-optimierte Regelungen. Darüber hinaus testen wir mit dem Opel Ampera derzeit ein Elektrofahrzeug, von dem ich persönlich begeistert bin! Gege: Als Händler haben Sie die große Chance, das Umweltbewusstsein der Konsumenten positiv zu beeinflussen. Sie stehen täglich mit Millionen von Menschen am Point of Sale im Kontakt. Sie können den Kunden zeigen, was Sie als Händler für den Umweltschutz tun und sie gleichzeitig dazu auffordern, ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Haub: Da will ich Ihnen gar nicht widersprechen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass unser Engagement für das Klima schwer erfahrbar zu machen ist. Um es plakativ auszudrücken: die Solarzellen auf dem Dach sieht der Kunde nicht – Auslistungen von Produkten, wie zu Zeiten meines Vaters, werden hingegen direkt bemerkt und die Gründe dafür, das Engagement für die Umwelt, werden dadurch vermittelbar. 6 Gege: Für jeden Privathaushalt gilt dasselbe wie für ein großes Unternehmen: Energiesparmaßnahmen bedeuten auch eine finanzielle Ersparnis – und zwar jeden Monat. Hier sehe ich einen Vermittlungsansatz für den Klimaschutzgedanken gegenüber Ihren Kunden. Haub: In diese Richtung zielen bereits einige Maßnahmen. So hat OBI beispielsweise eine Broschüre zum Thema Energieeffizienz herausgegeben und in den Märkten erhält man natürlich auch die Produkte, die das Energiesparen in privaten Haushalten erleichtern. Gege: Wie sehen Sie als Händler eigentlich die Frage des Kulturwandels? Für die Produkte, die Sie verkaufen, benötigen Sie ja Ressourcen. Was geschieht, wenn Sie an die Grenzen der Ressourcen stoßen und Sie den Konsumenten vermitteln müssen, dass es manche Güter nicht mehr gibt? Haub: Da bin ich ganz optimistisch, dass es diese Grenze nicht gibt. Ich habe 1978 begonnen in St. Gallen zu studieren, und meine erste Seminararbeit über den Club of Rome und die Grenzen des Wachstums geschrieben. Schon damals war ich der Ansicht, dass dem Erfindungsreichtum der Menschen keine Grenzen gesetzt sind. Und es ist unsere Aufgabe als Händler, mit Herausforderungen kreativ umzugehen. Wir werden irgendwann das Meer anders nutzen. Wir werden die großen brachliegenden Flächen auf der Welt zu kultivieren lernen. In Amerika sind wir zum Beispiel an einer Firma beteiligt, die Gewächshäuser auf den großflächigen Läden und Lagern baut und dort Gemüse züchtet. Ich glaube, dass wir immer neue Wege der Produktion finden werden, vor allem auch mit anderen Materialien. Auch die Nutzungsdauer von Produkten hat sich sehr verändert – letztlich ist Ebay ein gigantisches Recyclingportal. Wohnungssharing im Urlaub, Carsharing, Leihfahrräder ... all das leistet einen Beitrag zum nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen. Gege: Wie beurteilen Sie die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens in Deutschland? 7 Haub: Hier in Deutschland haben wir den größten Sprung hin zu einem allgemeinen Umweltbewusstsein schon gemacht. Es sind andere Länder, wie Indien, China, die Länder Osteuropas, die noch davor stehen und deren Entwicklung weltweit den größten Einfluss auf die Umwelt haben wird. Unsere Aufgabe sehe ich heute im Wesentlichen darin, ein Vorbild für die anderen zu sein. Gege: In diesem Sinne wünsche ich Ihnen weiterhin viel Kreativität und Durchhaltevermögen. Haub: Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit all unseren Unternehmen auch weiterhin bestrebt sein werden, das Thema Nachhaltigkeit ernsthaft umzusetzen, und bedanke mich herzlich für das Gespräch. 8