Erfahrungsbericht - Student und Arbeitsmarkt
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Erfahrungsbericht - Student und Arbeitsmarkt
Erfahrungsbericht Praktikumsorganisation: Mid Devon District Council, Tiverton Branche: Forward Planning & Conservation (Stadt – und Regionalplanung) Zeitraum: 01. März bis 02. Juni 2011 Wohnmöglichkeit: Zimmer in einer Gastfamilie in Exeter Praktikumsbetreuer: Liz Pickering, Principal Forward Planning Officer Vor meinem Bachelorabschluss im Fach Geographie beschloss ich ein Auslandspraktikum zu absolvieren, um meine Chancen auf einen Masterstudienplatz zu erhöhen. Ich entschied mich für Großbritannien, um meine Englischkenntnisse wieder aufzufrischen und weil mich das Land interessierte. Ich werde demnächst ein Masterstudium im Bereich Stadt- und Raumplanung beginnen, weswegen ich unbedingt in diesem Bereich praktische Erfahrungen sammeln wollte. Ich durchsuchte zunächst Praktikumsbörsen im Internet und schrieb mehrere Unternehmen in ganz Großbritannien an. Grundsätzlich sollte man mindestens ein halbes Jahr im Voraus mit der Suche nach einer Stelle beginnen. Studienbedingt war ich sehr kurzfristig auf Stellensuche und geriet nach mehreren Absagen unter Zeitdruck. Daraufhin wendete ich mich an den Career Service der LMU „Student und Arbeitsmarkt“, welcher mir bei der Praktikumssuche half und die Vermittlungsagentur „Totnes European School“ in Devon beauftragte. Anhand meiner Präferenzen wurde mir durch diese Organisation innerhalb kurzer Zeit ein Praktikum sowie ein Zimmer in einer englischen Gastfamilie vermittelt. Ich absolvierte das Praktikum im ländlichen Distrikt Mid Devon im dortigen Hauptort Tiverton. Die englischen Distrikte stehen eine Verwaltungsebene unter den Countys und könnten somit etwa mit den bayrischen Regierungsbezirken verglichen werden. Ich arbeitete in der „Forward Planning & Conservation“ Abteilung, welche alle Planungsvorhaben im Distrikt verwaltet und den Bewohnern Hilfestellung und Beratung anbietet. Die Abteilung gibt u.a. Dokumente heraus, die Planungsrichtlinien enthalten und Privatpersonen sowie Firmen als Handlungsempfehlung dienen. Des Weiteren werden etwa Baugenehmigungen erteilt oder Denkmalschutzgebiete ausgewiesen. Insgesamt ist das Arbeitsfeld der „Forward Planning & Conservation“ Abteilung als sehr vielseitig anzusehen. Ich arbeitete größtenteils an einem Projekt namens „Townscape Character Assesment“, das eine geographische Analyse aller im Distrikt Mid Devon befindlichen Gemeinden beinhaltete. Eine meiner Hauptaufgaben bestand darin, Pläne von allen Siedlungen anzufertigen. Vor Ort unterteilte ich das Gebiet in Siedlungstypen, um anschließend Karten zu erstellen bzw. bestehende Karten abzuändern. Ich notierte ferner Infrastrukturmängel jeglicher Art im Bezirk und hielt diese auf Fotoaufnahmen fest. Das Projekt erforderte insgesamt auch viel Recherchearbeit, welche ich hauptsächlich im Internet durchführte. Neben weiteren Aufgaben begleitete ich dieses Projekt bis zum Ende meines Praktikums. Parallel begann ich an einem weiteren Projekt zu arbeiten: Die „Green Infrastructure Strategy“. In diesem Projekt mussten alle verschiedenen Grünräume im Bezirk identifiziert und für jede Gemeinde eine anschauliche Karte erstellt werden. Neben öffentlichen Grünräumen sollten etwa Naturschutzgebiete sowie Rad- und Wanderwege in der nahen Umgebung der Siedlungen visualisiert werden. Im Anschluss werden diese Karten den Bewohnern als Informationsmaterial zur Verfügung stehen sollen gleichzeitig zu einem rücksichtsvolleren Umgang mit der Natur anregen. Im Gegensatz zum Townscape Projekt erfolgte diese Arbeit ausschließlich im Büro unter Einsatz von ArcMap, da die benötigten Daten bereits zur Verfügung standen und nicht mehr erhoben werden mussten. Meine im Studium erworbenen Kenntnisse in ArcGIS waren in diesem Projekt besonders nützlich, da ich selbständig die mir erteilten Aufgaben erfüllen konnte. Wenn ich neben den Hauptprojekten noch Zeit fand, unterstützte ich weitere Kollegen. So musste etwa in einem der Dörfer ein Denkmalschutzgebiet nach bestimmten Kriterien neu festgelegt werden. Nach einer Begehung des Untersuchungsgebiets legte ich also die Grenzen des Gebiets fest und schlug außerdem neue Gebäude vor, die meiner Meinung nach denkmalschutzwürdig sind aber noch keinen Schutzstatus besitzen. Insgesamt wurden alle Erwartungen, die ich an das Praktikum hatte, erfüllt und zum Teil weit übertroffen. Auch wenn drei Monate kein besonders langer Zeitraum sind, möchte ich behaupten, sehr viel Nützliches für meine berufliche Zukunft gelernt und bereits Bekanntes neu aufgefrischt zu haben. Ich war 37 Stunden wöchentlich beschäftigt und immer mit Arbeit ausgelastet. Die zu erfüllenden Aufgaben waren anspruchsvoll und interessant, allerdings immer im Rahmen des Möglichen, sodass ich nie unter zu hohem Druck stand. Während des gesamten Praktikumszeitraums wurde ich von meinen Kollegen stets als gleichwertiger Mitarbeiter behandelt. Alle gaben sich vom ersten Tag an Mühe, mich in Ihr Team zu integrieren, indem sie mich zu Teammeetings mitnahmen und in private Gespräche verwickelten. Niemals wurde ich um stupide Tätigkeiten gebeten wie etwa Kopieren oder Kaffee kochen. Nach kurzer Besprechung mit meinen Kollegen arbeitete ich zumeist selbständig an den Projekten und unterrichtete meine Vorgesetzten im Zweifelsfall über Unklarheiten oder Fehler. Ich empfand die Atmosphäre in der Abteilung äußerst angenehm und entspannt, denn alle Mitarbeiter hatten ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Die Kollegen waren mir gegenüber in jeder Hinsicht immer äußerst freundlich und hilfsbereit. So nahm mich beispielsweise eine Kollegin täglich in ihrem Auto zur Arbeit mit, sodass ich nicht auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen war. Zum Teil überraschte mich das zuvorkommende Verhalten gar, als ich zum Beispiel das Handy, welches ich für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellt bekam, auch privat nutzen durfte. Ich kann das Mid Devon District Council zweifelsohne als Praktikumsstelle empfehlen. Ich habe vor dem Praktikumsbeginn keinen Sprachkurs belegt. Meiner Meinung nach reichen die an bayrischen Gymnasien erworbenen Englischkenntnisse aus, um sich in England zu Recht zu finden. Zudem zeigen sich die meisten Engländer verständnisvoll gegenüber Ausländern und sprechen sehr deutlich. Mit meiner Unterkunft in Exeter hatte ich anfangs etwas weniger Glück: In den ersten drei Wochen meines Aufenthalts teilte ich mir mit einem anderen Studenten ein Zimmer in der Gastfamilie, obwohl dies – wie sich später herausstellte – von meiner Vermittlungsagentur nicht so vorgesehen war. Als mein Zimmergenosse das Haus verließ, hätte ich mir erneut ein Zimmer teilen müssen, woraufhin ich mich bei Totnes European School beschwerte und eine neue Gastfamilie vermittelt bekam. In der neuen Unterkunft fühlte ich mich sehr wohl. Ich bekam ein eigenes Zimmer inklusive Bad und Toilette und hatte eine gute Wireless – Internetverbindung. Da ich im Souterrain wohnte, hatte ich zudem ausreichend Privatsphäre und trat nur während des Abendessens mit den Familienmitgliedern in Kontakt. Die Gasteltern waren hilfsbereit und stets freundlich, sodass ich ein gutes Verhältnis zu diesen aufbauen konnte. Das Essen war größtenteils gut und in den meisten Fällen ausreichend. Jedoch sollte man bedenken, dass die Wohnsituation und die von den Gasteltern aufgestellten Regeln in anderen Familien stark davon abweichen können. Wer auf eigene Faust eine Unterkunft sucht, dem empfehle ich das Portal Gumtree, auf dem neben Wohnmöglichkeiten auch Stellengesuche und weitere Kleinanzeigen zu finden sind (www.gumtree.com). Für all diejenigen, die gerne unter jungen Leuten leben möchten: Die Gegend um die Mount Pleasant Road in Exeter ist sehr beliebt unter Studenten. Laut Wikipedia zählt Exeter zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität in Großbritannien. Dies kann ich aus meinen Erfahrungen nur bestätigen. 300 km südwestlich von London in der Grafschaft Devon gelegen, ist die Stadt umgeben von reizvollen Landschaften und schönen Stränden. Der Nationalpark Dartmoor befindet sich nur wenige Meilen westlich der Stadt. Neben den in Wikipedia aufgelisteten Sehenswürdigkeiten würde ich zusätzlich die Exeter Underground Passages (Mittelalterliche Passagen unter der High Street), die historische Quayside sowie einen Besuch des Universitätscampus empfehlen. Am Campus besteht zudem die Möglichkeit, sich für diverse Sportangebote anzumelden. Im dortigen Northcott Theatre finden regelmäßig Theateraufführungen statt. Exeter bietet für seine bescheidene Größe von 115.000 Einwohnern ein abwechslungsreiches und ausgiebiges Nachtleben, was hauptsächlich der Universität zu verdanken ist. Entlang der High Street und Sidwell Street befinden sich mehrere Pubs und Diskotheken. Letztere schließen in der Regel bereits um 2 Uhr morgens. Besonders zu empfehlen ist die Bar Diskothek Timepiece, die Bar (Restaurant) Old Firehouse und das Pub The Imperial. In der Regel liegen alle Attraktionen in der Ortsmitte und sind fußläufig erreichbar. Leider wohnte ich am äußersten Stadtrand, sodass ich auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen war. Ein Single Ticket mit dem Stadtbus kostet 2 Pfund, ein Tagesticket 4 Pfund. Nach 23 Uhr verkehren keine Busse mehr, auch nicht am Wochenende. Glücklicherweise stellte mir meine Gastfamilie ein Fahrrad zur Verfügung, sodass ich nicht mehr von den öffentlichen Verkehrsmitteln abhängig war. Der nächstgelegene Strand liegt ungefähr 15 km südlich von Exeter: Der Küstenort Exmouth, das Tor zur Jurassic Coast, ist mit dem Zug in ca. 20 min zu erreichen; ein Tagesticket kostet 3,70 Pfund. Weitere empfehlenswerte Tagesausflüge von Exeter aus sind Topsham, Torquay, Brixham, Paignton, Plymouth, Dartmouth, Sidmouth, Seaton, Beer und in jedem Fall der Nationalpark Dartmoor. Alle Ziele sind abgesehen vom Nationalpark entweder mit dem Bus (1 Stagecoach Explorer Ticket – gültig für ganz Devon – kostet 6,90 Pfund) oder mit dem Zug zu erreichen. Für den überregionalen Transport würde ich Megabus empfehlen (www.megabus.co.uk). Wer rechtzeitig bucht, kann beispielsweise schon für 10 Pfund nach London und zurück reisen. Besonders ratsam ist dies auch für die Anreise aus Deutschland, denn in den meisten Fällen ist Exeter über einen Flug nach London und einer anschließenden Busreise am günstigsten zu erreichen. Obwohl ich, wie eingangs erwähnt, ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Arbeitskollegen hatte, verabredete ich mich wegen des großen Altersunterschieds nie mit diesen in meiner Freizeit. Glücklicherweise lernte ich zu Beginn in der ersten Unterkunft andere Studenten aus dem Ausland kennen, zu denen ich den Kontakt bis zum Ende meines Praktikums hielt. Auch über meine zweite Unterkunft konnte ich weitere soziale Kontakte knüpfen. Freundschaftliche Kontakte zu gleichaltrigen Engländern konnte ich dagegen nicht herstellen; alle meine Freunde waren aus dem europäischen Ausland und studierten oder arbeiteten in Exeter und Umgebung. Dies ist nicht ungewöhnlich, denn die meisten Studenten aus dem Ausland kommen allein und sind auf der Suche nach sozialen Kontakten. Leider werden oftmals Studenten durch Vermittlungsagenturen in Familien geschickt, in denen sich keine weiteren Bewohner befinden. Von Treffmöglichkeiten mit Austauschstudierenden oder Praktikanten vor Ort habe ich nichts erfahren. Allerdings nutzten einige meiner Freunde den Besuch eines Sprachkurses am Exeter College unter anderem als Kontaktbörse. Die Lebenshaltungskosten in Großbritannien sind etwas höher als in Deutschland. Deutliche Unterschiede sind etwa bei Fleischprodukten oder bei alkoholhaltigen Getränken zu erkennen. Wer ungern auf deutsche Lebensmittel verzichten möchte, sollte Aldi und Lidl aufsuchen. Beide Supermärkte stellen oftmals eine günstigere Alternative zu den britischen Supermärkten dar, sind jedoch seltener anzutreffen als etwa Tesco und Sainbury’s. Eine britische SIM-Karte erhält man problemlos bei den meisten Mobilfunkanbietern wie etwa Orange. Vor der Abreise sollte man sich informieren, zu welchen Konditionen man mit der deutschen EC-, bzw. Kreditkarte Geld abheben kann. Ich konnte mit meiner deutschen Kreditkarte an jedem Geldautomat in England kostenlos Geld abheben. Dies ist jedoch nicht bei jeder Bank in Deutschland möglich. Wie ich zu Beginn erwähnte, empfehle ich jedem Studenten möglichst viel Vorbereitungszeit für das Praktikum einzuplanen und die Praktikumsstelle und eine Unterkunft zunächst einmal selbst zu suchen. Ich hatte großes Glück mit der Praktikumsstelle und auch die zweite Unterkunft war letztlich zufriedenstellend. Eine Vermittlung ist jedoch zum Einen sehr kostspielig und zum anderen sollte man sich bewusst sein, dass das Leben in einer Gastfamilie immer Einschränkungen im privaten Bereich mit sich zieht und daher nicht mit der Wohnsituation in einem Wohnheim oder einer Wohngemeinschaft zu vergleichen ist. Der Auslandsaufenthalt in England stellt für mich eine großartige Erfahrung dar. Meine Erfahrungen sind aber lediglich persönliche Erlebnisse und ich kann daher keine generalisierenden Aussagen über Lebensgewohnheiten und Arbeitsbedingungen in Großbritannien treffen. Allein der Umzug innerhalb Exeters zeigte mir, wie unterschiedlich die Lebensverhältnisse in Familien sein können. Die Arbeit im Mid Devon District Council bereitete mir große Freude und bestätigte in jedem Fall meine Studienwahl und mein Berufsziel. Durchaus könnte ich mir vorstellen, die im Praktikum ausgeübten Tätigkeiten auch längerfristig in ähnlicher Form fortzusetzen. Die während des Praktikums erworbenen Fähigkeiten werden sowohl für das anstehende Masterstudium als auch für das darauf folgende Berufsleben sehr nützlich für mich sein. Zudem konnte ich meine Englischkenntnisse verbessern, insbesondere das Vokabular in den beruflich relevanten Themengebieten. Zu guter Letzt habe ich neue Freunde gefunden, mit denen ich hoffentlich nun auch über die Praktikumszeit hinaus noch lange in Kontakt bleiben werde.