Artikel zum Thema auch als PDF - Schwerhoerigen-Netz
Transcription
Artikel zum Thema auch als PDF - Schwerhoerigen-Netz
Thema HÖRG Die Gesundheitsreform gerät unter Druck. Die Kosten steigen rasant. Das Thema beleuchtet diesmal, wie die Lage bei der Hörgeräteversorgung ist, und welche Anforderungen durch die wachsende Flut an Gesetzen und Bestimmungen zu bewältigen sind. Beiträge von Sabine Grehl, Ilse Grinz, Thomas Moser, Michael Gerber, Dr. Robert Weber und Stephan Wilke DIAGNOSE: Schwerhörigkeit Von Sabine Grehl, Sozialpädagogin/Audiotherapeutin Wenn der HNO-Arzt einem Spätschwerhörigen – damit gemeint ist ein Mensch, dessen Hörverlust im Erwachsenenalter eingetreten ist – das erste Hörsystem verordnet, sind meist schon fünf, zehn oder sogar 15 Jahre vergangen, seit sich herausgestellt hat, dass Hören und Verstehen Probleme bereiten. Die Diagnose Schwerhörigkeit und die notwendige Hörgeräteversorgung werden nun zur Herausforderung für den betroffenen Menschen. Ich fasse kurz zusammen, was für den ersten Eindruck wichtig ist: Ihr Hörgeräte-Akustiker sollte fachlich und sozial kompetent sein und Sie vor Ort gut beraten, auf Ihre Fragen eingehen und Ihnen die Hörgeräteauswahl gut und verständlich erklären. Und Sie selbst sollten den Akustiker gut verstehen können. WAS IST ZU TUN? Listen Sie die Adressen der Hörgeräte-Fachgeschäfte auf und treffen Sie die Wahl zunächst nach dem Standort. Für ältere Menschen ist bestimmt wichtig, ob das Geschäft in der Nähe zum Wohnort ist, oder ob der Akustiker Hausbesuche macht. Denken Sie daran, dass der Akustiker Sie über die Lebensdauer des Hörgerätes in der Regel sechs Jahre lang betreuen wird mit Schallschlauchwechsel, Reparaturen, weiteren Anpassungen, Ohrpassstückwechsel. Dann sind die eigene Mobilität und die Länge des Weges die Parameter für die Wahl des Hörgeräte-Fachgeschäftes. Wie bei jeder Erkrankung sollte sich der mündige Patient umfassend informieren: Fragen Sie Ihren HNO-Arzt, bitten Sie um Aufklärung und Information. Weitere Möglichkeiten bieten Fachliteratur, Ratgeber, das Internet, Selbsthilfeorganisationen bzw. Beratungsstellen, die auf die Problemlagen Hörgeschädigter spezialisiert sind. DER WEG ZUM HÖRGERÄT Die Autoren im Thema v.o.l.n.r.: Sabine Grehl, Ilse Grinz, Thomas Moser, Michael Gerber, Dr. Robert Weber, Stephan Wilke DSBreport Wenn der HNO-Arzt die ärztliche Verordnung für ein Hörgerät ausgestellt hat und Sie sich umfassend über Ihre Hörminderung informiert haben, gehen Sie nun auf die Suche nach Ihrem Hörgeräte-Akustiker. Die Hörgeräteversorgung über den so genannten verkürzten Versorgungsweg – also via Internet oder Großhandel – sollte für alle „Einsteiger mit Hörgerät“ tabu sein, auch für jene hörgeschädigten Menschen, die technisch nicht so versiert sind und auf Serviceleistungen vor Ort, wie z.B. Beratung, Reparatur und Wartung, Feinanpassung angewiesen sind. 8 WIE FINDE ICH MEINEN HÖRGERÄTEAKUSTIKER? Mit der Hörgeräteverordnung suchen Sie nun das Akustikerfachgeschäft auf und wünschen eine unverbindliche Beratung. Anhand der vorliegenden Messdaten (Audiogramm) kann der Hörgeräte-Akustiker verschiedene Hörgeräte empfehlen. Lassen Sie sich auch die finanziellen Belastungen und den Service erläutern, wenn Sie sich über das eine oder andere Hörgerät informieren. Vergleichen Sie Angebote und Leistungen auch mit den Angeboten anderer Hörgerätefachgeschäfte. GERÄTEVERSORGUNG Gesetze, Bestimmungen und Kosten: die Regelungen sind bundesweit uneinheitlich und ohne Beratung oft nicht zu durchschauen. Bei Hörgeräten besteht keine Preisauszeichnungspflicht. Die Preise einzelner Hörgeräte müssen Sie daher erfragen. Service und Preise differieren von Geschäft zu Geschäft zum Teil erheblich. Der Akustiker hat Ihnen mindestens drei Hörgeräte empfohlen, darunter sollte mindestens ein Gerät sein, bei dem Sie keine Zuzahlung leisten müssen (Hörgeräte zum Festbetrag). Beim Vergleich der Angebote lernen Sie verschiedene Fachgeschäfte, deren Service und Hörgeräte-Akustiker kennen und treffen dann die Entscheidung für den Akustiker Ihrer Wahl. Der Akustiker wird Ihnen nun das Hörgerät Nr. 1 anpassen, und Sie werden das Hörgerät „Probe tragen“. Auch Ohrpassstücke werden nun notwendig. Nach der Erstanpassung und dem obligatorischen Hörtest mit Hörgerät sollten Sie zusammen mit dem Akustiker die Einstellung nochmals unter anderen Bedingungen überprüfen: z.B. im Gespräch außerhalb des schallisolierten Raumes, in welchem die Anpassung erfolgte. Verlassen Sie auch kurz das Geschäft und testen Sie die Hörwahrnehmung auf der Straße. Ist der Klang unangenehm, werden die Geräusche als zu laut empfunden, dann sollte gleich eine „Nachbesserung“ bis hin zur Einstiegsanpassung vorgenommen werden. Je komplizierter die Hörschädigung ist, desto mehr Zeit benötigt der Akustiker für die Anpassung. Informieren Sie sich genau und umfassend über Funktionen und Bedienung des Hörgerätes und üben Sie diese mit dem Akustiker ein. WIE FINDE ICH DAS RICHTIGE HÖRGERÄT? Sie haben das Hörgeräte-Fachgeschäft gewählt, sind im Besitz Ihrer ärztlichen Verordnung für eine Hörhilfe und auf der Suche nach dem für Sie geeigneten Hörgerät. Der Akustiker wird Sie nun fachgerecht beraten und konkrete Leistungen erbringen. Die Beratung wird durch Inanspruchnahme der Leistung verbindlich. Gegebenenfalls wird erneut eine Hörprüfung durchgeführt. Schildern Sie die für Sie wichtigsten Hörwünsche im privaten Leben, im Beruf und/oder beim Hobby. Bereits hier stellt sich heraus, über welche Funktionen das Hörgerät verfügen muss. Auch die Entscheidung zur Bauart – Im-Ohr-Gerät (IO) oder Hinter-dem-Ohr-Gerät(HdO) – ergibt sich nun. Sie sollten ausführlich über Ihre Erwartungen sprechen und diese wenn nötig korrigieren, wenn die Hörwünsche nicht realistisch sind. Ist die Erstanpassung abgeschlossen, dann beginnt die Ausprobe – so wird das Probetragen der Hörgeräte genannt –, am besten mit einem Hörtagebuch. Dokumentieren Sie Ihre Hörwahrneh- mung und bewerten Sie diese in den unterschiedlichsten Hörsituationen. Beziehen Sie Freunde und Angehörige in die Ausprobe mit ein, bewerten Sie gemeinsam die Hörerfolge. Nutzen Sie auch Einrichtungen der Selbsthilfe, Beratungsstellen oder die Erfahrung von Audiotherapeuten. Werten Sie diese Hörerfahrung beim nächsten Akustikerbesuch aus und gegebenenfalls erfolgt die erste Feinanpassung. Das Probetragen der Hörgeräte sollte mindestens eine Woche umfassen. Dann folgt die Ausprobe des zweiten vom Akustiker empfohlenen Hörgerätes, danach des dritten Hörgerätes mit gleichem Prozedere. Legen Sie eine Pause ein, bevor Sie zum nächsten Hörgerät wechseln. Auch der Akustiker dokumentiert den Hörerfolg nach Hörgeräteeinstellung, Anpassmessung, Sprachverständnis und Hörgewinn. Nach dem Probetragen werden Sie ein ausführliches Gespräch mit dem Akustiker führen und sich für ein Hörgerät entscheiden – oder weitersuchen (müssen). Der HNO-Arzt wird nach erfolgreicher Ausprobe die Versorgung befürworten. Nach der so genannten Einstiegsanpassung sind häufig weitere Feinanpassungen erforderlich, bis die optimale Hörgeräte-Einstellung erreicht ist. Beachten Sie auch, dass bei langjähriger unversorgter Schwerhörigkeit das Hören mit Hörgerät erst erlernt werden muss. DSBreport 3/06 9 Thema HÖRGERÄTEVERSORGUNG FINANZIERUNG VON HÖRGERÄTEN ABENTEUER Hörgeräteversorgung Die gesetzliche Krankenversicherung ist als Reha-Träger nach Sozialgesetzbuch V verpflichtet, Menschen bei Schwerhörigkeit mit Hörhilfsmitteln zu versorgen, die notwendig und geeignet sind, um die Hörbehinderung ausreichend auszugleichen. Im gleichen Gesetzbuch sind für Hörhilfen Festbeträge vorgesehen. Derzeit gilt für die medizinische Grundversorgung ein bundeseinheitlicher Festbetrag von maximal 421,28 Euro für ein Hörgerät (HdO- oder IO-Gerät). Wählt der Betroffene ein höherwertiges Hörgerät, sind Zuzahlungen fällig. Das trifft bei hochgradig schwerhörigen Menschen sowie bei Menschen mit komplizierten Hörverlusten in aller Regel zu. In solchen Fällen muss nachgewiesen werden, dass eine höherwertige Hörgeräteversorgung notwendig ist bzw. dass zum Festbetrag nicht im ausreichenden Maße versorgt werden kann. Aus dem Alltag einer Beratungsstelle Von Ilse Grinz, Beratungsstelle für Schwerhörige und Ertaubte Essen Die Hörgeräteversorgung in Deutschland wird für Betroffene, aber auch für die Beratungsstellen und deren Mitarbeiter immer schwerer durchschaubar. Ob Erst- oder Neuanpassung, es wird immer komplizierter. Denn Festbetragsregelungen, Zuschussregelungen anderer Kostenträger und die Höhe der Selbstbeteiligung sind für Laien in der Regel nicht mehr durchschaubar. Es gibt keine genaue Aufschlüsselung der Kosten für Hörgeräte, Anpassung und sonstige Leistungen. Und das macht es für den Betroffenen schwer nachvollziehbar, warum er für seine Hörgeräte oftmals eine hohe Zuzahlung zu leisten hat. Wenn er dann noch feststellen muss, dass er genau diese Hörgeräte an anderer Stelle wesentlich günstiger bekommen hätte, dann ist die Verzweiflung und Wut vieler Betroffener gut zu verstehen. >> Einheitliche Regelungen in den Bundesländern fehlen! << Bei Hörverlust stellt die Hörgeräteversorgung Betroffene oft vor eine Herausforderung Nutzen Sie Hörgeräte zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit oder stehen Sie in Ausbildung, dann können Sie bei einem weiteren Rehaträger einen Antrag auf Kostenübernahme/Kofinanzierung stellen: bei der Deutschen Rentenversicherung oder bei der Bundesagentur für Arbeit. Bei zutreffender Begründung kann einer dieser anderen Rehaträger die Zuzahlung oder gar die Gesamtkosten für eine Hörhilfe übernehmen. Auch das Integrationsamt/die Hauptfürsorgestelle kann als nachrangiger Kostenträger zur Finanzierung von Hörhilfen beitragen, wenn damit ein Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geschaffen oder erhalten wird, und wenn andere Rehaträger diese Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben versagt haben. Die Verfahrensweise bei der Bearbeitung der Anträge ist kompliziert und von Bundesland zu Bundesland verschieden. Beratungsstellen, Integrationsfachdienste, Servicestellen unterstützen Sie bei der Antragstellung. >> Die Finanzierung der Hörgeräte sollten Sie genau mit dem Akustiker absprechen. << DSBreport 10 Dass die Zuzahlungskriterien der Krankenkassen, der Integrationsämter, der Rententräger usw. in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden, es oft sogar regionale Unterschiede in einem Bundesland gibt, macht die Sache nur noch komplizierter. Hilfe und Unterstützung von außen gibt es kaum. Der Schwerhörige wird mit seinem Problem nur allzu oft alleine gelassen. >> Zähe und langwierige Widerspruchsverfahren erschweren die Lage der Antragsteller<< In den ehrenamtlich geführten Beratungsstellen des DSB versuchen unsere DSB-Berater, den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Aber auch für uns wird es immer schwieriger, den Dschungel an Bürokratie, die oft willkürlichen Ablehnungen von Kostenübernahmen seitens der Kostenträger usw. noch zu verstehen. Lange Widerspruchsverfahren sind heutzutage trauriger Alltag. Eine vernünftige Kostenregelung mit Aufschlüsselung der einzelnen Kosten wäre für alle Beteiligten wünschenswert. Wenn z.B. eine hochgradig schwerhörige Hausfrau und Mutter von zwei Kindern mit neuen Hörgeräten versorgt werden muss, dann kann das zu einer langwierigen Angelegenheit werden. Die Frau war mit Hörgeräten zum normalen Festbetrag nicht zu versorgen. Vergleichende Hörtests des Akustikers und des HNO-Arztes belegten dieses deutlich. Dennoch war die Krankenkasse nicht bereit, die Differenz der Kosten zwischen Festbetragsgerät und tatsächlich geeignetem Hörgerät zu bezahlen. Sie berief sich auf die Festbetragsregelung, wonach jeder Schwerhörige mit Hörgeräten zum Festbetrag ausreichend und zweckmäßig versorgt werden könne. Anderslautende Argumente wurden nicht akzeptiert. Erst ein Widerspruchsverfahren mit Einschaltung eines Anwalts brachte die Krankenkasse dazu, die gesamten Kosten zu übernehmen. Dieses war jedoch als Einzelfallentscheidung der Krankenkasse anzusehen, was aus dem Bescheid auch eindeutig hervorging. >> Zuzahlungen der Krankenkassen sind nicht zu erwarten << Dieses ganze Verfahren hat so lange gedauert, dass in absehbarer Zeit bereits eine neue Hörgeräteversorgung notwendig wird. Es ist damit zu rechnen, dass der Kampf um eine vernünftige Hörgeräteversorgung dann wieder von vorne beginnt. Besonders „interessant“ kann es werden, wenn ältere Menschen erstmals mit Hörgeräten versorgt werden müssen. Da kann es schon einmal passieren, dass Senioren sich die für sie geeigneten Hörgeräte zusammensparen müssen, um wieder besser hören zu können. Denn Zuzahlungen seitens der Krankenkassen über den Festbetrag hinaus sind für Rentner nicht zu erwarten. Widerspruchsverfahren werden durch die Betroffenen in der Regel gar nicht erst angestrengt. Ein älterer Herr um die 85 (Heimbewohner) wird erstmalig mit Hörgeräten versorgt. Schnell wird klar, dass er aufgrund seines hohen Hörverlustes mit Festbetragsgeräten nicht ausreichend versorgt >> Eine verbesserte Preispolitik ist notwendig << Eine unvernünftige Preispolitik und die ausbleibende Nachsorge durch einen Audiotherapeuten führen dazu, dass dieser ältere Herr um ein Stück Lebensqualität gebracht wird. Jetzt mag mancher argumentieren, das seien doch an den Haaren herbei gezogene Einzelfälle. Leider handelt es sich jedoch um den „ganz normalen Wahnsinn“ in einer Beratungsstelle für Schwerhörige und Ertaubte. MEINE SICHT auf die (HdO)-Hörgeräte-Kinderversorgung Von Thomas Moser Nach der Diagnose „Schwerhörigkeit“ erfolgt die Anpassung von HdO- (Hinterdem-Ohr) Geräten. Allgemein gilt: >>Hörgeräte können trotz laufender Verbesserung der Technik (digital) das normale Hörvermögen nicht (wieder) herstellen<< Die Erstanpassung sollte nur bei einem Pädakustiker mit Unterstützung durch die Uni-Klinik erfolgen. Gerade bei Kindern ist es wichtig, dass eine erfahrene Person die Erstanpassung vornimmt. Während Erwachsene Rückmeldungen über ihren Höreindruck geben können, muss bei Kindern auf kleinste Verhaltens- und Bewegungsreaktionen geachtet werden. Anfahrten in eine Uni-Klinik (mind. drei- bis viermal pro Jahr) sollten die Eltern nicht scheuen, um eine optimale Anpassung zu erreichen. Nach den Vorgaben der Krankenkassen sind bei der Anpassung mehrere HdOGeräte auszuprobieren (Trageversuche von digitalen Hörgeräten). Bei Kindern erfolgt die Anpassung im Freifeld mit der so genannten Spielaudiometrie. Für Kinder bis ca. 14 Jahre sind nur HdO-Geräte geeignet, da ihr Gehörgang noch wächst. Die Kinder brauchen regelmäßig neue Ohrpassstücke, um ein Abdichten des wachsenden Gehörgangs zu gewährleisten. Die Kinder-Otoplastiken werden vorwiegend aus weichen Materialien gefertigt. Ein Herausfallen der Hörgeräte bei raschen Körperbewegungen (z.B. beim Herumtoben) ist mit weichen Materialien unwahrscheinlicher, da weiche Otoplastiken „anschmiegsamer" sind. Allerdings gibt es Fälle von Allergien gegen die weichen Otoplastiken. Thema werden kann. Vergleichsanpassungen des Akustikers bestätigen das. Dennoch ist die Krankenkasse nicht bereit, die Differenz zwischen Festbetrag und geeignetem Gerät zu übernehmen. Der Senior ist leider aufgrund seiner finanziellen Situation nicht in der Lage, eine Zuzahlung zum Festbetrag zu leisten, sodass er sich aus der Not heraus mit Festbetragsgeräten versorgen lässt. Ein Widerspruchsverfahren lehnt er ab; er findet sich damit ab, dass er in „seinem Alter eben nicht mehr richtig hören kann“. Da er mit den Festbetragsgeräten nicht gut zurecht kommt und ihm auch die laufenden Batteriekosten zu teuer sind, liegen die Hörgeräte immer häufiger im Nachtschrank und werden nur noch zu besonderen Gelegenheiten hervorgeholt. Dass hier trotz Hörgeräteversorgung eine Verständigung kaum möglich ist, liegt auf der Hand. Wichtig ist es, dem Ohrengang nach dem Baden und beim Schlafen genügend Zeit zum Auslüften/Trocknen zu geben. Die Pflegeanleitungen der HdO-Geräte (feuchtigkeitsempfindlich) sind zu beachten. Kostenübernahme bzw. Finanzierung bei Kindern durch die Krankenkasse Gemäß SGB sollten Kinder von der Zuzahlung befreit sein. Die Realität sieht nach meinen Erfahrungen anders aus. Die Krankenkassen haben mit den Akustikern bzw. den Innungen so genannte Kinderverträge über die HdO-Kinderversorgung abgeschlossen. Darin werden dem Akustiker quasi Festbeträge vorgeschrieben, innerhalb derer er sich bewegen kann. Wir als Eltern Anzeige DSBreport 3/06 11 können diese Verträge nicht einsehen, obwohl hier die Leistungen für unsere Kinder beschrieben werden. Der Akustiker wählt anhand des Befundes der Uni-Klinik geeignete HdO-Geräte aus. Er weist auf eine mögliche Zuzahlung hin, falls das Kind ein Gerät aus dem den Festbetrag übersteigenden Topf auswählt. Hier haben mich schon Eltern angesprochen, ob der Akustiker überhaupt die Geräte anbietet, die dem Befund entsprechen oder ob er nicht nur die Geräte anbietet, bei denen keine Zuzahlung zu leisten ist, um dem Kindervertrag gerecht zu werden. Sucht er aber unterschiedlich passende Geräte raus, und ist das Kind nach den Trageversuchen mit einem „hochpreisigen“ Gerät am besten versorgt (auch bestätigt nach den Aussagen der mit dem Kind arbeitenden Personen wie Kindergärtnerin, Lehrer, Logopäden etc.), kommt er in eine Breduollie. Laut Kindervertrag sollte er diese Geräte ja kostenlos abgeben, wer gleicht ihm aber die Mehrkosten gegenüber dem Festpreis aus? Wir Eltern sind dann erstaunt, wenn eine Zuzahlung von mehr als 2000 Euro gefordert wird. Viele Eltern können das aber nicht zuzahlen (alle fünf Jahre werden neue Hörgeräte fällig). >> Hier wird meiner Meinung nach zu kurz gedacht << Hier haben die Krankenkassen das Problem auf die Akustiker und Eltern geschoben. Gibt es Differenzen, ziehen sich die Krankenkassen auf den Vertrag zurück, den die Eltern nicht einsehen dürfen, und der Akustiker hat den schwarzen Peter. Sprachentwicklung, Schulbesuch und die Ausbildung des Kindes sind von dieser Versorgung abhängig. Bei einer Versorgung nach Krankenkassen-Meinung fallen später bei der Beschulung (Internatsunterbringung ca. 1.000 Euro/Monat) und Arbeitsvermittlung wesentlich höhere Kosten an, als die Krankenkasse einspart. Das zahlen aber andere Kassen. Hier ist eine Zusammenarbeit im Sinne des Kindes m.E. zwingend notwendig. Die Sozialkassen sollten hier tätig werden, um unsere Kinder später zu Einzahlern und nicht zu Beziehern aus diesen Kassen zu machen. DSBreport 12 Foto: Fördergemeinschaft Gutes Hören Thema HÖRGERÄTEVERSORGUNG Hörtest macht offensichtlich Spaß RECHT und BILLIG? Eine Bewertung der Festbeträge für Hörgeräte aus audiotherapeutischer Sicht Von Michael Gerber, Audiotherapeut Nun ist also endlich passiert, was in langwierigen Gerichtsverfahren vom Bundesverfassungsgericht (BVG) erst höchstrichterlich verordnet werden musste: die längst fällige (jährliche) Überprüfung der Festbeträge für Hörhilfsmittel! In seinem Urteil vom 17.12.2002 (Az: 1 BVL 28/95, 29/95, 30/95) stellte das BVG nämlich u.a. fest, dass über regelmäßige Überprüfungen die Festbeträge dem veränderten Marktgeschehen anzupassen sind (Randziffer 115), weil nur dadurch letztlich bewirkt werden könne, dass die Versorgung Betroffener mit ausreichenden, zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als ,Sachleistung' gewährleistet ist (Randziffer 147). Während Hörgeräte vor 1988 frei verkäuflich waren und deren Kosten von den Krankenkassen grundsätzlich voll übernommen wurden, erfolgte mit der ersten Stufe der so genannten ‚Gesundheitsreform’ ab 1989 ein Wechsel in der Bewilligung der Hörhilfen über Festbeträge. Das Hörgerät wurde im Wege dieser einschneidenden Strukturreform einseitig zum Hilfsmittel erklärt und mit eher willkürlichen, denn fachkompetenten Kriterien versehen. Diese erlauben dem BERATUNG Alle DSB-Beratungsstellen finden Sie stets aktuell im Internet unter: www.schwerhoerigen-netz.de/beratung. Informationen über die nächste DSB-Beratungsstelle in Ihrer Nähe erhalten Sie über die Geschäftsstelle des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V., Breite Straße 23, 13187 Berlin, Tel.: 030 / 47 54 11 14, Fax: 030 / 47 54 11 16 Gesetz- bzw. Verordnungsgeber eine Klassifizierung der Hörhilfen unterschiedlichen Profils in Festbetragsgruppen. Die so eingeordneten Hörhilfen wurden von den zuständigen Gremien dann noch einmal mit regional unterschiedlichen Festbeträgen belegt. Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) von 1992 sowie dem Neuordnungsgesetz zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-NOGs) von 1997 erfolgten weitere Einschnitte zulasten betroffener Hörgeschädigter mit der Konsequenz, dass die ursprünglich neun Festbetragsgruppen sich letztlich auf drei Gruppen reduzierten. Die Festbeträge wurden sogar noch einmal abgesenkt und Betroffene dürfen die neuerdings obligatorische ‚Aufzahlung’ von 10 Euro pro Hörgerät leisten. Von den bereits erwähnten höchstrichterlichen Vorgaben unberührt setzten im Dezember 2004 die Spitzenverbände der Krankenkassen schließlich eine gemittelte bundeseinheitliche Pauschale von 421,28 Euro für ein- bzw. zweikanalige Hörgeräte fest. Bei der Versorgung beider Ohren gibt es von diesem Pauschalbetrag einen Abschlag von 20 Prozent für die zweite Hörhilfe. Unwesentlich höhere Festbeträge gibt es nur noch für weniger gebräuchliche so genannte ,Knochenleitungshörbügel’ und kombinierte Tinnitus-/Hörgeräte, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Die Festbeträge wurden im Dezember 2005 der nunmehr gebotenen jährlichen Überprüfung unterzogen mit dem Ergebnis, dass die im Jahre 2004 festgesetzten Pauschalsätze weiterhin für ausreichend erachtet wurden! Dabei hat sich in der vorangegangenen Anhörung beim Dennoch stellten die KrankenkassenSpitzenverbände in ihrer offiziellen Presseerklärung vom 16.12.2005 geradezu triumphierend fest: „...dass in fünf Bereichen die qualitativ hochwertige Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln zum Festbetrag wirtschaftlich möglich ist“, hätten sich insoweit: „Festbeträge (....) auch im Bereich der Hilfsmittel als ein geeignetes Instrument zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven erwiesen“. Da frage ich mich als Betroffener und Audiotherapeut mit langjähriger schwerhöriger Erfahrung, auch in der Beratungspraxis, was läuft hier eigentlich? Steht etwa die von den Kostenträgern gerne hervorgehobene Wirtschaftlichkeit letztlich über dem vom BVG bestä- tigten Sachleistungsgebot der ausreichenden, zweckmäßigen und qualitativ hochwertigen, zuzahlungsfreien Hörgeräte-Versorgung? Gewiss mag es in der Versorgung leichter und mittelschwerer Hörschäden Fälle geben, in denen Hörhilfen mit überdimensioniertem ‚Luxus’ befrachtet sind und eine Kostenbegrenzung zur Entlastung der Versicherten-Gemeinschaft über Festbeträge durchaus gerechtfertigt ist. Doch kann dies noch lange kein ernsthaftes Argument dafür sein, sämtliche Hörschäden auf den kleinsten gemeinsamen (Kosten-)Nenner zu reduzieren! Denn unter Fachleuten ist eigentlich unbestritten, dass jeder Hörschaden individuell ist und insoweit auch individuell mit Hörhilfen versorgt werden muss. Zum Festbetrag von 421,28 Euro lässt sich dies allenfalls eingeschränkt realisieren, wie die leidige Versorgungspraxis immer wieder zeigt. In den Genuss der rechtlich verbrieften ausreichenden, zweckmäßigen und qualitativ hochwertigen Hörgeräte-Versorgung kommen nämlich längst nicht alle GKVVersicherten. Dies belegte bereits eindrucksvoll die ‚Stiftung Warentest’ in ihrer groß angelegten Marktanalyse zu den Hörhilfen im Januar 2000. Zu ähnlichen Einsichten gelangte der Heil- und Hilfsmittel-Report der Gmünder Ersatzkassen (GEK) vom Juli 2004, der auch nach der Rechtsprechung des BVG ausdrücklich von einer Unterversorgung bei der Verordnung von Hörgeräten für Schwerhörige spricht und empfiehlt, die Festbeträge an den Grad der Schwerhörigkeit anzupassen. Wie sind nun die eher einseitig verordneten Festbeträge im Verhältnis zum Rechtsanspruch der ausreichenden, zweckmäßigen und qualitativ hochwertigen Versorgung mit der Sachleistung Hörhilfsmittel zu bewerten? Wie verhält es sich mit der im Sozialgesetzbuch (SGB) IX verbrieften Teilhabe betroffener Hörbehinderter am gesellschaftlichen Leben? Zunächst einmal ist festzustellen, dass die bereits erwähnte FestbetragsgrupAnzeige Thema Bundesminister für Gesundheit (BMG) weder den Vertretern der Bundesinnung der Hörgeräte-Akustiker (BIHA) noch den Abgesandten des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) erschlossen, auf welche Daten sich die Überprüfung überhaupt gründet. Thema HÖRGERÄTEVERSORGUNG pen-Regelung für Hörhilfen unter den Positionsnummern 13.20.01 bis 13.20.03 ein- bzw. zweikanalige (IO) Im-Ohr- und (HdO) Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte als festbetragsfähigen Standard festlegt. Wobei bei den einkanaligen Geräten hohe und tiefe Töne in einem Kanal analog über die elektrische, batteriebetriebene Steuerung des Mikrofons verstärkt werden, während beim 2-Kanal-Gerät hohe und tiefe Töne über jeweils getrennte Kanäle laufen. Dieser Standard bezieht sich in der Regel auf analoge, analog-digital programmierbare und einfache digitale Hörgeräte mit der Zusatzkomponente einer automatischen Lautstärkenbegrenzung (AGC = Automatic Gain Control). Die Funktionsweise dieser Hörgeräte ist im Regelfall darauf ausgelegt, den aufgetretenen Hörverlust eines Betroffenen linear, also in der Bandbreite des menschlichen Hörspektrums zwischen 125 und 8000 Hertz zu verstärken. Diese Geräte sind bei einer reinen Schallleitungsstörung ein durchaus probates therapeutisches Hilfsmittel bei leichten bis mittelgradigen Hörschäden. Hiermit lassen sich nämlich die meist durch Fehlbildungen bzw. Fehlfunktionen des äußeren Ohres oder des Mittelohres hervorgerufenen Durchleitungsstörungen der akustischen Schallereignisse relativ problemlos ausgleichen und somit auch versorgen. Mit dieser Hörhilfe wird das vorher eher als leise und gedämpft empfundene Hören je nach Hörverlust in seiner Lautstärke ,auf ganzer Linie’ zwischen den Frequenzen von ca. 500 bis ca. 6000 Hertz um bis zu 50 Dezibel (dB) angehoben und in unvermeidlichen Schallspitzen durch die bereits erwähnte AGC in ihrer Lautstärke begrenzt. Damit soll verhindert werden, dass das verbliebene Restgehör nicht zusätzlich geschädigt wird. Archiv statt Papierkorb Um alte und neue Materialien (alte und neue Verbands- und Vereinsrundschreiben, Zeitschriften, Bücher, Broschüren, Diplomarbeiten, Vorträge, Aufsätze, Fotos, Briefe, Erfahrungsberichte, Gedichte, Privatnachlässe etc.) zur Behindertenbewegung (Schwerpunkt: Schwerhörigkeit/Ertaubung) bittet auch weiterhin das Behindertenarchiv Wellinghofer Str. 44 44263 Dortmund (Hörde) Tel.: 0231/41 22 42, Fax: 0231/41 05 98 E-Mail : behindertenarchiv@t-online.de Internet : www.behindertenarchiv.de DSBreport 14 Weitaus schwieriger und komplexer ist die akustische Versorgung von Schallempfindungsstörungen, also Schädigungen des Innenohres, einschließlich der Haarsinneszellen oder der nachgehenden Hörnervenbahnen. Noch komplizierter ist die Kompensation von kombinierten Störungen der Schallleitung und der Schallempfindung Betroffener. Sämtliche dieser die Hörfunktion wesentlich beeinträchtigenden und meist irreparablen Hörstörungen treten im Allgemeinen durch Überreizung in permanenten Lärmsituationen, durch Durchblutungsstörungen im Innenohr oder im Halswirbelbereich auf. Sie können ferner als Folge von Infektionskrankheiten oder durch toxische Nachwirkungen von Medikamenten oder Umweltgiften ausgelöst werden. In diesen Versorgungsfällen reicht eine ,einfache’ lineare Schallverstärkung nicht aus oder wirkt gar verschlimmernd, weil bei den ungleichmäßigen Hörverlusten in einzelnen Frequenzen sehr schnell die Unbehaglichkeitsgrenze des Hörens erreicht werden kann. Wie überhaupt Menschen mit Schallempfindungsstörungen nicht selten auch lärmempfindlich sind, insbesondere, wenn der (Diskriminations-)Bereich zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle gering ist. Konkret gemeint ist hier die Spanne zwischen dem, was ein betroffener Hörgeschädigter (gerade) noch hört und den (verstärkten) Schallereignissen, die im Ohr anfangen, unangenehm zu werden oder gar weh zu tun. Die bekanntesten Schallempfindungsbzw. Innenohrstörungen sind die so genannte Alters- und Lärmschwerhörigkeit mit unterschiedlich steilen Abfällen im Hochtonbereich ab 1500 Hertz sowie die bekannte Hochtonsenke, dem auffälligen Einschnitt der Hörkurve bei 4000 Hertz, meist hervorgerufen durch Knalltraumata oder ständigem Dauerlärmeinfluss im Metall verarbeitenden Gewerbe oder in Diskotheken. Ferner rechnen dazu die Tieftonschwerhörigkeit sowie asymmetrische Hörverluste. Diese Hörschäden sind insofern gravierend, weil derartige Hörstörungen sehr häufig das Spektrum des Sprachverstehens, der so genannten ,Sprachbanane’, berühren, also den Bereich zwischen ca. 25 dB und ca. 60 dB in der Frequenzbreite von ca. 500 bis ca. 6000 Hertz. Anders als bei den Schallleitungsstörungen verläuft die Resthörkurve bei Schall- empfindungs- bzw. kombinierten Hörverlusten in den seltensten Fällen linear, sondern sind die Höreindrücke des Betroffenen in den einzelnen Frequenzen recht unterschiedlich. Demnach geht es hier also weniger um eine Modulation von laut und leise, als vielmehr um eine so genannte ,Fehlhörigkeit’, weil eben nicht mehr alle Schalleindrücke, die für das akustische Verstehen von gesagten Informationen notwendig sind, durchgängig zur Verfügung stehen. Eine lineare Verstärkung des Schalls reicht zur Kompensation dieser Hörschäden allein nicht mehr aus. Nach den leidvollen Erfahrungen vieler Betroffener lassen sich sämtliche dieser schwereren Hörstörungen mit den so genannten ,Festbetrags-Hörgeräten’ im Sinne einer ausreichenden, zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Versorgung jedoch nur schwer oder gar nicht ausgleichen. Dies gilt im Besonderen bei zur Taubheit tendierenden Hörverlusten; entgegen verschiedentlich anders lautender Werbung kann hier nämlich selbst das beste Hörgerät bis heute kein (gesundes) natürliches Hören ersetzen. Denn analoge Hörgeräte können leider nicht sauber zwischen Nutzschall (z.B. Sprache) und Störgeräuschen unterscheiden. Die analog-mechanische Schallverstärkung lässt sich nämlich nur begrenzt modulieren und verstärkt bzw. unterdrückt so Sprache und unliebsame Nebengeräusche gleichermaßen. Hingegen verfügen die neuen Hörgeräte mit digitaler Signalverarbeitung über mehrere programmierbare Kanäle, Frequenzbänder und Kompressionen, sodass der am Mikrofon eintreffende Schall je nach Bedarf verstärkt, abgeschwächt oder ganz unterdrückt werden kann. Konkret bedeutet dies, dass mehrere Mikrofonsignale über digitale Steuerungselemente in viele Teilbereiche unterteilt, gleichzeitig analysiert und mehrdimensional bearbeitet werden können. Im Ergebnis bewirkt diese hohe Schalldifferenzierung ein besseres Richtungshören. Ein besseres Richtungshören deshalb, weil genaueres Sprachverstehen sowie die Reduzierung des lästigen Rückkopplungspfeifens zugunsten einer Optimierung von Lautstärkereserven vorhanden ist. Wie diese kommunikationstechnischen Mechanismen im Einzelnen wirken und warum eine differenzierte Hörgerätetechnik für schwerhörige Menschen so Anknüpfend an diese grundlegenden Erkenntnisse ist aus audiotherapeutischer Sicht unbedingt zu fordern, dass Hörschäden grundsätzlich nicht nur individuell versorgt werden müssen, sondern vor allem ausdifferenzierter Hörhilfen bedürfen. Denn nur so lässt sich das so wichtige Verstehen von Sprache in geräuschvoller Umgebung entscheidend regulieren und das verordnete Hörgerät nutzbringend anwenden. Eine Reduzierung der Hörgeräte-Versorgung auf billige Gerätestandards, die noch nicht einmal elementare Bedienungselemente zur Rauschunterdrückung oder zum Richtungshören beinhalten, ist daher weder angemessen noch akzeptabel! Diese ,Standards’ entsprechen zudem nicht dem aktuellen Stand der Hörgerätetechnik, da analoge Hörgeräte kaum mehr gefertigt und angeboten werden. Festbetragsgeräte mögen wirtschaftlich sein, sie sind in Bezug auf die gebotene differenzierte Versorgung von Hörschäden jedoch weder ausreichend noch zweckmäßig, weil sie in vielen Fällen nachweislich eben nicht geeignet sind, den eingetretenen Hörverlust auch nur annähernd zu kompensieren; von der ebenfalls verfassungsgerichtlich bestätigten qualitativ hochwertigen Hörgeräte-Versorgung ganz zu schweigen. So ist die unreflektierte einseitige Festlegung der Kostenträger auf einen Gerätestandard für alle Hörschäden, wie sie in der aktuellen Festbetragsgruppenregelung dokumentiert ist, bereits im Ansatz falsch und letztlich auch kontraproduktiv! medizinischen und technischen Indikatoren sowie apparativen Notwendigkeiten auch subjektive, menschliche Aspekte berücksichtigt werden. Letzteres ist insofern wichtig, als die vorgegebene Verordnungspraxis im Allgemeinen auf vermeintlich objektiven Messverfahren beruht, die nicht selten schon lange gebräuchlich und überprüfungswürdig sind. So sind zum Beispiel die obligatorischen Freiburger bzw. Oldenburger Sprachtests bei betroffenen Migranten äußerst kritisch zu sehen. Im Vergleich mit den heutigen technischen Möglichkeiten der digitalen Visualisierung von Hörmessdaten ist eine Festlegung auf alte, standardisierte Sprachaudiogramme geradezu ein Qualitätsmangel im Quantensprung! Thema bedeutsam ist, hat der Chefarzt der Baumrainklinik in Bad Berleburg, Dr. Roland Zeh, in seinem Beitrag „Barrieren – durch Technik überwindbar?“ im DSBReport 1/2006 ( Seite 14 ff.) bereits ausführlich und eindrucksvoll dargelegt. Die aufgezeigte persönliche Dimension führt nämlich in der Versorgungspraxis zu dem Phänomen, dass die computergestützten Anpassungsprogramme bei akustischen Messungen selten mit dem subjektiven Hörempfinden testender Hörgeräteträger übereinstimmen. Dadurch zieht sich die Gewöhnung an die neue Hörhilfe oftmals unnötig in die Länge. Dabei erscheint bereits die gebotene Nachsorge bei einem Festbetrag von 421,28 Euro kostenmäßig äußerst knapp bemessen und ist zwangsläufig kaum in gebührender Notwendigkeit zu leisten, am wenigsten wohl durch wirtschaftlich orientierte Akustiker. In dieser Konsequenz ist der potenzielle Hörgeräteträger doppelt benachteiligt, zum einen durch den per Festbetrag auferlegten geringwertigen Gerätestandard und zum anderen durch eine unzureichende Nachsorge bei der Hörgeräte-Versorgung. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist unter den derzeitig vorherrschenden Rahmenbedingungen nur eine Zuzahlung Betroffener zu ihren Hörhilfen, was gleichsam die dritte hörbehinderungsbedingte Benachteiligung bedeutet, weil nämlich die wenigsten Hörgeschädigten hierzu finanziell in der Lage sind. Denn viele Lebensläufe Betroffener sind gezeichnet durch Arbeitslosigkeit und Hartz IV, weil deren schwierige Kommunikationssituation die Eingliederung Hörgeschädigter in den Arbeitsprozess doch erheblich erschwert, noch dazu in Zeiten einer schlechten Konjunktur. Umso dringlicher ist daher das vom DSB initiierte Angebot der zusätzlichen ambulanten Nachsorge betroffener Hörgeräteträger durch von ihm fachlich ausgebildete Anzeige Denn selbst bei einer optimalen Hörgeräte-Versorgung ist die Gewöhnung des Patienten an das (neue) Hören und Verstehen schwierig genug, auch bei langjährigen Hörgeräteträgern. Der Hörgeschädigte muss sich nämlich physisch und psychisch erst einmal mit seiner neuen Hörhilfe vertraut machen und arrangieren. Neue Höreindrücke müssen verarbeitet und fremde, verloren gegangene Hörerinnerungen reaktiviert werden. Der Betroffene muss sein privates und berufliches Umfeld akustisch neu ausrichten. Hierbei müssen neben DSBreport 3/06 15 Audiotherapeuten zu sehen. Hierdurch könnten wenigstens die Mängel in der Gewöhnung Hörgeschädigter an neue Hörhilfen ausgeglichen und dem bekannten Phänomen der vielen ‚Schubladen-Hörgeräte’ wirksamer entgegen gewirkt werden. Leider ist es bislang nicht gelungen, die Widerstände der Kostenträger der GKV und anderer Interessenvertreter zur Schließung dieser bedeutenden Versorgungslücke zu überwinden. Dabei sind Notwendigkeit und Qualität einer professionellen Nachsorge Hörgeschädigter eigentlich unbestritten, wie das Beispiel der gut florierenden Cochlea-Implantat-Nachsorge eindringlich zeigt. Nicht viel anders verhält es sich mit der Gewöhnung hörgeschädigter Menschen an konventionelle Hörhilfen, insbesondere wenn sie gerade unterhalb der Schwelle für eine CI-Indikation liegen. Auch hier ist es erforderlich, den Adaptionsprozess so lange fachlich zu begleiten, bis der angestrebte Höroptimierungseffekt erzielt ist. Dies lässt sich erfolgreich dadurch erreichen, dass dem Patienten Fähigkeiten vermittelt und Werkzeuge an die Hand gegeben werden, die es ihm ermöglichen, besser mit seiner neuen Hörhilfe und der sich daraus ergebenden Situation umzugehen. Dazu gehören Hör- und Sprachtraining ebenso wie die Schulung eines neuen hörtaktischen Verhaltens im Alltag, die Akzeptanz des Erkennens von Grenzen der akustischen Kommunikation mit der Hörhilfe eingeschlossen. Wegen der häufig länger währenden Hörentwöhnung ertaubter Menschen mag bei einem CI-Patienten die Nachsorge vielleicht zwingender und intensiver sein; mir will jedoch nicht einleuchten, wieso dieser grundlegende Maßstab nicht auch für Menschen mit höhergradigen Schallempfindungsstörungen gilt, die ,nur’ das Hilfsmittel Hörgerät tragen bzw. tragen müssen und das noch nicht Anzeige DSBreport 16 Foto: BVerfG Thema HÖRGERÄTEVERSORGUNG einmal als verfassungsrechtlich gebotene Sachleistung zuzahlungsfrei. In diesem Punkt kann ich der gesundheitsrechtlichen Versorgungslogik nicht folgen, so es hier überVon den höchsten haupt eine gibt. Richtern verordnet: Was macht bei gleichen die regelmäßige Überprüfung von Festbeakustischen Auswirträgen kungen den Unterschied eines höhergradigen Hörschadens in der Indikation für ein herkömmzur Hörgeräteversorgung im Sozialr liches Hörhilfsmittel oder für eine CIIndikation aus? Von Dr. Robert Weber Was kann z.B. ein betroffener Hörgeschädigter dafür, dem aus physiologiKrankenkassen Die gesetzliche Anspruchsgrundlage erschen Gründen kein CI implantiert wergibt sich aus § 33 SGB V. Erfolgreich verden kann und der mit einem Hörgerät laufende Sozialgerichtsprozesse gegen vorlieb nehmen muss, welches zur optiKrankenkassen häufen sich: malen apparativen Versorgung seiner Eine Studentin hat für ihre HörgeräteverHörstörung auf dem Markt nicht zuzahsorgung im Jahr 2000 (Phonak Power lungsfrei zu haben ist; der zudem sein Zoom P 4 AZ) über den Festbetrag hinaus Hörgerät auch nach besagtem BVG2.048,13 Euro vor dem Sozialgericht Urteil gegen alle Widerstände und mehHamburg (Urteil vom 6. Mai 2004, S 32 rere Rechtsinstanzen noch erstreiten KR 666/01) erstritten. Eine Schülerin hat muss, bis sich am Ende vielleicht doch für die im Jahr 2001 erfolgte Versorgung noch einmal ein zuständiger Kostenträmit dem Hörgerät Phonak Claro 211 dAZ ger dazu bequemt, voll zu zahlen? über den Festbetrag hinaus 2.914,36 Euro Während Festbeträge weder angehoben erstritten (LSG Niedersachsen-Bremen werden, noch Öffnungsklauseln für eine Urteil vom 15. Juni 2005 L 4 KR 147/03). angemessene zuzahlungsfreie HörgeräVoraussetzung ist stets, dass der oder die te-Versorgung vorgesehen sind, bezahBetroffene zunächst ernsthaft (aber len hingegen die gesetzlichen Krankenerfolglos) versucht, „mittels Festbetragskassen für eine CI-Operation Fallpaugerätes eine ausreichende Versorgung zu schalen von derzeit rund 40.000 Euro erlangen“ (Bayer. LSG Urteil vom 25. voll, noch dazu anstandslos! Und das August 2005 L 4 KR 150/04). alles nur, weil im Gegensatz zum ,Hilfsmittel Hörgerät’ eine CI-Operation eine Berufsgenossenschaften medizinische Leistung und die MedizinDie gesetzliche Anspruchsgrundlage Lobby mächtiger ist...?! ergibt sich aus §§ 26, 27, 31 SGB VII. Voraussetzung für eine Hörgeräteversor>>Das ist weder recht gung aufgrund dieser Vorschriften ist ein gehörschädigender Arbeitsunfall oder noch billig!<< die Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit“. Was für Krankenkassen gilt, gilt bei anerkannter Lärmschwerhörigkeit oder Diese eklatante Ungleichbehandlung im Fall eines Arbeitsunfalls für Berufsgezum Nachteil von Hörgeräteträgern genossenschaften erst recht: Krankenkashört selbst in Zeiten ,knapper Gesundsen-Festbeträge schränken die Leisheitskassen’ noch einmal uneingetungspflicht nicht ohne weiteres ein. schränkt auf den Prüfstand! Nicht nur eine Krankenkasse, sondern RECHTS-GRUNDLAGEN rige Vertriebsassistentin, die insbesondere ständig mit Kunden telefonieren muss, kommt die Kostenübernahme für eine hochwertige Hörgeräteversorgung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Betracht. Zur Finanzierung einer „optimalen“ Hörgeräteversorgung ist die Bundesagentur für Arbeit allerdings nicht automatisch verpflichtet (Sozialgericht Berlin Urteil vom 9. Januar 2006 77 AL 3061/05). N und URTEILE echt auch eine Berufsgenossenschaft muss gegebenenfalls Hörgerätekosten übernehmen, die einen Festbetrag weit übersteigen (LSG Berlin Urteil vom 27. August 2002 L 2 U 39/00). Versorgungsämter Die gesetzliche Anspruchsgrundlage ergibt sich aus §§ 10, 11 Nr. 8, 13 BVG in Verbindung mit §§ 16 Nr. 1, 17 Abs. 1 Orthopädieverordnung. Diese Vorschriften gelten zum Beispiel für Kriegsopfer, Gewalttat- oder Impfschadensopfer, deren Schwerhörigkeit als „Schädigungsfolge“ behördlich anerkannt ist. Was für Krankenkassen gilt, gilt bei einer Schwerhörigkeit als anerkannte Schädigungsfolge erst recht: Die Versorgungsämter müssen Hörgerätekosten übernehmen, die einen Krankenkassen-Festbetrag gegebenenfalls weit übersteigen (vgl. Sozialgericht Koblenz Urteil vom 13. Mai 1993 S 8 V 63/92). Rentenversicherung Die Rentenversicherungsträger haben einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Kostenübernahme für eine Versorgung mit Hörgeräten. Rechtsgrundlage sind §§ 9, 16 SGB VI in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX. Eine schwerhörige Steuerfachangestellte hat einen Anspruch gegenüber der Rentenversicherung auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erstritten. Konkreter Inhalt ihres Anspruchs: Die Kostenübernahme „dem Grunde nach“ für eine Versorgung mit digitalen automatischen Mehrkanalhörgeräten mit Störschallunterdrückung (LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 28. Juni 2005 L 10 R 480/05). Bundesagentur für Arbeit Auch die Bundesagentur für Arbeit hat einen Ermessensspielraum. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus §§ 97 ff. SGB III in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX. Für eine schwerhö- Integrationsämter können gemäß § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a SGB IX in Verbindung mit § 19 SchwbAV einen Zuschuss zu den Kosten für beruflich benötigte Hörgeräte gewähren. In einem Fall aus Freiburg war zusätzlich zum Krankenkassen-Festbetrag ein Zuschuss des Integrationsamtes in Höhe von 2.586,47 Euro geleistet worden. Damit blieb immer noch eine finanzielle Eigenbeteiligung in Höhe von rund 900 Euro, die der schwerhörigen Klägerin nicht erstattet wurden; ihre Klage blieb ohne Erfolg (Verwaltungsgericht Freiburg Urteil vom 15. Septem ber 2005 5 K 949/05). DATENBANK der Hörgeräteversorgung Von Stephan Wilke, Sozialpolitischer Referent des DSB Der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. beabsichtigt, eine Datenbank zur Hörgeräteversorgung aufzubauen. Mit der Datenbank wollen wir die Höhe der Zuzahlungen und den Anpassungsaufwand von hochgradig Hörgeschädigten in Deutschland erfassen. Wir werden im Juli dieses Jahres mit dem Projekt beginnen. Im Internet werden die Formulare zum Herunterladen zur Verfügung gestellt, sie können aber auch direkt von der Bundesgeschäftsstelle angefordert werden. Die Daten werden unter Berücksichtigung des Datenschutzgesetzes in der Geschäftsstelle aufbewahrt und bearbeitet. Was wollen wir mit der Datenbank erreichen? Wir wollen a) herausbekommen, wie viel hochgradig Hörgeschädigte für ihre Hörgeräte dazubezahlen mussten, und b) wie hoch der Anpassungsaufwand der Hörgeräte beim Hörgeräteakustiker war, d.h. wie viel Zeit musste der Betroffene beim Hörgeräteakustiker verbringen, bis das optimale Hörgerät gefunden und entsprechend angepasst wurde. Aber auch den Reparaturaufwand wollen wir erfassen, damit wir aussagekräftige Daten zur Reparaturpauschale gewinnen können. Es müssen personenbezogene Daten ausgefüllt werden, damit eine Authentizität der Daten gewährleistet ist und die wissenschaftlichen Standards der Statistik eingehalten werden. Wir wollen eine repräsentative Studie zur Hörgeräteversorgung von hochgradig Hörgeschädigten in Deutschland veröffentlichen. Es ist beabsichtigt, im Juli 2007 einen vorläufigen Zwischenbericht zu veröffentlichen, der Abschlussbericht soll im Sommer 2008 erfolgen. Beim letztgenannten Bericht wird der Anpassungsaufwand und die Reparaturpauschale von hochgradig Hörgeschädigten mit fundierten Daten bekannt gegeben, deswegen muss hier ein längerer Zeitraum der Datenerhebung eingehalten werden, um die nötigen Daten sammeln zu können. Wir wollen mit der repräsentativen Studie die Festbetragsproblematik der Hörgeräteversorgung von hochgradig Hörgeschädigten wissenschaftlich erfassen, um eine aussagekräftige Basis unserer politischen Verbandsarbeit gegenüber der Politik, Verwaltung und Krankenkassen aufstellen zu können. Bisher haben wir im Deutschen Schwerhörigenbund e.V. das Problem, dass wir über keine deutschlandweit erfassten Statistiken zur Hörgeräteversorgung verfügen. Wir haben bestenfalls exemplarische Einzelfälle parat, aber keine Sammlung der Einzelfälle. Diesem Manko wollen wir uns jetzt stellen. Daher haben wir eine dringende Bitte an Sie, liebe Mitglieder: Beteiligen Sie sich! Je mehr Daten wir sammeln und auswerten können, desto größer ist auch die Chance, dass wir mit dem Abschlussbericht eine Erleichterung bei der Hörgeräteversorgung von hochgradig Hörgeschädigten erreichen können. Die Datenbank wird ein Standbein unserer politischen Verbandsarbeit für die nächsten zwei Jahre darstellen. Ab Juli 2006 können die Formulare entweder von der Bundesgeschäftsstelle angefordert oder im Internet unter www.schwerhoerigen-netz.de herunter geladen werden. Ich werde auch der Ansprechpartner für die Ausführung und den Aufbau der Datenbank sein. Wenn Sie Fragen haben, so können Sie mich jederzeit in der Bundesgeschäftsstelle anrufen, anschreiben, anfragen etc. Über jede Frage, Anregung oder Kritik wer de ich mich freuen. DSBreport 3/06 17 Thema Integrationsämter