Nicht-chronologische Erzählzeit als narratives Mittel
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Nicht-chronologische Erzählzeit als narratives Mittel
Nicht-chronologische Erzählzeit als narratives Mittel Johannes Michael Eichberger DIPLOMARBEIT eingereicht am Fachhochschul-Masterstudiengang Digitale Medien in Hagenberg im Jänner 2011 © Copyright 2011 Johannes Michael Eichberger Alle Rechte vorbehalten ii Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die aus anderen Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Hagenberg, am 26. Jänner 2011 Johannes Michael Eichberger iii Inhaltsverzeichnis Erklärung iii Vorwort vii Kurzfassung viii Abstract ix 1 Einleitung 1.1 Motivation und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 1 2 Narration und Erzähltheorie 2.1 Einflussreiche Autoren . . . . . . . . . . . . 2.2 Narration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Erzählung als kommunikativer Akt . 2.2.2 Narration im Bild . . . . . . . . . . 2.2.3 Narration im Film . . . . . . . . . . 2.2.4 Diegetische und spektatorielle Ebene 2.3 Dramaturgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Mehrschichtigkeit, Binnenerzählung . . . . . 2.5 Erzählzeit und erzählte Zeit . . . . . . . . . 2.6 Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Rückblende (Analepse) . . . . . . . . 2.6.2 Vorblende (Prolepse) . . . . . . . . . 2.6.3 Deutliche Anachronie . . . . . . . . 2.6.4 Umkehrung der Erzählrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 4 4 5 5 6 7 9 10 10 10 11 11 12 3 Montage und Schnitt 3.1 Schnitt vs. Montage 3.2 Struktureinteilung . 3.2.1 Einstellung . 3.2.2 Szene . . . . 3.2.3 Sequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 14 15 15 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis 3.3 3.4 3.2.4 Plot Points . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Einteilung nach Akten . . . . . . Montagestile und besondere Formen . . 3.3.1 Unsichtbarer Schnitt . . . . . . . 3.3.2 Deutlich wahrnehmbarer Schnitt 3.3.3 Frequenz und Rhythmus . . . . . 3.3.4 Plansequenz . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Parallelmontage . . . . . . . . . . 3.3.6 Split Screen . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten durch Time Remapping . 3.4.1 Zeitlupe und Zeitraffer . . . . . . 3.4.2 Pausierung . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Rewind . . . . . . . . . . . . . . v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Analyse 4.1 Verschachtelung diegetischer Ebenen . . . . 4.1.1 Hero . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Inception . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Entscheidungen und Möglichkeiten . . . . . 4.2.1 Lola rennt . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Donnie Darko . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Cinnamon Chasers: Luv Deluxe . . . 4.3 Weitreichende Anachronien . . . . . . . . . 4.3.1 Kill Bill . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Pulp Fiction . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 9 Short . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 The Rules of Attraction . . . . . . . 4.4 Zusammenhanglose und zusammenhängende 4.4.1 Das jüngste Gewitter . . . . . . . . . 4.4.2 Magnolia . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Umkehrung der Erzählrichtung . . . . . . . 4.5.1 Memento . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Irréversible . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Plansequenzen und Split Screen . . . . . . . 4.6.1 Nowa Książka . . . . . . . . . . . . . 4.6.2 Cibo Matto: Sugar Water . . . . . . 4.7 Narrative Möbius-Schleife . . . . . . . . . . 4.7.1 Lost Highway . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Episoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 17 17 17 18 19 19 19 20 20 20 21 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 22 23 24 26 27 28 29 30 30 34 37 38 38 39 40 42 42 46 49 50 53 55 55 5 Diplomprojekt 59 5.1 Inhaltsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.2 Ursprüngliche Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.3 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Inhaltsverzeichnis vi 6 Zusammenfassung 62 6.1 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 A Inhaltsangaben zu den analysierten A.1 9 Short . . . . . . . . . . . . . . . . A.2 Cibo Matto: Sugar Water . . . . . A.3 Cinnamon Chasers: Luv Deluxe . . A.4 Das jüngste Gewitter . . . . . . . . A.5 Donnie Darko . . . . . . . . . . . . A.6 Hero . . . . . . . . . . . . . . . . . A.7 Inception . . . . . . . . . . . . . . A.8 Irréversible . . . . . . . . . . . . . A.9 Kill Bill Vol. 1 . . . . . . . . . . . A.10 Kill Bill Vol. 2 . . . . . . . . . . . A.11 Lola rennt . . . . . . . . . . . . . . A.12 Lost Highway . . . . . . . . . . . . A.13 Magnolia . . . . . . . . . . . . . . A.14 Memento . . . . . . . . . . . . . . A.15 Nowa Książka . . . . . . . . . . . . A.16 Pulp Fiction . . . . . . . . . . . . . A.17 The Rules of Attraction . . . . . . Filmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 64 65 66 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 B Inhalt der DVD 81 Filmverzeichnis 82 Literaturverzeichnis 84 Vorwort Diese Arbeit entstand aus dem Umstand heraus, dass ich den Umgang mit filmischer Zeit und das Spiel mit narrativen Strukturen in Animationen und Spielfilmen interessant fand und mich näher mit der erzähltheoretischen Materie befasste. Im Entstehungsprozess haben sich sowohl das Thema der schriftlichen Arbeit als auch des im Vorfeld entworfenen Animationsprojektes nach und nach entwickelt. In der Recherche stieß ich auf verschiedene Erzählstrukturen, die aus der literarischen Erzählung stammen und sich größtenteils auch auf die filmische Narration anwenden lassen. Mit dem Entdecken diegetischer Welten nach den Definitionen von Etienne Souriau und Gérard Genette habe ich den Schwerpunkt im Einsatz narrativer und diegetischer Strukturen gefunden und auch die Geschichte für das Animationsprojekt Flip it! darauf basierend entworfen. Mein Dank gilt im Bezug auf diese Arbeit meiner Familie, die mir durch ihre Unterstützung das Studium überhaupt ermöglicht hat, meinem Betreuer Mag. Roland Keil, durch den ich auf zahlreiche interessante Spiel- und Musikfilme gestoßen bin, sowie den Bibliotheken der österreichischen Hochschulen, durch die ich kostengünstig an einen großen Umfang einschlägiger Literatur gelangen konnte. vii Kurzfassung Nicht-chronologische Erzählungen folgen nicht den üblichen Mustern und Erzählstrukturen. Dennoch haben auch Erzählungen unterschiedlicher Autoren, die sich in ihrer Erzählstruktur von klassischen Schemata abheben, viele Gemeinsamkeiten, was unter anderem den dramaturgischen Aufbau betreffen kann. Jede Erzählung eröffnet eine neue diegetische Welt. Verschachtelt man Erzählungen, tritt also ein Erzähler in einer Erzählung auf, so ergibt sich daraus eine Struktur an diegetischen Ebenen. Diese Arbeit befasst sich näher mit außergewöhnlichen Erzählstrukturen und diegetischen Verschachtelungen in filmischen Erzählungen. Erzählund Montagetheorie werden umfassend behandelt und in Form von Analysen eines breiten Spektrums an Beispielfilmen ausgeführt. Diese Analysen bilden den Kern der Arbeit, da Vergleiche aufgestellt und Gemeinsamkeiten untersucht werden. Ebenso werden Elemente aus Konzepten, die auf den Mainstreamfilm mit klassischen Erzählstrukturen ausgelegt sind, in den nicht-klassischen Erzählungen aufgegriffen. Der Arbeit ist auch das Diplomprojekt Flip it! vorangegangen. Die in dieser Kurzanimation erzählte Geschichte basiert auf einer Erzählstruktur in diegetischen Ebenen und wird auch anhand der angeführten Theorie analysiert. viii Abstract There is a variety of common patterns and rules in narration used by mainstream movies to build up a plot. Stories that stand out from the crowd (like non-chronological stories) don’t follow those rules, but they do have structural elements in common, even when they are written by different authors following different approaches. Each narration establishes its own new world, a diegesis. When a narrator recurs in the space of a narration and starts to tell another narration, a new layer is established. Those layers can be nested to higher diegetic levels. This thesis addresses movies that contain extraordinary narrative structures and nested diegetic levels. It concentrates on narratology and montage techniques and their usage for analysing movies. The analysis of examplemovies that offer a broad range of narrative possibilities is the core of this thesis. The structures of those examples are compared to each other as well as to structures described in concepts of classical mainstream movies. Flipt it! is the name of the short animation project preceding this thesis. The story developed for Flip it! is based on diegetic levels. It is also analysed using the elaborated theories. ix Kapitel 1 Einleitung 1.1 Motivation und Zielsetzung Die grundlegende Motivation zu dieser Arbeit führt aus dem Interesse für das Spiel mit der Zeit und daraus abgeleitete Erzählstrukturen. Im Bereich der Spielfilme faszinierten mich Christopher Nolan, Gaspar Noé, Quentin Tarantino und weitere mit ihren ungewöhnlichen Erzählstilen. Musikvideos betreffend schätze ich vor allem Michel Gondry für die Einbringung extraordinärer Ideen und vor allem dafür, dass er sich weniger mit dem textlichen Inhalt der Musik beschäftigt, sondern mehr die Musik an sich in Bewegtbilder umsetzt. Im Vorfeld zu dieser Arbeit wurde auch die Geschichte für die Animation Flip it! entwickelt, die von einem Charakter erzählt, der die Zeit seiner Umgebung beeinflussen kann. Die Motivation zu diesem Projekt lag vor allem darin, selbst eine Erzählung mit variabler Zeitachse zu schaffen und diese Zeit zum zentralen Thema zu machen. Die Recherche ergab vor allem, dass sich Erzählstrukturen und Definitionen aus der Literatur größtenteils auch auf filmische Erzählungen anwenden lassen. Vor allem gewann die Geschichte des Diplomprojektes Flip it! dadurch eine neue Bedeutung. Im Kapitel 5 wird auf die urpsrüngliche Idee der Geschichte sowie auf neue Erkenntnisse durch die Analyse eingegangen. Diese Arbeit befasst sich allgemein mit der Erzähltheorie aus Literatur und Film sowie deren Anwendung zur Analyse narrativer Strukturen in nichtklassischen Erzählungen. 1.2 Aufbau Die Arbeit ist gegliedert in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Der theoretische Teil besteht aus den Kapiteln 2 und 3, wobei sich Kapitel 2 der Erzähltheorie widmet und vor allem das nötige Vokabular zur Analyse der Erzählstrukturen umfassend beschreibt. Im Kapitel 3 wird die filmische 1 1. Einleitung 2 Montage erörtert, die die technische Hilfe zum Zusammenfügen einzelner Segmente zu narrativen Strukturen und zu einem Film bietet. Im Kapitel 4 wird ein breites Spektrum an Beispielfilmen analysiert, außergewöhnliche Erzählstrukturen werden erörtert. Das Kapitel 5 widmet sich schließlich dem Diplomprojekt Flip it!. Erläutert wird die erzählte Geschichte und der Einsatz der narrativen Strukturen. Eine abschließende Zusammenfassung in Kapitel 6 soll noch einen Rückblick über die ausgearbeiteten Punkte bieten. Kapitel 2 Narration und Erzähltheorie Dieses Kapitel ist als Terminologie zur filmischen Narration anzusehen. Auf das hier festgelegte Vokabular wird in der späteren Analyse zurückgegriffen. Eine genaue Definition ist daher unverzichtbar, um Klarheit zu schaffen und Missverständnissen vorzubeugen. Die Literatur zur Erzähltheorie ist umfangreich, dementsprechend verhält es sich auch mit Fachbegriffen. Zieht man Werke verschiedener Autoren heran, so kommt es nicht selten vor, dass die Autoren das selbe oder annähernd das selbe meinen, aber unterschiedliche Bezeichnungen dafür verwenden. Ebenso wird man in separaten Arbeiten die selben Ausdrücke finden, die jedoch von einem Autor klar von ähnlichen Begriffen abgegrenzt und von einem anderen Autor wieder weitläufiger verwendet werden, was zu Widersprüchlichkeiten führen kann. Auch äquivoke Ausdrücke, die mit komplett konträren Bedeutungen verwendet werden, sind aufzufinden. Ziel dieses Kapitels ist es, die für diese Arbeit nötigen Ausdrücke zu definieren und dafür geläufige Begriffe von einflussreichen Autoren gegenüber zu stellen. Bei der Auswahl wurde vor allem Wert auf die Eindeutigkeit, Verständlichkeit und Relevanz der Begriffe gelegt. Gewählt wurden sowohl Ausdrücke aus der Erzähltheorie, die sich mit der schriftlichen Literatur (vor allem mit der Romantheorie) beschäftigt, da sich nur wenig davon nicht auch auf filmische Erzählungen anwenden lässt, als auch im Speziellen Fachbegriffe aus der Filmologie. Die Ähnlichkeiten zwischen Film und Roman werden beispielsweise von James Monaco beschrieben: „Was immer gedruckt im Roman erzählt werden kann, kann im Film annähernd verbildlicht oder erzählt werden“ [Mon05, S. 45]. 2.1 Einflussreiche Autoren In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Erzähltheorie der Literatur vorwiegend durch Gérard Genette geprägt. Von ihm stammen auch ausführliche Definitionen zur Diegese (diégèse), ein Begriff, der von Etienne 3 2. Narration und Erzähltheorie 4 Souriau eingeführt wurde und sich inzwischen auch deutsch- und englischsprachiger Übersetzungen erfreut. Souriau widmete sich auch der Filmanalyse, seine Definition der Diegese entstammt einem Modell, das das filmische Universum in sieben Ebenen einteilt. Ein Großteil des restlichen Vokabulars ging den umgekehrten Weg und wurde von der literarischen in die filmische Erzähltheorie übernommen. Speziell über filmische Erzählweise wurde der Literaturbestand im englischsprachigen Bereich durch David Bordwell beeinflusst. Im deutschsprachigen Raum existieren neben zahlreichen Übersetzungen aus dem Französischen (darunter Christian Metz, der sich der filmischen Semiologie widmete) Werke von Knut Hickethier, Lothar Mikos und Thomas Kuchenbuch, die auch auf Metz, Bordwell und weiteren aufbauen. 2.2 Narration Filme können „als Erzählungen begriffen werden, da sie als eine Verkettung von Situationen zu verstehen sind, in der Ereignisse stattfinden“ [Bie06, S. 88]. Was diese Erzählung oder Narration genau ausmacht, soll im Folgenden ausführlich erläutert werden. 2.2.1 Erzählung als kommunikativer Akt Nach Gérard Genette, der sich in seinen Werken Diskurs der Erzählung und Neuer Diskurs der Erzählung 1 ausführlich mit dem Begriff der Erzählung auseinandersetzt, kann damit eine von drei Bedeutungen gemeint sein: 1. Zum einen definiert er die Erzählung als „die narrative Aussage, den mündlichen oder schriftlichen Diskurs [...], der von einem Ereignis oder einer Reihe von Ereignissen berichtet“ [GK98, S. 15]. Gemeint ist also das erzählende Medium, wie z.B. ein Buch, eine von einem Redner erzählte Geschichte oder, im Bezug auf diese Arbeit, ein Film. 2. In ihrer zweiten Bedeutung beschreibt Genette die Erzählung als „die Abfolge der realen oder fiktiven Ereignisse, die den Gegenstand dieser Rede ausmachen, und ihre unterschiedlichen Beziehungen zueinander“ 2 [GK98, S. 15]. Nach dieser Definition ist nicht mehr das Medium, sondern der Inhalt gemeint. 1 Neuer Diskurs der Erzählung ist als Postskriptum zu Diskurs der Erzählung zu verstehen. Beide Werke sind in Die Erzählung [GK98] zu finden. 2 Anm.: Mit Rede ist hier der zuvor definierte mündliche oder schriftliche Diskurs gemeint. 2. Narration und Erzähltheorie 5 3. Im dritten Sinn bezieht sich Genette auf „den Akt der Narration selber“, ohne den es „keine narrative Aussage und mitunter nicht einmal einen narrativen Inhalt“ gebe [GK98, S. 15f]. Er meint damit also den Vorgang des Erzählens und bezeichnet diesen Akt als Narration. Diese Arbeit bezieht sich auf alle drei Definitionen, ständig unter dem Bewusstsein, dass Narration auch im Film ein kommunikativer Akt ist, der zwischen dem Erzähler und dem Rezipienten stattfindet. Dabei verpackt der Erzähler in mehreren Ebenen von der Entwicklung der Geschichte bis zur Montage und der musikalischen Untermalung Zusammenhänge und Aussagen in den Film, die der Rezipient durch sein Wissen und seine subjektiven Erfahrungen wahrnimmt und deutet. 2.2.2 Narration im Bild Statische Kunstformen wie Bild, Fotografie und Skulptur zeigen, dass zum Zweck der Narration nicht zwingend ein zeitlich voranschreitendes Medium wie Text oder Film nötig ist. Luca Giuliani teilt z.B. Bilder anhand der antiken griechischen Kunst in deskriptive und narrative Bilder ein. Dabei verlangen deskriptive Bilder zwar ein allgemeines Vorwissen über die abgebildete Realität, können aber dennoch ohne Erklärungsbedarf für sich alleine stehen. Narrative Bilder hingegen brechen diese Autarkie und werfen durch ungewöhnliche Darstellungen Fragen auf. Zur Erklärung bedarf es einer Geschichte, die das Bild allerdings nicht selbst beinhaltet: „die zum Bild passende Geschichte hat der Betrachter zu erzählen“ [Giu03, S. 79]. Durch die Darstellung einer Situation im Einzelbild lässt sich auch ein in medias res erreichen, das heißt, dem Betrachter werden die Fragen suggeriert, wie diese Situation zustande gekommen ist, was nun passiert und wie es weiter geht (vgl. [Mah07, S. 23]). In medias res als Bezeichnung für den direkten Einstieg in ein narratives Geschehen wird in 2.3 näher erläutert. 2.2.3 Narration im Film Im Unterschied zu narrativen Texten und Bildern setzt sich die filmische Erzählung aus mehreren Ebenen zusammen. Während Bilder mit ihrem zugehörigen Ton gezeigt werden, kann ein Sprecher im Offtext eine Geschichte erzählen (einen narrativen Text) und Musik kann die Dramaturgie unterstreichen, und auch durch die Montage entstehen Sinnzusammenhänge. Alle Ebenen können im Rezipienten Assoziationen auslösen. Sie bilden im Hinblick auf die filmische Narration durch die eingesetzten Verknüpfungen eine Einheit auf audiovisueller Basis [Hic01, S. 25]: „Erzählen ist in den audiovisuellen Medien zumeist verbunden mit dem Darstellen. Darin liegt die Besonderheit des Audiovi- 2. Narration und Erzähltheorie 6 suellen, dass es durch die inzwischen schon scheinbar selbstverständliche technische Verbindung von Bild und Ton die Bilder erzählbar macht und damit zugleich das Erzählen visualisiert.“ Sehr prägnant, aber treffend formuliert Lothar Mikos die Narration für die Filmanalyse wie folgt [Mik08, S. 47]: „Die Narration oder Erzählung besteht in der kausalen Verknüpfung von Situationen, Akteuren und Handlungen zu einer Geschichte;“ Diese Definition deckt auch die drei Bedeutungen Genettes ab, wenngleich auch Narration und Erzählung von Mikos als synonyme Begriffe betrachtet werden. Diese Arbeit baut daher auf dieser Definition auf und meint mit Narration den erzählten Inhalt eines Filmes seitens des objektiv erkennbaren Inhaltes, der kausalen Verknüpfungen durch die Aussage des Autors sowie der Auffassung des Rezipienten. Vor allem in Kunst- und Experimentalfilmen, die ohne erkennbare Handlung auskommen oder bewusst ohne Ton oder Bewegtbild produziert werden, sind nicht alle Ebenen gedeckt. Eine Ebene ist jedoch stets vorhanden, nämlich der kommunikative Akt. Auch bei fehlender Handlung oder schwarzem Bild werden – durch deskriptives Zeigen des Vorhandenen – Assoziationen im Rezipienten ausgelöst (vgl. [Del05, 6.1]), der Akt der Erzählung findet statt. Jedem Film kann somit eine Narration zugewiesen werden, die sich in ihren vorhandenen Ebenen analysieren lässt. 2.2.4 Diegetische und spektatorielle Ebene Zuvor wurde nun bereits mehrmals erwähnt, dass kausale Verknüpfungen in der filmischen Narration einerseits vom Autor bewusst oder unbewusst eingesetzt und andererseits vom Rezipienten aufgefasst und gedeutet werden. Für diese beiden Ebenen fehlte bisher eine eindeutige Namensgebung. Etienne Souriau definiert den Terminus diegetisch als „alles, was sich laut der vom Film präsentierten Fiktion ereignet und was sie implizierte, wenn man sie als wahr ansähe“ [Sou97, S. 156]. Die diegetische Welt ist demnach die gesamte geschaffene Wirklichkeit innerhalb des Films. Dabei unterscheidet er die diegetische streng von der spektatoriellen Welt, die erst durch die Wahrnehmung des Rezipienten in dessen Kopf entsteht3 . Diese Abgrenzung sei notwendig, um bei Fehlinterpretationen die dargestellte Handlung (die diegetische) von der vom Zuseher falsch aufgefassten (spektatoriellen) unterscheiden zu können. 3 Souriau beschreibt ein Modell aus sieben Ebenen, in denen ein Film analysiert werden kann. Für diese Arbeit reichen jedoch die beiden genannten aus. 2. Narration und Erzähltheorie 7 Nach Mikos’ Definition wird demnach der Begriff Narration sowohl der diegetischen als auch der spektatoriellen Ebene zugeordnet, da kausale Verknüpfungen in beiden Ebenen entstehen. Sie werden von den Autoren im gesamten Entstehungsprozess eingebaut, vom Drehbuch bis zur Montage entstehen Zusammenhänge, die diegetische Narration. Diese wird vom Rezipienten wahrgenommen und interpretiert, und genau diese spektatorielle Ebene ist der Zugang zur Interpretation, der sich die Analyse widmet. Verwandte Begriffe zur Diegese stellen die Story und der Plot dar. Aufgrund deren widersprüchlicher Definitionen werden sie in dieser Arbeit jedoch gemieden, es wird auf die oben genannte Definition der Narration von Mikos zurückgegriffen (diese reicht zur Beschreibung der Analyse aus) und, falls nötig, weiter ausgeführt, ob nun die Narration seitens des Autors (in der diegetischen Ebene) oder die Interpretation des Rezipienten (in der spektatoriellen Ebene) gemeint ist. Zur Begründung seien hier zwei inkonsistente Definitionen der Story angeführt. Werner Faulstich meint mit Story „die Geschichte, die erzählt wird [...]“ und „die chronologische Abfolge des Geschehens [...]“ [Fau80, S. 139], spricht also von der diegetischen Geschichte. Mikos hingegen bezieht in die Story bereits die spektatorielle Ebene ein und definiert die Story als das, „was die Zuschauer mit ihrem Wissen, ihren Emotionen und Affekten sowie ihrem praktischen Sinn aus dem Gezeigten machen [...]“ [Mik08, 1.1, S. 112–115]. In dieser Arbeit wird auf den genannten Terminus der Narration sowie auf Souriaus diegetische und spektatorielle Ebene zurückgegriffen. Die Analyse geht vor allem aus der Sicht des Rezipienten auf die Narration und somit die spektatorielle Interpretation ein. 2.3 Dramaturgie Wie nun geklärt wurde, ist Narration ein kommunikativer Akt, der zwischen dem Erzähler und dem Rezipienten stattfindet. Um letzteren für die Geschichte zu begeistern, wird er in eine Anspannung versetzt, der Geschichte wird ein Spannungsbogen zugrunde gelegt, der durch die Dramaturgie beschrieben wird. Spannung entsteht also beim Zuschauer in der spektatoriellen Ebene. Sie erzeugt Neugierde und versetzt ihn in eine Erwartungshaltung (vgl. [Mik08, S. 142–146]). Der Literaturbestand zu diesem Thema ist umfangreich, hier wird daher nur eine kurze Übersicht über gängige Konzepte des Populärfilms geboten und es werden Elemente aufgelistet, die vor allem für die Narrationsanalyse von Bedeutung sind. Die Wortwahl lässt bereits vermuten, dass die Dramaturgie auf den antiken griechischen Begriff Drama zurückgeht. Hickethier beschreibt die traditionelle, geschlossene Form, die der antiken Dramentheorie entspringt, als jene in frühen Hollywood-Filmen (um 1930 bis 1950) angewendete Form, die mit symmetrischen Anlagen den Weg zurück zum Ausgang des Geschehens 2. Narration und Erzähltheorie 8 sucht und dabei auf emotionale Wirkung beim Rezipienten abzielt [Hic01, S. 122]. Dieser stellt er die offene Form gegenüber, deren Ursprung er im epischen Theater sieht und deren Hauptmerkmal in ihrer Unabgeschlossenheit und progressiven Struktur liegt [Hic01, S. 122f]. In medias res Nach solch einer offenen Struktur besteht die Möglichkeit eines direkten Einstiegs ins bereits stattfindende Geschehen, was als in medias res bezeichnet wird. Die Exposition, die Einleitung, kann danach parallel zur Handlung stattfinden. Im Gegensatz zur Alternative, bei der die Exposition einer solchen Haupthandlung vorausgeht, wird so das Interesse des Zusehers schneller geweckt. In jedem Fall werden durch die Exposition „die Dimensionen des dramatischen Geschehens angelegt“ [Hic01, S. 124]. Kausalität Nun gilt es, die aufgebaute Spannung im Verlauf des Erzählens zu halten und die Narration zu entwickeln. Bordwell erwähnt in diesem Zusammenhang Entwicklungsmuster („patterns of development“), die sich durch Ursachen und ihre Wirkung ergeben [BT04, S. 80f]: Eine Veränderung im Wissen („change in knowledge“) kann einem Charakter helfen, sich einer Situation zu stellen; beim zielorientierten Plot („goaloriented plot“) verfolgt ein Charakter ein klar definiertes Ziel; eine Rahmensituation kann durch eine Serie an Rückblenden („series of flashbacks“) aufgeklärt werden; für eine Aufgabe kann ein zeitliches Limit, eine Deadline („deadline“) gesetzt sein; sich wiederholende Handlungsmuster („patterns of repeated action“) können auftreten; durch Kombinationen dieser Muster können Erwartungen geweckt werden, die Möglichkeiten des Ausgangs werden eingeschränkt oder überraschend in eine andere Richtung gelenkt. Höhepunkt Im Populärfilm ist dadurch die Spannung über den Film hinweg gegeben und spitzt sich zu dessen Ende hin zu, bis sie ihren Höhepunkt (nach Bordwell „climax“ [BT04, S. 82]) erreicht. Einzelne Dramaturgiekonzepte haben von diesem unterschiedliche Auffassungen, so kann sich der Höhepunkt kausal, inhaltlich, kognitiv, emotioal oder sinnlich in der Wahrnehmung des Zusehers ereignen (vgl. [Hic01, S. 125]). Nach Bordwell bestehen nur mehr sehr wenige Möglichkeiten, wie ein Konflikt ausgehen kann [BT04, S. 82]. Entscheidend ist schließlich, mit welcher Meinung der Zuseher vom Film entlassen wird, ob seine Fragen beantwortet wurden, ob seine Erwartungen über den Ausgang des Geschehens erfüllt wurden oder ob ihm das Ende nur angedeutet wurde und in seiner Vorstellung entsteht. 2. Narration und Erzähltheorie 9 Die Reise des Helden Ein modernes Dramaturgiekonzept, das sich seinen Behauptungen zufolge auf jeden Mainstreamfilm anwenden lässt, stammt von Christoher Vogeler und teilt die Dramaturgie als „Reise des Helden“ in zwölf Stationen ein, in denen der Held (der Protagonist) seine gewohnte Welt verlässt, einem Mentor begegnet, Verbündete trifft sowie auch Feinde, welche er überwinden muss, sich mit einer Belohnung auf den Heimweg macht und in einer neuen Persönlichkeit zurückkehrt [Hic01, S. 126f]. Trotz seiner Bekanntheit wird in dieser Arbeit nicht näher auf dieses Konzept eingegangen, da sich die Analyse in Kap. 4 vor allem mit narrativen Strukturen beschäftigt, die von diesem Konzept abweichen oder sich die analysierten Filme nur schwer nach diesem Schema einteilen lassen (oft lässt sich dem Geschehen in der Narration auch nur ein Teil der zwölf Stationen zuordnen). 2.4 Mehrschichtigkeit, Binnenerzählung Mehrschichtige Erzählungen erfuhren in der deutschen Literatur im Laufe des 19. Jahrhunderts in Form der Rahmenerzählung größeren Anklang, wenn auch die Werke von den Autoren selbst damals nicht so bezeichnet wurden, da sich der Begriff Rahmenerzählung erst zur Jahrhundertwende um 1900 als übliche Bezeichnung für diese Form der Literatur durchgesetzt hat (vgl. [Jäg94, S. 11–16]). Andreas Jäggi definiert die Rahmenerzählung als „eine Sonderform des mehrschichtigen Erzählens“, in der in zwei Schichten – Rahmen und Binnenerzählung – erzählt wird, wobei der Rahmen die Binnenerzählung umgibt [Jäg94, S. 62], also im Rahmen ein Erzähler auftritt. Ebenso definiert er die Schachtelrahmenerzählung als Verschachtelung mit drei oder mehr Ebenen. Er grenzt diese beiden Bezeichnungen aber sehr deutlich von anderen, ähnlich mehrschichtig erzählten Literaturformen ab und bezieht sich auch ausschließlich auf literarische Werke, wodurch es nahe liegt, den Begriff Rahmenerzählung vor allem zur Filmanalyse zu meiden. Gérard Genette beschreibt ebenfalls mehrschichtige Erzählformen, definiert aber allgemein verwendbare Begriffe. Er beschreibt narrative Ebenen als diegetische Ebenen (vgl. [GK98, Narrative Ebenen, S. 162–165]), er greift dabei Souriaus Terminus diegetisch auf und bezeichnet die Erzählung zweiter Ebene (die bei Jäggi Binnenerzählung heißt) als metadiegetische Erzählung [GK98, S. 165–167]. Allerdings führt Genette insgesamt den Begriff der Diegese weiter aus, als er von Souriau definiert wurde, was zum Teil Widersprüchlichkeiten mit sich bringt (vgl. [Kes07, II.]). Erzählungen, die innerhalb anderer Erzählungen stattfinden, werden in dieser Arbeit einheitlich als Binnenerzählungen bezeichnet, die sie umgebende Handlung als Basishandlung. Handelt es sich um eine Verschachtelung und 2. Narration und Erzähltheorie 10 eine narrative Subebene, die nicht durch eine Erzählung eingeführt wird, so wird diese als diegetische Ebene bezichnet. 2.5 Erzählzeit und erzählte Zeit Die beiden Begriffe Erzählzeit und erzählte Zeit wurden aus der Literaturtheorie in die Filmtheorie übernommen. So versteht man unter Erzählzeit die benötigte Zeit oder die Anzahl an gedruckten Seiten, um eine Erzählung darzustellen, während die erzählte Zeit die gesamte Zeitspanne innerhalb der erzählten Geschichte bezeichnet (vgl. [GK98, S. 21f], [Mül68, S. 257f], [Mik08, S. 131]). Wendet man darauf Souriaus Ebenenmodell an [Sou97], so bezeichnet die erzählte Zeit die gesamte Zeitspanne der Diegese, während die Erzählzeit mit der filmophanischen (leinwandlichen) Zeit gleichzusetzen wäre, im Falle eines 90-minütigen Films also diese 90 Minuten. Durch elliptisches Erzählen lässt sich beliebig lange erzählte Zeit komprimieren, es kommt zur Zeitraffung, da nur erzählt wird, was relevant ist (vgl. [Bau97, 165f], [Hic01, S. 134f], [GK98, S. 76f]), während die Zeitdehnung einen Moment oder eine Zeitspanne der Diegese ausführlich beschreibt und sich länger mit ihm beschäftigt, als er tatsächlich dauern würde. 2.6 Ordnung Diese Arbeit widmet sich der nicht-chronologischen Erzählzeit – genauer gesagt, dem nicht-linearen Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit. Damit ist natürlich nicht nur die eben genannte Ellipse (Auslassung) und damit das Verhältnis der diegetischen Dauer zur Erzähldauer gemeint, sondern vor allem auch die erzählte Reihenfolge der Ereignisse, wenn diese nicht der Chronologie in der Diegese entspricht. Genette beschreibt diese Reihenfolge unter dem Begriff Ordnung [GK98, S. 21f]. 2.6.1 Rückblende (Analepse) Als Analepse, Rückblende, Rückwendung, Rückschritt oder englisch Flashback wird ein vorübergehender narrativer Zeitsprung in die Vergangenheit bezeichnet. Dabei kann die Vorzeithandlung als Binnenerzählung stattfinden, kann aber auch als eigenständiger Erzählstrang durch die Montage eingebunden werden. Eberhard Lämmert spricht von Rückwendungen und unterteilt diese nach ihrem dramaturgischen Einsatz in aufbauende und auflösende Rückwendungen [Läm55, S. 104–111], wobei die aufbauende Rückwendung die Entstehung einer eben erzählten Situation beschreibt und die auflösende Rückwendung eine länger erzählte Handlung durch ein vergangenes, bislang unbekanntes Ereignis aufklärt. Auch beschreibt er in der Literatur die Formen Rück- 2. Narration und Erzähltheorie 11 schritt, Rückgriff und Rückblick [Läm55, S. 112–138] als besondere Form der Rückwende näher. Andreas Jäggi schreibt ebenfalls von Rückwendungen [Jäg94, S. 68f] und deren möglicher Ausführung in Form einer Binnenerzählung. Gérard Genette spricht allgemein von Anachronien, wenn Ereignisse nicht in ihrer chronologischen Reihenfolge erzählt werden [GK98, S. 22–31] und bezeichnet in Richtung Vergangenheit reichende Anachronien als Analepsen [GK98, S. 32–45]. Bezogen auf das Medium Film führt Etienne Souriau an [Sou97, S. 157]: „Eine Rückblende in der Filmhandlung erzeugt eine zur diegetischen Zeitfolge gegenläufige filmophanische Reihenfolge.“ Filmophanisch bezeichnet dabei die Reihenfolge, in der die Handlung durch den Film präsentiert wird. Der Begriff wird in 3.2 ausführlicher behandelt. In dieser Arbeit werden aufgrund ihrer Geläufigkeit die Bezeichnungen Rückblende und Analepse verwendet, wobei entscheidend ist, dass es sich um einen vorübergehenden Zeitsprung handelt und die Rahmenhandlung später in der Erzählung fortgesetzt wird. 2.6.2 Vorblende (Prolepse) Analog zur Analepse beschreibt Genette die Prolepse [GK98, S. 45–54] als Antizipation (Vorwegnahme). Er erwähnt, dass diese in abendländischer Literatur deutlich seltener auftritt, was sich analog auch von Filmen behaupten lässt. Er unterscheidet auch je nach Reichweite der Prolepse zwischen internen und externen Prolepsen. Eine interne Prolepse findet im Erzählstrang der Basishandlung statt und wird vorgezogen. Wird ihre Handlung später nochmals erzählt, bezeichnet sie Genette als repetitive Prolepse. Eine externe Prolepse erzählt ein Ereignis, das erst lang nach der Basishandlung stattfindet. Synonym zur Prolepse sind in einschlägiger Literatur auch die Bezeichnungen Vorausschnitt [Bie06, S. 100], Vorausdeutung [Läm55, Kap. B. Vorausdeutungen], Anitizipation, Vorgriff oder einfach Zeitsprung in die Zukunft zu finden. In dieser Arbeit werden die Begriffe Vorblende und Prolepse verwendet. Es werden Filmbeispiele behandelt, in denen Anachronien in beide Richtungen vorliegen. 2.6.3 Deutliche Anachronie Rückblende und Vorblende sind zwei Formen der Anachronie, die bereits durch jeweils zwei Zeitsprünge definiert sind: erst erfolgt der Sprung aus der Rahmenhandlung heraus in die Vergangenheit bzw. Zukunft, um dort ein Ereignis zu erzählen, danach erfolgt der zweite Sprung zurück in die Rahmenhandlung und die unterbrochene Erzählung wird fortgesetzt. Ist diese Rahmenhandlung nun auch nicht mehr konsistent vorhanden, erfolgt also beispielsweise ein permanenter Zeitsprung oder die Ordnung ist 2. Narration und Erzähltheorie 12 auf andere Weise aufgebrochen, so lässt sich dies als deutliche Anachronie bezeichnen. Deutliche Anachronien können verwendet werden, um mehrere Erzählstränge (z.B. aus der Sicht unterschiedlicher Figuren) darzustellen oder die Reihenfolge der Ereignisse wird verändert, um die Spannung zu halten und aufklärende Ereignisse als letzte zu erzählen. In der Regel gilt dabei, dass – um zu verhindern, dass der Eindruck einzelner, voneinander unabhängiger Geschichten entsteht – die Handlungsstränge miteinander verknüpft werden müssen. Im Beispiel Pulp Fiction (siehe 4.3.2) geschieht dies durch markante Veränderungen (Kleidung, Koffer) der Charaktere und durch das Erwähnen von geplanten Ereignissen, man kann danach die diegetische Ordnung des Geschehens rekonstruieren. Dass diese Rekonstruktion beim Fehlen solcher Verknüpfungen nicht mehr möglich ist, zeigen die teils unverknüpften Episoden in Das jüngste Gewitter (siehe 4.4.1), die zwar das gezeigte Elend des städtischen Alltags gemeinsam haben und somit nicht ganz unverknüpft bleiben, aber dennoch in ihrer Reihenfolge nicht rekonstruierbar sind. 2.6.4 Umkehrung der Erzählrichtung Als eine weitere Besonderheit in der Ordnung gilt die Umkehrung der Erzählrichtung oder die Rückwärts-Erzählung. Schreitet eine Erzählung chronologisch voran, so gilt das Ursache-Wirkung-Prinzip, das bereits durch Bordwells Entwicklungsmuster (siehe 2.3) aufgegriffen wurde: Erst erfolgen Handlungen, danach sind ihre Auswirkungen zu sehen, die die Handlung dadurch in eine neue Richtung lenken. Bereits durch die ursächlichen Handlungen entstehen im Kopf des Rezipienten Vorahnungen, da jede Ursache ein paar Möglichkeiten für den weiteren Verlauf der Dinge bietet. Durch die ständige Präsenz von Möglichkeiten wird die Spannung der Erzählung gesteigert. Wird allerdings rückwärts erzählt, so wird auch das Ursache-WirkungPrinzip gewendet, was auch in Rückblenden häufig der Fall ist: Zuerst ist die Auswirkung zu sehen und der Rezipient sieht in seinen Vorahnungen mögliche Ursachen, wie es zu der Situation gekommen sein könnte. Zwar schreibt Hickethier in einer Auflage von 2001: „Ein rückwärtsschreitendes Erzählen ist (bislang) nocht nicht realisierbar“ [Hic01, S. 136]. Jedoch erschien Memento mit zum Teil rückwärts gerichteten Erzählstrukturen (siehe 4.5.1) bereits 2000. Auch Irréversible, ein komplett rückwärts erzählter Film, wird in der Analyse behandelt (siehe 4.5.2). Kapitel 3 Montage und Schnitt Ähnlich wie in Kapitel 2, welches Ausdrücke der filmischen Narration und Erzähltheorie auflistet, sind in diesem Kapitel die in der Arbeit verwendeten Definitionen zu Begriffen aus der Montage zu finden. Hier wurde ebenfalls Wert darauf gelegt, jene Ausdrücke zu verwenden, die gebräuchlich und in der Fachliteratur auffindbar sind. 3.1 Schnitt vs. Montage Bevor näher auf die Einzelheiten der Montage eingegangen wird, sollte zunächst der Begriff klar definiert werden. Das ist schnell gemacht, über die Begriffe Schnitt und Montage herrscht weitgehend Einigkeit (vgl. [Gas93, S. 40], [Hic01, S. 144], [Mik08, S. 215]). Nur umgangssprachlich wird im deutschen Sprachraum gerne vom Schnitt als gesamte Anordnung einzelner Segmente gesprochen (z.B. „etwas wurde im Schnitt gut umgesetzt“), wenn aber nicht nur vom technischen Vorgang der Begrenzung und Aneinanderreihung zweier Einstellungen, sondern von dadurch entstehenden narrativen Strukturen und Zusammenhängen die Rede ist, so sollte hierfür der Begriff Montage verwendet werden. Als Montage bezeichnet man den produktiven Vorgang, bei dem einzelne Segmente des Filmmaterials auf audiovisueller Basis zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Ebenfalls wird das fertige Produkt im Hinblick auf die Anordnung der Segmente, ihre Zusammenhänge und narrativen Strukturen als Montage bezeichnet. Ein Schnitt wird im Zuge der Montage gesetzt und ist jene Begrenzung, an der von einem Segment (Einstellung) zum nächsten gewechselt wird. Der Vorgang des Setzens dieser Begrenzungen kann ebenfalls als Schnitt bezeichnet werden. 13 3. Montage und Schnitt 3.2 14 Struktureinteilung Beim Versuch, die Struktur eines Filmes zu erörtern, stellt sich gleich eingangs die Frage, auf welcher Ebene die Einteilung in die Struktur erfolgen soll. Nach Etienne Souriau lässt sich die Struktur des filmischen Universums in sieben Ebenen1 einteilen (vgl. [Sou97]). Von Interesse für die Strukturierung narrativer Inhalte sind dabei jene vier Ebenen, über die sich der in 2.2 definierte Begriff der Narration erstreckt: die filmophanische (leinwandliche) Wirklichkeit, also all das, was vom Film während seiner Vorführung sichtbar und hörbar ist; die diegetische Wirklichkeit, jene Welt, die der Film (objektiv) inszeniert; die spektatorielle Ebene, also jene Welt, die der Zuschauer (subjektiv) wahrnimmt und interpretiert; sowie die kreatorielle Ebene, die Aussage des Films, die psychologischen und sozialen Intentionen des Autors. Würde man einen Film beispielsweise nach der Laufzeit der DVD einteilen, so erhielte man eine filmophanische Strukturierung. Jedes Ereignis im Film ließe sich eindeutig referenzieren, indem man den Timecode angibt, z.B. ein Ereignis in Minute 17. Diese Einteilung wäre objektiv, da der Timecode (der analog zur filmophanischen Zeit bzw. Erzählzeit läuft, siehe 2.5) exakt messbar ist. Doch ist es für die Analyse wenig sinnvoll, einen Film nur nach Minuten und Sekunden einzuteilen. Beim Betrachten filmischer Inhalte denken wir nicht in objektiver Zeit, wir können diese auch gar nicht als solche empfinden. Wir nehmen die dargestellten Bildinhalte wahr, rekonstruieren Handlungen und Verbindungen der diegetischen Filmwelt nach subjektiven Erfahrungen und bauen so unsere eigene, spektatorielle Narration daraus zusammen. Was wir vom narrativen Filminhalt auffassen, sind Ereignisse und deren kausale Verbindungen im mikrostrukturellen sowie der Zusammenhang der Ereignisse über den gesamten Film im makrostrukturellen Bereich. Danach lässt sich eine Struktur definieren, die gewiss subjektiver Natur ist. Diese Subjektivität erschwert das Auffinden passender Termini. Umgangssprachlich sprechen wir von Szenen, deren exakte Definition wir zwar vielleicht nicht kennen und deren Länge und Abgrenzung dementsprechend variieren, aber durch die ohnehin meist einhergehende nähere Beschreibung bedarf es auch keines eindeutigen Terminus. Spricht beispielsweise jemand von Donnie Darko [don01] und erwähnt die Gesprächsszene im Auto, so ist damit bereits klar, dass der Zeitabschnitt gemeint ist, in dem Donnie Darko und sein Vater im Auto sitzen und ein Gespräch führen. Die Handlung, der Ort und die Zeit sind zu einer Einheit zusammengefasst. In der Montage besteht die Narration im Gesamten aus mikro- und makrostrukturellen Elementen. Kleinere Segmente werden zu größeren Einhei1 Hier werden nur die relevanten Ebenen genannt. Da das französische Original dieses Artikels bereits 1951 abgedruckt wurde, ist das Ebenenmodell heute nicht mehr in allen Punkten aktuell, aber dennoch relevant, da der Fachjargon von Etienne Souriau geprägt wurde. 3. Montage und Schnitt 15 ten zusammengefasst, die ihrerseits wieder Sinneinheiten bilden und Verknüpfungen zu anderen herstellen. Makrostrukturelle Sinneinheiten lassen sich aufgrund ihres Umfangs nach ihrem dramaturgischen Aufbau einteilen, was sich im Mainstreamfilm noch einfach gestalten mag, da in ihm vor allem genretypische Schemata für den Aufbau angewendet werden. Je weiter man sich aber vom Mainstream und Genrefilm entfernt, umso schwieriger wird es, der Dramaturgie ein Konzept zuzuordnen (in 2.3 wurde beispielsweise die Reise des Helden erwähnt) und somit lassen sich auch nur schwer makrostrukturelle Elemente definieren, die sich allgemein zur Analyse anwenden lassen. Die folgenden Punkte beschreiben Ausdrücke, die zur Einteilung filmischen Geschehens in mikro- und makrostrukturelle Segmente dienen. Vor allem letztere sind nicht immer eindeutig, es wurde daher in Kapitel 4 Wert darauf gelegt, eine Struktureinheit nicht nur mit einem Begriff, sondern möglichst mit Beiwörtern näher zu beschreiben. 3.2.1 Einstellung Anders als die nachfolgenden Ausdrücke ist die Einstellung objektiv anhand des Bildinhaltes messbar und somit eindeutig. Sie stellt die Einheit kleinster Größenordnung in dieser Struktur dar [Mik08, S. 91]: „Eine Einstellung kann mehrere Einzelbilder umfassen. Sie ist definiert durch den Bildausschnitt und die Nähe bzw. Entfernung der Kamera zu den abgebildeten Objekten und Personen [...]. Mit dem Schnitt endet eine Einstellung und eine neue beginnt, d.h., Beginn und Ende einer Einstellung werden durch die Schnitte gesetzt [...].“ Die Einstellung bezeichnet also einerseits die kleinstmögliche Einheit an zusammenhängenden Bewegtbild-Inhalten und definiert andererseits die Größe des sichtbaren Bildausschnittes, die Einstellungsgröße. Bei Schwenks, Zooms und Kamerafahrten kann sich die Einstellungsgröße ändern. 3.2.2 Szene Das Dilemma um den Mangel an klar definierten Fachbegriffen beginnt, sobald man mehrere Einstellungen zu einer nächstgrößeren Einheit zusammenfassen will. Zuvor wurde bereits auf den umgangssprachlichen Terminus der Szene eingegangen, die durch Beiwörter und Beschreibungen näher definiert wird und dadurch meist zu einer Einheit aus Handlung, Zeit und Ort wird. Das deckt sich mit einer Definition von Thomas Kuchenbuch, wenngleich er den Begriff szenisch auch in anderen Zusammenhängen verwendet [Kuc05, S. 64f]: 3. Montage und Schnitt 16 „In der „Szene“ herrscht durchgehende raumzeitliche Einheit bzw. Kontinuität, die einzelnen Einstellungen machen nur geringfügige Sprünge (kleine, kaum merkliche Zeitsprünge von Einstellung zu Einstellung und Wechsel von Kamerastandort und Einstellungsgröße in deutlich einheitlichem Raum).“ Hickethier beschreibt die Szene nach der Typologie von Christian Metz (vgl. [Met72]), was sich ebenfalls mit dem bisher Genannten vereinbaren lässt. So schreibt er, dass „die Szene durch keine Auslassung gekennzeichnet ist, also eine zeitliche Einheit des Geschehens wiedergibt“ [Hic01, S. 147]. Kuchenbuch und Hickethier beschreiben im szenischen Zusammenhang auch die unsichtbare Montage bzw. den unsichtbaren Schnitt, worauf in 3.3.1 näher eingegangen wird. 3.2.3 Sequenz Nun ist es auch sinnvoll, Einstellungen und Szenen zu größeren Einheiten zusammenzufassen. Kuchenbuch beschreibt in diesem Zusammenhang einige Montagetypen, definiert aber keinen einheitlichen Terminus für eine größere Einheit, sondern erwähnt Sinneinheiten, Sequenzen, Großsequenzen und höhere Einheiten. Zur narrativen Montage zählt seiner Definition nach nicht nur die Szene, sondern auch die „Erzählung im eigentlichen Sinn“ (vgl. [Kuc05, 4.1.2.1, S. 65]). Damit meint er Szenen und nach anderen Kriterien zusammengefasste Einstellungen, die nacheinander geschnitten Zeit- und Ortssprünge ergeben und somit die Erzählung vorantreiben. Hickethier beschreibt in diesem Zusammenhang die Sequenz „als Einheit im Geschehen [..], die sich deutlich von anderen abhebt (Strukturpausen) und sich durch einen erkennbaren Handlungszusammenhang bestimmen lässt“ [Hic01, S. 146]. Nach Jens Eder verschwimmen die hier genannten Definitionen der Sequenz und Szene [Ede07, S. 79–82]. Er richtet sich nach David Bordwell, der die gewöhnliche Sequenz von Metz als „straightforward scene“ [BST88, S. 63] bezeichnet. Für diese Arbeit sei die Sequenz als Sinneinheit (der Begriff wird von Kuchenbuch übernommen) definiert, die sich nach zusammenhängender Handlung richtet. Sie kann somit aus einer oder mehreren Szenen bestehen. Wenn der Sinnzusammenhang es ergibt, können auch mehreren Sequenzen eine Szene bilden. Entscheidend für die Abgrenzung der Sequenz sind Strukturpausen (nach Hickethier). 3.2.4 Plot Points Plot Points sind Wendepunkte, die den Verlauf der Narration durch ein Ereignis in eine andere Richtung lenken und dadurch Charaktere in ihrer Entwicklung beeinflussen und für Spannung in der Dramaturgie sorgen [Eic06, S. 61ff]. Syd Field beschreibt Plot Points in seinem Drei-Akt-Modell als jene Ereignisse, die von der Exposition (Einleitung) zu einer Konfrontation (auf 3. Montage und Schnitt 17 der die grundlegende Handlung des Films basiert) und von der Konfrontation schließlich zur Auflösung des Geschehens führen [Fie07, S. 225–250]. In 2.3 wurden Bordwells Entwicklungsmuster erwähnt, die Plot Points als „change in a character’s sitiuation“ umschreiben2 [BT04, S. 80]. In dieser Arbeit werden alle Änderungen im Handlungsgeschehen als Plot Points bezeichnet, die die Situation eines Charakters, ein klar definiertes Ziel oder ein anderes wesentliches Handlungselement der Narration in eine neue Richtung lenken und damit die Spannung aufrecht erhalten. Sie dienen dadurch zur Abgrenzung makrostruktureller Filminhalte. 3.2.5 Einteilung nach Akten Das bereits erwähnte Schema von Syd Field teilt jegliche Narration von populären Spielfilmen in drei Akte ein (Exposition, Konfrontation und Auflösung), die durch Plot Points begrenzt werden [Fie07]. Die von ihm erwähnte Struktur ähnelt dabei jener der in 2.3 bereits erwähnten Reise des Helden, die in zwölf Stationen ausgeführt wird. Syd Field beschreibt sehr ähnliche Handlungselemente, die er in seine drei Akte einordnet. Fields Schema richtet sich aber vorwiegend an Drehbuchautoren von Populärfilmen und kann daher vor allem zur Analyse von Filmen mit vom Mainstream abweichenden Erzählstrukturen nicht zur Gänze angewendet werden. Die grundlegende Aussage seiner Struktur jedoch, ein Geschehen durch zwei Plot Points zu dritteln (was natürlich sehr allgemein scheint), lässt sich als grundlegende Struktur der Dramaturgie in vielen Bereichen einsetzen. So geht die spätere Analyse beispielsweise auch auf in Episoden erzählte Filme ein, bei denen eine ähnliche Drei-Akt-Struktur in einzelnen Episoden erkennbar ist. 3.3 Montagestile und besondere Formen Zwar setzt sich der Film aus gestalterischen und narrativen Elementen von Malerei, Fotografie, Architektur, Theater und Roman zusammen, unterscheidet sich aber von all diesen durch die Montage (vgl. [Bai07, S. 159]), die kausale Verknüpfungen zwischen einzelnen Segmenten entstehen lässt und dadurch dem Rezipienten erst die spektatorielle Auffassung der diegetischen Handlung ermöglicht. Im Folgenden seien einige übliche Montageformen angeführt, die auch in vom Mainstream abweichenden Filmen anzutreffen sind. 3.3.1 Unsichtbarer Schnitt In 3.2.2 wurde bereits die Szene als jene Sinneinheit von Einstellungen, die eine Einheit von Zeit und Ort bilden, definiert. In einer Szene wechselt die 2 Bordwell verwendet im vorliegenden Werk keine eigene Bezeichnung dafür. 3. Montage und Schnitt 18 Kamera unauffällig den Standort, wodurch die Kontinuität erhalten bleibt. Als eine Art Regelwerk für diese Art der Kontinuität ist der unsichtbare Schnitt oder die unsichtbare Montage zu verstehen. Dialogszenen werden im Schuss-Gegenschuss-Verfahren gezeigt, bei dem die Kamera von einer Seite an die Gesprächspartner herantritt, beide abwechselnd zeigt und die Handlungsachse nicht überspringt (vgl. [Hic01, S. 151]). Folgt doch ein Achsensprung, so wird dadurch eine neue Seite des Raumes sichtbar und der Zuseher muss sich neu orientieren. Auch die Erwartung des Zuschauers, im Dialog nach einem Schuss den Gegenschuss zu sehen, kann gezielt enttäuscht werden [Low92, S. 115]. Solche Unterbrechungen und Achsensprünge werden vom Rezipienten bewusst wahrgenommen und zählen daher nicht zum unsichtbaren Schnitt. Generell lässt sich alles unter dem unsichtbaren Schnitt zusammenfassen, was eine kontinuierliche Szene darstellt. 3.3.2 Deutlich wahrnehmbarer Schnitt Als Gegenstück zum unsichtbaren Schnitt gestaltet sich der deutlich wahrnehmbare Schnitt. Er grenzt Szenen mit unterschiedlichen Orten voneinander ab oder bringt ein neues Ereignis, eine neue Handlung oder eine Erweiterung des Raumes in die Szene ein. Wie bereits erwähnt, kann durch ein typisches, sich wiederholendes Schnittmuster eine Erwartungshaltung aufgebaut und durch einen harten Schnitt gebrochen werden. Ein Beispiel für den Einsatz eines solchen Schnittes zur Betonung der Narration wäre der Achsensprung innerhalb eines Dialogs, bei dem die Kamera auf die gegenüberliegende Seite der Protagonisten wandert. Solche Achsensprünge werden z.B. in Shining [the80] eingesetzt, während der Barmann auf der Toilette Jack Torrance von einem Fleck befreit: der Schnitt bricht „bewusst die Sehgewohnheit des Zuschauers und verweist auf formaler Ebene auf eine gestörte Kommunikation zwischen Jack Torrance und seinem Gegenüber“ [Bie06, S. 130]. Ein weiteres Beispiel für einen narrativ wirkungsvollen, auffallenden Schnitt wäre der Jump Cut, bei dem eine Diskontinuität etwa durch eine Änderung der Kameraposition, -perspektive oder der Bewegungsrichtung herbeigeführt wird [Mik08, S. 219]. Der Match Cut hingegen schafft eine fortwährende Kontinuität über einen Szenenwechsel, indem die Bewegung eines Objekts, Charakters oder einer Kamera nach dem Schnitt in einer neuen Umgebung fortgeführt wird. Er kann auch eingesetzt werden, um über einen Zeitsprung hinweg eine kognitive Verbindung herzustellen, wie dies in Kubricks 2001: A Space Odyssey geschieht [Hic01, S. 134]: ein Menschenaffe wirft seine Waffe, einen Knochen, in die Luft – nach dem Schnitt befindet sich anstelle des Knochens ein Satellit, der die Bewegung fortführt. 3. Montage und Schnitt 3.3.3 19 Frequenz und Rhythmus Frequenz und Rhythmus von Schnitten lösen auf der Bildebene eine Formalspannung aus. Diese meint im Gegensatz zur psychologischen Spannung „die Veränderung der Schnittfrequenz und damit die neben den Einstellungsinhalten wohl wichtigste Strategie der Wahrnehmungssteuerung“[Fau02, S. 128]. Durch die Relationen der Längen einzelner Einstellungen entsteht ein rhythmisches Geflecht, das in regelmäßigen Mustern angewendet eine gewisse Dynamik bietet: so kann eine Verfolgungsjagd, während der die Schnittfrequenz deutlich steigt und die Einstellungen näher werden, sich kurz wieder durch eine länger gezeigte Einstellung, in der der Verfolgte ein Versteck aufsucht und dort verweilt, entspannen, um danach wieder schneller zu werden. Wird bei steigender Schnittfrequenz auf weite Einstellungen und somit den Überblick über die Szene verzichtet, also nur Detailaufnahmen aufeinander geschnitten, so spricht diese konstruktive Montage vor allem die kognitiven Aktivitäten der Zuschauer an (vgl. [Mik08, S. 223ff]), da sie die Szene aus den gezeigten Details und deren Zusammenhängen rekonstruieren müssen. 3.3.4 Plansequenz Hickethier definiert den Montagestil der inneren Montage. Damit sei „zum einen der Einsatz der Schärfentiefe gemeint, [...] Zum anderen wird mit diesem Begriff die Kombination von Fahrt, Schwenk, Zoom innerhalb einer Einstellung bezeichnet.“ [Hic01, S. 164]. Für lange Einstellungen, in denen nicht (oder nicht erkennbar) geschnitten wird und Einstellungsänderungen durch Fahrt, Schwenk und Zoom in kontinuierlicher Weise erfolgen, hat sich im deutschsprachigen Raum der Begriff Plansequenz (vgl. [KR98, S. 86ff] und [Mik08, S. 91]) eingebürgert, dessen englisches Pendant long-take lautet (vgl. [Ree99, S. 69]). Als bekannte frühe Plansequenz gilt die erste Szene in Orson Welles’ Touch of Evil [tou58], in der in einer dreiminütigen Kamerafahrt der Weg einer Bombe bis zu ihrer Detonation verfolgt wird und parallel die Hauptcharaktere vorgestellt werden. Der Rhythmus innerhalb einer Plansequenz ergibt sich durch Änderungen des Bildinhalts, Geschwindigkeiten von Kamerafahrten und deren Richtungsänderungen, Objekten und Charakteren, die ins Bild treten oder es verlassen – Muster von Dynamik und Bewegung treten nicht im Schnitt auf, sondern direkt in der Plansequenz. 3.3.5 Parallelmontage Als Parallelmontage wird das wechselweise Schneiden zweier Handlungsstränge und eine dadurch entstehende Verbindung zwischen diesen bezeichnet. Meist enden beide Stränge in einem gemeinsamen Punkt, auf den sie zu- 3. Montage und Schnitt 20 laufen (vgl. [Hic01, S. 139f]). Diese Verbindung kann eine suggerierte Gleichzeitigkeit sein oder einfach eine Gemeinsamkeit beider Handlungen, die nacheinander gezeigt nicht als solche wahrgenommen werden würde. Auch kann dem Zuseher durch einen Parallelstrang zusätzliches Wissen vermittelt werden, sie „wissen mehr oder weniger als bestimmte Figuren und sehen mehrere Situationen sich gleichzeitig entwickeln“ [Bai07, S. 161]. 3.3.6 Split Screen Beim Split Screen, wörtlich „geteilter Bildschirm“, sind zwei oder mehr Einstellungen gleichzeitig zu sehen. Im Gegensatz zur Parallelmontage gestaltet sich dadurch also eine Möglichkeit, mehrere Handlungen tatsächlich gleichzeitig zu zeigen. Von der Doppelbühne des 19. Jahrhunderts kommend [Kuc05, S. 71], hat sich der Einsatz des Split Screen für Telefongespräche bereits in frühen Filmen etabliert und später vor allem im Musikvideo Einzug gefunden. Wie für die Parallelmontage gilt auch hier, dass es sich nicht um eine suggerierte Gleichzeitigkeit mehrerer Ereignisse handeln muss (auch wenn dies meist der Fall ist) – es wird eine Verbindung zwischen den gezeigten Handlungen hergestellt. Ein Unterschied zur Parallelmontage ist, dass der Zuseher nicht beide parallel gezeigten Bilder im Zentrum seines Blicks fokussieren kann. Er hat immer zu wählen, welchem Bild er seine Aufmerksamkeit widmet, daher gilt es in der Montage, die Blicke des Rezipienten zu lenken. 3.4 Möglichkeiten durch Time Remapping Time Remapping ist ein Punkt, der den Film von der Literatur deutlich abhebt. Während man in der Literatur zwar eine Kompression der erzählten Zeit durch Ellipsen (Auslassungen) erreicht und umgekehrt durch eine umfangreiche Beschreibung sehr detailliert auf einen sehr kurzen Moment eingehen kann, so ist es dennoch kein direktes Spiel mit der Zeitachse, wie es der Film erlaubt. Durch die Änderung der Geschwindigkeit von ihrer (profilmischen) Aufzeichnung bis zu ihrer (filmophanischen) Darstellung werden deutliche Effekte kreiert, deren realitätsfremde Wirkung weiter geht als bloß eine elliptische Erzählweise. 3.4.1 Zeitlupe und Zeitraffer Spielt man aufgezeichnetes Filmmaterial verlangsamt ab, erhält man den Effekt einer Dehnung oder Zeitlupe, spielt man ihn schneller ab, erhält man einen Zeitraffer. Im Dokumentarfilm haben sich diese beiden Möglichkeiten etabliert, um zeigen zu können, was für das Auge sonst unsichtbar wäre, wie beispielswei- 3. Montage und Schnitt 21 se das Öffnen einer Blüte oder das Vorbeiziehen von Wolken – Bewegungen, die in ihrer natürlichen Geschwindigkeit nur schwer nachvollziehbar wären. Ebenso wird es nur schwer gelingen, die Zunge eines Frosches beim Fliegenfang genau zu beobachten, was die Zeitlupe möglich macht. Das sonst nicht Sichtbare kann nachvollziehbar dargestellt werden. Im kommerziellen Spielfilm werden Zeitlupen vor allem zur Betonung eingesetzt, wie z.B. in Kampfszenen, in denen Schläge verlangsamt dargestellt werden, um die Dramaturgie zu steigern. 3.4.2 Pausierung Ein sehr stark wirkender Effekt ist die Pausierung des Filmmaterials, die vor allem durch dementsprechende Untermalung im Ton lebt. Dabei kann es sich z.B. um Unterbrechungen handeln, um eine Beschreibung auf der Tonebene einzuwerfen oder Zwischentitel einzublenden. Die Stärke dieses Effekts ist bereits im frühen Schwarzweißfilm Les visiteurs du soir [les42] erkennbar. Marcel Carné verlieh in dieser Fabel Charakteren die Möglichkeit, der Zeit zu entfliehen und stellte sie damit über die Diegese. Das Anhalten des Films während eines Tanzes, wobei auch der Ton angehalten wurde, führte zu Fehlinterpretationen des Publikums und man dachte, es handle sich um einen technischen Defekt, bis das Geschehen im Laufe des Films aufgeklärt wurde. 3.4.3 Rewind Ein ebenso übernatürlicher Effekt wird durch das Rückwärtsabspielen von Filmmaterial erzielt. Seit dem kommerziellen Einzug von Videokassetten ist auch allgemein bekannt, wie ein schnell zurücklaufender Film aussieht, was sich auch als narratives Stilmittel zur Verdeutlichung eines Zeitsprungs in die Vergangenheit etabliert hat. Zum Ende von Donnie Darko [don01] laufen Ausschnitte des Films rückwärts ab, was den Rückschritt in der Zeit bis zum Absturz der Flugzeugturbine – dem Zeitpunkt, ab dem das Geschehen erneut erzählt wird – verdeutlicht. Kapitel 4 Analyse Die Analyse einschlägiger Filme bildet den Kern dieser Arbeit. Eingegangen wird dabei auf Spielfilme unterschiedlicher Herkunft, zwei Musikvideos und einen Kurzfilm. Dabei wurden die Filme so gewählt, dass ein möglichst breites Spektrum an narrativen Mitteln, die die Zeit in der Erzählung betreffen, abgedeckt ist. Für jeden analysierten Film ist im Anhang A eine gekürzte Inhaltsangabe angeführt, die der Übersicht dient, nicht jedoch dem Verständnis des Filmes. Es ist daher ratsam, sich den Film anzusehen, bevor die Analyse darüber gelesen wird. Im Übrigen wird auch keine Rücksicht darauf genommen, dass spannende Elemente oder der Ausgang eines Filmes verraten werden. Gliederung Die Gliederung dieses Kapitels richtet sich nach der Erzählstruktur der Filme. Sie wurden im Vorfeld auf ähnliche narrative Elemente untersucht. Die Gemeinsamkeiten werden jeweils zu Beginn kurz angeführt und in der Analyse näher erläutert. Auch das Kapitel 6 gibt im Punkt 6.2 nochmals einen Überblick über die entdeckten Gemeinsamkeiten und die Ergebnisse der Analyse. 4.1 Verschachtelung diegetischer Ebenen Verschachtelungen diagetischer Ebenen werden durch Erzählungen in einer Erzählung gebildet. Geht diese Verschachtelung nun so weit, dass sich ein Erzähler selbst in die Geschichte einbettet oder eine Figur aus der Diegese entspringt und die sie umgebende Welt betritt, so ist jenes Phänomen erreicht, das Gérard Genette als Metalepse bezeichnet. Dabei ist in der filmischen Metalepse vor allem die Tatsache von Bedeutung, dass durch das Eindringen eines Erzählers in seine eigene erzählte 22 4. Analyse 23 Wirklichkeit dem Zuschauer oft nicht bewusst ist, in welcher Ebene die Darstellung nun spielt [Tus07, S. 111]: „Die filmische Metalepse ist ein Spiel mit der Eindringlichkeit des Wirklichkeitseindrucks. Grundsätzlich wird die Illusion nicht nur auf hohem künstlerischen oder technischen Niveau umgesetzt, sondern es wird zugleich gezeigt, dass der hohe Impakt einer Darstellung künstlich erzeugt ist.“ Mit diesem robusten Einstieg sollen im Folgenden zwei Spielfilme untersucht werden, die diegetische Verschachtelungen und zum Teil auch Metalepsen enthalten. 4.1.1 Hero Der chinesische Kampffilm Hero [her02] erschien 2002 unter der Regie von Zhang Yimou. Er handelt von einem namenlosen Ritter, der dem König von Qin eine Geschichte erzählt. Markant ist dabei, dass er sich durch seine Erzählung dem König nähern kann, worauf dieser die Geschichte nochmal aus seiner Sicht der Dinge erzählt. Schließlich holt der Protagonist ein drittes mal zur Erzählung aus, wobei die Geschichte an Ort und Stelle zu einem Ende gebracht wird. Hero: Analyse Die Erzählstruktur von Hero ist dermaßen gestaltet, dass in der ersten Erzählebene der namenlose Ritter an den König herantritt und ihm in einer zweiten diegetischen Ebene von seinem Weg zu ihm und seinem Sieg über die drei Attentäter Weiter Himmel, Zerbrochenes Schwert und Fliegender Schnee erzählt. Die Rahmenhandlung findet also im Palast des Königs statt (Abb. 4.1), während die Erzählung des Protagonisten als Binnenerzählung gilt. Der König beginnt darauf hin als Erzähler der zweiten Binnenerzählung. Es handelt sich wieder um die gleiche Geschichte, die der König verändert hat, da er seine Sicht der Dinge ausführt. Wieder endet die Binnenerzählung mit dem Protagonisten, der an den König herantritt. Ein drittes Mal findet eine Binnenerzählung statt, der Protagonist erzählt die wahren Gründe seines Weges zum König. Es stecken also drei Binnenerzählungen in dieser Rahmenhandlung, wobei jede mit anderen Ursachen den Beginn der Rahmenhandlung erklärt und die dritte Erzählung sogar erst in der Rahmenhandlung endet. Der Protagonist und der König haben die Binnenerzählungen beeinflusst, da es sich im Prinzip drei mal um die gleiche Geschichte handelt. Demnach kann von einer Metalepse gesprochen werden. Da sich der Wahrheitsgehalt aller drei Geschichten nicht überprüfen lässt, ist sogar eher von Metalepsen 4. Analyse 24 Abbildung 4.1: Die Halle im Palast des Königs von Qin bietet in Hero [her02] das Umfeld für die Rahmenhandlung. Der Protagonist und der König erzählen in drei Versionen, wie sich die bisherige Geschichte ereignet hat. Abbildung 4.2: Erzählstruktur in Hero. Die drei Binnenerzählungen eröffnen jeweils eine eigene diegetische Ebene, wobei die dritte in der Rahmenhandlung endet. als von Rückblenden auszugehen. Jede der drei Erzählungen eröffnet eine neue diegetische Ebene (siehe Abb. 4.2), deren Handlung jeweils die aktuelle Situation erklärt. Schließlich wird die Handlung in der Rahmenhandlung fortgesetzt, wobei der namenlose Ritter die Erkenntnis erlangt, dass der Attentäter Zerbrochenes Schwert recht hatte mit seinem Vorhaben, den Tod des Königs zu verhindern. Es wird also deutlicher Bezug auf die dritte Erzählung genommen, womit man davon ausgehen kann, dass die dritte Erzählung in der Rahmenhandlung beendet wird. 4.1.2 Inception Christopher Nolan veröffentlichte 2010 den Science-Fiction-Spielfilm Inception [inc10], der von Dominic Cobb (Leonardo DiCaprio) und seinem Team handelt, die mit Hilfe einer Traumsharing-Maschine in die Träume und somit 4. Analyse 25 das Unterbewusstsein anderer Menschen eindringen können. Sie betreiben das im Bereich der Wirtschaftsspionage, um Ideen aus dem Unterbewusstsein anderer zu stehlen („Extraction“) und um Ideen einzupflanzen („Inception“). Inception: Analyse Im Gegensatz zu Hero basiert Inception nicht auf dem Prinzip der Erzählungen und kommt auch ohne große Rückblenden aus, sofern man von der ersten Sequenz absieht, in der Dominic Cobb am Strand aufkreuzt. Chronologisch liegt diese Sequenz fast am Ende der Geschichte und wird auch zum Ende des Films nochmal gezeigt und aufgeklärt. Da aber die Narration des Filmes nicht von diesem Geschehen weg startet, soll nicht diese erste Sequenz als Rahmenhandlung und die gesamte Geschichte als Rückblende gelten, sondern die gesamte Geschichte als Rahmen und die erste Sequenz als repetitive Prolepse (vgl. Abschnitt 2.6.2). Cobb erzählt Ariadne später von Mals Tod, weil er Projektionen von Mal in sämtlichen Träumen sieht. Diese Erzählung ist als Rückblende ausgeführt, allerdings nur als eine aufklärende und keine die Haupthandlung beinhaltende wie bei Hero. Es existiert also ein fester Erzählfaden, der sich vom filmophanischen Anfang bis zum Ende durchzieht und auch die diegetische Geschichte im Großen und Ganzen so erzählt. Die diegetischen Ebenen gestalten sich bei Inception anders – sie sind nicht durch Erzählungen aufgebaut, sondern in Form von Träumen, die einer Phantasiewelt im Unterbewusstsein entsprechen. Ein Traum ist also ebenfalls als diegetische Ebene zu betrachten. Dabei bestehen auch immer direkte Zusammenhänge zwischen der diegetischen Welt innerhalb des Traumes und der umgebenden Welt, in der der Träumende schläft. In Inception ist dieser Zusammenhang auch dadurch ausgeführt, dass starke Umweltänderungen auch in den Traum vordringen können, was die Protagonisten auch gezielt für ihre „Kicks“ nützen, die sie benötigen, um jemanden aus einem Traum zu wecken. Die Basiserklärung, warum Inception funktioniert, besteht darin, dass im Traum die Zeit anders vergeht, da das Gehirn schneller arbeitet. Diesen Umstand nutzen Cobb und sein Team aus, um sich durch die Verschachtelung auch genügend Zeit zu verschaffen, die Idee während des Fluges einzupflanzen. Obwohl deutliche Unterschiede zu der Erzählstruktur in Hero bestehen, lässt sich auch hier von Metalepsen sprechen. Es sind zwar keine Erzähler, die selbst in ihre Erzählung hinein treten, sondern Träumer, aber das Prinzip bleibt das Gleiche, nämlich das Überschreiten der Grenzen zwischen diegetischen Ebenen. Die einzelnen Wirklichkeiten beeinflussen sich gegenseitig. Eingangs wurde auch erwähnt, dass Metalepsen für den Zuschauer oft nicht zur Gänze nachvollziehbar sind. Auch darauf geht Inception ein. Der 4. Analyse 26 Film startet mit einer Prolepse und springt von dieser in einen Traum. Der Zuseher weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es sich um einen Traum handelt. Nachdem das Extrahieren des gesuchten unterbewussten Wissens innerhalb dieses Traumes nicht gelingt und mit Waffengewalt nach dem Aufwachen aus dem Traum versucht wird, befindet sich der Zuseher immer noch nicht in der obersten Ebene, denn Saito erkennt anhand der Beschaffenheit seines Teppichs, dass es sich nicht um seinen Teppich handelt und dass er immer noch träumt. Als Cobb Ariadne über das Jobangebot aufklärt, befinden sie sich auch in einem Traum, was nicht sofort klar ist. Ariadne stellt fest, dass sie nicht weiß, wie die beiden an diesen Ort gekommen sind. Es stellt sich heraus, dass sie bereits träumt. Das wurde nicht nur Ariadne, sondern auch dem Zuseher verheimlicht. Am Ende des Filmes wird das nochmal in Frage gestellt: Cobb dreht seinen Kreisel, um sicher zu gehen, dass er sich in der Realität und in keinem Traum befindet. Die Kamera schwenkt zum sich drehenden Kreisel, es ist aber nicht eindeutig erkennbar, ob er umfällt oder sich weiter dreht, da geschnitten wird. Der Zuseher wird mit dieser Frage vom Film entlassen. Inception: Zusammenfassung Inception basiert ebenso wie Hero auf einem Konstrukt aus mehreren diegetischen Ebenen. Bei Hero geht die Verschachtelung nicht tiefer als bis zur zweiten Ebene, Inception hingegen spielt theoretisch in beliebig vielen, da in jedem Traum ein weiterer geträumt werden kann. Beide Filme thematisieren die eingangs erwähnten Metalepsen auf unterschiedliche Weise. 4.2 Entscheidungen und Möglichkeiten Der Schmetterlingseffekt besagt nach der Theorie von Edward Lorenz, dass bereits die kleinste Veränderung (wie der Flügelschlag eines Schmetterlings) verheerende Folgen (wie einen Tornado) auslösen kann [Wro97, S. 181ff]. Das lässt sich aufzeigen, wenn man einen Zeitpunkt bestimmt und von diesem weg mehrere Zeitpfeile verfolgt, zwischen denen marginale Änderungen vorgenommen wurden (Abb. 4.3). Mit dieser Darstellung des UrsacheWirkung-Prinzips, das verschiedene Möglichkeiten für einen Ausgang des Geschehens aufzeigt, beschäftigen sich die in diesem Punkt angeführten Beispielfilme. Dabei wird in keinem dieser Filme einem solchen Möglichkeits-Erzählstrang eine eigene diegetische Ebene zugeordnet. Die Erzählung an sich beinhaltet das gesamte Geschehen mit mehreren Möglichkeiten. Sie findet nicht linear statt: von einem bestimmten Zeitpunkt weg werden mehrere mögliche 4. Analyse 27 Abbildung 4.3: Zeitpfeile. Wege gegangen, die nacheinander erzählt werden, indem wieder zu diesem Punkt zurückgeführt und der nächste Weg gegangen wird. Alle Wege sind in einer einzigen diegetischen Ebene untergebracht. 4.2.1 Lola rennt Die deutsche Filmproduktion Lola rennt [lol98] wurde 1998 unter der Regie von Tom Tykwer präsentiert. Gezeigt wird die Handlung drei mal mit unterschiedlichen Ausgängen. Die Basis dieser Handlung besteht darin, dass Lolas Freund Manni eine große Summe Geld benötigt und Lola versuchen soll, das Geld in zwanzig Minuten aufzutreiben. Von diesem Standpunkt aus werden drei Wege zum Geld erzählt. Dabei lösen kleine Änderungen kausale Verknüpfungen aus und führen zu einem gänzlich anderen Ende. Lola rennt: Analyse Lola rennt thematisiert deutlich das Phänomen dieses Schmetterlingseffektes. Kleine Änderungen während ihres Laufes führen zu kleinen Unterschieden in der Zeit, die sie benötigt, wodurch wiederum größere Änderungen hervorgerufen werden, die sich in einer kausalen Kettenreaktion fatal auswirken. Das Spiel mit dem Ursache-Wirkung-Prinzip erzählt drei unterschiedliche Geschichten und deren Folgen, die nicht nur innerhalb der gezeigten Handlungen stattfinden, sondern auch durch Prolepsen angedeutet werden. Lola läuft des öfteren Menschen über den Weg, die in jeder der drei Geschichten anders auf sie reagieren. Danach werden Fotografien aus der Zukunft dieses Menschen gezeigt, die jedes mal, hervorgerufen durch die banale Änderung in der Begegnung mit Lola, einen gänzlich anderen Lauf nehmen. In allen drei Geschichten verfolgt Lola das selbe Ziel, ihr ist die selbe Deadline gesetzt. Das fördert die Dramaturgie. Spannung wird auch dadurch erzeugt, dass in den ersten beiden Möglichkeiten einer der beiden Protagonisten stirbt. Erst in der dritten Möglichkeit wird das Happy End gezeigt. 4. Analyse 28 Es wird aber nicht klargestellt, welche von den drei Möglichkeiten sich tatsächlich ereignet hat, diese Frage bleibt nach dem Ende des Films offen. 4.2.2 Donnie Darko Donnie Darko [don01] vom Regisseur Richard Kelly erschien 2001 und handelt von einem psychisch kranken Teenager, der nachts schlafwandelt und seinen Halluzinationen folgt. Durch das Schlafwandeln entkommt Donnie einer abstürzenden Flugzeugturbine, die sein Zimmer zerstört. In seinen Halluzinationen begegnet ihm dann Frank, der Donnie über den Countdown bis zum Ende der Welt unterrichtet. Der Countdown läuft ab, die Zeit wird zurückgedreht und Donnie findet sich vor dem Absturz der Turbine in seinem Zimmer wieder. Dieses mal trifft ihn die Turbine und er kommt ums Leben. Donnie Darko: Analyse Donnie Darko erhält (ebenfalls wie Lola rennt) eine Deadline: in seinen Halluzinationen erzählt ihm Frank vom Untergang der Welt und zählt den Countdown. Die Gemeinsamkeit zu Lola rennt besteht zwar nicht in der Kausalkette, aber dennoch werden von einem Zeitpunkt an zwei Möglichkeiten erzählt, wobei die Handlung der Narration in der ersten Erzählung stattfindet und die zweite lediglich den Schluss darstellt. Durch seine Halluzinationen erlebt Donnie seine eigene diegetische Welt. Die Psychiaterin erklärt seinen Eltern, dass er Schwierigkeiten hat, seine Fantasiewelt von der realen Welt um ihn herum zu unterscheiden. Dem Zuschauer wird diese Unterscheidung ebenfalls schwer gemacht. Frank tritt die meiste Zeit des Filmes in Donnies Halluzinationen auf, während er alleine ist. Am Ende steigt er aber als realer Mensch aus dem Auto aus und erhält durch Donnies Schuss auch die Verletzung am Auge, die Donnie zuvor gesehen hat. Dadurch wird Donnies Fantasiewelt zur Metalepse. Genau genommen steht nicht fest, in welcher Welt Frank nun tatsächlich existiert – in der Diegese des Films oder in Donnies Fantasie. Letztendlich bleibt das auch eine offene Frage. Aus der Sicht der Menschen um Donnie herum würde die erste Möglichkeit, also die gesamte Geschichte, gar nicht stattfinden. Sie würden nur sehen, dass Donnie durch die abgestürzte Turbine ums Leben gekommen ist. Die ganze Erzählung bis zum Zurückdrehen der Zeit könnte sich nur in Donnies Fantasie ereignet haben. Aus Donnies Sicht könnte es aber auch sein, dass zum Ende des Films seine Halluzinationen schon so ausführlich geworden sind, dass er sie tatsächlich für die reale Welt hält. Frank könnte demnach tatsächlich nur in seiner Fantasie existieren und gar nicht aus dem Auto aussteigen. Auch das Ende des Films könnte sich nur in Donnies Fantasie so ereignet haben, wie es gezeigt 4. Analyse 29 wird – das Zurückdrehen der Zeit und sein Tod durch die ihn treffende Turbine könnten eine Halluzination gewesen sein, während er durch einen anderen Umstand gestorben ist. 4.2.3 Cinnamon Chasers: Luv Deluxe Das Musikvideo zum Titel Luv Deluxe [Cin09] vom Elektronik-Produzenten Cinnamon Chasers zeigt in subjektiver Kamera durchgehend die Sicht des Protagonisten. Luv Deluxe: Analyse Luv Deluxe beginnt mit dem Ende und die Entwicklung der Situation wird durch eine Rückblende mit drei Möglichkeiten erzählt. Dabei wird weniger der Schmetterlingseffekt thematisiert, wie es in Lola rennt der Fall ist, da nicht die kleinen Änderungen, die große Wirkung zeigen, Gegenstand der kausalen Ketten sind. Was die Unterschiede ausmacht, sind die Änderungen in der Persönlichkeit des Protagonisten und seiner Freundin. Erzählt werden drei Möglichkeiten, wobei in der ersten sie diejenige ist, die die Rechnung im Restaurant zerreißt und flieht. Sie beginnt zu stehlen und zieht ihn letztlich mit. In der zweiten Möglichkeit findet eine Wende statt, denn er ist nun derjenige, der stiehlt. Er behandelt sie vulgär, was er in der ersten Erzählung nicht getan hat, er stiehlt alles, was ihm in die Hände gelangt und deutet den Bestohlenen frech den Mittelfinger, er versumpft im Alkohol, bis sie schließlich aus Wut über sein Verhalten auf ihn einsticht. In der dritten Erzählung ist er das genaue Gegenteil und versucht, sie vom Stehlen abzuhalten. Sie stiehlt jemandem eine Geldtasche und er bringt sie zurück. Er behandelt sie auch nicht mehr so vulgär wie in der zweiten Erzählung, sondern einfühlender. Er deutet keinen Mittelfinger, sondern zeigt ihr mit den Fingern ein Herz. Schließlich läuft es dann doch darauf hinaus, dass sie sich nicht von ihm bezwingen lässt, jemanden überfällt und auf den Protagonisten schießt, als dieser die Polizei rufen will. Die Geschichte endet so, wie es von Anfang an feststand. Zusammenfassung Die Gemeinsamkeit der drei Erzählungen besteht darin, dass mehrere Möglichkeiten erzählt werden, indem zu einem festen Punkt in der Zeit zurückgekehrt wird. Die Beispiele zeigen auch, wie es möglich ist, deutlich auf dieses Zurückdrehen der Zeit hinzuweisen. In Lola rennt wird das durch einen Match Cut gelöst. Am Anfang des Filmes ist in einer Zeitlupe zu sehen, wie der Telefonhörer, den Lola geworfen hat, zurück aufs Telefon fällt. Beim ersten Ende wirft Manni den Sack mit dem gestohlenen Geld in die Luft. Er ist nach der Zwischensequenz, 4. Analyse 30 in der Lola ihm philosophische Fragen stellt, in Zeitlupe zu sehen, wie er in Richtung Boden fällt. Mittels eines Match Cuts wird zum Telefonhörer zurückgeschnitten und die Geschichte beginnt von vorne, erst mit nur kleinen Änderungen. Auch der Sprung vom zweiten Ende zurück zum Anfang wird durch einen solchen Match Cut gelöst – dieses mal hat Lola einen Sack voll mit gestohlenem Geld und lässt ihn fallen, vom Sack wird zum Hörer geschnitten. In Donnie Darko und Luv Deluxe wird auf das Zurückdrehen der Zeit hingewiesen, indem bereits erzählte Sequenzen nochmal rückwärts abgespielt werden. Am Ende findet sich nach jedem Zeitsprung eine markante Situation vor, die bereits einmal stattgefunden hat, von der ausgehend die Erzählung erneut startet und einen anderen Verlauf nimmt. Diese Wiederholung einer Situation ist prägend und ein deutlich wahrnehmbarer Hinweis für den Betrachter. 4.3 Weitreichende Anachronien Als Anachronie gilt nach Genette jede Erzählung, deren erzählte Zeit nicht linear zur Erzählzeit läuft. Demnach zählen bereits Ellipsen, einfache Auslassungen zur Kompression der Erzählung, als Anachronien. Daher wurde in 2.6.3 zur Abgrenzung der Begriff der deutlichen Anachronien definiert, die sich dadurch auszeichnen, dass ein deutlicher Zeitsprung (also keine gewöhnliche Ellipse) zu einem anderen Punkt in der Diegese stattfindet, ohne danach wieder zurückzukehren, wie es bei Rück- und Vorblenden der Fall wäre. Die in diesem Punkt aufgelisteten Filme Kill Bill und Pulp Fiction sind einflussreiche Beispiele. Als Exkurs wird auch auf die ausgedehnte Erzählung einer Rückblende im Kurzfilm 9 eingegangen und auf die Romanverfilmung The Rules of Attraction, bei dem Roger Avary, der schon an Pulp Fiction beteiligt war, Regie führte. 4.3.1 Kill Bill Kill Bill [kil03, kil04] ist ein 2003 bzw. 2004 erschienener, zweiteiliger Actionfilm, der unter der Regie von Quentin Tarantino produziert wurde und von Rache unter Killern handelt. Tarantino bedient sich einer episodischen Erzählweise in Form von weitgreifenden Anachronien. Die gesamte Narration ist in zehn „Kapitel“ eingeteilt, von denen jeweils fünf in einem Teil gezeigt werden. Kill Bill: Analyse Die Einteilung in zehn Kapitel ist kein subtiles Stilmittel, sie werden als Zwischentitel eingeblendet. Dass die Kapitel nicht in ihrer der Diegese ent- 4. Analyse 31 sprechenden chronologischen Reihenfolge gezeigt werden, ist nur ein Teil der Erzählweise, die Tarantino anwendet – es genügt nicht (wie dies bei Memento der Fall ist), die Kapitel in ihrer Reihenfolge zu ändern, um die chronologische Abfolge der Ereignisse zu rekonstruieren. Tarantino dringt eine Ebene tiefer in das Netz der Narration ein und bringt innerhalb der Kapitel ebenfalls eine Struktur mit Zeitsprüngen und Erzählperspektiven aus der Sicht unterschiedlicher Charaktere unter. Als Beispiel sei hier Kap. 3 (Die Herkunft von O-Ren) angeführt: als Rahmenhandlung gilt die Erzählposition, die am Ende von Kap. 2 eingenommen wurde – Kiddo sitzt nach dem Erwachen im Krankenhaus im Auto des Arztes (Buck), den sie ermordet hat. In Kap. 2 hat bereits die Rückblende begonnen, in der Kiddo das Attentatskommando „Tödliche Viper“ beschreibt und dabei auf O-Ren eingeht. In Kap. 3 wird eine weitere diegetische Ebene (dargestellt im Anime-Stil) eröffnet, Kiddo erzählt von O-Rens Herkunft, von dem Mord ihrer Eltern, von ihrem Rachemord am Yakuza-Boss, der ihre Eltern getötet hat bis zu ihrem Einsatz in Bills Kommando beim Hochzeitsmassaker und findet sich am Ende auf der Rückbank von Bucks Auto wieder, wo sie mit den Zehen wackelt. Die gesamte Binnenerzählung hat innerhalb dieser Rahmenhandlung stattgefunden, wobei die erste Ebene der Rückblende auf die „Tödliche Viper“, die zweite auf O-Rens Geschichte eingegangen ist. Das Kap. 4 (Der Mann aus Okinawa) ist wesentlich simpler konstruiert: am Ende von Kap. 3 ist Kiddo bereits am Weg nach Okinawa, in Kap. 4 findet sie sich bei Hattori Hanzo ein. Sie gibt ein Schwert in Auftrag, Hanzo willigt ein, weil Kiddo Bill erwähnt. Die verstreichende Zeit, während Hanzo schmiedet, wird als Zwischentitel eingeblendet, und in einer Zeremonie überreicht er ihr das fertige Schwert. Kap. 5 weist die komplexeste Struktur im ersten Teil auf (siehe Abb. 4.4). Es wird bereits mit der Binnenerzählung, die O-Rens Weg zur Macht und ihr Gefolge erklärt und selbst mit einer Rückblende zu Gogos Wahnsinn bestückt ist, begonnen. Im weiteren Verlauf der Rahmenhandlung folgen weitere Rückblenden – Kiddo erinnert sich beim Anblick von Sofie Fatale und O-Ren Ishii an den Tag des Massakers. Nach dem stilistischen Kampf bildet ein reges Geflecht an Zeitsprüngen den Abschluss des ersten Teils. Einerseits ist Bill in einer Prolepse zu sehen, dem die verstümmelte Sofie im Krankenhaus erzählt, was Kiddo ihr aufgetragen hat – erzählt in Form einer Parallelmontage zu jener Szene, in der Kiddo in den Kofferraum blickt, sie unter Befragung weiter verstümmelt und ihr den Auftrag erteilt, Bill Bericht zu erstatten. Ebenso erfolgt eine Rückblende zu Kiddo, die im Flugzeug ihre Todesliste anfertigt, wobei beim Niederschreiben von Budd, Elle und Bill Prolepsen einen Einblick in Szenen aus dem zweiten Teil, in dem Kiddos Rache an ihnen gezeigt wird, bieten. Auch ein Ausschnitt aus Hattori Hanzos zeremonieller Schwertübergabe ist zu sehen. Den Abschluss bildet nochmal die Prolepse, in der Bill die verstümmelte Sofie fragt, ob Kiddo denn wisse, dass ihre Tochter noch lebt. 4. Analyse 32 Abbildung 4.4: Visualisierung der komplexen Erzählstruktur in den letzten Filmminuten von Kill Bill, Vol. 1. Die Erzählung ist von links nach rechts zu lesen. Weiter oben liegende Elemente liegen in der Zukunft, weiter unten liegende in der Vergangenheit. Dies ist der offene Schluss des ersten Teils, der – gemeinsam mit den drei noch nicht gestrichenen Personen auf der Liste – die Neugierde der Zuschauer erweckt und diese auf den zweiten Teil vorbereitet. Der Spannungsbogen, der sich über den gesamten ersten Teil zieht, weist einen Einstieg und begrenzt einen Aufbau auf wie in einem üblichen modernen Mainstream-Actionfilm. Der direkte Einstieg versetzt den Rezipienten gleich zu Beginn in Spannung, die längste Kampfszene findet kurz vor Filmende statt. Der dramaturgische Aufbau weicht aber vom üblichen Actionfilm-Schema ab. Die Einstiegsszene, in der Bill auf Kiddo schießt, lässt anfangs noch die Möglichkeit offen, dass Kiddo dabei getötet worden sein könnte, wird aber kurze Zeit später durch Kiddos Erinnerung in Form einer Rückblende bei 4. Analyse 33 Vernita Greens Anblick angedeutet (es ist nicht zwingend erkennbar, dass der Kampf in ihrer Rückblende zur selben Zeit wie die Einstiegsszene stattgefunden hat) und im Kap. 2 aufgeklärt. Ebenso steht nach dem Mord an Vernita bis zum Ende des ersten Teils fest, dass Kiddo bei keinem Kampf ums Leben kommt, da die Suche nach O-Ren chronologisch vor Vernitas Tod stattgefunden hat – das wird durch die Liste, in der Kiddo Vernita ausstreicht, bereits angekündigt. Auch andere Fragen, die sich stellen, werden relativ schnell geklärt – so z.B. kurz vor Filmende die Frage, warum Kiddo Sofie am Leben lässt. Die Spannung wird nicht mit der Frage nach dem was, sondern nach dem wie aufgebaut. Dass Kiddo alle auf ihrer Liste angeführten Personen tötet, wird kaum in Frage gestellt. Die vernetzte Erzählweise an sich ist es, die Fragen im Rezipienten aufwirft. Dieser kognitive Prozess gestaltet sich als umgekehrtes Ursache-Wirkung-Prinzip: man sieht erst, wie Bill auf Kiddo schießt, aber nicht, warum. Es steht fest, dass Kiddo O-Ren getötet hat, aber nicht, wie. Die einzige Frage, die sich früh stellt und erst am Ende des ersten Teils geklärt wird, ist, was mit dem Baby im Bauch der schwangeren Kiddo geschehen ist. Die letzte Einstellung zeigt Sofie im Krankenhaus und Bills Frage, ob Kiddo denn eigentlich wisse, dass ihre Tochter noch am Leben ist. Dieses Ende gestaltet sich dennoch als offen, da noch Fragen unbeantwortet bleiben, die im zweiten Teil gelöst werden. So ist z.B. Kiddos Vorname zensiert, Elle Driver erwähnt ihn erst in Kap. 9. Auch ist Bills Gesicht in Kap. 6 zum ersten mal zu sehen und natürlich ist auch noch nicht geklärt, ob Kiddo denn nun von ihrer Tochter erfahren wird. Der dramaturgische Bogen ist also über beide Teile gespannt. Dabei fällt auf, dass sich der zweite Teil im wesentlichen dadurch vom ersten unterscheidet, dass nicht im Vorhinein gegeben ist, wie Konflikte ausgehen. In Kap. 7 (Das einsame Grab von Paula Schultz) glaubt Kiddo z.B., Budd überraschen zu können, doch er lauert ihr auf und schießt sie an. Actionfilme versetzen den Rezipienten prinzipiell in eine Erwartungshaltung nach gängigen Mustern, zu denen (wie generell im Populärfilm) auch gehört, dass der Protagonist, um den herum sich die gesamte Handlung gestaltet, höchstens am Ende eines Filmes stirbt, nicht jedoch im ersten Drittel. Mit dieser Erwartungshaltung ist es auch wenig verwunderlich, dass Budd Kiddo nur mit Steinsalz beschossen und verletzt hat. Nun begräbt er sie aber lebendig, und die bisherige Struktur der Anachronien des Filmes hat bereits den Umstand eingeführt, dass durch ein (filmophanisch) frühes Ereignis das Ende der folgenden (in der Diegese zurückliegenden) Ereignisse bereits feststehen kann und nur mehr chronologisch früher stattfindende Ereignisse erzählt werden. Dieser Umstand wirft die Möglichkeit auf, dass Kiddo in ihrem Grab ums Leben kommt, und der analeptische Zeitsprung von ihrem Grab zu ihrer Ausbildung bei Pai Mei (die das früheste gezeigte Ereignis aus Kiddos diegetischer Welt darstellt) hält diese Möglichkeit aufrecht. 4. Analyse 34 Schließlich wird eine Verbindung zwischen dem Grab und Pai Meis Lehre hergestellt – Kiddo hat im Ausdauertraining mit der Faust auf eine wenige Zentimeter vor ihr angebrachte Holzwand eingeschlagen und führt dies nun nach dem Zeitsprung zurück in die Rahmenhandlung (im Grab) durch, sie kann sich so befreien. Kap. 7 lässt sich dadurch auch nach dem Drei-Akt-Modell von Syd Field (vgl. Abschnitt 3.2.4 und 3.2.5) in Exposition, Konfrontation und Auflösung einteilen, deren Abgrenzung durch zwei Plot Points gegeben ist: erst wird Kiddo von Budd überrascht, was die Situation wendet und ihn in die dominante Position befördert. Durch Pai Mei hat sie eine Fähigkeit erworben (nach Bordwell, wie in 2.3 beschrieben, ein „change in knowloedge“) und kann sich befreien (Auflösung). Diese Drei-Akt-Einteilung lässt sich auf fast alle Kapitel anwenden, sie werden durch dieses wiederkehrende Strukturelement (nach Bordwell „patterns of repeated action“) interessant gehalten. Im Endeffekt werden beide Teile des Films durch die Begegnung Kiddos mit ihrer Tochter und den Endkampf gegen Bill aufgelöst. Die Frage nach dem Schicksal der Tochter, mit der der Zuseher nach dem ersten Film entlassen wurde, ist nun geklärt, Bills Gesicht wurde gezeigt, Beatrix Kiddos Vorname erwähnt. Es bleibt nur noch wenig Raum für weitere Spekulationen – zum Beispiel ist nicht ersichtlich, dass Elle Driver stirbt. Kiddo entledigt sie ihres noch verbliebenen Auges und überlässt sie im Wohnwagen neben der Mamba ihrem Schicksal. Kiddo hat bereits einen Kopfschuss überlebt und Sofie ihre Verstümmelung, es ist also nicht gänzlich auszuschließen, dass Elle noch am Leben ist. Kill Bill: Zusammenfassung Die Dramaturgie in Kill Bill erstreckt sich über beide Teile. Im ersten Teil werden gezielt Fragen aufgeworfen, die der zweite beantwortet. In seiner Mikrostruktur führt der Film sich wiederholende Muster und verpackt dadurch die Handlung in verständliche Elemente, deren Ordnung in der Makrostruktur nachvollziehbar bleibt. 4.3.2 Pulp Fiction Ebenfalls unter der Regie von Quentin Tarantino ist Pulp Fiction [pul94] erschienen, aber bereits ein Jahrzehnt zuvor, 1994. Am Drehbuch war auch Roger Avary beteiligt, der in der Romanverfilmung The Rules of Attraction (Analyse in 4.3.4) Regie führte. Pulp Fiction erzählt zwar nicht in streng unterteilten Kapiteln wie Kill Bill, aber dennoch in durch Zwischentitel angekündigten Episoden drei zusammenhängende Geschichten aus dem amerikanischen Gangsterleben. 4. Analyse 35 Abbildung 4.5: Erzählte Reihenfolge der Sequenzen in Pulp Fiction und die Einteilung in drei Episoden, die durch Zwischentitel angekündigt werden. Abbildung 4.6: Rekonstruierte diegetische Reihenfolge in Pulp Fiction. Pulp Fiction: Analyse Pulp Fiction ist merklich der Vorgänger von Kill Bill. Gezeigt wird ein Spiel mit der erzählten Ordnung zur Darstellung von drei Geschichten, die miteinander verknüpft sind. Der Aufbau der erzählten Episoden und die Einteilung sind in Abb. 4.5 visualisiert. Der Film beginnt mit einem Prolog, in dem erst ein Lexikon-Eintrag des Themas pulp (deutsch: Schund ) gezeigt wird. Danach sind Honey Bunny und Pumpkin zu sehen, wie sie das Ausrauben des Restaurants planen. Die beiden sind Nebencharaktere, sie spielen erst am Ende des Films wieder eine Rolle und stellen auch nur eine Konfrontation im Leben von Jules und Vincent dar. Der Überfall beginnt, die Opening Credits werden gezeigt, dann werden die beiden Protagonisten Vincent und Jules vorgestellt. Ihre unterhaltsamen Gespräche über Europa und Mia Wallace sowie das Abholen des geheimnisvollen Koffers und das Erschießen der Bande hat in der Dramaturgie die Funktion der Exposition. Der Zuschauer erhält einen Einblick in die Persönlichkeit und den Alltag der Protagonisten. Danach folgen die drei betitelten Episoden. Vincent Vega und Marsellus Walace’ Frau. Marsellus Wallace und der Boxer Butch werden vorgestellt. Ihre Geschichte spielt in der zweiten Episode, ihr Auftritt stellt hier die Verbindung her. Jules und Vincent bringen Marsellus den Koffer, den sie sich zuvor mit Hilfe ihrer Schusswaffen geholt haben. Den Kern der Geschichte bilden schließlich Vincent und Mia. Sie konsumieren Drogen, gehen aus, Mia verpasst sich eine Überdosis und Vincent löst den Konflikt. Die Geschichte weist einen eigenständigen dramaturgischen Bogen auf. 4. Analyse 36 Abbildung 4.7: Markante Veränderungen erleichtern in Pulp Fiction [pul94] das Rekonstruieren der diegetischen Abfolge. Die goldene Uhr. Bereits vor der Einblendung des Zwischentitels startet diese Episode mit einer Rückblende, die dem Zuseher zusätzliches Hintergrundwissen über den persönlichen Wert der Uhr verschafft. Die Exposition wurde schon zu Beginn der ersten Episode gezeigt. Auch diese Geschichte weist einen Spannungsbogen mit Höhepunkten auf. Butch versucht erst, seine Uhr wieder zu bekommen, wobei er auf Vincent stößt und ihn tötet. Am Weg zurück zu seiner Freundin Fabienne, mit der er fliehen will, begegnet er Marsellus nochmal. Der Konflikt verschärft sich durch die Gefangennahme und die Vergewaltigung von Marsellus. Auch hier kommt es zur Auflösung des Geschehens – Butch rettet Marsellus, den er vorher betrogen hat, die beiden sind somit quit. Die Bonnie-Situation. Die Exposition der dritten Episode fand bereits am Anfang des Filmes statt, in der Vincent und Jules beim Erschießen der Bande gezeigt wurden. Nun wird ihre Geschichte fortgesetzt. Jules sieht den Vorfall, bei dem die beiden angeschossen wurden und überlebt haben, als übernatürliches Zeichen und will aus dem Gangstergeschäft aussteigen. Es ergeben sich zwei Konflikte, die gelöst werden: erst erschießt Vincent versehentlich Marvin, das Malheur muss beseitigt werden. Danach stoßen sie beim Frühstück auf Honey Bunny und Pumpkin, wo Jules Pumpkin belehrt. Da 4. Analyse 37 zuvor schon gezeigt wurde, wie Vincent ohne Jules bei einem Auftrag ums Leben kommt, gewinnt Jules’ Deutung als übernatürliches Zeichen und der darin begründete Ausstieg aus dem Gangsterleben besonderen Wert. Pulp Fiction: Zusammenfassung Pulp Fiction erzählt drei Geschichten, die jeweils ihren eigenen Spannungsaufbau haben. Dabei wird zwar jede Geschichte für sich chronologisch erzählt, insgesamt muss der Betrachter die Ordnung aber wiederherstellen. Die Rekonstruktion der chronologischen Ordnung fällt nicht schwer. Jules und Vincent führen zahlreiche Gespräche, die im Verlauf der Erzählung wieder aufgegriffen werden. Auch tragen sie nach der Beseitigung des Malheurs, bei dem Marvin erschossen wurde, andere Kleidung (T-Shirts und Shorts, siehe Abb. 4.7), da ihre Anzüge blutverschmiert sind. 4.3.3 9 Short Der Animationsfilm 9 (deutscher Titel: #9 ) entstand aus dem Kurzfilm 9 von Shane Acker [9sh05]. Der Kurzfilm ist als Bonusmaterial auf der DVD des von Tim Burton produzierten Filmes enthalten und wird zur Unterscheidung in dieser Arbeit als 9 Short bezeichnet. 9 Short: Analyse Der Kurzfilm beginnt mit einem in medias res-Einstieg: 9 wird beim Bau von Fallen gezeigt. Draußen streift das Monster herum. Für diese Situationsbeschreibung wird ca. ein Viertel der Filmlänge genützt. Die gesamte Exposition erfolgt durch eine aufklärende Rückblende. 9 sitzt im Freien und erinnert sich, wie er von 5 den Talisman bekommen hat. Dabei wird auch aufgeklärt, was das Monster mit den Puppen anstellt. Diese Rückblende nimmt ca. ein Drittel der Filmlänge ein. Zurück in der Gegenwart, kommt es zur Konfrontation. Das Monster verfolgt 9, er kann ihm durch eine Falle den Talisman entreißen und kann es durch eine weitere Falle besiegen. Bis zum Climax, dem Sieg über das Monster, wird wieder fast ein Drittel der Filmlänge aufgewendet. Am Ende verbrennt 9 die Überreste der anderen Puppen und kann sie dabei auch noch aus dem Talisman befreien. Der Kurzfilm weist demnach keine deutliche Anachronie auf, wie sie in 2.6.3 beschrieben wird, sondern eine gewöhnliche Rückblende, die das Geschehen aufklärt. Durch ihre Länge, die ca. ein Drittel der Filmlänge einnimmt, erhält sie einen besonderen narrativen Stellenwert. Der Film wird „von der Mitte heraus“ erzählt, indem erst eine Situation beschrieben wird, dann, wie es dazu kam, und zum Schluss folgt die Auflösung. 4. Analyse 4.3.4 38 The Rules of Attraction Roger Avary, der auch am Drehbuch von Pulp Fiction beteiligt war, führte Regie im 2002 erschienenen Film The Rules of Attraction [the02]. Es handelt sich dabei um eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Bret Easton Ellis. Der Film handelt vom Partyleben dreier Studenten, die auf einer ihrer Partys aufeinander treffen, nachdem sie in der Liebe gescheitert sind. Die filmische Erzählung beginnt dabei mit dem chronologischen Ende und zeichnet sich durch mehrere Zeitsprünge in die Vergangenheit aus, die durch Rewinds verdeutlicht werden. The Rules of Attraction: Analyse Die Narration von The Rules of Attraction startet auf der End-of-the-WorldParty, die aus Sicht der drei Protagonisten Lauren, Paul und Sean erzählt wird. Dass ihre Erlebnisse auf der Party gleichzeitig stattfinden, wird durch Rewinds verdeutlicht, die bereits in der Analyse zu Entscheidungen und Möglichkeiten in Abschnitt 4.2 erläutert wurden. Die Party hat in der Narration die Rolle der Exposition, in der die Charaktere und ihre Persönlichkeiten vorgestellt werden. Es folgt ein langer Schritt zurück, verdeutlicht durch den Rewind einer Außenaufnahme, in der der Winter zum Sommer wird. Der gesamte Rest der Geschichte wird in dieser Rückblende erzählt. Das Ende, nämlich das Versagen der Protagonisten in der Liebe, steht von Anfang an bereits fest, wie dies auch im Musikvideo Luv Deluxe (siehe 4.2.3) bereits analysiert wurde. Im letzten Viertel des Films kehrt Viktor von Europa zurück und erzählt im Zeitraffer von seinem Leben dort. Dieser Zeitraffer erzählt keine relevanten Storyelemente, man kann das Geschehen aufgrund der hohen Erzählgeschwindigkeit ohnehin nur sehr schwer verfolgen. Die Sequenz dient weniger der Narration und mehr der Unterhaltung. Am Ende finden sich alle auf der End-of-the-World-Party wieder, die Ausgangssituation des Films ist erreicht. Der Film setzt Rewinds ein, um die chronologische Reihenfolge zu verdeutlichen und die Geschehnisse auf der Party am Anfang des Filmes, die ja gleichzeitig stattfinden, darstellen und verknüpfen zu können. Der dramaturgische Bogen ist auch nebensächlich, der Film versucht in erster Linie, zu unterhalten. 4.4 Zusammenhanglose und zusammenhängende Episoden Bei jedem der bisher genannten Filme war die diegetische Reihenfolge noch rekonstruierbar. Nun soll auf die konfusen Episoden von Das jüngste Gewitter 4. Analyse 39 eingegangen werden, die zum Teil auch gar nicht verknüpft sind und deren Einordnung in eine eindeutige Reihenfolge in der Diegese unmöglich zu sein scheint. Ebenso wird in diesem Punkt Magnolia angeführt. Die narrative Struktur über den gesamten Film gleicht jener von Das jüngste Gewitter zwar nicht, jedoch besteht die Ähnlichkeit beider Filme darin, dass vor Beginn der eigentlichen Filmhandlung in Magnolia drei Episoden gezeigt werden, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem restlichen Geschehen stehen, und danach die Einleitung in mehrere vorerst unverknüpfte Erzählstränge erfolgt. Näheres dazu ist jeweils in der Analyse beider Filme und später in der Zusammenfassung unter 6.2 angeführt. 4.4.1 Das jüngste Gewitter Der Spielfilm Das jüngste Gewitter [das07] stammt vom schwedischen Regisseur Roy Andersson und erschien 2007. Er erzählt keine Geschichte eines Protagonisten, sondern der Film ist mehr eine Anhäufung konfuser Episoden. Das jüngste Gewitter: Analyse Durch seine Struktur unterscheidet sich Das jüngste Gewitter grundlegend von allen anderen bisher erwähnten Filmen. Zwar sind in anderen episodische Strukturen erkennbar, wie z.B. die Kapitel in Kill Bill. In Das jüngste Gewitter sind die Episoden jedoch sehr kurz gehalten. Einige sind durch die Handlung miteinander verknüpft, es finden sich aber auch sehr viele lose Episoden, von denen die meisten in der Dauer von unter einer Minute eine Situation oder ein alleinstehendes Ereignis beschreiben. So blickt z.B. ein Ehepaar aus dem Fenster in den strömenden Regen, nichts weiter passiert in dieser Szene. Oder ein Mann läuft auf einem laut dröhnenden Laufband, während hinter ihm sein Sohn steht und laut nach ihm ruft, ohne dass dieser ihn hört. Diese Sequenzen finden keine handlungsbezogene Verknüpfungen zum Rest des Filmes. Was aber doch alle Szenen gemeinsam haben, ist ihre graue Stimmung (siehe Abb. 4.8), die entsättigte Farbgebung, der Blick in die Tiefe (meistens steht eine Tür offen und der Blick reicht bis in den nächten Raum, es wird keine Tiefenunschärfe eingesetzt) sowie die (beinahe) statischen Kameraeinstellungen. Erst beim schnelleren Abspielen des Filmes lassen sich leichte Schwenks und Fahrten erkennen. Dabei sticht eine Szene heraus, in der die Kamera durch eine Sitzordnung fährt und wieder zurück. Die letzten gezeigten Sequenzen werden durch die Blicke der Personen zum Himmel verknüpft. Zum Ende sieht man aus Sicht der Fliegerflotte, wohin sie alle starren. 4. Analyse 40 Abbildung 4.8: Die teils unverknüpften Episoden in Das jüngste Gewitter [das07] haben die großteils graue Farbgebung, statische Einstellungen und weite Tiefenschärfe gemeinsam. 4.4.2 Magnolia Eine Herausforderung für den Zuseher ist der dreistündige Spielfilm Magnolia [mag99], der 1999 unter der Regie von Paul Thomas Anderson erschien. Er beginnt mit losen Episoden und erzählt dann viele Stränge parallel, die erst im Laufe der Handlung miteinander verknüpft werden. Magnolia: Analyse Magnolia wirkt von Beginn an sehr konfus. Der Film startet mit drei Episoden, die vom Erzähler beschrieben werden und in keinem handlungsbezogenen Zusammenhang zum Rest des Filmes stehen. Sie werden später nicht wieder aufgegriffen, sondern bringen nur die Meinung des (fiktiven) Erzählers zum Ausdruck, der der Meinung ist, solche skurrilen Geschichten seien kein Zufall und würden sich jeden Tag ereignen. Nach diesen Episoden werden viele parallel laufende Handlungsstränge vorgestellt. Am Anfang scheinen diese ebenso lose Episoden zu sein, erst mit 4. Analyse 41 der Zeit werden sie durch Handlungen und Gemeinsamkeiten verknüpft. Den ganzen Film über wird zwischen allen Handlungssträngen und den auftretenden Personen gewechselt, was in Anbetracht der Länge des Filmes und der konfusen Episoden im Prolog eine Herausforderung für den Zuseher darstellt. Alle parallel laufenden Handlungsstränge folgen aber einem gemeinsamen Aufbau. Dieser lässt sich grob in eine Exposition, eine Entwicklung, eine Konfrontation mit einhergehendem Konflikt und eine Auflösung einteilen. In der Exposition werden alle Personen vorgestellt. In jedem Erzählstrang erhält der Zuseher einen kurzen Einblick in die Persönlichkeit der Charaktere, wie der Polizist Jim, der seinen Beruf sehr ernst nimmt, schüchtern und alleinstehend ist. Der intelligente Junge Stanley wacht über seinen Büchern. Donnie, der Rekordhalter in der Quiz-Show, ist ebenfalls ein sehr schüchterner Mann und will trotz hohem Alters eine Zahnspange, der im Sterben liegende Earl wird vorgestellt usw. Es kommt zur Entwicklung – jeder Charakter geht seinen Weg. Jim verabredet sich mit Claudia, Stanley schafft es in die Quiz-Show und ist kurz davor, den Rekord zu brechen, Frank wird nach einem seiner Vorträge zu einem Interview gebeten usw. Die Situationen entwickeln sich für jeden Charakter zu einer Konfrontation, die sich bei fast allen durch einen Vaterkonflikt äußert. Donnie hat seinen Job verloren und hat nie von seinem Quiz-Sieg profitiert, weil seine Eltern ihm das Preisgeld genommen haben. Auch Stanleys Vater ist sehr streng und scheint nur aufs Preisgeld aus zu sein. Claudia scheint von ihrem Vater missbraucht worden zu sein, er sagt aber, er könne sich an nichts erinnern. Linda kann das Leiden ihres Mannes nicht mit ansehen und bereut es, als Erbin in seinem Testament zu stehen. Frank verabscheut seinen Vater. Es kommt zum Froschregen, der den ganzen Film über durch skurrile Wettervorhersagen angekündigt wurde. Mit dem Froschregen ergibt sich langsam auch eine Auflösung, die sich zum Guten wendet. Jim denkt darüber nach, ob er Donnie nicht einsperren hätte sollen, doch als seine verlorene Dienstwaffe vom Himmel fällt, beschließt er, ihm zu helfen und besucht danach Claudia. Frank besucht Linda nach dem Tod seines Vaters. Stanley bittet seinen Vater, netter zu ihm zu sein. Magnolia: Zusammenfassung Magnolia gestaltet sich nicht so konfus wie Das jüngste Gewitter. Am Anfang stehen drei Episoden, die nur zur Verdeutlichung des Themas dienen. Danach werden viele Handlungen parallel in mehreren Strängen erzählt, die aber inhaltlich miteinander verknüpft sind, da sich die Charaktere treffen. Auch herrschen Gemeinsamkeiten in der Handlung und in der Situation der Personen, die durch den Vaterkonflikt und den gemeinsamen Aufbau der narrativen Struktur verdeutlicht werden. 4. Analyse 4.5 42 Umkehrung der Erzählrichtung Von komplexen Anachronien und losen Episoden geht der nächste Schritt wieder in eine weniger konfuse Richtung, nämlich die Umkehrung der diegetischen Ordnung in der Narration. 4.5.1 Memento Memento [mem00] erschien 2000 unter der Regie von Christopher Nolan und erzählt die Geschichte von Leonard (Guy Pearce), der durch einen Unfall sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, in einer Weise, durch die sich der Zuseher in Leonards Lage hineinversetzen kann – in zwei Strängen, einer davon rückwärts. Memento: Analyse Das besondere an der Erzählweise, derer sich Christopher Nolan in Memento bedient, sind die zwei Erzählstränge in entgegengesetzter Richtung, zwischen denen gewechselt wird. Parallel wird das Geschehen vom Ende weg rückwärts und vom Anfang weg vorwärts erzählt, bis sich beide Erzählstränge treffen und die Geschichte aufklären. Dabei ist es dem Rezipienten leicht gemacht, die chronologische Geschichte zu rekonstruieren. Dies geschieht einerseits auf optischer Ebene: die Sequenzen des rückwärts erzählten Stranges sind färbig, die vorwärts erzählten schwarzweiß (vgl. Abb. 4.9). Andererseits wird stets so zwischen diesen beiden Strängen gewechselt, dass der Anschluss klar erkennbar ist. Eine färbige Sequenz beginnt mit einem markanten Ereignis, mit dem die darauf folgende endet, eine schwarzweiße Sequenz schließt direkt an die letzte an. Dieser Wechsel erleichtert es nun auch, den Film sinnvoll zu segmentieren. Eine Sequenz (vgl. 3.2.3) ist eine Sinneinheit zusammenhängender Handlung – bei Memento macht es Sinn, die Sequenzen durch den Sprung in den anderen Erzählstrang, also beim Wechsel von färbig zu schwarzweiß, zu begrenzen. Nach dieser Einteilung ergeben sich 45 Sequenzen. Bereits in der ersten Sequenz wird dem Betrachter klar gemacht, dass er nicht mit einer chronologischen Erzählform zu rechnen hat. Noch während der eingeblendeten Title Credits wird ein Close-Up eines Polaroidfotos gezeigt, das Leonard in der Hand hält. Darauf ist der blutverschmierte Teddy zu sehen. Leonard schüttelt das Foto, die Farbe verblasst allmählich. Dann wandert das Foto rückwärts durch die Polaroidkamera, das Blut läuft über die Wand hinauf, Leonards Waffe fällt scheinbar vom Boden hinauf in seine Hand – spätestens jetzt sollte dem Betrachter klar sein, dass die Sequenz rückwärts läuft. Die Kugel wandert zurück in den Revolver, die Brille zurück auf Teddys Kopf, Teddys Schrei und ein Schuss ertönen – Schnitt. Es handelt sich also klar ersichtlich um einen direkten Einstieg nach dem Schema 4. Analyse 43 Abbildung 4.9: Memento [mem00] wird durch ständiges Wechseln zwischen einem färbigen und einem schwarzweißen Strang erzählt. in medias res (vgl. 2.3), die Spannung wird nicht erst durch eine Einleitung aufgebaut, sondern ist von Anfang an gegeben. Nachdem der Betrachter mit diesem Ereignis konfrontiert wurde, beginnt der schwarzweiße Erzählstrang und suggeriert gleich die nächste Frage. Leonard wacht auf, im Off-Text sind seine Gedanken zu hören. Auf den Establishing Shot wird verzichtet, Close-Ups begleiten seine Fragen danach, wo er sich befindet. Ein anonymes Motelzimmer – eine kurze Totale, schon ist die Sequenz wieder zu Ende und es wird zum färbigen Strang gewechselt. Teddy, der noch lebt, holt Leonard vom Motel ab und begleitet ihn zu einem verlassenen Gebäude. Nach kurzem Umsehen wirft Leonard einen Blick auf Teddys Foto in seiner Tasche – auf der Rückseite steht in seiner eigenen Handschrift der Hinweis, dass Teddy derjenige sei, nach dem er sucht. Er schlägt ihn, bedroht ihn mit der Waffe und drückt schließlich ab – der Anschluss zur ersten Sequenz. Die nächste schwarzweiße Einstellung schließt bei der letzten im Motelzimmer an. Von hier an ist auch klar, wie die Stränge aufgebaut sind. Mit den ersten beiden Sequenzen wurde der Zuseher noch direkt mit neuen Situationen konfrontiert, die jetzt nach und nach aufgeklärt werden. Dabei findet die eigentliche Handlung im färbigen Strang statt, dieser charakterisiert sich als Hauptstrang, der schwarzweiße erläutert das Hintergrundwissen, indem Leonard von seiner Situation und Sammy Jankis erzählt. Dementsprechend sind 4. Analyse 44 Abbildung 4.10: Die erste Sequenz in Memento läuft rückwärts, danach wird zwischen dem färbigen Hauptstrang und dem erklärenden schwarzweißen Strang gewechselt. Abbildung 4.11: Im letzen Drittel von Memento werden die färbigen Sequenzen kürzer, der schwarzweiße Erzählstrang wird zum Hauptstrang und geht schließlich in den färbigen über. auch die Sequenzen des Hauptstranges von längerer (filmophanischer) Dauer. Die Erzählstruktur der ersten Sequenzen wird in Abb. 4.10 visualisiert. Das einzige, was anfangs noch nicht klargestellt ist, ist der zeitliche Zusammenhang (in der diegetischen Ebene) beider Stränge. Darauf wird im Verlauf der Erzählung immer wieder hingewiesen. Es werden Verbindungen zwischen beiden Strängen hergestellt. Zentrales Thema sind dabei Leonards Tattoos – er entdeckt in einer der ersten färbigen Sequenzen den Schriftzug „remember Sammy Jankis“ auf seiner Hand. In schwarzweiß, wie dem aufmerksamen Zuseher nicht entgehen wird, ist sein Oberschenkel noch nicht tätowiert, im Farbstrang stehen dort aber bereits zwei Fakten über John G. Den ersten tätowiert sich Leonard kurz nach der Hälfte des Films im schwarzweißen Strang. Der erste Punkt, an dem ein deutlicher Anstieg der Frequenz in den Sprüngen zwischen den Erzählsträngen wahrzunehmen ist, ist in etwa zur Filmhälfte erreicht. Die Sequenzen beider Stränge, die vom Anfang weg erst immer länger wurden, werden ab der Verfolgungsjagd von Leonard und Dodd deutlich kürzer. So wird die Hektik der Verfolgungsjagd noch einige Sequenzen weiter getragen. Bei etwa zwei Drittel der Filmlänge ist erkennbar, dass sich die Spannung zuspitzt. Die färbigen Sequenzen stellen nun klar, dass Natalie Leonard ausnutzt. Er sucht nervös nach einem Stift, die Schnittfrequenz ist hier wieder höher. Die nächste schwarzweiße Sequenz löst die Nervosität nicht auf – Leonard befürchtet, dass ihm der Anrufer etwas einreden könnte. Leonard kehrt bei Natalie ein, womit auch der Erzählstil nochmal zur 4. Analyse 45 Ruhe kommt. In Form einer als Binnenerzählung ausgeführten Rückblende erfährt man nun, was sich bei Leonards Unfall ereignet hat. Danach werden vor allem die Farbsequenzen kürzer, zum Ende hin baut sich der schwarzweiße Strang auf, bis der Climax erreicht ist und der schwarzweiße zum Hauptstrang wird. Der Wendepunkt gestaltet sich hierbei in der letzten schwarzweißen Sequenz durch das Verlassen des Motelzimmers und das Treffen von Teddy, eine Handlung, wie sie zuvor nur in Farbe stattgefunden hat. Lenny sucht seinen vermeintlichen John G. auf und begeht den Mord an ihm. In Form von Parallelsequenzen und hochfrequenten Schnitten zu färbigen Rückblenden wird die Handlung begleitet von Leonards Erinnerungen an den Tod seiner Frau. Er fotografiert Jimmy und beim Betrachten des Fotos – eine Assoziation zur Einstiegssequenz – nimmt nicht nur das Foto die Farbe an, sondern der fließende Wechsel in den färbigen Erzählstrang findet statt. Dadurch wird die Frage nach der Verknüpfung beider Stränge aufgelöst. Leonard erkennt, dass er den falschen getötet hat. Teddy trifft ein und Leonard kann die Auflösung der gesamten Erzählung aus ihm herauskitzeln: seit über einem Jahr nutzt Teddy ihn aus. Jetzt macht Leonard ihn durch Notizen zu seinem gesuchten Mörder. Memento: Zusammenfassung Die Erzählung findet rückwärts statt, der Film weist aber einen üblichen Spannungsbogen auf. Der Einstieg erfolgt nach dem Schema in medias res, Spannung ist den ganzen Film über bis zur Auflösung gegeben. Im Abschnitt 2.3 wurden bereits die von Bordwell beschriebenen Entwicklungsmuster vorgestellt, die nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung den Zuschauer in Spannung versetzen, indem sie Möglichkeiten, wie eine Situation oder ein Konflikt ausgehen kann, suggerieren und nach und nach einschränken oder in eine andere Richtung lenken. Bei Memento wird der selbe kognitive Denkprozess angeregt, nur „kann der Zuschauer hier keine Hypothesen über den Fortgang der Handlung entwerfen, sondern er entwirft Hypothesen über die Ursachen von Wirkungen“, die ihm präsentiert werden [Mik08, S. 136]. Beispielsweise weist Teddy Leonard mehrmals darauf hin, jemand würde versuchen, ihn auszunutzen – einmal tut er das, als Leonard Natalies Haus verlässt und Teddy plötzlich im Auto sitzt (etwa bei zwei Drittel der Filmlänge). Zu diesem Zeitpunkt könnte dieser Übeltäter Natalie, Teddy selbst oder jemand anderer sein, der noch nicht aktiv in der Handlung aufgetreten ist. Teddy warnt Leonard vor Natalie, er hat sich aber bereits notiert, seinen Lügen nicht zu glauben und streicht Teddys Hinweis wieder aus, was den Verdacht, Teddy nutze ihn aus, verstärkt. Später wird bekannt, dass Natalie Leonard tatsächlich ausnutzt, um ihn auf Dodd zu hetzen, sie erwähnt auch Teddys Namen. Dadurch wird die Möglichkeit bekräftigt, dass sie Leonard auch auf Teddy gehetzt haben könnte. Am Ende stellt sich heraus, dass Teddy ihn 4. Analyse 46 sogar für lange Zeit ausgenutzt hat, und dass Leonard selbst es war, der seine Hinweise gefälscht hat, um Teddy zu töten und seinem Spiel mit Leonard dadurch ein Ende zu bereiten. Trotz der rückwärts gerichteten Erzählung unterscheidet sich die Dramaturgie in Memento also kaum von jener in Mainstreamfilmen, die in geordneter Reihenfolge erzählen. 4.5.2 Irréversible Im 2002 unter der Regie von Gaspar Noé erschienenen Film Irréversible [irr02] sucht Marcus (Vincent Cassel) den Vergewaltiger seiner Freundin (Monica Belucci) auf und ermordet ihn aus Rache. Ähnlich wie Christopher Nolan bedient auch Noé sich hier der umgekehrten Erzählrichtung, jedoch nur in einem Strang und in Form von Plansequenzen. Der Film zeigt zwei unzensierte Gewaltakte. Irréversible: Analyse Gaspar Noé führt die rückwärts gerichtete Erzählung weiter aus als Christopher Nolan in Memento. Er verzichtet komplett auf einen chronologisch korrekten Erzählstrang (wie der schwarzweiße in Memento) und setzt auch andere Stilmittel ein. Bei Irréversible gibt es keine tatsächlich rückwärts laufende Sequenz zu sehen, es wird sukzessive in Episoden erzählt. Das Erzählprinzip ist in Abb. 4.12 visualisiert. Jede dieser Episoden lässt sich als Plansequenz beschreiben. Zwar handelt es sich nicht tatsächlich um eine kontinuierliche Bewegung der Kamera, da diese sonst Autokarosserien und Fensterscheiben durchdringen würde. Die Montage ist aber dahingehend gestaltet, dass dieser Eindruck vermittelt wird. Jede Episode ist somit eine einzelne, durchgängige Plansequenz. Endet eine solche, findet ein diegetischer Zeitsprung in die Vergangenheit statt, die nächste Episode wird in Form einer weiteren Plansequenz dargestellt usw. Dass die Zeit das zentrale Thema dieses Films ist, wird auf vielfältige Weise vermittelt. So beginnt der Film mit dem Abspann, der entgegengesetzt zur gewohnten Richtung startet und im Schriftsatz einige gespiegelte Zeichen enthält. Der Dialog der ersten Sequenz startet mit der Aussage „Le temps détruit tout“ („Die Zeit zerstört alles“), die auch am filmophanischen Ende, wo man aus der Gewohnheit des Mainstreamfilms den Abspann erwarten würde, als Schriftzug das Bild füllt und damit das letzte sichtbare Element des Films bildet. Alex erwähnt auch auf dem Weg zur Party, sie lese gerade ein Buch, in dem es um die bereits feststehende Zukunft ginge. Bei diesem Buch handelt es sich, wie kurz vor Filmende, als Alex am Rasen liegt und darin liest, ersichtlich ist, um „An Experiment with Time“ von J. W. Dunne. 4. Analyse 47 Abbildung 4.12: Irréversible wird episodenweise rückwärts erzählt, wobei jede Episode in Echtzeit als Plansequenz gezeigt wird. Nachdem Irréversible nur aus Plansequenzen besteht, lässt sich nicht von einer Schnittfrequenz im mikrostrukturellen Bereich sprechen. Anstatt Szenen nach dem Schema des unsichtbaren Schnitts zu zeigen und die Kamera dabei unauffällig durch den Raum wandern zu lassen, kommen hier andere Stilmittel zum Einsatz. Vor allem in der Sequenz innerhalb des „Rectum“, in der Marcus cholerisch und rachesüchtig durch die Gänge irrt auf der Suche nach Le Ténia, wird sein Gemütszustand der inneren Unruhe durch rotierende Kamerafahrten und wilde Schwenks zum Ausdruck gebracht. Hier ist insofern eine hohe Frequenz erkennbar, als durch die ständige Bewegung in kurzer Zeit viele Bildausschnitte gezeigt werden, ähnlich zu vielen schnell hintereinander geschnittenen Einstellungen. Nicht nur der Blickwinkel auf Personen und Objekte ändert sich laufend, das filmophanische Bild steht auch häufig kopfüber oder ist sonstwie gedreht. In Abb. 4.13a werden Eindrücke aus diesen Sequenzen gezeigt. In dieses Stilmittel wird der Betrachter zu Beginn des Filmes eingeführt. Bereits der Abspann geht in eine Rotation über, die sich in Schwenks durch Häuserblocks des nächtliche Rotlichtmilieus entwickelt. Hier wird die räumliche Orientierung des Zusehers bereits verwirrt. Die Dramaturgie über den gesamten Film lässt sich auch keinem populären Schema zuordnen. Die am Anfang gezeigte Dialogszene leitet zwar in das zentrale Thema der alles zerstörenden Zeit ein, steht aber in keinem Handlungszusammenhang mit dem Rest des Filmes, sondern schafft eine Verknüpfung zu früheren Filmen von Gaspar Noé (vgl. [Sti03]). Die wesentliche Filmhandlung beginnt also erst mit den Sirenengeräuschen und der nach außen zu Marcus und Pierre wandernden Kamera. Von hier weg gesehen, ließe 4. Analyse 48 (a) erste Filmhälfte (b) zweite Filmhälfte Abbildung 4.13: Stimmungsbilder aus Irréversible [irr02]. In der ersten (rachesüchtigen) Filmhälfte ist die Kamera stets unruhig, sie kippt und rotiert. Die zweite Hälfte zeigt die fröhlichen Charaktere in wesentlich ruhigeren Einstellungen. sich der Einstieg als in medias res betrachten. Die Dauer der Exposition ist relativ lang gewählt. Es wird viel Zeit damit verbracht, die Situation zu beschreiben – die Kamera wandert erst in die Einsatzwagen, um Pierre und Marcus nochmal zu zeigen. Nach dem Zeitsprung sind erst skurrile Aufnahmen aus den höhlenähnlichen Gängen des „Rectum“ zu sehen, in denen nur die Atmosphäre des sadomasochistischen Clubs gezeigt wird. Marcus und Pierre betreten diese skurrilen Räumlichkeiten, ca. sieben Minuten vergehen während Marcus’ Suche nach Le Ténia, bis er die Schlägerei mit dem vermeintlich Gefundenen anzettelt. Bis zu diesem Punkt ist in etwa ein Viertel der Filmlänge erreicht, während noch kaum Handlung stattgefunden hat. Während die vier Männer auf der Straße nach Hinweisen suchen, ist die Handlung dichter. Die Rotationen und die Unruhe der Kamera richtet sich dabei in etwa nach Marcus’ Gemütszustand, der im Verlauf des Films abnimmt. In der Phase zwischen kurz vor und kurz nach der Hälfte der filmophanischen Länge ändert sich der Schwerpunkt der Narration. Es wird aufgeklärt, wie es zum bereits Erzählten gekommen ist, und die emotionalen Aspekte beim Rezipienten werden an die Spitze getrieben. So ist erst die im Koma liegende Alex und die Schockreaktion von Marcus, als er sie erblickt, 4. Analyse 49 zu sehen sowie danach Le Ténia, der Alex in der Unterführung bedroht und vergewaltigt. Hier wird auch klar, dass im Rectum der falsche Mann getötet wurde. Die Vergewaltigung liegt in der filmophanischen Mitte und stellt einerseits den Höhepunkt des Geschehens – den Grund der gesamten bisher gezeigten Handlung – dar. Andererseits hat sie die Funktion eines emotionalen Wendepunktes. Während die erste Filmhälfte im „tragischen Ende“ der Handlung besteht, zeigt die zweite Hälfte (siehe Abb. 4.13b) das fröhliche Leben der Charaktere. Am Weg zur Party scherzen die drei hemmungslos in der U-Bahn. Über das sich liebevoll neckende Pärchen bis zur letzten Handlungssequenz, zum diegetischen Anfang des Geschehens, wird die Stimmung nahezu idyllisch, was einen weiteren Faktor zum emotionalen Schwerpunkt des Filmes darstellt. Auch ist festzustellen, dass sich die Kameraführung in der zweiten Filmhälfte deutlich beruhigt hat. Hier steht ebenfalls die Vergewaltigung im Zentrum – die zuvor ständig bewegte Kamera wandert erstmals in eine statische Position und wird auf den Boden gelegt. In den weiteren Sequenzen folgt sie in einer subjektiven Ruhe jeweils den gerade im Mittelpunkt der Handlung stehenden Charakteren. Die letzte Szene des Films stellt nochmal eine Verbindung zu den anfänglichen Rotationen her – die Kamera wandert erst kopfüber vom Himmel herab auf die lesende Alex, um dann in senkrechter Ansicht über einem Rasensprenger zu rotieren zu beginnen und in dieser Rotation wieder hinauf zum Himmel zu schwenken. Die steigernde Energie wird audiell durch das sich dabei aufbauende Streichorchester von Beethoven vermittelt und kommt schließlich in einer Überblendung zum psychedelischen Stroboskop mit einer letzten Andeutung zum plötzlichen Abbruch und das Thema wird nochmal gezeigt. Irréversible: Zusammenfassung Der Zuschauer wird nach einer rachesüchtigen ersten Hälfte mit zwei brutalen Gewaltakten, einer dazu konträren idyllischen zweiten Hälfte und einem die Wahrnehmung herausfordernden Abschluss vom Film entlassen. Der Einsatz der Erzählrichtung führt zu einer Verdeutlichung des Themas: des feststehenden Schicksals. 4.6 Plansequenzen und Split Screen Suggerierte Echtzeit und Gleichzeitigkeit Mehr noch als der unsichtbare Schnitt – Szenen, in denen keine merklichen Zeitsprünge stattfinden – geben Plansequenzen eine Erzählung in Echtzeit vor [Meu09, S. 24]: 4. Analyse 50 „Während Montagesequenzen in Erzählzeit und erzählter Zeit vollkommen variabel sind, scheinen Plansequenzen, die ja komplett ohne Schnitt auskommen, einen gleichmäßigen Zeitfluß, ein Echtzeiterleben zu suggerieren.“ Mit Irréversible wurde gerade ein Beispiel behandelt, das sich nur aus Plansequenzen zusammensetzt. Nun stellt sich die Frage, ob es sich um eine Echtzeiterzählung handeln würde, wenn man die rückwärts geordneten Sequenzen dieses Films neu anordnet und an ihren Anschlussstellen verbindet. Man wird aber feststellen, dass nur bei drei Stellen ein nahtloser Anschluss in der diegetischen Zeit möglich wäre. Die gesamte Diegese erstreckt sich von dem Zeitpunkt an, an dem Alex in der Wiese liegt und in ihrem Buch liest, bis zur Abführung von Marcus und Pierre nach dem Mord. Es ist jedoch nicht deutlich gegeben, in welchem exakten zeitlichen Zusammenhang das Lesen auf der Wiese zu den restlichen Sequenzen steht. Die Hinweise in allen anderen Sequenzen legen fest, dass sich die gesamte Handlung im Laufe des selben Abends abspielt. Die Zeitsprünge dazwischen reichen von nicht klar definierten Momenten, die mehrere Stunden sein könnten, über wenige Sekunden (z.B. drückt Alex nach dem Verlassen der Party den Liftknopf und ist in der chronologisch darauffolgenden Sequenz bereits im Erdgeschoß zu sehen) bis hin zur Möglichkeit des direkten Anschlusses (der z.B. während der Taxifahrten oder beim Verlassen des Taxis und dem Aufbruch zu Fuß zum Rectum möglich wäre). Die Plansequenzen selbst allerdings spielen in der Diegese tatsächlich in derselben Dauer, in der sie gezeigt werden. Ob dies nun eine generelle Regel für Plansequenzen ist, sollen die folgenden Analysen eines Kurzfilms und eines Musikvideos in Frage stellen. Zugleich befassen sie sich auch mit dem Split Screen, der eine Gleichzeitigkeit mehrerer Handlungen suggeriert. 4.6.1 Nowa Książka Zbigniew Rybczyński unterteilt 1975 im Kurzfilm Nowa Książka [now75] (neues Buch) die Leinwand in Form eines Split Screens in neun Bilder, in denen jeweils eine statische Einstellung (eine der neun Kameras befindet sich in einem fahrenden Bus) gezeigt wird. Charaktere wandern zwischen diesen Bildern herum. Nachdem die gesamte Filmlänge über (ca. zehn Minuten) kein Schnitt zu sehen ist, lässt sich der Film als eine Kombination aus Split Screen und Plansequenzen beschreiben. Nowa Książka: Analyse Zbigniew Rybczyński gestaltet mit Nowa Książka eine diegetische Welt und gewährt an neun Orten gleichzeitig einen Einblick in diese. Es ist auch sehr schnell klar, wie diese neun Orte miteinander verbunden sind: wenn ein Charakter ein Bild am rechten Rand verlässt, betritt er das nächste Bild am 4. Analyse 51 Abbildung 4.14: Der neungeteilte Split Screen in Nowa Książka [now75]. linken Rand. Dabei sind die Bilder zeilenweise miteinander verbunden. Einzig davon ausgenommen ist das Bild im Bus rechts oben, da es das einzige ist, das sich bewegt. Die Einstellung ist dennoch eine statische innerhalb des Busses. Wie in 3.3.6 bereits erwähnt wurde, kann der Zuseher bei einem Split Screen nicht alle Geschehen gleichzeitig verfolgen, seine Blicke sollten durch die Montage gelenkt werden. Bei Nowa Książka ist es dank des auffallend roten Hutes und Mantels nicht schwierig, den Protagonisten im Auge zu behalten. Auch der Ton verfolgt ihn und ist immer aus Sicht der Einstellung, in der er sich gerade befindet, zu hören. Diese Hilfestellung mag dem Rezipienten vielleicht nicht gleich beim ersten Ansehen auffallen. Der Kurzfilm lädt durch seine Beschaffenheit auf alle Fälle ein, ihn öfter anzusehen. Das Geschehen in den neun Bildern erfährt zwei Unterbrechungen. Erst ist ein vorbeifliegendes Flugzeug zu hören, worauf hin die Charaktere zum Himmel blicken. Später passiert in jedem Bild gleichzeitig ein Missgeschick. Die Handlung, die uns gezeigt wird, spielt nicht nur in der diegetischen Ebene: die Verbindungen der Orte funktionieren nur in der filmophanischen (leinwandlichen) Welt. Würde man versuchen, anhand der gezeigten Einstellungen die diegetische Welt zu rekonstruieren, so wird man feststellen, dass das nicht möglich ist. Zwar lassen sich die ersten drei Bilder (fast) nahtlos 4. Analyse 52 miteinander verknüpfen, da die Bildinhalte synchron sind und die Anschlüsse zueinander passen. Wirft man aber einen genaueren Blick auf die unteren beiden Zeilen, wird man erkennen, dass die Charaktere beim Wechseln in ein anderes Bild auch auf der anderen Straßenseite sind und sich die gezeigten Welten unmöglich verknüpfen lassen. Sieht man sich den Film nun öfter an und betrachtet man dabei nicht nur den Protagonisten, wird man noch etwas entdecken. Der blinde Geiger, der rechts unten im neunten Bild erscheinend seinen Weg hinauf bis zum zweiten Bild nimmt, um dort auf seiner Geige zu spielen, betritt bei der ersten Unterbrechung des Geschehens (beim hörbaren Flugzeug) das fünfte (mittlere) Bild. Er müsste seiner Bewegung nach von rechts nach links durch das Bild marschieren, geht aber in die andere Richtung und kommt trotzdem im Bild links daneben an. Er reagiert auch nicht, wie alle anderen (bis auf die Insassen des Busses), auf den Flieger mit einem Blick nach oben, was aber, da er blind ist, auch keinen Sinn machen würde. Es passiert auch sonst nichts abwegiges mehr mit ihm – ihm fällt lediglich beim zweiten Event seine Geige hinunter, was ihn aber nicht von den anderen Charakteren abhebt. Er bekommt allein dadurch, dass er mit dem Geräusch des vorbeifliegenden Flugzeugs ein Bild in falscher Richtung durchquert, eine besondere narrative Persönlichkeit. Nun wurde schon mehrmals darauf eingegangen, dass viele Dinge erst bei mehrmaligem Betrachten sichtbar werden. Zwar wurde bereits erwähnt, dass es dem Zuseher durch die auffallend rote Kleidung des Protagonisten erleichtert wird, diesen im Auge zu behalten. Im Endeffekt entscheidet jedoch der Rezipient selbst, was er beobachtet. Die neun Einstellungen wirken wie die Bilder aus Überwachungskameras, die dem Zuseher die gesamte Wahrheit präsentieren, und er kann auswählen, auf welchen Teil dieser Gesamtheit er seinen Blick richtet. Die Plansequenzen und der Split Screen erhalten dadurch einen besonderen narrativen Charakter. Sie ersetzen den Schnitt und der Zuseher kann selbst wählen, durch welche Kamera er nun blickt. Nowa Książka: Zusammenfassung Eingangs wurde die Frage aufgeworfen, ob Plansequenzen eine Echtzeitdarstellung vorgeben. Es erfordert kein geschultes Auge, um zu erkennen, dass in Nowa Książka kein lineares Verhältnis zwischen der profilmischen (für die Aufnahme benötigten) und der filmophanischen (leinwandlich gezeigten) Zeit besteht. In einigen Situationen ist (mitunter überaus deutlich) eine Änderung in der Abspielgeschwindigkeit sichtbar, die einzelnen Plansequenzen wurden also nachträglich synchronisiert. Abgesehen von diesem ästhetischen Fehler steht allerdings der Behauptung, dass Plansequenzen eine Echtzeitsituation darstellen, bisher noch nichts 4. Analyse 53 im Wege. Die Echtzeit wird in Nowa Książka sogar zum wesentlichen Bestandteil des narrativen Inhaltes, der Rezipient kann in Echtzeit seine eigene Abfolge aus den Einstellungen erstellen. 4.6.2 Cibo Matto: Sugar Water Im Musikvideo Sugar Water von Cibo Matto [Cib96] zeigt Michel Gondry eine Kombination aus einer einzigen Plansequenz und einem zweigeteilten Split Screen, die auf besondere Weise gespiegelt ist. Im linken Screen ist die Plansequenz in korrekter Abspielrichtung zu sehen, während die selben Bilder spiegelverkehrt im rechten Screen rückwärts laufen. An der Hälfte des Musikvideos ist somit in beiden Screens das selbe Bild zu sehen, doch auch sonst ist der Bildinhalt stets sehr ähnlich. Die Struktur des Textes ist ausschlaggebend für diese filmische Umsetzung [Emo05, S. 134]: „Der Text, der am Ende zu seinem Ausgangswort zurückkehrt, ist hier der Stichwortgeber für eine Konstruktion subtiler Täuschungen und vielfacher Spiegelungen, zu denen der anmutige und musikalisch unbeirrt voranschreitende Songs [sic] Cibo Mattos nur insofern beiträgt, als er das Konzept des Films vorm vergrübelt Labyrinthischen bewahrt und statt dessen zum artistischen Spiel erklärt.“ Es sei daher im Folgenden eine Analyse bezugnehmend auf die Struktur des Textes angeführt. Sugar Water: Analyse Um das Video zu verstehen, muss der Sinn des Textes nicht verstanden werden. Michel Gondry richtet sich mit seinem mehrfach gespiegelten Arrangement vielmehr nach der Struktur des Textes. Der Aufbau, in dem Symmetrien erkennbar sind wurde filmisch umgesetzt. Die folgende Liste soll die symmetrische Struktur des Textes verdeutlichen. Die Nummerierung verbindet die ähnlichen Elemente. 1. 2. 3. 4. 5. 4. 3. 2. 1. Einleitung, in der „Sugar Water“ vorkommt Strophe mit Text Ende der Strophe: „When a black cat crosses my path“ Refrain: kurzer Text, gefolgt von „La la la...“ Zwischenspiel Strophe mit Text Ende der Strophe: „When a black cat crosses my path“ Refrain: kurzer Text, gefolgt von „La la la...“ Schlusssatz, in dem „Sugar Water“ vorkommt 4. Analyse 54 Abbildung 4.15: Bild zur Textzeile „The wind is blowing“ in Sugar Water [Cib96]. Abbildung 4.16: Schriftzug am Ende von Sugar Water [Cib96]. Der Schriftzug „Sugar Water“, der in Einleitung und Schlusssatz vorkommt, ist am Anfang spiegelverkehrt und am Ende leserlich über beide Bilder, passend zur Textstelle, zu sehen (Abb. 4.16). Das Ende beider Strophen, bei dem eine „black cat“ im Text erwähnt wird, zeigt eine schwarze Katze, die von einem Bild ins andere wandert. In der Mitte, während des Zwischenspiels zwischen dem ersten Refrain und der zweiten Strophe, treffen sich beide Bilder und der Text des geheimnisvollen Briefes ist über beide Bilder zu lesen. Michel Gondry hat unabhängig vom Text zahlreiche weitere symmetrische Elemente eingebaut. Am Anfang und Ende ist zu sehen, wie die Protagonistinnen aufstehen bzw. sich schlafen legen, später schießt in beiden 4. Analyse 55 Bildern ein Junge mit einem Ball eine Fensterscheibe ein. Auch kleinere Textpassagen, die keine Symmetrie im Liedtext aufweisen, wurden ins Bild übertragen, z.B. die Phrase „The wind is blowing“, bei der ein Föhn gezeigt wird (Abb. 4.15). Ausblick Das Konzept von Plansequenzen in einem Split Screen wurde auch von Mike Figgis für den Film Timecoe [tim00] aufgegriffen. Er zeigt einen tatsächlich in Echtzeit gedrehten Film aus der Sicht von vier Personen, die sich zum Ende des Filmes treffen. Dass Plansequenzen die Echtzeit repräsentieren und ein Split Screen eine Form der Gleichzeitigkeit ist, kann mit den gewählten Beispielen nicht wiederlegt werden. 4.7 Narrative Möbius-Schleife Die Möbius-Schleife ist ein besonderes Band. Man kann es produzieren, indem man die Enden eines Papierstreifens miteinander verklebt, das Band aber vor dem Verkleben wendet, sodass es in sich eine halbe Drehung aufweist (siehe Abb. 4.17). Die Besonderheit dieses Bandes wird ersichtlich, wenn man nun versucht, mit einem Stift eine durchgängige Linie entlang einer Seite zu ziehen. Man wird feststellen, dass diese Linie über beide Seiten geht. Durch die halbe Drehung sind an der Klebestelle beide Seiten miteinander verbunden. Mathematisch betrachtet handelt es sich bei der Möbius-Schleife um eine Fläche, die nur eine Seite und eine Kante besitzt. Warum Kritiker Lost Highway gerne mit solch einer Möbius-Schleife vergleichen, soll die nachstehende Analyse aufklären. 4.7.1 Lost Highway Lost Highway [los97] erschien 1997 unter der Regie von David Lynch. Die Handlung beinhaltet zahlreiche mysteriöse Ereignisse. So wird der Protagonist des Filmes, Fred, des Mordes an seiner Freundin Renée verdächtigt und zum Tode verurteilt. In der Gefängniszelle verschwindet Fred auf unerklärliche Weise, Pete taucht an seiner Stelle auf und wird freigelassen. Petes Leben weist viele Parallelen zu Freds Leben auf, er hat z.B. ein Verhältnis mit Alice, die von der selben Schauspielerin wie Renée gespielt wird. Zum Filmende hin wird Pete wieder zu Fred und Alice zu Renée, die Handlung beginnt wieder von vorne. 4. Analyse 56 Abbildung 4.17: Die Möbius-Schleife ist ein Band, das in sich eine halbe Drehung aufweist. Lost Highway: Analyse Lost Highway beinhaltet eine große Menge an Anspielungen und ist ohne subjektive Interpretation fast nicht erklärbar. Der Film zielt stark auf die spektatorielle Wahrnehmung an, die kausalen Verknüpfungen, die der Rezipient durch die Interpretation nach seinen Erfahrungen und seinem Wissen erstellt. Der Film startet mit einem direkten Einstieg. Fred sitzt in seinem Haus, jemand läutet an und sagt: „Dick Laurent ist tot“. Die Videos, die Fred und Renée zu Beginn vor ihrem Haus finden, erhöhen die Spannung, da der Zuseher noch nicht erfährt, woher sie kommen. Auf Andys Party wird erstmals der Verdacht auf den mysteriösen Mann gelenkt, der vorgibt, bei Andy zuhause zu sein. Wer das Ende kennt, weiß, dass der mysteriöse Mann mit der Kamera hinter Fred herläuft und wird ihm die Videos zuschreiben. Auf der Party behauptet er, er sei von Andy eingeladen worden und würde nicht einfach so bei ihm zuhause aufkreuzen. Das könnte man als eine metaphorische Anspielung auf Freds Unterbewusstsein deuten. Der mysteriöse Mann könnte sein Gewissen repräsentieren. Im Film ist nicht klar ersichtlich, ob Fred Renée tatsächlich getötet hat. Er sieht sich selbst im Video, wie er sie getötet hat. Auch das könnte metaphorisch auf seinen Willen hindeuten, sich von Renée zu trennen. Man hat zuvor auch erfahren, dass ihre Beziehung nicht sonderlich gut läuft. Dass Fred im Gefängis ein anderer Mann wird und dass Pete und Fred eine Person sind, ist in den Hinweisen relativ eindeutig gegeben. Das gleiche gilt für Renée und Alice, die auch von der selben Schauspielerin gespielt 4. Analyse 57 Abbildung 4.18: Die Hauptdarsteller aus Lost Highway [los97]: links Fred und Renée, rechts Pete und Alice. Abbildung 4.19: Visualisierung der Struktur von Lost Highway. werden (siehe Abb. 4.18). Der mysteriöse Mann verstärkt dies zum Schluss, als Fred ihn fragt, wo Alice sei: er erwidert, ihr Name sei Renée, dann fragt er Fred laut, wie denn nun sein Name laute. Fred und Pete unterscheiden sich auch insofern voneinander, dass Fred eher introvertiert ist, während Pete sich offener zeigt und auch fast immer von anderen Menschen umgeben ist. Fred und Renée leben zu zweit in einem sehr dunklen Haus. Die Geschichte scheint sich nicht nur mit dem Ende, das den Anfang bildet, zu wiederholen, sondern zeigt auch die Handlung selbst gewissermaßen doppelt, wie auch in Abb. 4.19 schemenhaft dargestellt wird. Fred trifft den mysteriösen Mann auf der Party und ruft bei sich zuhause an. Pete ist zuhause und wird vom mysteriösen Mann angerufen. Pete tötet Andy, nachdem 4. Analyse 58 Alice mit ihm geschlafen hat, später tötet Fred Mr. Eddy, nachdem Renée mit ihm geschlafen hat. Diese Szenen werden auch durch eine Halluzination von Pete verknüpft: nach dem Mord an Andy will er ins Bad, um sich zu waschen, und sieht dabei die Hoteltür mit der Nummer 26, wo später Renée mit Mr. Eddy schläft. Jedes Ereignis tritt in abgewandelter Form nochmal ein, wodurch der Vergleich mit einer Möbius-Schleife gerechtfertigt ist. Lost Highway: Zusammenfassung Die Erzählweise von Lost Highway ist eine sehr eigene und kaum mit den anderen erwähnten Filmen vergleichbar. Die Narration lässt sich nicht eindeutig interpretieren, die spektatorielle Ebene im Betrachter ist gefragt, die die Verknüpfungen erkennen und deuten lässt. Auf alle Fälle lebt der Film von diesen Verknüpfungen und von abgewandelten Wiederholungen. Kapitel 5 Diplomprojekt Im Vorfeld zu dieser Arbeit wurde eine auf diegetischen Ebenen und dem Spiel mit der Zeit basierende Erzählung für das Animationsprojekt Flip it! ausgearbeitet. Die Umsetzung des Projektes erfolgte im Team mit Jennifer Weixler. Die Handlung der Kurzanimation soll hier beschrieben und analysiert werden. 5.1 Flip it! – Inhaltsangabe In einer einsamen Eiswüste, in der weit und breit nichts zu sehen ist, sitzt ein Inuit an seinem Eisloch und fischt. Er hat sonst nichts zu tun und wartet darauf, dass ein Fisch anbeißt. Es weht ein leichter, eisiger Wind, der den Inuit zum Zittern bringt. Um sich seine Hände zu wärmen, steckt er sie in die Taschen. Darin findet er etwas. Er holt es heraus, es handelt sich um ein kleines Büchlein. Am Umschlag ist ein Symbol eingeprägt. Er öffnet es und blättert durch. Dabei stellt sich heraus, dass er ein Daumenkino entdeckt hat. Beim Blättern sind zwei Linien zu erkennen, die sich wirr bewegen. Während er durch das Daumenkino blättert, verändert sich die Wetterstimmung. Je schneller er blättert, umso schneller zieht ein Sturm auf. Der Inuit durchschaut das und blättert aus Neugierde in Windeseile zum Ende des Büchleins. Durch sein schnelles Blättern wird der Wind so stark, dass er ihm das Daumenkino entreißt. Es fällt auf den Boden und klappt zu. Der zuvor aufgezogene Schneesturm scheint eingefroren zu sein – die Schneeflocken rings um den Inuit bewegen sich nicht. Er hebt das Büchlein auf und setzt sich wieder an seinen Platz. Nicht nur die Schneeflocken scheinen in der Luft an Ort und Stelle festgefroren zu sein, auch in seinem Eisloch bewegt sich nichts mehr. Zuvor waren noch Wellen sichtbar. Er stellt fest, dass das Buch eine Rückseite hat, auf der sich ein anderes Symbol befindet. Er öffnet es von der Rückseite her und beginnt zu blättern. Dieses mal sind es keine wirren Linien, sie bewegen sich gleichmäßig und rund. Während er durchblättert, ändert sich wieder das Wetter und die Sonne erscheint hinter den Wolken. 59 5. Diplomprojekt 60 Abbildung 5.1: Der Inuit-Charakter aus Flip it! in seiner stilisierten, leinwandartigen Umgebung. 5.2 Flip it! – Ursprüngliche Idee Die Ursprüngliche Idee zu Flip it! bestand darin, das Spiel mit der Zeit zum zentralen Thema zu machen und auch in einem stilisierten Look umzusetzen. Das Daumenkino bietet dem Inuit die Macht über die Zeitachse seiner Umgebung, er ist dieser somit überlegen. Die stilistische Umsetzung wurde so gewählt, dass diese Überlegenheit auch grafisch erkennbar ist. Der Charakter und seine direkte Umgebung sind dreidimensional dargestellt, während das Wetter, dessen Zeit er über das Daumenkino kontrollieren kann, zweidimensional wie eine Leinwand im Hintergrund liegt. Er ist seiner Umgebung um eine Dimension überlegen. Betrachtet man die vier Dimensionen des Raumzeit-Modells, so findet sich darin ebenfalls der Ansatz wieder, dass für eine Veränderung eines bestehenden Objektes stets eine weitere Dimension nötig ist. Möchte man also ein dreidimensionales Objekt verändern, so ist dies nur durch die Zeit, die vierte Dimension, möglich. 5.3 Flip it! – Analyse Das Daumenkino des Inuits gewährt ihm Zugang zu einer neuen, diegetischen Welt. Es handelt sich um eine abstrakte Animation innerhalb der Seiten, die die Welt um ihn herum beeinflusst. Würde man Flip it! ebenfalls einer Gruppe der analysierten Filme in Kapitel 4 zuordnen, so würde es zur Verschachtelung diegetischer Ebenen passen. 5. Diplomprojekt 61 Das Daumenkino hat zwei Seiten mit jeweils einem eigenen Symbol am Umschlag und einer eigenen abstrakten Animation, die dennoch in ihrer Form eine diegetische Welt aufbaut. Die sich bewegenden Linien besitzen Charakter. So sind sie in der ersten Animation noch wild und unkontrolliert und folgen in der zweiten Animation gleichmäßigen Rundungen. Da sich die Animationen auf die Welt um ihn herum auswirken (mit der Blättergeschwindigkeit steuert er auch die Geschwindigkeit, mit der das Wetter umschlägt), kann von einer Metalepse (vgl. [Tus07]) gesprochen werden. Der Inuit hat die Wahl, wie er die Umgebung beeinflusst und wie schnell das ganze vonstatten geht. Es handelt sich um eine kurze Animation, daher ist kein aufwändiger dramaturgischer Bogen gegeben. Sie lässt sich aber nach dem Drei-Akt-Modell einteilen. Die Exposition besteht darin, dass der Inuit einsam in der kalten Eiswüste sitzt und wartet. Die Konfrontation beginnt mit der Entdeckung des Buches und dem Umschlag des Wetters. Seinen Konflikt erreicht er, als ihm der Wind das Buch aus der Hand reißt und durch das Zuklappen des Buches auch die Zeit der Umgebung angehalten wird. Um ihn herum sind Schneeflocken und in seinem Eisloch bewegt sich nichts. Die Auflösung ergibt sich schließlich durch die Rückseite des Buches, die ihn zum Schönwetter führt und somit auch das anfängliche Kälteproblem löst. Kapitel 6 Zusammenfassung 6.1 Theorie In den Kapiteln 2 und 3 wurde auf einer breiten Basis von Quellliteratur das nötige Vokabular zur Analyse filmischer Erzählstrukturen ausgearbeitet. Es braucht beides, sowohl die Erzähltheorie im Allgemeinen als auch das Wissen über die Montage, um narrative Strukturen in filmischen Erzählungen analysieren zu können, da einerseits Strukturelemente in Filmen angewendet werden, die ebenso in der Literatur auffindbar und somit als allgemeine Strukturelemente unabhängig vom Erzählmedium anzusehen sind. Andererseits entstehen viele kausale Verknüpfungen, die der Autor durch die Montage in die diegetische Welt einbindet und der Rezipient durch seine spektatorielle Wahrnehmung erkennt, erst durch den Einsatz der Mittel der Montage. Somit wäre die Behauptung aufgestellt, dass die Erzähltheorie die allgemeine, vom Medium unabhängige Basis für eine Erzählung bietet und die Montagetheorie die spezifischen Einzelheiten des Mediums Film behandelt. Als besondere Schwierigkeit stellte sich bei der Ausarbeitung der Theorie heraus, dass viele Termini nicht eindeutig oder von verschiedenen Autoren widersprüchlich definiert wurden. Wo es möglich war, wurden eindeutige Begriffe verwendet. Es mussten jedoch auch gängige Bezeichnungen gemieden werden. Ebenso sind angesehene Definitionen inzwischen teils veraltet und können aufgrund des technischen Voranschreitens in der Filmindustrie heute nicht mehr vollständig angewendet werden. Die Theorie in dieser Arbeit wurde mit dem Versuch ausgearbeitet, möglichst anwendbare und eindeutige Definitionen zu verwenden. Eine ausnahmslose Eindeutigkeit kann aber nicht garantiert werden. 62 6. Zusammenfassung 6.2 63 Analyse Die intensive Auseinandersetzung mit Beispielfilmen aus einem breiten Spektrum führte nicht nur zum besseren Verständnis der erzählten Inhalte, sondern war auch hilfreich bei der Anwendung der zuvor ausgearbeiteten Theorie und deren Verständnis. Als besonders interessant stellte sich die Analyse der zuvor selbst entwickelten Erzählung des Diplomprojektes Flip it! heraus, da die ursprüngliche Idee der Geschichte in ein neues Licht gestellt wurde. So stellte sich heraus, dass die Erzählung mehrschichtig ist und auf diegetischen Ebenen beruht. Im Zuge der Analyse wurde ein breites Sprektrum an Beispielfilmen anhand ihrer narrativen Strukturen, welche zuvor in der Theorie ausgearbeitet wurden, in Gruppen eingeteilt. Sie weisen Gemeinsamkeiten und Gegensätze auf. Entdeckt wurden dabei Verschachtelungen von diegetischen Ebenen, zu denen ebenfalls das Diplomprojekt Flip it! zu zählen wäre; Entscheidungen und Möglichkeiten, wodurch sich mehrere mögliche Ausgänge eines Geschehens aufgrund kleiner Änderungen darstellen lassen; weitreichende Anachronien, die über Rückblenden und Prolepsen hinausgehen und das diegetische Geschehen für die Erzählung völlig neu anordnen; episodische Erzählungen, wobei die Episoden mehr oder weniger deutlich verknüpft werden; rückwärts gerichtete Erzählungen; Kombinationen aus Plansequenzen und Split Screen; schließlich der narrative Umsatz einer Möbius-Schleife, die in sich selbst eine Wendung aufweist. Letztendlich bleibt zu hoffen, dass die Arbeit zu weiterer Inspiration verleitet, die ausgearbeitete Einteilung in Gruppen Anklang findet und neue, bisher unentdeckte Erzählstrukturen weiterhin ihren Weg in die Kinosäle finden. Anhang A Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen In diesem Anhang finden sich in alphabetischer Auflistung kurz gefasste Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen. Sie dienen der Übersicht, ersetzen also nicht das Ansehen der Filme. A.1 9 Short Eine Puppe mit der Nummer 9 am Rücken baut in einer verwüsteten Umgebung eine Hebelkonstruktion und füllt einen Stoffsack mit Teer. Währenddessen streicht ein Monster durch die Gegend. Die Puppe setzt sich im Freien an einen verwüsteten Platz und putzt einen Talisman. Dabei erinnert sie sich daran, wie sie einst mit einer zweiten Puppe, die die Nummer 5 am Rücken trug, hier eine Glühbirne gefunden hat. 5 trug eine Batterie bei sich, mit der er sie zum Leuchten brachte. Dann begann der Talisman, den 5 trug, zu leuchten. Er reichte 9 den Talisman und die Glühbirne, 9 versteckte sich und 5 lauerte kampfbereit auf. Doch das Monster, das vorhin zu sehen war, überraschte 5 von hinten und saugte durch einen Blitz seine Seele in einen Talisman, den es selbst trug. 9 konnte entkommen. Während sich 9 daran erinnert, beginnt der Talisman zu pulsieren. Er läuft zurück in die Halle, das Monster kreuzt auf und folgt ihm. Am Rücken des Monsters sind Stoffreste zu erkennen, die die Nummern 1 bis 8 tragen – das Monster hat die leblosen Körper zu einem Kleidungsstück verarbeitet. Es folgt 9 und fasst in der Halle nach einer zappelnden Puppe, bleibt aber darin kleben. Das Monster hat nicht 9 erwischt, sondern eine mit Teer gefüllte Marionette. 9 klaut dem Monster seinen Talisman und läuft weg. Das Monster kann sich aus dem Teer befreien und jagt 9 wieder, bis 9 auf einer Latte vor einem Abgrund zu stehen kommt. Das Monster droht ihm, doch 9 hüpft auf die zuvor gebaute Hebelkonstruktion und bringt die Latte, 64 A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 65 auf der sich das Monster befindet, zum Einsturz, das Monster stürzt in den Abgrund und stirbt. 9 verbrennt in einer Zeremonie die Stoffreste mit den Nummern 1 bis 8, die das Monster als Kleidung trug. Dabei bemerkt er, dass sein Talisman und der des Monsters zwei Hälften eines Ganzen sind. Er fügt sie zusammen, die Seelen der Puppen 1 bis 8 steigen aus dem Talisman und kehren in ihre Stoffreste zurück, wo sie friedlich verbrennen. A.2 Cibo Matto: Sugar Water Sugar Water zeigt einen zweigeteilten Split Screen, wobei in jedem von beiden eine Plansequenz läuft. Das linke Bild wird in korrekter Abspielrichtung gezeigt, das rechte Bild läuft rückwärts. Dabei ist der Bildinhalt aber stets ähnlich – was sich in einem Bild ereignet, ist in ähnlicher Form im anderen zu sehen. So steht im linken Bild die Protagonistin aus ihrem Bett auf und kleidet sich an, während im rechten Bild die Sängerin (rückwärts gezeigt) ihre Kleidung ablegt und schlafen geht. Weiters öffnet im linken Bild die Protagonistin die Tür, eine Katze läuft durch beide Bilder, die Protagonistin links findet einen Brief und geht die Treppe hinunter, wo sie den Brief in einen Schlitz einwirft. Parallel dazu geht die Sängerin im rechten Bild rückwärts die Treppe hinunter und nimmt einen Brief aus einem Schlitz. Es ergibt sich der Anschein, dass der Brief aus dem Vorwärts-Bild ins Rückwärts-Bild gewandert sei, wie zuvor die Katze in die Gegenrichtung. Die linke Schauspielerin steigt in ein Auto und fährt los, bleibt aber gleich wieder stehen, weil sie jemanden angefahren hat. Die rechte Schauspielerin, die rückwärts die Straße entlang gewandert ist, legt sich auf den Boden mit dem Brief auf ihrem Bauch. Die Schauspielerin im linken Bild hat die Sängerin im rechten Bild angefahren. Sie steigt aus, um nach ihr zu sehen. Als in beiden Bildhälften das selbe Bild (nur spiegelverkehrt) zu sehen ist, ist der Text des Briefes lesbar: „You killed me“. An der Hälfte stellt sich auch heraus, dass beide Plansequenzen die selbe sind, eine wird vorwärts und eine rückwärts gezeigt. Man könnte die Plansequenz also als Palindrom1 deuten. Alles, was sich bis zur Hälfte im linken Bild vom Anfang zur Mitte (vorwärts) ereignet hat, findet jetzt im rechten Bild von der Mitte zum Anfang (rückwärts) statt. Man hat das Ende also bereits gesehen. Im linken Bild steht die angefahrene Sängerin auf und wirft den Brief in einen Schlitz, während im rechten Bild die Schauspielerin rückwärts mit dem Auto fährt und einen Brief aus einem Schlitz nimmt. Die Sängerin links geht 1 Palindrome sind Wörter oder Sätze, die sich in beide Richtungen lesen lassen, wie z.B. „Rentner“ oder „Tarne nie einen Rat“. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 66 die Treppe hinauf und öffnet die Tür, während die Schauspielerin rechts die Treppe rückwärts nimmt. Die Katze wandert wieder von rechts nach links durch beide Bilder. Am Ende ist der Schriftzug, der sich über beide Bilder zieht, auf den Fenstern zu lesen: Sugar Water. A.3 Cinnamon Chasers: Luv Deluxe Auf der Erde bei einem Auto sitzend blickt der Protagonist auf das regungslose Mädchen neben ihm. Der Protagonist ist alleine, er packt seine Sachen und begibt sich auf eine Reise. An einer Tankstelle nimmt er ein Mädchen mit. Die beiden gehen essen und bekommen die Rechnung. Sie zerreißt die Rechnung, die beiden laufen davon und feiern Parties. Als der Bankomat kein Geld mehr hergibt, beginnt sie zu stehlen, die beiden nehmen Drogen und rauben sogar ihre Freunde aus. Die Zeit dreht sich zurück, bis sie wieder die Rechnung im Restaurant bekommen. Dieses mal zerreißt er sie, die beiden laufen davon und feiern Parties. Als der Bankomat kein Geld mehr hergibt, beginnt er zu stehlen, geht aber sehr viel weiter als sie in der ersten Sequenz. Er stiehlt einem Obdachlosen den Bettelbecher voller Münzen und deutet ihm den Mittelfinger. Er konsumiert Drogen und Alkohol, sie zeigt sich mit der Zeit von ihm genervt. Als er sich ein Messer besorgt, nimmt sie es und holt aus, um ihn zu erstechen. Die Zeit dreht sich erneut zurück, die Rechnung kommt und er bezahlt sie. Die beiden feiern Parties und bekommen wieder kein Geld vom Bankomaten, flirten aber liebevoll weiter. Als sie versucht, jemandem die Geldtasche zu stehlen, bringt er sie wieder zurück. Er findet im Handschuhfach eine Waffe, sie muss ihn beruhigen, aber er legt sie wieder zurück. Eines Tages passiert es aber doch, dass sie jemanden ausraubt. Die beiden flüchten und geraten in Streit, er will die Polizei anrufen, doch sie schießt auf ihn und lässt die Waffe fallen. Er hebt sie auf und schießt auf sie. Die Szene endet mit dem Anfangsbild. A.4 Das jüngste Gewitter Ein Mann wacht auf und erzählt, er habe von Bombern geträumt. Eine Frau sitzt im Park und verjagt ihren Freund mitsamt Hund, sie singt ein Lied davon, dass sie keiner versteht. Die zwei Episoden im Vorspann, die nicht wirklich zusammenhängen, und die doch den grauen Alltag gemeinsam haben, kündigen bereits die Struktur des Films an. Protagonisten im klassischen Sinn gibt es nicht, es werden nur kleine Episoden des grauen Alltagslebens erzählt. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 67 So sind des öfteren ein Tuba-Spieler und ein Pauker zu sehen, die beim Üben zu Hause die Mitbewohner und Nachbarn nerven. Der Tuba-Spieler erzählt von seinen Ersparnissen für die Rente, die durch nicht gut laufende Fonds verloren gingen. Anna ist in mehreren Episoden zu sehen. Sie vergöttert den Sänger der Black Devils und träumt sogar von ihm, obwohl er sie sitzen lassen hat. Ein Mann erzählt im Stau von einem Traum, in dem er zum Tode verurteilt wird, weil er ein antikes Porzellan-Service zerstört hat. Ein Frisör rasiert aus Wut einem Kunden den Kopf, der danach in eine wichtige Besprechung muss, in der der Vorsitzende unerwartet stirbt. Zum Ende des Filmes erscheinen sechs Episoden, die mehr gemeinsam haben: die Charaktere richten ihren Blick stumm zum Himmel. Die letzte Einstellung bietet die Sicht einer Fliegerflotte, die sich einer Stadt nähert, während ironisch fröhliche Jazz-Musik spielt. A.5 Donnie Darko Donnie wacht im Freien auf und fährt mit dem Fahrrad nach Hause. Er ist ein Schlafwandler und besucht auch regelmäßig seine Psychiaterin. In Halluzinationen erscheint ihm Frank, der ein Hasenkostüm trägt. Eines Nachts lockt Frank Donnie aus dem Haus, um ihm von einem Countdown bis zum Weltuntergang zu erzählen. Das ist Donnies Glück, denn während er weg ist, stürzt eine Flugzeugturbine in sein Zimmer, die ihn sonst getroffen hätte. Donnie lernt eine neue Mitschülerin, Gretchen Ross, kennen. Die beiden werden ein Pärchen. Die eigenartige Ms. Sparrow, auch bekannt als Grandma Death, flüstert Donnie etwas geheimnisvolles ins Ohr. Als Donnie wieder halluziniert, geht er nachts in die Schule, um einen Wasserrohrbruch zu verursachen. Bei der darauffolgenden Polizeikundgebung kritisiert die Lehrerin Ms. Farmer die Kompetenz ihrer Kollegin Ms. Pomeroy, die die Schüler im Unterricht Texte über Zerstörungswut lesen ließ. Wenig später wird Donnie vom Unterricht suspendiert, weil er die Lehrmethoden von Ms. Farmer kritisiert und sie beleidigt. Unterdessen fragt Frank Donnie, ob er an Zeitreisen glaubt. Darauf erkundigt sich Donnie bei einem Lehrer über solche Theorien und bekommt von ihm ein Buch, das Ms. Sparrow (Grandma Death) geschrieben hat. In seinen Visionen sieht Donnie vorzeitig, wohin Menschen gehen. Seine Psychiaterin erklärt seinen Eltern, er habe Schwierigkeiten damit, die Realität von seiner Welt zu unterscheiden. Im Kino zeigt Frank Donnie ein Zeitportal. Er nimmt seine Maske ab, Donnie kann sein verletztes Auge sehen. Donnies Mutter muss eine Mädchengruppe begleiten, sie reisen mit dem Flugzeug. Zu Halloween ist Donnie mit Gretchen unterwegs. Die beiden werden auf der Straße überfallen und mit Messern bedroht. Ein Auto kommt A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 68 und überfährt Gretchen, weil Grandma Death plötzlich auf der Straße steht. Die Messerbanditen flüchten. Aus dem Auto steigen zwei Burschen aus, einer von ihnen sieht aus wie Frank – er nimmt die Maske seines Hasenkostüms ab, sein Auge ist nicht verletzt. Donnie nimmt eine Waffe und schießt ihm ins Auge. Grandma Death sagt zu Donnie, ein Sturm ziehe auf, er müsse jetzt Handeln. Darauf hin nimmt Donnie Gretchens Leiche und fährt mit ihr auf einen Berg, von dem aus er den Sturm beobachten kann. Das Flugzeug, in dem Donnies Mutter sitzt, gerät in Turbulenzen. Donnie sieht zu, wie eine Flugzeugturbine abstürzt. Mit der fallenden Turbine wird die Zeit zurückgedreht. Donnie findet sich lachend in seinem Zimmer wieder, wird von der Turbine getroffen und stirbt. A.6 Hero Der Protagonist, dessen Name unbekannt bleibt, kommt in den Palast des Königs von Qin um eine Audienz. Der König hat erst vor kurzem ein Attentat überlebt, bei dem Fliegender Schnee, Zerbrochenes Schwert und Weiter Himmel ihn töten wollten, um dadurch zu verhindern, dass er die sieben Reiche Chinas vereint. Aus Sicherheitsgründen darf sich nach diesem Attentat dem König niemand näher als 100 Schritt nähern. Der Protagonist sagt, er habe die drei Attentäter vernichtet und bringt zum Beweis ihre Waffen: zwei Schwerter und einen Speer. Er darf sich dadurch dem König bis auf zehn Schritt nähern und mit ihm Tee trinken. Auf die Bitte des Königs beginnt er zu erzählen, wie er die drei töten konnte. In seiner Erzählung konnte er Weiter Himmel vor Zeugen töten und die Nachricht verbreiten, Weiter Himmel und Fliegender Schnee hätten eine Affäre gehabt. Fliegender Schnee und Zerbrochenes Schwert waren aber ein Paar und haben sich aus Eifersucht gegenseitig vernichtet. Der König erwidert dem Protagonisten, seine Geschichte sei glaubwürdig. Er könne sich aber aufgrund seiner guten Menschenkenntnis (er meint, die Attentäter gut einschätzen zu können) nicht vorstellen, dass sich die Geschichte genau so ereignet hat und erzählt seine eigene Version. In der Erzählung des Königs wurde Weiter Himmel nur verletzt. Fliegender Schnee und Zerbrochenes Schwert hingegen haben sich freiwillig geopfert, denn ihr höchstes Ziel war der Tod des Königs, und durch ihren eigenen Tod haben sie dem Protagonisten ermöglicht, dem König nahe genug zu kommen, um ihn zu töten. Nun würde den Protagonisten das gleiche Schicksal ereilen, er würde den König töten und dafür selbst durch die Wachen sterben. Der Protagonist gibt sich als durchschaut zu erkennen, erzählt die Geschichte aber nochmal, um die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. In dieser dritten Erzählung hat Zerbrochenes Schwert von Anfang an versucht, den Protagonisten von der Ermordung des Königs abzuhalten. Den Grund dafür hat ihn die Kalligrafie des Zeichens Alle unter dem Himmel A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 69 gelehrt, denn das Schicksal des Einzelnen sei unwichtig. China müsse vereint werden, da sonst ewiger Bürgerkrieg herrschen würde. Das konnte nur der König von Qin veranlassen, deshalb wollte Zerbrochenes Schwert, dass der König lebt. Beeindruckt von der Menschenkenntnis des Königs und dessen weiteren Argumenten begreift der Protagonist, dass Zerbrochenes Schwert recht hatte und China vereint werden muss. Der Mord am König von Qin wäre zudem auch aus Rache für den Tod seiner Eltern gewesen. Er begreift, dass der König leben muss und opfert sich, um ihn in seiner Macht zu stärken. Er tötet ihn also nicht, sondern sticht präzise auf ihn ein, ohne ihn dabei gefährlich zu verletzen. A.7 Inception Dominic Cobb versucht mit seinem Kollegen Arthur, dem Geschäftsmann Saito innerhalb eines Traums eine Idee aus dem Unterbewusstsein zu stehlen. Sie haben dafür eine Traumsharing-Maschine, um in die Träume anderer einzudringen, und führen solche „Extractions“ als Spionageaufträge aus. Die Extraction misslingt ihnen im Traum Saitos. Nash, der Traumarchitekt, weckt Cobb durch einen „Kick“ auf – er stößt ihn ins Wasser, wodurch sich auch der Traum verändert und Cobb aufwachen kann. Nachdem alle wach sind, versuchen sie unter vorgehaltener Waffe, Saito die Information zu entlocken. Dabei liegt er auf dem Teppich seines eigenen Appartements und bemerkt, dass sich der Teppich nicht so anfühlt wie sonst, er ist aus Polyester – er befindet sich also immer noch in einem Traum und muss keine Waffe fürchten, da der Tod im Traum nur zum Aufwachen führt. Die Extractors geben daher auf und finden sich in der realen Welt in einem Zugabteil wieder, wo sie Saito entkommen können. Saito sucht Arthur und Cobb auf und erklärt ihnen, alles wäre ein von ihm veranlasster Test gewesen. Er sei auf der Suche nach einem Team für eine „Inception“, bei der keine Idee gestohlen, sondern eingepflanzt wird. Die Zielperson dieser Inception sei Saitos Konkurrent Fischer. Cobb nimmt den Auftrag an, da Saito als reicher Geschäftsmann die Macht hat, ihm die Rückreise in die USA zu ermöglichen – Cobb wird dort gesucht. Arthur und Cobb erweitern ihr Team um den Fälscher Eames und die Studentin Ariadne, die sie als Architektin ausbilden. Die Einpflanzung des Gedankens soll im Flugzeug auf dem Weg in die USA stattfinden, wo nicht viel Zeit bleibt. Da fünf Minuten der Realität im Traum einer ganzen Stunde entsprechen, verschachteln sie das Traumprinzip und dringen in drei Ebenen vor, um sich dadurch genug Zeit für die Inception zu verschaffen. In der ersten Traumebene findet eine Entführung statt, bei der sich der Fälscher Eames als Fischers Onkel ausgibt. Dort fährt das Team mitsamt Fischer in einem Lieferwagen durch die Straßen auf der Flucht vor Securi- A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 70 ties – diese stammen aus Fischers Unterbewusstseins-Verteidigung, er wurde darauf trainiert. Den Kick, den die träumenden im Lieferwagen brauchen, erhalten sie durch einen Sprung ins Wasser. In der zweiten Traumebene befinden sich alle in einem Hotel. Durch den Sprung des Lieferwagens sind die Träumer ein paar Sekunden schwerelos, was sich als mehrminütige Schwerelosigkeit in der tieferen Traumebene äußert. Der Kick wird im Hotel durch eine Explosion im Liftschacht ausgelöst. In der dritten Traumebene dringt das Team in eine Militärbasis ein, wo schließlich die Inception vollendet und die Idee endgültig eingepflanzt werden soll. Parallel zu den Verschachtelungen – Ereignisse außerhalb eines Traums wirken sich stets auf diesen unter anderen Zeitverhältnissen aus – wird auch die Geschichte um Cobbs Frau Mal aufgeklärt, die immer wieder in Form von Projektionen in den Träumen auftaucht und Cobbs Pläne durchkreuzt. Sie wollte einst ihr reales Leben in tiefere Traumebenen verlagern, daher hat Cobb bei ihr bereits eine Inception durchgeführt und ihr die Idee eingepflanzt, dass die Welt um sie nicht real ist. Das ist ihm gelungen, sie glaubte das aber in der realen Welt immer noch und beging Selbstmord. Cobb wurde als Mörder beschuldigt und ist geflohen, daher kann er nicht mehr einreisen. Am Ende gelingt die Inception. Saito kann für Cobbs Einreise sorgen, Cobb sieht seine Kinder wieder. A.8 Irréversible Während sich zwei Männer über ihre Sünden unterhalten, findet sich unter ihrem Fenster ein Aufgebot an Einsatzkräften vor dem Homosexuellenclub „Rectum“ ein. Der regungslose, verletzte Marcus und der in Handschellen gelegte Pierre werden abgeführt. Marcus sucht aufgebracht und energisch wider Pierres Willen in den dunklen Gängen des „Rectum“ nach einem Mann namens „Le Ténia“. Er glaubt, ihn gefunden zu haben und liefert sich mit dem vermeintlich gesuchten eine Schlägerei, bei der Le Ténia Marcus verletzt. Kurz bevor er ihn vergewaltigen will, wird er von Pierre mit einem Feuerlöscher brutal zu Tode geschlagen. Marcus sucht auf einer von Prostituierten gesäumten Straße nach Guillermo Nunez. Als er ihn findet, wird er gewalttätig und will von ihm wissen, was er gesehen hat. Guillermo Nunez gibt ihm den Hinweis auf den Zuhälter „Le Ténia“ und das „Rectum“. Marcus versucht nun wieder unter Gewaltanwendung, den Weg dort hin zu finden. Nach einer Polizeibefragung kommen zwei Männer zu den sichtlich verzweifelten Freunden Marcus und Pierre. Sie fechten die Methoden der Polizei an und bieten für Geld ihre Hilfe zur Rache an. Marcus willigt ein. Zu viert suchen sie nach Guillermo Nunez, dessen Personalausweis gefunden wurde. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 71 Der heitere Marcus versucht, Pierre davon abzuhalten, eine Party zu verlassen. Draußen bringen Einsatzkräfte die bewusstlose, blutüberströmte Alex zum Krankenwagen. Als Marcus sie sieht, bricht er in Verzweiflung aus. Alex sucht nach einem Taxi. Statt die Straße zu überqueren, nimmt sie die angeblich ungefährliche Unterführung. Dort kommt ihr ein aufgebrachter Zuhälter entgegen, Le Ténia (am Anfang des Films hat Pierre den falschen Mann getötet), der sich mit Guillermo Nunez streitet. Er bedroht auch Alex und vergewaltigt sie in der Unterführung. Pierre und Marcus geraten auf einer Party, auf der Marcus Drogen nimmt, in Konflikt. Alex amüsiert sich anfangs, verlässt die Party aber frühzeitig wegen Marcus’ Zustand und begibt sich alleine auf die Straße. Marcus, Pierre und Alex unterhalten sich fröhlich auf dem Weg zur Party. Marcus ist Alex’ Freund, Pierre ihr Exfreund. Alex und Marcus necken sich verliebt zu Hause. Alex erfährt, dass sie schwanger ist, Marcus weiß aber nur, dass ihre Periode überfällig ist. A.9 Kill Bill Vol. 1 Kiddo liegt schnaufend und blutend am Boden, während ihr Bill erklärt, dass sein Handeln nicht sadistisch, sondern masochistisch sei. Sie will ihm sagen: „Es ist dein Baby“, doch Bill schießt ihr in den Kopf. Kap. 1: 2. Kiddo („Black Mamba“) tötet Vernita Green („Copperhead“) aus Rache. Als Kiddo bemerkt, dass Vernitas Tochter den Mord gesehen hat, bietet sie ihr an, auf sie zu warten, wenn sie erwachsen sei. Kiddo streicht Vernita Green als zweite auf ihrer Liste – O-Ren Ishii ist bereits gestrichen. Kap. 2: Die blutbespritzte Braut. Viereinhalb Jahre zuvor wurden nach einem Massaker 8 Leichen und die noch lebendige Kiddo im Brautkleid in einer Kapelle gefunden. Vernita Green und Elle Driver („California Mountain Snake“), die nur ein Auge hat, waren am Massaker beteiligt. Elle Driver will sie im Krankenhaus, wo Kiddo im Koma liegt, töten, Bill hält sie jedoch davon ab, denn das sei unter derem Niveau. Vier Jahre später erwacht Kiddo und tötet aus Rache einen korrupten Arzt. Kap. 3: Die Herkunft von O-Ren. Kiddo erzählt von O-Ren Ishii, deren Eltern getötet wurden und die durch den darauffolgenden Rachemord zum Top-Killer wurde und danach auch am Hochzeits-Massaker beteiligt war. Kap. 4: Der Mann aus Okinawa. Kiddo bricht nach Okinawa auf, um sich vom Waffenschmied Hattori Hanzo ein Schwert schmieden zu lassen. Er hat zwar einen Eid geschworen, keine Tötungswerkzeuge mehr herzustellen, bricht diesen jedoch, nachdem Kiddo Bill, der Hanzos Schüler war, erwähnt. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 72 Kap. 5: Showdown im Haus der Blauen Blätter. O-Ren Ishii („Cottonmouth“) sitzt durch Bills Hilfe an der Spitze der Yakuza und tötet jeden, der ihre chinesische oder japanische Herkunft anspricht. Zu ihrem Gefolge gehört auch Sofie Fatale, die beim Massaker anwesend war aber niemand getötet hat. Kiddo begegnet O-Ren und ihrem gesamten Gefolge in einem Restaurant, wo es zum Kampf kommt. Sie tötet das gesamte Gefolge und danach O-Ren mit ihrem Hanzo-Schwert, verstümmelt Sofie Fatale und lässt sie aber am Leben, um Bill zu erzählen, dass Kiddo alle töten will. Das macht Sofie auch. Schließlich offenbart Bill, dass Kiddos Tochter noch lebt. A.10 Kill Bill Vol. 2 Kiddo sitzt im Auto und erzählt, dass ihr nur noch einer auf ihrer Liste fehlt. Kap. 6: Das Massaker von Two Pines. Bill hat Kiddo gefunden, die ein neues Leben führen will und für ihre Hochzeit probt. Bills Gefolge trifft ein und erschießt die versammelte Gesellschaft. Bill erzählt Budd („Side Winder“) von Kiddos Sieg gegen O-Ren und warnt ihn vor ihr. Budd entgegnet, sie würde ihre Rache verdienen. Kap. 7: Das einsame Grab von Paula Schultz. Als der verkommene Budd seinen Job verliert und in seinen Wohnwagen zurückkehrt, wittert er Gefahr und lauert Kiddo auf. Als diese glaubt, ihn zu überraschen, verletzt er sie und begräbt sie lebendig. Kiddos Schwert will er an Elle Driver verkaufen. Kap. 8: Die grausame Lehre des Pai Mei. Bill hat Kiddo zu Pai Mei gebracht, um seine Lehre zu erlernen. Er ist Meister der Fünf-PunktePressur-Herz-Explosions-Technik. Mit ihrer bei ihm gelernten Kraft und Ausdauer kann sich Kiddo aus dem Grab befreien. Kap. 9: Elle und ich. Elle Driver kommt mit einem Koffer Geld zu Budd, um Kiddos Hanzo-Schwert zu kaufen, und tötet ihn durch eine schwarze Mamba im Geldkoffer. Kiddo kreuzt auf. Zum ersten mal wird ihr Vorname Beatrix erwähnt. Elle hat ihr Auge durch Pai Mei verloren, weil sie ihn beschimpft hat. Kiddo reißt ihr das zweite heraus und überlässt sie der Mamba. letztes Kapitel: Von Angesicht zu Angesicht. Von Don Esteban, der eine Vaterrolle für Bill hatte, erfährt Kiddo Bills Aufenthaltsort. Als sie eindringt und Bill töten will, steht ihre Tochter vor ihr und Kiddos bedrohliche Waffe wird zum Kriegsspiel. Nachdem ihre Tochter schläft, injiziert Bill Kiddo ein Wahrheitsserum und erfährt dadurch, dass Kiddo während eines Mordauftrages festgestellt habe, sie sei schwanger, und sie sich deshalb als tot ausgegeben und in ein bürgerliches Leben zurückgezogen habe. Sie A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 73 kreuzen die Schwerter, doch Kiddo tötet Bill mit der Fünf-Punkte-PressurHerz-Explosions-Technik. A.11 Lola rennt Das Telefon läutet. Lola hebt ab. Manni, ihr Freund, ist dran. Er erklärt ihr nervös und verzweifelt, dass er in der U-Bahn eine Tasche mit 100 000 Mark liegen gelassen hat. Das Geld soll er Ronnie übergeben, wofür ihm noch zwanzig Minuten Zeit bleiben. In seiner Verzweiflung will Manni den Supermarkt neben der Telefonzelle ausrauben, doch Lola will ihn davon abhalten und das Geld schnell auftreiben. Lola läuft zur Bank ihres Vaters und erwischt ihn. Als sie ihm erklärt, sie brauche Geld, lässt er sie hinauswerfen. Lola läuft weiter zu Manni. Er hat bereits begonnen, den Supermarkt auszurauben. Lola hilft ihm. Auf der Flucht werden die beiden von der Polizei umzingelt. Manni wirft den Sack mit dem gestohlenen Geld in die Luft. Bei einem Polizisten löst sich ein Schuss, er trifft Lola in die Brust. In einem unwirklich roten Bild sieht man Manni und Lola liegen. Sie stellt ihm Fragen über seine Liebe zu ihr und beendet den Dialog mit den Worten „ich muss mich heut entscheiden, glaub ich“. Lola läuft zur Bank ihres Vaters, hat aber durch kleine Umstände ein leicht unterschiedliches Timing im Vergleich zur ersten Variante. Die kleinen Änderungen zeigen nach und nach ihre Auswirkungen – in der Bank klaut Lola die Waffe des Wächters und raubt die Bank aus. Als sie die Bank verlässt, denkt die draußen versammelte Polizei nicht, dass Lola die Täterin sein könnte, und schicken sie weg. Sie läuft und kommt rechtzeitig zu Manni, bevor er den Supermarkt ausraubt, doch ein ankommendes Rettungsauto überfährt Manni. Erneut liegen Manni und Lola im unwirklich roten Bild, aber dieses mal stellt er die Fragen und will von Lola wissen, was sie machen würde, wenn er stirbt. Lola beendet die Diskussion mit den Worten „du bist aber nicht gestorben“. Lola läuft zur Bank ihres Vaters, zum dritten mal mit leichten Veränderungen und anderem Timing. Unterdessen findet Manni den Obdachlosen, der seine Tasche aus der U-Bahn mitgenommen hat und folgt ihm. Lola verpasst ihren Vater, läuft stattdessen zum Casino und spielt mit ihrem letztes Geld, indem sie zwei mal hintereinander am Roulette-Tisch alles auf 20 setzt. Beide male gewinnt sie und verlässt mit 100 000 Mark das Casino. Manni bekommt unter vorgehaltener Pistole das Geld vom Obdachlosen zurück. Lola kommt rechtzeitig und sieht, wie sich Manni von Ronnie verabschiedet. Mit einem Lächeln auf den Lippen fragt Manni Lola, ob sie denn gerannt sei und was sie in ihrer Tasche habe. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen A.12 74 Lost Highway Während Fred im dunklen Haus eine Zigarette raucht, klingelt es an der Tür. Fred hört durch die Sprechanlage: „Dick Laurent ist tot.“ Reifenquietschen und Sirenen sind zu hören. Fred blickt aus dem Fenster, sieht aber niemanden. Freds Verhältnis zu seiner Frau Renée scheint gestört zu sein. Die beiden finden Videokassetten vor ihrer Tür, die ihr Haus zeigen – erst von außen, später aber auch von innen. Die Polizei sieht sich um, wird aber misstrauisch, als Fred sagt, er halte nichts von Kameras und erinnere sich lieber auf seine Weise an Ereignisse, nicht so, wie sie tatsächlich passiert sind. Fred fährt mit Renée zu Andy auf eine Party. Dort wird er von einem mysteriösen Mann angesprochen, der behauptet bei Fred zuhause zu sein. Fred wählt seine eigene Nummer und der Mann hebt ab. Er sagt, er sei von Fred eingeladen worden. Fred fragt Andy, wer dieser mysteriöse Mann sei. Andy entgegnet, er wisse seinen Namen nicht, glaube aber, es sei ein Freund von Dick Laurent. Zuhause sieht sich Fred das Video nochmal an und sieht bei den Innenaufnahmen die zerstückelte Leiche seiner Frau Renée und sich selbst blutrünstig darüber sitzen. Er ruft nach Renée, dann findet er sich in einem Polizeiverhör wieder. Er wird des Mordes angeklagt und zum Tode verurteilt. Der Gefängniswächter blickt in Freds Zelle und stellt fest, dass der Mann in der Zelle nicht Fred ist. Er wird identifiziert als Pete und, da er nichts verbrochen hat, von seinen Eltern abgeholt. Er kann sich nicht erinnern, wie er in die Zelle gekommen ist. Sicherheitshalber beobachtet die Polizei Pete. In der Arbeit (Pete ist Automechaniker) kommt der klischeebehaftete Gangsterboss Mr. Eddy, gefolgt von zwei Leibwächtern, um Pete zu einer Autofahrt mitzunehmen. Er sagt, der Sound des Motors gefalle ihm nicht. Pete schraubt daran und Mr. Eddy lobt ihn. Darauf hin überholt ein Drängler Mr. Eddy und deutet ihm den Mittelfinger. Mr. Eddy schlägt ihn vor Petes Augen zusammen und entschuldigt sich bei Pete dafür. Er setzt ihn wieder bei der Werkstatt ab, wo die Polizei, die Pete beobachtet, Mr. Eddy als Dick Laurent identifiziert. Alice, die Mr. Eddys Gefolge angehört, will mit Pete ausgehen. Zwischen den beiden beginnt ein Verhältnis. Mr. Eddy bekommt offensichtlich davon mit und droht Pete. Pete will mit Alice durchbrennen, da sie von Mr. Eddy zum Drehen von Pornofilmen gezwungen wird. Alice plant, Andy (bei dem anfangs die Party stattgefunden hat) auszurauben. Mr. Eddy ruft Pete an und lässt ihn mit seinem Freund, dem mysteriösen Mann von der Party, sprechen. Dieser meint, er und Pete hätten sich bereits einmal gesehen, als er bei Pete zuhause war. Pete lässt sich durch Mr. Eddys Drohungen nicht aufhalten und überfällt Andy wie geplant mit Alice. Dabei tötet er Andy und findet ein Foto, auf dem Mr. Eddy, Andy, Alice und Renée zu sehen sind. Alice und Renée sind A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 75 die selbe Schauspielerin. Alice will Andys Wertsachen verkaufen und neue Pässe besorgen. Dafür fahren sie und Andy zu einem Haus in der Wüste. Das Haus ist aber leer, Alice sagt, sie müssten warten. Vor dem Auto schlafen die beiden miteinander, danach geht die nackte Alice ins Haus und vor dem Auto liegt nicht mehr Pete, sondern Fred, der zuvor in der Zelle verschwunden ist. Der mysteriöse Mann erscheint wieder, Fred folgt ihm ins Haus und fragt ihn nach Alice. Er entgegnet, sie hieße Renée und nicht Alice und filmt Fred mit einer Kamera. Fred flüchtet in ein Hotel, in dem Mr. Eddy und Renée miteinander schlafen. Er versteckt sich im Nebenzimmer, bis Renée das Hotel verlässt. Dann schlägt er Mr. Eddy nieder. Der mysteriöse Mann hilft Fred, Mr. Eddy zu töten. Die Polizei untersucht inzwischen Andys Haus und findet das Foto, auf dem jetzt aber nur mehr Renée mit Andy und Mr. Eddy zu sehen ist, Alice scheint verschwunden zu sein. Fred fährt zu sich nach Hause, läutet an und sagt durch die Sprechanlage: „Dick Laurent ist tot.“ A.13 Magnolia In einem Prolog erzählt ein Sprecher von drei Zufällen, die er nicht als Zufälle wahrnehmen kann: den Mord an einem Einwohner von Greenberry Hill durch die Mörder namens Green, Berry und Hill; den Tod eines Tauchers, der mitsamt dem Löschwasser aus dem See gefischt und zu einem Waldbrand geflogen wurde; den Selbstmordversuch eines Jungen, der vom Haus springen wollte und dank eines Netzes überlebt hätte, wenn er nicht im Fall durch einen zufälligen Schuss aus dem Fenster getötet worden wäre; solche Obskuritäten würden für den Sprecher keinen Zufall darstellen und sich jeden Tag ereignen. Zu Beginn des Films werden parallel einige Personen vorgestellt. Zu ihnen zählt Jim, ein Polizist, der seinen Job sehr ernst nimmt und Donnie Smith, der vor 31 Jahren den Rekord in einer Quiz-Show aufgestellt hat und immer noch hält. Der Junge Stanley ist nun in dieser Quiz-Show kurz davor, diesen Rekord zu brechen. Der alte Jimmy moderiert diese Sendung. Jimmy hat eine Tochter namens Claudia. Der im Sterben liegende Earl Patridge ist Produzent der Quiz-Show. Er hat eine deutlich jüngere Frau namens Linda und einen Sohn namens Frank. Die Erzählung schreitet weiter parallel für alle genannten Personen fort. Für jeden von ihnen entwickelt sich die Geschichte bis zu einem Konflikt. Donnie Smith, der Rekordhalter, hat von dem Quiz-Geld nichts, das haben seine Eltern ihm entnommen. Er verliert seinen Job und sieht keine andere Möglichkeit, als seine ehemalige Firma auszurauben, was er auch macht, aber von der Reue gepackt kehrt er um, um das Geld zurück zu bringen. Claudia A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 76 hat einen Konflikt mit ihrem Vater, woraufhin sie laute Musik aufdreht und der Polizist Jim zu ihr geschickt wird. Er ist ein einsamer Mann und verabredet sich schüchtern mit der ebenfalls schüchternen Claudia. Er glaubt, bei Claudia zu versagen und verliert auch bei einem Einsatz seine Dienstwaffe. Claudias Vater Jimmy bricht (nach dem Streit mit seiner Tochter und seiner Frau) in seiner Quiz-Show zusammen. In der selben Sendung wird Stanleys Wunsch nach einer Toilette nicht ernst genommen und er macht sich in die Hose. Earl Partridge’s Frau Linda sieht ihren Mann leiden und bekommt ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn wegen seines Geldes geheiratet hat, das sie jetzt nicht mehr erben möchte. Sie begeht einen Selbstmordversuch. Earl selbst will seinen Sohn Frank sehen, der erfolgreich Seminare zur Stärkung des sexuellen Selbstbewusstseins abhält. Frank befindet sich in einem Interview und wird mit Fragen über seine Eltern konfrontiert, die er nicht beantwortet. Earls Pfleger erreicht Frank nach langem Suchen, Frank besucht seinen Vater Earl und beschimpft ihn am Sterbebett. Nachdem sich die Konflikte zugespitzt haben und den ganzen Film über Wettervorhersagen eingeblendet wurden, beginnt plötzlich ein Froschregen. Jimmy Gator, der Moderator, will sich erschießen, aber ein Frosch stürzt auf die Waffe und der Schuss geht daneben. Donnie wird beim Versuch, erneut in die Firma einzubrechen, um das gestohlene Geld zurückzubringen, von Fröschen getroffen und stürzt. Der Polizist Jim, der gerade mit dem Auto vorbeifährt, kommt ihm zu Hilfe. Claudia wird von ihrer Mutter besucht. Das Rettungsauto, in dem sich Linda nach ihrem misslungenen Selbstmordversuch befindet, kippt um. Der Froschregen geht zu Ende, auch die Konflikte lösen sich wieder auf. Jim überlegt, ob er Donnie verhaften sollte, doch als seine Dienstwaffe vom Himmel fällt, beschließt er, Donnie zu helfen, das Geld zurück zu bringen. Er besucht danach Claudia. Das Quiz-Kind Stanley bittet seinen strengen Vater, der nur auf das Quiz-Geld aus ist, netter zu ihm zu sein. Frank besucht nach dem Tod seines Vaters seine Stiefmutter Linda im Krankenhaus. A.14 Memento Seit seinem Unfall, bei dem Leonard Shelby sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, ist es ihm nicht möglich, sich neue Ereignisse zu merken. An die Zeit vor seinem Unfall kann er sich wie ein gesunder Mensch erinnern. Seine Geschichte endet damit, dass er einen Menschen – Teddy – tötet, weil er das auf einem Polaroidfoto notiert hat. Leonard ist nicht der einzige, der sich nichts neues einprägen kann – so erzählt er immer wieder von Sammy Jankis, der die selben Symptome zeigte und von Leonard als Versicherungsvertreter auf die Glaubwürdigkeit seiner Krankheit untersucht wurde. Im Gegensatz zu Sammy folgt Leonard aber einem disziplinierten System mit Notizen, die ihm dabei helfen, sein Ziel A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 77 zu verfolgen, nämlich den Mörder seiner Frau, dem er vermutlich auch seine Verletzung verdankt – John G. – aufzuspüren und zu töten. Wichtige Notizen trägt er auf seinem Körper in Form von Tattoos. Teddy warnt Leonard, dass ihn jemand auf die falsche Fährte locken will. Dass sein Zustand ausgenutzt wird, erfährt Leonard auch vom Motelwart, der ihm ein zweites Zimmer vermietet hat, da er sich sowieso nicht daran erinnern würde. Aufgebracht erscheint Leonard vor Natalies Tür mit dem Foto eines niedergeschlagenen und geknebelten Mannes namens Dodd. Er will von ihr wissen, wo sie ihn da hineingezogen hat, worauf sie entgegnet, er habe das für sie getan, weil Dodd sie geschlagen hätte. Natalie verbrennt Dodds Foto und fragt Leonard, was er machen würde, wenn er den Mörder seiner Frau findet. Er antwortet, ihn zu töten. Sie bietet ihm ihre Hilfe an, die ihn später zu Teddy führt. Teddy zwingt Leonard, sich zu notieren, Natalie keinen Glauben zu schenken. Er schreibt es auf ihr Foto, streicht es danach aber wieder aus. Er schlägt Dodd für Natalie nieder. Später stellt sich heraus, dass er tatsächlich von Natalie ausgenutzt wurde, um Dodd loszuwerden. Teddy tötet Natalies Freund Jimmy. Nachdem er erkennt, dass er der falsche war, geraten er und Teddy in einen Streit. Es stellt sich heraus, dass Teddy Leonard schon länger als Mörder für seine Zwecke ausnutzt und dass er den eigentlichen John G. schon vor einem Jahr getötet hat. Leonard ändert seine Notizen und macht dadurch Teddy zu seinem John G. A.15 Nowa Książka Zu Beginn sind die neun Orte des Geschehens zu sehen, acht davon menschenleer, in einem (im Bild links oben) sitzt ein Mann auf dem Bett und dämpft seine Zigarette aus. Nach und nach füllen sich die anderen Bilder mit Menschen, während der Protagonist einen auffällig roten Hut und einen roten Mantel anlegt. Er verlässt sein Zimmer durch die Tür, die nebenan im zweiten Bild von außen zu sehen ist und fährt mit dem Bus (drittes Bild) ins vierte Bild, eine Buchhandlung, um sich dort ein Buch zu kaufen. Im fünften Bild trifft er auf eine Dame. Plötzlich ist ein lautes Flugzeug zu hören – in allen Bildern (außer innerhalb des Busses) blicken die Menschen zum Himmel. Der Protagonist geht mit der Dame im sechsten Bild etwas trinken und lässt im Lokal sein Buch liegen. Im siebten Bild klopft er an eine Tür, es öffnet niemand und er kehrt zurück ins Lokal, um das vergessene Buch zu holen. Auch im achten und neunten Bild kommuniziert er mit den anwesenden Menschen, er wird nach der Uhrzeit gefragt und gibt einem Herren Feuer. Er macht sich Bild für Bild auf den Rückweg, und als er im fünften Bild (in der Mitte) angekommen ist, ertönt in der Filmmusik ein Paukenschlag. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 78 In jedem der neun Bilder passiert dabei gleichzeitig etwas unerwartetes: ein Ball fällt versehentlich ins Fenster; einem Geiger fällt die Geige zu Boden; der Bus bremst ruckartig ab; der Buchhändler stolpert und lässt Bücher fallen; der Protagonist lässt sein Buch fallen; der Kellner verschüttet ein Getränk; ein Junge gerät vor den Bus; an einer Baustelle fällt ein Farbkübel um und beschmutzt eine Passantin; ein Briefträger verliert seine Briefe. Bevor die Filmmusik wieder einsetzt, löst sich in jedem Bild die Unterbrechung auf – der ballspielende Junge läuft davon, gefallene Gegenstände werden aufgehoben, der Busschaffner hilft dem Jungen auf, der Kellner reinigt die Kleidung einer Kundin, die beschmutzte Passantin verlässt wütend das Baustellenbild. Mit dem Einsatz der Musik nimmt auch die Handlung ihren Lauf wieder auf, der Protagonist kehrt Bild für Bild zu seinem Zimmer zurück. Währenddessen eskaliert der Baustellenkonflikt nochmal, löst sich dann aber auch auf. Der Protagonist wirft den Ball aus dem Fenster und alle anderen Charaktere verlassen die Bildfläche, der Ausgangszustand ist wieder erreicht. A.16 Pulp Fiction Honey Bunny und Pumpkin sitzen beim Frühstück in einem Restaurant und beschließen, dieses auszurauben. Sie nehmen ihre Waffen zur Hand. Vincent und Jules sind am Weg zu Geschäftspartnern ihres Bosses Marsellus Wallace. Dem Anschein nach ist ein Geschäft zwischen ihnen nicht gut gelaufen. Am Weg zu ihnen erzählt Vincent, dass Marsellus ihn gebeten habe, mit seiner Frau Mia auszugehen. Vincent und Jules holen einen Koffer von den Geschäftspartnern ab und erschießen die Bande. Marsellus Wallace bezahlt den Boxer Butch dafür, dass er seinen nächsten Kampf verliert. Vincent und Jules betreten in T-Shirts den Raum und bringen Marsellus den Koffer. Vincent besucht seinen Dealer, um noch Drogen zu besorgen, bevor er den Abend mit Mia verbringt. Als er Mia abholt, konsumiert sie selbst noch Kokain. Nach dem Abend bringt Vincent sie wieder nach Hause, wo es für Mia zu einer Überdosis kommt. Panisch bringt Vincent sie zu seinem Dealer. Dieser reicht ihm eine Adrenalinspritze mit der Anweisung, sie Mia ins Herz zu injizieren. Vincent tut das nach einigem Zögern und kann Mia dadurch retten. Die beiden beschließen, über den Vorfall zu schweigen. Der Boxer Butch gewinnt seinen Kampf, den er für Marsellus verlieren hätte sollen, und tötet dabei seinen Gegner. Marsellus setzt daher Vincent auf ihn an, der sich ihm ohne seinen Partner Jules widmet. Butch ist inzwischen mit einem Taxi zu seiner Freundin Fabienne geflohen, die seine Sachen aus seinem Appartement bereits geholt hat, dabei jedoch die Uhr seines Vaters liegen ließ, die für Butch von hohem persönlichen Wert ist. Butch schleicht sich also nochmal in sein Appartement, um die Uhr zu holen, und A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 79 läuft dabei Vincent über den Weg, den er erschießt. Am Weg zurück zu Fabienne steht er bei der Ampel, während Marsellus vor ihm die Straße quert. Er fährt ihn nieder und rammt dabei ein anderes Auto. Butch und Marsellus, beide verletzt, beginnen in einem Musikgeschäft in der Nähe eine Schlägerei, worauf der Besitzer des Geschäftes die beiden unter vorgehaltener Waffe in den Keller zwingt. Er ruft seinen Kumpel an. Zu zweit fesseln sie Butch und Marsellus und beginnen damit, Marsellus zu vergewaltigen. Butch kann sich befreien und rettet auch Marsellus, der ihm sagt, die beiden wären somit quit und Butch solle die Stadt verlassen. Mit dem Motorrad des getöteten Vergewaltigers fährt Butch zurück zu Fabienne, um mit ihr durchzubrennen. Die erste Szene ist aus der Sicht eines hinter einer Tür versteckten zu sehen. Er hört, wie Vincent und Jules die Bande erschießen, kommt aus seinem Versteck und schießt auf die beiden. Er trifft nicht, worauf sie ihn töten. Nur einen Mann aus der Bande – Marvin, der dem Anschein nach ihr Informant ist – lassen sie am Leben und nehmen ihn mit. Unterwegs löst sich versehentlich ein Schuss aus Vincents Waffe und tötet Marvin. Jules bittet daher Marsellus um Hilfe, der auch jemanden schickt, um das Desaster zu beseitigen. Vincent und Jules bekommen dabei neue Kleidung, sie tragen jetzt die T-Shirts, mit denen sie bei Marsellus zu sehen waren. Jules sieht den Vorfall, bei dem er und Vincent nicht getroffen wurden, als ein Zeichen und beschließt, aus dem Gangstergeschäft auszusteigen. Er geht mit Vincent frühstücken, sie landen in dem Restaurant, das von Honey Bunny und Pumpkin überfallen wird. Jules erzählt Pumpkin von seinem Zeichen und wird ihn los, worauf Vincent und Jules das Restaurant mit dem Koffer verlassen. A.17 The Rules of Attraction Lauren, Paul und Sean sind auf der End-of-the-World-Party. Jeder von den dreien erlebt seine eigene Geschichte, sie haben aber etwas gemeinsam, nämlich das Scheitern in der Liebe. Die Party findet im Winter statt. Zuvor im Sommer beginnen die drei Geschichten. Sean ist ein verschuldeter Drogendealer, der ständig Liebesbriefe erhält und denkt, sie stammen von Lauren. Nochmal zurück durch die Zeit gereist, findet die Edge-of-the-WorldParty statt, auf der sich der homosexuelle Paul und Sean kennenlernen. Paul verabredet sich mit Sean gleich zur nächsten Party. Am nächsten Tag bricht Sean zur Uni auf. Der Unterricht ist ausgefallen, so ergibt es sich, dass er Lauren am Gang kennenlernt, der er später die Liebesbriefe zuschreibt. Paul freut sich auf den Abend mit Sean, jedoch kommt ihm etwas dazwischen. Lauren erwischt Sean, wie er mit ihrer Zimmerkollegin schläft. Sie will ihn danach nicht mehr treffen. Es enden auch die Liebesbriefe, die aber nicht von Lauren stammen, sondern, wie sich später herausstellt, von einer Unbekannten, die aus Eifersucht Selbstmord begeht. A. Inhaltsangaben zu den analysierten Filmen 80 Laurens Exfreund Victor kommt von einem Europa-Semester zurück und erzählt im Schnelldurchgang, was er erlebt hat. Lauren hat sich für ihn aufgehoben, er kennt sie jedoch nicht mehr, und somit treffen sich alle gescheiterten auf der End-of-the-World-Party wieder. Anhang B Inhalt der DVD Format: DVD-ROM, Single Layer Pfad: / eichberger_DA.pdf . . flipit/ . . . . . . . . . . grafiken/ . . . . . . . . filmstills/ . . . . . . . . Diese Arbeit im PDF-Format Ordner mit einer Vorversion des Diplomprojekts Flip it! Ordner mit den für diese Arbeit erstellten Grafiken Ordner mit Screenshots aus Filmen, die in dieser Arbeit abgebildet wurden 81 Filmverzeichnis [9sh05] 9 (Short). Shane Acker, 2005. Enthalten auf: #9 , DVD (2010), Universal. [Cib96] Cibo Matto: Sugar Water. Regie: Michel Gondry, 1996. Musikvideo. Enthalten auf: The Work of Director Michel Gondry, DVD (2003), EMI Electrola GmbH & Co. KG. [Cin09] Cinnamon Chasers: Luv Deluxe. Album: A Million Miles From Home. Modus Records, Koch Records. Regie: Saman Keshavarz, 2009. http://www.vimeo.com/6540668, Musikvideo. [das07] Das jüngste Gewitter. Originaltitel: Du levande; Drehbuch/Regie: Roy Andersson; mit Jessika Lundberg, Elisabeth Helander, Björn Englund u.a., 2007. DVD (2008), Indigo. [don01] Donnie Darko. Regie: Richard Kelly; mit Jake Gyllenhaal u.a., 2001. DVD (2005), Ascot Elite Home Entertainment GmbH. [her02] Hero. Regie: Zhang Yimou; mit Maggie Cheung, Jet Li, Zhang Ziyi u.a., 2002. DVD (2004), Constantin Film. [inc10] Inception. Drehbuch/Regie: Christopher Nolan; mit Leonardo DiCaprio u.a., 2010. Warner Bros. Pictures. [irr02] Irréversible. Deutscher Titel: Irreversibel; Drehbuch/Regie: Gaspar Noé; mit Monica Bellucci, Vincent Cassel, Albert Dupontel u.a., 2002. DVD (2004), Universum Film GmbH. [kil03] Kill Bill, Vol. 1. Drehbuch/Regie: Quentin Tarantino; mit Uma Thurman u.a., 2003. DVD (2004), Touchstone. [kil04] Kill Bill, Vol. 2. Drehbuch/Regie: Quentin Tarantino; mit Uma Thurman u.a., 2004. DVD, Buena Vista Home Entertainment. [les42] Les visiteurs du soir. Deutscher Titel: Die Satansboten; Regie: Marcel Carné, 1942. Productions André Paulvé. 82 Filmverzeichnis 83 [lol98] Lola rennt. Drehbuch/Regie: Tom Tykwer; mit Franka Potente, Moritz Bleibtreu u.a., 1998. DVD (2004), Laser Paradise. [los97] Lost Highway. Regie: David Lynch; Drehbuch: David Lynch, Barry Gifford; mit Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty u.a., 1997. DVD (2000), Universum Film GmbH. [mag99] Magnolia. Drehbuch/Regie: Paul Thomas Anderson; mit Tom Cruise, Jason Robards, Julianne Moore u.a., 1999. DVD (2001), Kinowelt GmbH. [mem00] Memento. Regie: Christopher Nolan; Drehbuch: Jonathan Nolan, Christopher Nolan; mit Guy Pearce u.a., 2000. DVD, Sony Pictures Home Entertainment. [now75] Nowa Książka. Drehbuch/Regie: Zbigniew Rybczyński, 1975. Studio małych form filmowych. [pul94] Pulp Fiction. Regie: Quentin Tarantino; Drehbuch: Quentin Tarantino, Roger Avary; mit John Travolta, Samuel L. Jackson, Uma Thurman u.a., 1994. DVD (2000), AVU. [the80] The Shining. Deutscher Titel: Shining; Drehbuch: Stephen King u.a.; Regie: Stanley Kubrick; mit Jack Nicholson u.a., 1980. DVD (2001), Warner Home Video. [the02] The Rules of Attraction. Deutscher Titel: Die Regeln des Spiels; Drehbuch/Regie: Roger Avary; Buch: Bret Easton Ellis; mit James van der Beek u.a., 2002. DVD (2004), Concorde Video. [tim00] Time Code. Drehbuch/Regie: Mike Figgis; mit Jeanne Tripplehorn, Stellan Skarsgård, Salma Hayek u.a., 2000. DVD (2003), Optimum Home Entertainment. [tou58] Touch of evil. Deutscher Titel: Im Zeichen des Bösen; Regie: Orson Welles; mit Charlton Heston, Janet Leigh u.a., 1958. Literaturverzeichnis [Bai07] Bailblé, Claude: Das Kinodispositiv. montage AV, 16/2:157– 173, 2007. [Bau97] Bauer, Matthias: Romantheorie. Metzler, Stuttgart, 1997. [Bie06] Bienk, Alice: Filmsprache: Einführung in die interaktive Filmanalyse. Schüren, Marburg, 2006. [BST88] Bordwell, David, Janet Staiger und Kristin Thompson: The classical Hollywood cinema. Film style & mode of production to 1960. Routledge, 1988. [BT04] Bordwell, David und Kristin Thompson: Film Art. An Introduction. McGraw-Hill, Boston, 7. Auflage, 2004. [Del05] Deleuze, Gilles: Cinema 2. The time image. Continuum Impacts. Continuum, London, 2005. [Ede07] Eder, Jens: Dramaturgie des populären Films. Drehbuchpraxis und Filmtheorie. Beiträge zur Medienästhetik und Mediengeschichte. Lit, 2007. [Eic06] Eick, Dennis: Drehbuchtheorien. Eine vergleichende Analyse. UVK, Konstanz, 2006. [Emo05] Emons, Hans: Für Auge und Ohr: Musik als Film. Oder die Verwandlung von Kompositionen ins Licht-Spiel. Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaft. Frank und Timme, 2005. [Fau80] Faulstich, Werner: Einführung in die Filmanalyse. Literaturwissenschaft im Grundstudium. Narr, Tübingen, 1980. [Fau02] Faulstich, Werner: Grundkurs Filmanalyse. UTB Uni-Taschenbücher. Fink, München, 2002. [Fie07] Field, Syd: Das Drehbuch. Die Grundlagen des Drehbuchschreibens. Schritt für Schritt vom Konzept zum fertigen Drehbuch. Autorenhaus, Berlin, 2007. 84 Literaturverzeichnis 85 [Gas93] Gast, Wolfgang: Grundbuch. Einführung in Begriffe und Methoden der Filmanalyse. 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