Festrede zum 75.Jahrestag - Obst

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Festrede zum 75.Jahrestag - Obst
75 Jahre Obst- und Gartenbauverein Mammolshain
Wenn ich wüßte, daß ich morgen sterben würde,
so würde ich trotzdem heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.
hat Martin Luther gesagt.
Der Obst- und Gartenbauverein Mammolshain, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist
mindestens 75 Jahre alt und vitaler den je. Vitaler den je, nicht nur weil die Vereinsmitglieder
keine Mühen gescheut haben, dieses Fest für unsere Gäste zu gestalten, nicht nur weil wir
erst im letzten Jahr 26 neue Apfelbäume gepflanzt haben und nicht nur weil wir in jedem
Jahr einen Beitrag zu dem überaus regen Vereinsleben in Mammolshain leisten.
Der Obst- und Gartenbau Mammolshain ist vor allem deshalb so lebendig weil er über ein
großes Potenzial an interessierten und engagierten Mitgliedern und Freunden verfügt.
So ist es uns bisher stets gelungen die notwendige Manpower auf die Beine zu bringen um
unsere Aktivitäten zum Erfolg zu führen.
Wie aber fing alles an ?
Vor hundert Jahren sah die Welt noch etwas anders aus als heute.
Damals arbeiteten rund 40% der Bevölkerung in der Landwirtschaft.
Die Landwirtschaft hatte eine große wirtschaftliche und politische Bedeutung.
Die Ernährung erfolgte überwiegend aus der heimischen Erzeugung. Die Erzeugnisse aus
fernen Ländern galten als Luxusgüter und waren für die meisten Menschen unerschwinglich.
In dieser Zeit begannen sich aber auch viele gesellschaftliche Strukturen zu ändern. Der
Einfluß der Industrie und des Handels bestimmten zunehmend die wirtschaftliche
Entwicklung.
Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf den erwerbsmäßigen und privaten Gartenbau. Obstund Gartenbauinteressenten schlossen sich zusammen, die ersten Obst- und
Gartenbauvereine gründeten sich. Die Lehranstalt in Geisenheim wurde im Jahre 1872
gegründet und übte seitdem nachhaltigen Einfluß auf die Förderung des Obstbaues aus.
Baumwarte wurden ausgebildet, man gab den Vereinen Informationen und Anleitungen in
der Veredelung von alten Bäumen, vermittelte Edelreiser, bemühte sich um
Sortenbereinigungen und informierte über Preise der Erzeugnisse.
Denn zu dieser Zeit wurde der Obstbau vor allem zum Verkauf betrieben um den schmalen
Geldbeutel aufzubessern.
Aus Überlieferungen ist bekannt, dass dies auch in Mammolshain nicht anders war. Hier
sagte man, dass sich eine Familie nur dann etwas leisten konnten, wenn die Erdbeer- oder
Mirabellenernte gut war.
Wir gehen davon aus, dass auch schon um die Jahrhundertwende
ein aktiver Obst- und Gartenbauverein in Mammolshain bestand.
Unterlagen liegen uns aber erst seit 1928 vor, deshalb feiern wir in diesem Jahr unser 75jähriges Jubiläum.
Mammolshain, am Südhang des Taunus gelegen und damit über ein günstiges Klima
verfügend, begann vor 75 Jahren zusammen mit Kronberg und Neuenhain das Zentrum
des Erdbeeranbaus zu werden. Das Klima, das schon die Römer zu schätzen wussten und
am Südhang des Taunus Wein anbauten, die Nähe zu Frankfurt und damit ein gesicherter
Absatzmarkt und die Berechtigung, die Mammolshainer Erdbeeren unter dem damals sehr
bekannten Markennamen „Kronberger Erdbeeren“ verkaufen zu dürfen begünstigten diese
Entwicklung. Die alten Mammolshainer können heute noch berichten, dass damals vor
Beginn des Schulunterrichtes die Erdbeeren gepflückt werden mussten. Es gab in
Mammolshain Sammelstellen für Erdbeeren und Mirabellen bis in die 70er Jahre.
Die Streuobstwiesen wurden damals noch als Äcker genutzt:
unten wurde Hafer gesät oder Erdbeeren gepflanzt und oben die Äpfel geerntet.
Die Obst- und Gartenbauvereinsmitglieder waren allesamt auch Obstbauern oder Landwirte.
Während des Krieges ruhten die Aktivitäten weitgehend. Aus dem Kassenbuch von 1944
geht hervor, dass die einzigen Ausgaben für 3 Briefe erfolgten. Auf der Ausgabenseite
standen somit 1,68 Mark.
Bei der Währungsreform 1948 wurde das damalige Guthaben des Vereins bei der
Vereinsbank Neuenhain von 1.665,-- RM auf 16,55 DM umgestellt. 5 Jahre später, 1953
hatte der Verein schon wieder einen Kassenbestand von 941,12 DM.
Der Obst- und Gartenbauverein organisierte Jahresausflüge, veranstaltete Ernteschauen
und beteiligte sich mit Festwagen an den Feierlichkeiten im Dorf. So ist am 1.9.1956 im
Kassenbuch eine Einnahme von 20,-- DM vom Karnevalsverein für den Festwagen verbucht.
In den 60er Jahren wurden ausländische landwirtschaftliche Erzeugnisse für immer mehr
Menschen erschwinglich und es kam aus der Mode heimisches Obst zu konsumieren. So
ging die glorreiche Zeit der Kronberger Erdbeeren, zu denen ja auch die aus Mammolshain
zählten, zu Ende.
Um den Obst- und Gartenbauverein wurde es ebenfalls ziemlich ruhig. So kam es 1978
unter Vorsitz von Peter Pfaff, der heute unser Ehrenvorsitzender ist, zu einer denkwürdigen
Generalversammlung. Es wurde nämlich der Antrag gestellt, den Verein aufzulösen. Peter
Pfaff wollte sich damit aber nicht abfinden. Er verließ kurz die Generalversammlung im
Dorfgemeinschaftshaus, ging nach unten in die Dorfschänke und machte die dort
anwesenden jungen Männer für den Verein mobil.
So kam es, dass unser jetziger 1.Vorsitzender, Philipp Steyer mit in die
Generalversammlung ging, dem Verein beitrat und 15 Minuten später Vorstandsmitglied war
und das Amt des Schriftführers innehatte.
Mit Philipp Steyer traten damals noch eine ganze Reihe von wichtigen Mammolshainern dem
Verein bei, viele sind heute noch dabei, was wir gleich sehen werden, wenn wir diese
Mitglieder für ihre 25-jährige Vereinstreue ehren werden.
Der Aufschwung im Obst- und Gartenbauverein begann von neuem.
1984 gab sich der Verein eine neue Satzung und wurde am 21.Mai 1985 ins Vereinsregister
eingetragen. Der Vereinszweck lautete damals:
Der Verein fördert den einheitlichen Obst- und Gemüseanbau,
die Hausgartenpflege einschließlich der Pflege und
gartenbaulichen Ausgestaltung des Gemeinde- und Landschaftsbildes.
Eine wichtige Aufgabe des Vereins besteht darin, die von der
Landwirtschaftskammer zur Förderung des Obst- und Gartenbaus ergriffenen
Maßnahmen und Anordnungen nach besten Kräften zu unterstützen.
1984 war darüberhinaus ein ereignisreiches Jahr für den Verein:
denn der Bauantrag für die Vereinsgarage Im Kleinfeld wurde gestellt und die
Baugenehmigung am 30.7.1984 erteilt.
In den folgenden Jahren bot der Verein Anleitungen zum Baumschnitt, für Fachvorträge
wurden verschiedene Referenten verpflichtet, man konnte über den Verein Bodenproben
einreichen und analysieren lassen. Die Schädlingsbekämpfung bei Vermeidung von zu viel
Chemie, insbesondere die Maßnahmen gegen den Frostspanner wurden immer wichtiger.
Die Jahresausflüge waren stets gut besucht, zeitweise hatte man mehr Interessenten als
Plätze im Bus. Jährlich feierte man das Erntedankfest mit Musik und Tanz in der
Mammolshainer Turnhalle.
1987 begann die 1.Mai-Ära des Vereins: die Garage wurde mit dem Frühlingsfest am 1.Mai
eingeweiht.
Der 1. Mai sollte von da an ein sehr wichtiger Termin für den Verein, der inzwischen wieder
über 100 Mitglieder hatte, werden.
1990 wurde zum erstenmal die Apfelweinanalyse durchgeführt und der Mammolshainer
Apfelweinkönig gekürt. Der erste Apfelweinkönig kam, wie es sich gehört, aus
Mammolshain. Es war unser Mitglied Winfried Steffens.
1993 wieder ein bedeutendes Jahr für den Obst- und Gartenbauverein:
Mit der Stadt Königstein wurde ein Pachtvertrag für die Obstwiese „Auf der Heide“ wurde
geschlossen.
Damit haben wir eine wichtige Aufgabe zum Erhalt der Streuobstwiesenlandschaft in der
Mammoshainer Gemarkung übernommen.
Jetzt begann die Arbeit des Obst- und Gartenbauvereins für noch mehr Menschen sichtbar
zu werden. Die alten Bäume auf der Wiese wurden fachgerecht geschnitten und
Baumlücken wurden durch Nachpflanzungen geschlossen.
Wir waren jetzt auch in der Lage, naturbelassenes Kelterobst an Interessierte zu verkaufen.
Die Versteigerung der Apfelernte wurde ins Leben gerufen. Zur besseren Verwertung der
Apfelernte haben wir die alte Kelterei im Dorfgemeinschaftshaus wieder reaktiviert und
bieten seit einigen Jahren nun den Mammolshainern und Selbstkelterern aus der Umgebung
die Möglichkeit, den Süssen aus der eigenen Ernte bei uns zu keltern.
Der Verein hat inzwischen weitere Grundstücke von Privaten in Mammolshain in Pflege
übernnommen, hat von der Stadt eine Obstbaumwiese auf dem Bangert in Königstein in
Pacht und erst im letzten Jahr eine stark verbuschte, ja fast schon zum Birkenwald
verkommene Obstwiese rekultiviert und mit 26 Apfelhochstämmen alter Sorten bepflanzt.
Unsere diesbezüglichen Aktivitäten wurden stets von der Presse ausgiebig dargestellt. Wir
konnten sogar eine Zuwendung der FRAPORT AG aus deren Umweltfonds für unsere Arbeit
erhalten.
Mit der Satzungsänderung von 1999 wurde der Vereinszweck weiter modernisiert. Der
Verein hat sich der Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des
Bundesnaturschutzgesetztes und der Naturschutzgesetze der Länder verschrieben.
Gleichzeitig bekam der Verein die Gemeinnützigkeit zugesprochen.
Die Aktivitäten des Obst- und Gartenbauvereins haben sich gelohnt:
Unser Apfelblütenfest am 1.Mai ist weit über Mammolshain bekannt
Die Apfelweinanalyse und –prämierung sowie die Kürung des Apfelweinkönigs findet in
jedem Jahr großen Zuspruch.
Die Kelterei wird sehr gut angenommen, die Apfelversteigerungen sind immer beliebter
geworden. Unser Apfelfest im Herbst zum Erntedank hier in dieser wunderschönen Scheune
der Familie Heckenmüller findet große Resonanz.
Die Wirtschaftlichkeit des Vereins ist äußerst stabil, wir konnten eine Reihe von größeren
Investitionen tätigen.
Unser größtes Kapital sind aber die äußerst engagierten Mitglieder, die eine Menge Freizeit
für den Erhalt unserer liebenswerten Natur einsetzen. Inzwischen zählt der Verein 187
Mitglieder, davon viele Jugendliche.
In Zusammenarbeit mit der Grundschule und dem Kindergarten in Mammolshain wollen wir
Kindern und Jugendlichen den Wert der erhaltenswerten Natur näherbringen.
Für unser Engagement zur Erhaltung der natürlichen Landschaft in unserer Gemarkung
konnten wir gestern den Naturschutzpreis des Hochtaunuskreises von Herrn Landrat Jürgen
Banzer entgegennehmen. Wir haben uns sehr gefreut und sind stolz auf diese
Anerkennung unserer Arbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren:
Es gibt aber immer noch viel zu tun, packen wir es gemeinsam an.
Bleiben Sie Ihrem Obst- und Gartenbauverein Mammolshain gewogen und unterstützen Sie
unsere Arbeit weiterhin.
Mammolshain, im Juli 2003
Werner Plescher (Schriftführer)