Faire Rentenversicherung

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Faire Rentenversicherung
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Faire Rentenversicherung
© 2016 Albrecht Müller, Albrecht.Mueller@astrail.de
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Vorwort
In der Süddeutschen Zeitung gab es zwei Artikel, den von Alexander Hagelüken "Der schnelle Tod im
Armenviertel", "SZ" 31. März 2016, S. 17, und den von Thomas Öchsner "Rente: Murks fürs Alter",
"SZ" 13. April 2016, S. 4. Darin geht es um zwei lange bekannte Themen, die immer wieder aktuell
werden und die selten im Zusammenhang gesehen werden: Die Einkommensabhängigkeit der Lebenserwartung und Probleme der Rentenversicherung.
Intuitiv klar ist, dass jemand, der sein ganzes Arbeitsleben Beiträge zur Rentenversicherung geleistet
hat und kurz vor dem Rentenalter stirbt, weniger von der Rentenversicherung hat als jemand, der 100
Jahre alt wird. Obwohl man das Schicksal im Einzelfall nicht vorhersehen kann, soll die Rentenversicherung doch ein verlässliches Einkommen im Alter bieten. So muss es wohl Verlierer und Gewinner
in diesem Sinn geben.
Eine andere Sache ist es allerdings, wenn die Funktionsweise der Rentenversicherung dafür sorgt, dass
die Angehörigen bestimmter Gruppen dazu tendieren, zu den Verlieren zu gehören, und die anderer
Gruppen zu den Gewinnern. An dieser Stelle berühren sich die beiden Themen: Wenn geringeres Einkommen zu geringerer Lebenserwartung führt, dann heißt das, dass die Rendite der Rentenversicherung ausgerechnet für diejenigen geringer ist, die sowieso schon weniger haben. Weil es um erhebliche Beträge geht, könnte dieser Zusammenhang etwas mit Altersarmut zu tun haben.
Dieser Zusammenstellung von Aufgaben versucht, einen Beitrag zur politischen Bildung zu leisten
und Kenntnisse einiger wichtiger Aspekte der Alltagswelt vermitteln. Die zur Berechnung der Renten
verwendete Mathematik hat einen erheblichen Einfluss auf das Leben vieler Menschen. Auch wenn
diese Mathematik sehr komplex ist, so lassen sich grundlegende Zusammenhänge bereits mit Schulmathematik nachvollziehen, sofern man die Fragestellungen geeignet vereinfacht. Einige Aufgabenteile dienen dazu, die dadurch verursachten Einschränkungen bewusst zu machen.
Der Autor ist kein Lehrer, daher werden die Aufgaben vermutlich vieler didaktischer Verbesserungen
bedürfen. Es wurde versucht, sich an dem von Dr. Ulrich Kanz, Claudia Reichmann, Hermann Ruch
(Redaktion) verfassten „Leitfaden für die Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben“, Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Grundsatzabteilung), München 2013, zu orientieren, speziell an dem Beispiel Realschule: Mathematik/ Jgst. 8-9, S. 62-64
Das Ziel der Aufgaben ist einerseits, dass Wissen über die Funktion der Rentenversicherung neu erarbeitet wird. Andererseits soll das vorhandene Wissen über Mathematik und Geld in diesen Kontext
transferiert werden. Erfahrungen über den Zeitbedarf zum Bearbeiten der Aufgaben liegen nicht vor,
vermutlich werden mehrere Unterrichtsstunden nötig sein.
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Die für die Aufgaben benötigten mathematischen Grundlagen wie Prozentrechnung, Rechnen mit Unbekannten, Auflösen von linearen und quadratische Gleichungen sollten in der vierstufigen Wirtschaftsschule im Lauf der 10. Jahrgangsstufe (vgl. Lehrplan Mathematik), in der Realschule in der 9.
oder 10. Jahrgangsstufe (vgl. Lehrpläne Mathematik M9 I bzw. M10 II/III), im Gymnasium im Laufe
der 9. Jahrgangsstufe vorhanden sein (vgl. Lehrpläne Mathematik M8 und M9). Die Aufgaben setzen
auch voraus, dass eine Vorstellung davon vorhanden ist, was eine Bank und ein Konto ist. In der Wirtschaftsschule wird dies im Rahmen des Fachs Mathematik vermittelt, in Realschulen (vgl. Lehrpläne
WR9 I/III bzw. WR9 II) und Gymnasien (vgl. Lehrpläne WR8 bzw. WR9) wird das Thema „Geld“ im
Fach „Wirtschaft und Recht“ abgehandelt. Damit sollte auch dieses Vorwissen vorhanden sein und die
zum sinnvollen Bearbeiten der Aufgaben benötigten Voraussetzungen erfüllt sein.
Dieses Wissen soll eingesetzt werden, um Zusammenhänge zwischen der Rentenversicherung und einkommensabhängiger Lebenserwartung herzustellen, über deren Auswirkungen nachzudenken und diese zu beurteilen.
Es ist noch unklar, in welcher Form die Aufgaben bearbeitet werden können – vermutlich lassen sich
einzelne Teilaufgaben besser in Einzelarbeit, andere dagegen wieder in Partner- und/oder Gruppenarbeit erledigen.
Das Anforderungsniveau der verschiedenen Teilaufgaben unterscheidet sich. Differenzierung kann daher durch die Auswahl der Aufgaben und die zur Verfügung gestellten (Teil-)Lösungen erfolgen. Lehrer- und Schülerfeedback sollten eingesetzt werden, um den Lernprozess zu begleiten.
Als Material steht ein Text zur Verfügung, der Tabellen und Diagramme enthält. Er verweist auf Inhalte im Internet, auf denen die Aufgaben basieren. Die Daten, welche man zum Bearbeiten der Aufgaben
braucht, sind im Text enthalten. Die von den Links referenzierten Originalinformationen kann man
verwenden, um das Thema sowohl fachintern als auch fachextern zu vertiefen.
Der Text besteht aus erklärenden Abschnitten mit dazugehörenden Aufgabe. Für den Unterrichtsablauf
ergibt sich daraus, dass sich Phasen abwechseln, in denen man die Erklärungen durcharbeitet, die zum
Verstehen der Aufgaben nötig ist, und andere, in denen man an den Lösungen der Aufgaben arbeitet.
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Worum geht es?
Ihr seid jung, werdet jedes Jahr größer, stärker und schlauer. Unvorstellbar weit weg ist eine Zeit, in
der das andersherum verläuft: Man wird schwächer, sieht nicht mehr so gut, kann Dinge nicht mehr,
die man früher problemlos erledigte, kann kein Geld mehr verdienen und bräuchte doch welches. Das
führt dazu, dass alte Leute oft in Not sind. Um dieses Problem zu lindern, wurden in vielen Ländern
schon vor langer Zeit (in Deutschland im Jahr 1889) gesetzliche Rentenversicherungen eingeführt. Die
Idee dahinter ist, dass man, solange man jung ist und arbeiten kann, Geld spart, das man im Alter ausgeben kann. Nun weiß aber niemand, wie alt sie oder er werden wird, und damit auch nicht, wie viel
Geld nötig sein wird. Was bei einzelnen Menschen nicht möglich ist, klappt bei der Rentenversicherung ganz gut: Die kümmert sich um viele Menschen und braucht nur zu wissen, wie alt diese im
Durchschnitt werden, und das kann man einigermaßen genau vorhersehen.
Dazu gleich die erste Überlegung: Man könnte sich vorstellen, dass alle Leute mit 20 Jahren zu arbeiten beginnen und 1000 Euro pro Monat verdienen. Sie gehen mit 65 Jahren in Rente und werden im
Mittel 75 Jahre alt. Wie viel von müssten sie von ihrem Einkommen jeden Monat zurücklegen, damit
während ihrer Rentenzeit genau soviel Geld zur Verfügung haben wie zu der Zeit, in der sie im Beruf
stehen? Wie viel Geld steht monatlich zur Verfügung?
Lösungsansatz: x ist der Betrag, der jedes Monat zurückgelegt werden soll. Dann
werden insgesamt x * 12 * (65-20) Euro zurückgelegt. Weil man dann nur 1000 – x
Euro zur Verfügung hat, braucht man dann (1000 – x) * 12 * (75 – 65) Euro für die
Rente. Das soll gleich viel sein, also gilt
x * 12 * (65-20) = (1000 – x) * 12 * (75 – 65)
Das kann man umformen zu
x * 12 * (65-20 + 75 -65) = 1000 * 12 * (75 – 65)
und erhält dann x = 10 000 / (75-20) ≈ 182
Man müsste also monatlich 182 Euro zurücklegen und hätte 818 Euro pro Monat zur
Verfügung.
Was ergibt sich, wenn man erst mit 25 Jahren zu Arbeiten beginnt, aber 85 Jahre alt wird?
x * 12 * (65-25 + 85 -65) = 1000 * 12 * (85 – 65)
x = 20 000 / 60 ≈ 333
Man müsste dann monatlich 333 Euro zurücklegen und hat ungefähr 667 Euro monatlich
zur Verfügung.
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In der Wirklichkeit ist das komplizierter, z.B. muss der Arbeitgeber genau so viel zu dem beitragen
wie der Arbeitnehmer. Wie sehen unter diesen Umständen die beiden Rechnungen aus?
x * 12 * (65-20) = (1000 – x/2) * 12 * (75 – 65)
Das kann man umformen zu
x * 12 * (65-20 + (75 -65)/2) = 1000 * 12 * (75 – 65)
und erhält dann x = 10 000 / 50 = 200
Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber müssten also monatlich jeweils 100 Euro zurücklegen. Das Nettoeinkommen wäre dann 900 Euro pro Monat.
Der zweite Fall geht entsprechend:
x * 12 * (65-25 + (85 -65)/2) = 1000 * 12 * (85 – 65)
x = 20 000 / 50 ≈ 400
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten also doppelt soviel zurücklegen, das verfügbare Einkommen sinkt auf 800 Euro.
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Es geht um viel Geld. Deswegen gibt es auch viel Streit um die Berechnung der Renten. Nennt einige
Gründe, was die Berechnung der Rente kompliziert machen könnte:
•
•
•
•
•
•
Das Einkommen der Menschen ist unterschiedlich hoch.
Das persönliche Einkommen der Menschen schwankt im Laufe des Lebens.
Das Durchschnittseinkommen ändert sich.
Manche Leute gehen früher in Rente, manche später.
Die Rente ist geringer als das Nettoeinkommen vorher (Rentenniveau).
Die Zeit zwischen Einzahlung und Auszahlung ist sehr lang, dadurch könnten
viele unvorhergesehene Dinge passieren, z.B.
◦ Deflation und/oder Inflation inkl. Hyperinflation,
◦ Lebenserwartung ändert sich allmählich,
◦ Zusammensetzung der Bevölkerung ändert sich z.B. wegen Migration oder
Veränderungen in der Geburtenrate, wodurch sich die Zahl der Rentner pro
erwerbstätiger Person ändert,
◦
◦
◦
◦
•
•
Gesellschaftlicher Konsens und Wertvorstellungen ändern sich,
Wirtschaftskrisen,
Kriege,
Technische Entwicklungen verändern die Lebensweise.
Zinsen – man könnte das Geld ja auch verzinst anlegen.
Wenn es um viel Geld geht, gibt es oft Versuche, das System auszutricksen:
◦ Kriminalität,
◦ Trittbrettfahrer,
◦ Zweckentfremdung der Rentengelder.
•
•
Die Rentenversicherung kümmerte bzw. kümmert sich nicht nur um Renten, sondern auch um andere Dinge (Berufsunfähigkeit, Witwen- und Waisenrente, Mütterrente, …).
Nicht nur der Arbeitnehmer, auch der Arbeitgeber zahlt Beiträge.
•
Die Versorgung im Alter ist für verschiedene Berufsgruppen unterschiedliche
geregelt: Arbeitnehmer müssen sich rentenversichern, bei Beamten übernimmt
der Staat die Pension, Selbständigen bleibt die Altersvorsorge selbst überlassen.
•
Für Einkommen, die gewissen Grenzen überschreiten, braucht man keine Rentenbeiträge mehr zu bezahlen – bekommt dafür aber auch keine Rente.
•
•
Mit Sozialleistungen werden niedrige Renten aufgebessert.
•
Einkommen muss versteuert werden, andererseits werden auch Steuergelder zur
Unterstützung der Rentenkasse verwendet. (?)
…
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Entgeltpunkte
Wegen dieser vielen Schwierigkeiten funktioniert unsere Rentenversicherung nicht so, dass man einfach Geld zurücklegt, aus dem später die Renten bezahlt werden. Dieses Verfahren funktioniert beispielsweise nicht, wenn – wie das schon mehrfach vorgekommen ist – das gesparte Geld nichts mehr
wert ist.
Deswegen geht man anders vor. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, dass man sich jedes Jahr
sogenannte Entgeltpunkte kauft. Der Preis für einen Entgeltpunkt ist jedes Jahr anders. Er kostet jeweils so viel, für ein Durchschnittseinkommen in diesem Jahr Beiträge für die die Rentenversicherung
bezahlt werden müssen.
Wenn man jung ist, will man meist nicht an die Rente denken und würde daher wohl zu spät damit anfangen, sich um die Versorgung im Alter zu kümmern. Deswegen ist der Kauf dieser Entgeltpunkte für
alle Arbeitnehmer verpflichtend. Das dafür nötige Geld wird gleich vom Lohn abgezogen und vom
Arbeitgeber an die Rentenversicherung überwiesen. Dabei muss der Arbeitgeber doppelt so viel überweisen, wie er vom Lohn abgezogen hat, also selbst auch noch einmal so viel bezahlen, wie der dem
Arbeitnehmer abgezogen hat.
Die Rentenversicherung bzw. die Rentenversicherungsträger kann man sich als eine Art von Bank vorstellen, in der die Entgeltpunkte verwaltet werden. Die Rolle der Kontonummer übernimmt die
Sozialversicherungsnummer.
Später wird aus der Zahl der Entgeltpunkte, die man sich im Laufe seines Lebens gekauft hat, die monatliche Rente errechnet. Das funktioniert im Wesentlichen so, dass die Zahl der Entgeltpunkte mit einem jedes Jahr neu ermitteltem Faktor, dem aktuellen Rentenwert, multipliziert wird, was dann die
monatliche Rente ergibt. Das wird unter Umständen noch korrigiert, wenn man beispielsweise früher
oder später als zum vorgesehenen Zeitpunkt in Rente geht. Dafür gibt es eine Rentenformel. Wir verwenden eine etwas vereinfachte Form:
Rentemtl=EP * aRW
Rentemtl Bruttorente monatlich
EP
Anzahl der Entgeltpunkte
aRW
Aktueller Rentenwert
Wenn sich jemand fünfundvierzig Jahre lang jedes Jahr einen Entgeltpunkt gekauft hat, und der aktuelle Rentenwert 30 Euro ist, wie viel Geld erhält diese Person dann jedes Monat? Anmerkung: Diese
Rente bezeichnet man auch als „Standardrente“
Man braucht nur die Entgeltpunkt mit dem Rentenwert zu multiplizieren, also
45 * 30 = 1350 Euro
Das Ergebnis kann man auch so ausdrücken: Wenn jemand ungefähr von 25 bis 65 Jahre
gearbeitet hat und dabei immer das durchschnittliche Einkommen erzielt hat, erhält
er 1350 Euro monatliche Rente
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Der Ertrag einer Rente
Ein Prinzip der Rentenversicherung ist: Wer mehr einzahlt, kriegt später mehr Rente. Eine doppelte
Anzahl von Entgeltpunkten ergibt eine doppelte monatliche Rente.
Das klingt zunächst fair. Trotzdem hat natürlich eine Person, die 100 Jahre alt wird, mehr von ihren
Rentenzahlungen hat als eine, die vor der ersten Rentenzahlung stirbt. Das ist persönliches Schicksal;
und es liegt im Wesen von Versicherungen - nicht nur der Rentenversicherung -, dass man vorher nicht
weiß, ob man von der Versicherung profitieren wird oder nicht. Wenn das nicht so ist, ist meist etwas
faul wie in dem Witz, in dem sich zwei Bauern über Feuer- und Hagelversicherung unterhalten. Der
eine fragt den anderen: „Dass man sich gegen Feuer versichert, sehe ich ein. Aber wie willst du denn
einen Hagel machen?“
Man kann daher nicht ausrechnen, wie viel Geld ein einzelner Mensch für einen Entgeltpunkt erhalten
wird. Wenn es dagegen um viele Menschen geht, kann man ziemlich genau ermitteln, was ein Entgeltpunkt beim Renteneintritt im Durchschnitt wert ist. Man weiß dann, dass Männer nach dem 65sten
Lebensjahr noch mit 17,69 Jahren, also ca. 212 Monaten, Lebenszeit rechnen können, Frauen dagegen
mit 20,90 Jahren, also ca. 251 Monaten.
Man braucht dann nur noch die für diese Zeiträume gezahlten Renten zusammenzuzählen und erhält
einen Betrag, der hier Ertrag der Rente heißen soll. Versuche, eine Formel dafür anzugeben, die den
Ertrag eines Entgeltpunkts bzw. einer Standardrente in Abhängigkeit vom aktuellen Rentenwert und
der verbleibenden Lebenserwartung beim Renteneintritt ermittelt.
Ertrag eines Entgeltpunkts =
aktueller Rentenwert * verbleibende Lebenserwartung * 12;
Ertrag der Standardrente = 45 * Ertrag eines Entgeltpunktes
Was ist also ein Entgeltpunkt wert?
Wenn man wie oben mit einem aktuellen Rentenwert von 30 Euro rechnet, ist ein Entgeltpunkt für Männer 212 * 30 = 6360 Euro wert, für Frauen dagegen 251 * 30 Euro =
7530 Euro, also ca. 18% mehr.
Was ist eine Standardrente wert?
Wie bei der Ermittlung der Werte der Entgeltpunkte:
Für Männer: 212 * 1350 Euro = 286200 Euro
Für Frauen: 251 * 1350 Euro = 338850 Euro
Unterschied: 52650 Euro
Für spätere Verwendung legen wir fest, dass der Ertrag einer Rente durch E oder E(EP) bezeichnet
werden soll. Die zweite Bezeichnung wird verwendet, wenn der Ertrag als Funktion der Entgeltpunkte
angesehen wird. Dafür gilt die Gleichung
E = Lebenserwartung * Rentemtl = Lebenserwartung * EP * aRW = E(EP)
Mit der Lebenserwartung ist die in Monaten angegebene Zeit gemeint, in der die Rente bezogen wird.
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Arme Leute sterben früher
Wie man bei der vorherigen Aufgabe gesehen hat, bewirken kleine Unterschiede in der Lebenserwartung erhebliche Differenzen in den Beträgen, die als Rente bezahlt werden.
Die Lebenserwartung wird nicht nur vom Geschlecht beeinflusst. Es ist lange bekannt, dass arme Leute früher sterben als reiche; das macht sogar mehr aus als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Männer sterben im Schnitt fast 5 Jahre früher Frauen, das kann man in einer Sterbetafel des Statistischen Bundesamts nachlesen: Sterbetafeln: Ergebnisse aus der laufenden Berechnung von
Periodensterbetafeln für Deutschland und die Bundesländer (2012/2014), Stand 2016.
Aus dem Bericht Gesundheit in Deutschland 2015 des Robert Koch Instituts geht hervor, dass arme
Frauen 8 Jahre weniger zu leben haben als reiche Frauen, arme Männer sogar fast 11 Jahre weniger als
reiche Männer. Mit „arm“ und „reich“ ist hier gemeint, dass „arme“ Leute weniger als 60% des
mittleren Einkommens zur Verfügung haben, „reiche“ dagegen mehr als 150%. Im Kapitel 2 „Wie
steht es um unsere Gesundheit?“ auf S. 24 ist das genauer erklärt. Es gibt dort die Tabelle 2.1.2, die einige weitere Angaben dazu enthält. Diese Tabelle bezieht sich auf die Lebenserwartung ab der Geburt.
Der Bericht enthält auch eine Aussage über die Unterschiede nach dem Eintritt ins Rentenalter: Auf
S. 22 unten rechts steht, dass die die Differenz der Lebenserwartungen zwischen der niedrigen und hohen Einkommensgruppe ab dem 65. Lebensjahr bei Frauen 3,5 und bei Männern 5,3 Jahre beträgt.
Wie wirken sich diese Unterschiede auf den Ertrag der Renten aus?
Wenn man wie vorher einen aktuellen Rentenwert von 30 Euro monatliche Rente für
einen Entgeltpunkt unterstellt, macht der Unterschied in der Lebenserwartung bei
Frauen 3,5 * 12 * 30 Euro = 1260 Euro, für Männer 5,3 * 12 * 30 Euro = 1908 Euro
pro Entgeltpunkt aus. Bei einer Standardrente beträgt der Unterschied das 45fache, bei Frauen das also 56700, bei Männern 85860 Euro. Bezogen auf die Standardrente ist der Unterschied bei Frauen 56700/338850 ≈ 17%, bei Männern
85860/286200 ≈ 30%.
Bessere Informationen könnte man möglicherweise von den Rentenversicherungen erhalten. Diese
müssten in der Lage sein, eine Statistik zusammenzustellen, aus der die mittleren Bezugsdauern von
Renten in Abhängigkeit von der Rentenhöhe hervorgehen. Da wir diese Daten aber nicht haben, können wir versuchen, mit dem, was wir wissen, den Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung herzustellen.
Ein Vorschlag: Auf der Basis der Aussage,
•
•
dass die durch Einkommensverhältnisse bedingten Änderungen der Lebenserwartung 3,5 Jahre
bei Frauen und 5,3 Jahre bei Männern betragen und
dass das jährliche Nettoäquivalenzeinkommen 2014 in Deutschland 19.733 Euro betrug (vgl
Daten von Eurostat)
und den Annahmen,
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•
•
•
dass man Einkommen „unter 60%“ durch 55% und Einkommen „über 150%“ durch 200% repräsentieren kann,
dass dem mittleren Einkommen die den Sterbetafeln angegebene Lebenserwartung entspricht
und
dass diese Lebenserwartung genau in der Mitte zwischen denen für niedriges und hohes Einkommen liegt,
kann man eine Tabelle zusammenstellen, aus der die Lebenserwartung nach dem Renteneintritt hervorgeht.
Einkommen in % des
Nettoäquivalenzeinkommens
Monatliches Einkommen in Euro
Lebenserwartung in Monaten
FRAUEN
MÄNNER
55%
904
230
180
100%
1644
251
212
200%
3289
272
244
Aufgabe: Zeichne ein Diagramm, das in der x-Achse das monatliche Einkommen und in der y-Achse
die Lebenserwartung angibt.
Ein entsprechendes Diagramm ist im folgenden Text abgebildet.
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Die in der Tabelle angegebenen Werte kann man mit folgender Formel ganz gut wiedergeben:
Lebenserwartung (Nettoeinkommen)
= maximale Lebenserwartung – fiktives Kapital /(Nettoeinkommen – Grenzeinkommen)
Indem man die Werte aus der Tabelle für Lebenserwartung und Einkommen einsetzt, erhält man für
jede Zeile der Tabelle eine Gleichung. Man hat dann drei Gleichungen, aus der man die drei Unbekannten maximale Lebenswartung, fiktives Kapital und das Grenzeinkommen bestimmen kann. Mit
dem, was man in der 9. oder 10. Klasse an Mathematik gelernt hat, wird man das normalerweise nicht
schaffen. Mit einem Computeralgebrasystem oder mit einem Tabellenkalkulationsprogramm hätte
man vielleicht eine Chance, denn damit kann man derlei Gleichungssysteme lösen, ohne dass man genau versteht, wie diese Programme das machen. Wer will das probieren?
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse auf 3 Stellen gerundet angegeben:
Frauen Männer
Maximale Lebenserwartung
fiktives Kapital
Grenzeinkommen
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306
296
148000 227000
-1040
-1040
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Im folgenden Diagramm sieht man die Wert der Tabelle mit Linien verbunden zusammen mit den Ergebnissen der Formel.
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Länger arbeiten bis zur Rente
Aus den vorangegangenen Aufgaben konnte man sehen, dass die Lebenserwartung einen erheblichen
Einfluss auf den Wert eines Rentenanspruchs hat. Das legt den Verdacht nahe, dass Unterschiede in
der Lebenserwartung eine Rolle spielen, wenn das Renteneintrittsalter erhöht wird, etwa nach der
Faustregel: Je geringer die Lebenserwartung, desto größer die Einbußen bei einem späteren Renteneintritt.
Bisher wurde immer damit gerechnet, dass man mit 65 Jahren in Rente geht. Dieses Alter wird aber
allmählich auf 67 Jahre angehoben; und man überlegt schon, es auf 70 Jahre anzuheben. Was bedeutet
das für den Ertrag der Rente? Fülle die Tabelle aus:
Anmerkungen: Die unterstrichenen Werte für die Lebenserwartung sind aus den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts entnommen. Die Werte darüber sollen die Lebenserwartungen „reicher“, die
darunter „armer“ Menschen repräsentieren. Mangels besserer Informationen wurden dazu jeweils die
Hälfte der durch die Einkommensverhältnisse bedingten Änderungen hinzugezählt bzw. abgezogen,
bei Frauen also 3,5 Jahre / 2 = 1,75 Jahre oder 21 Monate, bei Männern 5,3 Jahre / 2 = 2,65 Jahre, was
32 Monaten entspricht.
Renteneint
rittsalter
Frauen
Männer
Aktueller Restliche Ertrag
Ertrag
%
Rentenwert Lebenser Entgelt- Standard30 €/Monat wartung
punkt
rente
Restliche Ertrag
Ertrag
Lebenser Entgelt- Standardwartung
punkt
rente
%
65
230
251
272
6900
7530
8160
310500 100
338850 100
367200 100
180
212
244
5400
6360
7320
243000 100
286200 100
329400 100
67
210
231
252
6300
6930
7560
283500
311850
340200
91
92
93
163
195
227
4890
5850
6810
220050
263250
306450
91
92
93
70
180
211
222
5400
6030
6660
243000
271350
299700
78
80
82
137
169
201
4110
5070
6030
184950
228150
271350
76
80
82
Fazit: Wenn man von einem Renteneintrittsalter von 65 auf 70 Jahre übergehen würde, dann würde das für „reiche Männer“ eine Einbuße von 100 – 83 = 17% bedeuten,
für „arme Männer“ dagegen von 100 – 76 = 24%, bei Frauen fallen die einkommensbedingten Unterschiede etwas geringer aus: 100 – 82 = 18% bzw. 100 – 78 = 22 %
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Fairness: Gleiche Rendite für alle
Was ist mit „Rendite einer Rentenversicherung“ gemeint?
Wenn es um Geldgeschäfte geht, spielt der Begriff der Rendite eine wichtige Rolle. In der Wikipedia
steht dafür ein einfache Formel:
Rendite = (Ertrag – Aufwand) / Aufwand
Das kann man auch schreiben als
Rendite = Ertrag / Aufwand - 1
Eine hohe Rendite hat man, wenn man mit wenig Aufwand einen hohen Ertrag erzielt. Niedrig,
vielleicht sogar negativ ist sie dann, wenn einem hohen Aufwand nur ein geringer Ertrag
gegenübersteht.
Diese Idee kann man auf die Rentenversicherung anwenden. Der Aufwand sind in diesem Fall die geleisteten Rentenzahlungen, der Ertrag ist der Wert die Rente, die man erhält. Für einen einzelnen Menschen kann man diese Rendite nicht dessen Lebzeiten errechnen. Wenn man allerdings größere Gruppen betrachtet, kann man trotzdem ganz gut abschätzen, mit welche Renditen deren Mitglieder zu erwarten haben.
Aus den Ergebnissen der vorherigen Aufgaben ergibt sich, dass die Rente für Menschen mit höherer
Lebenserwartung höhere Erträge liefert als für andere, die früher sterben. Für den Aufwand verhält es
sich gerade anders herum: In einer Gruppe von Menschen mit niedriger Lebenserwartung kommt es
häufiger vor, das die Beitragszahler sterben bevor sie überhaupt eine Rente erhalten können. Beide
Effekte wirken in die gleiche Richtung: Die Rendite einer Rente steigt mit höherer Lebenserwartung.
Im Fall der Rentenversicherung kann man die Formel für die Rendite nicht so ohne weiteres
anwenden. Mit der Zahl der Entgeltpunkte hat man zwar ein Maß für den Aufwand, und den Ertrag
kann man ausrechnen, indem man die monatliche Rente mit der Bezugsdauer multipliziert. Aber die
beiden Größen werden in unterschiedlichen Einheiten gemessen, nämlich in Entgeltpunkten bzw.
Euro, und es ist nicht so ohne weiteres klar, wie man diese Einheiten ineinander umrechnen kann. Um
dieses Problem zu umgehen, teilen wir einfach den Ertrag durch die dazu benötigten Entgeltpunkte.
Wir erhalten damit eine Größe, dies sich für unsere Zwecke wie eine Rendite verhält: Der auf den
Aufwand bezogene Ertrag macht verschiedene Szenarien innerhalb der Rentenversicherung
vergleichbar. Diese Zahl ist natürlich keine Rendite im üblichen Sinn und taugt daher nicht dazu, die
Rentenversicherung mit anderen Kapitalanlagen zu vergleichen.
Wo steckt das Problem und wie kann man es lösen?
Weil in der Regel Wohlstand mit höherer Lebenserwartung einhergeht, erhalten diejenigen, die bereits
mehr haben, auch eine höhere Rendite auf ihre Einzahlungen ins Rentensystem. Menschen mit geringen Einkommen leben nicht so lange und erhalten daher weniger für ihre Aufwendungen zur Alterssi4. Mai 2016
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Faire Rentenversicherung
cherung. Bei den Beträgen, um die es hier geht, kann dieser Unterschied der Renditen vermutlich den
Unterschied zwischen einer auskömmlichen Rente und Altersarmut ausmachen.
Es geht hier nicht darum, dass jemand, der weniger Beiträge geleistet hat, dann auch weniger Rente
erhält, sondern um Phänomen, das bei einem Bankkonto etwa so aussähe, dass die Bank reichen Leuten mehr Geld auszahlt als armen, obwohl sie gleich viel eingezahlt haben. Bei der Rentenversicherung kommt dieser Effekt dadurch zustande, dass bei der Berechnung der Rentenhöhe systematische
Unterschiede in der Lebenserwartung unberücksichtigt bleiben.
Wie könnte ein faireres Verfahren bei der Festlegung der Renten aussehen?
Der im Folgenden weiter untersuchte Vorschlag lautet: Als „fair“ wird eine Festlegung der Rentenhöhe angesehen, wenn alle Teilnehmer am Rentensystem einkommensunabhängig für gleiche Aufwendungen denselben Ertrag erwarten dürfen. Der Einfluss
des Einkommens auf die Lebenserwartung wird durch die Höhe der monatlichen Rente
ausgeglichen.
Faire Rente auf „mathematisch“
Die weiteren Rechnungen gehen davon aus, dass man sich darauf einigen konnte, es sei fairer, das alle
Versicherten ohne Rücksicht ihr Einkommen erwarten können, für gleichen Aufwand denselben Ertrag
zu erhalten, als dass gleicher Aufwand lediglich zu denselben monatlichen Rentenzahlungen führt.
Damit man konkrete Rentenhöhen ausrechnen kann, muss man diese Anforderungen in der Sprache
der Mathematik formulieren. Daraus ergibt sich die erste Forderung:
1) Die Rendite soll einkommensunabhängig sein.
Es wird nicht versucht, den Ertrag der Rente generell zu verändern, etwa durch höhere Beiträge oder
allgemeine Rentenerhöhungen. Das schlägt sich in der zweiten Forderung nieder:
2) Für den Durchschnittsrentner soll sich möglichst nichts ändern.
Um die erste Forderung ausdrücken zu können, brauchen wir zunächst einen Namen für den Ertrag
der Rente, die noch ausgerechnet werden soll. Dieser Ertrag ist eine Funktion der Zahl der Entgeltpunkte, die dieser Rente zugrunde liegen. Daher nennen wir die Funktion kE(EP). Damit kann man
die erste Forderung ausdrücken durch
kE(EP)/EP = C
Dabei ist C eine Konstante, die noch genauer bestimmt werden muss, und EP steht für eine beliebige
Anzahl von Entgeltpunkten außer natürlich Null.
Die zweite Forderung, für den Durchschnittsrentner möge sich nichts ändern, kann man dadurch ausdrücken, dass für eine durchschnittliche Anzahl von Entgeltpunkten, die mit EP0 bezeichnet werden
soll, der Ertrag der korrigierten Rente genau so groß ist wie der Ertrag der mit dem bisherigen Verfahren berechneten Rente. Das führt zu der Formel:
kE(EP0) = E(EP0)
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Faire Rentenversicherung
Jetzt fehlt noch eine Möglichkeit, auszudrücken, wie denn die neue Rente ausgerechnet werden soll.
Ein einfacher Ansatz dafür ist, die gleiche Formel wie bisher zu verwenden, aber das Ergebnis noch
mit einem Korrekturfaktor multiplizieren, der gerade so groß ist, dass er die einkommensabhängigen
Unterschiede in der Lebenserwartung ausgleicht. Dieser Faktor ist von den Entgeltpunkten abhängig.
Mit den Bezeichnungen kRente(EP) für die korrigierte Rente und k(EP) für den Korrekturfaktor und
der alten Methode, die Rente auszurechnen, ergibt sich:
kRente(EP) = k(EP) * Rentemtl= k(EP) * EP * aRW
Hier könnte man auf die Idee kommen, dass man den Korrekturfaktor einfach dadurch erhält, dass
man die durchschnittliche Lebenserwartung durch die Lebenserwartung teilt, die sich aus der Rente
ergibt. Warum geht das nicht so einfach?
Es soll ja die korrigierte Rente ausbezahlt werden. Für die Berechnung der dazugehörigen Lebenserwartung müsste man also die Höhe der korrigierten Rente wissen.
Dazu müsste man aber den Korrekturfaktor kennen, den man grade ausrechnen will.
Überlegungen zum Korrekturfaktor der Rentenformel
Man ahnt es schon, die Berechnung des Korrekturfaktors wird ein bisschen komplizierter. Hier ein
Vorschlag, wie das gehen kann:
Den Ertrag der korrigierten Rente kann man genauso wie bei der herkömmlichen Rentenberechnung
ausrechnen, also:
kE(EP) = Lebenserwartung * kRente(EP) = Lebenserwartung * k(EP) * EP * aRW
Von einem Durchschnittsrenter kann man eine durchschnittliche Lebenserwartung annehmen. Wenn
man in die aus der zweiten Forderung hervorgegangenen Gleichung dann die entsprechenden Definitionen von kE bzw E einsetzt, wird daraus:
durchschnittliche Lebenserwartung * k(EP0) * EP0 * aRW
= EP0 * aRW * durchschnittliche Lebenserwartung
Man kann jetzt fast alles kürzen, und es bleibt übrig:
k(EP0) = 1
Mit anderen Worten: Für den Durchschnittsrentner, der EP0 Entgeltpunkte erworben hat, muss der
Korrekturfaktor eins sein.
Damit lässt sich auch die Konstante in der C, die in der aus der ersten Forderung stammenden Gleichung vorkommt, bestimmen. Diese Gleichung muss natürlich auch für EP0 Entgeltpunkte zutreffen,
also
kE(EP0)/EP0 = C
Für kE kann man die Definition einsetzen und erhält
durchschnittliche Lebenserwartung * k(EP0) * EP0 * aRW/EP0 = C
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Durch Kürzen von EP0 und mit dem Wissen, dass k(EP0) gleich Eins ist, ergibt das den Wert von C:
durchschnittliche Lebenserwartung * aRW = C
Diesen Wert kann man ausrechnen, weil man die durchschnittliche Lebenserwartung in den Sterbetafeln nachsehen kann und auch der aktuelle Rentenwert aRW bekannt ist.
Damit lautet die erste Forderung:
kE(EP)/EP = durchschnittliche Lebenserwartung * aRW
Berechnung des Korrekturfaktors
Wir wissen zwar jetzt, dass der Korrekturfaktor bei irgendeiner, noch unbekannten Anzahl von Entgeltpunkten der Wert Eins annehmen muss. Um ihn verwenden zu können, müssten wir aber in der
Lage sein, zu einer gegebenen Anzahl von Entgeltpunkten seinen Wert auszurechnen.
Dieser Wert hängt von der einkommensabhängigen Lebenserwartung ab. Für diese haben wir bereits
eine Formel ermittelt. Für diese Formel benötigen wird das Nettoeinkommen, also eine Nettorente.
Diese erhält man, indem man von der Rente noch die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags
(14,6% /2 (vgl. §241 SGB V) sowie ein Zusatzbeitrag zwischen 0,9% … 1.1% zu abzieht (vgl. Wikipedia, Krankenversicherung der Rentner). Damit ergibt sich für die Nettorente, wenn man eventuelle
Einkommensteuern unberücksichtigt lässt:
Nettorentemtl(EP)=Rentemtl*(100 – 8,3)% = EP * aRW * 91,7%
Man kann einen aktuellen Nettorentenwert definieren durch aRWn = aRW * 91,7% und die Formel
damit ein wenig einfacher aufschreiben:
Nettorentemtl(EP)=Rentemtl*(100 – 8,3)% = EP * aRWn
Mit dem bisherigen Wissen kann man daraus die folgende Gleichung ermitteln:
(Maximale Lebenserwartung –
fiktives Kapital
)
k(EP)
k(EP) * EP * aRWn – Grenzeinkommen
= durchschnittliche Lebenserwartung
Wie geht das?
Mit der Nettorente und der Funktion für die Lebenserwartung kann man den zu erwartenden Ertrag einer Rente mit folgender Formel ausrechnen:
E(EP) = Lebenserwartung(Nettorentemtl(EP)) * Rentemtl(EP)
Für die korrigierte Rente gilt das entsprechend:
kE(EP) = Lebenserwartung(kRente(EP) * 91,7%) * kRente(EP)
Setzt man das in die erste Forderung ein, wird daraus
Lebenserwartung(kRente(EP) * 91,7%) * kRente(EP)/EP
= durchschnittliche Lebenserwartung * aRW
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Einsetzen der Berechnungsformel für kRente(EP) ergibt:
Lebenserwartung(k(EP) * EP * aRW * 91,7%) * k(EP) * EP * aRW/EP
= durchschnittliche Lebenserwartung * aRW
Da kann man Verschiedenes kürzen und erhält:
Lebenserwartung(k(EP) * EP * aRW * 91,7%) * k(EP) = durchschnittliche Lebenserwartung
oder, wenn man aRWn verwendet:
Lebenserwartung(k(EP) * EP * aRWn) * k(EP) = durchschnittliche Lebenserwartung
Mit der Formel für die einkommensabhängige Lebenserwartung ergibt das:
(Maximale
Lebenserwartung –
fiktives Kapital
) k(EP)
k(EP) * EP * aRWn – Grenzeinkommen
= durchschnittliche Lebenserwartung
Das kann man so umformen, dass sich eine quadratische Gleichung für k(EP) ergibt. Diese Gleichung
kann man mit der Mitternachtsformel lösen. Ein Tipp: Man kann sich viel Schreibarbeit sparen, wenn
man Buchstaben als Abkürzungen für Teile der Formel verwendet. Ein Vorschlag dafür:
x = k(EP)
d = durchschnittliche Lebenserwartung
m = Maximale Lebenserwartung
k = fiktives Kapital
n = EP * aRWn
g = Grenzeinkommen
Aufgabe: Die Formel mit den Abkürzungen schreiben. Dann das Ergebnis in die Form einer quadratischen Gleichung bringen und diese mit Hilfe der Mitternachtsformel nach x auflösen.
Damit lautet die Formel:
(m-k/(x*n – g))*x = d
Das kann man in eine quadratische Gleichung für den Korrekturfaktor x umwandeln:
(m*(x*n – g)-k)*x = d*(x*n - g)
(m*x*n – m*g-k)*x = d*x*n - d*g
m*n*x² – (m*g+k)*x = d*x*n - d*g
m*n*x² – (m*g + k + d*n)*x + d*g = 0
x² – (g/n + k/(n*m) + d/m)*x + d*g/(n*m) = 0
Einsetzen in die Mitternachtsformel ergibt:
x = ½ * ((g/n + k/(n*m) + d/m) ± √(g/n + k/(n*m) + d/m)² – 4 * d*g/(n*m))
Diese Rechnung ergibt leider eine etwas komplizierte Formel. Mit dieser Formel kann man durch Einsetzen der entsprechenden Werte die Korrekturfaktoren k(EP) ermitteln, um die man die Rentenhöhen
korrigieren müsste, um die vom Einkommen abhängigen Unterschiede in der Lebenserwartung
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auszugleichen.
Menschen sind nicht besonders gut darin, in komplizierte Formeln auszurechnen – das können Computer mit einem Tabellenkalkulationsprogramm oder einem Computeralgebra-System besser. Daher
werden hier nur noch drei Diagramme gezeigt, welche die mit dem Computeralgebrasystem
wxMaxima ermittelten Ergebnisse zeigen:
Der Verlauf des Korrekturfaktors in Abhängigkeit von den Entgeltpunkten
Aus dem Diagramm sieht man, dass gerade niedrige Renten drastisch erhöht werden müssten, hohe
Renten dagegen geringfügig gekürzt würden.
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Im folgenden Diagramm sieht man, wie sich durch den Korrekturfaktor die monatlich ausgezahlten
Rentenbeträge ändern würden. Es fällt auf, dass sich die ausgezahlten Beträge trotz der drastischen Erhöhungen der niedrigen Renten nur vergleichsweise wenig ändern. Warum ist das so?
Wenn sich zwei verschieden große Werte um denselben Betrag ändern, dann führt das
zu einer größeren relativen Änderung des kleineren Wertes. Obwohl niedrige Renten
relativ startk angehoben werden, ist die Erhöhung in absoluten Zahlen gar nicht so
groß.
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Das letzte Diagramm dient nur zur Kontrolle: Die korrigierte Rente soll ja unabhängig vom Einkommen für alle denselben erwarteten Ertrag liefern. Das bedeutet, dass ein Diagramm, in dem die Werte
der einkommensabhängigen Lebenserwartung mit der monatlichen Rente multipliziert wird und das
Ergebnis durch die Zahl der Entgeltpunkte geteilt wird, eine waagrechte Linie zeigen müsste.
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Ausblick: Was ist an diesen Aufgaben falsch?
Diese Aufgaben sind stark vereinfacht. Daher sind die Ergebnisse, wenn man es genau nimmt, falsch.
Es besteht aber die Hoffnung, dass sie dennoch einige wichtige Zusammenhänge korrekt vermitteln.
Daher am Schluss die Frage: Was ist an diesen Aufgaben falsch? Wie könnte man sie ergänzen?
Einige Fehler:
–
Veränderungen werden nicht berücksichtigt, obwohl sich vieles ändert: Lebenserwartung (der Anstieg der Lebenserwartung ist gerade ein Grund, warum
das Renteneintrittsalter erhöht werden soll), Einkommen, Wert des Geldes
(Inflation), Rentenanpassungen, …
–
Es wird nicht berücksichtigt, dass man bei höherem Einkommen Steuern für
Einkommen aus der Rente bezahlen muss.
–
In den Berechnungen wird der Einfachheit halber angenommen, dass das Einkommen nur aus Arbeitseinkommen bzw. Renten besteht. Es kann aber sein, dass
jemand nur eine niedrige Rente bezieht, aber hohe Einnahmen aus anderen
Quellen hat. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Ein niedriges Nettoeinkommen trotz hoher Rente kann man haben, wenn man verpflichtet ist, von dieser Rente viel abzugeben, etwa um Schulden zurückzuzahlen, Pfändung u.ä.
–
Es werden nicht immer genaue oder aktuelle Zahlen verwendet.
–
Berechnung einer Rendite in Abhängigkeit von der Lebenserwartung: Wie viel
Rente erhält man für das Geld, das man in die Rentenkasse einbezahlt hat?
Dabei muss man berücksichtigen, dass Unterschiede in der Lebenserwartung
schon vor dem Renteneintritt eine Rolle spielen, weil man u.U. den Renteneintritt gar nicht erlebt.
–
Das Renteneintrittsalter wird mit 65 Jahren angesetzt, das hat sich inzwischen geändert.
–
Die Überlegungen beziehen sich nur darauf, wie man innerhalb des Rentenversicherungssystems dafür sorgen kann, dass jeder für seine Beiträge ungefähr
gleich viel zurück erhält. Es wird nicht berücksichtigt, dass für viele Menschen die Altersvorsorge nicht über die Rentenversicherung geregelt ist,
z.B. weil sie Beamtenpensionen beziehen, Einnahmen aus Lebensversicherungen
haben oder aus anderen Quellen Einkommen erhalten, für das sie nicht arbeiten müssen.
–
Neben Einkommen und Geschlecht gibt es noch viele weitere Faktoren, welche
die Lebenserwartung beeinflussen, wie etwa Essensgewohnheiten, Übergewicht,
Rauchen, Umgang mit Alkohol und Drogen, erbliche Faktoren und anderes. Wäre
es sinnvoll und/oder wünschenswert, derartige Faktoren bei der Rentenhöhe zu
berücksichtigen?
–
Es ist nicht klar, inwieweit die Unterschiede im Einkommen die Ursache der
beobachteten Veränderungen in der Lebenserwartung sind.
– …
Hinweise auf Fehler, Kritik, Ideen bitte per E-Mail an den Autor
(Albrecht.Mueller@astrail.de)
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