kaufhaus Der sinne

Transcription

kaufhaus Der sinne
Das
Jubiläums­-­
magazin
von
Ludwig
Beck
150 Jahre
Kaufhaus der Sinne
EDITORIAL
Coverfoto: Stefan Heinrichs, Model: Antonia Trettel (Place Model Management), Kleid: Talbot Runhof, auf Anfrage in der Abendmode-Abteilung erhältlich
Liebe Leser, liebe Freunde des Hauses!
W
So erzählt unter anderem Oberbürgermeister Christian Ude,
welche Rolle Ludwig Beck in seiner politischen Karriere spielte
(Seite 39). Der Autor Jan Weiler hat eine Nacht in unserem Kaufhaus
verbracht und darüber eine Kurzgeschichte geschrieben (Seite 32).
Und in einer großen Fotostrecke stellen wir Ihnen einige Münchner
vor, die den Stil der Stadt prägen und leben (Seite 14).
AS WÜRDE WOHL LUDWIG BECK SAGEN, wenn er
heute einen Spaziergang durch die Münchner
Innenstadt machen würde? Wenn er vom Viktualienmarkt in Richtung Marienplatz ginge, im Slalom
zwischen den Besuchern aus aller Welt hindurch, und schließlich
am Rathauseck das Haus beträte, an dessen Fassade sein Name in
großen, blauen Lettern leuchtet – genau 150 Jahre, nachdem er hier
seinen kleinen Laden eröffnet hatte. Ludwig Beck würde wohl
staunen und wäre auch ein wenig stolz auf das, was aus seiner
Knopf- und Posamentierwerkstätte geworden ist. So, wie auch wir
stolz sind, wenn man uns sagt: Münchens Zentrum? Das ist ohne das
Kaufhaus der Sinne nicht denkbar.
In 150 Jahren ist am Marienplatz eine Menge passiert. Aber
bevor wir zurückblicken, möchten wir uns zunächst bedanken. Bei
Ihnen! Ohne die Loyalität unserer Kunden und die Tatkraft und
Kreativität der Mitarbeiter und Geschäftspartner wäre unser Haus
nicht zu einer der traditionsreichsten und beliebtesten Adressen
Münchens geworden.
Stil in München hat ein Zuhause – bei Ludwig Beck. Und
deshalb muss das 150. Jubiläum natürlich strahlen und stimmungsvoll sein. In diesem Magazin wollen wir zeigen, wie sich das
Kaufhaus entwickelt hat und wofür Ludwig Beck heute steht: für
Vielfalt, Freundlichkeit, Modernität, Einzigartigkeit.
Und darüber hinaus ist das Magazin auch eine Liebeserklärung an
unseren Standort – die Stadt München.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.
Ihr Christian Greiner und Dieter Münch
Christian Greiner (links) und Dieter Münch,Vorstand
LUDWIG BECK am Rathauseck-Textilhaus Feldmeier AG
INHALT
LUDWIG BECK IN BILDERN Seite 4 – ESSAY: DIE STADT MIT CHARME Seite 12 – ECHTE ORIGINALE Seite 14 –
JAN WEILERS NACHT IM KAUFHAUS DER SINNE Seite 32 – DIE GESCHICHTE
DES HAUSES Seite 35 – DAS BESTE VON LUDWIG BECK Seite 51 – ESSAY: ZENTRUM DER STADT Seite 60 –
IMPRESSUM Seite 61 – DIE JUBILÄUMSKAMPAGNE Seite 62 – DIE ZUKUNFT DES STILS Seite 66
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— Zwei Tage verbrachte unser Fotograf bei
Ludwig beck. er porträtierte die kleinen
Szenen, Geschichten und Kunstwerke, die im kauFhaus
die sinne verzaubern
warenwunder
Fotos: armin smaiLovic
Inneres und Äusseres
Begehbarer Kleiderschrank: Die Damenmoden-Abteilung von Ludwig Beck erstreckt sich über mehrere Etagen –
klassisch-elegante Stücke, Pop-Zitate, Avantgarde-Experimente. Die Mädchen und Münchner Ladys flanieren, kombinieren,
probieren an – und wenn sie gefunden haben, wonach sie suchten, prüfen sie noch an Ort und Stelle ihre Wirkung.
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konzentratIon und kopfsache
Der Marienplatz ist das Zentrum der Stadt. Doch hoch oben, im fünften Stock, gibt es einen Ort der
Ruhe und Konzentration. Musikfreunde aus aller Welt versinken in Klassik, Jazz und
Weltmusik. In diesem Stockwerk sind Hightech-Kopfhörer ein unverzichtbares Accessoire –
Extravagantere Kopfbedeckungen gibt es im Erdgeschoss.
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Verschluss und Genuss
Mit Knöpfen fing Ludwig Beck im Jahr 1861 an, und doch ist das Angebot des Handarbeitsladen „Geknöpft & Zugenäht“
mehr als nur Traditionspflege. Das Geschäft soll mit Knöpfen und Garnen eine Heimat sein für Menschen,
die das Handwerk und die schönen Dinge schätzen. Die Roben in der Abendmode-Abteilung könnte aber auch der talentierteste
Schneider nicht an der heimischen Nähmaschine fertigen. Hier findet man die Stoffe für die glamourösen Momente des Lebens.
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schrIft und duft
Ludwig Beck ist ein Haus mit Geschichte. Auch in der Papeterie wird eine Tradition gepflegt – die des geschriebenen Wortes.
Im digitalen Zeitalter sind handgeschriebene Briefe und Notizen vom alltäglichen Kommunikationsmittel
zum Luxusgut geworden, mit dem man Stil beweist. Ein schöner Satz überdauert die Zeit. Etwas flüchtiger hingegen sind die
Düfte in der Kosmetikabteilung „Hautnah“: Parfüms und Cremes, die die Sinne ansprechen.
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Als Traumbild einer Stadt leuchtete der Odeonsplatz in seiner mattgelben Farbe unserem Autor sofort ein.
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Roxy Munich
— unser autor wuchs in einer
staDt voller Büros, Brachen und Bausünden
auf. Dann kam er nach münchen
unD lernte Stil, Design und Nonchalance
kennen. EinE liEbESERklÄRung
Von EckhaRt nickEl
Illustration: Jean-PhiliPPe Delhomme
u
m ein grosses wort gelassen auszusprechen: münchen
leuchtete – mir ein. Von Anfang an. Das lag wiederum
an einem wort, besser gesagt, einem schild, das im
novembernebel heim leuchtete und gelbe strahlen in die
nachmittagsdämmerung trieb, und auf diesem schild
stand „tabacco“. in jener holzgetäfelten traditionsgaststätte am
Promenadenplatz unterhielt ich mich gegen ende des 20. Jahrhunderts
mit einem redakteur über meinen ersten Artikel für die „süddeutsche
Zeitung“. Um Ästhetik sollte es gehen, genauer gesagt, um Buchumschläge und den gestalterischen Unfug, der mit diesen seit einiger Zeit
getrieben wurde. Und was das nun genau für den inhalt, der sich hinter
den schrillbunten Papierbögen verbarg, zu bedeuten hatte. Der ort für
dieses gespräch über Form und sinn hätte nicht besser gewählt sein
können: ein freundlicher Kellner erschien wohllivriert und mit perfekten manieren am tisch, um charmant die Bestellung aufzunehmen.
Das streichholzbriefchen, das er später zum espresso auf einem Unterteller zündfertig aufgeklappt servierte, war in demselben grünton wie
sein Jackett gehalten, und mir wurde zum ersten mal in meinem Leben
klar, dass sich der gute stil einer stadt in den Aufenthaltsräumen des
gastronomischen Alltags verrät. wie es sich dort verhält, was die Kleiderordnung anbelangt, bei gast und wirt, und der Umgangston, den
man miteinander pflegt, daran lässt sich ablesen, was es mit einer Stadt
auf sich hat. wie der Umschlag im idealfall die schönste Visitenkarte
eines Buches sein kann, so ist die gaststätte ein Aushängeschild der
stadt und dafür zuständig, dem gast etwas von Kultur und stil ihrer
Bewohner zu erzählen. Und stil ist nichts anderes als Kultur, das muss
man sich in Zeiten von allgegenwärtigen style-Blogs immer wieder
in erinnerung rufen. Kultur in ihrer am feinsten ausgebildeten Form.
Der stil einer stadt zeigt sich zum Beispiel darin, wie sie rein äußerlich
FassaDen, PromenaDen,
ProPortionen – in schönen
Städten ist jeder Spaziergang
eine Schulungsstunde in Sachen Stil
EcKhart NicKEl
Der Schriftsteller lebte schon in Berlin, San Francisco und
Kathmandu. Seine Zeit in München aber ist ihm die liebste. Egal,
wo er ist, Nickel sehnt sich immer nach der „Märzbierdicktrunkenheit“ (so Thomas Mann) der Stadt an der Isar zurück.
mit ihrer Vergangenheit umgeht. Der odeonsplatz ist mir in seiner
mattgelben italianita immer als traumbild einer städtischen Augenweide vorgekommen. Die selbstverständlichkeit, mit der man hier die
tradition einfach stehen ließ und fast alles diesem nonchalanten Prinzip unterordnete, beeindruckte mich als gebürtigen Frankfurter sehr.
Deswegen ist das sehensprinzip für mich ganz zentral bei der Auswahl
meiner wahlheimaten: Fassaden schauen, Promenaden ablaufen und
dabei gelungene Proportionen bestaunen. in schönen städten ist jeder
spaziergang eine schulungsstunde in sachen gestaltung.
Das lernte ich auch, als ich Jahre später nach münchen zog, um
für „Architectural Digest“ zu arbeiten. Hier erfuhr ich die neue stadt
so, wie man sie bei dem magazin idealiter verstand: als stilbildend.
sei es eine Ausstellung von Juergen teller im stadtmuseum oder
ein empfang bei nymphenburg, auf dem der industriedesigner
Konstantin grcic seine neueste Kooperation mit der Porzellanmanufaktur vorstellte – immer ging es darum, wie sich die neugier des
gestalterischen geistes auf dem Parkett der geschichte entwickeln
konnte, und was dabei herauskam: Handwerk in wegweisender
Form. münchen war gut zu mir, und es ging mir gut. Frühmorgens
fuhr ich mit dem Fahrrad ins müller’sche Volksbad, um in dem noch
leeren Jugendstilbecken meine Bahnen zu ziehen und dabei der
perfekten Überschrift für einen Artikel nachzusinnen. mittags saß
ich vor dem „roxy“ auf der Leopoldstraße, um mich für den rest des
tages mit einem espresso zu stärken. Und dass meine textilreinigung „Klischee“ hieß, ist mehr als bezeichnend.
münchen, das war zwar auch der überkandidelte Barock seiner
goldbehängten Baby schimmerlos-existenzen, der viel beschworenen schickeria, aber mir kam das von Anfang an vor wie ein hängengebliebener Film in der endlosschleife. eine Paralleldimension,
die zwar existierte, aber dank des unaufgeregten Kleidungsstils der
menschen, die, genau wie beim Bauen, keine Berührungsängste mit
der tradition hatten, weitgehend unsichtbar blieb, zum glück.
mein münchen war geprägt vom einzigen ernstzunehmenden
Helmut Lang-Laden der welt (im „Bayerischen Hof“). Der tabakauswahl bei „Pfeifen-Huber“. mode von Ayzit Bostan. Cappuccino
in der „tagesbar“. Handschuhen von roeckl. sonntagnachmittag im
Deutschen museum. Den durchtanzten nächten in der „registratur“. Prosa von Andreas neumeister. Dem gang mit den Hunden im
englischen garten. musik von giorgio moroder. Den Antiquariaten
in der Schellingstraße. „Mode und Verzweiflung“. Thomas Manns
Bogenhausen. Dem „sZ-magazin“. stefan gabanyi. Den Alpen.
Undundund. Die reihenfolge ist beliebig, die Aussage klar. Als tyler
Brûlé von der Zeitschrift „monocle“ im Jahr 2010 münchen zur
lebenswertesten stadt der welt kürte, zeichnete er nicht nur den
angenehmsten Flughafen, den man sich denken kann, aus, er meinte
auch: das motorenwerk des stils.
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Modell
Fotos: sTeFan heinrichs styling: eVelyn sand Mode: ludwig BecK, KauFhaus der sinne
trifft Originale der Stadt. designer,
KÜnsTler, unTernehMer. Hier zeigen
und verraten sie: Das ist der sTil des sÜdens
—
das
Milen, Kera und aMÉdÉe Till
Künstler („Kill The Tills“)
„Kleidung ist zum Wohlfühlen da, nicht zum Angeben
oder Auffallen. Der tollste Anzug der Welt wirkt nicht, wenn man
ihn als Kostüm trägt.“
KerA Till Kleid und Cardigan: Max & Co, Blume: Ludwig Beck.
Milen unD AMÉDÉe Till Anzüge: Joop!, Hemden: Strellson, Krawatten: René Lezard, Einstecktücher: Strellson, Kappe von Milen: privat
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(unten) sasKia diez
Schmuckdesignerin, fotografiert in ihrem Atelier
„Für eine Ausstellung über Heimat habe ich mal an der isar Steine gesammelt
und diese schleifen lassen. ich will die Schönheit der Dinge zeigen, die uns umgeben.“
Bluse: Tara Jarmon, Hose: Paul & Joe, Schuhe: privat, Schmuck: Saskia Diez
(links) MaThias „MunK“ Modica
Musiker („Gomma“)
„Wir leben in der Stadt der barocken Anarchisten. Große individualisten in allen
Belangen des lebens: Helmut Dietl , Oskar Panizza, Jonas imbery,
Herbert Achternbusch, ludwig ii. oder der alte Fürst zu Thurn & Taxis.“
Hose: Levi’s, Hemd: Diesel, T-Shirt: Review, Sonnenbrille: Munk für Hyde, Kappe und Schuhe: privat
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innegriT VolKhardT
Hotelière, fotografiert im „Bayerischen Hof“
„Stil ist für mich weniger eine Marke als eine Haltung, die sich durch das leben zieht –
auch im umgang mit Menschen. es ist die Summe meiner erfahrungen
und Vorlieben und deshalb etwas sehr Persönliches, das nie aufgesetzt sein sollte.“
Kostüm und Schmuck: privat
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BarT Van der heide
Direktor des Kunstvereins
„Mein erster eindruck von München: eine unglaublich hohe Qualität der Kunstlandschaft, fantastische
Sammlungen, Künstlerpartys, Ausstellungen und Privatinitiativen. einfach eine sehr aktive Stadt.“
Anzug und Hemd: Joop!, Krawatte: René Lezard, Brille: privat
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PaTricK Mohr
Modedesigner
„München ist ein Ort, der das richtige Maß gefunden hat. Andere Städte auf der Welt überfluten
mich förmlich mit ihrer Vielfalt und Geschwindigkeit. erst hier habe ich meinen Stil gefunden –
und ein eigenes label gegründet. Clean und reduziert, so sind meine entwürfe, und so ist die Stadt.“
Brille, Schmuck und Hose: privat
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rudi Kull
Hotelier und Gastronom (unter anderem „Brenner“, „Cortiina“), fotografiert im „Louis Hotel“
„Die Frage nach der passenden Kleidung ist jeden Tag ein Thema. ich bewege mich in vielen
unterschiedlichen räumen und kann mir nie sicher sein: Passt es? ist es zu konservativ? Zu leger?
in München ist Mode für mich immer eine spannende Herausforderung.“
Sakko: René Lezard, Hose: Ralph Lauren, Hemd: Joop!, Cardigan: Gran Sasso, Uhr: privat
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(unten) Florian sÜssMayr
Maler, fotografiert im Werkstattkino in der Fraunhoferstraße
„natürlich bin ich ein Münchner Maler. ich lebe ja hier. Aber ich sehe mich nicht als Dokumentar der Stadt.“
Hemd und Jeans: privat
(links) BrigiTTe hoBMeier
Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen
„Ich finde Mode super! Die wichtigste Unwichtigkeit der Welt. Aber um das Passende
zu finden, braucht man Zeit. Die mir oft fehlt. Und, wenn ich ehrlich bin, manchmal auch der Mut.“
Kleid: Peuterey, Schuhe undArmreife: privat
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alBerT osTerMaier
Lyriker, fotografiert im „Schumann’s“
PelZ
du ziehst mir das fell über
die ohren fauchte er sie an die
narbe geöffnet der reißverschluss
klemmte es ist aus sie schlug
ihre zähne in sein schlüsselbein
wo ist dein geheimnis es liegt
auf der zunge die wolfshaut
ein biss im rücken ein riss
barthaare in den innenflächen
der hand blaugeliebte lippen
die abdrücke der heizrippen
verstreuten worte und kippen
mit gebrochenen filtern wie sie
beide in der hitze zittern sein
augenlid ihr angstwittern ich
kann dich nicht riechen lass mich
komm du kannst unter meinen
mantel kriechen warum heulst du
ohne tränen weil du sie erstickst
blieb ihre antwort
Kleidung: privat
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sarah BecK
Schauspielerin
„ich ziehe mich gern schön an. Auf einen konkreten Stil habe ich mich aber noch nicht
festgelegt. ich mag das Spiel mit verschiedenen richtungen.“
Bluse: Patrizia Pepe, Mantel: St. Emile, Blume: Ludwig Beck, Ring: privat
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(unten) ludwig dachs und Karl sTehno
Rentner und ehemalige Kraftsportler, fotografiert auf dem Viktualienmarkt
„Wir kommen gerade aus dem „Hofbräuhaus“, wo wir alle zwei Wochen den König ludwigStammtisch haben. unser Stil ist bayerisch: lederhosen mit Messer drin,
Gamsbart, lodenjacke. Wie in der alten Zeit. Wir haben auch Hosenträger mit einem
aufgestickten Kini-Porträt im Schrank – aber grad heut nicht an.“
Tracht: privat
(links) Lisa-Maree CuLLuM
Primaballerina am Bayerischen Staatsballett
„ich liebe klassische Mode – ich habe einen Champagnergeschmack, lebe aber,
wie man in meiner Heimat Neuseeland sagt, ‚on a beer budget‘!
Ludwig Beck hat mich schon viel Geld gekostet, aber das war es immer wert!“
Kleid: French Connection, Leggings: Patrizia Pepe, Body und Schuhe: privat
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Paul sahner
Reporter-Legende bei der Zeitschrift „Bunte“
Schriftsteller wollte ich werden, am liebsten lyriker. Ich war um die elf und fing an zu reimen: ,Wenn
ich bei der grünen Spinne/nächtelang um rache
sinne/glaube ja nicht, dass ich spinne/denn ich habe
nur im Sinne/dass ich bei der grünen Spinne/
nächtelang um rache sinne.‘ Das war völlig gaga,
wurde aber dennoch 1973 in den Gedichtband
,unkenspiele‘ aufgenommen. 5 000 exemplare
wurden gedruckt, Stückpreis fünf Mark, verkauft
wurden gefühlte 37. Aber auch erst, nachdem die
lektüre für 95 Pfennig auf dem Grabbeltisch
gelandet war. Warum erzähle ich diese Geschichte?
nun, weil dreimal das Wort „Sinne“ vorkommt,
genauso oft wie „Spinne“. Während ich darüber
nachdenke, fällt mir ein, dass Beck auch „Kaufhaus
der Spinne“ heißen könnte. Du trittst rein, bist
gefangen wie in einem Spinnengewebe, willst
entrinnen, wirst beraten, keine Chance. Zack
auf die rolltreppe, immer das gleiche Bild:
Fremde Menschen, beladen mit prallen Tüten,
kommen dir von oben entgegen. Stolz wie Spinnen
präsentieren sie ihre Beute. ich habe an diesem
Tag nichts gefunden, meine Frau Martina eine
Handtasche, zwei Kleider und Wäsche, die meine
Sinne erregen wird. Spinne ich schon wieder?
Kurz bevor ich am 6. März 2011 diese sinnlichen
Zeilen gesponnen habe, hatte die goldige Biathletin
Magdalena neuner in Chanty-Mansijsk in der
Zehn-Kilometer-Verfolgung Silber gewonnen.
Gold gab’s für Kaisa Mäkäräinen. So heißt man in
Finnland. lena entschuldigte ihren zweiten
Platz so: ,Da hätt i net mehr angreifen net köna.‘
Jede Silbe ein Schuss ins Schwarze. und ich? Bin
völlig von Sinnen.
Hemd: Jacques Britt, Anzug und Schal: privat
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zehra sPindler
Partyveranstalterin („Puerto Giesing“), fotografiert in der alten Kongresshalle
„ich lebe unabhängig von Trends und Strömungen, zeitlos, dezent, jedoch immer mit
einem verspielten element oder schrägen Touch, den man erst auf den zweiten Blick erkennt.“
Catsuit: Max Mara, Blazer: René Lezard, Schmuck: privat
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(links) KonsTanTin grcic
Industriedesigner
„Mode ist für mich genau wie Design ein evolutionärer Prozess, der sich ringförmig immer
weiter verfeinert. An meiner Kleidung schätze ich das uniformartige. Da bin ich recht langweilig.“
Kleidung: privat
(oben) sandra ForsTer
Gastronomin („Zappeforster“, „Roecklplatz“, „Charlie“)
„Wie mein persönlicher Stil aussieht, kann ich gar nicht genau sagen. Selbstgemachtes und Gefundenes
spielen eine große rolle. Das gilt auch für meine Arbeit. Wenn ich ein neues restaurant eröffne,
dann versuche ich, die alte Substanz zu erhalten und so zu ergänzen, dass etwas neues daraus entsteht.“
Top: Max & Co, Kette: privat
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Drei Uhr morgens am Rathauseck. Unser Autor hat eine Begegnung der ungewöhnlichen Art.
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Die Nacht Der
— ExklusivEs einkaufserlebnis:
Beck-kunde und Bestsellerautor Jan WEilEr Erfüllt
sich EinEn kindhEitstraum und
vErBringt EinE nacht im kaufhaus
dEr sinnE. Ein Bericht
OffeNeN tÜreN
Illustration: JEan-PhiliPPE dElhommE
D
ie Leute vom Kaufhaus Ludwig BecK am Rathaus­
eck haben mich gefragt, ob ich eine Nacht bei ihnen
verbringen wolle. ganz allein im dunklen warenhaus.
Natürlich ruft man sofort: „Jawoll!“ das liegt nicht nur
an den wundervollen ideen, die einem dabei einfallen,
sondern auch an Beck. wenn man in einem Kaufhaus übernachten
will, dann in diesem. ich frage dennoch, ob es dort wohl spuke, und
es wird mir beschieden, dass der ort natürlich beseelt sei von seiner
tradition. diese begann 1861 damit, dass der Knopfmacher Ludwig
Beck seine werkstätte eröffnete, bald zum Königlich Bayerischen
Hoflieferanten von Ludwig II. aufstieg und expandierte. Mittlerweile
soll der ur­Beck als guter geist des hauses nachts auf streife gehen,
manchmal sitze er auch nur im Brotzeitraum der mitarbeiter herum
und murmele: „Zefix, der Knopf passt net!“
mir wurde ein kleines Bett gerichtet, damit ich nicht auf dem
Boden schlafen muss. es steht im Personal­shopping­Bereich, einer
kleinen, schicken Lounge in der fünften etage, die man nicht
einsehen kann. wenn jemand ungern beim einkaufen beobachtet
werden möchte, kann er sich dorthin zurückziehen und bekommt
alles gebracht, was man anziehen, durchblättern, anhören oder
aufsprühen kann. diesen service nehmen übrigens durchaus nicht
nur scheichs in anspruch, raunt man. in diesem nun meinem
Separee befindet sich eine Maschine, in der man vakuumverpackte
Kaffeepads per einwurf in einen sinisteren schlitz einem unsicht­
baren schicksal zuführen kann. es gibt zudem einen Kühlschrank,
der vor allem Prosecco enthält und die aufforderung, mich hier zu
11 500 QuadratmEtEr sind zu er-
kunden – ich beginne ganz oben.
huhu? haallo? ist wirklich niemand
da? nEin, niEmand
bedienen, wenn ich mag. ich könne ohnehin tun und lassen, was ich
wolle, sagt andi, der Nachtportier. er käme garantiert nicht vorbei,
es sei denn, ich riefe um hilfe. dafür gibt er mir ein telefon in die
hand. er sei unten im erdgeschoss beim mitarbeitereingang.
ich warte in meiner Lounge, bis die letzten mitarbeiter das haus
verlassen haben. diese müssen andi etagenweise bestätigen, dass sich
niemand mehr auf ihrem Stockwerk befindet, damit keiner – und
schon gar kein Kunde – eingeschlossen wird. Bis das Haus mit seinen
fünf obergeschossen und dem Basement restlos verlassen ist, wird
es fast halb zehn. dann gehen schlagartig die Lichter aus, und die
Nacht beginnt. man hat mir an manchen stellen ein Notlicht gelassen,
30 Prozent der üblichen Beleuchtung, denn man möchte nicht schuld
daran sein, wenn ich die Rolltreppen hinunterfalle. die sind natürlich
abgeschaltet, genau wie die Klimaanlage, genau wie alles, was hier
sonst geräusche verursacht. es ist wirklich unheimlich still, bis auf
die seltsamen geräusche, die das haus selbst macht. Knack. hä? ist da
jemand? irgendwo springt was an und geht wieder aus. etwas pfeift
kurz, das haus knurrt wie ein müder alter hund, der sich in seinem
Korb zurechtlegt. das haus lebt, riecht aber im gegensatz zu einem
alten hund: nach gar nichts. die Luft ist so still und unbewegt wie die
Kassen und Kleiderstangen und Rolltreppen des hauses.
11 500 Quadratmeter sind zu erkunden, und ich beginne ganz
oben. ist wirklich niemand da? huhu? haallo? Nein, niemand. trotz­
dem schleiche ich, weil ich mich wie ein eindringling fühle. und weil ich
niemanden erschrecken will, vor allen dingen nicht mich selbst.
Noch nie hatte ich in einem geschäft die gelegenheit, in aller
Ruhe so viele Platten zu hören, wie ich will, die cd­Player haben sie
mir nämlich freundlicherweise angelassen. also los. ich nehme mir
vor, 100 Platten zu testen. es ist ja niemand da, der mich daran
hindern könnte. Keiner steht hinter mir und wartet, und Laden­
schluss droht auch nicht. Nicht ohne grund sind sie bei Beck stolz
auf ihre fünfte etage und weisen darauf hin, dass hier ein Prozent
des jährlichen welthandels mit Klassik­cds abgewickelt wird. man
verfügt auch über eine alibimäßige Pop­abteilung, welcher eine
riesige für Jazz und eine fast absurd große für weltmusik gegenüber­
stehen. Dort finden Fachleute wie Laien musikalische Feinkost aus
der ukraine, aus dem Benin, afghanistan oder mauretanien. Bald
jedes Land der erde verfügt über ein eigenes fach. und das führt zu
folgender Überlegung: wenn ein akkordeon spielender tourist aus
estland hierher kommt, kann er zuerst nachsehen, ob es sein Land
bei Beck gibt (natürlich!) und dann eine cd des Bayern hans matheis
erwerben, auf welcher zwölf stücke für die steirische harmonika
zum vortrag kommen. das ist wohl weltweit einmalig, diese
gelegenheit bietet sich einem esten nur hier. in münchen, bei Beck.
Nach drei stunden emsigen hin­ und hertragens habe ich einen
stapel Platten ausgewählt, die ich anderntags bezahlen will. Zwischen­
durch höre ich außer musik immer mal wieder geräusche. Jedes
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nach EinigEn stundEn Bin
ich locker und laufe gleich
in untErWäschE iN Die
anzugaBtEilung
ich begebe mich in den Brotzeitraum, wo die mitarbeiter
Pause machen und feiern. unter der decke hängt zu diesem
Behufe sogar eine discokugel, die aber nicht oft in gebrauch
genommen wird, wie mir andi erklärt hat. gelegenheit dazu gäbe
es häufiger. Die Abteilungen stehen in einem ständigen sport­
lichen wettbewerb, was die Übererfüllung des Beck’schen
Plansolls angeht. im holzgetäfelten Brotzeitraum hängt eine
tafel, auf welcher vermerkt ist, welche abteilung in diesem
monat als erste das Rennen in dieser disziplin machen könnte.
die „abendgarderobe“ liegt vorn. für sie ist jetzt saison, sie kann
mit ihren Zahlen glänzen. eher abgeschlagen im umfeld die
„Bademode“. aber das macht nichts. es wird auch wieder mai,
und dann setzt sie sich mühelos an die spitze.
es ist halb zwei, und ich stromere ziellos über die verkaufs­
flächen. Wenn man sämtliche Wege absolviert, kommt man auf
einige Kilometer, und ich versuche, überall einmal entlangzuge­
hen. eine gewisse Beklommenheit will dabei nicht weichen. andi
hatte es mir prophezeit: „so ganz geheuer ist einem in der Nacht
auch nach Jahren nicht.“
das liegt an einem schockierenden effekt: Leuchtet man mit
der taschenlampe versehentlich aus einer gewissen entfernung in
einen spiegel, bleibt einem sofort das herz stehen. man bekommt
unwillkürlich das gefühl, ein anderer leuchte einem entgegen.
D
ass immeR ich selbst dieser jemand bin, macht
es nicht besser. ich setze mich auf eine stufe
und horche wieder und denke über die angst
nach, die einen in diesem eigentlich vertrauten
Raum umgibt. und dann wird mir langsam klar,
was hier unheimlich ist.
in der wüste werden wir uns über stille kaum wundern. in
obertauern wird uns die anwesenheit von bunten skianoraks
nicht verblüffen, in einem wohnzimmer das auftauchen dessen
Bewohners nicht unbedingt in schrecken versetzen. und in
einem Kaufhaus, noch dazu in einem beliebten Kaufhaus? darin
ist jede vorstellung mit menschen verknüpft, die umherlaufen,
stehen bleiben, Kleider anprobieren oder in tüten versenken.
Kaufhäuser sind alles mögliche, nur eines nicht: menschenleer.
das ist tatsächlich unheimlich. man fühlt sich wie der letzte
mensch auf der welt.
dann probiere ich Jeans an. Zuerst gehe ich noch mit einem
großen stapel in die umkleidekabine, aber dann wird mir klar,
dass ich mich ebenso gut mitten vor dem Regal ausziehen kann.
mach ich dann. es folgt der letzte Plan: im untergeschoss nach
einem anzug zu gucken. sie haben dort ganz schöne dinger
hängen. inzwischen bin ich locker und laufe gleich in unterwä­
sche in den Keller. dort probiere ich mehrere modelle an, aber es
ist zu dunkel für valide Kaufentscheidungen. also renne ich auf
der suche nach Lichtquellen im anzug durchs Kaufhaus. da sehe
ich, dass etwas Licht am haupteingang hereinfällt. ich gehe mit
dem anzug am Leib zur großen glastür am marienplatz und
halte den Ärmel umständlich ins Licht. als ich aufschaue, sieht
mich eine mittelalte frau von außen an. was macht die denn hier,
um viertel vor drei? die Passantin glotzt, ich glotze und versuche
ein Lächeln. sie ist vollkommen unaufgeregt, sieht noch einen
moment zu mir hinein und geht dann langsam weiter.
gegen drei lege ich mich hin. Plötzlich sitzt Ludwig Beck auf
meiner Bettkante. er raucht Pfeife. „he“, sage ich, „sie dürfen
hier nicht rauchen.“ „das ist mir wurscht“, sagt Beck. und dass
der einzelhandel ihm am herzen liege, besonders die Knöpfe und
Posamenten. er bläst Rauchkringel durch das separee und fragt,
was draußen so los sei. „erdgeschichtlich passiert gerade eine
menge“, beginne ich, aber er unterbricht mich. ob die Leute noch
hosen und hemden trügen. ob sie noch seife benützten.
„sicher“, sage ich. da brummt er zufrieden und klopft die Pfeife
auf meinem Notizbuch aus.
gegen sechs uhr gehen plötzlich sämtliche Lichter an. die
Reinigungskräfte wecken mich und das haus. es wird nun
herausgeputzt. so ein Kaufhaus ist auch theater oder wenig­
stens varieté mit einem Bühnenbild, mit darstellern und einem
ständig sich wiederholenden Programm. ich bringe andi die
taschenlampe zurück und verlasse Ludwig Beck am Rathauseck
durch den seiteneingang. Bin doch nicht der letzte mensch
auf der welt.
JAN WEILER
Der Bestsellerautor wurde 1967 in Düsseldorf geboren – lebt
aber schon seit vielen Jahren in Bayern. Als Schriftsteller
wurde er mit seinen Büchern „Maria, ihm schmeckt’s nicht“
und „Mein Leben als Mensch“ bekannt.
Ludwig Beck dankt Boehmler im Tal für das Bett
mal reiße ich mir die Kopfhörer von den ohren und schrecke
hoch wie ein alertes erdmännchen. es ist aber nur das haus.
Knick, knack, pfeif, ächz. weit nach mitternacht fällt mir ein, dass
ich erstens eine neue hose brauche und zweitens im ganzen haus
mal nach dem Rechten sehen müsste. mal gucken, was bei agent
Provocateur im erdgeschoss los ist. die haben so tolle Puppen da.
das tagsüber ironisch­frivole ambiente der abteilung wirkt in der
nächtlichen düsternis aber dann regelrecht gefährlich. das gilt
besonders für die stummen damen. ich setze mich zwischen sie
und warte ab, ob etwas Erotisches geschieht. Passiert aber nix.
also schlendere ich durch die Kosmetikabteilung. es stehen hier
millionen stifte, cremes, fläschchen und tiegel herum, manche
zinnsoldatisch in verkaufsdisplays, viele in den Regalen, auf
tischen, unter glas, in vitrinen. ist es möglich, sämtliche düfte
hier und jetzt zu vermischen, Beck in einen nächtlich duftenden
garten zu verwandeln? ich versuche es und drücke alle tester,
die ich finden kann. Dann bekomme ich Appetit, Lust auf einen
Kaufhaussnack.
also rauf zu „wieners“, zum café. ich stehe vor einem
großen glas und denke darüber nach, ob ich ihm einen kleinen
guglhupf entnehmen soll. mach doch, ruft es in mir drin. merkt
keiner. ein guglhupf mehr oder weniger. und außerdem: wer soll
dich erwischen? so gesehen könnte ich natürlich gleich noch zwei
anzüge, einen haufen hemden und cds mitgehen lassen. aber
dann lasse ich den guglhupf im glas. warum sollte ich etwas
stehlen? Nur weil ich es kann? das ist armselig.
34
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— in 150 Jahren ludWig BecK
Quelle: Ludwig Beck Archiv
ist eine Menge passiert:
Menschen, Bilder, Geschichten, Zahlen
und Kunden, an die
Wir uns gern erinnern
LuDWig bEcK (1832 – 1885)
ein Handwerksmeister, spezialisiert auf edle Knöpfe. Er macht gute Arbeit,
hat Erfolg, wird Hofposamentier – und legt den Grundstein
für ein Kaufhaus, das immer mehr wollte, als nur Produkte zu verkaufen.
35
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Mit herZ und
vorstand
— die führungskräfte von ludWig BecK arbeiten
Foto: Stephanie Füssenich
am Kaufhaus der Zukunft
Die Abteilungsleiter von Ludwig Beck und die beiden Vorstände chriStian grEinEr (zweite Reihe, fünfter von links)
und DiEtEr MÜnch (zweite Reihe, fünfter von rechts) im Frühjahr 2011
geschäftsführer
und Vorstände
— seit 1938 lenKten diese MÄnner die geschicke des hauses. iM
Wandel der Zeiten verfolgten sie alle ein PrograMM: Qualität setzt
sich durch. Damit schufen sie ein Kaufhaus, das zu München passt wie kein anderes
Gustl
Feldmeier
Gebrüder
Feldmeier
Hermann
Rückl
Klaus
Meier
Max
Schmittner
Rainer
Unkel
Dieter
Münch
Oliver
Haller
Christian
Greiner
1938 – 1970
1970 – 1982
1970 – 1996
1982 – 1999
1982 – 1996
1997 – 2006
seit 1998
2007 – 2010
seit 2011
36
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gustl
feldMeier
— vier WeggefÄhrten erinnern sich an
die tugenden des Mannes, der Beck groß machte
groSSzÜgigKEit
LEbEnSfrEuDE
prÄziSion
KrEatiVitÄt
Axel Rüttinger
Hermann Rückl ( ),
Anna Dillinger
Josef M. Redl
„Maxl, der graue Riesenschnauzer von Gustl Feldmeier, biss ja
besonders gern Leute, die zum
Chef ins Büro kamen. 1967, ich
hatte gerade meine Lehre angefangen, erwischte es mich auch:
Ich öffnete die Tür zu Feldmeiers
Büro und schon sprang mich
der Maxl an und biss mir in die
Wade. ,Maxl, du Sauvieh! Geh
weg!‘, brüllte der Chef. Dass
meine Hose kaputt gebissen
war, merkte ich erst später, als
ich das Büro wieder verlassen
hatte. Ich erzählte es meinem
Abteilungsleiter und der schickte
mich dann wieder hinauf zu
Feldmeier. Diesmal war Maxl zum
Glück brav. ,Warum hast du denn
nicht gleich was gesagt?‘, fragte
mich der Chef – und drückte mir
dann tatsächlich 100 Mark in die
Hand. Das war für mich damals
ein Monatsgehalt!“
„Wenige Tage, bevor der Chef
starb, rief er mich hinauf in seine
Wohnung im Ludwig Beck-Haus
am Marienplatz. ‚Sag amal‘,
sagte er, damit fing er immer
an, wenn er etwas ganz genau
wissen wollte, das war halb
Hochdeutsch und halb Dialekt.
‚Gibt es ein Haus in München, in
dem so viel gefeiert, aber auch
so viel gearbeitet wird wie bei
uns?‘ Ich sagte: ‚Du, das kann
ich dir nicht sicher sagen, weil ich
die anderen Häuser nicht so gut
kenne. Aber ich glaube nicht.‘ Er
sah mich an und meinte nur: ‚Des
wollt’ ich bloß wissen, kannst
schon wieder gehen.‘“
„Es war 1960, ich war erst ein
paar Wochen im Haus und half
gerade am Packtisch, als das
Telefon klingelte. Ich hob ab und
ein Herr sagte: ‚11.00 Uhr.‘ Ich
antwortete ‚Vielen Dank!‘, legte
auf und sagte zu meiner Kollegin:
‚Das ist aber nett, dass man hier
die Uhrzeit gesagt bekommt.‘
Die Kollegin wurde ganz blass
– und da klingelte schon wieder
das Telefon. Sie nahm ab und
Gustl Feldmeier war dran:
‚Welcher Quadratdotsch’n war
da am Telefon? Sie soll gefälligst
ihre schafledernen Augendeckel
aufmachen!‘ Das war meine erste
Begegnung mit dem Chef. Wäre
ich vorher informiert worden,
hätte ich gewusst, dass er stündlich wissen wollte, wie viel Geld
in der Kasse war.“
„In Mannheim kannte Gustl
Feldmeier einen Tuchfabrikanten.
Als er 1950 mal wieder dort war,
erklärte ihm der Fabrikant, dass
er noch massenhaft Material in
den Farben der Reichskriegsflagge auf Lager hatte. Die Nachfrage war natürlich relativ gering.
Feldmeier ließ sich die Bänder
zeigen, handelte einen sehr
günstigen Preis aus und sagte:
,Ich nehm alles!‘ Jetzt spinnt er
völlig, dachte der Fabrikant wahrscheinlich, und willigte ein. Doch
er hatte Feldmeier unterschätzt:
Zu Hause in München ließ der die
Bänder nämlich so trennen, dass
daraus einzelne Dekobänder in
den Farben Schwarz, Weiß und
Rot entstanden. Und die wurden
ein Riesenverkaufserfolg! Auch
eine Form der Vergangenheitsbewältigung.“
Quelle: Ludwig Beck Archiv
Warenteam
Ehemaliger Geschäftsführer
Ehemalige Abteilungsleiterin
Ehemaliger Projektleiter
guStL fELDMEiEr (1900 – 1970)
war von 1938 bis 1970 Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter von Ludwig Beck. Mit seiner
zupackenden, geselligen und weltoffenen Art prägte er das Haus wie kein zweiter.
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CAROLINE
REIBER
F
RAU REIBER , Sie waren Ende der 60er-
Wegen des Pullovers?
Genau. Alle wollten wissen, wo ich das
Stück gekauft hatte. Und wir haben das
den Anrufern auch mitgeteilt. Das war keine
Reklame sondern eine Information. Ein paar
Tage später rief mich dann Gustl Feldmeier junior
an und sagte: ‚Der Häkelpulli ist ausverkauft!‘
Wie liefen denn Fotoaufnahmen in den 60er-Jahren
bei Ihnen genau ab?
Ach, das war ganz anders als heute.
Es gab keine Friseure, Stylisten
oder Maskenbildner. Wir
mussten alles selbst machen,
haben das Make-up selbst
aufgetragen und Schuhe und
Schmuck mitgebracht. Es
war wunderbar. Ich kam
immer mit einem großen
Koffer zur Arbeit. Die
Aufnahmen für Beck
habe ich sehr genossen
– ob im Studio oder im
Englischen Garten.
Wir hatten viel Spaß.
Was bedeutet Ludwig
Beck heute für Sie?
Ludwig Beck am
Rathauseck gehört zu
München wie der Alte
Peter. Ich bedaure es
sehr, dass in den vergangenen Jahren so
viele Traditionsgeschäfte schließen
mussten. Zum Glück
ist Ludwig Beck noch da,
wo man – neben Mode – auch
Knöpfe kaufen kann.
Schauen sie auch heute noch hin
und wieder bei Beck vorbei?
Ja, freilich. Ich glaube, es gibt keinen
Münchner, der noch nie in seinem Leben
bei Ludwig Beck war.
Jahre eines der ersten Fotomodels für
Ludwig Beck. Wie kam es dazu?
Die Anfrage kam 1968 von Gustl
Feldmeier junior, einem der Söhne des damaligen
Geschäftsführers. Er hatte mich in einer Fernsehsendung gesehen.
Sie arbeiteten damals schon als TVAnsagerin .
Ja, und das Modeln lief nebenher.
Ich verdiente mir was dazu.
Meine Kolleginnen vom
Fernsehen haben das alle
gemacht.
Und da sagten Sie auf der
Stelle zu?
Aber natürlich. Ich war
schon als Kind mit meiner
Großmutter in dem
Warenhaus einkaufen.
Und die Kleidung von
Beck habe ich immer
gern getragen. Einmal
gab es deswegen
sogar ein wenig Aufruhr.
Ich hatte in einer
Sendung im Bayerischen
„Die Kleidung
von BECK habe
ich immer gern
getragen. Einmal
gab es deswegen ein
bisschen Aufruhr“
Rundfunk einen schicken Häkelpullover an, den ich dort gekauft
hatte. Nach meinem Auftritt
standen die Telefone in der Sendeleitung nicht mehr still.
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PABLO
UND
LUDWIG
— ZUM
125-JÄHRIGEN
JUBILÄUM
bedachte Beck
die Stadt München
mit einem
ganz besonderen
Geschenk
IR WOLLEN DEN MÜNCHNERN etwas ganz Besonderes
bieten. Darüber war sich das gute Dutzend Beck-Mitarbeiter einig,
das 1986 nach Ideen für das 125-jährige Jubiläum des Kaufhauses
suchte. Den rettenden Einfall hatte dann der österreichische
Künstler André Heller, den man als Berater verpflichtet hatte.
Heller war kurz zuvor bei einem Antiquitätenhändler in Wien
auf einen Theatervorhang gestoßen, den Pablo Picasso 1960 für
das Ballett „L’Après-midi d’un faune“ entworfen hatte. Wäre es
nicht ein schönes Geschenk für die Stadt, den 50 Quadratmeter
großen Vorhang mitten in München auszustellen, dachte man
sich. Beck erwarb das textile Meisterwerk und beauftragte den
Architekten Hans Hollein damit, einen speziellen Schutzrahmen
zu bauen. Dann enthüllte man den Vorhang am 30. April 1986
an der dem Marienplatz zugewandten Fassade des Kaufhauses –
pünktlich zum Jubiläum. Fünf Monate lang hatten die Münchner
also einen echten Picasso in ihrem urbanen Wohnzimmer hängen. Welche andere Stadt kann das schon von sich behaupten?
Die Bürgermeistermacher
— Eigentlich hatte CHRISTIAN UDE schon genug von der Politik.
Dann veränderte die Verleihung des Preises DIE
LÖWENPFOTE von Ludwig Beck sein Leben – und das der Stadt
Fotos: Ludwig Beck Archiv/BWA
„SEIT MEHR ALS 15 JAHREN bin ich als Oberbürgermeister ein
direkter Nachbar von Ludwig Beck und ich kann sagen: Es
ist eine schöne Nachbarschaft. Nicht nur, weil das Kaufhaus häufig Retter in der Not für mich ist, wenn ich
mal wieder im letzten Augenblick auf der
Suche nach einem passenden
Geschenk bin. Nein, Ludwig
Beck hat sogar einen Teil
dazu beigetragen, dass
ich überhaupt ins
Rathaus eingezogen bin.
Mitte der 80er-Jahre
hatte ich, nachdem ich
einige politische Rückschläge
verkraften musste, die Nase
voll von der Politik. Ich dachte
mir: Ich habe eine florierende
Rechtsanwaltskanzlei, dabei will
ich es belassen. 1988 erfuhr ich dann
aber, dass ich den von Ludwig Beck
gestifteten Preis ,Die Löwenpfote‘ bekommen sollte, für
meine Arbeit im Mieterschutz und den Kampf gegen AltbauSpekulanten und Mieter vertreiber.
Ich freute mich damals sehr über den Preis. Zumal man bei
Beck die Idee hatte, die Preisverleihung mit einer Mieterversammlung zu verknüpfen. Plötzlich wurden Rufe
„Das Kaufhaus LUDWIG BECK
trägt Verantwortung dafür, dass
ich Oberbürgermeister bin“
laut: ,Ude soll Bürgermeister werden.‘
Zum 150-jährigen Jubiläum wünsche ich
Ludwig Beck, dass sich das Haus an seinem
zentralen Standort behaupten kann. Es war
ein Schock für mich, als die ,Süddeutsche
Zeitung‘ aus der Innenstadt verschwand. Ich
wünsche mir, dass Ludwig Beck mir das
nicht auch antut – es gibt Traditionen, die
man pflegen sollte.“
39
1892 – Eine Strassenbahn gibt
es in München noch nicht. Der
erste Teil des Rathauses steht aber
bereits.
1946 – Nach dem Krieg klafft ein
Loch in Münchens Mitte. Der
Marienplatz ist schon frei von
Trümmern.
1951 – Wiederaufbau: Beck prägt
das Gesicht der Stadt während der
Wirtschaftswunderjahre.
1892
1946
1961
1961 – zum hundertsten
Geburtstag erstrahlt das
Kaufhaus in neuem Glanz und
beschenkt die Kunden mit
Jubiläumsangeboten.
1982 – Eine Aufnahme in
cinemascope, aufgenommen
kurz nach der Gründung der
Ludwig Beck GmbH.
2011 – Verkehrsberuhigte
Zone zum Flanieren: das Kaufhaus der Sinne im Hier und Jetzt.
1951
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München
Mitte
— Das Kaufhaus der Sinne gehört zur
Stadt wie der Viktualienmarkt oder das
Rathaus, an dessen Eck der Beck bekanntlich
liegt. Impressionen aus drei Jahrhunderten
Fotos: Ludwig Beck Archiv/BWA
2011
1982
41
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David
Hamilton
— Der britische
starfotograf
begann seine Karriere im
Kaufhaus der Sinne
Fotos: David Hamilton für Ludwig Beck
Hawaii, Karibik
und Paris – für
den Modekatalog von
Ludwig Beck
flog der Fotograf
um die ganze
Welt
IN ZUFALL FÜHRTE ZUR
Zusammenarbeit zwischen Ludwig Beck und
David Hamilton. Toni Feldmeier, einer der drei
Söhne von Gustl Feldmeier, traf Ende der
60er-Jahre beim Schwimmen im Prinzregentenbad eine Bekannte, die ihm einen jungen Briten
vorstellte: David Hamilton. Der Fotograf war
damals noch unbekannt. „Aber als er mir dann am
Nachmittag ein paar seiner Arbeiten zeigte,
buchte ich ihn sofort“, erinnert sich Feldmeier.
In den 60er- und 70er-Jahren fotografierte
Hamilton – der später zu einem der einflussreichsten Kunst- und Modefotografen der Welt werden
sollte – für mehrere Bademoden- und Unterwäschekataloge von Ludwig Beck. Die Models
setzte er auf Hawaii, in der Karibik und in Paris
in Szene. Den träumerisch-nebligen Weichzeichnereffekt, für den Hamilton berühmt ist,
erzeugte er ohne Computersoftware und
Spezialeffekte. „Er hauchte einfach auf die Linse“,
erinnert sich Feldmeier, der Hamilton häufig
bei Shoots begleitete, „oder er schmierte
Vaseline drauf.“
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Prozente, tonnen, Kilometer
— Wie viele dirndl Wurden 2010 verKauft? Wie viele cds von
den drei tenören? Wie hoch ist die Frauenquote, und wie viele Kundenfragen gibt es
in der vorweihnachtszeit? ludWig BecK in Zahlen
3 100
76
fragen beantworten die
Damen am infostand im
Erdgeschoss an einem
durchschnittlichen tag im
Dezember. Das entspricht
etwa einer Kundenanfrage alle 30 Sekunden.
350
Kilometer lang ist die Wanderung, die der Künstler Stefan
Winter unternommen hat, um
akustische Eindrücke für sein
Klangobjekt „Die Wanderung –
In Gedanken an Alma Rosé“ zu
sammeln. Es ist zum 150-jährigen Jubiläum von Ludwig
Beck vom 11. April an im
Kaufhaus der Sinne zu sehen
und zu hören. „Die Besucher
erwartet eine Installation aus
Röhren, die das Rolltreppenhaus vom fünften Stock bis ins
Erdgeschoss durchzieht“, sagt
Winter über sein Werk. „Die
Röhren münden in Schalltrichtern, die aussehen wie ein Teil
von einem Grammofon. In
jedem Stockwerk befindet sich
so eine Schall-Schnittstelle und
verströmt akustische Signale –
Straßenlärm, Atemzüge,
Schritte, klirrende Gläser,
Gesprächsfetzen, Kinder in
Gassen, Rauschen, Stille.“
Winter hat die Töne auf einer
zehntägigen Wanderung durch
Europa aufgelesen. „Akustische
Polaroids“ nennt der Künstler
diese Fundstücke und meint:
„Ich will die Besucher ermuntern, die Ohren zu öffnen und
zu lauschen, als würden sie an
einem Fenster vorbeigehen,
aus dem Geräusche dringen.“
Vom Einkaufsbummel im
Kaufhaus der Sinne nimmt man
in der Jubiläumszeit also nicht
nur Hemden und bunte Tücher
mit, sondern auch Geräusche,
Gefühle und Gedanken.
prozent aller beck-Mitarbeiter sind im Verkauf
und im Servicebereich
tätig. Der rest arbeitet
hinter den Kulissen.
Dirndl, genäht aus rund
13 000 Metern Stoff,
wurden 2010 bei Beck
gekauft. Im Jahr 2005
waren es noch 1 400 Stück.
Der Trend geht bei den
Käuferinnen ganz klar zum
Dritt- und Viertdirndl.
1
55
VoLL bELaDEnE
LKWS LiEfErn
JEDEn Monat DiE
WarE fÜr DaS
StaMMhauS aM
MariEnpLatz.
tonne pakete bewegt
jeder Mitarbeiter in der
Warenannahme des
Stammhauses am
Marienplatz an einem
normalen tag in der
Vorweihnachtszeit.
prozent aller Klassiktonträger, die in
Deutschland verkauft
werden, gehen in der
Musikabteilung von
Ludwig beck über
die theke.
20
0
00
cDS Von „carrEraS,
DoMingo, paVarotti
IN CONCERT“
WurDEn biSLang bEi
bEcK VErKauft –
DEr hauSintErnE
bEStSELLEr.
559
kleine Konzerte und
Signierstunden finden
durchschnittlich jedes Jahr in
der Musikabteilung von
Ludwig Beck statt. Der
Steinway-Flügel, der dort für
einige der Konzerte verwendet wird, wurde von Modezar
Karl Lagerfeld entworfen.
MitarbEitEr hat
bEcK iM
JubiLÄuMSJahr 2011.
85 prozEnt
DaVon SinD frauEn.
Sprachen sprechen die
Mitarbeiter von Ludwig Beck.
Deshalb können sie nicht nur
Kunden aus fast allen
Ländern Europas beraten,
sondern auch aus den USA,
China, Russland und dem
Nahen Osten.
143 960
Knöpfe wurden im Jahr 2010 in der
Ludwig beck-filiale „geknöpft & zugenäht“ verkauft. Würde man alle aneinanderlegen, ergäbe das eine Knopfreihe von
etwa 1,5 Kilometern Länge.
verschiedene nationalitäten gibt es in der
beck-belegschaft.
fast eine uno-Vollversammlung.
43
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22.03.11 13:55
— angefangen hat alles Mit ehrlicheM handWerK – heute ist Ludwig
1861
1901
aM 1. Mai eröffnet der damals
29-jährige Knopfmacher und
Posamentenmeister Ludwig
Beck auf dem väterlichen
Anwesen in der Landschaftsgasse 1 eine Werkstätte und in
der Dienergasse 13 einen
Laden. Das Team umfasst vier
Gesellen, zwei Verkäuferinnen
und zwei Lehrlinge.
Katharina bEcK stirbt
1874
uM DiE gESchÄftSrÄuME
zu vergrößern, kauft Beck die
Gebäude in der Dienergasse 23
und der Burggasse 2 – diese
Grundstücke bilden auch
heute noch den Kernbereich
des Kaufhauses.
1876
groSSE EhrE: Die gold-
und Silberposamenterien,
die in den beck-Werkstätten
gefertigt werden, begeistern
einen ganz besonderen
Kunden. König Ludwig ii.
lässt die Königsschlösser
Linderhof, neuschwanstein
und herrenchiemsee mit
den Schmuckstücken
dekorieren – die echten
posamenten aus echtem gold
zieren auch den prunkschlitten. König Ludwig ii.
verleiht Ludwig beck den
titel „Königlich bayerischer
Hofposamentier“.
1921
60 JahrE nach der Gründung
des Unternehmens arbeiten
61 Menschen bei Ludwig Beck.
1932
nach DEM toD von
Christian Beck führt dessen
Witwe Franziska Beck die
Firma weiter.
1938
franziSKa bEcK verkauft
„Ludwig Beck Posamentier“
an den 38-jährigen Textilkaufmann Gustl Feldmeier.
Seine erste Handlung: Er tauft
das Unternehmen, das
mittlerweile 138 Angestellte
hat, um in Ludwig Beck am
Rathauseck.
1945
DaS gESchÄftShauS in
der Dienerstraße 23 und
Burgstraße 2 wird bei einem
Luftangriff in der Nacht des
7. Januar völlig zerstört.
1948
zuSaMMEnSchLuSS: Die
Firmen Ludwig Beck am Rathauseck und das Textilhaus
Feldmeier und Sohn fusionieren.
1951
iM aLtEr von 53 Jahren
DaS fÜnfStÖcKigE
stirbt Ludwig Beck. Die
Geschäfte leitet nun seine Witwe
Katharina Beck, unterstützt
von den Söhnen Franz-Xaver
und Christian Beck.
1892
DiE firMa Ludwig Beck
erobert die Welt. Bei der
Weltausstellung in Chicago
wird das Kunsthandwerk aus
Bayern ausgezeichnet.
Folgejahren wird das Haus
endgültig zu einer Münchner
Institution.
Ludwig Beck am Rathauseck
ist heute die erste Adresse
für internationale Mode in
München. Bekannt wurde
die Firma Ende des 19. Jahrhunderts zunächst mit
Knöpfen, Posamenten und
Kurzwaren. Und weil man
Traditionen bei Beck gern
pflegt, schenkt man diesen
Produkten noch heute
besonderes Augenmerk.
Die eigene PosamentenWerkstätte wurde zwar
1938 geschlossen, und das
Warensortiment verlagerte sich
in Richtung Mode. Trotzdem
bietet Beck eine Auswahl an
Knöpfen und Kurzwaren,
die in München ihresgleichen
sucht. Im Sommer 2001 wurde
die Beck-Filiale „Geknöpft &
Zugenäht“ in der Burgstraße
7 eröffnet. Der Laden ist ein
Paradies für jeden Menschen,
der gern strickt, näht oder
sich handwerklich betätigt.
Vor allem aber ist „Geknöpft
& Zugenäht“ ein Ort, an
dem ein Stück Tradition in
zeitgemäßer Form fortlebt.
Denn wenn sich heute die
Münchnerinnen zum StrickTreffen zusammenfinden, das
jeden Samstag von 11 bis
16 Uhr in den Verkaufsräumen
stattfindet, fühlt sich der
Besucher fast zurückversetzt
in die kleine Werkstätte des
Ludwig Beck: Eine Gruppe
von geschickten Menschen
sitzt zusammen und produziert kleine Kunstwerke
aus Stoff, Garn und Wolle.
1954
und
garnen
im Alter von 63 Jahren. Ihre
beiden Söhne übernehmen
die Firma.
1885
Von KnÖpfEn
Geschäftshaus in der Dienerstraße und Burgstraße wird
feierlich eröffnet. Gustl
Feldmeier hat aus dem
„Königlich Bayerischen
Hofposamentier“ und dem
sogenannten „Bandl-Beck“
ein Textilhaus mit vollem
Sortiment gemacht. In den
DaS WirtSchaftSWunDEr
ist in vollem gange – und
gustl feldmeier trifft eine
der wichtigsten Entscheidungen in der geschichte des
unternehmens: Er kauft
die nachbargrundstücke des
Kaufhauses und erwirbt so
das heutige Stammhaus am
Marienplatz.
1961
zuM 100-JÄhrigEn
Firmenjubiläum finden Festakte
im Prinzregententheater und
im Cuvilliés-Theater statt.
1968 – 1972
DiE oLYMpiSchEn SpiELE
und der damit verbundene
Ausbau der S-Bahnen lässt
auch das Kaufhaus nicht
unberührt: Es kommt zu
umfangreichen Baumaßnahmen im Geschäftshaus am
Marienplatz.
1970
Ein traurigEr tag:
gustl feldmeier stirbt am
11. Juni. Das unternehmen
wird nun von seinen Söhnen
gustl junior, peter und toni
als gesellschafter der Kommanditgesellschaft sowie
von geschäftsführer
hermann rückl geführt.
1971
DEr aufSchWung findet
manchmal ganz unten statt:
Ludwig Beck eröffnet die
Verkaufsräume im Tiefgeschoss
des Marienplatzes. Neuer
Komfort: Die Kunden können
44
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22.03.11 13:55
Beck eines der innovativsten Kaufhäuser der Welt – eine erfolgsgeschichte
die Abteilung für klassische
Musik.
1974
1989
toni unD pEtEr
fELDMEiEr arbeiten mit
nEuE tÖnE: Das Projekt
„Jazz is Beck“ erweitert das
Portfolio des Hauses. Die
Musikabteilung wird endgültig
zur Nummer eins in München.
Hermann Rückl daran, aus
dem traditionsreichen Textilhaus
ein modernes Warenhaus zu
machen, das die neuen Kundenwünsche der 70er-Jahre zu
erfüllen vermag. So entsteht das
„Textilissima“-Haus.
Die Zeichen
DEr zEit:
vom Wappen
zum Logo
1988
nun direkt von der S-Bahn
oder U-Bahn in das Kaufhaus
gelangen.
MuSiK iM hauS: Beck eröffnet
1876
1992
LuDWig bEcK aLS pioniEr :
Das Kaufhaus führt für die
mittlerweile 840 Voll- und
Teilzeitbeschäftigten die
individuelle Arbeitszeit ein.
Das innovative Arbeitszeitmodell wird zum Vorbild für
viele Unternehmen in ganz
Deutschland.
1982
nEuE StruKturEn: Die
„Ludwig Beck am Rathauseck
Textilhaus Feldmeier KG“ wird
in die Betriebsgesellschaft
„Ludwig Beck am Rathauseck –
Textilhaus Feldmeier GmbH“
und eine Besitzgesellschaft
aufgeteilt, deren Gesellschafter
Peter und Toni Feldmeier sind.
Ludwig beck wird aktiengesellschaft, und das Stammhaus am Marienplatz gibt
sich den neuen namen
„Kaufhaus der Sinne“.
1950
1998
LuDWig bEcK gEht an
die börse. Der Emissions-
preis liegt bei 34,00 Mark.
Die aktien sind bei zeichnungsschluss rund zehnfach
überzeichnet.
1983
März eröffnet Ludwig beck
eine filiale im trump tower
an der new Yorker fifth
avenue. Knapp zwei Jahre
später wird das geschäft am
big apple aber schon wieder
geschlossen.
1986
groSSEr tuSch: z um
125. Geburtstag der Firma findet
unter anderem ein feierlicher
Festakt im Gasteig statt. Stargast:
der berühmte Jazzpianist Oscar
Peterson.
dritte Etage im Kaufhaus der
Sinne wird mit der neu gestalteten Fläche für Designer- und
Abendmode ein Fixpunkt der
Münchner Modeszene. Das
Kaufhaus Ludwig Beck wird in
diesem Jahr unter anderem mit
dem Fassadenpreis der Stadt
München ausgezeichnet. Die
neue Musikabteilung belegt aufgrund des Angebots und des
Services den ersten Platz beim
Retail Renovation Award.
2010
1960
2001
nEuE grÜnDErzEit:
Die „Ludwig Beck Beteiligungs
GmbH“ wird gegründet und
hält die Immobilie am Marienplatz.
2007
gLobaLE EXpanSion: im
2009
gLaMour unD gLanz: Die
Ein bESonDErES Jahr :
1978
gründet das Kaufhaus
Ludwig beck die Ludwig
beck grundbesitz haar
gmbh und erwirbt das über
8 000 Quadratmeter große
grundstück in haar bei
München, auf dem das neue
Logistikzentrum steht,
von dem aus das Stammhaus
beliefert wird.
LuDWig bEcK in nEuEM
gLanz: Der Umbau des
1978
Stammhauses gibt dem
Unternehmen ein frisches
Gesicht.
2008
in DEr fÜnftEn EtagE
eröffnet eine neue, exklusive
Musikwelt. Die renaissance
des Stammhauses schreitet
weiter voran. und der aufwand wird auch großzügig
belohnt: Ludwig beck erhält
den Echo Klassik-Sonderpreis. Ende Dezember
1986
seit 1992
goLDEnE zEitEn: Die
Designer- und Abendmodeabteilung wird weiter umgebaut und besticht nun durch
ein modernes, hochwertiges
Raumkonzept. Auch 2010
ist ein Jahr der Auszeichnungen: Für die Musikabteilung gewinnt Ludwig Beck
im April den Echo Jazz als
Händler des Jahres. Zudem
wird Ludwig Beck mit dem
Preis „Sterne der Wäsche“
der Zeitschrift „SOUS“ geehrt.
Auch die Zahlen und Umsatzkurven stimmen. Die Ergebnisse des Rekordjahres
2009 können sogar noch
übertroffen werden.
Der Konzern beendet das Jahr
mit einem Umsatzplus von
5,3 Prozent und steigert das
Ergebnis vor Steuern von
6,4 auf 9,9 Millionen Euro.
45
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d
as d u
— JaZZlegende Klaus doldinger
leiter
der berühmten Musik-
gute MusiK, den
Münchner MarKt
Interview:
Fotos:
DiE MuSiKabtEiLung von Ludwig beck wurde am 1. oktober
1988 unter der Leitung von Werner Will im haupthaus am
Marienplatz eröffnet. Der anspruch lautete schon damals: Wir
haben alles. und so erwartete die besucher vom ersten tag an
eine auswahl von rund 50 000 tonträgern aus dem bereich
der klassischen Musik. bereits 1989 kam die von Manfred
Scheffner geleitete Jazzabteilung hinzu. im Lauf der Jahre
wurde das Sortiment zudem um Weltmusik, hörbücher und
filmsoundtracks erweitert. innerhalb kurzer zeit entwickelte
sich Ludwig beck zum größten Einzelhändler für Klassik und
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a
u
d uett
-
t
im gespräch mit thieMo Brüll, dem
abteilung von Ludwig Beck, über
und die Zukunft des tonträgerhandels
Jazz in Deutschland und in Europa. unter der regie von thiemo
brüll, der 2003 die nachfolge von Werner Will und Manfred
Scheffner antrat, erfolgte 2008 der umzug der Musikabteilung
in den fünften Stock des haupthauses, wo Ludwig beck nun auf
1 000 Quadratmetern eine weltweit einzigartige Jazz- und
Klassikauswahl bietet. in der über 20-jährigen geschichte
wurde die Musikabteilung mit zahlreichen preisen ausgezeichnet, etwa mit dem Echo Klassik und dem Echo Jazz. in der
Musikabteilung kam thiemo brüll mit dem Komponisten Klaus
Doldinger zu einem musikalischen gipfeltreffen zusammen.
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Herr Doldinger, Hand
aufs Herz, haben Sie in der
Jazzabteilung von Beck schon in
Ihrem eigenen Fach gestöbert?
Klaus Doldinger Immer mal wieder, klar. Ich kontrolliere
allerdings nicht, ob alle Platten von mir da sind. Aber ich freue
mich, wenn es so ist.
Wie oft kommen Sie denn zu Besuch?
Klaus Doldinger Ich lebe ja schon seit Ende der 60er-Jahre
nicht mehr in der Stadt, sondern auf dem oberbayerischen Land.
Deshalb bin ich nicht ganz so oft hier, aber bestimmt mindestens
zwei- oder dreimal im Jahr.
dem liebe ich tief sortierte Plattenläden. Wir hatten hier lang
den Anspruch, dass wir jede einzelne lieferbare CD im Laden
haben. Das ist heute nicht mehr so. Seitdem sich das Format
Ende der 80-Jahre durchgesetzt hat, gibt es einfach ein zu großes
Sortiment. Wir wählen also aus. Aber mit Fingerspitzengefühl.
Vieles dürfte nirgendwo sonst mehr im Laden stehen.
KLAUS DOLDINGER In meiner Jugend, Anfang der 50er-Jahre
in Düsseldorf, gab es ja noch so gut wie keine Schallplatten. Es
war unglaublich aufregend, wenn damals der große Bruder
meines besten Freundes aus Italien oder der Schweiz die neueste Erroll Garner-Aufnahme mitbrachte oder Oscar Petersons
„Where Or When“ in Triobesetzung. Das war eine Sensation.
Man traf sich alle vierzehn Tage und hörte gemeinsam mit den
Mitgliedern des Hotclub Düsseldorf neue und seltene Platten.
Dizzy Gillespies „A Night In Tunisia“ konnten wir alle nachpfeifen. Diese Zeit der Entbehrung hat mich stark geprägt.
Und mit welchem Gefühl betreten Sie den Laden?
Klaus Doldinger Ich freue mich vor allem, alte Bekannte
unter den Mitarbeitern wiederzusehen. Was ich kaufen will,
weiß ich meistens schon vorher.
Haben Sie eigentlich viele so prominente Kunden wie Klaus
Doldinger, Herr Brüll?
Thiemo Brüll Wir sehen doch eine Menge bekannte Gesichter
hier. Schon allein natürlich wegen der großen Orchester der
Stadt. Dirigenten, Solisten, Orchestermusiker, wenn amerikanische Jazzmusiker in der Stadt sind, kommen sie oft auch zu
uns. Zuletzt etwa der amerikanische Keyboarder George Duke.
Viele prominente Musiker lassen sich auch immer wieder gern
von den gleichen Mitarbeitern beraten.
Es heißt, auch der britische Hollywoodstar Christopher Lee sei eine
Zeit lang sehr regelmäßig hier gewesen.
Thiemo Brüll Allerdings. Ich bin aber gar nicht sicher, wie
detailliert man die Geschichte erzählen darf.
So detailliert wie möglich bitte!
Thiemo Brüll Er kam als Klassik-Kunde. Er ist ja ein ausgebil-
deter Opernsänger und hat, glaube ich, auch als Dirigent gearbeitet. Er ging immer direkt ins Büro durch, unangemeldet
selbstverständlich, ließ sich den Mantel abnehmen, bestellte
einen Kaffee und gab uns dann einen langen Wunschzettel. Das
wiederholte sich über einige Jahre mehrmals pro Jahr.
Ist das denn der Unterschied zwischen einem guten und einem
schlechten Plattenladen: Dass man solchen Klatsch erst Jahre
später erfährt?
Klaus Doldinger Bestimmt, außerdem sollte das Angebot
natürlich genauso groß sein wie hier, und die Mitarbeiter sollten
ebenso freundlich beraten!
THIEMO BRÜLL Ich bin in einer kleinen Stadt im Westerwald
aufgewachsen. Da gab es im Radioladen ein paar Schallplatten.
Ich fuhr also nach Köln zum Saturn, dem Stammhaus, die gleichnamige Elektromarktkette existierte damals noch nicht. Dort
gab es ein begehbares Lager, und es war im Grunde eine kleine
Wissenschaft, dort Musik zu kaufen. Das hat mich geprägt, seit-
Klaus Doldinger
Der 1936 geborene Klaus Doldinger ist einer der erfolgreichsten
Komponisten und Jazzmusiker Deutschlands. Er spielt Saxofon und
komponierte unter anderem die Titelmelodie des „Tatort“,
die Filmmusik zu „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“.
Musik hatte da einen Wert, wie man ihn sich heute nur noch
sehr schwer vorstellen kann.
Nicht nur der Internethandel mit CDs hat das Geschäft der traditionellen Plattenläden schwerer gemacht, auch der Handel mit
Musikdateien wächst stetig. Es sieht fast so aus, als könne man Musik
bald gar nicht mehr anfassen.
KLAUS DOLDINGER Es wird immer Fans geben, die nicht nur
Musik hören, sondern auch eine Hülle, ein Booklet oder eine
Scheibe in der Hand halten wollen. Ich glaube nicht an den totalen Untergang des Handels mit CDs und Schallplatten. Ich sehe
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die Entwicklung aber auch sehr nüchtern. Meinen ersten
Exklusiv-Vertrag habe ich 1962 mit Philips geschlossen. Und damals war der Schallplattenmarkt ein ganz kleiner Markt. In den
70er- und 80er-Jahren explodierte er. Heute flaut das Geschäft
eben ein bisschen ab und wird vielleicht nie mehr so groß werden, wie es einmal war.
THIEMO BRÜLL Ich glaube auch, dass das Angebot an CDs in den
nächsten zehn Jahren deutlich kleiner werden wird. Das, was es
geben wird, könnte allerdings etwas teurer und luxuriöser ausgestattet sein. Im Dateienhandel muss man abwarten, bis sich
gute Formate durchsetzen. Klassische Musik in extrem komprimierten Formaten wie MP3 herunterzuladen, halte ich für völligen Unsinn. Die Qualität ist einfach noch viel zu schlecht. Ich
gehe aber davon aus, dass sich die Technik und damit auch die
Tonqualität der Musikdateien im Netz im Lauf der nächsten
Jahre deutlich verbessern wird.
Kaufen Sie manchmal Musik im Netz, Herr Doldinger?
KLAUS DOLDINGER Selten. Wenn ich mich für einen Künstler
interessiere, höre ich mir online die Anfänge seiner Musik an.
Als Informationsmedium ist das Netz für mich unersetzlich.
Sind die Münchner Musikfans anspruchsvolle Kunden?
THIEMO BRÜLL Ich glaube, dass sich die Münchner Jazz-Szene
nicht unbedingt wesentlich von der in Frankfurt oder Hamburg
unterscheidet. Es gibt fast in jeder größeren deutschen Stadt bekannte Clubs und eine lebendige Szene. In der Klassik ist die
Münchner Gemeinde allerdings sicher etwas sehr Besonderes.
Musik ist hier im öffentlichen Leben so präsent wie nirgendwo
sonst. München ist die Klassikhauptstadt Deutschlands.
KLAUS DOLDINGER Es gibt einige geschichtsträchtige Musikorte in der Stadt, die mich vor Ehrfurcht erschaudern lassen,
und die immer noch da sind. Ich bin immer wieder sehr ergriffen, wenn ich etwa auf der Bühne des Prinzregententheaters
stehe.
Schlägt sich diese Fachkenntnis auch in Ihrem Angebot nieder?
THIEMO BRÜLL Unsere Kunden haben ein großes Wissen. Mehr
noch als der Jazz ist die Klassik ja eine vergleichende Wissenschaft. Jede Beethoven-Symphonie hat bei uns ein eigenes Fach,
weil es so viele Einspielungen gibt.
Hat Sie schon einmal eine Kundenfrage ins Schwitzen gebracht?
THIEMO BRÜLL Wenn ich anfange zu schwitzen, habe ich zum
Glück immer einen Kollegen in der Nähe, der weiterhelfen kann.
Wir haben zum Beispiel Spezialisten für Oper im Team, für Alte
Musik, im Jazz haben wir einen Avantgarde-Experten, der für
unser Sortiment auch schon mal CDs besorgt, von denen nur
100 Stück gepresst wurden.
Thiemo Brüll
Der im Rheinland aufgewachsene Brüll leitet seit acht Jahren
die Musikabteilung von Ludwig Beck mit
ihren 30 Mitarbeitern. Der 52-Jährige begeistert sich
gleichermaßen für Klassik, Jazz und Weltmusik.
Das würde Ihr Geschäft allerdings tief greifend verändern.
THIEMO BRÜLL Ja, wir denken auch schon über eine Download-
Plattform nach. Aber die Datenqualität müsste eben wirklich
gut sein. Mal sehen, wohin die Reise gehen wird. Es könnte gut
sein, dass es in zehn Jahren für eine Tonträgerabteilung unserer
derzeitigen Größe überhaupt nicht mehr genug lieferbare CDs
gibt. Ich bin aber davon überzeugt, dass es für herausragende
Editionen immer eine Zukunft geben wird. Sogar Vinylplatten
werden ja wieder mehr gekauft. Es entstehen immer neue
Nischen und Bedürfnisse in unserem Bereich, auf die man sich
spezialisieren kann.
Was hören die Münchner derzeit am liebsten?
THIEMO BRÜLL Im Jazz haben sie auf jeden Fall keine Berührungsängste mit populäreren Ansätzen. Norah Jones und andere Stars des Smooth-Jazz werden viel gekauft, auch das neue
Album von Till Brönner kam sehr gut an.
KLAUS DOLDINGER Ich finde ja, dass das unterhaltende
Element, das der Jazz seit seinen Anfängen hat, unbedingt gepflegt werden darf. Ich habe immer gern Ornette Coleman gehört, aber eben auch den bei den Avantgardisten nicht allzu
hoch geschätzten Les McCann. Niemand sollte sich scheuen, zu
verständlich zu komponieren. Ich glaube sogar, dass es viel
schwerer ist, eine schöne Melodie zu komponieren als etwas
nölend Abstraktes. München war zum Glück immer großherzig
genug, um nicht nur meine experimentelleren Sachen zu lieben,
sondern auch die Musik, die ich für den „Tatort“ oder „Das
Boot“ geschrieben habe.
Jubiläums-Klanginstallation
Zum 150-Jährigen wird im April 2011 auf Vermittlung
Thiemo Brülls eine Klanginstallation des Münchner
Künstlers Stefan Winter die Kunden durch das Kaufhaus
führen. Die Installation beginnt im Erdgeschoss und führt
die Rolltreppen hinauf bis in die Musikabteilung.
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G’SCHICHTEN VOM RATHAUSECK
Ein König benötigt Erste Hilfe. IM KELLER DES KAUFHAUSES IST EIN
VERSTECKT. Und die Mitarbeiter von Ludwig
Beck wissen auch auf die seltsamsten Fragen EINE ANTWORT
Schwergewichtige
KÖNIGSBESUCHE
und
DENKWÜRDIGE
Kaiservisiten
DER BESUCH DES KÖNIGS
DES PAZIFIKS
Als im Jahr 1981 der König von
Tonga, Taufa’ahau Tupou IV.,
nach München kam, stand ein
Besuch bei Beck auf der Tagesordnung. Die Shopping-Visite
verlief aber anders als erwartet.
Auf dem Weg zum Kaufhaus
trat der Monarch aus dem Südpazifik in einen Nagel. BeckMitarbeiter leisteten schnell
Erste Hilfe. Der 170-Kilo-Mann
– damals bekannt als dickster
König der Welt – nahm in einem
Ohrensessel Platz und wurde mit
einem Pflaster sowie einem Paar
Filzpantoffeln ausgestattet. Er
fühlte sich so wohl, dass er viele
Stunden blieb.
DER JOB VON
KAISER FRANZ
Als gebürtiger Münchner war
natürlich auch „Kaiser“ Franz
Beckenbauer hin und wieder
Gast bei Ludwig Beck. Einmal,
1972, in einer für ihn ungewohnten Rolle: Denn Beckenbauer war es schon damals bei
Preisverleihungen gewohnt, die
Pokale überreicht zu bekommen.
Beck drehte den Spieß um und
engagierte ihn, um den Sieger
eines Malwettbewerbs zu ehren.
Eine neue Erfahrung für den
Kaiser – ein einmaliges Erlebnis
für die Kinder.
DER RESPEKT VON
HERZOG MAX
Gustl Feldmeier, der ehemalige
Geschäftsführer, hatte häufig
Künstler, Politiker und manchmal auch den Adel zu Gast.
Eines Tages war Herzog Max
von Bayern zu Besuch. Es war
ein netter Abend, nur Maxl,
Feldmeiers Hund, nervte sein
Herrchen. Plötzlich brüllte
Feldmeier: „Max, jetzt kommst
her!“ Daraufhin antwortete
der erschrockene Herzog Max:
„Jawoll, Herr Feldmeier, ich
komme sofort!“
BECKBERUFE
aus der
Vergangenheit
POSAMENTIERE
Quasten, Spitzen, Borten:
Die Verzierungen für
Polstermöbel und Uniformen
heißen Posamenten.
Die Handwerker, die sie
herstellen: Posamentiere.
REPASSIERER
Es gab eine Zeit, da waren
Nylonstrümpfe ein Luxusgut
und Laufmaschen eine
Tragödie. Die Retter in der Not:
Repassierer, die die Laufmaschen verschwinden ließen.
CHRISTKINDL-SPRECHER
In den 70er-Jahren konnten
Kinder bei Beck das Christkindl anrufen. Der Mitarbeiter
am anderen Ende der
Leitung war begeisterter
Laienschauspieler.
Die lustigsten
KUNDENWÜNSCHE
aus 150 Jahren
EIN GUT GEHÜTETER SCHATZ hatte nach mehr als
100 Jahren wieder einen großen Auftritt
IN DER MUSIKABTEILUNG
AM INFOSTAND
KUNDE: „Sagen Sie, wo ha-
KUNDE : Sind Sie hier für
ben Sie denn das Weihnachtskrematorium von Händel?“
(Gemeint war das Weihnachtsoratorium von Georg
Friedrich Händel)
Informationen zuständig?“
BECK-MITARBEITER: „Ja.“
KUNDE: „Wann fährt denn
die nächste S2?“
VIELE DER POSAMENTEN, die vom Königlich Bayerischen
Hofposamentier Ludwig Beck in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts hergestellt wurden, werden heute in Museen
und den Königsschlössern von Ludwig II. ausgestellt.
Glanzstück der Sammlung: ein Paar Epauletten, die Ende des
19. Jahrhunderts für König Maximilian II. von Bayern angefertigt worden waren. Über 100 Jahre lang hatten die UniformSchulterstücke – für die Ludwig Beck bei der Weltausstellung
1892 in Chicago einen Preis gewann – gut gehütet in einer
kleinen Truhe gelegen. Als die Stadt München beschloss, zum
200-jährigen Jubiläum des Oktoberfests im Jahr 2010 ein
„Wiesn-Prinzenpaar“, welches das historische Hochzeitspaar
Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von
Sachsen-Hildburghausen darstellen sollte, mit Gewändern
der damaligen Zeit auszustatten, holte man bei Beck den kleinen Schatz natürlich gern aus der Truhe.
KUNDE: „Hallo, wo haben
KUNDE „Haben Sie was von
dem taubstummen Boxer, der
auch singt?“
(Gemeint war der blinde Tenor
Andrea Bocelli, der den Boxer
Henry Maske mit dem Song
„Time To Say Goodbye“ zum
Ring begleitet hatte)
Sie Fusch oder wie man das
ausspricht?“
BECK-MITARBEITER: „Wie
heißt das?“
KUNDE: „Fusch oder Fosch.“
BECK-MITARBEITER:
„Wie schreibt man das denn?“
KUNDE: „V-O-G-U-E.“
KUNDE: „Grüß Gott, ich bin
KUNDE: „Do you speak
auf der Suche nach dieser
Carina Banana.“
(Gemeint war die Carmina
Burana von Carl Orff)
BECK-MITARBEITER: „Yes.“
KUNDE: „Also, ich hätte
English?“
gerne …“
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BEST
OF
BECK
2011
JUBILÄUMSANGEBOTE
Das gibt es
nur bei
LUDWIG BECK:
Zum
150. Jubiläum
bietet
das Kaufaus
der Sinne
Mit besten
unserer
Mode-, Stilund
Schönheitsexperten
und
Produkte
—
Fotos:
HOLGER ALBRICH
—
Jubiläumsprodukte
solange
der Vorrat reicht
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Ludwig Beck
excLusives
pflege de luxe
— das kosmetikparadies „Hautnah“ bietet zum Jubiläum
limitierte beauty-artikel und aussergewÖhnliche produktneuheiten,
die es exklusiv oder erstmalig bei ludwig Beck zu kaufen gibt
Diese
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Aveda „Best-of-Tasche“ mit vier Best-of-Produkten, limitierte Jubiläumsedition, 72 € – 2. Acqua di Parma, Travel
sprays „Le Nobili“, je 105 € – 3. L’Occitane, eau de Parfum „Pivoine Flora“, 47,50 € – 4. Origins, „Present Perfect“set, 49,50 € – 5. Benefit, Make-up-Sets „Sunday Funday“ und „Sceene Queen“, je 37 € – 6. Laura Mercier „Hydrating
Foundation Primer“, limitierte Jubiläumsedition, 54 € – 7. M.A.C., Make-up-Kollektion „Quite Cute“: Mineralize Blush
je 25,50 €, Lipstick je 18 €, Plushglass 19,50 € – 8. Bobbi Brown „Metallic Long-wear eye kit“, 45 €; Priori „cellular Recovery Serum“, 95 €; Kiehl’s „Ultra Facial Moisturizer“, limitierte Jubiläumsedition, 40 €
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Ludwig Beck
excLusives
exklusives vergnÜgen
— Ob Mode, Musik oder Lebensart: ludwig Beck steht für stil
und eleganz. Das beweisen unsere ausgewählten
JubiläumseDitionen, die sie nur im kaufhaus der sinne finden
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limitierte Edition; Leuchtturm, „München“-Notizbuch, 14,95 €; Porsche Design, iPhone-Hülle, 99 € – 3. codello, seidentuch, 89,95 € – 4. Thomas sabo, charm aus sterlingsilber, 59 €, limitierte edition – 5. Abro, xL-Beuteltasche aus
Pythonleder, 649 € – 6. sinéquanone, cocktailkleid, 99,95 €, exklusiv-style für Ludwig Beck – 7. Talbot Runhof,
seidenkleid, 998 €, exklusiv-style für Ludwig Beck – 8. Strenesse Blue, strassverziertes T-Shirt, 69 €
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LUDWIG BECK
BEST BASICS
DAMENWAHL
— DIE MODE-EXPERTEN VON LUDWIG BECK haben ihre
Lieblingsteile ausgewählt. Für DRUNTER UND DRÜBER,
für das Büro, die SONNENTERRASSE oder das OKTOBERFEST
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1. Wolford, „Individual“-Strumpfhose, 28 x – 2. Beck, Munich V-Pullover, erhältlich in 16 Farben, 45,95 x – 3. Princesse Tam Tam, „Lovely“-Wäscheset, Push-up-BH, 54,95 x, Slip, 32,95 x ; Hanro, Trägerhemd, 32,90 x – 4. Bogner,
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Blazer, 499 x, Akris Punto, Rock, 199 x – 7. Fräulein Trentini, Dirndl, 799 x – 8. Patrizia Pepe, Kleid, 219 x
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Ludwig Beck
BesT BAsics
männersache
— stil ist eine Frage Der haltung. Unsere Experten
aus der Herrenmode präsentieren Produkte,
die jeder mann in seinem kleiderschrank haben sollte
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Lauren, Polo-shirt, 79 € – 8. Nudie Jeans, „Thin Finn“-Bluejeans, 99,95 €
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DIe GOLDene mItte
— schOn Immer war der marktplatz das Zentrum Der staDt. In Der
mODerne erfÜLLen KaufhÄuser DIese funKtIOn. Erst recht im 21. Jahrhundert
e
Von tOBIas mOOrsteDt Illustration: aLeXIs ZurfLÜh
in hERR MiTTLEREn ALTERS , der, wie er
später erklären wird, aus dem Städtchen
Alexandria im uS-Bundesstaat Virginia
stammt, nähert sich einem Kiosk auf dem
Marienplatz und nimmt eine Postkarte aus
dem feingliedrigen Metallständer. Die Karte zeigt die
innenstadt aus der Luftperspektive. Der Besucher aus
Amerika muss sich vorkommen, als beobachte er sich
selbst mit Satellitensinnen. Das Postkartenmotiv zeigt
den Kiosk, das neugotische felsmassiv des Rathauses,
den Viktualienmarkt und die roten Dächer der Kaufhäuser und Geschäfte. „ich war an allen diesen Orten“,
sagt der Mann, und fährt mit dem finger über das
foto – Museen und Königsschlösser, Marktplätze und
Kaufhäuser. Die Sehenswürdigkeiten.
Man hat eine Stadt nicht wirklich gesehen, wenn
man sich nicht in ihren Gassen verfahren oder ein paar
Geldscheine auf den Märkten und in Kaufhäusern
gelassen hat. Eine new York-Reise ist nicht vollständig
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ohne einen Besuch im „Bloomingdales“, in hongkong
lockt der nachtmarkt mit Garküchen und Singvögeln
im Sonderangebot. in München, raten Reiseführer,
müsse man den Viktualienmarkt erlebt haben und die
traditionsreichen Kaufhäuser der Stadt.
Die Warenhäuser sind mehr als Gebrauchsoberflächen und Konsumräume. nicht nur, weil die häuser und
Märkte durch unzählige Kaufhandlungen und Auslieferungen mit der Stadt verwoben sind, sondern auch, wie
der renommierte Architekt und Stadtforscher Wolfgang
Christ schreibt, „weil sie foren bieten, auf denen wir
einander begegnen können“. Das Kaufhaus als verdichteter Raum, in dem nicht nur Waren verschoben,
sondern auch informationen ausgetauscht werden,
Menschen und Meinungen aufeinanderprallen. Wolfgang Christ sagt: „Das ist das Privileg der City.“
Das gefällt auch dem Besucher aus Virginia. „Wir
haben nur highways und Einkaufszentren auf der
grünen Wiese“, erzählt er von zu hause, „und wenn man
TR AuM unD R AuM
Ludwig Beck gehört zu
den Sehenswürdigkeiten
der Innenstadt wie der
Viktualienmarkt, das
Rathaus oder die Museen.
23.03.11 11:21
jemanden auf der Straße trifft, dann ist man mit hoher
Wahrscheinlichkeit in einen Autounfall verwickelt.“
Kaufhäuser wie harrods in London, die Galeries
Lafayette in Paris oder Ludwig Beck in München stehen
im Zentrum und bilden den Kern der Stadt. und doch
hatte man unlängst den Eindruck, dass diese häuser ein
ähnliches Schicksal erwartet wie die Königsresidenzen
und Kathedralen, dass sie eben zu Monumenten einer
untergegangenen Epoche werden. Zeitungen verfassten Essays, die sich lasen wie Todesanzeigen, indem sie
über „die Dinosaurier des handels“ schrieben. Der
untergang fällt aus: Die Kaufhauskonzerne Macy’s und
Saks haben den Aktienkurs seit 2009 verdreifacht.
Auch Ludwig Beck meldet Rekordgewinne.
Die großen Kaufhäuser des 19. und 20. Jahrhunderts orientierten sich an den Stilmitteln der Schlösser
und Kirchen – mit Säulen, Giebeln, Glasfronten und
ganz viel Licht. Bereits Aristide Boucicaut, der im Jahr
1838 in Paris das erste moderne Kaufhaus, das „Au Bon
Marché“, eröffnete, bestand auf hohen Decken und
weißen Wänden. Émile Zola schrieb in seinem Roman
„Das Paradies der Damen“ über den ersten Kontakt
eines jungen Mädchens mit dem Konsumzeitalter:
„Das Warenhaus erschien unfassbar groß, zeigte sich
ihr im Licht vergoldet, ähnlich einer Stadt mit ihren
Prachtbauten, ihren Palästen, ihren Straßen, wo sich
Das Kaufhaus ist ein Ort, an
dem waren unD InfOrmatIOnen
getauscht werden – und
ein Treffpunkt für menschen
jemals zurechtzufinden ihr unmöglich vorkam.“ Und
der Berliner Publizist und flaneur Alfred Kerr
beschrieb die new Yorker Kaufhäuser im Jahr 1922 als
„wahres Schlaraffenland“, das neue Paradies, das Land
ohne Mangel. „Kathedrale des Konsums“ nannte man
die institutionen bald. Der moderne Konsument aber
verhält sich anders als ein Gläubiger oder untertan, er
folgt nicht den heiligen Geschäftsgeboten und
schreitet auch nicht ehrfürchtig durch die Verkaufsräume, sondern sucht nach dem besten Angebot und
einem individuellen Look. Das Kaufhaus, das eine
Masse von Waren an eine Masse von Kunden verkaufen will, bekam in der zweiten hälfte des 20. Jahrhunderts ein Problem, da es vielleicht alle Waren unter ein
Dach kriegte, aber nicht alle Milieus und Subkulturen
– es war ein ganz ähnlicher Prozess, der Volksparteien
und Massenmedien angriff. um nicht wirklich das
Schicksal der Dinosaurier zu erleiden, musste sich der
Organismus Kaufhaus den veränderten naturgesetzen
und Lebensbedingungen der Marktnische anpassen,
musste schneller, schlauer und auch schöner werden.
„Kunden haben heute genaue informationen über
Preise und Standorte von Produkten“, schreiben die
Zukunftsforscher vom Büro MDK in einer Studie zum
Thema, es reiche nicht aus, die Ware verfügbar zu
machen. Die Kaufhäuser müssten auf Atmosphäre und
„emphatisches, sensibles Personal“ setzen. Verkäuferinnen, die echten Rat geben. Einkäufer, die keine
Standards bestellen, sondern schnell auf Trends
reagieren, und Dinge finden, die zusammenpassen.
Kaufhausmanager werden zu Kuratoren einer
Lebenswelt.
D
iE KAufhÄuSER DES 21. JAhRhunDERTS
sehen nicht mehr aus wie Paläste oder
Kirchen, sondern orientieren sich an den
fantasieräumen der Gegenwart, den
futuristischen Museen, coolen Lofts und
edlen Designhotels. Wenn man ins Kaufhaus gehe,
bemerkte der Politiker und spätere Außenminister
Gustav Stresemann schon im Jahr 1900, „so heißt das
nicht, dass man etwas besonders notwendig braucht,
sondern man spricht wie von einem Ausflug, den man
etwa in einen schönen Orte der umgebung macht“. Die
erfolgreichen Kaufhäuser der Gegenwart verstehen sich
nicht als Warenumschlagplatz, sondern als Erlebniswelt. im frühjahr 2011 sieht die Kosmetikabteilung
„hautnah“ von Ludwig Beck aus wie der BackstageBereich einer Modenschau. Da stehen Klappstühle und
Scheinwerfer, es gibt große flachbildschirme und einen
Catering-Bereich. Schöne frauen sitzen auf den Stühlen
und werden von Make-up-Künstlern noch ein wenig
schöner gemacht – für den endlosen Laufsteg der Stadt.
Das attraktivste Angebot der Kaufhäuser aber sind
wohl gar nicht die Produkte, sondern: die anderen
Menschen. Der Konsument des 21. Jahrhunderst kann
zwar mit Kreditkartennummer und Wi-fi-Passwort in
jedem Shop der Welt einkaufen, sitzt jedoch meist
allein vor dem Bildschirm. Die Schwerelosigkeit und
Einsamkeit der virtuellen Existenz macht es wieder
attraktiv, sich aufs fahrrad zu setzen und das hemd in
der innenstadt zu kaufen – think global, act local. im
Kaufhaus kann man für sich sein, wird aber auch
angesprochen, angerempelt und überrascht. Das, was
lange als großer nachteil der Kaufhäuser galt, dass sie
an einen realen Ort gebunden sind und den Verkehr von
physischen Gütern und Personen regeln müssen, wird
zur Lebensversicherung für die Zukunft. Die Mischung
aus Anonymität und sozialem Kontakt, freiheit und
Eingebundenheit – das war schon immer das unwiderstehliche Versprechen der Stadt.
iMPRESSuM
hER AuSGEBER
Ludwig Beck am
Rathauseck–Textilhaus
feldmeier AG
Marienplatz 11
80331 München
www.ludwigbeck.de
PROJEKTLEiTunG
Barbara Gruber
REDAKTiOnSLEiTunG
Jan Kirsten Biener,
Alexander Runte
ART DiRECTiOn
Alexis Zurflüh
TExTChEf
Tobias Moorstedt
REDAKTiOn
Paul-Philipp Hanske,
Barbara Höfler,
Benedikt Sarreiter
GR AfiK
Daniel Schnitterbaum
SChLuSSREDAKTiOn
Julei M. Habisreutinger
MiTARBEiT
Holger Albrich, Valentino
Betz, Jean-Philippe
Delhomme, Feuer AG,
Benedikt Frank,
Stephanie Füssenich,
Häberlein & Mauerer AG,
Stefan Heinrichs, Wäis
Kiani, Matthias Kolb,
Nicole Kuhn, Kathrin
Maeurer, Nadja Mahmoud,
MXM Digital Service,
Alexander Neumann,
Eckhart Nickel, Albert
Ostermaier, Jochen Pahs,
Jens-Christian Rabe,
Josef M. Redl, Paul Sahner,
Evelyn Sand, Armin
Smailovic, Markus
Tedeskino, Jan Weiler
DRuCK
Aumüller Druck
GmbH & Co. KG
Weidener Straße 2
93057 Regensburg
Tobias MoorsTedT
KOnZEPT & REALiSATiOn
nAnSEn & PiCCARD
Der Autor wurde 1977 in München geboren. Er arbeitet
als Journalist unter anderem für die „Süddeutsche
Zeitung“ und den Bayerischen Rundfunk. Seine Bücher
erscheinen bei Suhrkamp und im Rowohlt Verlag.
seit 1861
www.nansenundpiccard.de
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jubilÄums Kampagne
Starker
auftritt
— die Münchner Jeanette hain, nina ruge, Michael Mendl
und SiMon VerhoeVen Sind eS gewohnt, vor der Kamera zu stehen.
Sie Sind die geSichter der JubiläuMSkaMpagne Von ludwig beck.
ihr honorar spendeten sie für einen guten Zweck.
Vier dialoge über haltung, heiMat – und guten Stil
Fotos:
Michael Mendl
Der Schauspieler war lange Zeit am Theater, bevor er zum Film
ging. Seitdem steht er für so renommierte Regisseure
wie Dominik Graf, Dieter Wedel und Joseph Vilsmaier vor der
Kamera. Michael Mendl spendete sein Honorar der Organisation
Gegen NOMA e.V.
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ludwig becK
Michael Mendl
Kampagne
—
„im Stil eines Menschen zeigt sich
sein charakter“
Kampagne: Feuer AG
h
err Mendl, Sie leben seit zwei Jahren in Berlin.
An welche Zeit in München denken Sie besonders
gern zurück?
mendl meine aufregendsten jahre waren
sicher die, in denen ich am Residenztheater oder an den
Kammerspielen engagiert war. 1981 kam ich für eine Tschechow-inszenierung von Thomas langhoff das erste mal
nach münchen.
ludwig becK Und wurden von Publikum und Kritik gefeiert.
mendl das war ein absolutes Highlight in meiner Karriere.
eine ehre, dass langhoff mich als gastschauspieler in diese
inszenierung aufnahm. er galt damals als einer der wichtigsten Regisseure des deutschsprachigen Theaters. 1987
ging ich dann ans Residenztheater. auch das war eine
kompakte, intensive Zeit, die mein leben lange bestimmte.
ludwig becK Ihren Durchbruch beim Film hatten Sie 1992 mit
Sönke Wortmanns „Kleine Haie“.
mendl ich hatte glück, dass diese Karrieren so ineinander
übergingen. mittlerweile habe ich in über 120 Filmproduktionen mitgewirkt, die mir ermöglicht haben, eine ungeheure
bandbreite an Rollen zu zeigen. nichts wäre für mich langweiliger, als immer wieder den gleichen Typ mensch zu
spielen. ich meine, ein Typ ist man ja sowieso. aber wer im
schauspielerischen akt die Vielfältigkeit von menschen
darstellen will, kann das nur, wenn er selbst vielfältig ist.
ludwig becK Lassen sich denn jüngere Kollegen heute zu
schnell auf bestimmte Typen festlegen?
mendl Das passiert im Film wahrscheinlich zwangsläufig.
das geschäft ist unglaublich schnelllebig geworden.
man fokussiert sich auf Themen und Typen, die gerade
angesagt sind und an der Kasse funktionieren. das kann aber
auch die entwicklung der persönlichkeit hemmen und dazu
führen, dass diese schauspieler in ihrer arbeit ganz
stehen bleiben. die Kollegen meiner generation versuchten,
jeden Tag aufs neue etwas vom leben einzuatmen, um sich
einen Fundus zu schaffen, aus dem heraus man geschichten
erzählen kann.
ludwig becK Sind Sie eigentlich ein Mann der alten Schule?
mendl ich hoffe doch.
ludwig becK Haben Männer der alten Schule grundsätzlich
mehr Stil?
mendl das meine ich nicht. guter stil ist in jeder generation
zu finden. Er ist kein Zustand, sondern eine konsequente
art und weise zu leben und sich auszudrücken. im stil eines
menschen zeigt sich sein charakter. wer ihn haben will,
sollte Haltung bewahren und seine Werte klar definieren.
wir müssen wach und neugierig bleiben. als schauspieler
sage ich: da habe ich was kapiert, da habe ich was gesehen.
das brauche ich, das verwerte ich, das ordne ich ein. aber ich
weiß: stil ist ein charakterzug, den man nicht spielen kann.
Jeanette hain
—
„Stil heißt, bei sich zu hause zu sein“
f
rau Hain, haben Sie manchmal Heimweh nach München?
Hain ja. das merke ich, wenn ich in berlin anfange, bayerisch zu sprechen. dann packt mich die
sehnsucht nach meinen wurzeln. münchen ist für
mich jedes mal eine Zeitreise. es gibt so viele plätze, mit
denen ich erinnerungen aus meiner jugend verbinde. Zum
glück kann ich aber auch in berlin eine bayerische Tradition
ausleben: abends in der Kneipe trinke ich grundsätzlich
weißbier.
ludwig becK Inwiefern hat die Stadt Sie geprägt?
Hain münchen hat mir geborgenheit und eine art urvertrauen gegeben. die menschen dort habe ich als frei und
großzügig erlebt. wenn du nachts im englischen garten
nackt herumrennen würdest, dann würden dir die menschen
eher einen mantel anbieten, als dass du um dein leben
bangen müsstest.
ludwig becK Sie wurden auch in München entdeckt.
Hain ja. ich studierte gerade Regie an der Filmhochschule,
als mich die Regisseurin sherry Hormann für die Titelrolle
in „die cellistin“ besetzte, der 1996 in die Kinos kam. dass
die Regisseurin mich damals von der straße weg als Hauptdarstellerin engagierte, ist heute völlig unvorstellbar.
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jubilÄums Kampagne
VeRHoeVen es geht mit richtigem schwung weiter. wir
JeaneTTe hain
Die Schauspielerin wuchs in München auf, wo sie auch die
Filmhochschule besuchte. Als Schauspielerin sieht man
sie sowohl auf der Bühne als auch im Kino und Fernsehen. So
spielte sie etwa in „Die Gräfin“, „Gier“ und „Poll“ mit.
Jeanette Hain spendete ihr Honorar dem
Albert-Schweitzer-Familienwerk Bayern e.V.
ludwig becK „Die Cellistin“ wurde aber ein großer Erfolg.
Hain und es war mir schnell klar, dass ich in der schau-
spielerei gefunden hatte, wonach ich suchte.
ludwig becK Es geht Ihnen um Selbstfindung?
Hain Um Selbstfindung und Entwicklung des eigenen Stils.
ludwig becK Was verbinden Sie mit Stil?
Hain guter stil heißt für mich, bei sich zu Hause zu sein. er
muss authentisch wirken. als mädchen bin ich in sachen
mode gern gegen den strom geschwommen. meine mutter
verbrachte damals ganze Tage mit mir bei ludwig beck. in
diesem universum an ideen wurde ich meistens fündig.
ludwig becK Stöbern Sie immer noch gern nach Kleidung?
Hain wenn ich in münchen bin, gehe ich zu beck. es gibt für
mich kein Kaufhaus, das so persönlich, individuell und eigenwillig ist: die musikabteilung, das wunderschöne strumpfhaus, die tolle Kosmetiketage. das Haus verändert sich und
geht mit der Zeit, aber immer auf einfühlsame weise.
fangen genau da an, wo wir im ersten Teil aufgehört haben
und wirbeln die Figuren ganz schön durcheinander. die
Karten werden für jeden mann neu gemischt. ich denke, die
Zuschauer werden spaß haben mit den Typen.
ludwig becK Welcher dieser Figuren sind Sie am nächsten?
VeRHoeVen christian ulmen, der die Rolle von günter
spielt, hat beim drehen zu mir gesagt: „das bist alles du.“ er
hat sicherlich recht. die eifersuchtsanfälle, der Fußballwahn,
die angst vor der schlabberhose, die eine Frau ab einem
gewissen Zeitpunkt in der beziehung auspackt – das alles
steckt auch in mir oder hat mit meinen erfahrungen zu tun.
ludwig becK Was verbinden Sie mit Ludwig Beck?
VeRHoeVen als 12-jähriger bin ich nach der schule mit dem
bus immer zum marienplatz gefahren, um dort mit meinen
Kumpels noch ein bisschen abzuhängen. am Fischbrunnen
oder bei ludwig beck. wir sind dann oft in die musikabteilung gegangen, haben cds gehört und uns in dem bistro
ein sandwich gekauft. beck ist für mich münchen – volksnah
und total unprätentiös.
SiMon VerhoeVen
Der Sohn Senta Bergers und Michael Verhoevens kam früh in
Kontakt mit der Filmwelt. Er ist als Schauspieler und
auch als Regisseur erfolgreich: „Männerherzen“ (2009) und
„Männerherzen und die ganz, ganz große Liebe“ (2011).
Simon Verhoeven spendete sein Honorar der
Ambulanten Sozialpädagogik Charlottenburg e.V.
SiMon VerhoeVen
—
„Stil ist die art und weise, wie du das
chaos der welt in deine form bringst“
h
err Verhoeven, wie definieren Sie Stil?
VeRHoeVen jeder, der sich und seinen eigenen
stil entfalten kann, sollte das als geschenk sehen.
meine mutter hat immer gesagt: du musst deinem
leben eine Form geben. es geht darum, dass du morgens
aufstehst und darum, wie du den Tag beginnst. stil ist die art
und weise, wie du das chaos der welt in deine Form bringst.
ludwig becK Haben Sie als Regisseur Ihren Stil gefunden?
VeRHoeVen grundsätzlich versuche ich, dynamisch,
fließend und stimmig zu erzählen. Ich will Filme drehen, die
mit Hollywood mithalten können. ich möchte mit kleinen
alltäglichen geschichten visuell großes Kino machen und
eine welt schaffen, in die der Zuschauer hineingesogen wird.
stil ist für einen Regisseur das Kriterium, ob er erfolg hat.
ludwig becK Sind Sie unabhängig von der Meinung anderer?
VeRHoeVen Definitiv nicht. Ich will schon ein breites Publikum intelligent unterhalten. letztlich kann ich aber nur das
machen, was mir selbst gefällt und was mich interessiert.
manchmal ist das ein publikumsnaher Film wie „männerherzen“, manchmal vielleicht eher ein arthaus-projekt.
ludwig becK Im Herbst 2011 startet die Fortsetzung des Films
„Männerherzen“. Was erwartet die Zuschauer?
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ludwig becK
nina ruge
—
„Stil ist eine Stimme, die aus dem
herzen spricht“
Kampagne
f
rau Ruge, wovon handelt heute die große Münchner
Gesellschaftskomödie?
Ruge auf jeden Fall von interessanten schönheitsoperationen. auch von affären und liebschaften.
ludwig becK Sie sind in München geboren und aufgewachsen.
Ruge Hört man, oder? (lacht) meine eltern waren beide
berliner und haben viel wert auf erziehung und sprache
gelegt. Zum essen gehörten bei uns servietten mit serviettenringen. Wenn meine Schwester und ich anfingen,
Bayerisch zu sprechen, flogen die schon mal durchs Zimmer.
dabei mochten wir den dialekt, weil er so warm ist.
ludwig becK Haben Sie eine Münchner Seele?
Ruge ja, total. als ich im alter von neun jahren nach braunschweig zog, habe ich gelitten wie ein Hund. das klingt jetzt
kitschig, aber dort gab es diesen blauen Himmel nicht und die
weißen wölkchen. ich vermisste die klaren Rollen, auch in
der schule. in münchen wusste ich sozusagen, wo oben und
unten war. während mir in niedersachsen alles so larifari
vorkam. da stand man nicht auf, wenn der lehrer mit einem
sprach. und es wurde morgens auch nicht die bayerische
nationalhymne gesungen. die wärme und dieses bayerisch
Verwurzelte – das zu verlassen, ist mir schwer gefallen.
„wenn ich an den klaSSiSchen Münchner denke, kommt mir sofort bernd
eichinger in den Sinn: er ließ sich von konVentionen nicht terrorisieren“
ludwig becK Erst 1997 kehrten Sie nach München zurück.
ludwig becK Anderswo gelten Münchner gern als Angeber?
Ruge die stadt hatte sich natürlich verändert. ich musste sie
wieder völlig neu entdecken. unter anderem auch ludwig
beck. da war für mich die Kosmetikabteilung ein wunderland, weil so viele ausgefallene internationale marken im
sortiment waren, und es eine sehr gute beratung gab. mir
gefällt auch, dass die waren auf den Tresen offen präsentiert
werden. ganz anders als in einigen luxuskaufhäusern, in
denen man sich kaum traut, die sachen anzufassen.
ludwig becK Andere Frage: Tragen Sie auf der Wiesn Dirndl?
Ruge Klar. Ich fände es stillos, im Business-Outfit aufzukreuzen.
ludwig becK Hat Stil etwas mit Traditionsbewusstsein zu tun?
Ruge Zumindest wird er nicht gesteuert von magazinen. es
ist toll, wenn man ein gespür für mode hat, aber man muss
versuchen, den richtigen Filter einzusetzen. stil ist eine dialektik zwischen mir und den schwingungen, die um mich
herum sind. er ist eine stimme, die aus dem Herzen spricht.
ludwig becK Wie sieht der typische Münchner Stil aus?
Ruge man genießt es, sich ein wenig Zeit zu lassen. die
stilistischen wellen schlagen in münchen nicht so hoch. die
bekenntnis zu einem lässigen, aber edlen schick, das ist ein
bisschen common sense. leider aber auch die goldknöpfe
an den blazern und sakkos. und die einstecktücher.
Ruge sie zeigen selbstbewusster, wenn sie was haben. das
stimmt schon. weil es eben einfach auch viele gibt, die
wohlhabend sind. natürlich existieren hier soziale unterschiede, aber sicher nicht so krass wie in berlin beispielsweise. wenn ich an den klassischen münchner denke, kommt
mir gleich bernd eichinger in den sinn. er hat für mich den
typischen münchner bohemien verkörpert, der ausdrückte:
ich lasse mich von Konventionen nicht terrorisieren. ich
mache meine eigenen dinger und sprenge dafür, wenn es mir
passt, auch jeden Rahmen. ein mann mit großartigem stil.
ludwig becK Könnten Sie einen Mann lieben, dem Mode
vollkommen egal ist?
Ruge sie meinen, der sich schlecht anzieht? damit hätte ich
ein problem. da müsste die liebe schon sehr groß sein.
nina rUGe
Die in München geborene Nina Ruge arbeitete zuerst als
Lehrerin, bevor sie im Fernsehen Sendungen wie das
„heute journal“ und „leute heute“ moderierte. Zusammen mit
ihrem Mann lebt sie heute wieder in München.
Nina Ruge spendete ihr Honorar den
„Netzwerkfrauen“ der LAG Selbsthilfe Bayern.
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scienceFAshion
— Als lUdwig beck gegründet
wurde, trugen die meisten Menschen noch
Uniform. wie wird sich stil in
den kommenden 150 Jahren verändern?
Die aktuelle Mode-Vorhersage
Von
Illustration:
r
eisende, die im Jahr 2011 ein Flugzeug von münchen
nach Los angeles besteigen, haben das Gefühl, dass
die hightech-maschine sie nicht über den Ozean
transportiert, sondern zurückbringt in die Vergangenheit. in der Businessklasse sitzen männer mit
schmalen Krawatten und hüten, die Frauen tragen Bleistiftröcke
und knallroten Lippenstift. nur die iPads und smartphones, die die
Passagiere mit routinierten Fingerstrichen bedienen, beweisen,
dass man sich doch nicht in den 50er-Jahren befindet, sondern im
Luftraum des 21. Jahrhunderts.
ausgelöst wurde der aktuelle retro-Trend von der Fernsehserie „mad men“, welche die irrungen und Wirrungen einer Gruppe
von Werbern im new York der frühen 60er-Jahre zum Thema
hat. einer Zeit, in der männer noch hüte besaßen und sie auch
zuweilen höflich lüfteten, und Frauen Strapse, Korsage und Handschuhe trugen.
schon seltsam: hätte man 1950 schulkinder darum gebeten, zu
zeichnen, wie sie sich die Kleidung der menschen im Jahr 2011
vorstellen, dann hätten sie vermutlich hautenge Gummianzüge gemalt
und silberne Capes. heute, zehn Jahre nach der angekündigten
stil-apokalypse in „2001 – a space Odyssee“ tragen wir immer noch
keine Astronautenkleidung, und vom modischen Einfluss der
außerirdischen ist auch nichts zu spüren. stattdessen laufen die
30- und 40-Jährigen herum wie ihre Großeltern (nur eben mit iPads
und smartphones in der Tasche).
die Gegenwart träumt immer von der Zukunft und sucht gleichzeitig in der Vergangenheit nach passenden Zeichen, schnitten und
Posen. die evolution der mode und des stils ist deshalb keine lineare
entwicklung. nein, da sind Zeitsprünge, rückblenden und Wurmlöcher. Und nur so ist es möglich, dass die menschen des 21. Jahrhunderts plötzlich den stil der frühen 60er-Jahre importieren; eigentlich
ja einer prüden Ära, in der der einzelne wenig stilistische Freiheiten
hatte. in der Gegenwart, in der man ohne Probleme im T-shirt zum
meeting kommen kann, ist der anzug aber kein Zeichen des Konformismus mehr, sondern ein akt der rebellion. so ändern sich die
Zeichen und die Zeiten.
Es ist deshalb unmöglich, den Modefilm, diese Abfolge aus
Bildern, Farben und Gesten, vorzuspulen und darüber zu spekulieren,
wie guter stil in 150 Jahren aussehen wird. aber eines ist sicher: mit
raumschifftauglichen stretchanzügen und solarzellen-Couture wird
es wenig zu tun haben. Guter stil, heißt es, ist zeitlos, und das merkt
man daran, dass die Looks von audrey hepburn auch im 21. Jahrhundert auf den Laufstegen und Bürgersteigen immer wieder neu
interpretiert werden. der moment, in dem Bianca Jagger vor nun auch
schon wieder 30 Jahren auf einem weißen Pferd in einen new Yorker
Club einritt, ist uns weniger wegen ihres perfekten Körpers oder
des schulterfreien Kleides in erinnerung geblieben, sondern wegen
ihrer ausstrahlung, dieser mischung aus mut, ich-stärke und der
sensibilität für den augenblick. stil eben.
im 19. Jahrhundert war Kleidung weitgehend gleichbedeutend
mit Uniform. im 21. Jahrhundert gibt es weniger Konventionen und
regeln. das macht das spiel des stils schwieriger – und unglaublich
spannend. Im Internet finden sich mehr Kleidungsstücke und
informationen, als reale magazine und modeschauen abbilden
können. man kann alles sehen und auch alles gleich bestellen. der stil
des 21. Jahrhunderts ist durch eine ungeheure Geschwindigkeit
gekennzeichnet – und durch Freiheit. Wir haben einen riesigen
handlungsspielraum, nehmen zweimal „alt“ und machen daraus
etwas neues. Wir mischen teuer, günstig und umsonst. Wir kombinieren die Pelzmäntel der Oma mit Jeans und Turnschuhen, und
investieren 1 000 euro in eine Lederjacke, die früher von Punks
getragen wurde, heute aber einlass in den begehbaren Kleiderschrank
der high society gefunden hat. stil lebt mit uns und in uns und ist
schwerer vorauszusagen als das Wetter in Zeiten des Klimawandels. Und eigentlich will man ja auch gar nicht wissen, wie der
Modefilm weitergeht, denn es sind ja die Spannung und die ewige
suche nach dem richtigen Look für den moment, die den Gang zum
Kleiderschrank oder in die Läden so reizvoll machen. den stil der
Zukunft gibt es nicht. Wir entdecken ihn immer wieder neu. Jeden
Tag und jede minute und auch in der kommenden saison.
WÄIS KIANI
Die Autorin wurde in Hessen geboren, ist aber „im Herzen eine
Ur-Bayerin“. Als Modekritikerin arbeitet sie für deutsche
und internationale Magazine. Zuletzt erschien von ihr als Buch
„Nichts anzuziehen! – Geschichten aus dem Kleiderschrank“.
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www.ludwigbeck.de