Interessante Arbeiten von Studierenden

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Interessante Arbeiten von Studierenden
Ausgabe 8 / 2006
Interessante Arbeiten von Studierenden
Philipp Beller: Analyse zweier HipHopVideos
Alfred Hurst: Zur Evaluation von Lehr-
und Lernprozessen in mehr oder
weniger virtualisierten Unterrichtsszenarien
Analyse
zweier
HipHopMusikvideos
Hausarbeit im Rahmen des Seminars „Medienkritik“ (Prof. Dr. H.
Niesyto)
sogar besser als Pop: mit einem Anteil von
13,3 % gegenüber 8,9 % aller verkauften Musik1.
Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik
LUB@M 2006
Ausgabe 8/2006
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PHILIPP BELLER
Begründung für die Auswahl der
Beispiele
Gegenstand der Analyse in meiner Hausarbeit
sind zwei Musikvideos: zum einen das Video
von Snoop Dogg feat. Pharrell - „Drop it like
it’s hot“ und zum anderen das von Chingy „Right thurr“. Ersteres ist ein sehr populäres
Beispiel aus dem heutigen HipHop-Bereich,
das zweite ist allerdings ein eher seltenes (aber
nicht einmaliges) Extrembeispiel, was die explizite und abwertende Darstellung von Frauen
angeht. Ich habe diese Beispiele deswegen ausgewählt, weil sie meiner Meinung nach eine
problematische Entwicklung bei Musikvideos
aus dem HipHop-Bereich verdeutlichen, die
sich aber auch in anderen Bereichen der Popmusik widerspiegelt. Beide Videos dienen in
erster Linie der Selbstdarstellung der jeweiligen
Stars, unter dem Motto: seht nur, wie reich und
cool ich bin und wie mir die Frauen zu Füßen
liegen! Die Darstellung der Frau ist dabei oft
oberflächlich, stereotyp und sexistisch, im Extremfall wird die Frau auf das Eigentum des
Sängers reduziert.
Außerdem sind sowohl die Bilder als auch die
Sprache explizit. Es wird viel nackte Haut gezeigt und sehr viel geschimpft und (unkritisch)
von Drogen geredet. Zwar werden die Clips
von den Musiksendern tagsüber oft nur zensiert gezeigt, auf den Homepages der Stars sind
sie aber unzensiert verfügbar. Aber dies ist
meiner Meinung nach nicht das Hauptproblem,
sondern vielmehr die Tatsache, dass vor allem
Jugendliche die Zielgruppe solcher Musikvideos sind. Die Stars werden oft in Jugendmagazinen wie z. B. „Bravo“ abgebildet und die beliebtesten Fernsehsender bei den 13-Jährigen
sind die Musiksender MTV und VIVA. Dazu
kommt noch, dass die beiden von mir ausgesuchten Videos in den deutschen MTV-Black
Music Jahrescharts 2003/04 unter den Top 20
waren, d. h., sie waren sehr beliebt und wurden
über ein paar Wochen mehrmals am Tag gesendet. … Mittlerweile verkauft sich HipHop
Darstellung der ausgewählten Clips
Clip A: Snoop Dogg featuring Pharrell - „Drop it like
it’s hot“
Das Video erschien Ende 2004 und schaffte es
auch prompt auf Platz 2 der MTV-Black Music
Jahrescharts 2004. Sänger sind Snoop Dogg
und sein neuer Partner Pharrell, beides Kultfiguren in der amerikanischen HipHop-Szene.
Der Clip, der durchgehend in schwarzweiß
gehalten ist, beginnt mit dem Grundbeat, der
sich durch das ganze Stück zieht, und einem
rhythmischen Zungenschnalzen. Während
Snoop sein Logo und den Namen des Songs
als Graffiti an eine Wand sprüht, ertönt aus
dem Off eine Stimme, die seinen Namen sagt:
„Snooooooop…“. Kurz darauf beginnt das
eigentliche Video mit dem Refrain. Dabei sieht
man mal Snoop, mal Pharrell, mal beide zusammen in einem völlig weißen Raum, ohne
Wände, Boden oder Decke tanzen und rappen2, wobei die Tanzbewegungen der beiden in
dem ganzen Clip eher minimalistisch gehalten
sind. Im Hintergrund tauchen immer wieder
mal ein bis zwei leicht bekleidete Tänzerinnen
auf. Der Refrain endet mit dem Satz: „I got the
rolly on my arm and I'm pouring Chandon /
And I roll the best weed cause I got it going
on“, was soviel heißt, wie: „Ich trage eine Rolex am Arm und trinke ChandonChampagner / Und ich rauche das beste Marihuana, weil bei mir was läuft.“ Darauf folgt die
erste Strophe, vorgetragen von Pharrell. Dabei
stellt er uns, den Zuschauern, seine Fingerringe, seine Markenschuhe, seine Yacht und seine
Edelkarosse vor, in der eine Frau sich räkelt.
Am Ende erklärt er jedem, der sich mit ihm
anlegen will, dass seine „Kumpel“ ihn niedermachen werden. Auch Snoop ist teilweise mit
im Bild.
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Die zweite und dritte Strophe werden von
Snoop vorgetragen. Er wechselt zwischen
dem weißen Raum, einem völlig schwarzen
Raum, in dem er rauchend, im Pelzmantel
auf einem Sofa sitzt, und einem hellen, spärlich eingerichtetem Wohnzimmer, wo er von
vielen leicht bekleideten Frauen umgeben ist.
Die Einrichtungsgegenstände, die man zu
sehen bekommt, sind sehr luxuriös. Zu Beginn erzählt uns Snoop davon, dass er ein
blaues Tuch an seiner Rückseite trägt, was
ihn als Mitglied der Crip-Gang3 ausweist. Als
er davon erzählt, dass er darauf spezialisiert
ist, alle Frauen dazu zu bringen, vor ihm die
Hüllen fallen zu lassen, erscheint im Video
der Rücken einer Frau, die sich gerade vor
ihm auszieht. Im folgenden Refrain werden
zum ersten Mal ein Junge gezeigt, der auf
einer Trommel zu dem Song spielt, und ein
Mädchen, das auf einem Fahrrad sitzt. Im
restlichen Clip tauchen beide immer wieder
kurz auf.
In der dritten Strophe rappt Snoop sich wieder durch die zwei Räume und das Wohnzimmer. Allerdings taucht er nicht mehr im
Pelzmantel auf, und ab und zu werden teure
Autos eingeblendet. Es geht in der Strophe
darum, dass er seine eigene Automarke fährt,
seine eigene Kleidermarke trägt und im
Fernsehen und in Zeitungen zu sehen ist.
Wer ihm zu nahe kommt oder ihn gar angreift, wird erledigt. Nach dem letzten Refrain endet der Song, wie er angefangen hat
mit einem lang gezogenen „Snoooooop…“
Eine der Frauen, die immer mal wieder tanzend im Bild erscheint und am Ende des
Clips neben Pharrell zu sehen ist, ist übrigens Toni Braxton, ein Star in der mit dem
HipHop verwandten Rhythm & BluesSzene.
Während des gesamten Clips wird meistens
direkt in die Kamera gerappt, und es tauchen
immer wieder Tänzerinnen auf, die vor allem
ihr Gesäß im Rhythmus der Musik bewegen.
Es findet keine äußere Handlung statt.
Clip B: Chingy - „Right thurr“
Jugendmedienschutz) einen Verstoß gegen
die Jugendmedienschutzverordnung fest, als
MTV das Video im Tagesprogramm sendete.
Mittlerweile wird es entweder nur noch nach
0 Uhr gesendet oder in einer so genannten
„Clean-Version“, einer zensierten Fassung.
Bis ungefähr zur Mitte der ersten Strophe
sieht man Chingy und seine Clique vor einem Haus, wobei Chingy die vorbeilaufenden, knapp bekleideten Frauen anbaggert
und uns dabei erklärt, was ihm an ihnen gefällt. Die meisten scheint seine Aufdringlichkeit dabei nicht weiter zu stören, sondern
eher noch zu gefallen. Nur eine beklagt sich
als er ihr an den Hintern fasst, wie er uns
aber erzählt hat ihm das besonders gut gefallen (“I like it when I touch her cause she
moan a lil bit“).
Plötzlich springt das Bild in eine Disco, bis
zum Clipende spielt das Video größtenteils
hier, teilweise auch in einem Imbisslokal, in
dem immer eine junge Frau tanzt, und auch
auf der Straße, wo Chingy von vielen leicht
bekleideten Tänzerinnen umgeben ist. In der
Disco sieht man Chingy meist zusammen
mit Freunden auf einem Sofa sitzen, umgeben von vielen fast nackten Frauen. Manche
von ihnen deuten sexuelle Handlungen an,
dazu werden viele Nahaufnahmen ihres oft
entblößten Gesäßes gezeigt, das sie zudem
noch vor der Kamera, teilweise in Zeitlupe,
rhythmisch zur Musik bewegen. Die Männer
bewerfen die Frauen dabei mit Geldscheinen, und Chingy erzählt uns währenddessen
weiterhin, was er an Frauen mag, und gibt
ihnen ab und zu einen Klaps auf das Gesäß.
In der dritten Strophe ist die Darstellung am
explizitesten. Eine Frau sitzt bei einem Mann
rittlings auf dem Schoß und bewegt dabei
ihre Hüften, wobei der Eindruck entsteht,
sie habe Sex mit ihm. Der Mann schlägt ihr
dabei immer wieder auf das Gesäß. Eine
andere Frau hat ihren Kopf zwischen Chingys Beinen, als hätten sie Oralsex. Später tun
zwei Frauen noch so, als hätten sie Sex miteinander. Der Clip endet ziemlich abrupt im
Imbisslokal.
Produktspezifische Analyse
Dieser Clip erschien im August 2003 und
erreichte in der deutschen MTV-Black Music
Jahrescharts Platz 16. Der Rapper Chingy
war bis zu diesem Song noch unbekannt,
wurde damit aber über Nacht zum Star. Anfang 2004 stellte die KJM (Kommission für
Eigene Qualitätskriterien
-
Hat der Clip eine Aussage? Oder propagiert er nur Überlegenheit und Statussymbole und dient nur der Selbstinszenierung der Stars?
Philipp Beller
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-
Wie ist die Rolle der Frau bzw. der Charaktere außer dem Star?
Passen Bild, Musik und Rap zueinander?
Hat der Clip mich gefesselt oder nur berieselt?
Subjektive Analyse anhand der formulierten Qualitätskriterien
Clip A: Snoop Dogg featuring Pharrell - “Drop
it like it’s hot”
Der Clip dient meiner Meinung nach leider nur
der möglichst überlegenen Selbstdarstellung der
zwei Rapper. Der Text handelt auch von nichts
anderem als davon, was sie besitzen und worin
sie anderen überlegen sind. Das Bild ist minimalistisch gehalten, so dass nichts von den beiden
Stars ablenkt. Am Ende jeden Refrains wird uns,
den Zuschauern, noch mal unter die Nase gerieben, dass sie eine Rolex-Armbanduhr tragen,
feinsten Chandon-Champagner schlürfen und
das beste Marihuana rauchen. Ich habe zwar
keinen Beleg dafür finden können, aber da ich
schon so manchen Rapstar davon habe reden
hören, nehme ich an, dass Kiffen in der HipHop-Szene zumindest toleriert wird, wodurch
sie es sich leisten können, auch damit noch anzugeben. Durch ihre lässigen, eher minimalistischen Bewegungen und den überheblichen,
teilweise schon genervten Blick scheinen sie
über allem und jedem zu stehen. Dass sogar
Toni Braxton zu ihrer Musik tanzt, lässt sie
noch größer erscheinen. Außerdem erhoffen sie
sich vielleicht, dadurch auch noch die Toni
Braxton-Fans auf ihre Seite zu ziehen.
Pharrell führt uns gleich zu Beginn der ersten
Strophe seinen Schmuck, seine Schuhe mit Dollarzeichen, seine Yacht und seine Edelkarosse
vor, um uns zu zeigen, wie unglaublich reich er
ist. Währenddessen erscheinen wiederholt eine
Frau, die ihn anhimmelt, und eine, die sich in
seinem Auto räkelt. Außerdem warnt er noch
jeden davor sich mit ihm anzulegen, denn seine
Kumpels werden mit jedem fertig - gegen ihn
hat niemand eine Chance. Ich finde, seine Überheblichkeit gipfelt aber in den folgenden drei
Zeilen: “So don’t try to run up on my ear talking
all that raspy shit / trying to ask me shit / when
my niggaz fill ya vest they ain’t gon pass me
shit”. Das heißt grob übersetzt: “Laber mich
nicht mit Scheiße zu, wenn meine Kumpel dich
vermöbeln, leiten sie keine Scheiße an mich
weiter.” Während des Clips werden Symbole
Analyse zweier HipHop-Musikvideos
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eingeblendet, die für seinen Erfolg stehen: in
der Mitte der ersten Strophe die protzige
N.E.R.D.4-Gürtelschnalle und am Ende des
zweiten Refrains der MP3-Player mit der
Aufschrift “Star Trak5”. Die Lässigkeit, mit
der er uns all das vorführt und erzählt, soll
uns glauben lassen, für ihn sei das alles eine
Selbstverständlichkeit und kein großes Ding,
die einzige Größe hier sei er. Zusammenfassend präsentiert er sich uns als steinreich,
von Frauen begehrt, unnahbar, überlegen
und unglaublich cool.
Auf der Person Snoop Dogg liegt in diesem
Clip aber die Hauptgewichtung. Er rappt
zwei Strophen und ist deutlich öfter im Bild
als Pharrell. Er rappt hauptsächlich nur davon, dass er ein Gangster ist, dass die Frauen
ihm nicht wiederstehen können, dass er
steinreich und berühmt ist, und was natürlich
auch nicht fehlen darf, wer ihn angreift, wird
erschossen, dann wird seine Familie um ihn
weinen (“You’re family’s crying, now you on
the news / they can’t find you, and now they
miss you”). Er präsentiert sich uns gleich in
vier verschiedenen Rollen. Zu Beginn der
zweiten Strophe als geheimnisvoller Gangster mit dem Satz: „I’m a gangsta, but y’all
knew that“ („Ich bin ein Gangster, aber das
wisst ihr alle“). Die geheimnisvolle Wirkung
wird dadurch unterstrichen, dass er in einem
völlig dunklen Raum sitzt, einen Pelzmantel
trägt, unter dessen Kapuze sein Gesicht
größtenteils verborgen ist, und er (Zigarren-?)Rauch aus seinem Mund bläst. In seinem Wohnzimmer ist er einfach der reiche
Bonze, umgeben von vielen leicht bekleideten Frauen. Zusammen mit den zwei Kindern, dem Jungen mit der Trommel und dem
Mädchen auf dem Fahrrad, nimmt er eine
sogar schon fast väterliche Rolle ein. Dabei
ist mir aufgefallen, dass die Kinder im Vordergrund stehen, während er sich im Hintergrund hält. Snoop ist im tatsächlichen Leben
übrigens verheiratet und dreifacher Vater.
Vielleicht sind die Szenen ein Hinweis darauf. Seine Hauptrolle ist natürlich die des
coolen Rappers. Die Tatsache, dass er zu
einer kriminellen „Gang“ gehört, soll ihn
wohl noch cooler erscheinen lassen. Snoop
präsentiert sich im Grunde genommen genauso wie Pharrell, nur noch extremer. Wegen seiner etwas komisch anmutenden Frisur
in seinem Wohnzimmer und weil er schon in
anderen Clips mit völlig extravaganten und
ausgeflippten Frisuren und Klamotten aufgetreten ist, habe ich überlegt, ob seine Clips
vielleicht ironisch gemeint sind. Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen: da ist
keine Ironie, nur extravagante Überheblichkeit.
In dem Video tauchen immer wieder hübsche und leicht bekleidete junge Tänzerinnen
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auf. Ich habe den Eindruck, sie gehören wie
das Auto und die Yacht zu den Statussymbolen der beiden Rapper. Sie tanzen meistens
im Hintergrund, wobei ihre Tanzbewegungen sich größtenteils auf eine rhythmische
Bewegung mit dem Gesäß reduzieren. Die
Frau in Pharrells Auto scheint zur Innenausstattung dazu zu gehören, ihre einzige Aufgabe ist es, sich verführerisch zu räkeln und
darauf zu warten, dass Pharrell endlich einsteigt. Einmal wird Snoop in seinem Wohnzimmer von einer Frau bedient, sie schenkt
ihm ein Glas ein und streicht ihm über die
Wange. Für ihn scheint das jedoch so selbstverständlich zu sein, dass er sie keines Blickes würdigt. Die Aufgabe der Frauen besteht anscheinend darin, dem Clip eine erotische Note zu geben und die Stars noch beneidenswerter zu machen. Ihre Darstellung
ist oberflächlich und stereotyp, das einzige
Attribut, das ihnen zugeschrieben wird, ist
gutes Aussehen. Die zwei gezeigten Kinder
sollen dem Clip durch ihr Auftreten wahrscheinlich etwas Süßes und Niedliches geben, meiner Meinung nach wirken sie aber
einfach nur fehl am Platz.
Das Zusammenspiel von Bild, Musik und
Rap finde ich bei diesem Beispiel ganz gelungen. Die minimalistische Gestaltung der
Räume und die komplette Darstellung in
schwarzweiß passen meiner Meinung nach
gut zu der genauso minimalistischen Musik,
die nur aus recht gleichförmigen Beats,
rhythmischem Zungenschnalzen und vereinzeltem Tönen aus dem Synthesizer gemacht
ist. Auch der ruhige, lässig gesprochene Rap
fügt sich da wunderbar ein. Die Schnitte im
Video passen gut zum Rhythmus, die Bilder
sind gut ausgeleuchtet und ästhetisch.
Trotzdem hatte ich das Gefühl, als würde
der Clip nur so vor sich hinplätschern. Er ist
sehr gleichförmig und seine anfangs noch
interessante minimalistische Machart langweilt gegen Ende. Außer dem Zusammenspiel der drei Komponenten Bild, Musik und
Rap hat mir in diesem Clip nichts besonders
gefallen. Besonders schlecht hat mir die von
dem Clip vermittelte „Aussage“ gefallen:
„Schaut uns an, bewundert uns und wer sich
mit uns anlegt, den machen wir fertig“. Mit
so einer Einstellung kann ich in meinem
Leben nichts anfangen.
Clip B: Chingy - “Right thurr”
Auch dieser Clip dient nur der Selbstinszenierung des Stars. Chingy zeigt uns, dass er
mit Geld nur so um sich wirft und die Frauen für sein Geld alles tun. Zu Beginn der
zweiten Strophe erzählt er davon, er habe
einer Frau in einem Club 300 $ gegeben,
damit sie sich für ihn auszieht. Ab diesem
Punkt sieht man in dem Video größtenteils
nur noch fast nackte Frauen und einen großspurigen Chingy, der davon rappt, das Frauen für Geld alles tun würden und was ihm
dabei besonders gefällt. Mehr „Aussage“ hat
dieser Clip nicht.
Die Frauen werden dabei so behandelt, als
seien sie Objekte, die Chingy gekauft hat und
mit denen er nun machen kann, was er will.
Hier haben nur die Männer das Sagen, die
Aufgabe der Frau ist es, ihre sexuellen Wünsche zu befriedigen. Sie werden ganz auf ihre
sexuellen Merkmale reduziert, am wichtigsten scheint bei ihnen das Gesäß zu sein. Dabei ist die Darstellung auch so freizügig, dass
sie tatsächlich ebenso gut nackt sein könnten. Sie posieren und stellen den Männern
ihre Reize zur freien Verfügung. Widerlich
finde ich es zu sehen, wie sie sich vor den
Männern erniedrigen, vor ihnen zum Rhythmus der Musik ihr Gesäß bewegen und sich
von ihnen noch darauf schlagen lassen. Und
zu allem Überfluss wird das Ganze teilweise
sogar noch in Zeitlupe gezeigt! Den absoluten Höhepunkt finde ich die Stelle, wo die
eine Frau sich hinter eine andere Frau kniet
und so tut, als hätte sie Sex mit ihr und auch
das nur, um die umstehenden, voyeuristischen Männer zu begeistern. Die Darstellung
der Frauen in diesem Clip ist stereotyp, sexistisch und objekthaft, und mir stellen sich
die Haare zu Berge, wenn ich daran denke,
dass dieser Clip mal im MTV-Tagesprogramm gesendet wurde. Teilweise frage ich
mich, ob das nicht mehr Porno denn Musikvideo ist.
Der Clip spricht lediglich das Sexbedürfnis
der Männer an, er ist weder schön noch in
irgendeiner Art originell, die Tanzeinlagen
entsprechen auch nicht meinen Ansprüchen
an eine gelungene Choreographie, sie bestehen größtenteils nur aus einem möglichst
schnellen Hin– und Herbewegen des Gesäßes. Von der Inszenierung wirkt er fast wie
ein privates Video, dass irgend jemand auf
einer ausgearteten Party gedreht hat. Die
Kamera ist immer in Bewegung, durch weiche Fahrten, Schwenks und Zooms, die oft
noch leicht verwackelt sind, um den Zuschauer intensiver in das Geschehen einzubinden, so als würde er sich selbst durch die
Party bewegen. Oft werden auch schnelle
Philipp Beller
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Schnitte und ruckartige Zooms verwendet, um
den Beat des Songs noch zu unterstützen und
den Zuschauer mitzureißen.
Chingy nutzt diesen Clip als Plattform für die
unglaublich dekadente Zurschaustellung seines
Reichtums und für die Verbreitung seiner sexistischen Einstellung zu Frauen. Damit kann ich
persönlich nicht nur nichts anfangen, es widert
mich sogar regelrecht an. Am meisten gestört
hat mich aber die Darstellung der Frauen.
Weiterführende Analyse unter Miteinbeziehung genrespezifischer Eigenschaften
Die genrespezifischen
HipHop
Eigenschaften
des
Der HipHop ist nach dem Tod Martin Luther
Kings und Malcom X‘ aus einer Protestbewegung der Schwarzen in den USA entstanden,
sein Hauptziel lag darin, über die Grenzen der
Ghettos hinaus auf ihre unterprivilegierte Lage
aufmerksam zu machen. Der Rap kommt ursprünglich aus der afrikanischen Kultur, die
durch die Sklaverei in Amerika eingeführt wurde. Er diente dazu Geschichten zu erzählen und
Nachrichten zu verbreiten. Das weiße Amerika
war schockiert von dieser neuen Musikrichtung,
nicht nur wegen des fremdartigen Sprechgesangs, sondern vor allem wegen der penetranten
Verletzung sexueller Tabus und insbesondere
wegen der Demaskierung des „American
Creed“: des Glaubens an das „Glück des Tüchtigen“ und die Gleichheit aller trotz unterschiedlicher Hautfarbe. Als dann die ersten Rapper
berühmt und reich wurden, waren das meistens
Farbige, die auf eine kriminelle Vergangenheit
zurückblickten. Dazu Ice-T6: „Als Gangster
aufzutreten ist kein Image, ich hatte keine andere Wahl. Ich bin kein Musiker, sondern ein Krimineller, der rappen lernte.“ Die starke Betonung von Körperlichkeit und Sexualität im HipHop diente besonders dazu, die Gesellschaft
zu schockieren und auf sich aufmerksam zu
machen.
Bei der Musik ist der Rhythmus der ausschlaggebende Teil, Breakdance7 und Graffiti sind
Ausdrucksformen der Szene, wobei Graffiti
ursprünglich den Banden in den Ghettos als
Revierkennzeichnung diente. Es wurde allerdings sehr schnell als medienwirksame Kunstform erkannt und kommerzialisiert. (Vgl. Nolteernsting 1998)
Eindruck, dass an dieser Stelle irgendeine
Kritik mitschwingt, es scheint eher der
Imagepflege zu dienen. Dieser Eindruck
wird auch dadurch unterstützt, dass er direkt
darauf folgend sein blaues Tuch, das ihn als
Mitglied der Crip-Gang ausweist, präsentiert.
In dem Satz „I keep a blue flag hanging out
my backside / but only on the left side, yeah
that’s the crip side“ schwingt meiner Meinung nach noch Stolz mit, auch das gehört
zu seinem Image. Ich bezweifle nicht, dass
Snoop durch die Umstände seiner Jugend
zum Gangster wurde, aber außer kommerziellen Gründen sehe ich nichts, was dafür
spricht, dieses Image weiter aufrecht zu erhalten. Durch die Zurschaustellung seiner
Reichtümer könnte man ja denken, will er
nach alter Tradition den „American Creed“
als falsch entlarven und sagen: seht her! Ich
war nicht brav und tüchtig, ich bin ein
schwarzer Krimineller und bin trotzdem so
weit gekommen. Dafür könnte auch der Satz
von Pharrell sprechen, im Anschluss an die
Aufzählung seiner Reichtümer: „that’s whiter
than what’s spilling down your throat“. Aber
selbst wenn sich das „white“ hier auf die
Hautfarbe bezieht, so reicht das wohl kaum
um den Clip als Kritik an der Gesellschaft zu
verstehen. Ich glaube nicht mehr, dass die
beiden genannten Sätze eine tiefer gehende
Bedeutung haben, sie gehören einfach zum
Image der Rapper. Schließlich wird hier auch
auf keine unterprivilegierte Seite aufmerksam
gemacht, ganz im Gegenteil. Und die aufreizenden Bewegungen der Tänzerinnen können niemanden mehr schockieren, sie dienen
nur zur Erotisierung des Clips und gehören
zum Image der Stars.
Der Clip „Right thurr“ hat noch weniger mit
der ursprünglichen Form des HipHop gemein. Hier wird völlig unkritisch mit dem
eigenen Reichtum geprotzt. Zwar hat mich
die Darstellung der Frauen tatsächlich schockiert, aber weniger wegen der Tatsache,
dass sie so freizügig gezeigt werden, sondern
vielmehr wegen der erniedrigenden und geschmacklosen Darstellung. Aber ich bin mir
sicher, es war gar nicht Chingys Absicht damit jemanden zu schockieren, vielmehr ging
es ihm darum seine Überlegenheit und Coolness darzustellen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass
beide Clips mit der ursprünglichen HipHopForm recht wenig gemeinsam haben, außer
dem Rap. Der Clip „Right thurr“ übertrifft
„Drop it like it’s hot“ mit seiner Niveaulosigkeit und Oberflächlichkeit noch bei weitem.
Die weiterführende Analyse
Als Snoop zu Beginn des Clips „Drop it like it’s
hot“ sein Zeichen als Graffiti an die Wand
sprüht, dient das wahrscheinlich dazu, seine
Zugehörigkeit zur HipHop-Szene zu bekunden
und auf seine Ursprünge, als „Ghetto-Kid“ zu
verweisen. Auch als er sich uns als Gangster Zur Rezeption der beiden Clips
vorstellt, greift er auf seine Zeit im Ghetto zu- Die Zielgruppe
rück. Obwohl er in der darauf folgenden Zeile
sagt: „yeah I had to do that“, habe ich nicht den Zu aller erst kann man mal sagen, dass vor
Analyse zweier HipHop-Musikvideos
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allem Jungen von den beiden Beispielclips
angesprochen werden. Mädchen wird hier
kaum eine Identifikationsfläche geboten, mit
dem dargebotenem männlichen Imponiergehabe können und wollen sie wahrscheinlich
nichts anfangen. Die Frauen stehen bei
Snoop Dogg so weit im Hintergrund, dass
sie als Identifikationsfiguren nicht ausreichen, und bei Chingy wird die Frauenrolle so
negativ dargestellt, dass sich auch hier keine
Identifikationsmöglichkeit für Mädchen anbietet. Außerdem sind es die Jungs, die bei
den Clips sexuelle und besonders coole Darstellungen bevorzugen, was ihnen hier ja
geboten wird. (Vgl. Neumann-Braun 1999)
Beim Alter der Zielgruppe gehen die Meinungen leicht auseinander. MTV selbst gibt
die 14- bis 29-Jährigen als Zielgruppe an,
dabei muss man aber berücksichtigen, dass
sich diese Aussage vor allem an die Werbeinvestoren richtet, ein breit gefasstes Publikum
ist also ganz im Sinne von MTV. Nach einer
empirischen Erhebung von Michael Altrogge
(2001) sind es die 12- bis 19-Jährigen, noch
einmal verstärkt ab dem 16. Lebensjahr, die
am meisten Videoclips schauen. … Wie dem
auch sei, jedenfalls scheint es die Phase der
Pubertät zu sein, in der Musik und Musikvideos stark an Wichtigkeit für die Jugendlichen gewinnen.
Gründe der Jugendlichen Videoclips anzuschauen
In Amerika, Oregon, wurde eine Studie mit
100 12- bis 18-jährigen Schüler/innen durchgeführt, wobei sie aufgefordert wurden
Gründe zu nennen, weswegen sie Videoclips
anschauen. Dabei waren Mehrfachnennungen möglich: Musik und Texte hören (36 %),
visuelle Elemente anschauen (35 %), bildliche Interpretation der Songs nachvollziehen (30 %) und
audiovisuelle Kombinationen verfolgen (8 %). Das
Resultat der Studie war, dass die Jugendlichen zwar gerne Videoclips anschauen, aber
trotzdem lieber die Musik „pur“ anhören.
Mit etwa gleich alten Jugendlichen wurde
eine deutsche Studie durchgeführt, um zu
ermitteln, welche Eigenschaften sie an Videoclips schätzen: Bilder, die zum Text des
Musikstücks passen (56 %), erotisch gefärbte
Szenen (41 %), gute Choreographie und Tanzszenen (39 %), klare, nachvollziehbare Handlung (38
%), eine in sich stimmige Atmosphäre (38 %),
Illustration der Musik durch Bilder (37 %). (Vgl.
Neumann-Braun 1999)
Besonders durch die Ergebnisse der deutschen Studie wird klar, warum zumindest der
Clip „Drop it like it’s hot“ so ein großer
Erfolg war. Er erfüllt alle oben genannten
Kriterien. Dabei ist natürlich die Voraussetzung, dass der Rezipient die Musikrichtung
mag oder sie doch zumindest akzeptiert. Die
Tatsache, dass erotisch gefärbte Szenen bei
den Jugendlichen, besonders den männlichen, so geschätzt werden und dass Sexualität und Körperlichkeit gerade in der Pubertät
sehr wichtig sind, erklärt auch, warum Chingys Clip sehr erfolgreich war. ...
Motive der Jugendlichen aus wissenschaftlicher Sicht
Von wissenschaftlicher Seite aus wurden
verschiedene Modelle entwickelt, die erklären sollen, warum Musik bzw. Musikvideos
von Jugendlichen geschätzt werden (vgl.
Neumann-Braun 1999):
- Musik bewirkt eine hohe emotionale
Erregungsqualität, wird zudem die Visualisierung als angenehm empfunden, so
scheint der Clip euphorisierend zu wirken.
- Musik als Mittel der Selbstverwirklichung: Jugendliche beschäftigen sich mit
Musik, um vor allem ihre Gefühlswelt
entfalten zu können. Besonders die Sexualität spielt hierbei eine große Rolle.
- Jugendliche benutzen Musik, um sich in
eine Stimmung zu versetzen oder die
bereits vorhandene zu stärken. Das bedeutet, Musik kann als Ausdruck von
Wünschen, Hoffnungen oder einem spezifischem jugendlichem Lebensgefühl
dienen. Sie kann aber auch als Ablenkung, Flucht oder Kompensation von
negativen Gefühlen dienen.
- Über Musik können auch soziale Bindungen etabliert werden, indem der gleiche Musikgeschmack verbindet und einen gemeinsamen Gesprächsstoff bietet.
Dadurch bildet sich eine Gemeinschaft,
die sich gleichzeitig durch den Musikgeschmack von anderen Gruppen abgrenzt.
Musik wird manchmal aber auch dazu
genutzt, um soziale Bindungen aufzukündigen und sich in die Musik zurückzuziehen.
- Durch Musik besteht auch die Möglichkeit, sich symbolisch von der herrschenden Alltagskultur und der Erwachsenenwelt abzugrenzen.
Auf diese Punkte stützen sich die folgenden
Hypothesen, wobei erwähnt werden muss,
dass die häufig geäußerte These, die gewaltförmigen und sexistischen Darstellungen in
Musikvideos würden zur ideologischen Beeinflussung und Verrohung der Jugendlichen
führen, bisher nicht empirisch bestätigt werden konnte. Es bleibt allerdings die Frage
offen, ob die in Musikvideos angebotenen
Muster für Denk- und Handlungsweisen,
Einstellungen und Emotionen hierfür nicht
als mögliche Stimulationen angesehen werden können. Außerdem hat eine amerikanische Studie herausgefunden, dass die EinPhilipp Beller
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flüsse von Musikvideos im Wesentlichen davon
abhängen, ob und wie die (v. a. fremdsprachigen) Songtexte verstanden werden. Selbst Texte
in der eigenen Sprache werden oftmals nicht
richtig verstanden. Die Jugendlichen basteln
sich dann ihre eigenen Interpretationen, teils
aufgrund verstandener Textfragmente, teils völlig losgelöst vom Inhalt des Songs. Es ist bisher
aber noch nicht weiter erforscht, welchen Ein- fluss solche Eigenkonstruktionen auf die Einstellungen haben, die Jugendlichen auf dieser
Basis zu den Themen Partnerschaft, Liebe, Sexualität, Einsamkeit und Angst entwickeln.
Daraus folgende Thesen bezüglich der Sozialisation
Bei der Sozialisation von Jugendlichen verlieren
traditionelle Werte aus dem elterlichen Lebensstil an Bedeutung. Die Musik und ihre visuelle
Inszenierung bietet ihnen dafür Orientierung
und Stabilität bei der Entwicklung ihrer persönlichen und sozialen Identität. Hierbei geht es
nicht nur darum, sich von der Erwachsenenwelt
abzugrenzen und Zugehörigkeit zu einer speziellen Gemeinschaft zu signalisieren. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, sich an einen
Stil zu binden, der nicht nur anzeigt, „wer 'wer'
oder 'was' für wen ist, sondern auch wer 'wer'
für wen in welcher Situation ist“ (Soeffner 1986,
S. 318). Außerdem ist dieser Stil nicht regional
beschränkt, sondern präsentiert sich global, so
ist z. B. die Mode im HipHop, mit den schlabberigen weiten Hosen in Deutschland dieselbe
wie in den USA. Dieses Gemeinschaftsgefühl
mit anderen „Gleichgesinnten“ in der ganzen
Welt gibt den Jugendlichen Vertrautheit und
Sicherheit.
Die eigenen Lebensstile leiten sich also unter
anderem von der Musik, ihren Texten und ihrer
Visualisierung ab. Dabei beschränkt sich der
dadurch entstehende Einfluss auf die eigene
Identität aber keineswegs nur auf Äußerlichkeiten. Vielmehr geht es auch um Normen, Werte
und Themen, die für die Entwicklung der Jugendlichen bedeutsam sind, zum Beispiel um die
Bewältigung ihrer Ängste und Enttäuschungen
und den Umgang mit Sexualität und Aggressivität.
Weitere Thesen9
- In Werbeclips wird eine idealisierte Welt
dargestellt. Im Vergleich dazu muss die eigene Welt meistens mangelhaft oder unbefriedigend erscheinen. Der Rezipient allerdings
vollzieht diesen Vergleich nicht bewusst.
Ihm wird durch die Werbung aber nahegelegt, diese Kluft zwischen der eigenen und
der idealisiert dargestellten Welt zu überwinden, indem er das entsprechende Produkt
kauft.
- Nach der Theorie der symbolischen Selbstergänzung (Wicklund & Gollwitzer 1982)
nutzen Personen bestimmte Symbole
(sprachliche Äußerungen, Gesten, VerhalAnalyse zweier HipHop-Musikvideos
-
tensweisen, Besitz von Gegenständen
etc.) als Bestandteile ihrer Selbstdefinition. Diese Symbole können Zugehörigkeit und Abgrenzung bedeuten. Eine
materielle Aneignung von Produkten
kann somit mit einer Aneignung von
Images, Bedeutungs- und Assoziationsfeldern verbunden sein.
Ein idealisiertes bzw. stereotypes Körperbild könnte die eigene Wahrnehmung
und die der Mitmenschen beeinflussen,
und so z. B. bei der Partnerwahl eine
Rolle spielen.
Visualisierte Normen und Ideale könnten
als Wahrnehmungs- und Bewertungsmaßstab etabliert werden.10
Zusammenfassung
Generell sind Musikvideos Werbung, die
zum Kauf der entsprechenden Musik anregen soll. Bei dem Clip „Drop it like it's
hot“ (der typisch für heutige HipHop-Clips
ist!) kommt aber noch dazu, dass hier nicht
nur Werbung für diesen Song bzw. die entsprechende CD gemacht wird, sondern auch
für die Firmen von Snoop und Pharrell allgemein (z. B. für Snoops Kleiderfirma und
Pharrells Musiklabel Star Trak), außerdem
auch noch für diverse andere Marken wie
Rolls-Royce, Chandon und Rolex. Nach
einer Studie des Unternehmensberaters Lucien James aus den USA stammen die meisten Nennungen von Markenartikeln in den
US-Charts aus HipHop-Songs. Mittlerweile
bringt seine Firma Musiker und Werbewirtschaft direkt ins Geschäft11. Dabei wird getreu der Theorie der symbolischen Selbstergänzung die Identifikationssuche von Jugendlichen schamlos ökonomisiert und ausgenutzt.
Zudem besteht die Gefahr, dass besonders
Jungen das oberflächliche, stereotype und
sexualisierte Frauenbild (Extrembeispiel:
Chingy's „Right Thurr“) in ihr eigenes Frauenbild integrieren. Das wäre nicht nur für die
Frauen nachteilig, sondern auch für die Männer, wenn sie enttäuscht feststellen müssen,
dass ihr Bild nicht mit der Realität zu vereinbaren ist. Möglich wäre auch, dass die Jugendlichen die vermittelten Normen und
Wertvorstellungen in ihrer eigenen Weltanschauung etablieren, da diese nur materieller
und oberflächlicher Art sind. Der „Wert“
des Individuums würde sich somit an seinem
materiellen Reichtum messen. Allerdings gibt
es noch keine empirischen Untersuchungen,
die diese Theorien bestätigen würden. Aber
die meisten Wissenschaftler scheinen sich
einig darüber zu sein, dass diese Theorien,
bis zu einem gewissen Grad und abhängig
von sozialem Umfeld, Alter, Geschlecht etc.,
zumindest realistisch sind.
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Übrigens hat Michael Altrogge in einer empirischen Studie belegt, dass bei Musikvideos
der gleiche Effekt auftritt wie bei Musikhits:
je öfter ein Stück gespielt wird, desto akzeptierter und letzten Endes beliebter wird es.
Für Musiksender wie MTV und VIVA bedeutet das, dass sie sehr entscheidenden Einfluss darauf haben, welche Clips letztendlich
in die Charts kommen.
Literatur
Altrogge, Michael: Tönende Bilder: Interdisziplinäre Studie zu Musik und Bildern in
Videoclips und ihrer Bedeutung für Jugendliche. Berlin: Vistas, 2001 (3 Bände).
Holzwarth, Peter: Medienbild, Körperbild
und Wahrnehmung. In: Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik, Ausgabe 6/
2004
Neumann-Braun, Klaus: Viva MTV! In:
Popmusik im Fernsehen 1999, S. 332-345.
Nolteernsting, Elke: Die neue Musikszene:
Von Techno bis Crossover. In: Dieter
Baacke (Hrsg.): Handbuch Jugend und Musik, 1998, S. 282-284.
Ross, H.: Die Protzer. In: Der Stern, Ausgabe Nr. 50, 2.12.2004.
Soeffner, H.-G.: Stil und Stilisierung. Punk
oder die Überhöhung des Alltags. In:
Gummbrecht, H. U. / Pfeiffer, K. L. (Hg.):
Stil. Geschichte und Funktionen eines kulturwissenschaftlichen
Diskurselements.
Frankfurt 1986, S. 317-341.
Wicklund, Robert A. / Gollwitzer, Peter M.:
Symbolic Selfcompletion. Hillsdale, New
Jersey: Erlbaum 1982.
www.mtv.de
www.mtv-media.de
www.lyrics.com
8 vgl. Holzwarth 2004. Diese Thesen sind
eigentlich auf Werbung bezogen, aber meiner Meinung nach auch im Zusammenhang
mit Musikvideos relevant.
9 Man kann davon ausgehen, dass bei der
Aneignung von Normen und Idealen interindividuelle Unterschiede, wie Herkunft, soziales Umfeld, Alter, Geschlecht, eine große
Rolle spielen.
10 vgl. Ross 2004
11 vgl. Ross 2004
Anmerkungen
1 vgl. Ross 2004
2 Der im HipHop übliche Sprechgesang
wird als „Rap“ bezeichnet.
3 Als „Crip-Gang“ bezeichnet sich eine kriminelle Bande in den Ghettos von Los Angeles.
4 N.E.R.D. ist der Name von Pharrells
Band, mit der er schon vor seinen Auftritten
mit Snoop sehr erfolgreich war.
5 Star Trak ist der Name eines Labels von
Pharrells Musikproduktionsfirma Neptunes,
mit der er zum Star wurde.
6 Ice-T war einer der ersten Schwarzen, die
als Rapper berühmt wurden.
7 eine akrobatische Tanzart, die in den von
mir ausgewählten Beispielclips aber nicht zu
sehen ist.
Philipp Beller
AUSGABE 8 / 2006
Zur Evaluation von Lehr- und
Lernprozessen in mehr oder weniger virtualisierten Unterrichtsszenarien
Zusammenfassung der Evaluationsergebnisse zweier Forschungsprojekte
ALFRED HURST
Mit dem Einsatz der neuen Medien an den
Hochschulen verbunden war und ist die Diskussion um einen potenziellen (didaktischen) Mehrwert der virtualisierten Lehre gegenüber den
konventionellen Angeboten. Als Argumente für
einen Einsatz von Multimedia und Telemedien
in der Hochschullehre wurden immer wieder
angeführt:
- die Verbesserung der Qualität der Lehre
(aktiver, kooperativer, individueller, problemorientierter, effizienter)
- die Flexibilisierung des Studiums (räumlich,
zeitlich, individuelle Schwerpunktsetzung)
- der dadurch mögliche internationale Wettbewerb der Hochschulen
- der Lehraustausch, die Bündelung von Ressourcen und Kompetenzen und das Vermeiden von Doppelentwicklungen
- die Entwicklung der Medienkompetenz bei
Lehrenden wie Lernenden
die Verkürzung der Studienzeiten und
die Beteiligung der Hochschulen am Weiterbildungsmarkt.
Ausgangspunkt der hier zusammengetragenen
Erkenntnisse zum Einsatz neuer Medien an den
Hochschulen war die Evaluationstätigkeit in
zwei verschiedenen Forschungsprojekten zum
Lehren und Lernen mit virtuellen Medien.
Das Projekt „Virtualisierung im Bildungsbereich“ (VIB) war als ein Teilprojekt der
‚Virtuellen Hochschule Baden-Württemberg’
mit der Entwicklung und Erprobung der Möglichkeiten und Auswirkungen des Einsatzes
elektronischer Informations- und Kommunikationstechniken an den Pädagogischen Hochschulen des Landes betraut. Als solches konzentrierte sich das Verbundprojekt auf die wissenschaftliche Lehrerbildung mit dem dazu
gehörenden Lehrpersonal und den dort eingeschriebenen Studierenden. Leitbild und Ziel des
Projektes waren der fach-, hochschul- und mediendidaktisch begründete Einsatz von Modellen akademischer Lehre, die die Förderung der
Medienkompetenz sowohl bei den Lehrenden
wie bei den Studierenden als zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern mit einschließt. Dabei gingen alle Teilprojekte von den in den Studienordnungen verankerten Veranstaltungen aus und
verbanden sie so mit virtuellen Elementen, dass
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integrative Konzepte entstehen konnten.
Fächerverbindende und fächerübergreifende
Potenziale, die sich durch die Kooperation
geistes-, sozial- und naturwissenschaftlicher
und mathematischer Fachdisziplinen und
ihrer Didaktiken ergaben, wurden im Verbund und darüber hinaus genutzt. Die Gesamtevaluation des Projektes VIB sollte zunächst einmal die Entwicklung der akademischen Medienkompetenz sowohl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch der
Studierenden in VIB-Veranstaltungen während der Projektlaufzeit in den Fokus ihrer
Forschungsaktivitäten stellen. Daneben waren Bedingungen des Lernens in virtualisierten Seminaren - so etwa die Motivation zum
Arbeiten mit virtuellen Medien oder Emotionen bei der Arbeit mit neuen Medien - von
Interesse.
Das zweite Projekt „Informations Technology
Online“ (ITO), ein vom Bundesministerium
für Forschung und Technologie im Rahmen
des Programms „Neue Medien in der Bildung“ gefördertes Forschungsprojekt, widmete sich dem Aufbau eines umfangreichen
und durch Multimedia- und Internettechnologien unterstützten Lehr- und Lernangebotes im Umfeld internationaler Studiengänge
der Fachrichtungen Elektrotechnik, Informationstechnik und Informatik. An der Umsetzung dieser Vorgaben mit dem Ziel einer
kommerzialisierten webbasierten Weiterbildungsplattform arbeiteten 13 Lehrstühle
oder Institute an fünf verschiedenen Universitäten oder Technischen Universitäten mit.
Von der begleitenden Evaluation erwarteten
die beteiligten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in allen drei Phasen des Umbaus, also
von der sukzessiven Anreicherung bestehender konventioneller Lehrangebote mit multioder telemedialen Additiven über die Aufbereitung von Lehrinhalten in modularer und
webtauglicher Form bis hin zum webbasierten Einsatz der Lehr- und Lernmaterialien in
der beruflichen Weiterbildung, Beratung und
Unterstützung auf der Basis wissenschaftlich
gesicherter Informationen. Darüber hinaus
wurde auch der gesamte Entwicklungsprozess des Projektes ITO, also die Qualität der
Arbeit innerhalb der jeweiligen Teilprojekte
und das Zusammenspiel der Teilprojekte im
gesamten Verbund, einer eingehenderen
Bewertung unterzogen.
Angesichts der besonderen Probleme bei der
Evaluation virtueller Lehr- und Lernformen,
wie der stets im Raum stehenden Frage nach
der Legitimation des Einsatzes von Multioder Telemedien (Auftraggeber ist am Nachweis des didaktischen Mehrwertes neuer
Medien interessiert), der Schwierigkeiten bei
der Operationalisierung der zentralen Variablen „Lernerfolg“ (was gilt als Kriterium für
Zur Evaluation von Lehr– und Lernprozessen in mehr oder weniger virtualisierten Lernumgebungen
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Lernerfolg?), der allgemeinen Komplexität
des gesamten Lehr- und Lerngeschehens
(das Wirkungsgefüge zwischen Mensch und
Medium ist viel komplizierter als vielfach
angenommen und verbietet einfache Wirkungsvermutungen) oder ungünstiger kontextueller Bedingungen für Datenerhebungen
(Fragebogenflut an den Hochschulen reduziert die Teilnahmebereitschaft der Studierenden) wurde die Datengewinnung und
–auswertung auf der Grundlage eines ausgewogenen Methodenmixes aus quantitativen
und qualitativen Methoden durchgeführt.
Der klassische Fragebogen kam dabei ebenso zum Einsatz wie Forschungstagebücher,
neue Formen der Gruppendiskussion
(Fokusgruppen, virtuelle Fokusgruppen),
eMail-Surveys oder Interviews mit Projektmitarbeitern oder Studierenden.
Ausgesuchte Ergebnisse zur Medienkompetenz
Zum Zwecke der Operationalisierung und
differenzierteren Analyse entwickelten wir
ein heuristisches Kompetenzmodell der virtuellen Medien (siehe Abbildung), deren fünf
Ebenen - nicht so streng wie die Grafik zu
vermitteln scheint - hierarchisch aufeinander
aufbauen.
Für eine Begründung dieses Kompetenzmodells, bestehend aus der instrumentell-technischen
Ebene (grundlegende Fähigkeiten in Bezug
auf die Nutzung der virtuellen Medien), der
inhaltlich-kognitiven Ebene (medienbezogenes
Fachwissen und allgemeines Medienwissen),
der emotionalen Ebene (Spaß mit neuen Medien, Freude am Erfolg, Angst- und Belastungsbewältigung) und der kritisch-reflexiven
Ebene (Fähigkeiten zur Erkennung von Vorund Nachteilen der angewandten virtuellen
Medien), konnten deutliche empirische Hinweise gewonnen werden.
Die Frage nach einer möglichen Veränderung der Medienkompetenz bei Studierenden
in virtuellen Veranstaltungen konnte eindeutig geklärt werden. Fragebogenerhebungen
zu zwei Messzeitpunkten (Anfang und Ende
des jeweiligen Semesters) erbrachten signifikante Verbesserungen auf der instrumentelltechnischen, der inhaltlich-kognitiven und
der sozial-kommunikativen Ebene. Ergebnisse aus den Fokusgruppen-Interviews unter Studierenden stützen die quantitativ gewonnenen Resultate. So habe sich der Besuch der jeweiligen virtuell angereicherten
Veranstaltung insbesondere deswegen gelohnt, weil mit den angewandten neuen Medien neue Erfahrungen gemacht und umfangreiche Kenntnisse erworben werden
konnten. Ihre instrumentell-technischen und
Kompetenzpyramide „Virtuelle Medien“ (Mayring, Ph., Hurst, A. & Schäfer, M. (2000). Die
Kompetenzpyramide „Virtuelle Medien“).
1 Instrumentell-technische Kompetenzen: Basale Fähigkeiten in bezug auf die Nutzung der
virtuellen Medien
2 Inhaltlich-kognitive Kompetenzen: Medienwissen, Fachwissen, Bezug zu akademischem
Wissen
3 Sozial-kommunikative Kompetenzen: z.B. Nettiquette, neue Arbeitsformen, interaktive
Kommunikations- und Arbeitsformen
4 Emotionale Kompetenzen: Begeisterung, Freude, Angst, Angstfreiheit
5 Kritisch-reflexive Kompetenzen: Vor- und Nachteile der virtuellen Medienwelt erkennen
Anwendung: passiv, rezeptiv
Entwicklung: aktiv, didaktisch
Alfred Hurst
AUSGABE 8 / 2006
sozial-kommunikativen Fähigkeiten schätzten
die Studierenden am stärksten, die inhaltlichkognitiven und emotionalen Kompetenzen am
schwächsten ein. Die Selbsteinschätzungen auf
der kritisch-reflexiven Ebene rangierten etwa in
der Mitte. Gefragt nach ihren Einschätzungen
einzelner technischer Teilfertigkeiten (Emails,
Suchmaschinen, Surfen, Chats, Datenbanken,
Foren und Newsgroups, Bookmarks, Videokonferenzen) bewerteten die Studierenden ihre Fähigkeiten in der virtuellen Kommunikation mittels Emails am besten. Am schlechtesten schnitten die Bewertungen bezüglich des Umgangs
mit Videokonferenzen ab.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Projekt
VIB gaben in einer Vorher-Nachherbefragung
an, dass sie durch ihr Engagement im Projekt
erhebliche Medienkompetenzen dazu gewonnen
hätten. Sie führten diese Zugewinne zu einem
erheblichen Teil auf ihre Mitarbeit in VIB zurück. Mögliche Risiken und Nachteile beim Einsatz vernetzter Computeranwendungen sehen
sie vor allem darin, dass sie
- einen eigenen Aufwand erzeugen
- viel Zeit erfordern
- die Gefahr der Oberflächlichkeit in sich bergen und zu größerer Flüchtigkeit verleiten
- das „Alltagsgeschäft“ aufgrund ständiger Erreichbarkeit behindern und
- es unmöglich machen, sich auch einmal auszublenden.
Emotionen beim Lernen mit neuen Medien
Dominierende Emotionen bei der Arbeit am
und der Kommunikation mit dem PC und Internet waren – sowohl bei Studierenden als auch
bei den Lehrenden - Gefühle der Freude und
des Interesses. Im Unterschied zur Arbeit am
PC machte aber die computergestützte Kommunikation der Studierenden mit ihren Kommilitonen mehr Spaß, sie wurde als entspannender
wahrgenommen und wirkte weniger herausfordernd oder belastend. Nach geschlechtsspezifischen emotionalen Befindlichkeiten einmal bei
der Arbeit an PC und Internet und zum anderen
in der virtuellen Kommunikation suchend, zeigten sich interessante Unterschiede. So machte
den Männern die Arbeit am PC und Internet
mehr Freude, sie diente ihnen mehr der Entspannung und wirkte weniger bedrohend und
herausfordernd als es die Frauen empfanden.
Anders bei der virtuellen Kommunikation. Diese wirkte auf die Frauen herausfordernder, entspannender und machte ihnen offensichtlich
mehr Spaß.
Negative emotionale Befindlichkeiten konnten
meist dann registriert werden, wenn technische
Mängel in der Ausstattung oder unzulängliche
Software zu unnötigen Beeinträchtigungen des
Lernens geführt haben.
Seite 11
Motivation der Studierenden zum Lernen mit neuen
Medien
Gefragt danach, was bei ihnen den Ausschlag für den Besuch einer virtuellen Veranstaltung gab, benannten die meisten Studierenden sowohl intrinsische (ausschließliches
Interesse am Lerngegenstand) als auch
extrinsische Motivationsanteile (Erhalt eines
Scheines). Gerade an den Pädagogischen
Hochschulen spielte die Einsicht eine nicht
unerhebliche Rolle, dass der Einsatz von
Computern und Internet an den Schulen
zukünftig an Bedeutung gewinnen wird.
Zu bedenken bleibt, dass die Motivation
zum Lernen mit neuen Medien nicht voraussetzungslos ist. Es werden seitens der Studierenden bestimmte qualitative Mindeststandards, die Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der neuen Medien in der akademischen Lehre sind, erwartet. Dazu gehören
nicht nur eine angemessene inhaltliche Gestaltung und den darauf abgestimmten Einsatz von (medialen) Wahrnehmungshilfen,
sondern darüber hinaus auch der zweckmäßige und vernünftige Einsatz von Erschließungs- und Verarbeitungshilfen.
Potenzieller Mehrwert virtueller Medien in der akademischen Lehre
Grundsätzlich kann beim Einsatz der neuen
Medien in der akademischen Lehre, das haben die Forschungsergebnisse gezeigt, von
einer zusätzlichen stimulierenden Wirkung
dieser Medien ausgegangen werden. Dieser
das Lehr- und Lerngeschehen anregende
Effekt kann zunächst einmal der Faszination
der neuen Technik gegenüber zuzuschreiben
sein. Eine solche Begeisterung nützt sich
aber relativ schnell ab („Neuigkeitseffekt“)
und der mit dem Einsatz dieser virtuellen
Additive verbundene Mehraufwand lässt sich
in der Regel mit dem Hinweis auf diese Begeisterung allein nicht rechtfertigen. In fokussierten Gruppeninterviews mit Studierenden aus dem Projekt ITO gab es eine Reihe
von Hinweisen, dass der Einsatz neuer Medien - und hier insbesondere des Programms PowerPoint zu Zwecken der Visualisierung (was so neu auch wieder nicht ist) –
durch allzu häufige Anwendung oder mangelnde didaktische Einbettung gänzlich ins
Gegenteil des ursprünglich Beabsichtigten
verkehrt werden kann. Wir sprachen in diesem Zusammenhang von einer aufkommenden „PowerPoint-Müdigkeit“.
Es ist mittlerweile allgemeiner Kenntnisstand, dass virtuelle Medien für sich genommen nur neue Werkzeuge zur Unterstützung
der Lehre und des Lernens sein können. Ob
sie zu einer Aufwertung des Lehr- und Lerngeschehens beitragen hängt, das haben unse-
Zur Evaluation von Lehr– und Lernprozessen in mehr oder weniger virtualisierten Lernumgebungen
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L U D W I G S B U R G E R B E I T R Ä G E Z U R M E D I E NP Ä D A G O G I K
re Evaluationsergebnisse gezeigt, von einer
Reihe entscheidender Faktoren ab:
- Neben motivierten Lehrpersonen, für die die
Anreicherung ihrer Veranstaltungen mit
Multi- oder Telemedia meist mit einem
erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand
verbunden ist, kommt es auf eine entsprechende Motivation der Lernenden an. Dem
Lernen mit neuen Medien sollte insbesondere nicht mit grundsätzlichen Abneigungen diesen technischen Neuerungen gegenüber, sondern kompetent („Medienkompetenz“) begegnet werden.
- Es darf nicht davon ausgegangen werden,
dass die Wirkungen der eingesetzten virtuellen Medien von diesen Medien selbst
ausgehen. Sie entfalten sich nur auf der
Basis der dem Einsatz dieser Medien
zugrunde liegenden didaktischen Konzepte.
Also nicht die Medientechnologie ist es,
die lernwirksam ist, sondern die mediale
und didaktische Aufbereitung von Inhalten.
- Zur Aufrechterhaltung oder Steigerung
der Motivation unter den Studierenden
sollten bestimmte Qualitätskriterien für den
erfolgreichen Einsatz virtueller Medien im
Lehr- und Lerngeschehen, wie etwa eine
entsprechende inhaltliche Gestaltung oder
ein angemessener Einsatz von Wahrnehmungs-, Erschließungs- oder Verarbeitungshilfen erfüllt werden.
- Da der Koordinationsaufwand in virtuellen Lehrveranstaltungen und insbesondere
bei Online-Kooperationen oftmals größer
ist als in herkömmlichen Veranstaltungsformen, sollte darauf geachtet werden,
dass sich für die Studierenden die Organisation von Interaktion und Kommunikation untereinander in einem vertretbaren
Aufwand bewegt und nicht zu Lasten der
eigentlichen inhaltlichen Auseinandersetzung geht.
- Die für einen Einsatz in virtuellen Lehrund Lernszenarien gewählte Technik sollte
nicht allzu fehleranfällig sein, da Mängel
bei Hard- und Software zu unnötigen
Reibungsverlusten im Veranstaltungsablauf und – wie unsere Erhebungen gezeigt
haben – zu negativen emotionalen Befindlichkeiten (Ärger, Frustration, Langeweile)
bei den Studierenden führen können.
- Außerdem sollten die Lehrenden mit der
eingesetzten Technik gut vertraut sein und
den Studierenden vor Semester- oder Studienbeginn die Möglichkeit einer einführenden Auseinandersetzung damit gegeben werden.
Essentials für eine qualitative Aufwertung der Lehre durch virtuelle
Medien
Interesse dem Fach und der Arbeit mit
virtuellen Medien gegenüber
- Motivation, sich mit neuen Inhalten und
mit virtuellen Medien auseinander zu setzen
- Ausreichende Kompetenz im Umgang mit
den neuen Medien („Medienkompetenz“)
- Ein dem Lerngegenstand angemessenes
methodisch-didaktisches Konzept
- Darauf aufbauend ein zweckmäßiger Einsatz virtueller Medien im Lehr- und Lerngeschehen.
Resumée
Die neuen Medien besitzen zweifelsohne das
Potenzial zu einer Erhöhung der Effizienz
und zu einer qualitativen Verbesserung des
Lehrens und Lernens. Steigerungen der Qualität in der Aus- und Weiterbildung können
besonders bei einer Umsetzung der Idee des
eigenverantwortlichen Lernens, bei der Förderung problemorientierten Lernens, zur Anregung und Anleitung kooperativen Lernens
und zur Gewährleistung instruktionaler Anleitung und Unterstützung über den Einsatz
dieser virtuellen Medien ermöglicht werden.
Durch die neuen Medien haben sich Möglichkeiten einer Virtualisierung des Lernens bis
hin zur Zukunftsvision rein virtueller Universitäten aufgetan.
Dennoch darf nicht übersehen werden, dass
nur die wenigsten Studierenden an rein virtuellen Studiengängen interessiert sind. So ist
aus vielen Befragungen von Erstsemestern
bekannt, dass die vordringlichsten Ziele von
Studienanfängern nicht Karrierebewusstsein,
Streben nach der besten Ausbildung, Zeitund Ortsungebundenheit oder Mobilität, sondern soziale Ziele wie der persönliche Kontakt
zu Kommilitonen, zu realen Lerngemeinschaften und zu ihren Professoren oder Dozenten
sind. Die hohen Abbrecherquoten (Dropoutraten) in virtuellen Lehr- und Lernszenarien
wie etwa in webbasierten Fernlehrgängen oder
Online-Seminaren lassen sich offensichtlich
auch trotz des Einsatzes von Tutoren oder
virtuellen Sprechstunden ursächlich auf die
mangelnde Förderung dieser sozialen Kontakte zurückführen. Auch erscheint es schwierig,
auf virtuellem Wege so etwas wie Studierfähigkeit zu erwerben, weshalb Studienanfänger
nicht von Beginn an in ein virtuelles Studium
aufgenommen werden sollten.
So ist es kaum verwunderlich, dass von ursprünglichen Visionen rein virtueller Hochschulen mehr und mehr abgerückt und die
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Alfred Hurst
AUSGABE 8 / 2006
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Vorteile und Potenziale des multi- oder telemedial unterstützten Lehrens und Lernens mit den
Vorteilen der Präsenzlehre in sinnvoller Weise
und orientiert an den Bedürfnissen und Voraussetzungen der Studierenden zu verknüpfen versucht wird.
Literatur
Hurst, A. (2004). Formative und summative Evaluation in multi- und telemedialen Lehr- und Lernkontexten. In: P. Göhner (Hrsg.), Online-gestütztes
Lehren und Lernen in informationstechnischen
Studiengängen. Münster: Waxmann.
Mayring, Ph., Gläser-Zikuda, M. & Hurst, A.
(2001). Qualitative Ansätze der Erforschung von Eigenproduktionen mit Medien am Beispiel von Tagebuchanalysen und Fallanalysen. In: H. Niesyto (Hrsg.),
Selbstausdruck mit Medien. München: kopaed.
Mayring, Ph. & Hurst, A. (2005). „Mixed Methods“-Ansätze zur Evaluation virtueller Lehr-/
Lernszenarien. In: Ch. Bescherer (Hrsg.), Einfluss
der neuen Medien auf die Fachdidaktiken.
Hohengehren: Schneider.
Mayring, Ph. & Hurst, A. (2005). Zur Evaluation
der akademischen Medienkompetenz. In: R. Vogel
(Hrsg.), Didaktische Konzepte der netzbasierten
Hochschullehre – Ergebnisse des Verbundprojektes „Virtualisierung im Bildungs-bereich“.
Münster: Waxmann.
Mayring, Ph. & Hurst, A. (2005). Qualitative Inhaltsanalyse. In: L. Mikos & C. Wegener (Hrsg.),
Handbuch „Qualitative Medienforschung“.
Opladen: UTB.
Alfred Hurst
Jahrgang 1958, Dipl.-Päd., Dipl.-Sozpäd.
Evaluation der beiden Forschungsprojekte
„Virtualisierung im Bildungsbereich (VIB)“ und
„Informations Technology Online (ITO)“
Laufende Promotion an der PH Ludwigsburg
(Prof. Mayring & Prof. Niesyto)
Leiter der Beruflichen Fortbildungszentren der
Bayerischen Wirtschaft (bfz) gGmbH am Standort Ravensburg
Zur Evaluation von Lehr– und Lernprozessen in mehr oder weniger virtualisierten Lernumgebungen
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