Präventive Wirkung hormoneller Kontrazeptiva bei menstrueller
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Präventive Wirkung hormoneller Kontrazeptiva bei menstrueller
FORTBILDUNG + KONGRESS HORMONELLE KONTRAZEPTION Präventive Wirkung hormoneller Kontrazeptiva bei menstrueller Migräne Vergleich der östrogenfreien Pille mit 75 µg Desogestrel mit dem Kombinationspräparat 150 µg Desogestrel plus 30 µg Ethinylöstradiol im Langzyklus H.-J. Ahrendt1, S. Kleinschmidt2, S. Kropf3, D. Kose3 Sind Schwankungen der Serum-Hormonspiegel ursächlich für die menstruelle Migräne, so müsste sich mit der östrogenfreien Pille oder mit einem Kombinationspräparat im Langzyklus bzw. in der Langzeiteinnahme eine effektive Prophylaxe betreiben lassen. Erfahrungen aus der Praxis lassen dieses Vorgehen als wirksame Option erscheinen. Eine Studie sollte jetzt detailliertere Informationen liefern. Etwa die Hälfte aller Frauen mit Migräne berichtet von einem Zusammenhang zwischen Menstruation und Migräne (3), davon liegt bei 14% eine alleinige menstruelle Migräne und bei 60–70 % eine menstruell assoziierte Migräne vor (6, 2). Die „menstruelle Migräne“ wurde in der Neuauflage der „Klassifikation für Kopfschmerzerkrankungen, Gesichtsneuralgien und Gesichtsschmerzen“ der International Headache Society (IHS) vom Jahr 2004 erstmals als eigenständige Kopfschmerzart aufgeführt (13). Danach ist die menstruelle Migräne ein anfallsartig auftretender, einseitiger, pulsierender Kopfschmerz ohne Aura, der ausschließlich innerhalb eines Zeitraumes von zwei Tagen vor bis zu drei Tagen nach der Menstruationsblutung in mindestens 66% der Zyklen auftritt (13, s. Kasten). Mögliche Be1 Frauenarztpraxis und Tagesklinik, Magdeburg 2 Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Magdeburg 3 Institut für Biometrie und Medizinische Informatik, Medizinische Fakultät der Otto-von-GuerickeUniversität, Magdeburg 1186 FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 gleitsymptome können Übelkeit, Erbrechen, Phonophobie und Photophobie sein (13, 7). Sowohl der Kopfschmerz als auch die Begleitsymptome sind bei der menstruellen Migräne meist intensiver und länger anhaltend, als dies bei der klassischen Migräne mit Aura der Fall ist (3, 5, 7, 14). Von einer „menstruell assoziierten Migräne“ spricht man, wenn zusätzlich noch Migräne-Attacken zu anderen Zeiten des Zyklus auftreten, meist in der Zyklusmitte (13, 7). In der vorliegenden Arbeit werden wegen der Gleichartigkeit des präventiven Herangehens beide Gruppen unter dem Begriff „menstruelle Migräne“ zusammengefasst dargestellt. Abfall der Hormonspiegel als Auslöser Das Haupterkrankungsalter sowohl der menstruellen Migräne als auch der Migräne ohne Aura liegt zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr, das der klassischen Migräne mit Aura zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr (12). Ätiologisch scheint der physiologische prämenstruelle Abfall der Serum-Östrogen- und Serum-Gestagen-Spiegel als Trigger zu fungieren. Initial hohe Östrogenspiegel sind Definitionen Menstruelle Migräne Migräne ohne Aura 2 Tage vor der Menstruation bis 3 Tage nach der Menstruation in 66% aller Zyklen Menstruell assoziierte Migräne Migräne ohne Aura 2 Tage vor der Menstruation bis 3 Tage nach der Menstruation und an anderen Tagen in mehr als 66% der Zyklen vermutlich eine Voraussetzung für die Entstehung der Migräneattacken. Für Gynäkologen ergibt sich als therapeutische bzw. präventive Option, die Absenkung der Serum-Hormonspiegel zu vermeiden. Dabei haben sich folgende Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis bewährt: – Einnahme von 1 Tablette Ethinylöstradiol oder Anwendung eines Östradiolpflasters in der Pillenpause bei konventioneller Einnahme eines oralen hormonalen Kontrazeptivums (OC), – Anwendung eines Kombinationspräparates im Langzyklus oder besser als Langzeiteinnahme ohne jede Pillenpause, – Anwendung einer östrogenfreien Pille, bei der eine tägliche Einnahme ohne jede Pause von vornherein vorgesehen ist. Bisher liegen jedoch keine durch Studien gesicherten Daten vor, die die Effektivität der genannten Möglichkeiten für die Prävention der menstruellen Migräne belegen. Deshalb führten wir dazu im Zeitraum von Januar 2005 bis Mai 2006 eine pro- Screening auf menstruelle Migräne n=92 nicht randomisiert n=28 keine Angabe von Gründen n=10 keine starke Migräne n=4 keine menstruelle Migräne n=4 therapiepflichtige Hypertonie n=6 Oligomenorrhoe n=2 Gravidität n=1 Hypermenorrhoe bei großem Uterus myomatosus n=1 Bedenken wegen Langzyklus n=3 Randomisierung/Behandlung n=64 östrogenfreie Pille n=33 Drop-out in den ersten 12 Wochen n=2 Verstärkung der Migräne n=1 starke Zusatzblutungen n=1 Drop-out in den zweiten 12 Wochen n=4 Akne n=2 psychosomatische Probleme n=1 Kombinationspräparat n=31 abgeschlossen n=27 Drop-out in den ersten 12 Wochen n=7 Dauerblutungen n=2 Thrombophlebitis n=1 Hypertonie n=1 starke Zusatzblutungen n=1 psychosomatische Probleme n=1 niedrige Compliance n=1 Drop-out in den zweiten 12 Wochen n=4 Dauerblutungen n=3 keine Compliance n=1 abgeschlossen n=20 komplette Behandlung n=47 Abb. 1: 64 von 92 gescreenten Frauen erfüllten die Einschlusskriterien, 47 schlossen die Studie ab. spektive, offene, nicht kontrollierte Studie durch. Östrogenfreie Pille vs. Kombinierte Orale Kontrazeption im Langzyklus Untersucht wurde die östrogenfreie Pille Cerazette mit 75 µg Desogestrel in Bezug auf die wirksame Vermeidung der menstruellen Migräne im Vergleich mit der kontinuierlichen Einnahme eines Kombinierten Oralen Kontrazeptivums (KOK) mit 150 µg Desogestrel und 30 µg Ethinylöstradiol (Marvelon) im Langzyklus über sechs Monate. Beide hormonellen Kontrazeptiva enthalten als Gestagen Desogestrel in einer ovulationshemmenden Dosierung. Dadurch ist die volle kontrazeptive Sicherheit gewährleistet. Beide Präparate sind für die hormonale Kontrazeption zugelassen und stehen jedem Gynäkologen in der täglichen Praxis zur Verfügung. Der Behandlungszeitraum betrug pro Probandin 168 Tage. Dies entspricht sechs Blistern der östrogenfreien Pille bzw. acht Blistern des Kombinationspräparats. Die Randomisierung in die zwei Therapiearme erfolgte nach dem Losprinzip. Vorangestellt wurden zwei ScreeningZyklen von je 28 Tagen, um die Ausgangssituation der Beschwerden zu dokumentieren. In diesem Zeitraum wurden die allgemeine und gynäkologische Anamnese erhoben und eine gynäkologische Untersuchung mit Vaginalsonographie und zytologischem Zervixabstrich durchgeführt. Die Probandinnen erhielten Regelkalender, Migränetagebücher (modifiziert nach Göbel), Migräne-Fragebögen (nach Göbel) zur Erhebung der Migräne-Anamnese sowie Fragebögen zur Einschätzung des Stimmungszustands („The profile of mood states“ = POMS) und des Wohlbefindens („Psychological general well-being index“ = PGWBI), die jeweils während des letzten Blisters auszufüllen waren. FORTBILDUNG + KONGRESS Studiendesign und Gründe für das Ausscheiden Das primäre Studienziel war die Prävention der menstruellen Migräne: – Reduktion von Häufigkeit, Dauer und Intensität der Migräne; – Reduktion der Begleitsymptome: FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 1187 Sekundäre Studienziele waren: – Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität; – Informationen über das Blutungsverhalten; – Akzeptanz der Behandlung. Probandinnen Die Patientinnen wurden aus der eigenen Sprechstunde sowie durch Zeitungsinserate und Überweisung von Kollegen rekrutiert. Eingeschlossen wurden Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren mit menstrueller Migräne entsprechend der Definition der International Headache Society (IHS) (13) und einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18 und 29. Als Ausschlusskriterien galten Migräne mit Aura, Vorliegen von Kontraindikationen für hormonale Kontrazeptiva, die Einnahme oraler Kontrazeptiva im Langzyklus zum Zeitpunkt des Studienbeginns sowie die Einnahme der Minipille oder der östrogenfreien Pille zu Untersuchungsbeginn. Ebenso ausgeschlossen wurden Frauen, die zuvor Gestagen-Langzeitsysteme verwendet hatten. Von 92 gescreenten Frauen erfüllten 64 die Einschlusskriterien und wurden mittels Losverfahren der östrogenfreien Pille (n=33) oder der Kombinationspille (n=31) zugeteilt (s. Abb. 1 auf S. 1187). 47 Frauen beendeten die Studie. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen befand sich in der Altersgruppe zwischen 35 und 44 Jahren. Statistische Auswertung Die ausgewerteten Daten umfassten einen Zeitraum von 56 Tagen während des Screenings und 168 Tagen während der Medikationszeit. Die Beurteilung erfolgte jeweils nach 28 Tagen während zwei Screening- und sechs Behandlungsmonaten (Screeningmonat 1, Screeningmonat 2, Behandlungsmonat 1, 2, usw. bis Behandlungsmonat 6). 1188 FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 Die statistische Analyse der Daten wurde mit nichtparametrischen Verfahren durchgeführt, da eine Normalverteilung der Daten nicht angenommen werden konnte. Mittels eines Friedman-Tests wurde geprüft, ob bei den untersuchten Variablen während des jeweiligen Beobachtungszeitraums eine signifikante Veränderung vorlag (Signifikanzniveau α= 0,05). Anschließend prüfte man mit dem Wilcoxon-Test, welche Zeiten (zwei Screening- und sechs Behandlungsmonate) sich signifikant voneinander unterschieden. Diese beiden Testverfahren wurden jeweils innerhalb der einzelnen Medikationsgruppen in einer exakten Berechnung anhand der Monte-Carlo-Methode durchgeführt. Zudem folgte ein Mann-Whitney-U-Verfahren zum Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Studienarmen zum jeweiligen Zeitpunkt. Ergebnisse Häufigkeit der Migräne Durchschnittlich traten vor Behandlungsbeginn an 4,5 Tagen im Monat Migräne-Attacken bei den Probandinnen beider Medikationsgruppen auf. Unter der Behandlung reduzierte sich die Häufigkeit der Migräneattacken in beiden Behandlungsgruppe hochsignifikant (p<=0,001). Eine signifikante Abnahme trat unter der östrogenfreien Pille erstmals im zweiten Einnahmemonat auf und unter dem Kombinationspräparat einen Monat später (s. Abb. 2). Dauer der Migräne Die Kopfschmerzdauer sank kontinuierlich unter Gabe der östrogenfreien Pille von 12,00 Stunden/Tag auf 5,39 Stunden/Tag. Dagegen nahm die Dauer der Migräne-Attacken unter dem Kombinationspräparat weniger stark ab (von 12,48 auf 8,60 Stunden/ Tag). Dies fällt besonders deutlich auf, wenn man die Ausgangssituation des Screenings bei 100% festlegt (s. Abb. 3). Über den gesamten Zeitraum betrachtet waren die Veränderungen bezüglich der mittleren Migränedauer bei beiden Präparaten hochsignifikant (jeweils p<0,001). Im Intergruppenvergleich zeigte sich im vierten Anwendungsmonat eine signifikante Überlegenheit der östrogenfreien Pille im Vergleich zum Kombinationspräparat (p=0,002). Unter der östrogenfreien Pille reduzierte sich bei 67,7% der Probandinnen die Dauer der Migräne um mehr als 50% und bei 9,7% um weniger als 50%. Nur 12,9% hatten keinen Benefit. Unter der Kombinationspille dagegen hatten nur 34,8% eine Besserung von mehr als 50% und 26,1% gar keinen Vorteil. Veränderung der Kopfschmerzhäufigkeit 5 Mittlere Kopfschmerzhäufigkeit in Tagen FORTBILDUNG + KONGRESS Übelkeit, Erbrechen, Photophobie, Phonophobie; – Reduktion der Anwendung zusätzlicher Analgetika. östrogenfreie Pille p<0,001 Kombinationspräparat p=0,001 4 3 2 1 0 Screenings Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Beobachtungszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 2: In beiden Gruppen ging die Häufigkeit der Migräneattacken signifikant zurück. Mittlere Kopfschmerzdauer 100 % östrogenfreie Pille p<0,001 Kombinationspräparat p<0,001 80 60 40 20 0 Screenings Monat 1 Monat 2 Monat 4 Monat 3 Beobachtungszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 3: Die Dauer der Migräne-Attacken ging unter beiden Präparaten signifikant zurück, unter der östrogenfreien Pille jedoch deutlich stärker. Veränderung der Kopfschmerzintensität 100 Mittlere Kopfschmerzintensität FORTBILDUNG + KONGRESS Veränderung der Kopfschmerzdauer % östrogenfreie Pille p<0,001 Kombinationspräparat p<0,001 80 60 40 20 0 Screenings Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Beobachtungszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 4: Deutliche Rückgänge wurden auch bei der Kopfschmerzintensität nachgewiesen. Intensität der Migräne Bezüglich der mittleren Kopfschmerzintensität, die sowohl Häufigkeit als auch Stärke der Migräne gemittelt über den Zyklus beinhaltet, zeigte sich unter der östrogenfreien Pille bereits nach zwei Monaten eine signifikante Abnahme (p=0,004) (s. Abb. 4). In der Kombinationsgruppe waren in diesem Zeitraum noch keine signifikanten Unterschiede zu beobachten (p=0,051). Dieser Trend setzte sich unter der östrogenfreien Pille bis zum vierten Anwendungsmonat fort. Bei 67,7% der Probandinnen in der östrogenfreien Gruppe nahm die 1190 FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 Kopfschmerzintensität um mehr als 50% ab, bei 16,1% um weniger als 50% und nur bei 9,7% überhaupt nicht. Unter dem Kombinationspräparat war nur bei 30,4% der Anwenderinnen ein Rückgang um mehr als 50% zu beobachten und bei 47,8% von weniger als 50%. Bei 17,4% trat keinerlei Verbesserung ein. Übelkeit Im Screening litten 67,7% (21 von 31) der Probandinnen im östrogenfreien Studienarm unter Übelkeit, 82,6% (19 von 23) im KombinationsStudienarm. Unter der Medikation nahmen sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität in beiden Gruppen signifikant ab. Im letzten Monat waren es nur noch 22,6% (7 von 31) unter der östrogenfreien Pille und 39,1% (9 von 23) unter der Kombinationspille (s. Abb. 5 auf S. 1191). Dabei waren diese Effekte unter der östrogenfreien Pille deutlicher als beim Kombinationspräparat. Dieser signifikante Vorteil für die östrogenfreie Pille zeigte sich im ersten Behandlungsmonat bei der Testung auf Intergruppenunterschiede (p=0,017). Erbrechen Im Screening trat bei 32,3% der Probandinnen in der östrogenfreien Gruppe (10 von 31) sowie bei 30,4% in der Kombinations-Gruppe (7 von 23) Erbrechen auf. Im östrogenfreien Studienarm ergab sich eine signifikante Reduktion der Beschwerden um etwa 80% (p=0,004). Im Kombinationsarm trat dagegen keine Verbesserung dieser Symptomatik auf. Photophobie und Phonophobie Auch diese beiden Begleitsymptome besserten sich signifikant unter der Behandlung. Die Intensität der Photophobie verringerte sich gleichermaßen unter beiden Medikationen bereits im ersten Behandlungsmonat signifikant (östrogenfreie Pille: p=0,005, Kombinationspille: p=0,001). Die Abnahme betrug im sechsten Einnahmemonat 78% in der östrogenfreien Gruppe und 61% beim Kombinationspräparat (s. Abb. 6 auf S. 1191). Auch die Symptome der Phonophobie reduzierten sich bereits während des ersten Behandlungszeitraums in beiden Medikationsgruppen signifikant (jeweils p<0,001). Die Abnahme der Intensität der Lärmscheuheit betrug im sechsten Behandlungsmonat 64% (östrogenfreie Pille) bzw. 37% (Kombinationspräparat). Zusätzliche Analgetika-Anwendung Bedingt durch die starke Reduzierung von Häufigkeit, Dauer und Intensität der Migräneattacken und ihrer Be- Mittlere Übelkeitsintensität 100 % östrogenfreie Pille p<0,001 Kombinationspräparat p=0,006 80 Zusammenfassung und Diskussion 60 40 20 0 Screenings Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Beobachtungszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 5: Bereits nach einem Monat war der Rückgang der Übelkeit unter der östrogenfreien Pille deutlich nachweisbar. Veränderung der Photophobie-Intensität Mittlere Photophobie-Intensität 100 % östrogenfreie Pille p<0,001 Kombinationspräparat p<0,001 80 60 40 20 0 p< 0,001, Kombinationspille: p=0,005). Auch der Gesamt-Score des Wellbeing-Index verbesserte sich im Behandlungszeitraum für beide Medikationen gleichermaßen signifikant (p=0,001). Screenings Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Beobachtungszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 6: Das Symptom Photophobie besserte sich in beiden Gruppen innerhalb kurzer Zeit signifikant. gleitsymptome wurden von den Probandinnen weniger Analgetika zusätzlich eingenommen. Der Rückgang der mittleren Einnahmehäufigkeit von Analgetika über den gesamten Beobachtungszeitraum war für beide Medikationen statistisch signifikant (östrogenfreie Pille: p<0,001; Kombinationspille: p=0,033). Eine detaillierte Analyse ergab, dass die signifikante Veränderung unter der östrogenfreien Kontrazeption früher eintrat als unter dem Kombinationspräparat im Langzyklus. Im sechsten Anwendungsmonat nahmen nur noch 24% der Patientinnen mit der östrogenfreien Pil- In der vorliegenden Studie wurde die Effektivität der östrogenfreien Pille mit 75 µg Desogestrel mit der kontinuierlichen Einnahme eines Kombinierten Oralen Kontrazeptivums mit 150 µg Desogestrel und 30 µg Ethinylöstradiol im Langzyklus über sechs Monate in Bezug auf die Reduzierung von Häufigkeit, Dauer und Intensität der menstruellen Migräne und ihrer Begleitsymptome verglichen. Unter beiden Medikationen kam es zu einer signifikanten Reduktion der Häufigkeit, Intensität und Dauer der menstruellen Migräne. Der Rückgang der Kopfschmerzhäufigkeit war in beiden Medikamentengruppen signifikant (p<=0,001). Das Auftreten von Kopfschmerzen reduzierte sich in beiden Gruppen von im Median vier auf zweieinhalb Tage je Zyklus. Vor allem verringerte sich die Häufigkeit der starken Schmerzmaxima. Diese Effekte waren unter der östrogenfreien Kontrazeption deutlicher und traten früher auf. 25% der Probandinnen wurden unter der östrogenfreien Pille absolut schmerzfrei. Bei knapp 70% der Probandinnen nahmen die FORTBILDUNG + KONGRESS Veränderung der Übelkeitsintensität le zusätzlich Analgetika ein, aber 63% der Patientinnen mit der Kombinationspille im Langzyklus. Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden Als weiteres migränebedingtes Merkmal wurde zusätzlich die Einschränkung der Leistungsfähigkeit in Stunden pro Tag beurteilt. Unter beiden Medikationen traten signifikante Verbesserungen der Leistungsfähigkeit bei allen Untersuchungsgrößen wie Intensität, Maxima, Häufigkeit über den gesamten Beobachtungszeitraum ein (östrogenfreie Pille: FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 1191 FORTBILDUNG + KONGRESS Migräneattacken um mehr als 50% ab. Auch die Intensität der Kopfschmerzen reduzierte sich unter der östrogenfreien Pille deutlicher als unter dem Kombinationspräparat. Bei 67,7% der Patientinnen im östrogenfreien Studienarm trat eine Verringerung der Schmerzintensität um mehr als 50% ein, dagegen nur bei 30,4% der Patientinnen unter dem Kombinationspräparat. Die mittlere Kopfschmerzdauer verringerte sich unter der östrogenfreien Pille auf unter ein Drittel, bei der Kombinationsmedikation auf etwa 60%. Die Ergebnisse waren in beiden Gruppen signifikant. Die mittlere Kopfschmerzintensität reduzierte sich unter der östrogenfreien Pille um über 60%, unter der Kombinationspille um etwa 30%. Vergleicht man die Ergebnisse der vorliegenden Studien mit den Daten der Untersuchungen, die Triptane zur Prophylaxe der menstruellen Migräne eingesetzt haben, ist zu erkennen, dass sich mit der östrogenfreien Pille ähnlich gute Effekte in Bezug auf die Prävention bzw. Verringerung von Häufigkeit, Intensität und Dauer der menstruellen Migräne erzielen lassen (9, 10). Neben der effektiven Prophylaxe der menstruellen Migräne bietet die östrogenfreie Pille den Vorteil der sicheren Kontrazeption, welcher für die meisten Frauen dieser Altersgruppe von großer Bedeutung ist. Relativ neu für die Prophylaxe der menstruellen Migräne ist die Anwendung der östrogenfreien Pille. Östrogenfreie Pillen haben den Vorteil, nicht nur zyklusabhängige Beschwerden wie menstruelle Migräne, Dysmenorrhoe und prämenstruelles Syndrom zu beseitigen oder zu vermeiden, sondern auch östrogenbedingte Nebenwirkungen in Form von Ödemen und Mastodynie zu verbessern. Das getestete östrogenfreie Präparat enthält 75 µg Desogestrel und bewirkt damit als einzige östrogenfreie Pille über eine 1192 FRAUENARZT 48 (2007) Nr. 12 zentrale Inhibition der Hypothalamus-Hypophyse-Ovar-Achse eine Hemmung der Ovulation. Die vorliegende Studie zeigt, dass sowohl die Migränehäufigkeit, die Migränedauer und die Migräneintensität als auch deren begleitende Symptome sowohl unter der Kombinationspille als auch unter der östrogenfreien Pille signifikant gebessert wurden. Dabei waren die Behandlungseffekte unter der östrogenfreien Pille meist signifikant stärker ausgeprägt und setzten früher ein. Das spricht dafür, dass die östrogenfreie Pille für die Prophylaxe der menstruellen Migräne geeignet ist. Literatur 1. Collaborative Study Group on the Desogestrel-containing Progestogen-only Pill: A double-blind study comparing the contraceptive efficacy, acceptability and safety of two progestogen-only pills containing desogestrel 75 micrograms/day or levonorgestrel 30 micrograms/day. Eur J Contracept Reprod Health Care 3 (1998) 169–178. 2. Allais G, Benedetto C: Updates on menstrual migraine: from clinical aspects to therapeutic strategies Neurol Sci 25 (2004) S229–S231. 3. 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